Table.Briefing: Europe

Energiepreise + Taiwan + Facebook in Problemen + Globale Steuerreform

  • Energiepreise: Angemessene Reaktion gesucht
  • Taiwan: Gretchenfrage für die EU
  • Facebook-Debatte: Wölken fordert schärfere KI-Verordnung
  • Ethikbehörde: Kommission nimmt Gespräche auf
  • Pandora Papers: Ruf nach Konsequenzen
  • Globale Steuerreform: Irland signalisiert Entgegenkommen
  • Trotz Widerstand aus China: Airlines verpflichten sich zu CO2-Neutralität
Liebe Leserin, lieber Leser,

Facebook, Instagram, WhatsApp, Workplace – das Zuckerberg-Universum ist wegen technischer Probleme am gestrigen Montag aus dem Netz verschwunden. Was genau daran schuld war, stand beim Schreiben dieser Zeilen noch nicht fest. Fest stand nur, dass in der technischen Konfiguration des Domainnamensystems (DNS), einer Art Telefonbuch des Netzes, einiges nicht so war, wie es sein sollte. Kein Anschluss unter dieser Nummer.

Ebenfalls tief in der Internetmaschinerie, im sogenannten Border Gateway Protocol (BGP), waren plötzlich Teile der Routenplanung für Datenströme zu den Facebook-Servern verschwunden. Nichts ging mehr, über Stunden. Gewinner der Situation: Twitter. Hier lästerten die Nutzer: Was haben Facebook und Armin Laschet gemeinsam? Beide sind down.

À propos Laschet: Der Montag war sondierungsfrei in Berlin, am heutigen Dienstag treffen Unionsparteien und Grüne zu ihren Vorgesprächen erstmals zusammen. Aus der FDP wird nun bei der Schuldenbremse eine rote Linie gesehen. Eine Indiskretion aus den Gesprächen mit der Union, schäumen FDP-Politiker öffentlich. Eine Änderung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse mit Zweidrittelmehrheit wäre allerdings eh unwahrscheinlich. Ein gutes Verkaufsargument nach Innen, wenn SPD und Grüne hier nachgeben, ohne etwas zu verlieren? Doch das soll es in dieser Ausgabe zu den Sondierungen auch bereits gewesen sein – und andere, wichtige Themen in den Fokus rücken:

Die steigenden Energiepreise beschäftigten am Montag die Finanzminister der Eurogruppe. Während sie tagten, schoss der Rohölpreis für die Nordseesorte Brent auf über 80 Euro pro Fass. Nur eine Momentaufnahme oder eine dauerhafte Entwicklung? Wie Finanzminister und Experten über mögliche Abhilfe diskutieren, haben sich Eric Bonse und Timo Landenberger genauer angesehen.

Taiwan ist ein heikles Thema in den internationalen Beziehungen: Das angespannte Verhältnis zur Volksrepublik erschwert die EU-Taiwan-Beziehungen. Doch für Europa wird die räumlich kleine Technologiegroßmacht immer wichtiger – unter anderem aufgrund der Chipknappheit. Amelie Richter analysiert, welche Punkte der EU besonders wichtig sind und was die Volksrepublik genau stört.

Ihr
Falk Steiner
Bild von Falk  Steiner

Analyse

Energiepreise: Die Suche nach der angemessenen Reaktion

Vor dem Hintergrund rasant steigender Gas- und Strompreise ist in der EU eine Debatte über die Energiepolitik entbrannt – mit potenziell weitreichenden Folgen für die Klimapolitik. Beim Treffen der Eurogruppe am Montag in Luxemburg plädierten mehrere Finanzminister für eine koordinierte Gegenreaktion der EU auf die hohen Energiepreise. Die EU-Kommission kündigte einen Vorschlag an, warnte jedoch vor Aktionismus.

Kommissionsvize Valdis Dombrovskis sagte, seine Behörde bereite “Empfehlungen” vor. Damit sollten “zeitlich befristete und gezielte” nationale Maßnahmen ermöglicht werden, um den Preisschock abzufedern und Bürger und Unternehmen zu schützen. Die EU-Kommission gehe – wie die Europäische Zentralbank – von einer vorübergehenden Lage aus, die vor allem von den Gasmärkten getrieben werde.

Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni erklärte, er verstehe den Ruf nach Gegenmaßnahmen, die vor allem einkommensschwache Haushalte stützen sollen. Allerdings dürften die nationalen Hilfen das Ziel der Klimaneutralität nicht infrage stellen. “Wir sollten reagieren, aber nicht überreagieren”, so der Italiener. Wann die Kommission tätig werden will, ließ er offen.

Zu Eile drängten dagegen Frankreich und Spanien. Die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calvino sagte, die EU müsse gegen Versorgungsengpässe beim Gas vorgehen und eigene strategische Reserven anlegen. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire erklärte, der “brutale” Anstieg des Gaspreises rufe nach einer raschen Antwort. Die Bindung des Strompreises an Gas sei “ineffizient” und führe Europa beim Klimaschutz in eine Sackgasse.

Frankreich setzt auf Atomstrom

Le Maire schlug vor, den Gasmarkt neu zu regulieren und die Lagerung zu überdenken. Außerdem sprach er sich für eine verbraucherfreundliche Preisbindung beim Strom aus. Frankreich hat die Energiepreise wegen der aktuellen Teuerungswelle gedeckelt. Das Land setzt zudem wieder vermehrt auf Atomstrom. Die Atomkraft müsse Teil der europäischen Antwort sein, forderte Le Maire.

Frankreich hatte in der Vergangenheit schon mehrfach gefordert, die Kernenergie in der EU als eine umweltfreundliche Technologie einzustufen, während Deutschland sich strikt gegen ein solches Vorhaben stellt. Derzeit ringen beide Länder hinter den Brüsseler Kulissen um die richtige Formulierung im Taxonomie-Streit (Europe.Table berichtete). “Ich denke, dass es wichtig ist, die Rolle von Atomenergie – einer Energie mit wenig Kohlenstoffdioxid – in unserem gesamten Energiemix und den Anstrengungen zur Dekarbonisierung anzuerkennen”, sagte Dombrovskis.

Das französische Vorgehen der Preisdeckelung hält Energierechtsexperte Christian Schneider von BPV Hügel für problematisch: “Die amtliche Festsetzung von Strom- und Gaspreisen ist mit EU-Recht schwer vereinbar“, sagt der Jurist zu Europe.Table. Das ergebe sich unter anderem aus der nach wie vor gültigen Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie aus dem Jahr 2009. Derzufolge müssten die Mitgliedstaaten den gleichberechtigten Zugang von EU-Erdgasunternehmen zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen. Die temporäre Deckelung von Strom- und Gaspreisen hingegen wirke wettbewerbsverzerrend, so Schneider.

Auch beim Strom garantiere die neuere Elektrizitäts-Richtlinie von 2019 den Versorgern das Recht auf freie Preisbildung. Zulässig seien allerdings sozialpolitische Maßnahmen, um von Energiearmut betroffene und schutzbedürftige Haushalten zu unterstützen. “Dazu gehört ausnahmsweise auch die Festsetzung der Strompreise”, sagt Schneider. Diese müsse aber zeitlich begrenzt sein und dürfe nicht diskriminierend wirken, also nicht flächendeckend eingeführt werden, sondern nur zugunsten bestimmter, sozial schwächerer Kundengruppen. “In westeuropäischen Ländern kann ich mir schwer vorstellen, dass diese Bestimmung greift.”

EU-Toolbox gegen hohe Energiepreise kommt mit Verspätung

Um den Mitgliedsstaaten bei möglichen, EU-rechtskonformen Hilfsmaßnahmen gegen die hohen Energiepreise einen Leitfaden an die Hand zu geben, hatte die EU-Kommission für diese Woche die Vorstellung einer “Toolbox” angekündigt (Europe.Table berichtete). Manche Mitgliedstaaten hatten vorige Woche entsprechende Forderungen nach Brüssel geschickt (Europe.Table berichtete). Doch das Thema wurde kurzfristig wieder von der Agenda genommen. Aus EU-Kreisen heißt es, die Energiepreise könnten frühestens beim Kommissions-Treffen kommende Woche Mittwoch auf der Agenda stehen. 

Erwartet werden auch Vorschläge zu möglichen Beihilfen. “Als sozialpolitische Maßnahmen, beispielsweise in Form einer Bezuschussung der Heizkosten, wäre das mit EU-Recht kompatibel, sofern dadurch die heimische Produktion nicht bevorzugt wird”, erklärt Schneider. Auch eine beihilfebasierte Unterstützung der Industrie sei vorstellbar. Diese müsse dann aber in erster Linie Unternehmen adressieren, die besonders energieintensiv produzieren und die dazu mit anderen Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen.

Als weitere Möglichkeit staatlicher Hilfen wird die Verringerung von Steuersätzen gehandelt. Solange diese nicht nur zugunsten bestimmter Wirtschaftszweige, sondern generell gesenkt werden, sei auch das EU-rechtlich unproblematisch, so Schneider. “Wobei Umsatzsteuererleichterungen ohnehin nur Verbrauchern und nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen helfen. Für ein Stahl-Werk ist das völlig unerheblich, ob der Steuersatz bei zehn, 20 oder 50 Prozent liegt, da dieses ohnehin den Vorsteuerabzug hat.”

Die Bundesregierung erklärte, sie sehe keine Notwendigkeit für ein staatliches Eingreifen. Auf Preiserhöhungen könnten Kunden in der Regel durch Wechsel des Energielieferanten reagieren, sagte eine BMWi-Sprecherin. Daneben habe Wirtschaftsminister Peter Altmaier wiederholt deutlich gemacht, dass er eine Abschaffung der EEG-Umlage für erforderlich hält. Die Situation in den jeweiligen EU-Ländern sei jedoch sehr unterschiedlich und lasse sich nicht 1:1 vergleichen. Dennoch sei es wichtig, das Thema im europäischen Rahmen zu diskutieren.

Paschal Donohoe, der irische Finanzminister und Vorsitzende der Eurogruppe, erklärte nach dem Treffen am Montagabend, dass die Teilnehmer weiter davon ausgingen, dass die Inflation im kommenden Jahr wieder weniger stark ausfalle. Doch es gebe eine “menschliche Seite” der Energiepreise, um die sich gekümmert werden müsse. Am eingeschlagenen Weg wolle man aber festhalten: “Der Grüne Wandel ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.” Bei Energieeffizienz, Erneuerbaren und CO2-armen Energiequellen müssten die Anstrengungen verstärkt werden, um die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern.

Umweltrat tagt am Mittwoch

Der Anstieg der Energiepreise landete nun kurzfristig auch auf der Agenda des Rates der EU-Umweltminister:innen, die sich am Mittwoch zu einer formellen Tagung in Luxemburg treffen. Dort soll auch der Zusammenhang zwischen Emissionshandel (ETS) und Energiepreisentwicklung in der EU thematisiert werden.

Auch im EU-Parlament werden die Energiepreise am Mittwoch in einer Plenardebatte besprochen. Insgesamt sind vier Stunden für die Aussprache angesetzt. Eingangs werden Kommission und Rat sich in Straßburg äußern, bevor die Parlamentarier:innen zu Wort kommen.

Die Gründe für die explodierenden Energiepreise sind vielseitig. Der lange und kalte Winter 2020/21 hat die Speicher geleert. Die konjunkturelle Erholung seit den corona-bedingten Einschnitten treibt die Nachfrage nach oben. Aus dem gleichen Grund fallen die Lieferungen aus Asien nach Europa in jüngster Zeit geringer aus und auch aus Russland floss weniger Gas gen Westen (Europe.Table berichtete). Daneben fiel die Stromproduktion aus Windenergie geringer aus, als erwartet, weshalb mehr Gas für Stromerzeugung verwendet wurde.

Doch auch der Vorwurf, die Umsetzung der Green-Deal-Maßnahmen, allen voran der Emissionshandel, sei für die Preissteigerung verantwortlich, ebbt nicht ab. “Der jüngste Anstieg der weltweiten Erdgaspreise ist das Ergebnis mehrerer Faktoren, und es ist irreführend, die Verantwortung dafür der Energiewende in die Schuhe zu schieben“, sagt dazu Fatih Birol. Direktor der Internationalen Energie-Agentur IEA. Vielmehr sei es wahrscheinlich, dass der europäische Gasmarkt auch in Zukunft unvorhersehbaren Belastungsproben durch ungeplante Ausfälle und starke Kälteeinbrüche ausgesetzt sein wird. Timo Landenberger mit Eric Bonse und Lukas Scheid

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Die EU und die Gretchenfrage um Taiwan

Ob in der EU-Strategie für den Indo-Pazifik oder durch den diplomatischen Zwist zwischen Litauen und Peking: Taiwan ist in den vergangenen Monaten vermehrt in den Schlagzeilen und als Tagesordnungspunkt auf den Agenden in Brüssel aufgetaucht. Das Europaparlament will in diesem Monat den Druck auf die EU-Kommission erhöhen, konkrete Schritte einzuleiten: Erstmals stimmt das EU-Parlament über einen alleinstehenden Bericht zu den Beziehungen mit Taipeh ab. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Mehrheit im Plenum erhalten – und in Peking nicht besonders gut ankommen.

