fluorierte Treibhausgase, sogenannte F-Gase, haben ein weitaus höheres Treibhauspotenzial als CO2, sind aber bislang noch nicht so streng reguliert. Die EU-Kommission will dies nun ändern und schlägt strengere Richtlinien und Beschränkungen dafür vor. Lukas Scheid hat sich den Vorschlag angesehen und erklärt, wie hoch das Einsparpotenzial ist.
Die Implementation des Digital Services Act stellt die Mitgliedsländer vor Herausforderungen. In Deutschland wie in Österreich sucht man nach einem Koordinator, der die Umsetzung überwacht. In Österreich könnte sich jetzt eine Lösung abzeichnen. Aber was heißt das für das nationale Kommunikationsplattformengesetz? Mein Kollege Falk Steiner hat nachgehakt.
Um in Zeiten der Dürre verstärkt Abwasser zur Bewässerung der Landwirtschaft wiederverwenden zu können, hat die EU-Kommission gestern Leitlinien veröffentlicht. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Bei Germanwatch leitet David Ryfisch die Abteilung Internationale Klimapolitik – ein Thema, das ihn schon sein ganzes Berufsleben begleitet. Ob in Ecuador, Brasilien, Bonn oder Berlin, Ryfisch setzt sich für die Interessen anderer ein. Im Portrait stellen wir ihn vor.
Neben CO2, Methan und Distickstoffoxid (Lachgas) gehören auch F-Gase zur Gruppe der Treibhausgase. Sie fallen damit unter das Pariser Abkommen, in dem sich die Unterzeichner-Länder dafür ausgesprochen haben, deren Ausstoß zu reduzieren, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Und das ist auch zwingend notwendig, denn die Klimawirkung von fluorierten Gasen sind erheblich.
Laut Deutscher Umwelthilfe liegt das Treibhauspotenzial um ein 100 bis 24.000-faches über dem von CO2. Zwar machen F-Gase nur 2,5 Prozent der EU-weiten Treibhausgase aus, doch sie signifikant zu reduzieren ist im Vergleich zu den riesigen Mengen an CO2-Ausstoß deutlich einfacher. Der IPCC-Bericht vom August 2021 (Europe.Table berichtete) legte deshalb nahe, F-Gas-Emissionen um 90 Prozent bis 2050 zu reduzieren im Vergleich zu 2015. Doch F-Gase können nicht einfach nur reduziert werden, sondern brauchen meist Ersatz. Dabei galten sie selbst einst als umweltfreundliche Alternative, denn ursprünglich wurden F-Gase eingesetzt, um andere ozonabbauende Materialien zu ersetzen. Nun müssen sie selbst ersetzt werden.
Eingesetzt werden F-Gase als Kältemittel in Kühl- und Gefrierschränken, Klimaanlagen und Wärmepumpen, aber auch in verschiedenen Sprays kommen sie zum Einsatz. Den Großteil der F-Gas-Emissionen bilden teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW), doch auch Perfluorkohlenwasserstoffe (PFCs), Schwefelhexafluoride (SF6) und Stickstofftrifluoride (NF3) werden in verschiedenen Industrieprozessen eingesetzt, zum Beispiel zur Isolierung von Übertragungsleitungen im Stromnetz.
2015 hat die EU zuletzt die Regeln zur Reduzierung von F-Gasen verschärft. Offenbar mit Erfolg: Haben sich F-Gas-Emissionen in der EU von 1990 bis 2014 noch verdoppelt, gehen sie seit Inkrafttreten der neuen Verordnung laut einer Folgenabschätzung der Kommission zurück. In vielen Geräten, in denen bisher F-Gase verwendet wurden, seien vermehrt Alternativen mit geringerem Treibhauspotenzial eingesetzt worden, darunter CO2, Ammoniak, Kohlenwasserstoffe und Wasser.
Allerdings würden die anvisierten Reduktionsziele für 2030 nicht erreicht werden, zumal das Potenzial zur Einsparung noch größer sei, heißt es von der Kommission. Der neue Vorschlag zielt auf diese Lücke zwischen Zielsetzung und Umsetzung ab und sieht erhebliche Emissionsminderungen vor. Allein bis 2030 soll durch die neue F-Gase-Verordnung ein Äquivalent von 40 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht den jährlichen Gesamtemissionen der Slowakei (im Jahr 2019). Bis 2050 soll ein Äquivalent von 310 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Der Einsatz von HFKW-Kältemitteln soll noch stärker reglementiert werden. Ab 2024 sollen EU-weit nur noch 24 Prozent der Menge von 2015 in Verkehr gebracht werden dürfen, ab 2027 nur noch 10 Prozent und ab 2030 nur noch 5 Prozent. Bisher galten Quoten von 31 Prozent, bzw. 24 Prozent und 21 Prozent. Mit diesem deutlich ambitionierterem Ausstiegspfad für das am häufigsten verwendete F-Gas will die Kommission deren Emissionen bis 2050 um 98 Prozent verringern.
Außerdem sollen neue Beschränkungen für den Einsatz von F-Gasen eingeführt werden. Nur noch Anlagen, für die es keine geeigneten Alternativen gibt, sollen sie langfristig überhaupt noch verwenden dürfen. Die Kommission hat unter anderem für Kälte- und Klimaanlagen, Körperpflegeprodukte und elektrische Schaltanlagen Ausstiegspfade für die Nutzung von F-Gasen vorgeschlagen.
Durch die Anhebung der Quoten sowie die Verschärfung von Nutzungsverboten erhofft sich die Brüsseler Behörde noch einen weiteren Effekt. Eine von der Kommission in Auftrag gegebene Studie, durchgeführt unter anderem vom Ökoinstitut, ergab, dass das Fehlen ausgebildeter Fachleute möglicherweise zu einer Verlangsamung bei der Einführung klimafreundlicherer Alternativen zu F-Gasen geführt habe. Zudem seien Sicherheitsstandards nicht an den technischen Fortschritt angepasst worden. Die höheren Quoten würde die Anzahl der Ingenieure, die für den Umgang mit klimafreundlichen Technologien qualifiziert sind, erhöhen, da Mitgliedstaaten ihre Zertifizierungs- und Ausbildungsprogramme ausweiten müssten.
Außerdem will die Kommission mit einem F-Gas-Portal dem illegalen Kältemittel-Handel begegnen. Hersteller und Importeure sollen darin die von ihnen in Verkehr gebrachten Mengen dokumentieren sowie beteiligte Unternehmen registrieren können. So sollen Ein- und Ausfuhren von F-Gasen besser kontrolliert werden.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), ein Nebenorgan der EU für verschiedenste Interessensvertreter, lobte den Kommissionsvorschlag zwar, sieht jedoch noch Luft nach oben. In einer Stellungnahme fordert der Ausschuss ein Verbot aller Kältemittel in Wärmepumpen, Raumklimageräten, Kältemaschinen und Kühlgeräten mit einem Treibhauspotenzial über 5 nach 2030 (Berechnungsmethode auf Seite 15). Dies wäre eine klare Botschaft an den Markt, heißt es.
Außerdem empfiehlt der Ausschuss, den Energiesparplan REPowerEU (Europe.Table berichtete) mit dem Ausstieg aus der Verwendung von F-Gasen zu verbinden. Insbesondere bei Wärmepumpen sollen Kältemittel mit einem möglichst niedrigen Treibhauspotenzial zum Einsatz kommen. Die Befürchtung von Marktengpässen in diesem Sektor weist der EWSA dagegen zurück. Die Industrie könne ihre Produktionskapazitäten erhöhen und überwiegend auf natürliche Kältemittel zurückgreifen. Hier habe die EU die Möglichkeit, mit globalen grünen Standards eine Vorbildfunktion zu übernehmen.
