die Solarenergie feiert ein Comeback in Europa – nicht zuletzt wegen des drohenden Gaslieferstopps. Die EU-Kommission will die Sonnenenergie künftig stärker zur Wärmegewinnung in der Industrie nutzen. Zuletzt war, vor allem im Gebäudebereich, die Photovoltaik-Technologie auf dem Vormarsch. Welche Hindernisse noch für den Ausbau des Solarsektors in Europa aus dem Weg geräumt werden müssen, hat Manuel Berkel analysiert. Am Freitag ist es so weit: Nach mehreren Versuchen findet das Treffen zwischen den Vertretern der Europäischen Union und China statt. Virtuell und mit wenig Aussicht auf wirkliche Ergebnisse. Aber in der derzeitigen Situation, gemeint ist vor allem Putins Angriffskrieg in der Ukraine, sei das Treffen allein schon ein Erfolg, sagte Tim Rühlig, Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), im Vorfeld. Auch wegen der Spannungen zwischen China und Litauen ist das Gipfeltreffen von großer Bedeutung, wie Amelie Richter schreibt.
Zum bevorstehenden Gipfel hat sich auch der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer geäußert. Er sieht den Gipfel als richtungsweisend für die künftigen EU-China-Beziehungen an. Bütikofer ist, wie Sie im heutigen Portrait nachlesen können, ausgewiesener China-Experte – und steht deshalb auf der Liste unerwünschter Personen auf chinesischem Boden.
In der geplanten Aktualisierung der Richtlinie über Industriemissionen will die EU-Kommission festlegen, dass die Mitgliedsstaaten die Genehmigungsbedingungen für industrielle Anlagen künftig öffentlich zugänglich machen müssen, inklusive geltender Emissionsgrenzwerte. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Die EU-Kommission setzt auf eine stärkere Nutzung der Wärmegewinnung aus Sonnenenergie. “Jetzt ist der Moment, die Solarthermie stärker in den Blick zu nehmen – auch bei Industrieprozessen”, sagte Hans van Steen, Hauptberater für die Erneuerbaren-Strategie der Generaldirektion Energie, bei einer Veranstaltung zur geplanten Solarstrategie.
Mit dramatisch gesunkenen Preisen für die konkurrierende Photovoltaik war Solarthermie in den vergangenen Jahren immer weiter ins Hintertreffen geraten. Für Raumwärme setzen viele Gebäudeeigentümer aus Kostengründen inzwischen auf Solarstrom zur Wärmeerzeugung. Mit einem drohenden Gaslieferstopp winkt nun ein neuer Business-Case für Solarthermie als Prozesswärme in der Industrie.
Solarthermie könne in der Industrie einen Teil des Gasverbrauchs ersetzen, sagte auch Catharina Sikow-Magny, Direktorin für Grünen Übergang und Energiesystemintegration in der GD Energie. Ein weiterer Vorteil: Solare Wärme lässt sich saisonal speichern. Aber auch für Photovoltaik-Strom sieht Sikow-Magny Möglichkeiten, Erdgas bei der Wärmeerzeugung zu ersetzen – in Kombination mit elektrischen Wärmepumpen oder als Energiequelle für die Elektrolyse von Wasserstoff.
Die installierte Photovoltaikleistung will die Kommission bis 2030 gegenüber 2020 verdreifachen. Industriepolitisches Ziel ist dafür der Wiederaufbau und die massive Erweiterung der europäischen Produktion von Modulen und Komponenten. Den Löwenanteil importiert Europa derzeit aus China. Nachdem der Angriffskrieg Russlands Europas Abhängigkeiten in der Energieversorgung dramatisch vor Augen geführt hat, wächst auch das Bewusstsein für Abhängigkeiten bei erneuerbaren Energien.
Die europäische Solarindustrie habe zwar keine Schwierigkeiten beim Zugang zum Vorprodukt Polysilizium, sagte der CEO des Herstellers Meyer Burger, Gunter Erfurt. “Wir brauchen aber andere Materialien und müssen sicherstellen, dass wir Zugang zu ausreichenden Mengen haben”, sagte er. Eine Erleichterung würde es Burger zufolge schon bedeuten, Zölle für Vorprodukte abzuschaffen oder eine Gleichbehandlung mit Modulimporten aus Asien herzustellen. Burger brachte außerdem finanzielle Hilfen ins Spiel sowie Abnahmegarantien von Energieversorgern für Module aus europäischer Produktion.
Eine weitere Forderung, eine transparente Kennzeichnung von Nachhaltigkeitsstandards entlang der Lieferkette, bringt die Kommission bereits auf den Weg. Solarmodule sollen in die Label-Verpflichtungen der Ökodesign-Richtlinie einbezogen werden, deutete Energiekommissarin Kadri Simson an. Am heutigen Mittwoch stellt die Kommission ein erstes Paket zur Kreislaufwirtschaft vor.
Zu finanziellen Hilfen hieß es, die USA würden derzeit milliardenschwere Subventionen für heimische Hersteller anschieben, berichtete Walburga Hemetsberger, CEO von Solar Power Europe. Als schädlich bezeichnete sie Pläne einiger Mitgliedsstaaten, Extragewinne von Stromerzeugern zu besteuern. Angesichts gestiegener Gaspreise hatten auch die Strompreise zugelegt, was Erzeugern mit geringen Kosten – darunter auch Solarparks – seit einigen Monaten hohe Profite beschert.
Mit einer Solardachinitiative sollten Photovoltaikanlagen auf allen neuen Gebäuden und bei allen Renovierungen verpflichtend werden, forderte Hemetsberger. In Deutschland debattiert die Bundesregierung derzeit noch über eine Pflicht für Neubauten. Um ausreichend Handwerker auszubilden, arbeitet Solar Power Europe an einer Qualifizierungsplattform, die Jobsuchende und Ausbildungsbetriebe zusammenbringen werde.
Großes Potenzial sahen mehrere Teilnehmer der Diskussion bei der Mehrfachnutzung von Flächen, zum Beispiel in der Landwirtschaft, und bei Fassaden. Werde nur ein Prozent der Agrarflächen gleichzeitig für Photovoltaik und Landwirtschaft genutzt (Agri-PV), entstehe ein Potenzial von 900 Gigawatt Leistung, rechnete Hemetsberger vor. Würden zehn Prozent der Wasserflächen in der EU für schwimmende Solaranlagen genutzt, kämen 200 Gigawatt hinzu. Hemetsberger forderte die Kommission deshalb auf, einen Rahmen für die Doppelnutzung von Flächen vorzulegen.
Photovoltaik müsse künftig als Infrastruktur innerhalb von und um Städte herum betrachtet werden, sagte Daniel Mugnier, Vorsitzender des IEA Photovoltaic Power Systems Programme, einer Forschungsinitiative der Internationalen Energieagentur. Platz sieht er zum Beispiel an Lärmschutzwänden und Zäunen in der Landwirtschaft. An Fassaden von Neubauten werde bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) stark zulegen, so Mugnier. In Städten seien vertikale Anlagen auch deshalb interessant, weil die Dachmontage schwieriger sei als bei Einfamilienhäusern im ländlichen Raum, ergänzte Hemetsberger.
Breite Unterstützung erhielten lokale Energiegemeinschaften für Solarenergie. Seit der Russland-Krise werden sie als Versicherung für Verbraucher:innen gegen hohe Energiepreise gesehen, ähnlich wie Power Purchase Agreements (PPAs) für Windparks für große Industrieunternehmen. Nachdem einige Energielieferanten wegen explodierender Preise Insolvenz anmelden mussten, habe es einen Run auf seine Energiegenossenschaft gegeben, berichtete Dirk Vansintjan, Präsident des Bürgerenergieverbands RESCoop.
Auch IEA-Experte Mugnier forderte, Energiegemeinschaften und solaren Eigenverbrauch zu stärken. Als Vorbild hob er “Energy Communities” in den USA hervor. Vermögende Haushalte, die sich Investitionen in Photovoltaik-Anlagen leisten können, teilen ihren Solarstrom dort mit einkommensschwächeren Haushalten.
Unterstützung findet die Idee bei den Linken im EU-Parlament. “Energy Communities können in Anbetracht der extrem hohen Energiepreise eine strukturelle Lösung im Kampf gegen Energiearmut darstellen”, sagte die deutsche Abgeordnete Cornelia Ernst zu Europe.Table. Dabei sollten auch Konzepte wie Mieterstrom und virtuelle Zähler berücksichtigt werden.
Die Eigentumsverhältnisse müssten als sicherheitsrelevant definiert werden, forderte Vansintjan von der Kommission und forderte sie auf, ein Rahmenwerk für lokale Photovoltaik-Projekte vorzulegen sowie einen Beschaffungsleitfaden für Stadtwerke und Kommunen.
Fast zwei Jahre ist es her, dass sich Vertreter der Europäischen Union und Chinas eigens zu einem Gipfeltreffen zusammengeschaltet haben. Im Jahr 2021 fiel das eigentlich jährlich angesetzte Treffen aus, immer wieder wurden mögliche Termine verschoben. Die Online-Konferenz am Freitag kommt für beide Seiten nun allerdings zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die 27 EU-Mitgliedstaaten “überdenken” ihre Beziehungen zu Peking in einem “neuen globalen Kontext”. Grund ist Chinas Zurückhaltung, die russische Invasion in der Ukraine zu verurteilen. Der Ukraine-Krieg wird das Treffen also bestimmen.
