welche zusätzlichen Kosten auf sie zukommen, das erfahren deutsche Gaskunden heute, wenn die Höhe der staatlichen Gasumlage bekannt gegeben wird. Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde aus. Die Umlage soll Gasversorgern zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für Gas aus Russland kaufen müssen. Um die Belastung möglichst gering zu halten, will Bundesfinanzminister Christian Lindner eine Mehrwertsteuer auf die Gasumlage verhindern – EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni forderte er in einem Schreiben auf, dafür sein Initiativrecht zu nutzen, um EU-Recht zu ändern. Mehr erfahren Sie in den News.
“Zum Glück wird es von den umgebenden Hochhäusern großzügig abgeschirmt”, schrieb die “Süddeutsche Zeitung” vor ein paar Jahren über das Paul-Henri-Spaak-Gebäude. Das ovalförmige Hauptgebäude des EU-Parlaments in Brüssel gilt nicht nur optisch als gewöhnungsbedürftig, es ist auch baufällig. Schon lange soll es saniert werden, der Architekturwettbewerb zur Neugestaltung ist inzwischen abgeschlossen. In Straßburg stehen ebenfalls räumliche Veränderungen an, dort geht es um den Kauf eines Gebäudes in direkter Nachbarschaft zum Plenarsaal. Die Immobilienpläne des Parlaments berühren die Rivalität zwischen Brüssel und Straßburg – und könnten den Sitzungskalender der Abgeordneten beeinflussen, wie Markus Grabitz erfahren hat.
Spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine drehen sich die Debatten in Europa um Sanktionen gegen fossile Energieimporte aus Russland und gefährliche Abhängigkeiten. Doch dabei werde großzügig ignoriert, dass Europa weiterhin in großem Umfang Metalle wie Nickel, Kupfer und Aluminium aus Russland importiert, kritisiert Michael Reckordt. Im Standpunkt fordert der Referent für Rohstoffpolitik bei der NGO PowerShift, dass die EU diese Importe stoppt. Zudem sollten die Europäische Kommission und die Bundesregierung ihre Rohstoffstrategien überarbeiten – der Ausbau der Kreislaufwirtschaft müsse oberste Priorität haben.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche.
Jede Volksvertretung braucht für ihre Arbeit die richtigen Räumlichkeiten: EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und ihre 14 Vize versuchen gerade, ein Paket mit wichtigen Entscheidungen zu den Immobilien des Parlaments zu schnüren. Es geht um Liegenschaften in Straßburg und Brüssel, auch die Bahnlinie von Brüssel nach Luxemburg ist betroffen.
Das ovalförmige Hauptgebäude in Brüssel, nach Paul-Henri Spaak benannt, ist mit gut 25 Jahren noch recht jung und doch schon baufällig. Es entspricht nicht mehr den Sicherheitsanforderungen und soll schon lange saniert werden. Inzwischen steht immerhin fest, wer den internationalen Architekturwettbewerb zur Neugestaltung gewonnen hat. In der letzten Sitzungswoche im Juli hat die international besetzte unabhängige Jury des Wettbewerbs Metsola informiert, welche Architektenentwürfe es auf die ersten fünf Plätze geschafft haben und damit in die nähere Auswahl kommen.
Noch ist die Jury-Entscheidung geheim. Nach Informationen von Europe.Table landete ein Entwurf unter maßgeblicher Beteiligung von französischen Architektenbüros auf Platz eins. Wie in Brüssel zu hören ist, sieht der Entwurf vor, das angrenzende Altiero-Spinelli-Gebäude in der Mitte zu teilen, um das Spaak-Gebäude, in dem auch der Plenarsaal untergebracht ist, Richtung Brüsseler Innenstadt zu öffnen. Wie weiter zu erfahren ist, gibt es aber bei den Entscheidern Vorbehalte gegen den erstplatzierten Entwurf: “Es gibt keinen Automatismus, dass der erstplatzierte Entwurf realisiert wird.”
Über einen weiteren Entwurf, der unter den fünf Platzierten ist, heißt es: “Er sieht gut aus, ist aber nicht baubar.” Nun soll das Generalsekretariat noch Analysen zu den Baukosten vorlegen. Wenn die finanzielle Dimension klar ist, könnte das Präsidium des Parlaments entscheiden. Die Zeit drängt. Baustart soll 2025 sein, damit das Gebäude spätestens 2029 wieder voll nutzbar ist.
Das Europa-Parlament hat Liegenschaften in Brüssel (zweiter Sitz), Straßburg (Hauptsitz) und Luxemburg, wo etwa die Hälfte der Beamten aus der Parlamentsverwaltung ihren Dienstsitz hat. Belgien, Luxemburg und vor allem Frankreich wachen argwöhnisch, dass ihr Sitz nicht an Bedeutung verliert. Das treibt kuriose Blüten: So lässt Belgien angeblich vorsätzlich die Bahnverbindung Brüssel-Luxemburg nicht ausbauen: Die langen Fahrtzeiten wirken so schön abschreckend. Es soll sich möglichst kein Rutschbahneffekt einstellen.
Auch Frankreich kämpft mit harten Bandagen: So soll Präsident François Mitterrand seinerzeit seine Zustimmung zur Wiedervereinigung davon abhängig gemacht haben, dass Helmut Kohl den Plan unterstützt, dem Europa-Parlament am Rheinufer in Straßburg ein eigenes Gebäude zu bauen. Vorher tagten die Abgeordneten im Europarat. So bekam die Vertretung des EU-Souveräns ein eigenes Gebäude in Straßburg. Und seit 1992 ist festgeschrieben, dass das Parlament für zwölf reguläre Sitzungswochen im Jahr ins Elsass kommt.
Der zweite Teil des Gebäude-Pakets betrifft Straßburg, den offiziellen Sitz des Parlaments. Konkret geht es um das sogenannte Osmose-Gebäude, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Parlament gerade fertiggestellt wird. Frankreich bietet dem Parlament die Immobilie zum Kauf an. Im Gegenzug könnte das Parlament das Madariaga-Gebäude abstoßen, das zu den EU-Liegenschaften jenseits der Fußgängerüberführung über den Fluss zählt. Bislang sind dort Büros der Ombudsfrau sowie der Kommissare untergebracht.
