Table.Briefing: Europe

Dark Patterns + Künstliche Intelligenz + Tesla + Taxonomie + Batterien

  • Blaue Briefe für Dark Patterns?
  • KI-Verordnung: Parlament will Dossier im Eiltempo bearbeiten
  • Taxonomie: MEPs üben heftige Kritik an Kommissarin McGuinness
  • CO2-Flottengrenzwerte für Pkw: Berichterstatter legt Kompromiss vor
  • Grünere Digitalisierung: Grüne schreiben Brief an Kommission
  • Scholz lehnt vor EU-Gipfel Stopp russischer Energielieferungen ab
  • Tesla-Fabrik rollt an – “Deutschland kann schnell sein”
  • Weltweite Kapazität von Batterien könnte sich bis 2030 verfünffachen
  • EU bewilligt 209 Millionen Euro Beihilfe für Batteriewerk in Ungarn
  • Lagarde warnt Kryptofirmen vor Beihilfe zur Umgehung der Sanktionen
  • 400.000 Euro Staatshilfen für europäische Firmen
  • EU schlägt Cyber-Sicherheitsvorschriften für EU-Einrichtungen vor
  • Presseschau
  • Standpunkt zu “Dark Patterns”: So muss der DSA-Entwurf zu Plattformdesign verbessert werden
Liebe Leserin, lieber Leser,

Gipfel beschäftigen Brüssel und die Hauptstädte. Ein EU-Gipfel Donnerstag und Freitag, ein außerordentlicher NATO-Gipfel am Donnerstag, beides in Anwesenheit von US-Präsident Joe Biden und teilweise mit Zuschaltung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Am Morgen bringt Bundeskanzler Scholz im Bundestag den Kanzleramtsetat in der Haushaltsdebatte ein. In dieser Generaldebatte sind auch einige Ankündigungen für den Gipfel zu erwarten. Am Nachmittag werden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel im Europaparlament erwartet.

Kursierende Entwürfe der Rats-Schlussfolgerungen zeigen auf, wie die EU-Mitgliedstaaten künftig die Prioritäten setzen wollen. Während der Ukraine Unterstützung zugesichert und ein Wiederaufbaufonds für das Land beschlossen werden soll sowie die Bemühungen um eine europäische Verteidigungsbehörde weiter verstärkt werden sollen, ist das Kapitel zur Energie noch nicht zu Ende abgestimmt.

Sobald wie möglich, heißt es im Entwurf, wolle man sich von russischem Gas, Kohl und Öl unabhängig machen, Uran wird hingegen nicht erwähnt. Ungebührliche Profite der Krise abzuschöpfen, sei eine “nützliche Quelle zur Finanzierung”. Energiepolitisch vielleicht am wichtigsten: Geplant ist, dass die EU gemeinsam Energie einkauft – Gas, Flüssigerdgas und Wasserstoff. Damit soll verhindert werden, dass die EU-Mitgliedstaaten am nun verkleinerten Weltmarkt die Preise wechselseitig in die Höhe treiben. Wie diese europäische Einkaufsgemeinschaft genau aussehen soll, erklärt das Dokument dabei nicht. Ein entsprechendes Instrument für gemeinsamen strategischen Gaseinkauf hatte die Kommission im Dezember vorgeschlagen (wir berichteten).

Doch auch jenseits der Gipfel herrscht keine Langeweile:

So hat das European Data Protection Board Richtlinien für Dark Patterns in Social Media-Plattformen veröffentlicht. Mithilfe der Richtlinien sollen Behörden europaweit nun einheitlich gegen Dark Patterns vorgehen können, also gegen die unlauteren Taktiken mancher Webseitenbetreiber, womit diese an die Daten der User:innen kommen. Zugleich geben die Richtlinien vor, wie Beanstandungen vermieden werden können. Torsten Kleinz hat die Richtlinie analysiert.

Abseits von den veröffentlichten Richtlinien arbeitet man in Brüssel derzeit am Digital Services Act (DSA), mit dem Ziel, neue, verpflichtende Regeln für Onlineplattformen zu schaffen. Julian Jaursch, Projektleiter bei der Stiftung Neue Verantwortung, plädiert im Standpunkt dafür, dass der DSA einen eigenständigen Artikel zu Plattformdesign mit klaren Definitionen und Transparenzvorschriften enthält, der für alle Onlineplattformen gilt und irreführendes Design verhindert, eben die oben erwähnten Dark Patterns.

In Grünheide eröffnete gestern ein gut gelaunter, tanzender Elon Musk mit Bundeskanzler Olaf Scholz das Tesla-Werk, aus dem nun jährlich 500.000 Elektroautos, Model Y, rollen sollen. Mehr dazu lesen Sie in den News.