Denn das Europaparlament fordert in dem Papier eine signifikante Aufwertung der Beziehungen zu Taiwan: Neben der Forderung nach engeren Partnerschaften in den Bereichen Elektrofahrzeuge und Halbleitertechnologie sowie verstärkten Forschungskooperationen im Rahmen des EU-Programms Horizon Europe beinhaltet der Report zwei Punkte, die China sauer aufstoßen werden: Die EU-Abgeordneten empfehlen der Europäischen Kommission, eine Folgenabschätzung für ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan vorzubereiten. Außerdem wird vorgeschlagen, den Namen des Europäischen Wirtschafts- und Handelsbüros (European Economic and Trade Office, kurz EETO) in Taipeh zu “Büro der Europäischen Union in Taiwan” (“European Union Office in Taiwan”) zu ändern.

Mit wachsender Sorge werde auf die Taiwanstraße und das Südchinesische Meer geblickt, sagte der SPD-Europaparlamentarier Dietmar Köster am Montag bei einem Pressegespräch. Eine militärische Konfrontation dort müsse dringend verhindert werden, so der Außenpolitiker. Michael Gahler (CDU) wurde deutlicher: Chinas Politik in der Region wolle nicht den Status-quo erhalten, sondern sei revisionistisch. Gahler ist Vorsitzender der Taiwan-Freundschaftsgruppe des Europaparlaments. Diesem Verhalten müsse mit “dagegenhalten und sprechen” begegnet werden, fordert Gahler.

EU-Parlament und Taipeh werben für Investitionsabkommen

Der EU-Kommission sei der zunehmende Druck im Europaparlament und in der Öffentlichkeit durchaus nicht entgangen, sagt der Grünen-EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer. Auch im Handelsausschuss habe man der Kommission deutliches Missfallen darüber bekundet, dass Vorbereitungen für ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan noch nicht auf die Agenda gesetzt worden seien.

Das Europaparlament vertritt oft radikalere Positionen als die EU-Kommission und der EU-Rat, in dem die Mitgliedsstaaten vertreten sind. In der Außen- und Sicherheitspolitik kommt dem Parlament eine eher beratende Rolle zu. Wird der Bericht zu Taiwan vom EU-Parlament aber angenommen, ist die Kommission verpflichtet, ihn innerhalb von drei Monaten anzunehmen oder abzulehnen. Im letzteren Fall müsste die EU-Kommission die Gründe dafür erläutern – was angesichts der zunehmenden Erwähnungen Taiwans, auch in der offiziellen Kommunikation der Brüsseler Behörde, dann nur schwer zu begründen wäre.

Die Vertretung Taipehs in Brüssel wirbt für ein Abkommen: Dieses können europäischen Anlegern Sicherheit und mehr Schutz bei Investitionen bieten, betonte Botschafter Ming-Yen Tsai gegenüber diesem Medium. Auch die Diversifizierung der europäischen Lieferketten würde damit vorangetrieben. In der Vertretung begrüße man das Engagement vor allem aus dem Europaparlament, so Tsai. “Wir glauben, dass es an der Zeit ist, die Vorbereitungen für die Aufnahme von Verhandlungen mit Taiwan zu beginnen, einschließlich der Vorstudie, Folgenabschätzung und öffentlicher Konsultation”, betonte Tsai.

Bevor die EU-Kommission eine Folgenabschätzung für ein bilaterales Abkommen oder die Umbenennung des EU-Büros in Taiwan angehen kann, muss sie erhebliche Unterstützung bei den Mitgliedsstaaten finden – und hier scheiden sich derzeit die Geister. Während sich der kleine EU-Staat Litauen auf einen offenen Schlagabtausch mit Peking eingelassen hat, reagieren andere Länder zurückhaltend und diskutieren nur verhalten über engere Verbindungen mit Taiwan.

Litauen nimmt Sonderposition ein

Hintergrund ist ein Namensstreit in Vilnius: Litauens Regierung hatte erlaubt, eine “Taiwanische Vertretung” in der Hauptstadt eröffnen zu lassen. Peking reagiert verärgert, zog seinen Botschafter aus dem baltischen Land ab, verwies die litauische Botschafterin aus China und stellte zuletzt den Frachtverkehr über Eisenbahn nach Litauen ein.

Während die Abgeordneten des EU-Parlaments Litauens Position unterstützten, waren die Regierungen in den EU-Hauptstädten etwas anderer Meinung: Sie kritisierten zwar Chinas wirtschaftliche Erpressung von Litauen, deutliche Unterstützung für die Position des EU-Staats ließen sie aber nicht verlauten. Ähnliches ließ sich bereits beobachten beim Streit über den Besuch des Vorsitzenden des tschechischen Senats, Miloš Vystrčil, im taiwanischen Parlament. Peking drohte damals, dass Tschechien einen “hohen Preis” für den Besuch zahlen werde – doch von den übrigen EU-Mitgliedern war nur wenig Rückhalt für Prag zu hören.

Anfang September appellierte Sloweniens Ministerpräsident Janez Janša in einem Brief an andere EU-Staats- und Regierungschefs, Vilnius im Disput gegen China den Rücken zu stärken. Slowenien hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das große Echo auf die schriftliche Aufforderung blieb aber auch hier aus. Litauen erhielt immerhin transatlantischen Zuspruch: Der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, sprach Litauens Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė Washingtons Unterstützung aus.

Diplomatische Zurückhaltung der Europäer gegenüber Taipeh gab es auch in Sachen Corona-Impfstoffe: Nur vier mittel- und osteuropäische EU-Staaten (CEEC) – Litauen, Polen, die Slowakei und Tschechien – schickten Impfstoffspenden auf die Insel. Als Reaktion darauf plant Taipeh, im Oktober eine 65-köpfige Delegation zu entsenden, um seine Investitionen in den CEEC zu fördern. Polen spendete rund 400.000 Dosen, bekräftigte aber umgehend sein Bekenntnis zur “One-China-Policy”.

“Policy” vs. “principle” – Teufel liegt im Detail

“Policy” vs. “principle” – wenn es um Taiwan geht, muss nicht nur bei Namensstreitigkeiten um Handelsvertretungen genau aufgepasst werden. Denn Brüssel und Peking benutzen hier unterschiedliche Bezeichnungen und damit einhergehende Ansichten, was zuletzt auch nach einem Videotelefonat zwischen dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und Chinas Außenminister Wang Yi zu lesen war: Wang verkündete laut Staatsmedien, Borrell habe erklärt, die EU halte am “One-China-principle” fest. Dieses sieht Taiwan als abtrünnige Provinz, die rechtmäßig jedoch zu China gehört und wiedervereinigt werden muss.

Die EU sprach wiederum in ihrer Erklärung von der weiteren Anwendung der “One-China-Policy”. Unter diesen sind formelle diplomatische Kontakte zu Taiwan nicht vorgesehen, als einzige Regierung Chinas wird die Zentralregierung anerkannt. Gegen den Aufbau von Handelsvertretungen oder bilateralen Handelsabkommen spricht jedoch nichts. Denn weder ist ein solches Büro eine Botschaft, noch bedeutet die Eröffnung einer Vertretung die Anerkennung Taiwans als souveräner Staat.

Ein bilaterales Investitionsabkommen wäre im Übrigen kein Akt der Nächstenliebe der Europäer. Ganz im Gegenteil: Nicht zuletzt der weltweite Chip-Mangel hat der EU die Abhängigkeit von dem Inselstaat deutlich gemacht. Der Aufbau einer Investitionspartnerschaft würde dafür wichtige Optionen eröffnen. Im vergangenen Jahr belief sich nach Angaben des Taipeh-Büros in Brüssel das Handelsvolumen zwischen den 27 EU-Staaten und Taiwan auf 51,9 Milliarden US-Dollar. Die EU importierte demnach im Jahr 2020 Waren im Wert von 22,9 Milliarden US-Dollar aus Taiwan. Die Europäische Union ist der größte Investor in Taiwan.

Chip-Problem wird politischer

Gerade die Produktion von Halbleitern wird immer mehr zu von einem hochpolitischen Thema. China hatte am Wochenende eine Rekordzahl an Kampfjets in Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung (ADIZ) entsandt. Taipeh warnte nun einem Bericht von Bloomberg zufolge am Montag, dass Frieden in der Taiwanstraße entscheidend dafür sei, eine kontinuierliche Versorgung mit Chips sicherzustellen.

Taiwans Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua wurde deutlich: Der Inselstaat habe über drei Jahrzehnten vor dem Hintergrund der Globalisierung dazu beigetragen, ein Ökosystem für die Chipherstellung zu fördern “Die Weltgemeinschaft sollte Taiwans Sicherheit ernster nehmen, damit Taiwan weiterhin allen einen stabilen Service bieten und allen ein sehr guter Partner sein kann”, mahnte die Ministerin.

Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC) verfügt laut Bloomberg über einen Anteil von 53 Prozent am Markt für Auftragschips – was die Besorgnis nährt, dass jede Instabilität in der Meerenge vor Taiwan die Versorgung unterbrechen könnte. Die hohe Abhängigkeit von TSMC und seinen lokalen Zulieferern hat die EU-Kommission und Regierungen in den USA, Japan und auch der Volksrepublik dazu veranlasst, ihre heimische Chipindustrie zu stärken. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte dazu in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union (SOTEU) ein eigenes Chips-Gesetz angekündigt (China.Table berichtete), das unter anderem die Halbleiter-Forschung und die Produktionskapazitäten in der EU merklich erhöhen soll.

Zusammenarbeit bei Lieferketten – kaum lautstarke Bekenntnisse

Zwischen der EU und Taiwan wabert also viel Potenzial: Der sogenannte “European Chips Act” bietet Möglichkeiten der Zusammenarbeit – allerdings könnte sich dabei auch eine neue Wettbewerbsdynamik entfalten. Auch die Indo-Pazifik-Strategie bietet einen guten Rahmen für die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen (Europe.Table berichtete). Allzu lautstarke Bekenntnisse der EU-Regierungen und der EU-Kommission zu Taiwan werden jedoch nicht zu erwarten sein.

Genau eine solche Zusammenarbeit in Sachen Halbleitern könnte laut Grünen-Politiker Bütikofer nun genutzt werden, um die Beziehungen zu Taiwan zu “re-framen”. Man könnte beispielsweise über Taiwans Beitrag zu resilienten Lieferketten sprechen, so Bütikofer. So würde auch Peking signalisiert, dass nicht die Absicht einer Isolation bestehe, sondern neue Ansätze gesucht würden.

Das Europaparlament wird aller Voraussicht nach in der Sitzungswoche in der zweiten Oktober-Hälfte über den Taiwan-Bericht abstimmen. Eine Reaktion aus Peking wird dann wohl nicht lange auf sich warten lassen. Bereits die Abstimmung über das Papier im zuständigen Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und jüngst auch die Veröffentlichung der EU-Indo-Pazifik-Strategie hatte die Warnungen aus der Parteizentrale auf den Plan gerufen: Die EU sei gemahnt, in “der Taiwan-Frage nicht mit Feuer zu spielen”, titelte die Staatszeitung Global Times über einem Meinungsstück in der vergangenen Woche.