Im Gespräch ist, dass ein Investor das Madariaga-Gebäude zu einem Hotel umbauen könnte. Hotelzimmer sind in Straßburg in Sitzungswochen extrem rar und teuer. Auch eine Konferenznutzung ist im Gespräch. Aus Sicht des Steuerzahlers wäre der Deal interessant, heißt es, Madariaga sei recht marode und energetisch in schlechtem Zustand. Angesichts der gestiegenen Energiekosten rechne sich ein Umzug schnell.
Frankreich und Belgien könnten gesteigertes Interesse an dem Immobilien-Paket haben. Der Standort in Straßburg könnte nämlich im Zuge der Renovierung des Brüsseler Spaak-Gebäudes sogar aufgewertet werden. Das Kalkül: Der Umbau der Brüsseler Immobilie geht umso schneller, wenn die Aktivitäten des EU-Parlamentes in Brüssel für die Bauzeit ausgelagert werden.
Das Parlament tagt bisher viermal im Jahr im Brüsseler Plenarsaal. Das Format wird Miniplenum genannt, weil sich die Plenarsitzungen auf wenige Stunden an zwei Tagen konzentrieren. Die Plenarsitzung könnte für die Bauzeit nach Straßburg ausgelagert werden. Denkbar wäre, dafür das Parlament in Sitzungswochen auch wieder an Freitagen im Elsass tagen zu lassen. Der Freitag war in den Nullerjahren aus dem Sitzungskalender gestrichen worden.
Wer weiß, so das Lockangebot an Frankreich: Vielleicht gefällt den Abgeordneten die längere Sitzungswoche in Straßburg ja so gut, dass am Ende der Bauzeit niemand mehr für das Miniplenum zurück nach Brüssel gehen will?
Das Immobilienpaket soll von den Parteienfamilien im Präsidium des EU-Parlaments parallel zu einem zweiten Paket verhandelt werden. Dabei geht es um Top-Jobs in der Verwaltung: Es muss eine Nachfolge für Generalsekretär Klaus Welle gefunden werden, der nach 13 Jahren an der Spitze der Parlamentsverwaltung aufhört. Gleichzeitig soll es eine Rochade unter den Generalsekretären geben, bei der auch die Parteienfamilien der Linken (GUE) und Konservativen (ECR) zum Zuge kommen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner will eine Mehrwertsteuer auf die Gasumlage abwenden und kündigt an, dass der Staat auch bei einer Besteuerung der Umlage die Einnahmen nicht behalten wolle. “In jedem Fall müssen wir Möglichkeit finden, dass dieser solidarische Akt (der Gasumlage) nicht auch noch mit einer Steuer belegt wird und der Staat davon profitiert”, sagte Lindner am Sonntag im ZDF-Sommerinterview.
Zuvor war bekannt geworden, dass der FDP-Chef die EU-Kommission in einem Schreiben um Erlaubnis gebeten hatte, bei der geplanten Gasumlage auf die Mehrwertsteuer verzichten zu können. “Die Mehrwertsteuer auf von der Regierung verhängte Abgaben treibt die Preise nach oben und stößt auf zunehmenden Widerstand in der Bevölkerung, besonders jetzt in der außergewöhnlichen Situation”, heißt es in einem Brief Lindners an EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Deshalb solle man auf die Erhebung verzichten.
Das auf englisch verfasste Schreiben mit Datum vom Freitag liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor. Lindner ergänzte darin, die Akzeptanz der Bevölkerung sei jetzt entscheidend. “Ich würde die Kommission in dieser frühen Phase gerne bitten, den Antrag Deutschlands wohlwollend zu prüfen.”
SPD-Fraktionsvize Achim Post unterstützte Christian Lindner. Es sei gut, dass der Finanzminister den Dialog mit der EU-Kommission suche, sagte er zu Reuters. Für den Fall einer Ablehnung forderte auch Post, dass man darüber reden müsse, “wie die staatlichen Mehreinnahmen vollständig über zielgerichtete zusätzliche Entlastungen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden können”. Der Staat dürfe nicht zum Profiteur von Belastungen der Bürger werden.
Der Bundesfinanzminister hatte zuletzt gesagt, er wolle – ähnlich wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) – keine Mehrwertsteuer auf die ab Oktober greifende Gasumlage erheben. Er verwies aber auf Europarecht, das dagegen spreche. Dabei gehe es um die Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU, die keine andere Option lasse, heißt es in Lindners Schreiben. Gentiloni forderte er deswegen auf, sein Initiativrecht zu nutzen, EU-Recht zu ändern und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Möglichkeit zu geben, für eine begrenzte Zeit bei Energie-Abgaben die Mehrwertsteuer nicht erheben zu müssen.
Lindner begründete dies mit den Verwerfungen auf dem Energiemarkt – eine Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Seit Mitte Juni seien wichtige Gaslieferungen bereits eingeschränkt. Deutsche Gas-Importeure müssten deswegen hohe Sonderkosten stemmen, um aus anderen Quellen Gas zu beziehen und ihre Kunden noch bedienen zu können. Daraus ergäben sich substanzielle Verluste und das Risiko, dass systemrelevante Konzerne zusammenbrechen könnten. “Steigende Energiepreise sind eine Gefahr für unseren Wohlstand und die Stabilität.”
Die Bundesregierung hat deswegen eine Gasumlage beschlossen, deren genaue Höhe heute veröffentlicht werden soll. Sie soll die in Schieflage geratenen Importeure stabilisieren und ist bis zum 1. April 2024 angelegt. Vorgesehen ist eine Höhe zwischen 1,5 und fünf Cent je Kilowattstunde für Endverbraucher. Für einen vierköpfigen Haushalt könnte dies Zusatzkosten von bis zu 1000 Euro bedeuten – zusätzlich zu bereits erfolgten Preiserhöhungen. Der Energiekonzern Shell kündigte am Sonntag an, Gelder aus der Umlage nicht in Anspruch zu nehmen. Auch RWE will zunächst darauf verzichten. rtr/dpa
Die angedachte Gas-Pipelineverbindung zwischen Spanien und Frankreich könnte nach Angaben der Regierung in Madrid in weniger als einem Jahr funktionstüchtig sein. Voraussetzung sei, dass sich Frankreich und die EU auf das Projekt verständigten, sagte die spanische Energieministerin Teresa Ribera am Freitag dem Sender TVE. Dann könnte es acht bis neun Monate dauern.