Parlamentsberichterstatter für die Überarbeitung der F-Gase-Verordnung ist Bas Eickhout (Greens/EFA). Der Niederländer ist bestens mit der Materie vertraut, denn schon 2013, als das Parlament den letzten Revisionsvorschlag der Kommission diskutierte, war er zuständiger Rapporteur. Der Vorschlag der Kommission sei gut, findet Eickhout. Doch in mehreren Bereichen seien noch Verbesserungen erforderlich. “Bestimmte Sektoren, in denen es Alternativen gibt, können schneller aus F-Gasen aussteigen.” Man müsse aber auch dafür sorgen, dass man nicht wieder mit “neuen Chemiecocktails” konfrontiert werde, obwohl es natürliche Lösungen gibt, so Eickhout.
Voraussichtlich im Herbst wird der Niederländer dem zuständigen Umweltausschuss einen ersten Parlamentsbericht vorlegen. Eine Einigung auf die überarbeitete Verordnung wird für 2023 erwartet, sodass die neuen Maßnahmen 2024 in Kraft treten könnten.
Doch auch in Wien gibt es einigen Gesprächsbedarf rund um die DSA-Umsetzung. Während die EU-Kommission für die größten Anbieter wie Facebook, Google, Instagram und Amazon künftig selbst die Einhaltung des Digital Services Act überwachen soll (Europe.Table berichtete), sollen kleinere Akteure im jeweiligen Sitzstaat oder dem Staat mit der europäischen Hauptniederlassung überwacht werden.
Die Koordinationsbehörden der Mitgliedstaaten sollen ab 2024 mit der Kommission, den DSCs der anderen Mitgliedstaaten und allen national zuständigen Stellen zusammenarbeiten. “In Österreich werden zeitnahe Gespräche auf Expertenebene und politischer Ebene stattfinden, um die Umsetzung sicherzustellen und vor allem den Koordinator für Digitale Dienste des DSA einzurichten”, heißt es aus dem Büro der für Europapolitik zuständigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP/EVP).
Immer wieder wird als wahrscheinlicher DSC die Medienbehörde KommAustria genannt. Die ist bereits heute für Inhalteregulierung zuständig. “Funktional wird teils eine Weisungsfreistellung nötig sein, um die gewünschte Unabhängigkeit zu erreichen”, erläutert Matthias Kettemann, Rechtswissenschaftler an der Universität Innsbruck. Der DSA schreibt eine weitgehende Unabhängigkeit für die nationalen Koordinierungsbehörden vor. Womöglich könnten Teilaufgaben auch bei der Telekommunikationsregulierungsbehörde RTR angesiedelt werden – die praktischerweise strukturell engstens mit der KommAustria verbandelt ist: Ein Fachbereich ist als KommAustria für den Medienbereich zuständig, einer als RTR für die Regulierung von Post und Telekommunikation.
Matthias Kettemann erwartet zumindest weniger ausführliche Debatten als in Deutschland: “Es stellen sich weniger föderale und kompetenzrechtliche Fragen, auch wegen der föderalen Struktur der Medienaufsicht in Deutschland.”
Welche Ausstattung nötig sein wird, um die DSA-Durchsetzung zu gewährleisten, wird auch in Österreich derzeit noch eher geschätzt denn gewusst. “Der Aufwand beziehungsweise die personelle Ausstattung und Budgetierung lässt sich derzeit nicht seriös abschätzen”, heißt es etwa aus dem Büro von EU-Ministerin Edtstadler. Allerdings verfüge die KommAustria ja bereits über Erfahrungswerte aus dem Kommunikationsplattformengesetz.
Die Republik Österreich hatte 2020 mit dem Kommunikationsplattformengesetz (KoPlG) ein eng mit dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz verwandtes Regelwerk verabschiedet, das Anbietern großer Kommunikationsplattformen Pflichten auferlegt, wie mit mutmaßlich rechtswidrigen Inhalten umgegangen werden muss. Gegen dieses Gesetz waren – wie auch gegen Vorschriften des deutschen NetzDG – Anbieter vor Gericht gezogen.
Ende Juni formulierte der österreichische Verwaltungsgerichtshof mehrere Vorlagefragen zum KoPlG, die nun den Europäischen Gerichtshof beschäftigen werden. Insbesondere die Vereinbarkeit des österrreichischen Rechtsaktes mit der E-Commerce-Richtlinie, die in Teilen vom Digital Services Act überformt wird, wird von den Richtern für klärungsbedürftig erachtet.
Hier liege eine der Großbaustellen, wenn es um die Vereinbarkeit mit dem künftigen DSA-Rechtsrahmen geht, meint Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer Wien: “Das Kommunikationsplattformengesetz, das die Melde- und Sperrmechanismen von Kommunikationsplattformen bisher national regelte, ist jedenfalls in etlichen Punkten nicht mit dem DSA übereinstimmend und anzupassen.” Die AK ist nicht nur Arbeitnehmerinnenvertretung, sondern auch Konsumentenschutzorganisation.
Auch Matthias Kettemann, Rechtsprofessor an der Universität Innsbruck, sieht gerade beim Kommunikationsplattformengesetz Handlungsbedarf. Diese stehe “auf sehr tönernen Füßen”, sagt Kettemann. Er gehe davon aus, dass ein Urteil des EuGH genau mit dem Prozess der Überarbeitung des KoplG für eine mögliche DSA-Konformität zusammenfallen würde.
Dem österreichischen Plattformgesetz räumt er dabei wenig Überlebenschancen ein: “Ich gehe zum heutigen Tage davon aus, dass das KoPlG aufgehoben werden wird oder zumindest inhaltlich stark reduziert wird, da regulatorische Kernanliegen des KoPlG ausführlicher und europarechtskonform vom DSA abgedeckt werden.” Mit dem unmittelbar geltenden Digital Services Act dürften wesentliche Teile des österreichischen KoPlG somit verdrängt werden, da Europarecht dem Recht der EU-Mitgliedstaaten vorgeht.
Darauf scheint man sich auch bereits in der österreichischen Bundesregierung einzustellen. Aus dem Büro der EU- und Verfassungsministerin Edtstadler wird betont, dass man sich mit dem eigenen Rechtsrahmen als “Vorreiter beim Kampf gegen Hass im Netz in Europa” verstehe. “Internet und Hass im Netz kennen jedoch keine nationalen Grenzen. Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler und Bundesministerin für Justiz Alma Zadić haben stets betont, dass einer europäischen Lösung der Vorzug zu geben ist.”
Der Ölproduzentenverbund OPEC+ wird seine Fördermengen im Herbst vorerst nur geringfügig steigern. Nach den größeren Erhöhungen der vergangenen Monate werde das gemeinsame Tagesproduktionsziel im September um weitere 100.000 Barrel ausgeweitet, teilte die von den Staaten Saudi-Arabien und Russland dominierte Allianz OPEC+ gestern nach einer Onlinesitzung mit. Die Allianz verfüge nur über “extrem limitierte Kapazitätsüberschüsse” und müsse diese deshalb äußerst vorsichtig nutzen, argumentierte die OPEC+ in einer Mitteilung.
In ihren vorangegangenen Monatssitzungen hatten die rund 20 Staaten des Kartells OPEC+ beschlossen, die starken Förderkürzungen, die während der Coronavirus-Pandemie umgesetzt worden waren, schrittweise bis Ende August zurückzunehmen. Allerdings produzierte die OPEC+ zuletzt deutlich weniger als vereinbart. Im Juni lag das Defizit laut Internationaler Energie-Agentur bei rund 2,8 Millionen Barrel pro Tag.