Am kommenden Donnerstag will Parlamentsberichterstatter für die Revision der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Kleintransporter, Jan Huitema (Renew), seinen Kompromisstext für eine Einigung im ENVI-Ausschuss den Schattenberichterstattern vorlegen. In dem Kompromiss hält er unter anderem am Verbrenner-Aus fest. Was sonst noch drin steht, lesen Sie in den News.

Ihr
Falk Steiner
Bild von Falk  Steiner

Analyse

Blaue Briefe für Dark Patterns?

Die Datenschützer berufen sich dabei auf verschiedene Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung. Artikel 5 verlangt, dass personenbezogene Daten “auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden”. Artikel 4 schreibt vor, dass eine Einwilligung nur “in informierter Weise und unmissverständlich” abgegeben werden kann. Artikel 12 legt fest, dass die Information der Bürger über die Datenverarbeitung in “präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form” informiert werden müssen.

Aus diesen und einigen anderen Vorschriften haben die Datenschützer eine Reihe von verbreiteten Strategien identifiziert, die aus ihrer Sicht nicht mit der DSGVO zu vereinbaren sind. Das reicht vom “Overloading”, bei dem die Nutzer mit Informationen und Auswahlmöglichkeiten überhäuft werden, über das “Stirring”, bei denen Nutzer emotional angesprochen werden bis zum “Hindering”, bei dem Nutzer oft mit plumpen Tricks wie fehlenden Links abgehalten werden, eine Entscheidung zu treffen, die nicht im Sinne des Anbieters ist.

Die Richtlinien sollen nicht nur als Orientierungshilfe für Behörden dienen, damit sie europaweit einheitlich gegen solche ungewollten Praktiken vorgehen können. Die Autoren haben sich auch Mühe gegeben, das Problem verständlich für die regulierten Firmen zu schildern. Sie erklären auf 64 Seiten haarklein, welche Dark Patterns beispielsweise bei der Kontoeröffnung auf Social Media-Plattformen auftauchen, um die Nutzer dazu zu bringen, mehr Daten von sich freizugeben. Gleichzeitig geben Sie Ratschläge, wie man Beanstandungen vermeiden kann. Zum Beispiel raten die Datenschützer davon ab, Cookie-Banner auf die leichte Schulter zu nehmen und die Nutzer hier lediglich mit einem Backrezept für Kekse zu konfrontieren.

Praxisnaher Katalog

Verantwortlich für die Erstellung des Berichts war der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Baden-Württemberg (LfDI) und die französische Aufsichtsbehörde CNIL. Obwohl die Richtlinien mit Social Media-Plattformen nur einen engen Anwendungsbereich haben, erwarten die deutschen Aufsichtsbehörden eine Verbesserung ihrer Tätigkeit. Gegenüber Table.Europe erklärt das Büro des LfDI, dass der praxisnahe Katalog “Argumentation gegenüber verantwortlichen Stellen und Betroffenen” erleichtere.

Für deren Beteiligung sind nun sechs Wochen Zeit vorgesehen. In einer ersten Stellungnahme macht der Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft klar, dass es hier durchaus Gesprächsbedarf gibt. “Inwieweit tatsächlich der größere Teil der Inhalte aus datenschutzrechtlichen Gründen geboten ist, wird zu diskutieren sein”, erklärt Thomas Duhr gegenüber Europe.Table.

Das größte Problem bei dieser Debatte dürfte allerdings sein: Die seit jüngster Zeit als “Dark Patterns” bezeichneten Methoden der Kundenbeeinflussung haben sich als enorm effektiv erwiesen. Gerade bei Cookie-Bannern erwiesen sich die Tricks als erstaunlich wirkungsvoll. Auf Konferenzen berichteten Verantwortliche begeistert, wie sich die Zustimmungsraten zu datenbasierter Werbung von unter 30 auf über 80 Prozent erhöhten.

Noch keine gefestigte Rechtsprechung

Da diese Methoden für alle Konkurrenten offen lagen und zudem durch spezialisierte Dienstleister weiter getragen wurden, finden sich heute auf werbefinanzierten Angeboten kaum noch Cookie-Banner, die nicht eine oder mehrere Methoden verwenden, die nun als “Dark Patterns” angeprangert werden. Mit dem “Transparency and Consent Framework” wurde sogar ein De-Facto-Standard etabliert, der die Nutzer zwangsläufig mit Informationen und Entscheidungsoptionen überflutet. Der Konkurrenzkampf unter Plattformen, Websites und Verlagen sorgte zudem dafür, dass sich viele Anbieter dafür entschieden, die jeweils kundenunfreundlichste Variante zu wählen, die ihnen zur Auswahl stand. Die Datenweitergabe zu beenden ist für viele Unternehmen heute keine Option. Gerade beim Thema Nudging sehen sich viele Anbieter im Recht, solche Methoden auch aggressiv einzusetzen. Konsequenzen mussten sie dafür eher nicht befürchten.