Die Verbindung der Netze beider Länder würde es nötig machen, einen Pipeline-Abschnitt neu zu verlegen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Donnerstag gesagt, er habe sich für die Pipeline zwischen Portugal, Spanien und Frankreich ausgesprochen und mit EU-Vertretern über das Projekt gesprochen.
Spanien hat die meisten Flüssiggas-Terminals in Europa und zudem eine Pipeline aus dem Förderland Algerien. Es besteht allerdings keine größere Verbindung nach Frankreich, ein Projekt wurde vor Jahren wegen Unwirtschaftlichkeit abgebrochen. Mithilfe der EU könnte es wiederbelebt werden.
Diskutiert wird auch eine Verbindung von Spanien nach Italien. Auch dies würde helfen, den Gasfluss nach Mitteleuropa und somit Deutschland zu erleichtern. rtr
Nach dem Vorbild von Estland und Lettland erwägt nun auch Polen, die Regeln für die Visa-Vergabe für russische Staatsbürger einzuschränken. “Polen arbeitet an der Entwicklung eines Konzepts, das es ermöglicht, keine Visa für Russen zu erteilen“, sagte Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk am Sonntag der Nachrichtenagentur PAP. Die Entscheidung darüber werde in den kommenden Wochen fallen.
Der Vize-Außenminister sagte weiter, sein Land sei dafür, dass die EU wegen des Ukraine-Kriegs weitere Sanktionen gegen Russland verhänge. Dazu zähle auch die Aussetzung des Vertrags über die erleichterte Visa-Vergabe für russische Staatsbürger. “Dem widersetzen sich aber die großen Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande.” Polen spreche derzeit mit anderen Mitgliedsländern und habe festgestellt, dass außer den drei Baltenstaaten Litauen, Lettland und Estland auch die Slowakei und Tschechien seine Auffassung teilen würden.
Deutschland und auch die EU-Kommission in Brüssel lehnen einen grundsätzlichen Stopp von Touristenvisa für Russinnen und Russen ab. Estland hatte in der vergangenen Woche beschlossen, dass russische Staatsbürger vom 18. August an nicht mehr mit einem von Estland ausgestellten Schengen-Visum einreisen dürfen. Ausgenommen von der Regelung sind Russen, deren Heimatland Estland ist oder die ihren ständigen Wohnsitz dort haben. Daneben gelten weitere Ausnahmen, etwa für Verwandtschaftsbesuche. Weiter einreisen dürfen auch russische Bürger mit von anderen EU-Mitgliedern ausgestellten Visa.
Lettland hat die Ausstellung von Visa für Russen auf unbestimmte Zeit weiter eingeschränkt. Die lettische Botschaft in Moskau nimmt nur noch Visa-Anträge von russischen Staatsbürgern entgegen, die an der Beerdigung eines nahen Verwandten in Lettland teilnehmen möchten. dpa
Wenige Tage vor dem Krisentreffen hat die Europäische Union Serbien und das Kosovo zur Deeskalation ihrer Spannungen aufgerufen. EU-Kommissionssprecherin Nabila Massrali appellierte am Sonntag an führende Politiker beider Länder, “gegenseitige Feindseligkeiten und gefährliche Äußerungen” einzustellen und “verantwortungsvoll” zu handeln. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić für Donnerstag zu einem Vermittlungsgespräch nach Brüssel eingeladen.
Die Einladung der EU war erfolgt, nachdem sich das Kosovo auf Bitten Borrells und der USA bereit erklärt hatte, umstrittene Reiseregeln für Serben zunächst auszusetzen. Diese sehen vor, dass an den Grenzübergängen keine serbischen Personaldokumente mehr anerkannt werden. Stattdessen sollten sich Serben dort zunächst ein provisorisches Dokument ausstellen lassen. Die kosovarischen Behörden begründeten ihr Vorgehen mit einem identischen Vorgehen serbischer Behörden beim Grenzübertritt kosovarischer Bürger.
Die EU versucht seit Jahren, zur Klärung des Verhältnisses zwischen Serbien und dem Kosovo beizutragen. Dieses ist äußerst spannungsgeladen, weil sich das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt hatte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkannten die Unabhängigkeit des Kosovos an. Andere, darunter Serbien, Russland, China und fünf EU-Länder, tun das bis heute nicht. dpa
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) zieht eine Kooperation mit dem Unternehmen SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk als vorübergehenden Ersatz russischer Sojus-Raketen in Erwägung. “Es gibt zweieinhalb Alternativen”, sagte ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher der Nachrichtenagentur Reuters. Diese seien SpaceX sowie eine Kooperation mit Japan oder eventuell auch Indien. SpaceX sei da sicherlich eine Option.
Es gebe Gespräche mit dem US-Rivalen der europäischen Arianespace, die sich allerdings noch in einer Sondierungsphase befänden. Am wichtigsten sei die technische Kompatibilität mit der bestehenden ESA-Ausrüstung. Diese müsse gründlich geprüft werden, bevor die Organisation ein verbindliches Geschäftsangebot anfordere.
“Es ist nicht so, als würde man in einen Bus einsteigen”, sagte Aschbacher und fügte hinzu, die technischen Lösungen des US-Konzerns schienen in dieser Hinsicht einsatzfähiger zu sein als die der Inder und der Japaner. Die endgültige Entscheidung hänge aber auch von dem noch ungeklärten Zeitplan für den verzögerten Erststart der europäischen Ariane 6-Rakete ab.
SpaceX reagierte nicht sofort auf eine Reuters-Anfrage zur Stellungnahme. Bisher hat die Firma mit ihren Falcon-9-Raketen Neukunden angelockt, nachdem sich viele Unternehmen in Folge des Ukraine-Kriegs von Russland als Geschäftspartner abgewandt hatten.
Die Europäer können derzeit aber Satelliten beispielsweise für das Navigationssystem Galileo nicht in den Orbit bringen, weil bisher ein Start öffentlich geförderter Satelliten mit kommerziellen amerikanischen Raketen nicht möglich ist. Die Sojus-Raketen starteten mit europäischer Ladung an Bord immerhin vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana in Südamerika.