Analysten werteten die nur minimale Erhöhung als Schlappe für US-Präsident Joe Biden, der jüngst bei einer Reise nach Saudi-Arabien für eine höhere Ölförderung geworben hatte. “Das ist so wenig, dass es bedeutungslos ist. Als politische Geste ist es fast eine Beleidigung”, sagte Raad Alkadiri von der Eurasia Group.
Hoffnung auf eine schnelle Ausweitung der Förderung dämpfte gestern auch Kasachstan, das selbst kein OPEC-Mitglied ist. Die Mengen, die im Westen durch den Verzicht auf russisches Öl wegfielen (Europe.Table berichtete), könne Kasachstan nicht einfach so ersetzen, sagte der Energieminister der Ex-Sowjetrepublik, Bolat Aktschulakow, in der Hauptstadt Nur-Sultan laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Zunächst müssten hohe Summen in neue Bohrungen investiert werden.
Noch vor einem Monat hatte Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew der EU Öl- und Gaslieferungen in Aussicht gestellt: “Kasachstan ist bereit, sein Kohlenwasserstoffpotenzial zu nutzen, um die Lage auf den Weltmärkten, darunter Europas, zu stabilisieren.” dpa/rtr
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland indirekt vorgeworfen, Vorwände für die ausbleibenden Gaslieferungen zu nutzen. Die Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 sei jederzeit einsetzbar und könne geliefert werden, sagte der SPD-Politiker Scholz am Mittwoch bei einem Besuch des Energietechnik-Konzerns Siemens Energy in Mülheim an der Ruhr. Dort ist die Maschine auf dem Weg von Kanada nach Russland zwischengelagert. Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist das Aggregat seit dem 18. Juli in Deutschland.
“Die Turbine ist da, sie kann geliefert werden, es muss nur Jemand sagen, ich möcht’ sie haben, dann ist sie ganz schnell da”, betonte Scholz. Dem Gastransport durch Nord Stream 1 stehe dann nichts mehr im Weg. “Es ist offensichtlich, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts dem Weitertransport dieser Turbine und ihrem Einbau in Russland entgegensteht.” Die Reduzierung der Gaslieferungen über Nord Stream 1 (Europe.Table berichtete), die Nichterfüllung der Gaslieferungsverträge habe keinerlei technische Gründe, sagte der Kanzler weiter.
Die Turbine sei nicht nur in perfektem Zustand, ihrer Nutzung stünden auch keinerlei Gas-Sanktionen entgegen. Man müsse sich angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine aber bewusst sein, “dass es jederzeit irgendwelche vorgeschobenen, vorgebrachten Gründe geben kann, die dazu führen, dass irgendetwas nicht funktioniert”, sagte der Kanzler.
Scholz sagte, es gebe “erhebliche Kapazitäten bei Nord Stream 1”. Es gebe keinen Mangel an Möglichkeiten, alle Verträge, die Russland für ganz Europa geschlossen habe, mit Hilfe dieser Pipeline und der auch noch in Betrieb befindlichen Ukraine-Pipeline zu erfüllen. Nicht vergessen werden dürfe, dass es noch eine Pipeline durch Weißrussland und Polen gebe, die Jahrzehnte in Betrieb war. “Russland selbst hat entschieden, die Pipeline zu sanktionieren.”
Seit Juni hat Russland die Gaslieferungen über Nord Stream 1 zurückgefahren. Der Energiekonzern Gazprom begründete dies mit der fehlenden Turbine. Sie sei wichtig, um den nötigen Druck zum Durchpumpen des Gases aufzubauen. Gazprom warf seinem Vertragspartner Siemens Energy wiederholt vor, nicht die nötigen Dokumente und Informationen zur Reparatur der Maschine übermittelt zu haben. Siemens Energy hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Russland bekräftigte seine Sicht der Dinge am Mittwoch. Die Turbine sei zwar mittlerweile in Deutschland, aber Gazprom als Eigentümer fehlten weiter notwendige Papiere, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.
Siemens-Energy-Vorstandschef Christian Bruch sagte in Mülheim, dass die gewartete Turbine eigentlich erst im September zum Wiedereinbau vorgesehen war. An der Gasverdichterstation Portowaja gebe es noch ein baugleiches Ersatzteil, “was da ist, was man jetzt schon einbauen könnte”. Dies mache Gazprom aber üblicherweise nur dann, wenn das nächste Ersatzteil schon wieder im Zulauf ist. “Aus unserer Sicht ist alles vorbereitet, was geht.” Man versuche, das Gazprom auch tagtäglich klarzumachen.
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder empfahl angesichts der Gaskrise die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2. “Sie ist fertig. Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte”, sagte das SPD-Mitglied dem Magazin “Stern” und dem Sender “RTL/ntv”. Schröder bezeichnete die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mit Blick auf mögliche Gasengpässe als die “einfachste Lösung”.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) absolvierte am Mittwoch ihren Antrittsbesuch in Kanada – ungewöhnlicherweise nicht in der Hauptstadt Ottawa, sondern in Montreal, der Heimatstadt von Außenministerin Melanie Joly. Die Wartung und Verschiffung der Nord-Stream-1-Turbine (Europe.Table berichtete) hatte in den vergangenen Wochen in Kanada für Wirbel und Druck auf Premier Justin Trudeau gesorgt. Ottawa umging mit der Auslieferung seine eigenen Sanktionen gegen Moskau und verärgerte damit auch die ukrainische Führung. Scholz dankte am Mittwoch der kanadischen Regierung “für die große Bereitschaft, Europa zu helfen und den Export der gewarteten Turbine zu ermöglichen”. dpa
Inmitten einer Dürrewelle hat die Europäische Kommission gestern Leitlinien zur Wiederverwendung von Wasser veröffentlicht. Ziel ist es, verstärkt aufbereitetes Abwasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft verwenden – einem Sektor, der besonders anfällig für knappe Wasserressourcen ist.
Die Leitlinien dienen zur Auslegung der Verordnung über Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung, die ab Juni 2023 umzusetzen ist. Sie legt einheitliche Mindestanforderungen an die Wasserqualität, das Risikomanagement und die Überwachung für die landwirtschaftliche Bewässerung fest. Das ist wichtig, um zu gewährleisten, dass landwirtschaftliche Produkte überall in der EU verkauft werden können.
Virginijus Sinkevičius, Kommissar für Umwelt, Fischerei und Ozeane, sagte: “Die Süßwasserressourcen sind knapp und stehen zunehmend unter Druck. Bei diesen beispiellos hohen Temperaturen müssen wir die Verschwendung von Wasser stoppen. Wir müssen die Ressource Wasser effizienter nutzen, um uns an den Klimawandel anzupassen und die Sicherheit und Nachhaltigkeit unserer landwirtschaftlichen Produktion zu gewährleisten.”
Die Wiederverwendung von behandeltem Abwasser gilt als geringere Umweltbelastung als alternative Methoden der Wasseraufbereitung wie die Entsalzung. Eine solche Wiederverwendung wird in der EU jedoch nur in begrenztem Umfang praktiziert. Denn Systeme zur sicheren Wiederaufbereitung von Abwasser sind teuer und es fehlen bislang Umwelt- und Gesundheitsnormen der Europäischen Union für die Wiederverwendung von Wasser, wie es in der Verordnung von 2020 heißt. klm
Der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer hat die EU aufgefordert, sich den Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan zum Vorbild zu nehmen – trotz der scharfen Kritik aus China. “Auch wir in Europa dürfen nicht achselzuckend zusehen, wie die Volksrepublik versucht, die Welt an die Vorstellung zu gewöhnen, dass eine erzwungene Einverleibung Taiwans unvermeidlich sei”, sagte Bütikofer am Mittwoch. Europa habe kein Interesse an einer Eskalation der Spannungen um Taiwan. Aber eben deswegen dürfe es Chinas zunehmend übergriffiger Außenpolitik nicht nachgeben.