Die Verfolgung der Methoden wurde bisher Aktivisten wie Max Schrems überlassen, der mit massenhaften Abmahnungen und Klagen gegen die Datensammlung vorgegangen ist. Mit den neuen Richtlinien signalisieren die europäischen Datenschutzbehörden nun, dass ihre bisherige Beißhemmung eine Grenze gefunden hat.

Allzu schnell müssen Firmen allerdings noch nicht mit blauen Briefen vom Amt rechnen. Der Begriff ist noch zu vage, als dass ihn Behörden reibungslos in ihre Aufsichtspraxis überführen könnten, es existiert auch noch keine gefestigte Rechtsprechung. Dennoch zeigen sich auch deutsche Verbraucherschützer vom Verbraucherzentrale Bundesverband interessiert, Dark Patterns auch außerhalb von Cookie-Bannern zu bekämpfen.

Hierzu müssen sie aber eine ganze Reihe unterschiedlicher Vorschriften bemühen: Vom Paragrafen 5 des UWG, über den §312j des BGB bis hin zu dem neuen TTDSG. Dieser Dschungel an Vorschriften dürfte noch unübersichtlicher werden: Denn das Europäische Parlament arbeitet bereits an einer Reihe neuer Vorschriften im Digital Services Act, Digital Markets Act und im Data Act. Da die Umstellung von Oberflächen und den damit verbundenen Geschäftsprozessen über ein Jahr beanspruchen kann, sind Firmen gut beraten, baldmöglichst den Einstieg in den Ausstieg zu suchen. Torsten Kleinz

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KI-Verordnung: Parlament will Dossier im Eiltempo bearbeiten

Fast ein Jahr hat es gedauert, bis die inhaltliche Arbeit an der KI-Verordnung richtig losging. Doch nun geht es Schlag auf Schlag. Das Thema taucht immer wieder auf den Tagesordnungen der EP-Ausschüsse auf. Das liegt auch daran, dass gleich sieben Ausschüsse mitmischen. IMCO und LIBE sind federführend, JURI bekam Exklusivkompetenzen in Teilbereichen wie den Transparenzanforderungen an KI-Systeme und den Regeln zur Beaufsichtigung der Anwendungen durch Menschen. ENVI, CULT, ITRE und TRAN sind mitberatend und dürfen ihre Stellungnahmen abgeben. Hinzu kommt der Sonderausschuss AIDA, dessen Arbeit zwar mit dem Bericht diese Woche abgeschlossen ist, dessen Erkenntnisse aber ebenfalls Eingang finden sollen.

Ein weiterer Grund für die vielen Sitzungen ist zudem der ambitionierte Zeitplan, den die beiden federführenden Berichterstatter Brando Benifei (IMCO) und Dragoş Tudorache (LIBE) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz bekräftigten.

Gemeinsame Schnittmengen in vier Bereichen

Am 11. April wollen Benifei und Tudorache ihren gemeinsamen, ersten Entwurf für den Abschlussbericht vorlegen. Bis 19. Mai können dann Änderungsanträge eingebracht werden. Bis zum 11. Juli sollen die mitberatenden Ausschüsse ihre Stellungnahmen einbringen. Im Oktober sollen dann die MEPs über den Bericht beraten und in der ersten Novembersitzung des Plenums auch annehmen, wie Tudorache erläuterte. Anschließend möchte man so schnell wie möglich – am liebsten noch in diesem Jahr – mit den Trilogen starten. “Wir hoffen, dass der Rat diesem Zeitplan folgen kann”, sagte Benifei. “Wenn wir uns zu viel Zeit nehmen, werden wir mit dieser Regulierung, die wegweisend im Bereich KI sein will, zu spät sein.” Der Rat hat mit seinen Erörterungen bereits begonnen, am vergangenen Freitag hatte etwa die Bundesregierung ihre erste, 300-seitige Stellungnahme zu den ersten Diskussionspunkten offiziell eingereicht.

Nach den bisherigen Beratungen sehen die beiden Berichterstatter zunächst in vier Bereichen gemeinsame Schnittmengen. So sei man sich einig, dass man den Begriff KI-System nicht zu eng fassen möchte. Auch plädieren sie für eine Neuverteilung von Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette. Laut Benifei will man dabei vor allem den Anwendern mehr Pflichten auferlegen, auch um mögliche Haftungslücken zu vermeiden. “Deren Verantwortung soll sich nicht darauf beschränken, Instruktionen zu folgen”, betonte er.

DSGVO als Maßstab

Bei der Governance können sich die Berichterstatter ebenfalls eine Einigung auf eine gemeinsame Position vorstellen. Die Regelungen im Verordnungsentwurf würden nicht ausreichen, um eine Fragmentierung des digitalen Marktes zu vermeiden. “Wir wollen nicht 27 Rechtsprechungen sehen, die die Verordnung unterschiedlich anwenden”, sagte Tudorache. Die nationalen Behörden müssten dabei mit den richtigen Kompetenzen ausgestattet werden.