Teilnehmer auf EU-Seite sind Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und der Außenbeauftragte Josep Borrell. Die chinesische Seite wird von Staatschef Xi Jinping und Premier Li Keqiang vertreten.
Der Fokus liege auf der Ukraine, dem Engagement der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung der Ukraine, der humanitären Krise, die durch die russische Aggression verursacht wurde und den globalen Auswirkungen der Krise, teilte die EU-Kommission am Dienstag mit. Auch mit dabei: Die Stichworte Klimawandel, Biodiversität, Gesundheit – womit meist die Corona-Pandemie gemeint ist – sowie “Möglichkeiten zur Gewährleistung ausgewogenerer und wechselseitiger Handelsbeziehungen“.
Der letzte, schwammig gefasste Punkt umfasst womöglich Gespräche zum stillgelegten Investitionsabkommen CAI. Ebenfalls wichtig sind hier gegenseitige Sanktionen. Dazu kommen die zwei Anfragen der EU bei der Welthandelsorganisation gegen China. Eine davon betrifft die bisher beispiellose Handelsblockade gegen einen EU-Staat, nämlich Litauen. Brüssel will zudem eine Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China anregen.
Die drei EU-Vertreter werden der Tagesordnung des 23. EU-China-Gipfels zufolge am Vormittag zuerst Premier Li treffen, am Nachmittag dann Präsident Xi. Erwartet wird, dass EU-China-Handelsthemen eher mit Premierminister Li abgehandelt werden, um die Redezeit mit Staatschef Xi dann voll auf den Ukraine-Krieg zu konzentrieren. Brüssel will den Druck auf Peking, sich für konkrete Vermittlungen zwischen Russland und der Ukraine einzusetzen, weiter hochhalten.
Über die Möglichkeiten eines Waffenstillstands und humanitärer Korridore sprachen am Dienstag bereits Chinas Außenminister Wang Yi und der EU-Außenbeauftragte Borrell. Sie “einigten sich auf die Dringlichkeit, so schnell wie möglich zum Frieden auf dem europäischen Kontinent zurückzukehren” hieß es in einer EU-Mitteilung nach dem Gespräch.
Bereits vergangene Woche hatten die Staats- und Regierungschefs von EU, Nato und G7 bei einem Gipfelmarathon durch die Bank die klare Botschaft an China gesendet: Stellt euch auf die Seite des Westens und werdet aktiv. Peking hat sich davon allerdings nicht beeindrucken lassen.
Entsprechend überschaubar sind auch die Erwartungen, dass nun ausgerechnet der EU-China-Gipfel die Volksrepublik zum Handeln bewegen wird. China habe sich bisher sehr zurückhaltend und passiv verhalten, sagt Tim Rühlig, Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Ich sehe keine Anzeichen, dass sich das jetzt zum Gipfel ändern wird.” Da das Treffen virtuell stattfinde, fehle zudem die wichtige zwischenmenschliche Dynamik, die manchmal noch entscheidende Änderungen anstoße.
Rühlig sieht die Lösung des Ukraine-Konflikts durch Verhandlungen auch als den präferierten Weg für Peking. Warum schaltet sich China dann nicht ein? “Was als akzeptabler Ausgang angesehen wird, ist sehr unterschiedlich in Europa und China”, erklärt Rühlig. Auch wie der russische Präsident Wladimir Putin aus den Verhandlungen kommt, ist dem DGAP-Wissenschaftler zufolge sehr wichtig für Peking und Xi. Und hier gebe es derzeit noch zu viele Unsicherheiten. Ein Problem für die Volksrepublik sei zudem, dass die Friedensverhandlungen derzeit generell eher verfahren seien.
Litauen, die WTO, Sanktionen, CAI – alle weiteren Themen sind komplex und werden sich kaum in einer Gesprächssitzung groß voranbringen lassen. Rühlig hat niedrige Erwartungen: “Es wird im Prinzip keine Ergebnisse geben”. Allein, dass es nun endlich zu diesem Gipfeltreffen komme, sei bereits ein Erfolg, so Rühlig.
Der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer sieht den Gipfel am Freitag – auch gegebenenfalls in Ermangelung großer Fortschritte – als richtungsgebend für die künftigen EU-China-Beziehungen. “Ich hoffe, die EU-Vertreter werden sich stark dafür einsetzen, China verständlich zu machen, dass die EU von ihnen erwartet, dass sie sich der Unterstützung Russlands enthalten”, sagte Bütikofer am Dienstag.
Er sieht jedoch die Möglichkeit, China von Russland noch loszulösen bereits als vergeben und fordert eine gänzlich neue Herangehensweise in der Politik gegenüber der Volksrepublik. Brüssel müsse beim Gipfel klarmachen, dass die Volksrepublik es nun und in Zukunft mit einer geeinteren Europäischen Union zu tun habe als in der Vergangenheit, so Bütikofer.
Und die chinesische Seite? Die könnte mit ganz anderen Einstellungen als die EU in das Treffen gehen. Es gebe eine “Asymmetrie von Erwartungen und Prioritäten”, sagt Mathieu Duchâtel, Direktor des Asien-Programms der französischen Denkfabrik Institut Montaigne. Er gehe davon aus, dass China keine besonderen Erwartungen habe – außer die wichtigsten “Hürden”, die aus chinesischer Sicht überwunden werden müssen und die ohnehin seit längerem bekannt seien.
Eine davon sei das “Taiwan-Büro” in der Hauptstadt Vilnius. “Sie brauchen einen Gewinn gegen Litauen, wenn es um die Namensgebung geht”, nennt Duchâtel als Beispiel. Vilnius und Peking streiten sich seit vergangenem Jahr über den Namen des “Taiwan-Büros” in der litauischen Hauptstadt. Auch die Ratifizierung des CAI und eine Rücknahme der Sanktionen seien Prioritäten der Chinesen. “Aber das steht ganz klar nicht auf der Tagesordnung”, so Duchâtel.
Namensänderung in Vilnius gegen Druck in Richtung Moskau? Peking sei klar, dass es auf europäischer Seite ein hohes Interesse gebe, von Peking eine “bestimmte diplomatische Sprache” zum Ukraine-Krieg zu bekommen, sagt Duchâtel. Dass China die zugesprochene Macht im Ukraine-Krieg nun nutzen könnte, um den anderen Wünschen nach- oder zumindest nahe zu kommen, denkt Duchâtel aber nicht. Sicher wisse man nie, welche Deals vorgeschlagen würden. Dieses Vorgehen sähe für China und die EU jedoch nicht gut aus und sei eher nicht erfolgreich. Sollte Peking seine Position und Sprache ändern, sei das eher aus anderen Gründen der Fall, ist sich Duchâtel sicher.
Chinas Botschafter in Frankreich, Lu Shaye, sagte am vergangenen Wochenende, Peking habe keine großen Erwartungen an Durchbrüche in den Beziehungen zu Europa. “Wir hatten sehr große Hoffnungen in die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und der EU, als Frankreich Anfang dieses Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernahm. Aber manchmal können Hoffnungen mit den Veränderungen nicht Schritt halten”, zitierten chinesische Staatsmedien Lu.
Anfang April wird die Kommission einen Vorschlag für die Aktualisierung der Richtlinie über Industrieemissionen (IED) vorlegen. Aus einem Vorabentwurf, den Contexte am Dienstag veröffentlichte, wird deutlich, dass betroffene Anlagen künftig deutlich transparenter werden müssen, welche Auswirkungen ihre industriellen Prozesse auf Mensch und Natur haben.
Mit der 2010 eingeführten IED sollten industrielle Umweltverschmutzungen verhindert werden, indem unter anderem das Verursacherprinzip gestärkt und Regeln für die Genehmigung der Anlagen eingeführt wurden. Betroffen von der IED sind insbesondere Stromerzeugungsanlagen, Raffinerien, Abfallverarbeitungs- und verbrennungsanlagen, Metall-, Zement-, Papier- und Glasproduktionen, die chemische Industrie sowie Teile der Lebensmittelindustrie.
Eine Überprüfung der Richtlinie von 2020 hat laut der Kommission zwar ergeben, dass die IED die Schadstoffemissionen in Luft, Wasser und Boden reduziert hat. Doch würden die Zielvorgaben des IED in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich umgesetzt, wodurch das Instrument die Erreichung seiner Ziele behindere. Deshalb will die Kommission die Länder nun verpflichten, dass sie die Genehmigungsbedingungen für Anlagen, die unter die IED fallen, öffentlich zugänglich machen – inklusive der geltenden Emissionsgrenzwerte.
Außerdem soll es keine Ausnahmen mehr für die Einhaltung von Energieeffizienzvorgaben oder Emissionsgrenzen bestimmter Anlagen geben. Bislang können Mitgliedstaaten bei der Genehmigung Ausnahmen gewähren, sodass in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Anforderungen an die Anlagen gestellt werden können. Anlagenbetreiber sollen zudem bis Juni 2030 einen Plan zur Umstellung auf einen “sauberen, kreislauforientierten und klimaneutralen Betrieb” ausarbeiten. Chemische Anlagen sollen jedoch schon während des Übergangs auf “weniger giftige Chemikalien” zurückgreifen und zu einer verbesserten Ressourceneffizienz mit Energie, Wasser und Abfallvermeidung sowie einer größeren Kreislaufwirtschaft beitragen.