Bislang war Europa bei kleinen Nutzlasten auf die italienische Vega-Rakete, bei mittleren auf die russische Sojus und bei schweren auf die europäische Ariane 5 angewiesen. Die Vega C der nächsten Generation hatte ihre Premiere vergangenen Monat, aber die neue Ariane 6 wurde auf nächstes Jahr verschoben und Sojus fällt wegen des Ukraine-Kriegs aus.
Ein genauerer Zeitplan für die Ariane 6 werde im Oktober vorliegen. Erst dann werde die ESA einen kompletten Back-up-Plan vorlegen, der die SpaceX-Raketen mit einschließen könne. “Aber ja, die Wahrscheinlichkeit, dass Ersatzstarts nötig sind, ist hoch”, sagte Aschbacher. “Die Größenordnung ist sicherlich eine gute Handvoll.”
Dabei habe der Ukraine-Krieg gezeigt, dass Europas jahrzehntelange Strategie von Zusammenarbeit mit Russland in Bereichen wie Gasversorgung und Raumfahrt nicht mehr funktioniere. “Dies war ein Weckruf, dass wir zu sehr von Russland abhängig waren”, so Aschbacher. rtr
Die Debatte um Sanktionen gegen fossile Energieimporte hat offengelegt, wie groß die Abhängigkeit der EU und Deutschlands von Russland war und zum Teil noch ist. Politische Fehlentscheidungen (Nord Stream 2), falsche Rahmensetzung (Verlangsamung des Ausbaus erneuerbarer Energien) und wirtschaftliche Interessen resultieren derzeit in Preisanstiegen und Versorgungsunsicherheiten.
Dabei geht die Debatte nahezu ausschließlich um die Energierohstoffe Gas, Öl und Kohle. Dass Deutschland im Jahr 2020 auch metallische Rohstoffe im Wert von knapp zwei Milliarden Euro aus Russland importiert hat, wird bisher ignoriert. Bei wichtigen Industriemetallen wie Palladium, Raffinade-Kupfer, Eisenerz und Aluminium bezieht Deutschland etwa 20 Prozent aus Russland. Bei Nickel ist die Abhängigkeit mit 44 Prozent sogar noch höher.
Daran muss sich etwas ändern, denn: Der Rohstoffabbau in Russland ist stark von Oligarchen geprägt. Wichtige Akteure sind etwa Roman Abramowitsch, der in die Aluminiumindustrie investierte, Oleg Deripaska, beteiligt an verschiedenen Energie- und Rohstoffkonzernen, darunter das zweitgrößte Aluminiumunternehmen Rusal, sowie Wladimir Potanin, Chef des russischen Bergbauunternehmens Nornickel und von der britischen Zeitung “The Guardian” als “Nickel-König” tituliert.
Weil allen dreien eine gewisse Nähe zu Putin nachgesagt wird, befinden sie sich auf der britischen Sanktionsliste. Während Großbritannien noch unter Boris Johnson gegen die Metall-Oligarchen durchgriff, fehlen vergleichbare Sanktionen auf europäischer Seite. Nicht einmal Debatten darum werden geführt.
Warum, ist klar: Deutschland setzt seit anderthalb Jahrzehnten auf billige Importe statt auf Kreislaufführung von Rohstoffen. Die Abhängigkeit von russischen Importen ist so hoch, dass Sanktionen kaum möglich sind. Im Kontext einer Zeitenwende ist die Rohstoffpolitik der letzten 15 Jahre gescheitert.
Sowohl die europäische Rohstoff-Initiative 2008 als auch die Rohstoffstrategien der Bundesregierung 2010 und 2020 fokussierten sich einseitig auf die Versorgungssicherheit der Industrie mit Metallen. Abhängigkeiten von Russland und China sind in diesem Zeitraum kaum gesunken (Europe.Table berichtete). Und die Strategien haben eine wichtige Stellschraube übersehen: die Minderung der Abhängigkeit durch eine Reduktion des Verbrauchs von Primärrohstoffen.
Dies hat vor allem zwei Gründe: Die Industrie profitierte lange Zeit von weit verzweigten Lieferketten und mangelnden Standards beim Abbau. Das führte zwar zu Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen, hielt aber die Preise niedrig. Der zweite Grund ist ebenfalls dramatisch: Wir importieren große Mengen Metalle, achten aber kaum darauf, diese möglichst lange in der Nutzung zu halten und für die Wiederverwertung aufzubereiten. Seit Jahren stagnieren die Recyclingwerte für Massenmetalle wie Kupfer, Eisen oder Aluminium, bei gleichzeitig starkem Anstieg der Nachfrage. Ein Treiber dafür sind etwa immer größer und schwerer werdende Autos.
Politisch verschlafen haben EU und Bundesregierung zudem, in den vergangenen 15 Jahren stärkere Anreize und politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufführung zu schaffen. In der letzten Überarbeitung der deutschen Rohstoffstrategie waren nur zwei von 17 Maßnahmen auf Kreislaufwirtschaft fokussiert (Europe.Table berichtete). Eine davon war ein Industriedialog, die andere ein Auftrag, Forschungsprojekte zu initiieren. In 15 Jahren sind somit viele Tonnen metallischer Rohstoffe verschwendet worden. Sie sind nicht mehr rückgewinnbar und gelten als dissipiert, als verloren. Wir müssen also neue Primärrohstoffe importieren, unter anderem aus Russland und China.
Der russische Angriffskrieg hat diese Abhängigkeit schonungslos offen gelegt (Europe.Table berichtete). Als PowerShift fordern wir im Hinblick auf den Krieg und das Machtsystem Putin einen Importstopp von metallischen Rohstoffen aus Russland. Gleichzeitig müssen die Europäische Kommission und die Bundesregierung ihre Rohstoffstrategien überarbeiten und Importe von Primärmetallen deutlich reduzieren. Hierfür sind messbare Reduktionsziele für einzelne Sektoren notwendig.