Um zu einer Begrenzung des Taiwan-Konfliktes beizutragen, sollte die EU nach Ansicht des früheren Bundesvorsitzenden der Grünen zwei Dinge klarstellen. Dies sei zum einen das Festhalten an der Ein-China-Politik (Europe.Table berichtete) und der Ablehnung einer formellen Unabhängigkeit Taiwans. Zum anderen gelte es Peking deutlich zu machen, dass ein Versuch, Taiwan unter die kommunistische Herrschaft zu zwingen, für China selbst einen außerordentlich hohen Preis hätte.
“Taiwan ist für uns nicht nur ein wertvoller Partner in wirtschaftlicher Hinsicht und ein Vorbild im Gesundheitsmanagement”, sagte der außenpolitische Koordinator der Grünen im Europaparlament. “Wir schätzen es auch als lebendige Demokratie in einer geostrategisch zentralen Region.”
Den Besuch Pelosis in Taiwan wertete Bütikofer als “ein unübersehbares Zeichen der Solidarität mit der Demokratie Taiwans gegenüber der zunehmenden Aggression der Volksrepublik China”. Pekings wütende Drohgebärden zeigten, dass die Botschaft der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses dort angekommen sei.
Auch Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis hat sich wohlwollend zur Taiwan-Reise Pelosis geäußert. Pelosi habe “die Tür nach Taiwan viel weiter geöffnet”, schrieb er am Dienstagabend auf Twitter. “Ich bin sicher, dass andere Verteidiger von Freiheit und Demokratie sehr bald hindurchgehen werden.”
Zwischen Litauen und China war es in den vergangenen Monaten zu Spannungen gekommen (Europe.Table berichtete). Chinas Hauptstadt Peking hatte seine diplomatischen Beziehungen zu dem baltischen EU-Staat herabgestuft, nachdem dieser Taiwan erlaubte, in der litauischen Hauptstadt Vilnius eine Repräsentanz unter eigenem Namen zu eröffnen.
Nach litauischen Angaben lässt China in dem Streit auch seine wirtschaftlichen Muskeln spielen. Wegen der Handelsbeschränkungen, die Peking bereits gegen Litauen erlassen hat, leitete die EU ein Verfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO) gegen China ein. In dem Konflikt war auch die deutsche Wirtschaft in Litauen zwischen die Fronten geraten. dpa
Der Frachter “Razoni”, der erstmals seit Kriegsbeginn Ende Februar Getreide aus der Ukraine auf dem Seeweg transportiert, kann seine Fahrt Richtung Libanon fortsetzen. Eine dreistündige Inspektion brachte am Mittwoch keine Unregelmäßigkeiten ans Tageslicht. Das Schiff dürfte nun am späten Wochenende oder Anfang nächster Woche im Libanon eintreffen.
Die Ladung soll helfen, Lebensmittelengpässe zu beheben. Weitere Transporte dieser Art sollen folgen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach dennoch nur von einem Tropfen auf den heißen Stein. Am frühen Nachmittag mitteleuropäischer Zeit fuhr die “Razoni” in den Bosporus ein, der das Schwarze Meer mit dem Mittelmeer verbindet.
Zuvor hatten das türkische Verteidigungsministerium, das ukrainische Infrastrukturministerium und die Vereinten Nationen (UN) bestätigt, dass die Inspektion abgeschlossen sei (Europe.Table berichtete). Angaben zur Crew und der Fracht stimmten mit vorherigen Anträgen überein und seien genehmigt, so die UN. Nach ukrainischen Angaben seien 17 weitere Frachter mit Agrargütern beladen worden und warteten auf grünes Licht, um auslaufen zu dürfen. Die “Razoni” werde noch vier bis fünf Tage bis zum Zielhafen in Tripoli im Libanon brauchen.
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor mehr als fünf Monaten hängen Millionen Tonnen Getreide in Häfen am Schwarzen Meer fest. Unter Vermittlung der Türkei und der UN hatten die Kriegsparteien ein Abkommen unterzeichnet, das die Wiederaufnahme der Exporte vorsieht – ein seltener diplomatischer Erfolg in dem Krieg.
Über sichere Routen sollen aus drei Häfen Ausfuhren möglich werden. Die Ukraine zählte – wie Russland – bisher zu den weltgrößten Getreide-Exporteuren. Die Häfen am Schwarzen Meer wie Odessa konnten wegen der Blockade durch russische Streitkräfte aber nicht wie gewohnt genutzt werden. Das hat bereits zu steigenden Preisen und Engpässen vor allem in ärmeren Ländern geführt. Die UN warnten vor Hungersnöten noch in diesem Jahr. rtr
Zwei Themen haben David Ryfisch Zeit seines Berufslebens begleitet: Ausland und Klima. Denn der gebürtige Bremerhavener hat seinen Zivildienst in Ecuador auf einer ökologischen Kakaofarm absolviert und ein Jahr in Sao Paulo in Brasilien studiert.
Nach weiteren Stationen in Genf, Washington und Kopenhagen ist der in Bonn lebende Volkswirt nun angestellt bei Germanwatch, einer Nichtregierungsorganisation mit aktuell fast 100 Mitarbeitenden, die sich seit 1991 für die Interessen der Ärmsten und Verletzlichsten im globalen Süden einsetzt. Der Fokus liegt auf der deutschen Regierung und der Rolle Deutschlands als Akteur in der Welt.
David Ryfisch leitet bei Germanwatch das Team für internationale Klimapolitik mit derzeit 18 Personen. Diese Stelle teilt er sich mit Rixa Schwarz und fokussiert sich auf internationale Klimafinanzierung sowie die G7- und G20-Foren.
Aktuell arbeitet er daran, dass die deutsche G7-Präsidentschaft ein Erfolg und der Klimaschutz schneller umgesetzt wird (Europe.Table berichtete). Denn die aktuelle internationale Klimapolitik und die Klimaschutzmaßnahmen gehen ihm noch nicht weit genug. “Vieles sieht auf dem Papier schon sehr gut aus”, erklärt er. Lücken wurden schon geschlossen. Das Pariser Abkommen wertet er als Erfolg, aber in der Umsetzung gebe es noch viel zu tun. Der Theorie müssen jetzt Veränderungen folgen.
Ryfisch sieht aktuell noch eine weitere Herausforderung, nämlich gesamtgesellschaftliche Resilienz. “Die Klimakrise ist eine Krise, aber wir haben gerade eine Vielzahl von Krisen.” Es sei eine Kaskade von Krisen, die alle miteinander zusammenhängen. Die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Klimakrise und das Artensterben, dazu Verschuldungskrisen in Entwicklungsländern. Es sei falsch, diese Krisen individuell zu betrachten. Darum glaubt er: “Die Gesellschaft muss sich in einer erheblichen Geschwindigkeit verändern.”
Wenn er die Gesellschaften in Deutschland und in Südamerika vergleicht, fehlt ihm manchmal auch die zwischenmenschliche Wärme und die Multikulturalität, sagt er, auch wenn sich Deutschland mittlerweile in eine gute Richtung bewegt. Lateinamerikanische Lebensfreude holt sich Ryfisch mit Salsa- und Bachata-Tanzen zum Feierabend oder am Wochenende in sein Leben.