Außerdem sei man sich einig, die KI-Verordnung an den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auszurichten. Die DSGVO sei der Maßstab, wie man in Europa Privatsphäre definiere. Es gebe in der KI-Verordnung einige Bereiche, wie etwa biometrische Fernidentifizierung, in denen die Interaktion mit der DSGVO sehr wichtig sei, betonte Tudorache.

Wo man sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen kann, wollen die Berichterstatter den üblichen prozeduralen Weg über die Änderungsanträge gehen. “Dann wird man sehen, welche Kompromisse erreicht werden und wo die Mehrheiten im Parlament sind”, erläuterte Tudorache.

KI-Verordnung noch nicht zukunftsfest

Viele Aspekte der KI-Verordnung werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Bei einer Expert:innen-Anhörung, die am Montag in der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Binnenmarkt (IMCO) und Bürgerliche Freiheiten (LIBE) stattfand, bescheinigten etwa einige anwesenden Experten, dass die KI-Verordnung noch nicht zukunftsfest sei. Max Tegmark, Vorsitzender des Future-of-Life-Institute, das sich für die Reduzierung von Nebenwirkungen der Technologie einsetzt, warnte davor, Allgemeinzweck-KI (Spracherkennung, Bilderkennung und ähnliche nichtspezifische Verfahren) aus dem Geltungsbereich der Verordnung auszuschließen, vor allem, wenn diese außerhalb der EU entwickelt wurde.

Diese Kategorie stellt aus seiner Sicht die Zukunft der KI dar. “Allgemeinzweck-KI kann sich sehr schnell entwickeln”, gab Tegmark zu bedenken. “Es wird für die EU gar nicht möglich sein, so rasch neue Regelungen zu erlassen.” Die Lösung sei denkbar einfach: Diese KI-Systeme müssten lediglich Artikel 15 der KI-Verordnung unterworfen sein. Dann müssten alle Hersteller Genauigkeit, Robustheit und Cybersicherheit gewährleisten. Andrea Renda, Forscher am Centre for European Policy Studies (CEPS), plädierte für eine breite und technologieneutrale KI-Definition, damit das KI-Gesetz zukunftssicher wird.

Verbot der biometrischen Fernidentifizierung

Der Schutz der Grundrechte stand ebenfalls im Fokus der Debatten. KI-Expertin Catelijne Muller von ALLAI, eine Organisation, die sich eigenen Angaben zufolge der Förderung einer verantwortungsvollen KI verschrieben hat, wies darauf hin, dass KI bereits heute in vielerlei Hinsicht die Grundrechte verletzte, beispielsweise wenn sie Menschen nach Hautfarbe diskriminiere oder die Demonstrationsfreiheit einschränke. Sie kritisierte, dass die Systeme, die bereits auf dem Markt sind, nicht in den Geltungsbereich der KI-Verordnung fallen sollen, solange sich deren Sinn und Zweck nicht ändert.

Sarah Chander von European Digital Rights (EDRi) legte den EU-Abgeordneten vier Handlungsempfehlungen an Herz, um die KI-Regulierung nachzuschärfen. Erstens müsste ein klarer Haftungsrahmen entwickelt werden. Dieser ist ihrer Ansicht nach bisher lückenhaft. Auch sie plädierte dafür, die Anwender stärker in die Pflicht zu nehmen. Zweitens brauche es Rechtshilfen und klare Beschwerdemechanismen für Betroffene. Drittens müsse ein Mechanismus etabliert werden, um die Risikokategorien regelmäßig zu aktualisieren oder neue Verbote einzuführen. Viertens muss es bereits jetzt mehr Verbote geben, wo KI “lebensvernichtende Folgen” haben könne, etwa bei der Massenüberwachung oder bei Vorhersagen künftiger Verbrechen. Chander forderte ein absolutes Verbot der biometrischen Fernidentifizierung.

Mehr Kompetenzen für den KI-Ausschuss

CEPS-Experte Renda empfahl außerdem, den Governance-Rahmen zu stärken, um eine kohärente Umsetzung der Verordnung zu gewährleisten. Bisher sei der KI-Ausschuss zu schwach. “Wir brauchen einen großen KI-Ausschuss mit einer starken Gruppe, die ihn unterstützt”, sagte er. Zu den Kompetenzen sollte aus seiner Sicht unter anderem regelmäßige Updates der Anhänge und der Risikoklassifizierung, Erstellung von Leitlinien für die Konformitätsbewertung und Reallabore sowie Zusammenarbeit mit sektoralen Regulierungsbehörden gehören. Der Ausschuss solle zudem in der Lage sind, auch präventiv zu wirken, um aufkommende Risiken zu adressieren.