Menschenrechtliche, ökologische und klimapolitische Notwendigkeiten erlauben keinen weiteren Ausbau des metallischen Bergbaus. Es wird in Zukunft nicht ohne Primärrohstoffe gehen. Doch die Verschwendung muss aufhören, indem wir Metalle deutlich länger in der Nutzung und anschließend im Kreislauf halten. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft muss oberste Priorität in der Rohstoffpolitik genießen (Europe.Table berichtete). Nur so kann in einer Zeit der geopolitischen Krisen und der Klimakatastrophe eine zukunftsfähige Politik aussehen.
welche zusätzlichen Kosten auf sie zukommen, das erfahren deutsche Gaskunden heute, wenn die Höhe der staatlichen Gasumlage bekannt gegeben wird. Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde aus. Die Umlage soll Gasversorgern zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für Gas aus Russland kaufen müssen. Um die Belastung möglichst gering zu halten, will Bundesfinanzminister Christian Lindner eine Mehrwertsteuer auf die Gasumlage verhindern – EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni forderte er in einem Schreiben auf, dafür sein Initiativrecht zu nutzen, um EU-Recht zu ändern. Mehr erfahren Sie in den News.
“Zum Glück wird es von den umgebenden Hochhäusern großzügig abgeschirmt”, schrieb die “Süddeutsche Zeitung” vor ein paar Jahren über das Paul-Henri-Spaak-Gebäude. Das ovalförmige Hauptgebäude des EU-Parlaments in Brüssel gilt nicht nur optisch als gewöhnungsbedürftig, es ist auch baufällig. Schon lange soll es saniert werden, der Architekturwettbewerb zur Neugestaltung ist inzwischen abgeschlossen. In Straßburg stehen ebenfalls räumliche Veränderungen an, dort geht es um den Kauf eines Gebäudes in direkter Nachbarschaft zum Plenarsaal. Die Immobilienpläne des Parlaments berühren die Rivalität zwischen Brüssel und Straßburg – und könnten den Sitzungskalender der Abgeordneten beeinflussen, wie Markus Grabitz erfahren hat.
Spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine drehen sich die Debatten in Europa um Sanktionen gegen fossile Energieimporte aus Russland und gefährliche Abhängigkeiten. Doch dabei werde großzügig ignoriert, dass Europa weiterhin in großem Umfang Metalle wie Nickel, Kupfer und Aluminium aus Russland importiert, kritisiert Michael Reckordt. Im Standpunkt fordert der Referent für Rohstoffpolitik bei der NGO PowerShift, dass die EU diese Importe stoppt. Zudem sollten die Europäische Kommission und die Bundesregierung ihre Rohstoffstrategien überarbeiten – der Ausbau der Kreislaufwirtschaft müsse oberste Priorität haben.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche.
Jede Volksvertretung braucht für ihre Arbeit die richtigen Räumlichkeiten: EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und ihre 14 Vize versuchen gerade, ein Paket mit wichtigen Entscheidungen zu den Immobilien des Parlaments zu schnüren. Es geht um Liegenschaften in Straßburg und Brüssel, auch die Bahnlinie von Brüssel nach Luxemburg ist betroffen.
Das ovalförmige Hauptgebäude in Brüssel, nach Paul-Henri Spaak benannt, ist mit gut 25 Jahren noch recht jung und doch schon baufällig. Es entspricht nicht mehr den Sicherheitsanforderungen und soll schon lange saniert werden. Inzwischen steht immerhin fest, wer den internationalen Architekturwettbewerb zur Neugestaltung gewonnen hat. In der letzten Sitzungswoche im Juli hat die international besetzte unabhängige Jury des Wettbewerbs Metsola informiert, welche Architektenentwürfe es auf die ersten fünf Plätze geschafft haben und damit in die nähere Auswahl kommen.
Noch ist die Jury-Entscheidung geheim. Nach Informationen von Europe.Table landete ein Entwurf unter maßgeblicher Beteiligung von französischen Architektenbüros auf Platz eins. Wie in Brüssel zu hören ist, sieht der Entwurf vor, das angrenzende Altiero-Spinelli-Gebäude in der Mitte zu teilen, um das Spaak-Gebäude, in dem auch der Plenarsaal untergebracht ist, Richtung Brüsseler Innenstadt zu öffnen. Wie weiter zu erfahren ist, gibt es aber bei den Entscheidern Vorbehalte gegen den erstplatzierten Entwurf: “Es gibt keinen Automatismus, dass der erstplatzierte Entwurf realisiert wird.”
Über einen weiteren Entwurf, der unter den fünf Platzierten ist, heißt es: “Er sieht gut aus, ist aber nicht baubar.” Nun soll das Generalsekretariat noch Analysen zu den Baukosten vorlegen. Wenn die finanzielle Dimension klar ist, könnte das Präsidium des Parlaments entscheiden. Die Zeit drängt. Baustart soll 2025 sein, damit das Gebäude spätestens 2029 wieder voll nutzbar ist.
Das Europa-Parlament hat Liegenschaften in Brüssel (zweiter Sitz), Straßburg (Hauptsitz) und Luxemburg, wo etwa die Hälfte der Beamten aus der Parlamentsverwaltung ihren Dienstsitz hat. Belgien, Luxemburg und vor allem Frankreich wachen argwöhnisch, dass ihr Sitz nicht an Bedeutung verliert. Das treibt kuriose Blüten: So lässt Belgien angeblich vorsätzlich die Bahnverbindung Brüssel-Luxemburg nicht ausbauen: Die langen Fahrtzeiten wirken so schön abschreckend. Es soll sich möglichst kein Rutschbahneffekt einstellen.
Auch Frankreich kämpft mit harten Bandagen: So soll Präsident François Mitterrand seinerzeit seine Zustimmung zur Wiedervereinigung davon abhängig gemacht haben, dass Helmut Kohl den Plan unterstützt, dem Europa-Parlament am Rheinufer in Straßburg ein eigenes Gebäude zu bauen. Vorher tagten die Abgeordneten im Europarat. So bekam die Vertretung des EU-Souveräns ein eigenes Gebäude in Straßburg. Und seit 1992 ist festgeschrieben, dass das Parlament für zwölf reguläre Sitzungswochen im Jahr ins Elsass kommt.
Der zweite Teil des Gebäude-Pakets betrifft Straßburg, den offiziellen Sitz des Parlaments. Konkret geht es um das sogenannte Osmose-Gebäude, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Parlament gerade fertiggestellt wird. Frankreich bietet dem Parlament die Immobilie zum Kauf an. Im Gegenzug könnte das Parlament das Madariaga-Gebäude abstoßen, das zu den EU-Liegenschaften jenseits der Fußgängerüberführung über den Fluss zählt. Bislang sind dort Büros der Ombudsfrau sowie der Kommissare untergebracht.