In der Pandemie hat er die Freude am Gärtnern für sich entdeckt. So weit, sich eigene Topfpflanzen zuzulegen, ist er aber dann doch nicht gekommen, da er für Germanwatch zwischen Bonn und Berlin pendelt und allgemein viel unterwegs ist. Die Grünpflanzen in seiner WG überleben deshalb nur durch die gute Pflege anderer. Sarah Tekath
fluorierte Treibhausgase, sogenannte F-Gase, haben ein weitaus höheres Treibhauspotenzial als CO2, sind aber bislang noch nicht so streng reguliert. Die EU-Kommission will dies nun ändern und schlägt strengere Richtlinien und Beschränkungen dafür vor. Lukas Scheid hat sich den Vorschlag angesehen und erklärt, wie hoch das Einsparpotenzial ist.
Die Implementation des Digital Services Act stellt die Mitgliedsländer vor Herausforderungen. In Deutschland wie in Österreich sucht man nach einem Koordinator, der die Umsetzung überwacht. In Österreich könnte sich jetzt eine Lösung abzeichnen. Aber was heißt das für das nationale Kommunikationsplattformengesetz? Mein Kollege Falk Steiner hat nachgehakt.
Um in Zeiten der Dürre verstärkt Abwasser zur Bewässerung der Landwirtschaft wiederverwenden zu können, hat die EU-Kommission gestern Leitlinien veröffentlicht. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Bei Germanwatch leitet David Ryfisch die Abteilung Internationale Klimapolitik – ein Thema, das ihn schon sein ganzes Berufsleben begleitet. Ob in Ecuador, Brasilien, Bonn oder Berlin, Ryfisch setzt sich für die Interessen anderer ein. Im Portrait stellen wir ihn vor.
Neben CO2, Methan und Distickstoffoxid (Lachgas) gehören auch F-Gase zur Gruppe der Treibhausgase. Sie fallen damit unter das Pariser Abkommen, in dem sich die Unterzeichner-Länder dafür ausgesprochen haben, deren Ausstoß zu reduzieren, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Und das ist auch zwingend notwendig, denn die Klimawirkung von fluorierten Gasen sind erheblich.
Laut Deutscher Umwelthilfe liegt das Treibhauspotenzial um ein 100 bis 24.000-faches über dem von CO2. Zwar machen F-Gase nur 2,5 Prozent der EU-weiten Treibhausgase aus, doch sie signifikant zu reduzieren ist im Vergleich zu den riesigen Mengen an CO2-Ausstoß deutlich einfacher. Der IPCC-Bericht vom August 2021 (Europe.Table berichtete) legte deshalb nahe, F-Gas-Emissionen um 90 Prozent bis 2050 zu reduzieren im Vergleich zu 2015. Doch F-Gase können nicht einfach nur reduziert werden, sondern brauchen meist Ersatz. Dabei galten sie selbst einst als umweltfreundliche Alternative, denn ursprünglich wurden F-Gase eingesetzt, um andere ozonabbauende Materialien zu ersetzen. Nun müssen sie selbst ersetzt werden.
Eingesetzt werden F-Gase als Kältemittel in Kühl- und Gefrierschränken, Klimaanlagen und Wärmepumpen, aber auch in verschiedenen Sprays kommen sie zum Einsatz. Den Großteil der F-Gas-Emissionen bilden teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW), doch auch Perfluorkohlenwasserstoffe (PFCs), Schwefelhexafluoride (SF6) und Stickstofftrifluoride (NF3) werden in verschiedenen Industrieprozessen eingesetzt, zum Beispiel zur Isolierung von Übertragungsleitungen im Stromnetz.
2015 hat die EU zuletzt die Regeln zur Reduzierung von F-Gasen verschärft. Offenbar mit Erfolg: Haben sich F-Gas-Emissionen in der EU von 1990 bis 2014 noch verdoppelt, gehen sie seit Inkrafttreten der neuen Verordnung laut einer Folgenabschätzung der Kommission zurück. In vielen Geräten, in denen bisher F-Gase verwendet wurden, seien vermehrt Alternativen mit geringerem Treibhauspotenzial eingesetzt worden, darunter CO2, Ammoniak, Kohlenwasserstoffe und Wasser.
Allerdings würden die anvisierten Reduktionsziele für 2030 nicht erreicht werden, zumal das Potenzial zur Einsparung noch größer sei, heißt es von der Kommission. Der neue Vorschlag zielt auf diese Lücke zwischen Zielsetzung und Umsetzung ab und sieht erhebliche Emissionsminderungen vor. Allein bis 2030 soll durch die neue F-Gase-Verordnung ein Äquivalent von 40 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht den jährlichen Gesamtemissionen der Slowakei (im Jahr 2019). Bis 2050 soll ein Äquivalent von 310 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Der Einsatz von HFKW-Kältemitteln soll noch stärker reglementiert werden. Ab 2024 sollen EU-weit nur noch 24 Prozent der Menge von 2015 in Verkehr gebracht werden dürfen, ab 2027 nur noch 10 Prozent und ab 2030 nur noch 5 Prozent. Bisher galten Quoten von 31 Prozent, bzw. 24 Prozent und 21 Prozent. Mit diesem deutlich ambitionierterem Ausstiegspfad für das am häufigsten verwendete F-Gas will die Kommission deren Emissionen bis 2050 um 98 Prozent verringern.
Außerdem sollen neue Beschränkungen für den Einsatz von F-Gasen eingeführt werden. Nur noch Anlagen, für die es keine geeigneten Alternativen gibt, sollen sie langfristig überhaupt noch verwenden dürfen. Die Kommission hat unter anderem für Kälte- und Klimaanlagen, Körperpflegeprodukte und elektrische Schaltanlagen Ausstiegspfade für die Nutzung von F-Gasen vorgeschlagen.
Durch die Anhebung der Quoten sowie die Verschärfung von Nutzungsverboten erhofft sich die Brüsseler Behörde noch einen weiteren Effekt. Eine von der Kommission in Auftrag gegebene Studie, durchgeführt unter anderem vom Ökoinstitut, ergab, dass das Fehlen ausgebildeter Fachleute möglicherweise zu einer Verlangsamung bei der Einführung klimafreundlicherer Alternativen zu F-Gasen geführt habe. Zudem seien Sicherheitsstandards nicht an den technischen Fortschritt angepasst worden. Die höheren Quoten würde die Anzahl der Ingenieure, die für den Umgang mit klimafreundlichen Technologien qualifiziert sind, erhöhen, da Mitgliedstaaten ihre Zertifizierungs- und Ausbildungsprogramme ausweiten müssten.
Außerdem will die Kommission mit einem F-Gas-Portal dem illegalen Kältemittel-Handel begegnen. Hersteller und Importeure sollen darin die von ihnen in Verkehr gebrachten Mengen dokumentieren sowie beteiligte Unternehmen registrieren können. So sollen Ein- und Ausfuhren von F-Gasen besser kontrolliert werden.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), ein Nebenorgan der EU für verschiedenste Interessensvertreter, lobte den Kommissionsvorschlag zwar, sieht jedoch noch Luft nach oben. In einer Stellungnahme fordert der Ausschuss ein Verbot aller Kältemittel in Wärmepumpen, Raumklimageräten, Kältemaschinen und Kühlgeräten mit einem Treibhauspotenzial über 5 nach 2030 (Berechnungsmethode auf Seite 15). Dies wäre eine klare Botschaft an den Markt, heißt es.
Außerdem empfiehlt der Ausschuss, den Energiesparplan REPowerEU (Europe.Table berichtete) mit dem Ausstieg aus der Verwendung von F-Gasen zu verbinden. Insbesondere bei Wärmepumpen sollen Kältemittel mit einem möglichst niedrigen Treibhauspotenzial zum Einsatz kommen. Die Befürchtung von Marktengpässen in diesem Sektor weist der EWSA dagegen zurück. Die Industrie könne ihre Produktionskapazitäten erhöhen und überwiegend auf natürliche Kältemittel zurückgreifen. Hier habe die EU die Möglichkeit, mit globalen grünen Standards eine Vorbildfunktion zu übernehmen.