IED-Anlagenbetreiber, die sich nicht an die Regeln halten und dadurch Schaden für Mensch oder Natur verursachen, sollen gemäß dem Entwurf verpflichtet werden, Entschädigungen zu zahlen. Bisher war es den Mitgliedstaaten überlassen, Strafen für die Nicht-Einhaltung festzulegen. Die in der IED festgelegten Grenzwerte für Schwefeldioxid-, Stickstoffoxide- und Staubemissionen wurden von der Kommission allerdings nicht überarbeitet.
Am 5. April will die Brüsseler Behörde den Änderungsvorschlag offiziell im EU-Parlament in Straßburg vorstellen. luk
Innereuropäische und internationale Emissionen im Flug- und Schiffsverkehr sind nicht in das deutsche Emissionsbudget für den Verkehr aus dem Klimaschutzgesetz einberechnet. Laut einer Studie des Umweltdachverbands Transport & Environment (T&E) machen diese nicht berücksichtigten Emissionen über 90 Prozent der Gesamtemissionen der beiden Sektoren aus. Würden diese mit einbezogen, fielen die Gesamtemissionen des Verkehrssektors in Deutschland im Jahr 2021 knapp 20 Prozent höher aus.
Lediglich Inlandsflüge und inländische Schiffsrouten, die nur 8 Prozent der Emissionen des Luft- und Seeverkehrs ausmachen, seien einberechnet worden, schreibt T&E. Der Verband schließt daraus, dass das Klimaschutzgesetz “keine echte Klimaneutralität Deutschlands” im Jahr 2045 sicherstellen könne und fordert, Emissionen des Luft- und Seeverkehrs auf internationalem Gebiet in das nationale Klimabudget aufzunehmen. “Das Vereinigte Königreich hat bereits gezeigt, dass dies möglich ist“, erklärt Silke Bölts, Referentin für Luftverkehrspolitik bei T&E.
Auch bei den nationalen Reduktionszielen (NDCs) sind Länder nicht verpflichtet, internationale und transnationale Transportemissionen aufzuführen. Dadurch entstehen unsichtbare Emissionen, die in keiner Bilanz auftauchen und für deren Vermeidung nur schwer Investitionen aufzutreiben sein dürften. Die EU hat ein gemeinsames NDC von 55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 im Vergleich zu 1990.
T&E fordert, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass die EU die internationale Schifffahrt und den internationalen Flugverkehr in ihr NDC aufnimmt, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors voranzutreiben. Dies ist möglich, indem der Umfang der beiden Fit-for-55-Dossiers ReFuelEU Aviation und FuelEU Maritime vergrößert wird. luk
Bis Donnerstag will Präsident Wladimir Putin praktische Vorkehrungen treffen, um ausländische Unternehmen dazu zu zwingen, ihre Gasrechnungen in Rubel statt wie bisher in Euro oder Dollar zu bezahlen. Die G7-Staaten hatten Moskaus Forderungen diese Woche zurückgewiesen. Nun könnten Lieferunterbrechungen drohen.
Kreml-Sprecher Dmitry Peskov sagte am Dienstag vor Journalisten: “Niemand wird Gas umsonst liefern, das ist einfach unmöglich, und man wird es nur in Rubel bezahlen können.” Der Schritt hat heftige Kritik aus den europäischen Ländern hervorgerufen, die russisches Gas hauptsächlich in Euro bezahlen und der Meinung sind, dass Russland nicht berechtigt ist, Verträge neu zu gestalten. Der Rubel war nach den westlichen Sanktionen gegen Russland auf ein Allzeittief gefallen, hat sich inzwischen aber erholt.
US-amerikanische und deutsche Regierungsvertreter treffen sich diese Woche in Berlin mit Führungskräften aus der Energiewirtschaft, um über Möglichkeiten zur Verbesserung der deutschen Energieversorgung zu sprechen. Russlands Krieg in der Ukraine hat den Druck auf Europa erhöht, alternative Energiequellen zu finden. An dem vom US-Handelsministerium geleiteten Runden Tisch werden Führungskräfte von Flüssiggaslieferanten und Wasserstoffunternehmen teilnehmen, sagte ein amerikanischer Regierungsvertreter.
Bereits am gestrigen Dienstag haben das Energie-Unternehmen E.ON und sein australischer Partner FFI eine Energie-Partnerschaft geschlossen. Das erklärte Ziel ist, Wege zu schaffen, um bis 2030 die Lieferung von bis zu fünf Millionen Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr nach Europa zu realisieren. “Wir verschiffen unseren Sonnenschein nach Deutschland”, sagte FFI-Chef Andrew Forrest. Eine entsprechende Absichtserklärung sei unterzeichnet worden.
Erste Lieferungen des grünen Wasserstoffs soll Deutschland bereits 2024 erreichen, kündigte E.ON-Vorstand Patrick Lammers an. E.ON hat die Netze und die Kunden für den grünen Energieträger, FFI könnte ihn aus erneuerbaren Energien gewinnen und dann gen Europa verschiffen.
“Der Wettlauf um die Produktion und den Transport von grünem Wasserstoff im großen Maßstab hat Fahrt aufgenommen”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die Vereinbarung zwischen E.ON und FFI sei ein wichtiger Schritt. Beide Unternehmen seien nun in der “Pole Position”, um die deutsche Industrie mit grünem Wasserstoff zu beliefern. rtr
Ein Stopp russischer Energieimporte kann einer Studie zufolge eine ähnliche Wirtschaftskrise in Deutschland auslösen wie die Corona-Pandemie. Ein Embargo wegen des Einmarsches in der Ukraine führe zu einer langanhaltenden Rezession, die nach sechs Quartalen mit einem Minus von etwa drei Prozent ihren Höhepunkt erreiche, geht aus der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor.
“Die Schwere der Rezession ist demnach vergleichbar mit der Rezession, die durch die Corona-Pandemie verursacht wurde und kann dementsprechend mit zielgenauer makroökonomischer Wirtschaftspolitik deutlich begrenzt werden”, so die Autoren Christian Bayer, Alexander Kriwoluzky und Fabian Seyrich. Gleichzeitig würde ein Importstopp zu einem Anstieg der Inflation um bis zu 2,3 Prozentpunkte führen.
Durch ein Embargo würden hohe Kosten entstehen, um den Wegfall russischer Energieträger zu kompensieren. Darin enthalten seien aber auch ohnehin notwendige Investitionen für die Energiewende, die nun vorgezogen würden. “Eine stimulierende Fiskalpolitik, die hier Investitionsanreize setzt, kann daher die kurz- wie langfristigen Kosten mildern”, hieß es. Wichtig sei aber auch, dass die Politik die Wirtschaft auf einen Lieferstopp vorbereite, um die Schwere des möglichen Schocks abzuschwächen.
Die polnische Regierung hat am gestrigen Dienstag derweil einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der ein Importverbot für russische Kohle vorsieht, sagte ein Kabinettssprecher am Dienstag. “Wir wollen, dass diese Importe nicht mehr möglich sind, obwohl wir uns des Risikos bewusst sind, dass die Europäische Union solche Maßnahmen bisher nicht genehmigt hat”, sagte Piotr Muller vor Reportern in Warschau.
Sanktionen in der EU müssen in der Regel von der gesamten Handelsunion gebilligt werden. Brüssel könnte möglicherweise Länder bestrafen, die einseitig handeln. Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine hat Warschau die Europäische Union aufgefordert, russische fossile Brennstoffe in die Sanktionen einzubeziehen, die die EU gegen Moskau verhängt hat.
Russland dominiert die polnischen Kohleimporte, die etwa 20 Prozent des Inlandsverbrauchs ausmachen. Im Jahr 2020 wurden etwa 9,4 Millionen Tonnen russische Kohle nach Polen importiert, die hauptsächlich zum Heizen von Privathaushalten verwendet wurden. Das Land importiert außerdem etwa 50 Prozent seines Gases und über 60 Prozent des Öls aus Russland.
Muller sagte, Premierminister Mateusz Morawiecki werde im Laufe dieser Woche detaillierte Pläne zur Einstellung der russischen Energielieferungen bekannt geben. rtr
Elf EU-Länder, die bisher die Hauptlast der Flüchtlingswelle aus der Ukraine tragen, haben beim gestrigen Treffen der EU-Gesundheitsminister in Brüssel einen separaten EU-Fonds zur Unterstützung ihrer Gesundheitssysteme gefordert.
Der Zustrom von Menschen aus der Ukraine erhöhe den Druck auf die Gesundheitssysteme der Länder, die bereits durch die COVID-19-Pandemie belastet wurden, heißt es in der Erklärung, die unter anderem von Polen, Slowakei, Ungarn, der Tschechischen Republik sowie den baltischen Staaten unterschrieben wurde. Der polnische Gesundheitsminister Adam Niedzielski schätzte die Ausgaben pro eine Million Flüchtlinge auf 50 bis 70 Millionen Euro monatlich. Bisher seien über zwei Millionen Ukrainer:innen in Polen angekommen.
Die unterzeichnenden Mitgliedstaaten forderten die Europäische Kommission außerdem auf, die Aktivierung der Soforthilfe gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/369 vorzuschlagen, um die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge abzudecken. Darüber hinaus soll die Kommission benennen, welche Finanzierungsmechanismen von den Mitgliedstaaten noch genutzt werden könnten.