Im Gespräch ist, dass ein Investor das Madariaga-Gebäude zu einem Hotel umbauen könnte. Hotelzimmer sind in Straßburg in Sitzungswochen extrem rar und teuer. Auch eine Konferenznutzung ist im Gespräch. Aus Sicht des Steuerzahlers wäre der Deal interessant, heißt es, Madariaga sei recht marode und energetisch in schlechtem Zustand. Angesichts der gestiegenen Energiekosten rechne sich ein Umzug schnell.
Frankreich und Belgien könnten gesteigertes Interesse an dem Immobilien-Paket haben. Der Standort in Straßburg könnte nämlich im Zuge der Renovierung des Brüsseler Spaak-Gebäudes sogar aufgewertet werden. Das Kalkül: Der Umbau der Brüsseler Immobilie geht umso schneller, wenn die Aktivitäten des EU-Parlamentes in Brüssel für die Bauzeit ausgelagert werden.
Das Parlament tagt bisher viermal im Jahr im Brüsseler Plenarsaal. Das Format wird Miniplenum genannt, weil sich die Plenarsitzungen auf wenige Stunden an zwei Tagen konzentrieren. Die Plenarsitzung könnte für die Bauzeit nach Straßburg ausgelagert werden. Denkbar wäre, dafür das Parlament in Sitzungswochen auch wieder an Freitagen im Elsass tagen zu lassen. Der Freitag war in den Nullerjahren aus dem Sitzungskalender gestrichen worden.
Wer weiß, so das Lockangebot an Frankreich: Vielleicht gefällt den Abgeordneten die längere Sitzungswoche in Straßburg ja so gut, dass am Ende der Bauzeit niemand mehr für das Miniplenum zurück nach Brüssel gehen will?
Das Immobilienpaket soll von den Parteienfamilien im Präsidium des EU-Parlaments parallel zu einem zweiten Paket verhandelt werden. Dabei geht es um Top-Jobs in der Verwaltung: Es muss eine Nachfolge für Generalsekretär Klaus Welle gefunden werden, der nach 13 Jahren an der Spitze der Parlamentsverwaltung aufhört. Gleichzeitig soll es eine Rochade unter den Generalsekretären geben, bei der auch die Parteienfamilien der Linken (GUE) und Konservativen (ECR) zum Zuge kommen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner will eine Mehrwertsteuer auf die Gasumlage abwenden und kündigt an, dass der Staat auch bei einer Besteuerung der Umlage die Einnahmen nicht behalten wolle. “In jedem Fall müssen wir Möglichkeit finden, dass dieser solidarische Akt (der Gasumlage) nicht auch noch mit einer Steuer belegt wird und der Staat davon profitiert”, sagte Lindner am Sonntag im ZDF-Sommerinterview.
Zuvor war bekannt geworden, dass der FDP-Chef die EU-Kommission in einem Schreiben um Erlaubnis gebeten hatte, bei der geplanten Gasumlage auf die Mehrwertsteuer verzichten zu können. “Die Mehrwertsteuer auf von der Regierung verhängte Abgaben treibt die Preise nach oben und stößt auf zunehmenden Widerstand in der Bevölkerung, besonders jetzt in der außergewöhnlichen Situation”, heißt es in einem Brief Lindners an EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Deshalb solle man auf die Erhebung verzichten.
Das auf englisch verfasste Schreiben mit Datum vom Freitag liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor. Lindner ergänzte darin, die Akzeptanz der Bevölkerung sei jetzt entscheidend. “Ich würde die Kommission in dieser frühen Phase gerne bitten, den Antrag Deutschlands wohlwollend zu prüfen.”
SPD-Fraktionsvize Achim Post unterstützte Christian Lindner. Es sei gut, dass der Finanzminister den Dialog mit der EU-Kommission suche, sagte er zu Reuters. Für den Fall einer Ablehnung forderte auch Post, dass man darüber reden müsse, “wie die staatlichen Mehreinnahmen vollständig über zielgerichtete zusätzliche Entlastungen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden können”. Der Staat dürfe nicht zum Profiteur von Belastungen der Bürger werden.
Der Bundesfinanzminister hatte zuletzt gesagt, er wolle – ähnlich wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) – keine Mehrwertsteuer auf die ab Oktober greifende Gasumlage erheben. Er verwies aber auf Europarecht, das dagegen spreche. Dabei gehe es um die Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU, die keine andere Option lasse, heißt es in Lindners Schreiben. Gentiloni forderte er deswegen auf, sein Initiativrecht zu nutzen, EU-Recht zu ändern und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Möglichkeit zu geben, für eine begrenzte Zeit bei Energie-Abgaben die Mehrwertsteuer nicht erheben zu müssen.
Lindner begründete dies mit den Verwerfungen auf dem Energiemarkt – eine Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Seit Mitte Juni seien wichtige Gaslieferungen bereits eingeschränkt. Deutsche Gas-Importeure müssten deswegen hohe Sonderkosten stemmen, um aus anderen Quellen Gas zu beziehen und ihre Kunden noch bedienen zu können. Daraus ergäben sich substanzielle Verluste und das Risiko, dass systemrelevante Konzerne zusammenbrechen könnten. “Steigende Energiepreise sind eine Gefahr für unseren Wohlstand und die Stabilität.”
Die Bundesregierung hat deswegen eine Gasumlage beschlossen, deren genaue Höhe heute veröffentlicht werden soll. Sie soll die in Schieflage geratenen Importeure stabilisieren und ist bis zum 1. April 2024 angelegt. Vorgesehen ist eine Höhe zwischen 1,5 und fünf Cent je Kilowattstunde für Endverbraucher. Für einen vierköpfigen Haushalt könnte dies Zusatzkosten von bis zu 1000 Euro bedeuten – zusätzlich zu bereits erfolgten Preiserhöhungen. Der Energiekonzern Shell kündigte am Sonntag an, Gelder aus der Umlage nicht in Anspruch zu nehmen. Auch RWE will zunächst darauf verzichten. rtr/dpa
Die angedachte Gas-Pipelineverbindung zwischen Spanien und Frankreich könnte nach Angaben der Regierung in Madrid in weniger als einem Jahr funktionstüchtig sein. Voraussetzung sei, dass sich Frankreich und die EU auf das Projekt verständigten, sagte die spanische Energieministerin Teresa Ribera am Freitag dem Sender TVE. Dann könnte es acht bis neun Monate dauern.