Parlamentsberichterstatter für die Überarbeitung der F-Gase-Verordnung ist Bas Eickhout (Greens/EFA). Der Niederländer ist bestens mit der Materie vertraut, denn schon 2013, als das Parlament den letzten Revisionsvorschlag der Kommission diskutierte, war er zuständiger Rapporteur. Der Vorschlag der Kommission sei gut, findet Eickhout. Doch in mehreren Bereichen seien noch Verbesserungen erforderlich. “Bestimmte Sektoren, in denen es Alternativen gibt, können schneller aus F-Gasen aussteigen.” Man müsse aber auch dafür sorgen, dass man nicht wieder mit “neuen Chemiecocktails” konfrontiert werde, obwohl es natürliche Lösungen gibt, so Eickhout.
Voraussichtlich im Herbst wird der Niederländer dem zuständigen Umweltausschuss einen ersten Parlamentsbericht vorlegen. Eine Einigung auf die überarbeitete Verordnung wird für 2023 erwartet, sodass die neuen Maßnahmen 2024 in Kraft treten könnten.
Doch auch in Wien gibt es einigen Gesprächsbedarf rund um die DSA-Umsetzung. Während die EU-Kommission für die größten Anbieter wie Facebook, Google, Instagram und Amazon künftig selbst die Einhaltung des Digital Services Act überwachen soll (Europe.Table berichtete), sollen kleinere Akteure im jeweiligen Sitzstaat oder dem Staat mit der europäischen Hauptniederlassung überwacht werden.
Die Koordinationsbehörden der Mitgliedstaaten sollen ab 2024 mit der Kommission, den DSCs der anderen Mitgliedstaaten und allen national zuständigen Stellen zusammenarbeiten. “In Österreich werden zeitnahe Gespräche auf Expertenebene und politischer Ebene stattfinden, um die Umsetzung sicherzustellen und vor allem den Koordinator für Digitale Dienste des DSA einzurichten”, heißt es aus dem Büro der für Europapolitik zuständigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP/EVP).
Immer wieder wird als wahrscheinlicher DSC die Medienbehörde KommAustria genannt. Die ist bereits heute für Inhalteregulierung zuständig. “Funktional wird teils eine Weisungsfreistellung nötig sein, um die gewünschte Unabhängigkeit zu erreichen”, erläutert Matthias Kettemann, Rechtswissenschaftler an der Universität Innsbruck. Der DSA schreibt eine weitgehende Unabhängigkeit für die nationalen Koordinierungsbehörden vor. Womöglich könnten Teilaufgaben auch bei der Telekommunikationsregulierungsbehörde RTR angesiedelt werden – die praktischerweise strukturell engstens mit der KommAustria verbandelt ist: Ein Fachbereich ist als KommAustria für den Medienbereich zuständig, einer als RTR für die Regulierung von Post und Telekommunikation.
Matthias Kettemann erwartet zumindest weniger ausführliche Debatten als in Deutschland: “Es stellen sich weniger föderale und kompetenzrechtliche Fragen, auch wegen der föderalen Struktur der Medienaufsicht in Deutschland.”
Welche Ausstattung nötig sein wird, um die DSA-Durchsetzung zu gewährleisten, wird auch in Österreich derzeit noch eher geschätzt denn gewusst. “Der Aufwand beziehungsweise die personelle Ausstattung und Budgetierung lässt sich derzeit nicht seriös abschätzen”, heißt es etwa aus dem Büro von EU-Ministerin Edtstadler. Allerdings verfüge die KommAustria ja bereits über Erfahrungswerte aus dem Kommunikationsplattformengesetz.
Die Republik Österreich hatte 2020 mit dem Kommunikationsplattformengesetz (KoPlG) ein eng mit dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz verwandtes Regelwerk verabschiedet, das Anbietern großer Kommunikationsplattformen Pflichten auferlegt, wie mit mutmaßlich rechtswidrigen Inhalten umgegangen werden muss. Gegen dieses Gesetz waren – wie auch gegen Vorschriften des deutschen NetzDG – Anbieter vor Gericht gezogen.
Ende Juni formulierte der österreichische Verwaltungsgerichtshof mehrere Vorlagefragen zum KoPlG, die nun den Europäischen Gerichtshof beschäftigen werden. Insbesondere die Vereinbarkeit des österrreichischen Rechtsaktes mit der E-Commerce-Richtlinie, die in Teilen vom Digital Services Act überformt wird, wird von den Richtern für klärungsbedürftig erachtet.
Hier liege eine der Großbaustellen, wenn es um die Vereinbarkeit mit dem künftigen DSA-Rechtsrahmen geht, meint Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer Wien: “Das Kommunikationsplattformengesetz, das die Melde- und Sperrmechanismen von Kommunikationsplattformen bisher national regelte, ist jedenfalls in etlichen Punkten nicht mit dem DSA übereinstimmend und anzupassen.” Die AK ist nicht nur Arbeitnehmerinnenvertretung, sondern auch Konsumentenschutzorganisation.
Auch Matthias Kettemann, Rechtsprofessor an der Universität Innsbruck, sieht gerade beim Kommunikationsplattformengesetz Handlungsbedarf. Diese stehe “auf sehr tönernen Füßen”, sagt Kettemann. Er gehe davon aus, dass ein Urteil des EuGH genau mit dem Prozess der Überarbeitung des KoplG für eine mögliche DSA-Konformität zusammenfallen würde.
Dem österreichischen Plattformgesetz räumt er dabei wenig Überlebenschancen ein: “Ich gehe zum heutigen Tage davon aus, dass das KoPlG aufgehoben werden wird oder zumindest inhaltlich stark reduziert wird, da regulatorische Kernanliegen des KoPlG ausführlicher und europarechtskonform vom DSA abgedeckt werden.” Mit dem unmittelbar geltenden Digital Services Act dürften wesentliche Teile des österreichischen KoPlG somit verdrängt werden, da Europarecht dem Recht der EU-Mitgliedstaaten vorgeht.
Darauf scheint man sich auch bereits in der österreichischen Bundesregierung einzustellen. Aus dem Büro der EU- und Verfassungsministerin Edtstadler wird betont, dass man sich mit dem eigenen Rechtsrahmen als “Vorreiter beim Kampf gegen Hass im Netz in Europa” verstehe. “Internet und Hass im Netz kennen jedoch keine nationalen Grenzen. Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler und Bundesministerin für Justiz Alma Zadić haben stets betont, dass einer europäischen Lösung der Vorzug zu geben ist.”
Der Ölproduzentenverbund OPEC+ wird seine Fördermengen im Herbst vorerst nur geringfügig steigern. Nach den größeren Erhöhungen der vergangenen Monate werde das gemeinsame Tagesproduktionsziel im September um weitere 100.000 Barrel ausgeweitet, teilte die von den Staaten Saudi-Arabien und Russland dominierte Allianz OPEC+ gestern nach einer Onlinesitzung mit. Die Allianz verfüge nur über “extrem limitierte Kapazitätsüberschüsse” und müsse diese deshalb äußerst vorsichtig nutzen, argumentierte die OPEC+ in einer Mitteilung.
In ihren vorangegangenen Monatssitzungen hatten die rund 20 Staaten des Kartells OPEC+ beschlossen, die starken Förderkürzungen, die während der Coronavirus-Pandemie umgesetzt worden waren, schrittweise bis Ende August zurückzunehmen. Allerdings produzierte die OPEC+ zuletzt deutlich weniger als vereinbart. Im Juni lag das Defizit laut Internationaler Energie-Agentur bei rund 2,8 Millionen Barrel pro Tag.