Die Forderung nach finanzieller Unterstützung der besonders betroffenen EU-Länder stieß bei den anwesenden Gesundheitsminister:innen grundsätzlich auf Verständnis. Den Vorschlag eines separaten Fonds auf der EU-Ebene nahmen einige Mitgliedstaaten jedoch verhalten auf. Es stehe außer Frage, dass eine angemessene finanzielle Unterstützung notwendig sei, sagte etwa der belgische Gesundheitsminister Magnus Heunicke. Bei der Prüfung müsste allerdings eine Reihe von Fragen beantwortet werden, beispielsweise nach den Bedingungen, die mit einer derartigen Unterstützung verbunden seien.
Die Gesundheitsminister von Dänemark und Österreich plädierten stattdessen für die Bereitstellung der finanziellen Hilfen aus dem bestehenden EU-Haushalt. “Unsere Überzeugung ist, dass die Unterstützung im Wege bereits bestehender Finanzierungsmechanismen erfolgen sollte”, sagte der österreichische Gesundheitsminister Johannes Rauch. “Diese sind vorhanden, funktionieren, sind gut eingespielt und sollten genutzt werden.” Deutschland will die Erklärung noch im Detail prüfen. “Im Geiste und im Wort ist es aber das, was wir benötigen”, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides appellierte an die Mitgliedstaaten, zunächst alle bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten zu nutzen. Sie kündigte ein Soforthilfepaket in Höhe von 500 Millionen Euro an. Zusätzlich sollen 420 Millionen Euro aus dem Fonds für innere Angelegenheiten zur Verfügung gestellt werden. Zudem könnten Gelder aus dem Kohäsionsfonds und dem europäischen Sozialfonds React-EU für die Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen genutzt werden. Man werde weitere Optionen prüfen, versprach sie.
Um die Mitgliedstaaten zu unterstützen, richte die Europäische Union in Zusammenarbeit mit der WHO an den Grenzen zur Ukraine Triage-Zentren ein, um Flüchtlinge, die eine medizinische Versorgung benötigen, aufzunehmen, berichtete Kyriakides. Anschließend würden sie in die Mitgliedstaaten transportiert, die am besten in der Lage sind, sie zu behandeln.
Die EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) hat nach Angaben der Gesundheitskommissarin rund 200.000 Diphtherie- und Tetanusimpfstoffe für die Ukraine gesichert. Über den Katastrophenschutzmechanismus der EU sollten zudem weitere 70.000 Dosen an Tschechien, die Slowakei und das Nicht-EU-Land Moldau gehen. Außerdem würden Impfstoffe gegen Masern, Polio, Tuberkulose und COVID-19 zur Immunisierung der ukrainischen Flüchtlinge, insbesondere der Kinder, eingekauft und verteilt. ank
Reinhard Bütikofer ist ein passionierter Schachspieler. Vor 50 Jahren hat er eine Stadtjugendmeisterschaft gewonnen. Als er damals simultan gegen einen internationalen Großmeister antrat, so erzählt er es jedenfalls, endete die Partie mit einem Remis. Wie er Schach spielt, so führt er auch seine Gespräche. Mal wirft er einem etwas hin, nimmt sich Zeit und wartet, in welche Richtung sich sein Gegenüber bewegt. Währenddessen beobachtet er einen, aufmerksam und geduldig. Natürlich trete er auch öfter gegen Parteifreunde an, sagt er. “Aber die meisten spielten nur einmal mit mir.”
Aufgewachsen ist der grüne EU-Parlamentarier im pfälzischen Speyer. Sein Vater war Postbeamter, seine Mutter Hausfrau. Als Erster in der Familie macht Bütikofer ein altsprachliches Abitur. 1971 schreibt er sich im rund 25 Kilometer entfernten Heidelberg ein und beginnt Philosophie, Geschichte, alte Geschichte und zeitweise Sinologie zu studieren. Es ist die Zeit der Studentenbewegung, Bütikofer wird später Mitglied bei der maoistischen Kommunistischen Hochschulgruppe (KHG) und beim Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW). Tagsüber diskutiert, debattiert und agitiert er. Abends geht er in die Kneipe – und spielt Schach.
Zwei Jahre danach kandidiert er als Studentenvertreter in der Fachgruppenkonferenz Philosophie – sein erstes politisches Amt. Anschließend geht er in die Kommunalpolitik. In Heidelberg initiiert er ein kommunalpolitisches Debattenforum, bei dem Linke, Ganz-Linke, Grüne, Liberale, Sozialdemokraten und Junge Unionler mitwirken. 1984 tauscht der 31-Jährige “Büti” den Hörsaal gegen das Rathaus und wird für die Grüne Alternative Liste in den städtischen Gemeinderat gewählt. “Ich habe damals durchaus Wert darauf gelegt, nicht zu verstecken, dass ich Langzeitstudent und beim KBW gewesen war”, erinnert er sich.
Ein Langzeitstudent, der später Karriere auf Landes- und Bundesebene und dann in der Europapolitik machen sollte. Dass er nie einen Hochschulabschluss machte, stört selbst die Universität Heidelberg nicht. Auf ihrer Seite steht sogar eine Biografie von ihm. In seiner Studienzeit beginnt er sich auch für China zu interessieren. Die Geschichte, die er dazu erzählt, geht so: 1970 radelt er mit einem Freund durch Großbritannien. In London regnet es furchtbar. Bütikofer flüchtet in eine Buchhandlung.
“Nach einer Stunde kam die Verkäuferin zu mir und fragte, ob ich nicht bemerkt hätte, dass der Regen vorbei sei.” Zwei Bücher aus einer Penguin-Serie hatten ihm es besonders angetan: “Teach yourself Swahili” und “Teach yourself Chinese”. Bütikofer kauft Letzteres und fängt noch während der Fahrradtour an, chinesische Zeichen zu kritzeln. Nichtsahnend, dass seine China-Expertise ihn 50 Jahre später noch auf die Sanktionsliste der Kommunistischen Partei Chinas bringen wird
Ende der 1980er-Jahre wird er in den baden-württembergischen Landtag gewählt und haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Auch in der Partei klettert er die Karriereleiter nach oben: 2002 wird Bütikofer Bundesvorsitzender der Grünen und versucht die innerparteilichen Gräben zwischen den Realos und den Linken zu kitten. Als er den Posten sechs Jahre später an den heutigen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir abtritt, schreibt ein Journalist über Bütikofers Amtszeit, dass er ein begnadeter Vermittler gewesen sei. Davon hätten nicht zuletzt seine hohen Telefonrechnungen gezeugt, die bei den Grünen als legendär galten.
Bütikofer geht unterdessen andere Wege: Er will in die Europapolitik. Dafür gibt es zwei Gründe. Noch heute sagt er: “Speyer, die Haardt, die Rheinebene, das ist meine Heimat.” Diese deutsch-französische Grenzregion, die lange Zeit umkämpft gewesen war, wüsste das Projekt der europäischen Einigung besonders zu schätzen. “Das prägt jemanden, der in diesen Zusammenhängen aufwächst.” Das andere prägende Erlebnis für ihn war die deutsche Einheit. Bütikofer will sich für ein europäisches Deutschland engagieren. Schließlich sei der Versuch, ein deutsches Europa zu schaffen, zweimal böse geendet.
In Straßburg und Brüssel erlebt er auch eine andere Politik, eine, die über Fraktions- und Landesgrenzen den Konsens suchen muss – anders als im Stuttgarter Landtag. “Mich hat mal der baden-württembergische Finanzminister Mayer-Vorfelder gefragt, warum ich meine Anträge so engagiert vortrüge, ich wisse doch ganz genau, man würde alles niederstimmen.” Und tatsächlich: In acht Jahren gewinnt er im Landtag genau eine Abstimmung. Eine derartige Ausgrenzung habe er bei der Arbeit im Europäischen Parlament nur von zwei Seiten erlebt, von den Rechtsradikalen und von der KP Chinas von Xi Jinping, sagt er und lacht.
Im vergangenen Jahr verbietet ihm die chinesische Partei das Festland, Hongkong oder Macao zu besuchen. Daraufhin twittert Bütikofer: “Aber es gibt ja noch Taiwan.” Und fügt einen Smiley hinzu.
Inzwischen ist er nicht nur als ausgewiesener China-Experte bekannt. Bütikofer twittert zu Nord Stream 2, zur EU-Taxonomie, zum Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial International in Russland. Zu den USA, zur Klima- und Handels- sowie zur deutschen Außenpolitik. Im China-Litauen-Konflikt, findet er, könne der deutsche Bundeskanzler noch stärker Position für Litauen beziehen – ähnlich wie es die EU bereits getan habe. Die Ampel-Vorstellung eines föderalen Europas mitsamt Vertragsreform hält er für durchaus realistisch, aber nicht mehr in dieser Legislaturperiode.
Fragt man ihn dann dazu, wie er denn die im Koalitionsvertrag verankerte “wertebasierte” und “feministische” Außenpolitik mit Leben füllen würde, dann sagt er zwar, er trage diese Begriffe nicht wie eine tibetanische Gebetsmühle vor sich her, aber nennt praktische Beispiele, etwa den Kampf gegen den zunehmenden Nationalismus. Das betrachte er mit großer Sorge.