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Termine

06.10.-08.10.2021, München
VDMA, Messe Intersolar Europe Restart 2021
Die Fachmesse für Solarenergie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fokussiert sich auf Photovoltaik, Solarthermie und Solarkraftwerke und richtet sich Hersteller, Zulieferer, Händler und Dienstleister. INFOS & ANMELDUNG

06.10.2021 – 09:00-20:00 Uhr, online
HBS, Konferenz Labora 2021
Die Hans-Böckler-Stiftung (HBS) lädt Expert:innen ein, um Auswirkungen und Perspektiven der digitalen und klimapolitischen Transformation auf die Arbeitswelt zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

06.10.2021 – 10:00-17:30 Uhr, online
ECHA Safer Chemicals Conference 2021
The European Chemicals Ageny (ECHA) addresses the possible contributions of the chemical industry to a more sustainable and toxic-free environment. INFOS & REGISTRATION

06.10.2021 – 15:00-16:30 Uhr, online
IIC, Seminar Addressing Harmful Content Online, Including CSAM
The event by the Internet Infrastructure Coalition (IIC) presents best practice examples of how the internet industry can provide a safer space for users. INFOS & REGISTRATION

06.10.2021 – 17:00-18:00 Uhr, online
BAK, Podiumsdiskussion Ist die Immobilienwirtschaft bereit für eine nachhaltige Zukunft?
Anlässlich der Immobilienmesse Expo Real beschäftigt sich die Bundesarchitektenkammer (BAK) mit Herausforderungen der Immobilienwirtschaft wie Klimaschutz, lebenswerte Urbanität und bezahlbares Wohnen. INFOS & LIVESTREAM

07.10.2021 – 10:00-11:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Erfahrungsaustausch Treibhausgasbilanzierung
Das Effizienznetzwerk für Stadtwerke (ASEW) lädt Spezialist:innen aus der Energiebranche zum Fachaustausch mit Fokus Bilanzierung ein. INFOS & ANMELDUNG

07.10.2021 – 10:00-11:15 Uhr, online
BEUC, Panel Discussion Getting rid of greenwashing in the EU: how to restore consumer confidence in green claims
This European Consumer Organization (BEUC) event devotes itself to the problem of reliability regarding certificates that profess green claims. INFOS & REGISTRATION

07.10.2021 – 16:00-18:00 Uhr, online
HBS, Seminar Klimaklagen vor internationalen Gerichten: Warum gibt es keine? Was muss geschehen?
Das Seminar der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) behandelt Hindernisse, Möglichkeiten und Aussichten von Klima- und Umweltklagen vor europäischen und internationalen Gerichten. INFOS & ANMELDUNG

News

Ethikbehörde: Kommission nimmt Gespräche auf

Die EU will die Einhaltung ihrer strikten Transparenz- und Ethikregeln künftig strenger überwachen. Nachdem das Europaparlament bereits Mitte September für die Einrichtung einer unabhängigen Ethikbehörde gestimmt hatte, will sich nun auch die EU-Kommission des Themas annehmen. An diesem Dienstag sei ein erstes Treffen mit Justizkommissarin Věra Jourová geplant, hieß es im EU-Parlament in Brüssel.

Bisher hat die Kommission im Streit um die Ethikbehörde große Zurückhaltung geübt. Behördenchefin Ursula von der Leyen hatte sich zu Beginn ihrer Amtszeit 2019 zwar für die Einrichtung einer unabhängigen Kontrollinstanz ausgesprochen, die die Zusammenarbeit mit Lobbyisten kontrollieren und “Seitenwechsel” von EU-Kommissaren überprüfen könnte. Sie legte jedoch keine Eile an den Tag.

Vor dem Hintergrund diverser Lobby- und Korruptionsaffären in Deutschland kommt nun aber Bewegung in die Angelegenheit. Der federführende Europaabgeordnete Daniel Freund (Grüne) will erreichen, dass die Ethikbehörde schnell aufgebaut wird und wirksame Instrumente erhält. So soll sie nicht nur EU-Kommissare und Spitzenbeamte, sondern alle Brüsseler Beamten beaufsichtigen. Zudem sollen mögliche Sanktionen künftig veröffentlicht und strikter durchgesetzt werden.

Zur Begründung verweist Freund auf den früheren deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger. Der CDU-Politiker hatte nach seinem Ausscheiden aus der Brüsseler Behörde mehr als ein Dutzend neue Jobs angenommen und eine eigene Consulting-Firma gegründet, obwohl die übliche zweijährige “Abkühlperiode” noch nicht abgelaufen ist. Von der Leyen hatte die Tätigkeiten unter Auflagen genehmigt, deren Einhaltung jedoch nicht durchgesetzt. ebo

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Whistleblower-Vorwürfe gegen Facebook: Wölken fordert schärfere KI-Verordnung

Der US-Technologiekonzern Facebook hat einer früheren Mitarbeiterin zufolge in mehreren Fällen sein Gewinnstreben über den Kampf gegen Hassrede und Falschinformationen gestellt.

Deswegen hätten ihre Anwälte mindestens acht Beschwerden bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht, sagte die frühere Produktmanagerin des Falschinformationsteams von Facebook, Frances Haugen, dem Fernsehsender CBS.

MEPs fordern Ermittlungen gegen Facebook

Die beiden EU-Politikerinnen Christel Schaldemose (S&D) und Alexandra Geese (Grüne/EFA), die mit Haugen in Kontakt stehen, fordern nun Ermittlungen gegen den US-Konzern. Man dürfe es diesen Unternehmen nicht selbst überlassen, sich zu regulieren, sagte die Dänin Schaldemose der Nachrichtenagentur Reuters.

Schaldemose ist Berichterstatterin für den Digital Services Act (DSA), der neue Regeln für den Umgang mit Nutzerdaten aufstellen will und dessen Entwurf gerade bearbeitet wird. Der DSA könnte in Teilen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ablösen oder ergänzen, unter das Plattformen mit einer großen Nutzerschaft in Deutschland fallen und Facebook, Twitter oder YouTube zu einem relativ klar geregelten Umgang mit bestimmten strafbaren Inhalten zwingt.

Doch nicht nur dieses EU-Rechtsetzungsvorhaben, das Ende des Jahres finalisiert werden soll, könnte Facebook weiteren Ärger bringen.

KI-Verordnung könnte künftig ebenfalls greifen

Denn die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Haugen wirft dem Unternehmen auch vor, besonders strittige Inhalte in seinem Algorithmus, der über die Sichtbarkeit bei den Nutzern entscheidet, absichtlich bevorzugt zu haben, um so mehr Umsatz zu erzielen. Zwar agiere niemand im Unternehmen “böswillig”, jedoch gebe es falsche Anreize. Derartiges Verhalten könnte künftig auch in den Anwendungsbereich der derzeit ebenfalls beratenen Verordnung für Künstliche Intelligenz fallen.

“Der Entwurf verbietet ganz klar die unterschwellige Manipulation durch KI-Anwendungen”, sagt Tiemo Wölken. Doch das müsse durchsetzbar werden. Der SPD-Europaabgeordnete fordert eine Verschärfung der KI-Verordnung, bei der sich Unternehmen nicht selbst zertifizieren dürften. Zwar sei nicht jeder Algorithmus auch Künstliche Intelligenz im Sinne der geplanten Verordnung, so Wölken zu EuropeTable. “Gerade im Lichte des Facebook-Falls müssen wir uns fragen: Welches Unternehmen würde denn von sich aus zugeben, dass ein Produkt manipulativ ist und es vom Markt nehmen?” Wölken fordert daher eine behördliche Aufsicht für Hochrisikoanwendungen.

Laut ihrem Anwalt John Tye hat Whistleblowerin Haugen einige interne Dokumente mit Generalanwälten einiger US-Bundesstaaten wie Kalifornien, Vermont und Tennessee geteilt. Die der SEC vorliegenden Beschwerden basieren auf der Anforderung an Facebook, als börsennotiertes Unternehmen Investoren nicht anzulügen oder Informationen zurückzuhalten. Ihrem Anwalt zufolge steht Haugen im Austausch mit Politikern in Europa und will auch vor dem britischen Parlament sprechen. Tye hat die gemeinnützige Organisation Whistleblower Aid ins Leben gerufen. fst/rtr

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Pandora Papers: Ruf nach Konsequenzen

In Berlin und Brüssel werden als Konsequenz aus den sogenannten Pandora Papers Forderungen laut, stärker gegen Steueroasen vorzugehen. Deutschland müsse den Handlungsdruck auf internationaler Ebene verstärken, sagte SPD-Co-Chef Norbert Walter-Borjans dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). “Wir haben aber auch bei uns weiteren Bedarf bei der Gesetzgebung und beim Vollzug.” Damit werde sich die nächste Bundesregierung befassen müssen. “Wir können und müssen schon im eigenen Land beginnen: mit härteren Strafen für die Verletzung von Meldepflichten.”

Ein Rechercheverbund hatte am Sonntagabend Informationen veröffentlicht, die zeigen sollen, dass Hunderte Politiker und Amtsträger aus aller Welt Gelder in Steueroasen versteckt haben. Die scheidende Bundesregierung sieht Deutschland nach bisherigen Erkenntnissen kaum betroffen.

Trotz aller Skandale florierten Steuervermeidung und Geldwäsche über Briefkastenfirmen weiter, beklagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold, der Mitglied des Sondierungsteams seiner Partei zur Bildung einer neuen Bundesregierung ist. Er forderte schärfere Regeln, die volle Transparenz und mehr internationalen Informationsaustausch sicherstellten. “Steuerbehörden müssen auch bei Immobilien und verschachtelten Briefkastenfirmen Kapitaleinkommen aus dem Ausland besteuern können.”

Es gebe auf internationaler Ebene zwar Fortschritte, sie reichten aber nicht aus, so Giegold. Die geplante globale Mindeststeuer etwa solle nur für Großkonzerne gelten, nicht aber für Briefkastenfirmen von Superreichen. Giegold kritisierte auch die EU-Liste, die Steueroasen brandmarken soll: “Zwei Drittel der Briefkastenfirmen in den Pandora-Daten liegen in den Britischen Jungferninseln, die aber auf der EU-Steueroasen-Liste fehlen”.

Der CSU-Finanzpolitiker Markus Ferber nannte die Liste der Steueroasen einen “Papiertiger”. Dass die EU-Finanzminister die schwarze Liste in dieser Woche noch weiter ausdünnen wollten, sei das falsche Zeichen. Man werde Steueroasen nur mit harten Sanktionen beikommen können. “Wir brauchen einen neuen Anlauf bei der schwarzen Liste, die dann tatsächlich alle üblichen Verdächtigen umfassen und sanktionsbewährt sein muss”, forderte Ferber.

Eine Sprecherin des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums sagte in Berlin, eine abschließende Bewertung der Dokumente sei noch nicht möglich. “Erstvermutungen legen nah, dass der Deutschland-Bezug jetzt erstmal nicht so groß ist.” Es gebe schon internationale Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung, etwa ein Transparenzregister und die geplante globale Mindeststeuer für Großkonzerne. Letztere sei weit vorangeschritten und ein wichtiger Baustein zum Austrocknen von Steueroasen. Ein Sprecher der EU-Kommission verwies ebenfalls darauf, man habe bereits einiges erreicht. Das sei aber kein Grund nachzulassen.

FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar sagte: “Wenn man sieht, wie viele prominente Politiker aus dem Ausland selbst zum Teil beträchtliches Vermögen in Offshore-Ländern liegen haben, ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass wir bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug international nur langsam vorankommen.” Das globalisierungskritische Netzwerk Attac warf der Bundesregierung vor, effektive Maßnahmen auszubremsen. Es bleibe deswegen nur Stückwerk. rtr/tho

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Trotz Widerstand aus China: Airlines verpflichten sich zu CO2-Neutralität

Airlines aus aller Welt haben sich am Montag darauf geeinigt, ihre Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu verstärken. Sie sehen sich wachsendem Druck von Regulierungsbehörden und Umweltgruppen ausgesetzt, da in den kommenden Jahrzehnten mit Milliarden zusätzlicher Passagiere gerechnet wird.

Die International Air Transport Association (IATA), in der 290 Fluggesellschaften, darunter auch Lufthansa, Air France und Iberia, zusammengeschlossen sind, verpflichtete sich trotz des Widerstands chinesischer Fluggesellschaften, bis zum Jahr 2050 “Netto-Null-Emissionen” zu erreichen.

Der Generaldirektor der IATA, Willie Walsh, räumte ein, dass die neue Verpflichtung “eine zusätzliche Herausforderung in einer sehr schwierigen Zeit” sei, rief aber zur Einigkeit auf.

China Eastern beklagte, dass das Vorhaben nicht die Herausforderungen der Fluggesellschaften in Entwicklungsländern anerkennt. In den letzten Jahren seien dieser immer wieder zu einem Brennpunkt bei internationalen Klimaverhandlungen geworden, so auch beim Pariser Abkommen von 2015.

Die Beschwerden seitens chinesischer Fluggesellschaften spiegeln die politischen Differenzen mit Europa in Bezug auf den Umweltschutz im Vorfeld der Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz (COP26) in Glasgow wider. rtr/luk

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Globale Steuerreform: Irland signalisiert Entgegenkommen

Irland schließt sich womöglich doch noch den Plänen für eine globale Steuerreform an. Mehrere Vertreter der Regierung in Dublin betonten am Montagabend, aktualisierte Texte der Industriestaaten-Organisation OECD zum Thema würden viele Bedenken Irlands aufnehmen. Noch seien aber weitere Gespräche nötig.

Unter dem Dach der OECD streben knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an – einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Für die Mindeststeuer sind mindestens 15 Prozent vorgesehen, außerdem sollen Schwellenländer mehr Steuereinnahmen abbekommen. Großen Internet-Konzernen wie Amazon und der Google-Mutter Alphabet wird vorgeworfen, durch geschickte Gewinnverlagerungen vergleichsweise wenig Steuern zu zahlen. Noch im Oktober sollen die Pläne inklusive der wichtigsten Details auf internationaler Bühne politisch durchgewunken werden.