Die Verbindung der Netze beider Länder würde es nötig machen, einen Pipeline-Abschnitt neu zu verlegen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Donnerstag gesagt, er habe sich für die Pipeline zwischen Portugal, Spanien und Frankreich ausgesprochen und mit EU-Vertretern über das Projekt gesprochen.
Spanien hat die meisten Flüssiggas-Terminals in Europa und zudem eine Pipeline aus dem Förderland Algerien. Es besteht allerdings keine größere Verbindung nach Frankreich, ein Projekt wurde vor Jahren wegen Unwirtschaftlichkeit abgebrochen. Mithilfe der EU könnte es wiederbelebt werden.
Diskutiert wird auch eine Verbindung von Spanien nach Italien. Auch dies würde helfen, den Gasfluss nach Mitteleuropa und somit Deutschland zu erleichtern. rtr
Nach dem Vorbild von Estland und Lettland erwägt nun auch Polen, die Regeln für die Visa-Vergabe für russische Staatsbürger einzuschränken. “Polen arbeitet an der Entwicklung eines Konzepts, das es ermöglicht, keine Visa für Russen zu erteilen“, sagte Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk am Sonntag der Nachrichtenagentur PAP. Die Entscheidung darüber werde in den kommenden Wochen fallen.
Der Vize-Außenminister sagte weiter, sein Land sei dafür, dass die EU wegen des Ukraine-Kriegs weitere Sanktionen gegen Russland verhänge. Dazu zähle auch die Aussetzung des Vertrags über die erleichterte Visa-Vergabe für russische Staatsbürger. “Dem widersetzen sich aber die großen Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande.” Polen spreche derzeit mit anderen Mitgliedsländern und habe festgestellt, dass außer den drei Baltenstaaten Litauen, Lettland und Estland auch die Slowakei und Tschechien seine Auffassung teilen würden.
Deutschland und auch die EU-Kommission in Brüssel lehnen einen grundsätzlichen Stopp von Touristenvisa für Russinnen und Russen ab. Estland hatte in der vergangenen Woche beschlossen, dass russische Staatsbürger vom 18. August an nicht mehr mit einem von Estland ausgestellten Schengen-Visum einreisen dürfen. Ausgenommen von der Regelung sind Russen, deren Heimatland Estland ist oder die ihren ständigen Wohnsitz dort haben. Daneben gelten weitere Ausnahmen, etwa für Verwandtschaftsbesuche. Weiter einreisen dürfen auch russische Bürger mit von anderen EU-Mitgliedern ausgestellten Visa.
Lettland hat die Ausstellung von Visa für Russen auf unbestimmte Zeit weiter eingeschränkt. Die lettische Botschaft in Moskau nimmt nur noch Visa-Anträge von russischen Staatsbürgern entgegen, die an der Beerdigung eines nahen Verwandten in Lettland teilnehmen möchten. dpa
Wenige Tage vor dem Krisentreffen hat die Europäische Union Serbien und das Kosovo zur Deeskalation ihrer Spannungen aufgerufen. EU-Kommissionssprecherin Nabila Massrali appellierte am Sonntag an führende Politiker beider Länder, “gegenseitige Feindseligkeiten und gefährliche Äußerungen” einzustellen und “verantwortungsvoll” zu handeln. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić für Donnerstag zu einem Vermittlungsgespräch nach Brüssel eingeladen.
Die Einladung der EU war erfolgt, nachdem sich das Kosovo auf Bitten Borrells und der USA bereit erklärt hatte, umstrittene Reiseregeln für Serben zunächst auszusetzen. Diese sehen vor, dass an den Grenzübergängen keine serbischen Personaldokumente mehr anerkannt werden. Stattdessen sollten sich Serben dort zunächst ein provisorisches Dokument ausstellen lassen. Die kosovarischen Behörden begründeten ihr Vorgehen mit einem identischen Vorgehen serbischer Behörden beim Grenzübertritt kosovarischer Bürger.
Die EU versucht seit Jahren, zur Klärung des Verhältnisses zwischen Serbien und dem Kosovo beizutragen. Dieses ist äußerst spannungsgeladen, weil sich das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt hatte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkannten die Unabhängigkeit des Kosovos an. Andere, darunter Serbien, Russland, China und fünf EU-Länder, tun das bis heute nicht. dpa
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) zieht eine Kooperation mit dem Unternehmen SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk als vorübergehenden Ersatz russischer Sojus-Raketen in Erwägung. “Es gibt zweieinhalb Alternativen”, sagte ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher der Nachrichtenagentur Reuters. Diese seien SpaceX sowie eine Kooperation mit Japan oder eventuell auch Indien. SpaceX sei da sicherlich eine Option.
Es gebe Gespräche mit dem US-Rivalen der europäischen Arianespace, die sich allerdings noch in einer Sondierungsphase befänden. Am wichtigsten sei die technische Kompatibilität mit der bestehenden ESA-Ausrüstung. Diese müsse gründlich geprüft werden, bevor die Organisation ein verbindliches Geschäftsangebot anfordere.
“Es ist nicht so, als würde man in einen Bus einsteigen”, sagte Aschbacher und fügte hinzu, die technischen Lösungen des US-Konzerns schienen in dieser Hinsicht einsatzfähiger zu sein als die der Inder und der Japaner. Die endgültige Entscheidung hänge aber auch von dem noch ungeklärten Zeitplan für den verzögerten Erststart der europäischen Ariane 6-Rakete ab.
SpaceX reagierte nicht sofort auf eine Reuters-Anfrage zur Stellungnahme. Bisher hat die Firma mit ihren Falcon-9-Raketen Neukunden angelockt, nachdem sich viele Unternehmen in Folge des Ukraine-Kriegs von Russland als Geschäftspartner abgewandt hatten.
Die Europäer können derzeit aber Satelliten beispielsweise für das Navigationssystem Galileo nicht in den Orbit bringen, weil bisher ein Start öffentlich geförderter Satelliten mit kommerziellen amerikanischen Raketen nicht möglich ist. Die Sojus-Raketen starteten mit europäischer Ladung an Bord immerhin vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana in Südamerika.