Auf Dauer habe Deutschland allein keinen Löffel, der lang genug wäre, um gemeinsam mit den Großmächten aus einer Suppenschüssel zu essen. “Entweder wir bedienen uns des europäischen Löffels, oder wir kriegen nicht viel ab von der Suppe.” Eine europäische China-Politik, das sei ihm das Wichtigste an der Vereinbarung, die die Koalition zu dem Thema getroffen hat. Und vielleicht braucht es dafür auch keine neuen Begriffe. Pauline Schinkels
die Solarenergie feiert ein Comeback in Europa – nicht zuletzt wegen des drohenden Gaslieferstopps. Die EU-Kommission will die Sonnenenergie künftig stärker zur Wärmegewinnung in der Industrie nutzen. Zuletzt war, vor allem im Gebäudebereich, die Photovoltaik-Technologie auf dem Vormarsch. Welche Hindernisse noch für den Ausbau des Solarsektors in Europa aus dem Weg geräumt werden müssen, hat Manuel Berkel analysiert. Am Freitag ist es so weit: Nach mehreren Versuchen findet das Treffen zwischen den Vertretern der Europäischen Union und China statt. Virtuell und mit wenig Aussicht auf wirkliche Ergebnisse. Aber in der derzeitigen Situation, gemeint ist vor allem Putins Angriffskrieg in der Ukraine, sei das Treffen allein schon ein Erfolg, sagte Tim Rühlig, Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), im Vorfeld. Auch wegen der Spannungen zwischen China und Litauen ist das Gipfeltreffen von großer Bedeutung, wie Amelie Richter schreibt.
Zum bevorstehenden Gipfel hat sich auch der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer geäußert. Er sieht den Gipfel als richtungsweisend für die künftigen EU-China-Beziehungen an. Bütikofer ist, wie Sie im heutigen Portrait nachlesen können, ausgewiesener China-Experte – und steht deshalb auf der Liste unerwünschter Personen auf chinesischem Boden.
In der geplanten Aktualisierung der Richtlinie über Industriemissionen will die EU-Kommission festlegen, dass die Mitgliedsstaaten die Genehmigungsbedingungen für industrielle Anlagen künftig öffentlich zugänglich machen müssen, inklusive geltender Emissionsgrenzwerte. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Die EU-Kommission setzt auf eine stärkere Nutzung der Wärmegewinnung aus Sonnenenergie. “Jetzt ist der Moment, die Solarthermie stärker in den Blick zu nehmen – auch bei Industrieprozessen”, sagte Hans van Steen, Hauptberater für die Erneuerbaren-Strategie der Generaldirektion Energie, bei einer Veranstaltung zur geplanten Solarstrategie.
Mit dramatisch gesunkenen Preisen für die konkurrierende Photovoltaik war Solarthermie in den vergangenen Jahren immer weiter ins Hintertreffen geraten. Für Raumwärme setzen viele Gebäudeeigentümer aus Kostengründen inzwischen auf Solarstrom zur Wärmeerzeugung. Mit einem drohenden Gaslieferstopp winkt nun ein neuer Business-Case für Solarthermie als Prozesswärme in der Industrie.
Solarthermie könne in der Industrie einen Teil des Gasverbrauchs ersetzen, sagte auch Catharina Sikow-Magny, Direktorin für Grünen Übergang und Energiesystemintegration in der GD Energie. Ein weiterer Vorteil: Solare Wärme lässt sich saisonal speichern. Aber auch für Photovoltaik-Strom sieht Sikow-Magny Möglichkeiten, Erdgas bei der Wärmeerzeugung zu ersetzen – in Kombination mit elektrischen Wärmepumpen oder als Energiequelle für die Elektrolyse von Wasserstoff.
Die installierte Photovoltaikleistung will die Kommission bis 2030 gegenüber 2020 verdreifachen. Industriepolitisches Ziel ist dafür der Wiederaufbau und die massive Erweiterung der europäischen Produktion von Modulen und Komponenten. Den Löwenanteil importiert Europa derzeit aus China. Nachdem der Angriffskrieg Russlands Europas Abhängigkeiten in der Energieversorgung dramatisch vor Augen geführt hat, wächst auch das Bewusstsein für Abhängigkeiten bei erneuerbaren Energien.
Die europäische Solarindustrie habe zwar keine Schwierigkeiten beim Zugang zum Vorprodukt Polysilizium, sagte der CEO des Herstellers Meyer Burger, Gunter Erfurt. “Wir brauchen aber andere Materialien und müssen sicherstellen, dass wir Zugang zu ausreichenden Mengen haben”, sagte er. Eine Erleichterung würde es Burger zufolge schon bedeuten, Zölle für Vorprodukte abzuschaffen oder eine Gleichbehandlung mit Modulimporten aus Asien herzustellen. Burger brachte außerdem finanzielle Hilfen ins Spiel sowie Abnahmegarantien von Energieversorgern für Module aus europäischer Produktion.
Eine weitere Forderung, eine transparente Kennzeichnung von Nachhaltigkeitsstandards entlang der Lieferkette, bringt die Kommission bereits auf den Weg. Solarmodule sollen in die Label-Verpflichtungen der Ökodesign-Richtlinie einbezogen werden, deutete Energiekommissarin Kadri Simson an. Am heutigen Mittwoch stellt die Kommission ein erstes Paket zur Kreislaufwirtschaft vor.
Zu finanziellen Hilfen hieß es, die USA würden derzeit milliardenschwere Subventionen für heimische Hersteller anschieben, berichtete Walburga Hemetsberger, CEO von Solar Power Europe. Als schädlich bezeichnete sie Pläne einiger Mitgliedsstaaten, Extragewinne von Stromerzeugern zu besteuern. Angesichts gestiegener Gaspreise hatten auch die Strompreise zugelegt, was Erzeugern mit geringen Kosten – darunter auch Solarparks – seit einigen Monaten hohe Profite beschert.
Mit einer Solardachinitiative sollten Photovoltaikanlagen auf allen neuen Gebäuden und bei allen Renovierungen verpflichtend werden, forderte Hemetsberger. In Deutschland debattiert die Bundesregierung derzeit noch über eine Pflicht für Neubauten. Um ausreichend Handwerker auszubilden, arbeitet Solar Power Europe an einer Qualifizierungsplattform, die Jobsuchende und Ausbildungsbetriebe zusammenbringen werde.
Großes Potenzial sahen mehrere Teilnehmer der Diskussion bei der Mehrfachnutzung von Flächen, zum Beispiel in der Landwirtschaft, und bei Fassaden. Werde nur ein Prozent der Agrarflächen gleichzeitig für Photovoltaik und Landwirtschaft genutzt (Agri-PV), entstehe ein Potenzial von 900 Gigawatt Leistung, rechnete Hemetsberger vor. Würden zehn Prozent der Wasserflächen in der EU für schwimmende Solaranlagen genutzt, kämen 200 Gigawatt hinzu. Hemetsberger forderte die Kommission deshalb auf, einen Rahmen für die Doppelnutzung von Flächen vorzulegen.
Photovoltaik müsse künftig als Infrastruktur innerhalb von und um Städte herum betrachtet werden, sagte Daniel Mugnier, Vorsitzender des IEA Photovoltaic Power Systems Programme, einer Forschungsinitiative der Internationalen Energieagentur. Platz sieht er zum Beispiel an Lärmschutzwänden und Zäunen in der Landwirtschaft. An Fassaden von Neubauten werde bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) stark zulegen, so Mugnier. In Städten seien vertikale Anlagen auch deshalb interessant, weil die Dachmontage schwieriger sei als bei Einfamilienhäusern im ländlichen Raum, ergänzte Hemetsberger.
Breite Unterstützung erhielten lokale Energiegemeinschaften für Solarenergie. Seit der Russland-Krise werden sie als Versicherung für Verbraucher:innen gegen hohe Energiepreise gesehen, ähnlich wie Power Purchase Agreements (PPAs) für Windparks für große Industrieunternehmen. Nachdem einige Energielieferanten wegen explodierender Preise Insolvenz anmelden mussten, habe es einen Run auf seine Energiegenossenschaft gegeben, berichtete Dirk Vansintjan, Präsident des Bürgerenergieverbands RESCoop.
Auch IEA-Experte Mugnier forderte, Energiegemeinschaften und solaren Eigenverbrauch zu stärken. Als Vorbild hob er “Energy Communities” in den USA hervor. Vermögende Haushalte, die sich Investitionen in Photovoltaik-Anlagen leisten können, teilen ihren Solarstrom dort mit einkommensschwächeren Haushalten.
Unterstützung findet die Idee bei den Linken im EU-Parlament. “Energy Communities können in Anbetracht der extrem hohen Energiepreise eine strukturelle Lösung im Kampf gegen Energiearmut darstellen”, sagte die deutsche Abgeordnete Cornelia Ernst zu Europe.Table. Dabei sollten auch Konzepte wie Mieterstrom und virtuelle Zähler berücksichtigt werden.
Die Eigentumsverhältnisse müssten als sicherheitsrelevant definiert werden, forderte Vansintjan von der Kommission und forderte sie auf, ein Rahmenwerk für lokale Photovoltaik-Projekte vorzulegen sowie einen Beschaffungsleitfaden für Stadtwerke und Kommunen.
Fast zwei Jahre ist es her, dass sich Vertreter der Europäischen Union und Chinas eigens zu einem Gipfeltreffen zusammengeschaltet haben. Im Jahr 2021 fiel das eigentlich jährlich angesetzte Treffen aus, immer wieder wurden mögliche Termine verschoben. Die Online-Konferenz am Freitag kommt für beide Seiten nun allerdings zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die 27 EU-Mitgliedstaaten “überdenken” ihre Beziehungen zu Peking in einem “neuen globalen Kontext”. Grund ist Chinas Zurückhaltung, die russische Invasion in der Ukraine zu verurteilen. Der Ukraine-Krieg wird das Treffen also bestimmen.