Entwurf der ITRE-Stellungnahme vorgelegt

Die Expert:innen-Anhörung im IMCO/LIEBE-Ausschuss spiegelt in vielen Aspekten die Diskussionen in den anderen Ausschüssen wider. So standen der Schutz der Grundrechte, die Verwendung von Allgemeinzweck-KI-Systemen, die Stärkung des KI-Ausschusses sowie die richtige Balance der Verantwortlichkeiten zwischen Herstellern und Anwendern im Mittelpunkt der Debatten im Industrieausschuss (ITRE) am Montag.

Dort hat Eva Maydell (EVP) ihren ersten Entwurf einer Stellungnahme zur KI-Verordnung vorgestellt (Europe.Table berichtete). Dieser wurde insgesamt positiv aufgenommen, doch mehrere Fraktionen forderten weitere Präzisierungen der Bestimmungen zur Datengovernance sowie der Definitionen, insbesondere der Definition von KI.

Die Änderungsanträge der S&D-Fraktion werden vor allem die Themen wie Auswirkungen auf Grundrechte, Inklusivität und die Zuweisung von Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette, kündigte Miapetra Kumpulanatri an. “KI-Systeme, die auf den Markt kommen, müssen mit unseren Werten übereinstimmen, nicht nur mit unseren technischen Spezifikationen”, sagte sie. Auch Elena Kountoura von der Linken forderte, den Grundrechten der Nutzer Vorrang einzuräumen. Die Linke möchte die biometrische Fernidentifikation im öffentlichen Raum komplett verbieten lassen.

AIDA-Bericht angenommen

Während die EP-Ausschüsse noch mitten in ihrer Arbeit stecken, hat der Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter (AIDA) seinen Bericht gestern verabschiedet. “Wir haben jetzt die einmalige Chance, einen menschenzentrierten und vertrauenswürdigen Regulierungsansatz für KI auf der Grundlage der Grundrechte zu fördern, der die Risiken beherrscht und gleichzeitig die Vorteile, die KI für die gesamte Gesellschaft bringen kann, voll ausschöpft”, so Axel Voss (CDU), rechtspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Berichterstatter des Abschlussberichts.

Im Mittelpunkt des Berichts steht dabei die Wettbewerbsfähigkeit der EU in den digitalen Märkten und wie sie gefördert werden kann. Die ursprünglichen Forderungen von Voss wurden in der gestern beschlossenen Kompromissfassung allerdings teilweise erheblich abgeschwächt. Der Bericht hat keine unmittelbare legislative Relevanz, kann jedoch von den EU-Abgeordneten zur Meinungsbildung herangezogen werden.

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Taxonomie: MEPs üben heftige Kritik an Kommissarin McGuinness

In einer Aussprache zwischen Finanz-Kommissarin Mairead McGuinness, dem ECON-Ausschuss und dem ENVI-Ausschuss des EU-Parlaments machten die Abgeordneten ihrer Empörung über den Kommissionsvorschlag zur Taxonomie Luft. Die Kommission habe sowohl die Wissenschaft als auch das Parlament ignoriert, lautete ein mehrfach vorgetragener Vorwurf an die Kommission. Diese will mit einem ergänzenden delegierten Rechtsakt Investitionen in Gas und Kernenergie als nachhaltige Brückentechnologien klassifizieren.

Im Parlament herrscht noch immer großer Widerstand, was sich am Dienstag einmal mehr zeigte. Die “Platform on Sustainable Finance”, ein wissenschaftliches Beratungsgremium der Kommission, hatte die Aufnahme von Gas in die Taxonomie kritisiert. Die Kommission blieb jedoch bei ihrem Vorschlag, weshalb die Parlamentarier der Behörde nun vorwerfen, die Wissenschaft zu ignorieren.

Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss erinnerte zudem daran, dass das Parlament abgestimmt hatte, Kernenergie aus der Taxonomie zu nehmen. Die Kommission habe sie durch die Hintertür mit einem delegierten Rechtsakt nun wieder reingeholt. Die Europaparlamentarier könnten den Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit stoppen. Sozialdemokrat Tiemo Wölken wollte wissen, wie man auf Kernkraft setzen könne, wo doch das Uran aus Russland käme. Peter Liese von der EVP kritisierte vor allem die Kriterien für die Nutzung von Kernenergie. Er sei offen für Nuklearstrom, aber eine nukleare Abhängigkeit von Russland sei schlimmer als eine fossile.

McGuinness verteidigte die Entscheidung. Man habe weder die Wissenschaft noch das Parlament ignoriert, sondern einen “anderen Ansatz” gewählt. Es sei besser, die Investitionen mit strengen Kriterien zu lenken, um den Übergang zu erleichtern, als die Energiewende dem Markt zu überlassen, sagte sie. Die Aufnahme von Gas und Atomenergie verteidigte sie mit der fehlenden Kapazität Erneuerbarer. Uran komme zudem nicht nur aus Russland. luk

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CO2-Flottengrenzwerte für Pkw: Berichterstatter legt Kompromiss vor

Parlamentsberichterstatter für die Revision der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Kleintransporter, Jan Huitema (Renew), hat einen Kompromisstext für eine Einigung im ENVI-Ausschuss erarbeitet. Doch obwohl sein Bericht mit zahlreichen Änderungsanträgen übersät wurde (Europe.Table berichtete), plant der liberale Niederländer keine wesentlichen Änderungen.