Irland ist bislang einer der größten Kritiker. In der EU sind zudem Ungarn und Estland skeptisch. Irland lockt mit einer Unternehmensbesteuerung von 12,5 Prozent viele international agierende Konzerne an, die Einnahmen aus Patenten oder Software-Lizenzen auf die Insel verlagert haben. Irlands Finanzminister Paschal Donohoe hatte zuletzt gesagt, sein Land werde die Pläne wahrscheinlich mittragen, sollte die Reform “Gewissheit und Stabilität” bringen. “Wir machen einige Fortschritte”, sagte er am Montag in Luxemburg. Es müsse aber noch weitere Gespräche mit der OECD und der EU-Kommission geben, was auch geschehe.

Der irische Vize-Premierminister Leo Varadkar sagte dem Sender RTE, ein überarbeiteter Text der OECD, der Ende der Woche beschlossen werden soll, gehe auf viele, wenn nicht sogar alle Bedenken der Iren ein. Mit der Unterstützung der Iren würde das internationale Projekt noch einmal einen Schub bekommen. Donohoe sagte, er werde das Kabinett des Landes am Donnerstag über den aktuellen Stand informieren. rtr

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Erste Anlage für klimaneutrales Kerosin eröffnet

Die weltweite erste industrielle Anlage zur Produktion von klimafreundlichem Flugbenzin ist im Emsland eröffnet worden. “Um unseren globalen Klimazielen gerecht zu werden, sind auch im Verkehrssektor – nicht zuletzt im Flugverkehr – Fortschritte unabdingbar. Synthetisches, CO2-neutrales Kerosin spielt hierbei eine wichtige Rolle”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Videobotschaft. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) verwies darauf, dass der Luftverkehr ab 2026 in Deutschland zunächst mit einer Beimischung von 0,5 Prozent fliegen müsse. Das entspreche etwa 50.000 Tonnen klimaneutrales Kerosin. Bis 2030 muss der Anteil dieses sogenannten Power-to-Liquid (PTL)-Treibstoffs vervierfacht werden.

Die Anlage im Emsland produziert aus Wasser und Windstrom zunächst Wasserstoff. Dazu kommt Abfall-CO2 aus Lebensmittelresten sowie CO2, das der Umgebungsluft entzogen wird. So ist das Kerosin klimaneutral. Täglich sollen ab dem ersten Quartal acht Fässer Rohkerosin ausgeliefert werden. Die Kapazität der Anlage liegt bei 350 Tonnen im Jahr. Aufgebaut hat sie die gemeinnützige Klimaschutzorganisation Atmosfair.

Die Kapazität ist im Vergleich zum Bedarf daher noch gering. Die Kosten der Produktion mit mehr als fünf Euro pro Liter sind deutlich höher als das, was in Studien bei der Herstellung im großen Stil als möglich genannt wird. “Aber wir wollten den ersten Schritt in Deutschland gehen, um hier die Technologie zu erproben und Erfahrungen zu sammeln”, sagte Projektleiter Dietrich Brockhagen von Atmosfair. Möglich macht dies unter anderem die Lufthansa als Pilotkunde, die den Treibstoff auch zu den höheren Preisen abnimmt. Auch die Reisebüro-Allianz QTA (Quality Travel Alliance) will das Kerosin als Beimischung in Klimapaketen für ihre Kunden anbieten. rtr

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Presseschau

“Pandora Papers”: Andrej Babis weist jedes Fehlverhalten zurück FAZ
Facebook is suffering its worst outage since 2008 CNBC
Facebook whistleblower reveals herself, condemns company as dangerous POLITICO
France, Spain urge pan-European response to energy price surge REUTERS
Austria seeks to combine carbon tax and tax cuts for the middle class FT
UK promises ‘robust’ reaction if EU starts trade war over Northern Ireland GUARDIAN
Dutzende Migranten gelangen über Polen nach Deutschland SPIEGEL:
Poland seeks to bolster border with new tech amid migrant influx REUTERS
Produktionsanlage für CO2-neutralen Flugtreibstoff nimmt Betrieb auf ZEIT
Bericht: Apple-Chef trifft sich mit EU-Wettbewerbshüterin HEISE
“Kein Aufschub möglich”: Elektroindustrie fordert Tempo bei Chip-Subventionen HANDELSBLATT
EU’s costly plan to close the semiconductor gap FT
Nord Stream 2 wird mit Gas befüllt TAGESSCHAU

Standpunkt

Opfert die EU unsere Sicherheit dem Green Deal?

Von Hans Christoph Atzpodien
Hans Christoph Atzpodien über Sicherheit im Green Deal
Hans Christoph Atzpodien ist Hauptgeschäftsführer des BDSV.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat in Ihrer “State-of-the-Union”-Rede am 15. September eindrücklich über Europas sicherheitspolitische Herausforderungen gesprochen. Ihr Aufruf gipfelte in den Worten: “Was wir brauchen, ist die Europäische Verteidigungsunion“.

Zugleich forciert dieselbe EU-Kommission den Green Deal, der den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen soll. Wesentliche Transmissionsriemen bei der Umsteuerung der Realwirtschaft sollen Banken und Versicherungen sein. So sieht es die EU-Richtlinie über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor aus dem Jahr 2019 vor.

Als nachhaltig bezeichnet die Richtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit dann, wenn sie zur Erreichung eines Umweltziels oder eines sozialen Nachhaltigkeitsziels beiträgt. Über diese Ziele bestehen jedoch sehr unterschiedliche Sichtweisen. Einige Banken meinen zum Beispiel, dass Firmen, die EU-Streitkräfte mit Waffen ausrüsten, nicht nachhaltig handeln.

Bisher gibt es hierzu kaum eine verbindliche Regulatorik. Diese befindet sich auf der EU-Ebene erst in Arbeit, und zwar in Gestalt der “EU Taxonomy for Sustainable Activites” (dt.: EU-Systematik für nachhaltige Aktivitäten). Diese Systematik wird anhand des Dreiklangs “ESG” (Environmental/Umwelt, Soziales und Governance/Unternehmensführung) entwickelt.

Im Endeffekt ergibt sich unter jeder dieser drei Rubriken eine Dreiteilung von Aktivitäten: (1) solche, die als positive Beiträge zur Nachhaltigkeit angesehen werden, (2) solche, die als schädlich für Nachhaltigkeit betrachtet werden, und (3) solche, die dabei als neutral gelten.

Nur, wer dabei in die Rubrik der positiv zur Nachhaltigkeit beitragenden Aktivitäten fällt, kann davon ausgehen, dass ihn der private Finanzsektor positiv sieht. Wem hingegen das Schicksal zuteilwird, in die Liste der schädlichen Aktivitäten zu kommen, der kann mit dieser Hoffnung abschließen. Dasselbe Schicksal kann aber auch den “Neutralen” blühen, wenn sie nämlich den privaten Finanzsektor nicht davon überzeugen können, dass sie sich zumindest durch erhöhte eigene Anstrengungen in die Kategorie der positiven Nachhaltigkeitsförderer heraufarbeiten können.

Genau hier liegt ein großes Problem: In der öffentlichen Meinung quer durch die EU geht man mit Bedrohungen unserer inneren, vor allem aber unserer äußeren Sicherheit – gemessen an der tatsächlichen Bedrohungslage – extrem entspannt um. Streitkräfte sind in einigen EU-Ländern wie Deutschland nur mäßig populär, Waffen zu ihrer Ausrüstung noch einmal deutlich weniger.

Dies bewirkt, dass Waffen für unsere Streitkräfte, aber auch für Organe der inneren Sicherheit, bestenfalls in den neutralen Bereich der Taxonomie kommen, wo ihnen die Banken durchweg die “rote Karte” zeigen. In den meisten heute aufgelegten sogenannten Nachhaltigkeitsfonds werden Rüstung und Waffen pauschal ausgegrenzt – auch wenn sie dem Erhalt unserer eigenen Sicherheit dienen. Sogar die erste “grüne” Bundesanleihe wurde im Jahr 2020 mit der Prämisse emittiert, dass ihre Mittel keinesfalls für “Rüstung, Verteidigung, Tabak, Alkohol und Glücksspiel” verwendet werden.

Ohne Sicherheit keine Nachhaltigkeit

Angesichts dieser Gemengelage muss eine Frage erlaubt sein: Wie denn der Kern von Nachhaltigkeit, nämlich die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen für künftige Generationen, gewährleistet werden soll, wenn es uns mangels gut ausgerüsteter Sicherheitskräfte nicht gelingt, in Europa Sicherheit und Frieden zu bewahren?

Die Antwort ist klar: Ohne Sicherheit kann es Nachhaltigkeit nicht geben. Warum aber wird Sicherheit dann in der Systematik der EU-Taxonomie komplett ausgeklammert? Schlimmer noch: Die Arbeiten zur Ausfüllung der Taxonomie scheinen darauf hinauszulaufen, auch dort den Begriff “Verteidigung” als eine in sozialer Hinsicht schädliche Handlung darzustellen. Würde dies am Ende so in der Taxonomie verankert, so würde dies die Ausrüster von Streitkräften und Organen der inneren Sicherheit von jeder privatwirtschaftlichen Finanzierung abschneiden.

Als Leser werden Sie sich sagen, dass dies doch ein ziemlicher Widerspruch zu den Postulaten der EU-Kommissionspräsidentin ist. Umso verwunderlicher erscheint es, dass weder sie selbst noch der EU-Kommissar für die Industrie, Thierry Breton, oder nationale Regierungen einzelner Mitgliedsstaaten in diesen Prozess eingreifen.

Vielmehr haben sie schon über Monate unbeteiligt zugesehen, wie eine sehr kleine Schar von Beratern aus Nicht-Regierungsorganisationen die Taxonomie-Ausfüllung ins Werk setzt, ohne sich dabei um staatliche Strategievorgaben oder herrschende Regierungsmeinungen zu Sicherheitsfragen zu kümmern. Die EU-Kommission verlässt sich in vielen Fällen auf die Beratung von Nicht-Regierungsorganisationen, deren Input sie auch zu ihrer eigenen Legitimation nutzt. Hier aber kann dies zu einer Implosion der gesamten EU-Sicherheitspolitik führen.

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Apéropa

Lux Leaks, Panama Papers, jetzt Pandora: Wirklich überrascht reagiert das Publikum inzwischen nicht mehr, wenn die Steuervermeidungspraktiken der Reichen und Mächtigen enthüllt werden. Für die Entlarvten ist es nichtsdestotrotz unangenehm, auf diese Art ins Rampenlicht gezerrt zu werden. Und versuchen sich in Krisenkommunikation, mehr oder weniger erfolgreich. Ein kleines How (not) to:

Sich als Opfer hinstellen – Andrej Babiš: “Diesen Artikel hat die Mafia beauftragt”, sagte Tschechiens Premier über die Berichte, er habe über eine Reihe von Briefkastenfirmen ein französisches Château gekauft. Der Unternehmer Zdeněk Bakala betreibe ein “System von Anti-Babiš-Zeitungen”. Nur: Keine der Bakala-Zeitungen war an der Recherche des internationalen Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ) beteiligt.

Alles abstreiten – nochmal Babiš: “Ich besitze keine Immobilien in Frankreich, auch keine Offshore-Konten und ich weise absolut zurück, dass es zu Geldwäsche kam.” Auf Nachfrage nach dem konkreten Objekt in Frankreich dann die Auskunft: “Das war auf Rat des Immobilienmaklers.” Äh, ja.

Einfach ignorieren – der Kreml: Hat Wladimir Putin 2003 einer Geliebten kurz nach Geburt von deren Tochter eine 3,6 Millionen Euro teure Luxuswohnung in Monaco spendiert? Man sehe keinen Anlass, den Berichten nachzugehen, sagte Sprecher Dmitry Peskov. “Wenn es ernsthafte Veröffentlichungen gibt, die auf konkreten Informationen fußen, werden wir sie mit Interesse lesen.” Diese Methode sollte man sich nur erlauben, wenn es keine freie Presse mehr gibt.