Teilnehmer auf EU-Seite sind Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und der Außenbeauftragte Josep Borrell. Die chinesische Seite wird von Staatschef Xi Jinping und Premier Li Keqiang vertreten.
Der Fokus liege auf der Ukraine, dem Engagement der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung der Ukraine, der humanitären Krise, die durch die russische Aggression verursacht wurde und den globalen Auswirkungen der Krise, teilte die EU-Kommission am Dienstag mit. Auch mit dabei: Die Stichworte Klimawandel, Biodiversität, Gesundheit – womit meist die Corona-Pandemie gemeint ist – sowie “Möglichkeiten zur Gewährleistung ausgewogenerer und wechselseitiger Handelsbeziehungen“.
Der letzte, schwammig gefasste Punkt umfasst womöglich Gespräche zum stillgelegten Investitionsabkommen CAI. Ebenfalls wichtig sind hier gegenseitige Sanktionen. Dazu kommen die zwei Anfragen der EU bei der Welthandelsorganisation gegen China. Eine davon betrifft die bisher beispiellose Handelsblockade gegen einen EU-Staat, nämlich Litauen. Brüssel will zudem eine Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China anregen.
Die drei EU-Vertreter werden der Tagesordnung des 23. EU-China-Gipfels zufolge am Vormittag zuerst Premier Li treffen, am Nachmittag dann Präsident Xi. Erwartet wird, dass EU-China-Handelsthemen eher mit Premierminister Li abgehandelt werden, um die Redezeit mit Staatschef Xi dann voll auf den Ukraine-Krieg zu konzentrieren. Brüssel will den Druck auf Peking, sich für konkrete Vermittlungen zwischen Russland und der Ukraine einzusetzen, weiter hochhalten.
Über die Möglichkeiten eines Waffenstillstands und humanitärer Korridore sprachen am Dienstag bereits Chinas Außenminister Wang Yi und der EU-Außenbeauftragte Borrell. Sie “einigten sich auf die Dringlichkeit, so schnell wie möglich zum Frieden auf dem europäischen Kontinent zurückzukehren” hieß es in einer EU-Mitteilung nach dem Gespräch.
Bereits vergangene Woche hatten die Staats- und Regierungschefs von EU, Nato und G7 bei einem Gipfelmarathon durch die Bank die klare Botschaft an China gesendet: Stellt euch auf die Seite des Westens und werdet aktiv. Peking hat sich davon allerdings nicht beeindrucken lassen.
Entsprechend überschaubar sind auch die Erwartungen, dass nun ausgerechnet der EU-China-Gipfel die Volksrepublik zum Handeln bewegen wird. China habe sich bisher sehr zurückhaltend und passiv verhalten, sagt Tim Rühlig, Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Ich sehe keine Anzeichen, dass sich das jetzt zum Gipfel ändern wird.” Da das Treffen virtuell stattfinde, fehle zudem die wichtige zwischenmenschliche Dynamik, die manchmal noch entscheidende Änderungen anstoße.
Rühlig sieht die Lösung des Ukraine-Konflikts durch Verhandlungen auch als den präferierten Weg für Peking. Warum schaltet sich China dann nicht ein? “Was als akzeptabler Ausgang angesehen wird, ist sehr unterschiedlich in Europa und China”, erklärt Rühlig. Auch wie der russische Präsident Wladimir Putin aus den Verhandlungen kommt, ist dem DGAP-Wissenschaftler zufolge sehr wichtig für Peking und Xi. Und hier gebe es derzeit noch zu viele Unsicherheiten. Ein Problem für die Volksrepublik sei zudem, dass die Friedensverhandlungen derzeit generell eher verfahren seien.
Litauen, die WTO, Sanktionen, CAI – alle weiteren Themen sind komplex und werden sich kaum in einer Gesprächssitzung groß voranbringen lassen. Rühlig hat niedrige Erwartungen: “Es wird im Prinzip keine Ergebnisse geben”. Allein, dass es nun endlich zu diesem Gipfeltreffen komme, sei bereits ein Erfolg, so Rühlig.
Der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer sieht den Gipfel am Freitag – auch gegebenenfalls in Ermangelung großer Fortschritte – als richtungsgebend für die künftigen EU-China-Beziehungen. “Ich hoffe, die EU-Vertreter werden sich stark dafür einsetzen, China verständlich zu machen, dass die EU von ihnen erwartet, dass sie sich der Unterstützung Russlands enthalten”, sagte Bütikofer am Dienstag.
Er sieht jedoch die Möglichkeit, China von Russland noch loszulösen bereits als vergeben und fordert eine gänzlich neue Herangehensweise in der Politik gegenüber der Volksrepublik. Brüssel müsse beim Gipfel klarmachen, dass die Volksrepublik es nun und in Zukunft mit einer geeinteren Europäischen Union zu tun habe als in der Vergangenheit, so Bütikofer.
Und die chinesische Seite? Die könnte mit ganz anderen Einstellungen als die EU in das Treffen gehen. Es gebe eine “Asymmetrie von Erwartungen und Prioritäten”, sagt Mathieu Duchâtel, Direktor des Asien-Programms der französischen Denkfabrik Institut Montaigne. Er gehe davon aus, dass China keine besonderen Erwartungen habe – außer die wichtigsten “Hürden”, die aus chinesischer Sicht überwunden werden müssen und die ohnehin seit längerem bekannt seien.
Eine davon sei das “Taiwan-Büro” in der Hauptstadt Vilnius. “Sie brauchen einen Gewinn gegen Litauen, wenn es um die Namensgebung geht”, nennt Duchâtel als Beispiel. Vilnius und Peking streiten sich seit vergangenem Jahr über den Namen des “Taiwan-Büros” in der litauischen Hauptstadt. Auch die Ratifizierung des CAI und eine Rücknahme der Sanktionen seien Prioritäten der Chinesen. “Aber das steht ganz klar nicht auf der Tagesordnung”, so Duchâtel.
Namensänderung in Vilnius gegen Druck in Richtung Moskau? Peking sei klar, dass es auf europäischer Seite ein hohes Interesse gebe, von Peking eine “bestimmte diplomatische Sprache” zum Ukraine-Krieg zu bekommen, sagt Duchâtel. Dass China die zugesprochene Macht im Ukraine-Krieg nun nutzen könnte, um den anderen Wünschen nach- oder zumindest nahe zu kommen, denkt Duchâtel aber nicht. Sicher wisse man nie, welche Deals vorgeschlagen würden. Dieses Vorgehen sähe für China und die EU jedoch nicht gut aus und sei eher nicht erfolgreich. Sollte Peking seine Position und Sprache ändern, sei das eher aus anderen Gründen der Fall, ist sich Duchâtel sicher.
Chinas Botschafter in Frankreich, Lu Shaye, sagte am vergangenen Wochenende, Peking habe keine großen Erwartungen an Durchbrüche in den Beziehungen zu Europa. “Wir hatten sehr große Hoffnungen in die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und der EU, als Frankreich Anfang dieses Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernahm. Aber manchmal können Hoffnungen mit den Veränderungen nicht Schritt halten”, zitierten chinesische Staatsmedien Lu.
Anfang April wird die Kommission einen Vorschlag für die Aktualisierung der Richtlinie über Industrieemissionen (IED) vorlegen. Aus einem Vorabentwurf, den Contexte am Dienstag veröffentlichte, wird deutlich, dass betroffene Anlagen künftig deutlich transparenter werden müssen, welche Auswirkungen ihre industriellen Prozesse auf Mensch und Natur haben.
Mit der 2010 eingeführten IED sollten industrielle Umweltverschmutzungen verhindert werden, indem unter anderem das Verursacherprinzip gestärkt und Regeln für die Genehmigung der Anlagen eingeführt wurden. Betroffen von der IED sind insbesondere Stromerzeugungsanlagen, Raffinerien, Abfallverarbeitungs- und verbrennungsanlagen, Metall-, Zement-, Papier- und Glasproduktionen, die chemische Industrie sowie Teile der Lebensmittelindustrie.
Eine Überprüfung der Richtlinie von 2020 hat laut der Kommission zwar ergeben, dass die IED die Schadstoffemissionen in Luft, Wasser und Boden reduziert hat. Doch würden die Zielvorgaben des IED in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich umgesetzt, wodurch das Instrument die Erreichung seiner Ziele behindere. Deshalb will die Kommission die Länder nun verpflichten, dass sie die Genehmigungsbedingungen für Anlagen, die unter die IED fallen, öffentlich zugänglich machen – inklusive der geltenden Emissionsgrenzwerte.
Außerdem soll es keine Ausnahmen mehr für die Einhaltung von Energieeffizienzvorgaben oder Emissionsgrenzen bestimmter Anlagen geben. Bislang können Mitgliedstaaten bei der Genehmigung Ausnahmen gewähren, sodass in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Anforderungen an die Anlagen gestellt werden können. Anlagenbetreiber sollen zudem bis Juni 2030 einen Plan zur Umstellung auf einen “sauberen, kreislauforientierten und klimaneutralen Betrieb” ausarbeiten. Chemische Anlagen sollen jedoch schon während des Übergangs auf “weniger giftige Chemikalien” zurückgreifen und zu einer verbesserten Ressourceneffizienz mit Energie, Wasser und Abfallvermeidung sowie einer größeren Kreislaufwirtschaft beitragen.