An seinen Reduktionszielen für Autohersteller hält Huitema fest und bleibt beim Verbrenner-Aus 2035. Auch seine Zwischenziele bleiben unverändert. Allerdings ergänzte er die Forderung, die Automobilindustrie müsse bei ihrem ökologischen und digitalen Wandel unterstützt werden, da sie eine der Säulen der EU-Wirtschaft sei und Arbeitsplätze sichere.

Den Mechanismus für “Zero and low emission vehicles” (ZLEV) will Huitema, wie schon in seinem Berichtsentwurf vorgeschlagen, 2025 abschaffen. Dieser bietet Herstellern über ein Crediting-System die Möglichkeit, ihre CO2-Emissionsreduktionsziele zu verringern, wenn sie sogenannte ZLEV verkaufen. Auch der Gewichtsanpassungsfaktor, der Autoherstellern niedrigere Ziele vorschreibt, wenn sie schwerere Fahrzeuge verkaufen, soll ab 2025 nicht mehr gelten. Diesen hatte Huitema in seinem vorigen Entwurf noch unangetastet gelassen. Am Donnerstag (24.03) will Huitema seinen Kompromiss den Schattenberichterstattern vorlegen. luk

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Grünere Digitalisierung: Grüne schreiben Brief an Kommission

Mit einem Brief haben sich Europaabgeordnete der Grünen an Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans, seine Kolleginnen Margharete Vestager und Vera Jourova, Binnenmarktkommissar Thierry Breton, Verbraucherschutzkommissar Didier Reynders und Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius gewandt. Darin fordern sie ein stärkeres Zusammendenken von Digitalisierung und Green Deal: bereits heute mache der ICT-Sektor 5 bis 9 Prozent des Elektrizitätsverbrauchs aus und die Digitalisierung werde weiter zunehmen.

Daher sei es zwingend geboten, dass die EU nur “in gewisser Weise mit den CO2-Reduktionszielen, Klimaneutralitätsvorhaben und hohen Umweltstandards kompatible Innovation und Digitalisierung vorantreibt”, so die Grünen-MdEP. Dies meine, dass digitale Technologien und Elektronik über ihren gesamten Produktzyklus nachhaltig und kreislaufwirtschaftsfähig sein müssten.

Anlass des Briefes ist die geplante Vorstellung der Initiative für nachhaltige Produkte am 30. März, die auch eine Revision der Ökodesign-Richtlinie mit einschließen soll. Mit ihrem Brief stellen die Grünen klare Forderungen an die Kommission: Ein verpflichtendes Impact Assessment soll für alle ICT-Produkte kommen, Label zu Umweltauswirkungen der Produkte sollen Verbrauchern eine ökologische Entscheidungsfindung erleichtern. Zudem soll die Kommission nach dem Willen der viertgrößten EP-Fraktion verpflichtende Umweltmindeststandards einführen, unter anderem für Software und digitale Endgeräte. fst

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Scholz lehnt vor EU-Gipfel Stopp russischer Energielieferungen ab

Zwei Tage vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf Scholz den Stopp für russische Energielieferungen nach Deutschland und Europa erneut abgelehnt. Es könne sein, dass der Konflikt mit Russland eine Weile anhalten werde, deshalb müsse man Sanktionen auch durchhalten können. “Deshalb ist die Position der Bundesrepublik Deutschland in dieser Frage unverändert. Im Übrigen gilt das für viele, viele andere Mitgliedstaaten auch, die sehr abhängig von Kohle, Öl und Gas aus Russland sind, noch mehr als Deutschland”, sagte Scholz.

Aber alle EU-Staaten arbeiteten mit großem Tempo daran, Russland als Lieferant zu ersetzen. Dafür brauche es noch Vertragsschlüsse. Es wird erwartet, dass die Frage von Energiesanktionen auf dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag eine Rolle spielen wird.

Scholz fordert sofortige Waffenruhe

Scholz äußerte sich außerdem zurückhaltend zur polnischen Forderung nach einem Ausschluss Russlands aus den G20. Dies sei eine Frage, die man gemeinsam unter den Mitgliedern erörtern und “nicht einzeln und individuell” entscheiden solle, sagte Scholz. “Ganz klar, wir sind mit etwas anderem beschäftigt als zusammenzukommen”, fügte er hinzu. Polen gehört nicht zu der Gruppe der 20 wichtigsten Industriestaaten der Welt (G20), ist jedoch über die Mitgliedschaft der EU ebenfalls in dem Gremium vertreten.