Eine Untersuchung ankündigen – Pakistans Regierung: Auf der Liste der verdächtigten Steuervermeider stehen 700 pakistanische Bürger, darunter mehrere Regierungsmitglieder. Finanzminister Shaukat Tarin kündigte an, die Vorwürfe würden untersucht. Tarin selbst findet sich übrigens selbst ebenfalls auf der Liste. Till Hoppe

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Energiepreise: Angemessene Reaktion gesucht
    • Taiwan: Gretchenfrage für die EU
    • Facebook-Debatte: Wölken fordert schärfere KI-Verordnung
    • Ethikbehörde: Kommission nimmt Gespräche auf
    • Pandora Papers: Ruf nach Konsequenzen
    • Globale Steuerreform: Irland signalisiert Entgegenkommen
    • Trotz Widerstand aus China: Airlines verpflichten sich zu CO2-Neutralität
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Facebook, Instagram, WhatsApp, Workplace – das Zuckerberg-Universum ist wegen technischer Probleme am gestrigen Montag aus dem Netz verschwunden. Was genau daran schuld war, stand beim Schreiben dieser Zeilen noch nicht fest. Fest stand nur, dass in der technischen Konfiguration des Domainnamensystems (DNS), einer Art Telefonbuch des Netzes, einiges nicht so war, wie es sein sollte. Kein Anschluss unter dieser Nummer.

    Ebenfalls tief in der Internetmaschinerie, im sogenannten Border Gateway Protocol (BGP), waren plötzlich Teile der Routenplanung für Datenströme zu den Facebook-Servern verschwunden. Nichts ging mehr, über Stunden. Gewinner der Situation: Twitter. Hier lästerten die Nutzer: Was haben Facebook und Armin Laschet gemeinsam? Beide sind down.

    À propos Laschet: Der Montag war sondierungsfrei in Berlin, am heutigen Dienstag treffen Unionsparteien und Grüne zu ihren Vorgesprächen erstmals zusammen. Aus der FDP wird nun bei der Schuldenbremse eine rote Linie gesehen. Eine Indiskretion aus den Gesprächen mit der Union, schäumen FDP-Politiker öffentlich. Eine Änderung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse mit Zweidrittelmehrheit wäre allerdings eh unwahrscheinlich. Ein gutes Verkaufsargument nach Innen, wenn SPD und Grüne hier nachgeben, ohne etwas zu verlieren? Doch das soll es in dieser Ausgabe zu den Sondierungen auch bereits gewesen sein – und andere, wichtige Themen in den Fokus rücken:

    Die steigenden Energiepreise beschäftigten am Montag die Finanzminister der Eurogruppe. Während sie tagten, schoss der Rohölpreis für die Nordseesorte Brent auf über 80 Euro pro Fass. Nur eine Momentaufnahme oder eine dauerhafte Entwicklung? Wie Finanzminister und Experten über mögliche Abhilfe diskutieren, haben sich Eric Bonse und Timo Landenberger genauer angesehen.

    Taiwan ist ein heikles Thema in den internationalen Beziehungen: Das angespannte Verhältnis zur Volksrepublik erschwert die EU-Taiwan-Beziehungen. Doch für Europa wird die räumlich kleine Technologiegroßmacht immer wichtiger – unter anderem aufgrund der Chipknappheit. Amelie Richter analysiert, welche Punkte der EU besonders wichtig sind und was die Volksrepublik genau stört.

    Ihr
    Falk Steiner
    Bild von Falk  Steiner

    Analyse

    Energiepreise: Die Suche nach der angemessenen Reaktion

    Vor dem Hintergrund rasant steigender Gas- und Strompreise ist in der EU eine Debatte über die Energiepolitik entbrannt – mit potenziell weitreichenden Folgen für die Klimapolitik. Beim Treffen der Eurogruppe am Montag in Luxemburg plädierten mehrere Finanzminister für eine koordinierte Gegenreaktion der EU auf die hohen Energiepreise. Die EU-Kommission kündigte einen Vorschlag an, warnte jedoch vor Aktionismus.

    Kommissionsvize Valdis Dombrovskis sagte, seine Behörde bereite “Empfehlungen” vor. Damit sollten “zeitlich befristete und gezielte” nationale Maßnahmen ermöglicht werden, um den Preisschock abzufedern und Bürger und Unternehmen zu schützen. Die EU-Kommission gehe – wie die Europäische Zentralbank – von einer vorübergehenden Lage aus, die vor allem von den Gasmärkten getrieben werde.

    Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni erklärte, er verstehe den Ruf nach Gegenmaßnahmen, die vor allem einkommensschwache Haushalte stützen sollen. Allerdings dürften die nationalen Hilfen das Ziel der Klimaneutralität nicht infrage stellen. “Wir sollten reagieren, aber nicht überreagieren”, so der Italiener. Wann die Kommission tätig werden will, ließ er offen.

    Zu Eile drängten dagegen Frankreich und Spanien. Die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calvino sagte, die EU müsse gegen Versorgungsengpässe beim Gas vorgehen und eigene strategische Reserven anlegen. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire erklärte, der “brutale” Anstieg des Gaspreises rufe nach einer raschen Antwort. Die Bindung des Strompreises an Gas sei “ineffizient” und führe Europa beim Klimaschutz in eine Sackgasse.

    Frankreich setzt auf Atomstrom

    Le Maire schlug vor, den Gasmarkt neu zu regulieren und die Lagerung zu überdenken. Außerdem sprach er sich für eine verbraucherfreundliche Preisbindung beim Strom aus. Frankreich hat die Energiepreise wegen der aktuellen Teuerungswelle gedeckelt. Das Land setzt zudem wieder vermehrt auf Atomstrom. Die Atomkraft müsse Teil der europäischen Antwort sein, forderte Le Maire.

    Frankreich hatte in der Vergangenheit schon mehrfach gefordert, die Kernenergie in der EU als eine umweltfreundliche Technologie einzustufen, während Deutschland sich strikt gegen ein solches Vorhaben stellt. Derzeit ringen beide Länder hinter den Brüsseler Kulissen um die richtige Formulierung im Taxonomie-Streit (Europe.Table berichtete). “Ich denke, dass es wichtig ist, die Rolle von Atomenergie – einer Energie mit wenig Kohlenstoffdioxid – in unserem gesamten Energiemix und den Anstrengungen zur Dekarbonisierung anzuerkennen”, sagte Dombrovskis.

    Das französische Vorgehen der Preisdeckelung hält Energierechtsexperte Christian Schneider von BPV Hügel für problematisch: “Die amtliche Festsetzung von Strom- und Gaspreisen ist mit EU-Recht schwer vereinbar“, sagt der Jurist zu Europe.Table. Das ergebe sich unter anderem aus der nach wie vor gültigen Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie aus dem Jahr 2009. Derzufolge müssten die Mitgliedstaaten den gleichberechtigten Zugang von EU-Erdgasunternehmen zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen. Die temporäre Deckelung von Strom- und Gaspreisen hingegen wirke wettbewerbsverzerrend, so Schneider.

    Auch beim Strom garantiere die neuere Elektrizitäts-Richtlinie von 2019 den Versorgern das Recht auf freie Preisbildung. Zulässig seien allerdings sozialpolitische Maßnahmen, um von Energiearmut betroffene und schutzbedürftige Haushalten zu unterstützen. “Dazu gehört ausnahmsweise auch die Festsetzung der Strompreise”, sagt Schneider. Diese müsse aber zeitlich begrenzt sein und dürfe nicht diskriminierend wirken, also nicht flächendeckend eingeführt werden, sondern nur zugunsten bestimmter, sozial schwächerer Kundengruppen. “In westeuropäischen Ländern kann ich mir schwer vorstellen, dass diese Bestimmung greift.”

    EU-Toolbox gegen hohe Energiepreise kommt mit Verspätung

    Um den Mitgliedsstaaten bei möglichen, EU-rechtskonformen Hilfsmaßnahmen gegen die hohen Energiepreise einen Leitfaden an die Hand zu geben, hatte die EU-Kommission für diese Woche die Vorstellung einer “Toolbox” angekündigt (Europe.Table berichtete). Manche Mitgliedstaaten hatten vorige Woche entsprechende Forderungen nach Brüssel geschickt (Europe.Table berichtete). Doch das Thema wurde kurzfristig wieder von der Agenda genommen. Aus EU-Kreisen heißt es, die Energiepreise könnten frühestens beim Kommissions-Treffen kommende Woche Mittwoch auf der Agenda stehen. 

    Erwartet werden auch Vorschläge zu möglichen Beihilfen. “Als sozialpolitische Maßnahmen, beispielsweise in Form einer Bezuschussung der Heizkosten, wäre das mit EU-Recht kompatibel, sofern dadurch die heimische Produktion nicht bevorzugt wird”, erklärt Schneider. Auch eine beihilfebasierte Unterstützung der Industrie sei vorstellbar. Diese müsse dann aber in erster Linie Unternehmen adressieren, die besonders energieintensiv produzieren und die dazu mit anderen Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen.

    Als weitere Möglichkeit staatlicher Hilfen wird die Verringerung von Steuersätzen gehandelt. Solange diese nicht nur zugunsten bestimmter Wirtschaftszweige, sondern generell gesenkt werden, sei auch das EU-rechtlich unproblematisch, so Schneider. “Wobei Umsatzsteuererleichterungen ohnehin nur Verbrauchern und nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen helfen. Für ein Stahl-Werk ist das völlig unerheblich, ob der Steuersatz bei zehn, 20 oder 50 Prozent liegt, da dieses ohnehin den Vorsteuerabzug hat.”

    Die Bundesregierung erklärte, sie sehe keine Notwendigkeit für ein staatliches Eingreifen. Auf Preiserhöhungen könnten Kunden in der Regel durch Wechsel des Energielieferanten reagieren, sagte eine BMWi-Sprecherin. Daneben habe Wirtschaftsminister Peter Altmaier wiederholt deutlich gemacht, dass er eine Abschaffung der EEG-Umlage für erforderlich hält. Die Situation in den jeweiligen EU-Ländern sei jedoch sehr unterschiedlich und lasse sich nicht 1:1 vergleichen. Dennoch sei es wichtig, das Thema im europäischen Rahmen zu diskutieren.

    Paschal Donohoe, der irische Finanzminister und Vorsitzende der Eurogruppe, erklärte nach dem Treffen am Montagabend, dass die Teilnehmer weiter davon ausgingen, dass die Inflation im kommenden Jahr wieder weniger stark ausfalle. Doch es gebe eine “menschliche Seite” der Energiepreise, um die sich gekümmert werden müsse. Am eingeschlagenen Weg wolle man aber festhalten: “Der Grüne Wandel ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.” Bei Energieeffizienz, Erneuerbaren und CO2-armen Energiequellen müssten die Anstrengungen verstärkt werden, um die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern.

    Umweltrat tagt am Mittwoch

    Der Anstieg der Energiepreise landete nun kurzfristig auch auf der Agenda des Rates der EU-Umweltminister:innen, die sich am Mittwoch zu einer formellen Tagung in Luxemburg treffen. Dort soll auch der Zusammenhang zwischen Emissionshandel (ETS) und Energiepreisentwicklung in der EU thematisiert werden.

    Auch im EU-Parlament werden die Energiepreise am Mittwoch in einer Plenardebatte besprochen. Insgesamt sind vier Stunden für die Aussprache angesetzt. Eingangs werden Kommission und Rat sich in Straßburg äußern, bevor die Parlamentarier:innen zu Wort kommen.

    Die Gründe für die explodierenden Energiepreise sind vielseitig. Der lange und kalte Winter 2020/21 hat die Speicher geleert. Die konjunkturelle Erholung seit den corona-bedingten Einschnitten treibt die Nachfrage nach oben. Aus dem gleichen Grund fallen die Lieferungen aus Asien nach Europa in jüngster Zeit geringer aus und auch aus Russland floss weniger Gas gen Westen (Europe.Table berichtete). Daneben fiel die Stromproduktion aus Windenergie geringer aus, als erwartet, weshalb mehr Gas für Stromerzeugung verwendet wurde.

    Doch auch der Vorwurf, die Umsetzung der Green-Deal-Maßnahmen, allen voran der Emissionshandel, sei für die Preissteigerung verantwortlich, ebbt nicht ab. “Der jüngste Anstieg der weltweiten Erdgaspreise ist das Ergebnis mehrerer Faktoren, und es ist irreführend, die Verantwortung dafür der Energiewende in die Schuhe zu schieben“, sagt dazu Fatih Birol. Direktor der Internationalen Energie-Agentur IEA. Vielmehr sei es wahrscheinlich, dass der europäische Gasmarkt auch in Zukunft unvorhersehbaren Belastungsproben durch ungeplante Ausfälle und starke Kälteeinbrüche ausgesetzt sein wird. Timo Landenberger mit Eric Bonse und Lukas Scheid

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    Die EU und die Gretchenfrage um Taiwan

    Ob in der EU-Strategie für den Indo-Pazifik oder durch den diplomatischen Zwist zwischen Litauen und Peking: Taiwan ist in den vergangenen Monaten vermehrt in den Schlagzeilen und als Tagesordnungspunkt auf den Agenden in Brüssel aufgetaucht. Das Europaparlament will in diesem Monat den Druck auf die EU-Kommission erhöhen, konkrete Schritte einzuleiten: Erstmals stimmt das EU-Parlament über einen alleinstehenden Bericht zu den Beziehungen mit Taipeh ab. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Mehrheit im Plenum erhalten – und in Peking nicht besonders gut ankommen.