IED-Anlagenbetreiber, die sich nicht an die Regeln halten und dadurch Schaden für Mensch oder Natur verursachen, sollen gemäß dem Entwurf verpflichtet werden, Entschädigungen zu zahlen. Bisher war es den Mitgliedstaaten überlassen, Strafen für die Nicht-Einhaltung festzulegen. Die in der IED festgelegten Grenzwerte für Schwefeldioxid-, Stickstoffoxide- und Staubemissionen wurden von der Kommission allerdings nicht überarbeitet.
Am 5. April will die Brüsseler Behörde den Änderungsvorschlag offiziell im EU-Parlament in Straßburg vorstellen. luk
Innereuropäische und internationale Emissionen im Flug- und Schiffsverkehr sind nicht in das deutsche Emissionsbudget für den Verkehr aus dem Klimaschutzgesetz einberechnet. Laut einer Studie des Umweltdachverbands Transport & Environment (T&E) machen diese nicht berücksichtigten Emissionen über 90 Prozent der Gesamtemissionen der beiden Sektoren aus. Würden diese mit einbezogen, fielen die Gesamtemissionen des Verkehrssektors in Deutschland im Jahr 2021 knapp 20 Prozent höher aus.
Lediglich Inlandsflüge und inländische Schiffsrouten, die nur 8 Prozent der Emissionen des Luft- und Seeverkehrs ausmachen, seien einberechnet worden, schreibt T&E. Der Verband schließt daraus, dass das Klimaschutzgesetz “keine echte Klimaneutralität Deutschlands” im Jahr 2045 sicherstellen könne und fordert, Emissionen des Luft- und Seeverkehrs auf internationalem Gebiet in das nationale Klimabudget aufzunehmen. “Das Vereinigte Königreich hat bereits gezeigt, dass dies möglich ist“, erklärt Silke Bölts, Referentin für Luftverkehrspolitik bei T&E.
Auch bei den nationalen Reduktionszielen (NDCs) sind Länder nicht verpflichtet, internationale und transnationale Transportemissionen aufzuführen. Dadurch entstehen unsichtbare Emissionen, die in keiner Bilanz auftauchen und für deren Vermeidung nur schwer Investitionen aufzutreiben sein dürften. Die EU hat ein gemeinsames NDC von 55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 im Vergleich zu 1990.
T&E fordert, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass die EU die internationale Schifffahrt und den internationalen Flugverkehr in ihr NDC aufnimmt, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors voranzutreiben. Dies ist möglich, indem der Umfang der beiden Fit-for-55-Dossiers ReFuelEU Aviation und FuelEU Maritime vergrößert wird. luk
Bis Donnerstag will Präsident Wladimir Putin praktische Vorkehrungen treffen, um ausländische Unternehmen dazu zu zwingen, ihre Gasrechnungen in Rubel statt wie bisher in Euro oder Dollar zu bezahlen. Die G7-Staaten hatten Moskaus Forderungen diese Woche zurückgewiesen. Nun könnten Lieferunterbrechungen drohen.
Kreml-Sprecher Dmitry Peskov sagte am Dienstag vor Journalisten: “Niemand wird Gas umsonst liefern, das ist einfach unmöglich, und man wird es nur in Rubel bezahlen können.” Der Schritt hat heftige Kritik aus den europäischen Ländern hervorgerufen, die russisches Gas hauptsächlich in Euro bezahlen und der Meinung sind, dass Russland nicht berechtigt ist, Verträge neu zu gestalten. Der Rubel war nach den westlichen Sanktionen gegen Russland auf ein Allzeittief gefallen, hat sich inzwischen aber erholt.
US-amerikanische und deutsche Regierungsvertreter treffen sich diese Woche in Berlin mit Führungskräften aus der Energiewirtschaft, um über Möglichkeiten zur Verbesserung der deutschen Energieversorgung zu sprechen. Russlands Krieg in der Ukraine hat den Druck auf Europa erhöht, alternative Energiequellen zu finden. An dem vom US-Handelsministerium geleiteten Runden Tisch werden Führungskräfte von Flüssiggaslieferanten und Wasserstoffunternehmen teilnehmen, sagte ein amerikanischer Regierungsvertreter.
Bereits am gestrigen Dienstag haben das Energie-Unternehmen E.ON und sein australischer Partner FFI eine Energie-Partnerschaft geschlossen. Das erklärte Ziel ist, Wege zu schaffen, um bis 2030 die Lieferung von bis zu fünf Millionen Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr nach Europa zu realisieren. “Wir verschiffen unseren Sonnenschein nach Deutschland”, sagte FFI-Chef Andrew Forrest. Eine entsprechende Absichtserklärung sei unterzeichnet worden.
Erste Lieferungen des grünen Wasserstoffs soll Deutschland bereits 2024 erreichen, kündigte E.ON-Vorstand Patrick Lammers an. E.ON hat die Netze und die Kunden für den grünen Energieträger, FFI könnte ihn aus erneuerbaren Energien gewinnen und dann gen Europa verschiffen.
“Der Wettlauf um die Produktion und den Transport von grünem Wasserstoff im großen Maßstab hat Fahrt aufgenommen”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die Vereinbarung zwischen E.ON und FFI sei ein wichtiger Schritt. Beide Unternehmen seien nun in der “Pole Position”, um die deutsche Industrie mit grünem Wasserstoff zu beliefern. rtr
Ein Stopp russischer Energieimporte kann einer Studie zufolge eine ähnliche Wirtschaftskrise in Deutschland auslösen wie die Corona-Pandemie. Ein Embargo wegen des Einmarsches in der Ukraine führe zu einer langanhaltenden Rezession, die nach sechs Quartalen mit einem Minus von etwa drei Prozent ihren Höhepunkt erreiche, geht aus der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor.
“Die Schwere der Rezession ist demnach vergleichbar mit der Rezession, die durch die Corona-Pandemie verursacht wurde und kann dementsprechend mit zielgenauer makroökonomischer Wirtschaftspolitik deutlich begrenzt werden”, so die Autoren Christian Bayer, Alexander Kriwoluzky und Fabian Seyrich. Gleichzeitig würde ein Importstopp zu einem Anstieg der Inflation um bis zu 2,3 Prozentpunkte führen.
Durch ein Embargo würden hohe Kosten entstehen, um den Wegfall russischer Energieträger zu kompensieren. Darin enthalten seien aber auch ohnehin notwendige Investitionen für die Energiewende, die nun vorgezogen würden. “Eine stimulierende Fiskalpolitik, die hier Investitionsanreize setzt, kann daher die kurz- wie langfristigen Kosten mildern”, hieß es. Wichtig sei aber auch, dass die Politik die Wirtschaft auf einen Lieferstopp vorbereite, um die Schwere des möglichen Schocks abzuschwächen.
Die polnische Regierung hat am gestrigen Dienstag derweil einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der ein Importverbot für russische Kohle vorsieht, sagte ein Kabinettssprecher am Dienstag. “Wir wollen, dass diese Importe nicht mehr möglich sind, obwohl wir uns des Risikos bewusst sind, dass die Europäische Union solche Maßnahmen bisher nicht genehmigt hat”, sagte Piotr Muller vor Reportern in Warschau.
Sanktionen in der EU müssen in der Regel von der gesamten Handelsunion gebilligt werden. Brüssel könnte möglicherweise Länder bestrafen, die einseitig handeln. Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine hat Warschau die Europäische Union aufgefordert, russische fossile Brennstoffe in die Sanktionen einzubeziehen, die die EU gegen Moskau verhängt hat.
Russland dominiert die polnischen Kohleimporte, die etwa 20 Prozent des Inlandsverbrauchs ausmachen. Im Jahr 2020 wurden etwa 9,4 Millionen Tonnen russische Kohle nach Polen importiert, die hauptsächlich zum Heizen von Privathaushalten verwendet wurden. Das Land importiert außerdem etwa 50 Prozent seines Gases und über 60 Prozent des Öls aus Russland.
Muller sagte, Premierminister Mateusz Morawiecki werde im Laufe dieser Woche detaillierte Pläne zur Einstellung der russischen Energielieferungen bekannt geben. rtr
Elf EU-Länder, die bisher die Hauptlast der Flüchtlingswelle aus der Ukraine tragen, haben beim gestrigen Treffen der EU-Gesundheitsminister in Brüssel einen separaten EU-Fonds zur Unterstützung ihrer Gesundheitssysteme gefordert.
Der Zustrom von Menschen aus der Ukraine erhöhe den Druck auf die Gesundheitssysteme der Länder, die bereits durch die COVID-19-Pandemie belastet wurden, heißt es in der Erklärung, die unter anderem von Polen, Slowakei, Ungarn, der Tschechischen Republik sowie den baltischen Staaten unterschrieben wurde. Der polnische Gesundheitsminister Adam Niedzielski schätzte die Ausgaben pro eine Million Flüchtlinge auf 50 bis 70 Millionen Euro monatlich. Bisher seien über zwei Millionen Ukrainer:innen in Polen angekommen.
Die unterzeichnenden Mitgliedstaaten forderten die Europäische Kommission außerdem auf, die Aktivierung der Soforthilfe gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/369 vorzuschlagen, um die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge abzudecken. Darüber hinaus soll die Kommission benennen, welche Finanzierungsmechanismen von den Mitgliedstaaten noch genutzt werden könnten.