Scholz forderte Russlands Präsident Wladimir Putin zu einer sofortigen Waffenruhe in der Ukraine auf. “Wir alle brauchen sofort einen Waffenstillstand, den Rückzug der Invasoren und die Möglichkeit über einen Friedensschluss miteinander zu verhandeln.” Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dringe auf ein direktes Treffen mit Putin, sagte Scholz. rtr

  • Europapolitik

Tesla-Fabrik rollt an – “Deutschland kann schnell sein”

Der US-Elektroauto-Pionier Tesla hat am Dienstag im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz seine Fabrik im brandenburgischen Grünheide eröffnet und die ersten Modelle an Kunden übergeben. Der aus den USA angereiste Konzernchef Elon Musk präsentierte das Werk mit Stolz: “Tesla wird sicherstellen, dass das ein Juwel ist für diese Region, für Deutschland und die Welt”, sagte er bei der Eröffnungsfeier. “Deutschland kann schnell sein”, betonte Scholz (SPD) mit Blick auf die Rekord-Bauzeit von gut zwei Jahren.

Er wies damit auch auf die notwendige Planungsbeschleunigung in Deutschland hin. Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung eine deutliche Verkürzung der Planungs- und Genehmigungszeiten erreichen, damit etwa Wind- und Solar-Anlagen schneller gebaut werden können. Angesichts der weltweiten Spannungen warnte Scholz auch davor, die Globalisierung der Wirtschaft rückgängig zu machen. “Aus meiner Sicht würde das die Welt und uns alle um großen Wohlstand bringen”, sagte Scholz. Deutsche Firmen ihrerseits investierten in den USA, in China und an vielen anderen Orten der Welt. “Wir brauchen globalen Wettbewerb und keine Deglobalisierung. Das geht schief”, fügte Scholz hinzu.

50 Gigawatt Batteriezellen im Jahr

Das Tesla-Werk sei ein Ansporn und ein Zeichen für den Fortschritt der Industrie am Standort Deutschland. Der Umschwung zu Elektroautos sei gerade jetzt wichtig, wo Deutschland wegen des Ukraine-Krieges unabhängig von russischem Öl werden wolle, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seiner Ankunft am Werk.

Zur Eröffnung, die auf den Weltwassertag der Vereinten Nationen fällt, protestierten Umweltschützer. Auf der A10 in Richtung Grünheide seilten sich zwei Tesla-Gegner von einer Autobahnbrücke ab. Die Polizei stoppte den Verkehr, es kam zu einem langen Stau. “Die Ersetzung von Verbrennern durch Elektroautos wird uns nicht vor der Klimakrise retten”, sagte Aktivist Benjamin aus Berlin, der vor der Einfahrt gegen den Autobauer demonstrierte. Neben Mitarbeitern und Käufern der ersten 30 ausgelieferten Neuwagen des “Model Y” waren auch Tesla-Fanclubs vor Ort.

Künftig sollen in Grünheide jährlich 500.000 Wagen vom Kompakt-SUV-Wagen Model Y sowie 500 Millionen Batteriezellen hergestellt werden, was einer Produktionsmenge von 50 Gigawatt pro Jahr entspricht. Damit verstärkt sich der Konkurrenzdruck auf die deutschen Autobauer, die ihr Angebot nach und nach von Verbrennermodellen auf Elektromobile umstellen. Der Produktionsstart in Grünheide ist zugleich die Europapremiere einer leistungsstärkeren Version des Model Y mit mehr als 500 Kilometern Reichweite zum Preis ab 63.990 Euro. rtr

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Weltweite Kapazität von Batterien könnte sich bis 2030 verfünffachen

Die weltweite Kapazität von Lithium-Ionen-Batterien könnte von 2021 bis 2030 um mehr als das Fünffache auf 5.500 Gigawattstunden (GWh) ansteigen, erklärte das Beratungsunternehmen Wood Mackenzie am Dienstag. Es warnte aber gleichzeitig davor, dass das Angebot an Batterien dieses Jahr knapp bleiben wird. “Der Markt für Elektrofahrzeuge macht fast 80 Prozent der Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien aus, und die hohen Ölpreise bewegen mehr Märkte zur Einführung von emissionsfreien Verkehrssystemen, was die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien in die Höhe schnellen lässt”, so Wood Mackenzie-Berater Jiayue Zheng in einem Bericht.

Die US-Automobilhersteller Ford Motor Co und General Motors Co haben vor kurzem ihre Expansionspläne für Elektrofahrzeuge bekannt gegeben. Ford will bis 2024 sieben Elektromodelle in Europa auf den Markt bringen und seine Partnerschaft mit Volkswagen vertiefen, um ein zweites Elektrofahrzeug für den europäischen Markt zu produzieren.