    Denn das Europaparlament fordert in dem Papier eine signifikante Aufwertung der Beziehungen zu Taiwan: Neben der Forderung nach engeren Partnerschaften in den Bereichen Elektrofahrzeuge und Halbleitertechnologie sowie verstärkten Forschungskooperationen im Rahmen des EU-Programms Horizon Europe beinhaltet der Report zwei Punkte, die China sauer aufstoßen werden: Die EU-Abgeordneten empfehlen der Europäischen Kommission, eine Folgenabschätzung für ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan vorzubereiten. Außerdem wird vorgeschlagen, den Namen des Europäischen Wirtschafts- und Handelsbüros (European Economic and Trade Office, kurz EETO) in Taipeh zu “Büro der Europäischen Union in Taiwan” (“European Union Office in Taiwan”) zu ändern.

    Mit wachsender Sorge werde auf die Taiwanstraße und das Südchinesische Meer geblickt, sagte der SPD-Europaparlamentarier Dietmar Köster am Montag bei einem Pressegespräch. Eine militärische Konfrontation dort müsse dringend verhindert werden, so der Außenpolitiker. Michael Gahler (CDU) wurde deutlicher: Chinas Politik in der Region wolle nicht den Status-quo erhalten, sondern sei revisionistisch. Gahler ist Vorsitzender der Taiwan-Freundschaftsgruppe des Europaparlaments. Diesem Verhalten müsse mit “dagegenhalten und sprechen” begegnet werden, fordert Gahler.

    EU-Parlament und Taipeh werben für Investitionsabkommen

    Der EU-Kommission sei der zunehmende Druck im Europaparlament und in der Öffentlichkeit durchaus nicht entgangen, sagt der Grünen-EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer. Auch im Handelsausschuss habe man der Kommission deutliches Missfallen darüber bekundet, dass Vorbereitungen für ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan noch nicht auf die Agenda gesetzt worden seien.

    Das Europaparlament vertritt oft radikalere Positionen als die EU-Kommission und der EU-Rat, in dem die Mitgliedsstaaten vertreten sind. In der Außen- und Sicherheitspolitik kommt dem Parlament eine eher beratende Rolle zu. Wird der Bericht zu Taiwan vom EU-Parlament aber angenommen, ist die Kommission verpflichtet, ihn innerhalb von drei Monaten anzunehmen oder abzulehnen. Im letzteren Fall müsste die EU-Kommission die Gründe dafür erläutern – was angesichts der zunehmenden Erwähnungen Taiwans, auch in der offiziellen Kommunikation der Brüsseler Behörde, dann nur schwer zu begründen wäre.

    Die Vertretung Taipehs in Brüssel wirbt für ein Abkommen: Dieses können europäischen Anlegern Sicherheit und mehr Schutz bei Investitionen bieten, betonte Botschafter Ming-Yen Tsai gegenüber diesem Medium. Auch die Diversifizierung der europäischen Lieferketten würde damit vorangetrieben. In der Vertretung begrüße man das Engagement vor allem aus dem Europaparlament, so Tsai. “Wir glauben, dass es an der Zeit ist, die Vorbereitungen für die Aufnahme von Verhandlungen mit Taiwan zu beginnen, einschließlich der Vorstudie, Folgenabschätzung und öffentlicher Konsultation”, betonte Tsai.

    Bevor die EU-Kommission eine Folgenabschätzung für ein bilaterales Abkommen oder die Umbenennung des EU-Büros in Taiwan angehen kann, muss sie erhebliche Unterstützung bei den Mitgliedsstaaten finden – und hier scheiden sich derzeit die Geister. Während sich der kleine EU-Staat Litauen auf einen offenen Schlagabtausch mit Peking eingelassen hat, reagieren andere Länder zurückhaltend und diskutieren nur verhalten über engere Verbindungen mit Taiwan.

    Litauen nimmt Sonderposition ein

    Hintergrund ist ein Namensstreit in Vilnius: Litauens Regierung hatte erlaubt, eine “Taiwanische Vertretung” in der Hauptstadt eröffnen zu lassen. Peking reagiert verärgert, zog seinen Botschafter aus dem baltischen Land ab, verwies die litauische Botschafterin aus China und stellte zuletzt den Frachtverkehr über Eisenbahn nach Litauen ein.

    Während die Abgeordneten des EU-Parlaments Litauens Position unterstützten, waren die Regierungen in den EU-Hauptstädten etwas anderer Meinung: Sie kritisierten zwar Chinas wirtschaftliche Erpressung von Litauen, deutliche Unterstützung für die Position des EU-Staats ließen sie aber nicht verlauten. Ähnliches ließ sich bereits beobachten beim Streit über den Besuch des Vorsitzenden des tschechischen Senats, Miloš Vystrčil, im taiwanischen Parlament. Peking drohte damals, dass Tschechien einen “hohen Preis” für den Besuch zahlen werde – doch von den übrigen EU-Mitgliedern war nur wenig Rückhalt für Prag zu hören.

    Anfang September appellierte Sloweniens Ministerpräsident Janez Janša in einem Brief an andere EU-Staats- und Regierungschefs, Vilnius im Disput gegen China den Rücken zu stärken. Slowenien hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das große Echo auf die schriftliche Aufforderung blieb aber auch hier aus. Litauen erhielt immerhin transatlantischen Zuspruch: Der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, sprach Litauens Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė Washingtons Unterstützung aus.

    Diplomatische Zurückhaltung der Europäer gegenüber Taipeh gab es auch in Sachen Corona-Impfstoffe: Nur vier mittel- und osteuropäische EU-Staaten (CEEC) – Litauen, Polen, die Slowakei und Tschechien – schickten Impfstoffspenden auf die Insel. Als Reaktion darauf plant Taipeh, im Oktober eine 65-köpfige Delegation zu entsenden, um seine Investitionen in den CEEC zu fördern. Polen spendete rund 400.000 Dosen, bekräftigte aber umgehend sein Bekenntnis zur “One-China-Policy”.

    “Policy” vs. “principle” – Teufel liegt im Detail

    “Policy” vs. “principle” – wenn es um Taiwan geht, muss nicht nur bei Namensstreitigkeiten um Handelsvertretungen genau aufgepasst werden. Denn Brüssel und Peking benutzen hier unterschiedliche Bezeichnungen und damit einhergehende Ansichten, was zuletzt auch nach einem Videotelefonat zwischen dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und Chinas Außenminister Wang Yi zu lesen war: Wang verkündete laut Staatsmedien, Borrell habe erklärt, die EU halte am “One-China-principle” fest. Dieses sieht Taiwan als abtrünnige Provinz, die rechtmäßig jedoch zu China gehört und wiedervereinigt werden muss.

    Die EU sprach wiederum in ihrer Erklärung von der weiteren Anwendung der “One-China-Policy”. Unter diesen sind formelle diplomatische Kontakte zu Taiwan nicht vorgesehen, als einzige Regierung Chinas wird die Zentralregierung anerkannt. Gegen den Aufbau von Handelsvertretungen oder bilateralen Handelsabkommen spricht jedoch nichts. Denn weder ist ein solches Büro eine Botschaft, noch bedeutet die Eröffnung einer Vertretung die Anerkennung Taiwans als souveräner Staat.

    Ein bilaterales Investitionsabkommen wäre im Übrigen kein Akt der Nächstenliebe der Europäer. Ganz im Gegenteil: Nicht zuletzt der weltweite Chip-Mangel hat der EU die Abhängigkeit von dem Inselstaat deutlich gemacht. Der Aufbau einer Investitionspartnerschaft würde dafür wichtige Optionen eröffnen. Im vergangenen Jahr belief sich nach Angaben des Taipeh-Büros in Brüssel das Handelsvolumen zwischen den 27 EU-Staaten und Taiwan auf 51,9 Milliarden US-Dollar. Die EU importierte demnach im Jahr 2020 Waren im Wert von 22,9 Milliarden US-Dollar aus Taiwan. Die Europäische Union ist der größte Investor in Taiwan.

    Chip-Problem wird politischer

    Gerade die Produktion von Halbleitern wird immer mehr zu von einem hochpolitischen Thema. China hatte am Wochenende eine Rekordzahl an Kampfjets in Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung (ADIZ) entsandt. Taipeh warnte nun einem Bericht von Bloomberg zufolge am Montag, dass Frieden in der Taiwanstraße entscheidend dafür sei, eine kontinuierliche Versorgung mit Chips sicherzustellen.

    Taiwans Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua wurde deutlich: Der Inselstaat habe über drei Jahrzehnten vor dem Hintergrund der Globalisierung dazu beigetragen, ein Ökosystem für die Chipherstellung zu fördern “Die Weltgemeinschaft sollte Taiwans Sicherheit ernster nehmen, damit Taiwan weiterhin allen einen stabilen Service bieten und allen ein sehr guter Partner sein kann”, mahnte die Ministerin.

    Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC) verfügt laut Bloomberg über einen Anteil von 53 Prozent am Markt für Auftragschips – was die Besorgnis nährt, dass jede Instabilität in der Meerenge vor Taiwan die Versorgung unterbrechen könnte. Die hohe Abhängigkeit von TSMC und seinen lokalen Zulieferern hat die EU-Kommission und Regierungen in den USA, Japan und auch der Volksrepublik dazu veranlasst, ihre heimische Chipindustrie zu stärken. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte dazu in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union (SOTEU) ein eigenes Chips-Gesetz angekündigt (China.Table berichtete), das unter anderem die Halbleiter-Forschung und die Produktionskapazitäten in der EU merklich erhöhen soll.

    Zusammenarbeit bei Lieferketten – kaum lautstarke Bekenntnisse

    Zwischen der EU und Taiwan wabert also viel Potenzial: Der sogenannte “European Chips Act” bietet Möglichkeiten der Zusammenarbeit – allerdings könnte sich dabei auch eine neue Wettbewerbsdynamik entfalten. Auch die Indo-Pazifik-Strategie bietet einen guten Rahmen für die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen (Europe.Table berichtete). Allzu lautstarke Bekenntnisse der EU-Regierungen und der EU-Kommission zu Taiwan werden jedoch nicht zu erwarten sein.

    Genau eine solche Zusammenarbeit in Sachen Halbleitern könnte laut Grünen-Politiker Bütikofer nun genutzt werden, um die Beziehungen zu Taiwan zu “re-framen”. Man könnte beispielsweise über Taiwans Beitrag zu resilienten Lieferketten sprechen, so Bütikofer. So würde auch Peking signalisiert, dass nicht die Absicht einer Isolation bestehe, sondern neue Ansätze gesucht würden.

    Das Europaparlament wird aller Voraussicht nach in der Sitzungswoche in der zweiten Oktober-Hälfte über den Taiwan-Bericht abstimmen. Eine Reaktion aus Peking wird dann wohl nicht lange auf sich warten lassen. Bereits die Abstimmung über das Papier im zuständigen Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und jüngst auch die Veröffentlichung der EU-Indo-Pazifik-Strategie hatte die Warnungen aus der Parteizentrale auf den Plan gerufen: Die EU sei gemahnt, in “der Taiwan-Frage nicht mit Feuer zu spielen”, titelte die Staatszeitung Global Times über einem Meinungsstück in der vergangenen Woche.