Die Forderung nach finanzieller Unterstützung der besonders betroffenen EU-Länder stieß bei den anwesenden Gesundheitsminister:innen grundsätzlich auf Verständnis. Den Vorschlag eines separaten Fonds auf der EU-Ebene nahmen einige Mitgliedstaaten jedoch verhalten auf. Es stehe außer Frage, dass eine angemessene finanzielle Unterstützung notwendig sei, sagte etwa der belgische Gesundheitsminister Magnus Heunicke. Bei der Prüfung müsste allerdings eine Reihe von Fragen beantwortet werden, beispielsweise nach den Bedingungen, die mit einer derartigen Unterstützung verbunden seien.
Die Gesundheitsminister von Dänemark und Österreich plädierten stattdessen für die Bereitstellung der finanziellen Hilfen aus dem bestehenden EU-Haushalt. “Unsere Überzeugung ist, dass die Unterstützung im Wege bereits bestehender Finanzierungsmechanismen erfolgen sollte”, sagte der österreichische Gesundheitsminister Johannes Rauch. “Diese sind vorhanden, funktionieren, sind gut eingespielt und sollten genutzt werden.” Deutschland will die Erklärung noch im Detail prüfen. “Im Geiste und im Wort ist es aber das, was wir benötigen”, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides appellierte an die Mitgliedstaaten, zunächst alle bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten zu nutzen. Sie kündigte ein Soforthilfepaket in Höhe von 500 Millionen Euro an. Zusätzlich sollen 420 Millionen Euro aus dem Fonds für innere Angelegenheiten zur Verfügung gestellt werden. Zudem könnten Gelder aus dem Kohäsionsfonds und dem europäischen Sozialfonds React-EU für die Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen genutzt werden. Man werde weitere Optionen prüfen, versprach sie.
Um die Mitgliedstaaten zu unterstützen, richte die Europäische Union in Zusammenarbeit mit der WHO an den Grenzen zur Ukraine Triage-Zentren ein, um Flüchtlinge, die eine medizinische Versorgung benötigen, aufzunehmen, berichtete Kyriakides. Anschließend würden sie in die Mitgliedstaaten transportiert, die am besten in der Lage sind, sie zu behandeln.
Die EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) hat nach Angaben der Gesundheitskommissarin rund 200.000 Diphtherie- und Tetanusimpfstoffe für die Ukraine gesichert. Über den Katastrophenschutzmechanismus der EU sollten zudem weitere 70.000 Dosen an Tschechien, die Slowakei und das Nicht-EU-Land Moldau gehen. Außerdem würden Impfstoffe gegen Masern, Polio, Tuberkulose und COVID-19 zur Immunisierung der ukrainischen Flüchtlinge, insbesondere der Kinder, eingekauft und verteilt. ank
Reinhard Bütikofer ist ein passionierter Schachspieler. Vor 50 Jahren hat er eine Stadtjugendmeisterschaft gewonnen. Als er damals simultan gegen einen internationalen Großmeister antrat, so erzählt er es jedenfalls, endete die Partie mit einem Remis. Wie er Schach spielt, so führt er auch seine Gespräche. Mal wirft er einem etwas hin, nimmt sich Zeit und wartet, in welche Richtung sich sein Gegenüber bewegt. Währenddessen beobachtet er einen, aufmerksam und geduldig. Natürlich trete er auch öfter gegen Parteifreunde an, sagt er. “Aber die meisten spielten nur einmal mit mir.”
Aufgewachsen ist der grüne EU-Parlamentarier im pfälzischen Speyer. Sein Vater war Postbeamter, seine Mutter Hausfrau. Als Erster in der Familie macht Bütikofer ein altsprachliches Abitur. 1971 schreibt er sich im rund 25 Kilometer entfernten Heidelberg ein und beginnt Philosophie, Geschichte, alte Geschichte und zeitweise Sinologie zu studieren. Es ist die Zeit der Studentenbewegung, Bütikofer wird später Mitglied bei der maoistischen Kommunistischen Hochschulgruppe (KHG) und beim Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW). Tagsüber diskutiert, debattiert und agitiert er. Abends geht er in die Kneipe – und spielt Schach.
Zwei Jahre danach kandidiert er als Studentenvertreter in der Fachgruppenkonferenz Philosophie – sein erstes politisches Amt. Anschließend geht er in die Kommunalpolitik. In Heidelberg initiiert er ein kommunalpolitisches Debattenforum, bei dem Linke, Ganz-Linke, Grüne, Liberale, Sozialdemokraten und Junge Unionler mitwirken. 1984 tauscht der 31-Jährige “Büti” den Hörsaal gegen das Rathaus und wird für die Grüne Alternative Liste in den städtischen Gemeinderat gewählt. “Ich habe damals durchaus Wert darauf gelegt, nicht zu verstecken, dass ich Langzeitstudent und beim KBW gewesen war”, erinnert er sich.
Ein Langzeitstudent, der später Karriere auf Landes- und Bundesebene und dann in der Europapolitik machen sollte. Dass er nie einen Hochschulabschluss machte, stört selbst die Universität Heidelberg nicht. Auf ihrer Seite steht sogar eine Biografie von ihm. In seiner Studienzeit beginnt er sich auch für China zu interessieren. Die Geschichte, die er dazu erzählt, geht so: 1970 radelt er mit einem Freund durch Großbritannien. In London regnet es furchtbar. Bütikofer flüchtet in eine Buchhandlung.
“Nach einer Stunde kam die Verkäuferin zu mir und fragte, ob ich nicht bemerkt hätte, dass der Regen vorbei sei.” Zwei Bücher aus einer Penguin-Serie hatten ihm es besonders angetan: “Teach yourself Swahili” und “Teach yourself Chinese”. Bütikofer kauft Letzteres und fängt noch während der Fahrradtour an, chinesische Zeichen zu kritzeln. Nichtsahnend, dass seine China-Expertise ihn 50 Jahre später noch auf die Sanktionsliste der Kommunistischen Partei Chinas bringen wird
Ende der 1980er-Jahre wird er in den baden-württembergischen Landtag gewählt und haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Auch in der Partei klettert er die Karriereleiter nach oben: 2002 wird Bütikofer Bundesvorsitzender der Grünen und versucht die innerparteilichen Gräben zwischen den Realos und den Linken zu kitten. Als er den Posten sechs Jahre später an den heutigen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir abtritt, schreibt ein Journalist über Bütikofers Amtszeit, dass er ein begnadeter Vermittler gewesen sei. Davon hätten nicht zuletzt seine hohen Telefonrechnungen gezeugt, die bei den Grünen als legendär galten.
Bütikofer geht unterdessen andere Wege: Er will in die Europapolitik. Dafür gibt es zwei Gründe. Noch heute sagt er: “Speyer, die Haardt, die Rheinebene, das ist meine Heimat.” Diese deutsch-französische Grenzregion, die lange Zeit umkämpft gewesen war, wüsste das Projekt der europäischen Einigung besonders zu schätzen. “Das prägt jemanden, der in diesen Zusammenhängen aufwächst.” Das andere prägende Erlebnis für ihn war die deutsche Einheit. Bütikofer will sich für ein europäisches Deutschland engagieren. Schließlich sei der Versuch, ein deutsches Europa zu schaffen, zweimal böse geendet.
In Straßburg und Brüssel erlebt er auch eine andere Politik, eine, die über Fraktions- und Landesgrenzen den Konsens suchen muss – anders als im Stuttgarter Landtag. “Mich hat mal der baden-württembergische Finanzminister Mayer-Vorfelder gefragt, warum ich meine Anträge so engagiert vortrüge, ich wisse doch ganz genau, man würde alles niederstimmen.” Und tatsächlich: In acht Jahren gewinnt er im Landtag genau eine Abstimmung. Eine derartige Ausgrenzung habe er bei der Arbeit im Europäischen Parlament nur von zwei Seiten erlebt, von den Rechtsradikalen und von der KP Chinas von Xi Jinping, sagt er und lacht.
Im vergangenen Jahr verbietet ihm die chinesische Partei das Festland, Hongkong oder Macao zu besuchen. Daraufhin twittert Bütikofer: “Aber es gibt ja noch Taiwan.” Und fügt einen Smiley hinzu.
Inzwischen ist er nicht nur als ausgewiesener China-Experte bekannt. Bütikofer twittert zu Nord Stream 2, zur EU-Taxonomie, zum Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial International in Russland. Zu den USA, zur Klima- und Handels- sowie zur deutschen Außenpolitik. Im China-Litauen-Konflikt, findet er, könne der deutsche Bundeskanzler noch stärker Position für Litauen beziehen – ähnlich wie es die EU bereits getan habe. Die Ampel-Vorstellung eines föderalen Europas mitsamt Vertragsreform hält er für durchaus realistisch, aber nicht mehr in dieser Legislaturperiode.
Fragt man ihn dann dazu, wie er denn die im Koalitionsvertrag verankerte “wertebasierte” und “feministische” Außenpolitik mit Leben füllen würde, dann sagt er zwar, er trage diese Begriffe nicht wie eine tibetanische Gebetsmühle vor sich her, aber nennt praktische Beispiele, etwa den Kampf gegen den zunehmenden Nationalismus. Das betrachte er mit großer Sorge.
Auf Dauer habe Deutschland allein keinen Löffel, der lang genug wäre, um gemeinsam mit den Großmächten aus einer Suppenschüssel zu essen. “Entweder wir bedienen uns des europäischen Löffels, oder wir kriegen nicht viel ab von der Suppe.” Eine europäische China-Politik, das sei ihm das Wichtigste an der Vereinbarung, die die Koalition zu dem Thema getroffen hat. Und vielleicht braucht es dafür auch keine neuen Begriffe. Pauline Schinkels