Analysten werteten die nur minimale Erhöhung als Schlappe für US-Präsident Joe Biden, der jüngst bei einer Reise nach Saudi-Arabien für eine höhere Ölförderung geworben hatte. “Das ist so wenig, dass es bedeutungslos ist. Als politische Geste ist es fast eine Beleidigung”, sagte Raad Alkadiri von der Eurasia Group.
Hoffnung auf eine schnelle Ausweitung der Förderung dämpfte gestern auch Kasachstan, das selbst kein OPEC-Mitglied ist. Die Mengen, die im Westen durch den Verzicht auf russisches Öl wegfielen (Europe.Table berichtete), könne Kasachstan nicht einfach so ersetzen, sagte der Energieminister der Ex-Sowjetrepublik, Bolat Aktschulakow, in der Hauptstadt Nur-Sultan laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Zunächst müssten hohe Summen in neue Bohrungen investiert werden.
Noch vor einem Monat hatte Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew der EU Öl- und Gaslieferungen in Aussicht gestellt: “Kasachstan ist bereit, sein Kohlenwasserstoffpotenzial zu nutzen, um die Lage auf den Weltmärkten, darunter Europas, zu stabilisieren.” dpa/rtr
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland indirekt vorgeworfen, Vorwände für die ausbleibenden Gaslieferungen zu nutzen. Die Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 sei jederzeit einsetzbar und könne geliefert werden, sagte der SPD-Politiker Scholz am Mittwoch bei einem Besuch des Energietechnik-Konzerns Siemens Energy in Mülheim an der Ruhr. Dort ist die Maschine auf dem Weg von Kanada nach Russland zwischengelagert. Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist das Aggregat seit dem 18. Juli in Deutschland.
“Die Turbine ist da, sie kann geliefert werden, es muss nur Jemand sagen, ich möcht’ sie haben, dann ist sie ganz schnell da”, betonte Scholz. Dem Gastransport durch Nord Stream 1 stehe dann nichts mehr im Weg. “Es ist offensichtlich, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts dem Weitertransport dieser Turbine und ihrem Einbau in Russland entgegensteht.” Die Reduzierung der Gaslieferungen über Nord Stream 1 (Europe.Table berichtete), die Nichterfüllung der Gaslieferungsverträge habe keinerlei technische Gründe, sagte der Kanzler weiter.
Die Turbine sei nicht nur in perfektem Zustand, ihrer Nutzung stünden auch keinerlei Gas-Sanktionen entgegen. Man müsse sich angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine aber bewusst sein, “dass es jederzeit irgendwelche vorgeschobenen, vorgebrachten Gründe geben kann, die dazu führen, dass irgendetwas nicht funktioniert”, sagte der Kanzler.
Scholz sagte, es gebe “erhebliche Kapazitäten bei Nord Stream 1”. Es gebe keinen Mangel an Möglichkeiten, alle Verträge, die Russland für ganz Europa geschlossen habe, mit Hilfe dieser Pipeline und der auch noch in Betrieb befindlichen Ukraine-Pipeline zu erfüllen. Nicht vergessen werden dürfe, dass es noch eine Pipeline durch Weißrussland und Polen gebe, die Jahrzehnte in Betrieb war. “Russland selbst hat entschieden, die Pipeline zu sanktionieren.”
Seit Juni hat Russland die Gaslieferungen über Nord Stream 1 zurückgefahren. Der Energiekonzern Gazprom begründete dies mit der fehlenden Turbine. Sie sei wichtig, um den nötigen Druck zum Durchpumpen des Gases aufzubauen. Gazprom warf seinem Vertragspartner Siemens Energy wiederholt vor, nicht die nötigen Dokumente und Informationen zur Reparatur der Maschine übermittelt zu haben. Siemens Energy hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Russland bekräftigte seine Sicht der Dinge am Mittwoch. Die Turbine sei zwar mittlerweile in Deutschland, aber Gazprom als Eigentümer fehlten weiter notwendige Papiere, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.
Siemens-Energy-Vorstandschef Christian Bruch sagte in Mülheim, dass die gewartete Turbine eigentlich erst im September zum Wiedereinbau vorgesehen war. An der Gasverdichterstation Portowaja gebe es noch ein baugleiches Ersatzteil, “was da ist, was man jetzt schon einbauen könnte”. Dies mache Gazprom aber üblicherweise nur dann, wenn das nächste Ersatzteil schon wieder im Zulauf ist. “Aus unserer Sicht ist alles vorbereitet, was geht.” Man versuche, das Gazprom auch tagtäglich klarzumachen.
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder empfahl angesichts der Gaskrise die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2. “Sie ist fertig. Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte”, sagte das SPD-Mitglied dem Magazin “Stern” und dem Sender “RTL/ntv”. Schröder bezeichnete die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mit Blick auf mögliche Gasengpässe als die “einfachste Lösung”.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) absolvierte am Mittwoch ihren Antrittsbesuch in Kanada – ungewöhnlicherweise nicht in der Hauptstadt Ottawa, sondern in Montreal, der Heimatstadt von Außenministerin Melanie Joly. Die Wartung und Verschiffung der Nord-Stream-1-Turbine (Europe.Table berichtete) hatte in den vergangenen Wochen in Kanada für Wirbel und Druck auf Premier Justin Trudeau gesorgt. Ottawa umging mit der Auslieferung seine eigenen Sanktionen gegen Moskau und verärgerte damit auch die ukrainische Führung. Scholz dankte am Mittwoch der kanadischen Regierung “für die große Bereitschaft, Europa zu helfen und den Export der gewarteten Turbine zu ermöglichen”. dpa
Inmitten einer Dürrewelle hat die Europäische Kommission gestern Leitlinien zur Wiederverwendung von Wasser veröffentlicht. Ziel ist es, verstärkt aufbereitetes Abwasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft verwenden – einem Sektor, der besonders anfällig für knappe Wasserressourcen ist.
Die Leitlinien dienen zur Auslegung der Verordnung über Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung, die ab Juni 2023 umzusetzen ist. Sie legt einheitliche Mindestanforderungen an die Wasserqualität, das Risikomanagement und die Überwachung für die landwirtschaftliche Bewässerung fest. Das ist wichtig, um zu gewährleisten, dass landwirtschaftliche Produkte überall in der EU verkauft werden können.
Virginijus Sinkevičius, Kommissar für Umwelt, Fischerei und Ozeane, sagte: “Die Süßwasserressourcen sind knapp und stehen zunehmend unter Druck. Bei diesen beispiellos hohen Temperaturen müssen wir die Verschwendung von Wasser stoppen. Wir müssen die Ressource Wasser effizienter nutzen, um uns an den Klimawandel anzupassen und die Sicherheit und Nachhaltigkeit unserer landwirtschaftlichen Produktion zu gewährleisten.”
Die Wiederverwendung von behandeltem Abwasser gilt als geringere Umweltbelastung als alternative Methoden der Wasseraufbereitung wie die Entsalzung. Eine solche Wiederverwendung wird in der EU jedoch nur in begrenztem Umfang praktiziert. Denn Systeme zur sicheren Wiederaufbereitung von Abwasser sind teuer und es fehlen bislang Umwelt- und Gesundheitsnormen der Europäischen Union für die Wiederverwendung von Wasser, wie es in der Verordnung von 2020 heißt. klm
Der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer hat die EU aufgefordert, sich den Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan zum Vorbild zu nehmen – trotz der scharfen Kritik aus China. “Auch wir in Europa dürfen nicht achselzuckend zusehen, wie die Volksrepublik versucht, die Welt an die Vorstellung zu gewöhnen, dass eine erzwungene Einverleibung Taiwans unvermeidlich sei”, sagte Bütikofer am Mittwoch. Europa habe kein Interesse an einer Eskalation der Spannungen um Taiwan. Aber eben deswegen dürfe es Chinas zunehmend übergriffiger Außenpolitik nicht nachgeben.