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    Termine

    06.10.-08.10.2021, München
    VDMA, Messe Intersolar Europe Restart 2021
    Die Fachmesse für Solarenergie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fokussiert sich auf Photovoltaik, Solarthermie und Solarkraftwerke und richtet sich Hersteller, Zulieferer, Händler und Dienstleister. INFOS & ANMELDUNG

    06.10.2021 – 09:00-20:00 Uhr, online
    HBS, Konferenz Labora 2021
    Die Hans-Böckler-Stiftung (HBS) lädt Expert:innen ein, um Auswirkungen und Perspektiven der digitalen und klimapolitischen Transformation auf die Arbeitswelt zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

    06.10.2021 – 10:00-17:30 Uhr, online
    ECHA Safer Chemicals Conference 2021
    The European Chemicals Ageny (ECHA) addresses the possible contributions of the chemical industry to a more sustainable and toxic-free environment. INFOS & REGISTRATION

    06.10.2021 – 15:00-16:30 Uhr, online
    IIC, Seminar Addressing Harmful Content Online, Including CSAM
    The event by the Internet Infrastructure Coalition (IIC) presents best practice examples of how the internet industry can provide a safer space for users. INFOS & REGISTRATION

    06.10.2021 – 17:00-18:00 Uhr, online
    BAK, Podiumsdiskussion Ist die Immobilienwirtschaft bereit für eine nachhaltige Zukunft?
    Anlässlich der Immobilienmesse Expo Real beschäftigt sich die Bundesarchitektenkammer (BAK) mit Herausforderungen der Immobilienwirtschaft wie Klimaschutz, lebenswerte Urbanität und bezahlbares Wohnen. INFOS & LIVESTREAM

    07.10.2021 – 10:00-11:30 Uhr, online
    ASEW, Seminar Erfahrungsaustausch Treibhausgasbilanzierung
    Das Effizienznetzwerk für Stadtwerke (ASEW) lädt Spezialist:innen aus der Energiebranche zum Fachaustausch mit Fokus Bilanzierung ein. INFOS & ANMELDUNG

    07.10.2021 – 10:00-11:15 Uhr, online
    BEUC, Panel Discussion Getting rid of greenwashing in the EU: how to restore consumer confidence in green claims
    This European Consumer Organization (BEUC) event devotes itself to the problem of reliability regarding certificates that profess green claims. INFOS & REGISTRATION

    07.10.2021 – 16:00-18:00 Uhr, online
    HBS, Seminar Klimaklagen vor internationalen Gerichten: Warum gibt es keine? Was muss geschehen?
    Das Seminar der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) behandelt Hindernisse, Möglichkeiten und Aussichten von Klima- und Umweltklagen vor europäischen und internationalen Gerichten. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Ethikbehörde: Kommission nimmt Gespräche auf

    Die EU will die Einhaltung ihrer strikten Transparenz- und Ethikregeln künftig strenger überwachen. Nachdem das Europaparlament bereits Mitte September für die Einrichtung einer unabhängigen Ethikbehörde gestimmt hatte, will sich nun auch die EU-Kommission des Themas annehmen. An diesem Dienstag sei ein erstes Treffen mit Justizkommissarin Věra Jourová geplant, hieß es im EU-Parlament in Brüssel.

    Bisher hat die Kommission im Streit um die Ethikbehörde große Zurückhaltung geübt. Behördenchefin Ursula von der Leyen hatte sich zu Beginn ihrer Amtszeit 2019 zwar für die Einrichtung einer unabhängigen Kontrollinstanz ausgesprochen, die die Zusammenarbeit mit Lobbyisten kontrollieren und “Seitenwechsel” von EU-Kommissaren überprüfen könnte. Sie legte jedoch keine Eile an den Tag.

    Vor dem Hintergrund diverser Lobby- und Korruptionsaffären in Deutschland kommt nun aber Bewegung in die Angelegenheit. Der federführende Europaabgeordnete Daniel Freund (Grüne) will erreichen, dass die Ethikbehörde schnell aufgebaut wird und wirksame Instrumente erhält. So soll sie nicht nur EU-Kommissare und Spitzenbeamte, sondern alle Brüsseler Beamten beaufsichtigen. Zudem sollen mögliche Sanktionen künftig veröffentlicht und strikter durchgesetzt werden.

    Zur Begründung verweist Freund auf den früheren deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger. Der CDU-Politiker hatte nach seinem Ausscheiden aus der Brüsseler Behörde mehr als ein Dutzend neue Jobs angenommen und eine eigene Consulting-Firma gegründet, obwohl die übliche zweijährige “Abkühlperiode” noch nicht abgelaufen ist. Von der Leyen hatte die Tätigkeiten unter Auflagen genehmigt, deren Einhaltung jedoch nicht durchgesetzt. ebo

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    Whistleblower-Vorwürfe gegen Facebook: Wölken fordert schärfere KI-Verordnung

    Der US-Technologiekonzern Facebook hat einer früheren Mitarbeiterin zufolge in mehreren Fällen sein Gewinnstreben über den Kampf gegen Hassrede und Falschinformationen gestellt.

    Deswegen hätten ihre Anwälte mindestens acht Beschwerden bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht, sagte die frühere Produktmanagerin des Falschinformationsteams von Facebook, Frances Haugen, dem Fernsehsender CBS.

    MEPs fordern Ermittlungen gegen Facebook

    Die beiden EU-Politikerinnen Christel Schaldemose (S&D) und Alexandra Geese (Grüne/EFA), die mit Haugen in Kontakt stehen, fordern nun Ermittlungen gegen den US-Konzern. Man dürfe es diesen Unternehmen nicht selbst überlassen, sich zu regulieren, sagte die Dänin Schaldemose der Nachrichtenagentur Reuters.

    Schaldemose ist Berichterstatterin für den Digital Services Act (DSA), der neue Regeln für den Umgang mit Nutzerdaten aufstellen will und dessen Entwurf gerade bearbeitet wird. Der DSA könnte in Teilen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ablösen oder ergänzen, unter das Plattformen mit einer großen Nutzerschaft in Deutschland fallen und Facebook, Twitter oder YouTube zu einem relativ klar geregelten Umgang mit bestimmten strafbaren Inhalten zwingt.

    Doch nicht nur dieses EU-Rechtsetzungsvorhaben, das Ende des Jahres finalisiert werden soll, könnte Facebook weiteren Ärger bringen.

    KI-Verordnung könnte künftig ebenfalls greifen

    Denn die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Haugen wirft dem Unternehmen auch vor, besonders strittige Inhalte in seinem Algorithmus, der über die Sichtbarkeit bei den Nutzern entscheidet, absichtlich bevorzugt zu haben, um so mehr Umsatz zu erzielen. Zwar agiere niemand im Unternehmen “böswillig”, jedoch gebe es falsche Anreize. Derartiges Verhalten könnte künftig auch in den Anwendungsbereich der derzeit ebenfalls beratenen Verordnung für Künstliche Intelligenz fallen.

    “Der Entwurf verbietet ganz klar die unterschwellige Manipulation durch KI-Anwendungen”, sagt Tiemo Wölken. Doch das müsse durchsetzbar werden. Der SPD-Europaabgeordnete fordert eine Verschärfung der KI-Verordnung, bei der sich Unternehmen nicht selbst zertifizieren dürften. Zwar sei nicht jeder Algorithmus auch Künstliche Intelligenz im Sinne der geplanten Verordnung, so Wölken zu EuropeTable. “Gerade im Lichte des Facebook-Falls müssen wir uns fragen: Welches Unternehmen würde denn von sich aus zugeben, dass ein Produkt manipulativ ist und es vom Markt nehmen?” Wölken fordert daher eine behördliche Aufsicht für Hochrisikoanwendungen.

    Laut ihrem Anwalt John Tye hat Whistleblowerin Haugen einige interne Dokumente mit Generalanwälten einiger US-Bundesstaaten wie Kalifornien, Vermont und Tennessee geteilt. Die der SEC vorliegenden Beschwerden basieren auf der Anforderung an Facebook, als börsennotiertes Unternehmen Investoren nicht anzulügen oder Informationen zurückzuhalten. Ihrem Anwalt zufolge steht Haugen im Austausch mit Politikern in Europa und will auch vor dem britischen Parlament sprechen. Tye hat die gemeinnützige Organisation Whistleblower Aid ins Leben gerufen. fst/rtr

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    Pandora Papers: Ruf nach Konsequenzen

    In Berlin und Brüssel werden als Konsequenz aus den sogenannten Pandora Papers Forderungen laut, stärker gegen Steueroasen vorzugehen. Deutschland müsse den Handlungsdruck auf internationaler Ebene verstärken, sagte SPD-Co-Chef Norbert Walter-Borjans dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). “Wir haben aber auch bei uns weiteren Bedarf bei der Gesetzgebung und beim Vollzug.” Damit werde sich die nächste Bundesregierung befassen müssen. “Wir können und müssen schon im eigenen Land beginnen: mit härteren Strafen für die Verletzung von Meldepflichten.”

    Ein Rechercheverbund hatte am Sonntagabend Informationen veröffentlicht, die zeigen sollen, dass Hunderte Politiker und Amtsträger aus aller Welt Gelder in Steueroasen versteckt haben. Die scheidende Bundesregierung sieht Deutschland nach bisherigen Erkenntnissen kaum betroffen.

    Trotz aller Skandale florierten Steuervermeidung und Geldwäsche über Briefkastenfirmen weiter, beklagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold, der Mitglied des Sondierungsteams seiner Partei zur Bildung einer neuen Bundesregierung ist. Er forderte schärfere Regeln, die volle Transparenz und mehr internationalen Informationsaustausch sicherstellten. “Steuerbehörden müssen auch bei Immobilien und verschachtelten Briefkastenfirmen Kapitaleinkommen aus dem Ausland besteuern können.”

    Es gebe auf internationaler Ebene zwar Fortschritte, sie reichten aber nicht aus, so Giegold. Die geplante globale Mindeststeuer etwa solle nur für Großkonzerne gelten, nicht aber für Briefkastenfirmen von Superreichen. Giegold kritisierte auch die EU-Liste, die Steueroasen brandmarken soll: “Zwei Drittel der Briefkastenfirmen in den Pandora-Daten liegen in den Britischen Jungferninseln, die aber auf der EU-Steueroasen-Liste fehlen”.

    Der CSU-Finanzpolitiker Markus Ferber nannte die Liste der Steueroasen einen “Papiertiger”. Dass die EU-Finanzminister die schwarze Liste in dieser Woche noch weiter ausdünnen wollten, sei das falsche Zeichen. Man werde Steueroasen nur mit harten Sanktionen beikommen können. “Wir brauchen einen neuen Anlauf bei der schwarzen Liste, die dann tatsächlich alle üblichen Verdächtigen umfassen und sanktionsbewährt sein muss”, forderte Ferber.

    Eine Sprecherin des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums sagte in Berlin, eine abschließende Bewertung der Dokumente sei noch nicht möglich. “Erstvermutungen legen nah, dass der Deutschland-Bezug jetzt erstmal nicht so groß ist.” Es gebe schon internationale Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung, etwa ein Transparenzregister und die geplante globale Mindeststeuer für Großkonzerne. Letztere sei weit vorangeschritten und ein wichtiger Baustein zum Austrocknen von Steueroasen. Ein Sprecher der EU-Kommission verwies ebenfalls darauf, man habe bereits einiges erreicht. Das sei aber kein Grund nachzulassen.

    FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar sagte: “Wenn man sieht, wie viele prominente Politiker aus dem Ausland selbst zum Teil beträchtliches Vermögen in Offshore-Ländern liegen haben, ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass wir bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug international nur langsam vorankommen.” Das globalisierungskritische Netzwerk Attac warf der Bundesregierung vor, effektive Maßnahmen auszubremsen. Es bleibe deswegen nur Stückwerk. rtr/tho

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    Trotz Widerstand aus China: Airlines verpflichten sich zu CO2-Neutralität

    Airlines aus aller Welt haben sich am Montag darauf geeinigt, ihre Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu verstärken. Sie sehen sich wachsendem Druck von Regulierungsbehörden und Umweltgruppen ausgesetzt, da in den kommenden Jahrzehnten mit Milliarden zusätzlicher Passagiere gerechnet wird.

    Die International Air Transport Association (IATA), in der 290 Fluggesellschaften, darunter auch Lufthansa, Air France und Iberia, zusammengeschlossen sind, verpflichtete sich trotz des Widerstands chinesischer Fluggesellschaften, bis zum Jahr 2050 “Netto-Null-Emissionen” zu erreichen.

    Der Generaldirektor der IATA, Willie Walsh, räumte ein, dass die neue Verpflichtung “eine zusätzliche Herausforderung in einer sehr schwierigen Zeit” sei, rief aber zur Einigkeit auf.

    China Eastern beklagte, dass das Vorhaben nicht die Herausforderungen der Fluggesellschaften in Entwicklungsländern anerkennt. In den letzten Jahren seien dieser immer wieder zu einem Brennpunkt bei internationalen Klimaverhandlungen geworden, so auch beim Pariser Abkommen von 2015.

    Die Beschwerden seitens chinesischer Fluggesellschaften spiegeln die politischen Differenzen mit Europa in Bezug auf den Umweltschutz im Vorfeld der Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz (COP26) in Glasgow wider. rtr/luk

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    Globale Steuerreform: Irland signalisiert Entgegenkommen

    Irland schließt sich womöglich doch noch den Plänen für eine globale Steuerreform an. Mehrere Vertreter der Regierung in Dublin betonten am Montagabend, aktualisierte Texte der Industriestaaten-Organisation OECD zum Thema würden viele Bedenken Irlands aufnehmen. Noch seien aber weitere Gespräche nötig.

    Unter dem Dach der OECD streben knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an – einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Für die Mindeststeuer sind mindestens 15 Prozent vorgesehen, außerdem sollen Schwellenländer mehr Steuereinnahmen abbekommen. Großen Internet-Konzernen wie Amazon und der Google-Mutter Alphabet wird vorgeworfen, durch geschickte Gewinnverlagerungen vergleichsweise wenig Steuern zu zahlen. Noch im Oktober sollen die Pläne inklusive der wichtigsten Details auf internationaler Bühne politisch durchgewunken werden.