Bislang war Europa bei kleinen Nutzlasten auf die italienische Vega-Rakete, bei mittleren auf die russische Sojus und bei schweren auf die europäische Ariane 5 angewiesen. Die Vega C der nächsten Generation hatte ihre Premiere vergangenen Monat, aber die neue Ariane 6 wurde auf nächstes Jahr verschoben und Sojus fällt wegen des Ukraine-Kriegs aus.
Ein genauerer Zeitplan für die Ariane 6 werde im Oktober vorliegen. Erst dann werde die ESA einen kompletten Back-up-Plan vorlegen, der die SpaceX-Raketen mit einschließen könne. “Aber ja, die Wahrscheinlichkeit, dass Ersatzstarts nötig sind, ist hoch”, sagte Aschbacher. “Die Größenordnung ist sicherlich eine gute Handvoll.”
Dabei habe der Ukraine-Krieg gezeigt, dass Europas jahrzehntelange Strategie von Zusammenarbeit mit Russland in Bereichen wie Gasversorgung und Raumfahrt nicht mehr funktioniere. “Dies war ein Weckruf, dass wir zu sehr von Russland abhängig waren”, so Aschbacher. rtr
Die Debatte um Sanktionen gegen fossile Energieimporte hat offengelegt, wie groß die Abhängigkeit der EU und Deutschlands von Russland war und zum Teil noch ist. Politische Fehlentscheidungen (Nord Stream 2), falsche Rahmensetzung (Verlangsamung des Ausbaus erneuerbarer Energien) und wirtschaftliche Interessen resultieren derzeit in Preisanstiegen und Versorgungsunsicherheiten.
Dabei geht die Debatte nahezu ausschließlich um die Energierohstoffe Gas, Öl und Kohle. Dass Deutschland im Jahr 2020 auch metallische Rohstoffe im Wert von knapp zwei Milliarden Euro aus Russland importiert hat, wird bisher ignoriert. Bei wichtigen Industriemetallen wie Palladium, Raffinade-Kupfer, Eisenerz und Aluminium bezieht Deutschland etwa 20 Prozent aus Russland. Bei Nickel ist die Abhängigkeit mit 44 Prozent sogar noch höher.
Daran muss sich etwas ändern, denn: Der Rohstoffabbau in Russland ist stark von Oligarchen geprägt. Wichtige Akteure sind etwa Roman Abramowitsch, der in die Aluminiumindustrie investierte, Oleg Deripaska, beteiligt an verschiedenen Energie- und Rohstoffkonzernen, darunter das zweitgrößte Aluminiumunternehmen Rusal, sowie Wladimir Potanin, Chef des russischen Bergbauunternehmens Nornickel und von der britischen Zeitung “The Guardian” als “Nickel-König” tituliert.
Weil allen dreien eine gewisse Nähe zu Putin nachgesagt wird, befinden sie sich auf der britischen Sanktionsliste. Während Großbritannien noch unter Boris Johnson gegen die Metall-Oligarchen durchgriff, fehlen vergleichbare Sanktionen auf europäischer Seite. Nicht einmal Debatten darum werden geführt.
Warum, ist klar: Deutschland setzt seit anderthalb Jahrzehnten auf billige Importe statt auf Kreislaufführung von Rohstoffen. Die Abhängigkeit von russischen Importen ist so hoch, dass Sanktionen kaum möglich sind. Im Kontext einer Zeitenwende ist die Rohstoffpolitik der letzten 15 Jahre gescheitert.
Sowohl die europäische Rohstoff-Initiative 2008 als auch die Rohstoffstrategien der Bundesregierung 2010 und 2020 fokussierten sich einseitig auf die Versorgungssicherheit der Industrie mit Metallen. Abhängigkeiten von Russland und China sind in diesem Zeitraum kaum gesunken (Europe.Table berichtete). Und die Strategien haben eine wichtige Stellschraube übersehen: die Minderung der Abhängigkeit durch eine Reduktion des Verbrauchs von Primärrohstoffen.
Dies hat vor allem zwei Gründe: Die Industrie profitierte lange Zeit von weit verzweigten Lieferketten und mangelnden Standards beim Abbau. Das führte zwar zu Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen, hielt aber die Preise niedrig. Der zweite Grund ist ebenfalls dramatisch: Wir importieren große Mengen Metalle, achten aber kaum darauf, diese möglichst lange in der Nutzung zu halten und für die Wiederverwertung aufzubereiten. Seit Jahren stagnieren die Recyclingwerte für Massenmetalle wie Kupfer, Eisen oder Aluminium, bei gleichzeitig starkem Anstieg der Nachfrage. Ein Treiber dafür sind etwa immer größer und schwerer werdende Autos.
Politisch verschlafen haben EU und Bundesregierung zudem, in den vergangenen 15 Jahren stärkere Anreize und politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufführung zu schaffen. In der letzten Überarbeitung der deutschen Rohstoffstrategie waren nur zwei von 17 Maßnahmen auf Kreislaufwirtschaft fokussiert (Europe.Table berichtete). Eine davon war ein Industriedialog, die andere ein Auftrag, Forschungsprojekte zu initiieren. In 15 Jahren sind somit viele Tonnen metallischer Rohstoffe verschwendet worden. Sie sind nicht mehr rückgewinnbar und gelten als dissipiert, als verloren. Wir müssen also neue Primärrohstoffe importieren, unter anderem aus Russland und China.
Der russische Angriffskrieg hat diese Abhängigkeit schonungslos offen gelegt (Europe.Table berichtete). Als PowerShift fordern wir im Hinblick auf den Krieg und das Machtsystem Putin einen Importstopp von metallischen Rohstoffen aus Russland. Gleichzeitig müssen die Europäische Kommission und die Bundesregierung ihre Rohstoffstrategien überarbeiten und Importe von Primärmetallen deutlich reduzieren. Hierfür sind messbare Reduktionsziele für einzelne Sektoren notwendig.
Menschenrechtliche, ökologische und klimapolitische Notwendigkeiten erlauben keinen weiteren Ausbau des metallischen Bergbaus. Es wird in Zukunft nicht ohne Primärrohstoffe gehen. Doch die Verschwendung muss aufhören, indem wir Metalle deutlich länger in der Nutzung und anschließend im Kreislauf halten. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft muss oberste Priorität in der Rohstoffpolitik genießen (Europe.Table berichtete). Nur so kann in einer Zeit der geopolitischen Krisen und der Klimakatastrophe eine zukunftsfähige Politik aussehen.