Um zu einer Begrenzung des Taiwan-Konfliktes beizutragen, sollte die EU nach Ansicht des früheren Bundesvorsitzenden der Grünen zwei Dinge klarstellen. Dies sei zum einen das Festhalten an der Ein-China-Politik (Europe.Table berichtete) und der Ablehnung einer formellen Unabhängigkeit Taiwans. Zum anderen gelte es Peking deutlich zu machen, dass ein Versuch, Taiwan unter die kommunistische Herrschaft zu zwingen, für China selbst einen außerordentlich hohen Preis hätte.
“Taiwan ist für uns nicht nur ein wertvoller Partner in wirtschaftlicher Hinsicht und ein Vorbild im Gesundheitsmanagement”, sagte der außenpolitische Koordinator der Grünen im Europaparlament. “Wir schätzen es auch als lebendige Demokratie in einer geostrategisch zentralen Region.”
Den Besuch Pelosis in Taiwan wertete Bütikofer als “ein unübersehbares Zeichen der Solidarität mit der Demokratie Taiwans gegenüber der zunehmenden Aggression der Volksrepublik China”. Pekings wütende Drohgebärden zeigten, dass die Botschaft der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses dort angekommen sei.
Auch Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis hat sich wohlwollend zur Taiwan-Reise Pelosis geäußert. Pelosi habe “die Tür nach Taiwan viel weiter geöffnet”, schrieb er am Dienstagabend auf Twitter. “Ich bin sicher, dass andere Verteidiger von Freiheit und Demokratie sehr bald hindurchgehen werden.”
Zwischen Litauen und China war es in den vergangenen Monaten zu Spannungen gekommen (Europe.Table berichtete). Chinas Hauptstadt Peking hatte seine diplomatischen Beziehungen zu dem baltischen EU-Staat herabgestuft, nachdem dieser Taiwan erlaubte, in der litauischen Hauptstadt Vilnius eine Repräsentanz unter eigenem Namen zu eröffnen.
Nach litauischen Angaben lässt China in dem Streit auch seine wirtschaftlichen Muskeln spielen. Wegen der Handelsbeschränkungen, die Peking bereits gegen Litauen erlassen hat, leitete die EU ein Verfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO) gegen China ein. In dem Konflikt war auch die deutsche Wirtschaft in Litauen zwischen die Fronten geraten. dpa
Der Frachter “Razoni”, der erstmals seit Kriegsbeginn Ende Februar Getreide aus der Ukraine auf dem Seeweg transportiert, kann seine Fahrt Richtung Libanon fortsetzen. Eine dreistündige Inspektion brachte am Mittwoch keine Unregelmäßigkeiten ans Tageslicht. Das Schiff dürfte nun am späten Wochenende oder Anfang nächster Woche im Libanon eintreffen.
Die Ladung soll helfen, Lebensmittelengpässe zu beheben. Weitere Transporte dieser Art sollen folgen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach dennoch nur von einem Tropfen auf den heißen Stein. Am frühen Nachmittag mitteleuropäischer Zeit fuhr die “Razoni” in den Bosporus ein, der das Schwarze Meer mit dem Mittelmeer verbindet.
Zuvor hatten das türkische Verteidigungsministerium, das ukrainische Infrastrukturministerium und die Vereinten Nationen (UN) bestätigt, dass die Inspektion abgeschlossen sei (Europe.Table berichtete). Angaben zur Crew und der Fracht stimmten mit vorherigen Anträgen überein und seien genehmigt, so die UN. Nach ukrainischen Angaben seien 17 weitere Frachter mit Agrargütern beladen worden und warteten auf grünes Licht, um auslaufen zu dürfen. Die “Razoni” werde noch vier bis fünf Tage bis zum Zielhafen in Tripoli im Libanon brauchen.
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor mehr als fünf Monaten hängen Millionen Tonnen Getreide in Häfen am Schwarzen Meer fest. Unter Vermittlung der Türkei und der UN hatten die Kriegsparteien ein Abkommen unterzeichnet, das die Wiederaufnahme der Exporte vorsieht – ein seltener diplomatischer Erfolg in dem Krieg.
Über sichere Routen sollen aus drei Häfen Ausfuhren möglich werden. Die Ukraine zählte – wie Russland – bisher zu den weltgrößten Getreide-Exporteuren. Die Häfen am Schwarzen Meer wie Odessa konnten wegen der Blockade durch russische Streitkräfte aber nicht wie gewohnt genutzt werden. Das hat bereits zu steigenden Preisen und Engpässen vor allem in ärmeren Ländern geführt. Die UN warnten vor Hungersnöten noch in diesem Jahr. rtr
Zwei Themen haben David Ryfisch Zeit seines Berufslebens begleitet: Ausland und Klima. Denn der gebürtige Bremerhavener hat seinen Zivildienst in Ecuador auf einer ökologischen Kakaofarm absolviert und ein Jahr in Sao Paulo in Brasilien studiert.
Nach weiteren Stationen in Genf, Washington und Kopenhagen ist der in Bonn lebende Volkswirt nun angestellt bei Germanwatch, einer Nichtregierungsorganisation mit aktuell fast 100 Mitarbeitenden, die sich seit 1991 für die Interessen der Ärmsten und Verletzlichsten im globalen Süden einsetzt. Der Fokus liegt auf der deutschen Regierung und der Rolle Deutschlands als Akteur in der Welt.
David Ryfisch leitet bei Germanwatch das Team für internationale Klimapolitik mit derzeit 18 Personen. Diese Stelle teilt er sich mit Rixa Schwarz und fokussiert sich auf internationale Klimafinanzierung sowie die G7- und G20-Foren.
Aktuell arbeitet er daran, dass die deutsche G7-Präsidentschaft ein Erfolg und der Klimaschutz schneller umgesetzt wird (Europe.Table berichtete). Denn die aktuelle internationale Klimapolitik und die Klimaschutzmaßnahmen gehen ihm noch nicht weit genug. “Vieles sieht auf dem Papier schon sehr gut aus”, erklärt er. Lücken wurden schon geschlossen. Das Pariser Abkommen wertet er als Erfolg, aber in der Umsetzung gebe es noch viel zu tun. Der Theorie müssen jetzt Veränderungen folgen.
Ryfisch sieht aktuell noch eine weitere Herausforderung, nämlich gesamtgesellschaftliche Resilienz. “Die Klimakrise ist eine Krise, aber wir haben gerade eine Vielzahl von Krisen.” Es sei eine Kaskade von Krisen, die alle miteinander zusammenhängen. Die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Klimakrise und das Artensterben, dazu Verschuldungskrisen in Entwicklungsländern. Es sei falsch, diese Krisen individuell zu betrachten. Darum glaubt er: “Die Gesellschaft muss sich in einer erheblichen Geschwindigkeit verändern.”
Wenn er die Gesellschaften in Deutschland und in Südamerika vergleicht, fehlt ihm manchmal auch die zwischenmenschliche Wärme und die Multikulturalität, sagt er, auch wenn sich Deutschland mittlerweile in eine gute Richtung bewegt. Lateinamerikanische Lebensfreude holt sich Ryfisch mit Salsa- und Bachata-Tanzen zum Feierabend oder am Wochenende in sein Leben.
In der Pandemie hat er die Freude am Gärtnern für sich entdeckt. So weit, sich eigene Topfpflanzen zuzulegen, ist er aber dann doch nicht gekommen, da er für Germanwatch zwischen Bonn und Berlin pendelt und allgemein viel unterwegs ist. Die Grünpflanzen in seiner WG überleben deshalb nur durch die gute Pflege anderer. Sarah Tekath