    Irland ist bislang einer der größten Kritiker. In der EU sind zudem Ungarn und Estland skeptisch. Irland lockt mit einer Unternehmensbesteuerung von 12,5 Prozent viele international agierende Konzerne an, die Einnahmen aus Patenten oder Software-Lizenzen auf die Insel verlagert haben. Irlands Finanzminister Paschal Donohoe hatte zuletzt gesagt, sein Land werde die Pläne wahrscheinlich mittragen, sollte die Reform “Gewissheit und Stabilität” bringen. “Wir machen einige Fortschritte”, sagte er am Montag in Luxemburg. Es müsse aber noch weitere Gespräche mit der OECD und der EU-Kommission geben, was auch geschehe.

    Der irische Vize-Premierminister Leo Varadkar sagte dem Sender RTE, ein überarbeiteter Text der OECD, der Ende der Woche beschlossen werden soll, gehe auf viele, wenn nicht sogar alle Bedenken der Iren ein. Mit der Unterstützung der Iren würde das internationale Projekt noch einmal einen Schub bekommen. Donohoe sagte, er werde das Kabinett des Landes am Donnerstag über den aktuellen Stand informieren. rtr

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    Erste Anlage für klimaneutrales Kerosin eröffnet

    Die weltweite erste industrielle Anlage zur Produktion von klimafreundlichem Flugbenzin ist im Emsland eröffnet worden. “Um unseren globalen Klimazielen gerecht zu werden, sind auch im Verkehrssektor – nicht zuletzt im Flugverkehr – Fortschritte unabdingbar. Synthetisches, CO2-neutrales Kerosin spielt hierbei eine wichtige Rolle”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Videobotschaft. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) verwies darauf, dass der Luftverkehr ab 2026 in Deutschland zunächst mit einer Beimischung von 0,5 Prozent fliegen müsse. Das entspreche etwa 50.000 Tonnen klimaneutrales Kerosin. Bis 2030 muss der Anteil dieses sogenannten Power-to-Liquid (PTL)-Treibstoffs vervierfacht werden.

    Die Anlage im Emsland produziert aus Wasser und Windstrom zunächst Wasserstoff. Dazu kommt Abfall-CO2 aus Lebensmittelresten sowie CO2, das der Umgebungsluft entzogen wird. So ist das Kerosin klimaneutral. Täglich sollen ab dem ersten Quartal acht Fässer Rohkerosin ausgeliefert werden. Die Kapazität der Anlage liegt bei 350 Tonnen im Jahr. Aufgebaut hat sie die gemeinnützige Klimaschutzorganisation Atmosfair.

    Die Kapazität ist im Vergleich zum Bedarf daher noch gering. Die Kosten der Produktion mit mehr als fünf Euro pro Liter sind deutlich höher als das, was in Studien bei der Herstellung im großen Stil als möglich genannt wird. “Aber wir wollten den ersten Schritt in Deutschland gehen, um hier die Technologie zu erproben und Erfahrungen zu sammeln”, sagte Projektleiter Dietrich Brockhagen von Atmosfair. Möglich macht dies unter anderem die Lufthansa als Pilotkunde, die den Treibstoff auch zu den höheren Preisen abnimmt. Auch die Reisebüro-Allianz QTA (Quality Travel Alliance) will das Kerosin als Beimischung in Klimapaketen für ihre Kunden anbieten. rtr

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    Presseschau

    “Pandora Papers”: Andrej Babis weist jedes Fehlverhalten zurück FAZ
    Facebook is suffering its worst outage since 2008 CNBC
    Facebook whistleblower reveals herself, condemns company as dangerous POLITICO
    France, Spain urge pan-European response to energy price surge REUTERS
    Austria seeks to combine carbon tax and tax cuts for the middle class FT
    UK promises ‘robust’ reaction if EU starts trade war over Northern Ireland GUARDIAN
    Dutzende Migranten gelangen über Polen nach Deutschland SPIEGEL:
    Poland seeks to bolster border with new tech amid migrant influx REUTERS
    Produktionsanlage für CO2-neutralen Flugtreibstoff nimmt Betrieb auf ZEIT
    Bericht: Apple-Chef trifft sich mit EU-Wettbewerbshüterin HEISE
    “Kein Aufschub möglich”: Elektroindustrie fordert Tempo bei Chip-Subventionen HANDELSBLATT
    EU’s costly plan to close the semiconductor gap FT
    Nord Stream 2 wird mit Gas befüllt TAGESSCHAU

    Standpunkt

    Opfert die EU unsere Sicherheit dem Green Deal?

    Von Hans Christoph Atzpodien
    Hans Christoph Atzpodien über Sicherheit im Green Deal
    Hans Christoph Atzpodien ist Hauptgeschäftsführer des BDSV.

    EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat in Ihrer “State-of-the-Union”-Rede am 15. September eindrücklich über Europas sicherheitspolitische Herausforderungen gesprochen. Ihr Aufruf gipfelte in den Worten: “Was wir brauchen, ist die Europäische Verteidigungsunion“.

    Zugleich forciert dieselbe EU-Kommission den Green Deal, der den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen soll. Wesentliche Transmissionsriemen bei der Umsteuerung der Realwirtschaft sollen Banken und Versicherungen sein. So sieht es die EU-Richtlinie über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor aus dem Jahr 2019 vor.

    Als nachhaltig bezeichnet die Richtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit dann, wenn sie zur Erreichung eines Umweltziels oder eines sozialen Nachhaltigkeitsziels beiträgt. Über diese Ziele bestehen jedoch sehr unterschiedliche Sichtweisen. Einige Banken meinen zum Beispiel, dass Firmen, die EU-Streitkräfte mit Waffen ausrüsten, nicht nachhaltig handeln.

    Bisher gibt es hierzu kaum eine verbindliche Regulatorik. Diese befindet sich auf der EU-Ebene erst in Arbeit, und zwar in Gestalt der “EU Taxonomy for Sustainable Activites” (dt.: EU-Systematik für nachhaltige Aktivitäten). Diese Systematik wird anhand des Dreiklangs “ESG” (Environmental/Umwelt, Soziales und Governance/Unternehmensführung) entwickelt.

    Im Endeffekt ergibt sich unter jeder dieser drei Rubriken eine Dreiteilung von Aktivitäten: (1) solche, die als positive Beiträge zur Nachhaltigkeit angesehen werden, (2) solche, die als schädlich für Nachhaltigkeit betrachtet werden, und (3) solche, die dabei als neutral gelten.

    Nur, wer dabei in die Rubrik der positiv zur Nachhaltigkeit beitragenden Aktivitäten fällt, kann davon ausgehen, dass ihn der private Finanzsektor positiv sieht. Wem hingegen das Schicksal zuteilwird, in die Liste der schädlichen Aktivitäten zu kommen, der kann mit dieser Hoffnung abschließen. Dasselbe Schicksal kann aber auch den “Neutralen” blühen, wenn sie nämlich den privaten Finanzsektor nicht davon überzeugen können, dass sie sich zumindest durch erhöhte eigene Anstrengungen in die Kategorie der positiven Nachhaltigkeitsförderer heraufarbeiten können.

    Genau hier liegt ein großes Problem: In der öffentlichen Meinung quer durch die EU geht man mit Bedrohungen unserer inneren, vor allem aber unserer äußeren Sicherheit – gemessen an der tatsächlichen Bedrohungslage – extrem entspannt um. Streitkräfte sind in einigen EU-Ländern wie Deutschland nur mäßig populär, Waffen zu ihrer Ausrüstung noch einmal deutlich weniger.

    Dies bewirkt, dass Waffen für unsere Streitkräfte, aber auch für Organe der inneren Sicherheit, bestenfalls in den neutralen Bereich der Taxonomie kommen, wo ihnen die Banken durchweg die “rote Karte” zeigen. In den meisten heute aufgelegten sogenannten Nachhaltigkeitsfonds werden Rüstung und Waffen pauschal ausgegrenzt – auch wenn sie dem Erhalt unserer eigenen Sicherheit dienen. Sogar die erste “grüne” Bundesanleihe wurde im Jahr 2020 mit der Prämisse emittiert, dass ihre Mittel keinesfalls für “Rüstung, Verteidigung, Tabak, Alkohol und Glücksspiel” verwendet werden.

    Ohne Sicherheit keine Nachhaltigkeit

    Angesichts dieser Gemengelage muss eine Frage erlaubt sein: Wie denn der Kern von Nachhaltigkeit, nämlich die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen für künftige Generationen, gewährleistet werden soll, wenn es uns mangels gut ausgerüsteter Sicherheitskräfte nicht gelingt, in Europa Sicherheit und Frieden zu bewahren?

    Die Antwort ist klar: Ohne Sicherheit kann es Nachhaltigkeit nicht geben. Warum aber wird Sicherheit dann in der Systematik der EU-Taxonomie komplett ausgeklammert? Schlimmer noch: Die Arbeiten zur Ausfüllung der Taxonomie scheinen darauf hinauszulaufen, auch dort den Begriff “Verteidigung” als eine in sozialer Hinsicht schädliche Handlung darzustellen. Würde dies am Ende so in der Taxonomie verankert, so würde dies die Ausrüster von Streitkräften und Organen der inneren Sicherheit von jeder privatwirtschaftlichen Finanzierung abschneiden.

    Als Leser werden Sie sich sagen, dass dies doch ein ziemlicher Widerspruch zu den Postulaten der EU-Kommissionspräsidentin ist. Umso verwunderlicher erscheint es, dass weder sie selbst noch der EU-Kommissar für die Industrie, Thierry Breton, oder nationale Regierungen einzelner Mitgliedsstaaten in diesen Prozess eingreifen.

    Vielmehr haben sie schon über Monate unbeteiligt zugesehen, wie eine sehr kleine Schar von Beratern aus Nicht-Regierungsorganisationen die Taxonomie-Ausfüllung ins Werk setzt, ohne sich dabei um staatliche Strategievorgaben oder herrschende Regierungsmeinungen zu Sicherheitsfragen zu kümmern. Die EU-Kommission verlässt sich in vielen Fällen auf die Beratung von Nicht-Regierungsorganisationen, deren Input sie auch zu ihrer eigenen Legitimation nutzt. Hier aber kann dies zu einer Implosion der gesamten EU-Sicherheitspolitik führen.

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    Apéropa

    Lux Leaks, Panama Papers, jetzt Pandora: Wirklich überrascht reagiert das Publikum inzwischen nicht mehr, wenn die Steuervermeidungspraktiken der Reichen und Mächtigen enthüllt werden. Für die Entlarvten ist es nichtsdestotrotz unangenehm, auf diese Art ins Rampenlicht gezerrt zu werden. Und versuchen sich in Krisenkommunikation, mehr oder weniger erfolgreich. Ein kleines How (not) to:

    Sich als Opfer hinstellen – Andrej Babiš: “Diesen Artikel hat die Mafia beauftragt”, sagte Tschechiens Premier über die Berichte, er habe über eine Reihe von Briefkastenfirmen ein französisches Château gekauft. Der Unternehmer Zdeněk Bakala betreibe ein “System von Anti-Babiš-Zeitungen”. Nur: Keine der Bakala-Zeitungen war an der Recherche des internationalen Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ) beteiligt.

    Alles abstreiten – nochmal Babiš: “Ich besitze keine Immobilien in Frankreich, auch keine Offshore-Konten und ich weise absolut zurück, dass es zu Geldwäsche kam.” Auf Nachfrage nach dem konkreten Objekt in Frankreich dann die Auskunft: “Das war auf Rat des Immobilienmaklers.” Äh, ja.

    Einfach ignorieren – der Kreml: Hat Wladimir Putin 2003 einer Geliebten kurz nach Geburt von deren Tochter eine 3,6 Millionen Euro teure Luxuswohnung in Monaco spendiert? Man sehe keinen Anlass, den Berichten nachzugehen, sagte Sprecher Dmitry Peskov. “Wenn es ernsthafte Veröffentlichungen gibt, die auf konkreten Informationen fußen, werden wir sie mit Interesse lesen.” Diese Methode sollte man sich nur erlauben, wenn es keine freie Presse mehr gibt.

    Eine Untersuchung ankündigen – Pakistans Regierung: Auf der Liste der verdächtigten Steuervermeider stehen 700 pakistanische Bürger, darunter mehrere Regierungsmitglieder. Finanzminister Shaukat Tarin kündigte an, die Vorwürfe würden untersucht. Tarin selbst findet sich übrigens selbst ebenfalls auf der Liste. Till Hoppe

    Europe.Table Redaktion

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