GM hat sich mit dem südkoreanischen Unternehmen POSCO Chemical zusammengetan, um in Kanada Batteriematerialien herzustellen; das neue Werk soll bis 2025 in Betrieb genommen werden. Die Batteriehersteller reagieren auf die steigende Nachfrage mit massiven Expansionsplänen, so Wood Mackenzie. Da es jedoch im letzten Jahr aufgrund der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen und den steigenden Rohstoffpreisen zu Engpässen kam, wird das Batterieangebot die Nachfrage bis 2023 nicht decken können, so das Beratungsunternehmen weiter. rtr

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EU bewilligt 209 Millionen Euro Beihilfe für Batteriewerk in Ungarn

Ungarn erhielt am Dienstag die wettbewerbsrechtliche Genehmigung der EU für die Gewährung einer staatlichen Beihilfe in Höhe von 209 Millionen Euro für die dritte Batteriefabrik des südkoreanischen Unternehmens SK Innovation Co. in Ungarn.

Die Europäische Kommission erklärte, das Projekt trage zur Entwicklung der Region und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Das überwöge mögliche Wettbewerbsverzerrungen. In dem Werk sollen Lithium-Ionen-Batteriezellen und Batteriemodule für Elektrofahrzeuge hergestellt werden. SK Innovation, das das Projekt im Januar letzten Jahres ankündigte, liefert Batterien für Elektroautos an Volkswagen, Ford Motor Co, Hyundai Motor Co und andere. rtr

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Lagarde warnt Kryptofirmen vor Beihilfe zur Umgehung der Sanktionen

Kryptowährungen werden laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde genutzt, um die Russland-Sanktionen vieler Länder zu umgehen. Bestimmte Unternehmen und Personen würden versuchen, ihre Rubel in Kryptowährungen umzutauschen, sagte Lagarde am Dienstag auf einer Veranstaltung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). “Hier in Europa haben wir Schritte eingeleitet, um all denjenigen zu signalisieren, die umtauschen, Transaktionen betreiben, Dienstleistungen mit Bezug auf Kryptowährungen anbieten, dass sie Komplizen sind beim Versuch Sanktionen zu umgehen.”

Nach der russischen Invasion der Ukraine hat der Westen massive Sanktionen gegen Russland verhängt und damit das Land von wichtigen Teilen der globalen Finanzmärkte abgeschnitten. So wurden unter anderem mehrere russische Banken vom internationalen Zahlungsnetzwerk Swift ausgeschlossen, wodurch es schwieriger wird, Geld außerhalb Russlands zu bewegen. Zudem wurden die Vermögen von Oligarchen eingefroren, die der russischen Regierung nahestehen. Auch die Auslandsguthaben der russischen Zentralbank wurden eingefroren. rtr

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400.000 Euro Staatshilfen für europäische Firmen

Europäische Firmen, die von den Sanktionen gegen Russland betroffen sind, können demnächst bis zu 400.000 Euro an Staatshilfen bekommen. Das geht aus einem Dokument der Europäischen Kommission hervor, das die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte. Von der Lockerung der Regeln für Staatshilfen sollen Tausende Firmen profitieren, deren Lieferketten durch den Krieg in der Ukraine und die deswegen gegen Russland verhängten Sanktionen nicht mehr funktionieren.

Die Kommission hatte in einer früheren Mitteilung erklärt, eine solche Unterstützung könne in Form von Garantien und subventionierten Darlehen erfolgen, und bat die Mitgliedstaaten um Rückmeldung zu dieser Idee. Dieser Schritt erfolgt inmitten von Anzeichen, dass der Ukraine-Konflikt das Wirtschaftswachstum der EU in diesem Jahr beeinträchtigen könnte. rtr

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EU schlägt Cyber-Sicherheitsvorschriften für EU-Einrichtungen vor

Angesichts der zunehmenden Cyberangriffe sollten die EU-Länder einen Rahmen für den Umgang mit Cybersicherheitsrisiken in den EU-Institutionen schaffen, sagte die EU-Kommission am Dienstag. Die Angriffe zielten darauf ab, wichtige Aktivitäten zu stören und sensible Informationen zu stehlen. Der Vorschlag ist Teil eines Pakets von Regelungsentwürfen der Kommission, der sogenannten Cybersicherheitsverordnung, die auch die Einrichtung eines Cybersicherheitsrats vorsieht, der die Umsetzung der neuen Regeln überwachen soll.

“In einer vernetzten Umgebung kann ein einziger Vorfall im Bereich der Cybersicherheit eine ganze Organisation in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, ein starkes Schutzschild gegen Cyber-Bedrohungen und -Vorfälle aufzubauen, die unsere Handlungsfähigkeit beeinträchtigen könnten”, so Haushaltskommissar Johannes Hahn in einer Erklärung.

Ruf nach Fonds für Notfallmaßnahmen

Der Entwurf sieht vor, dass alle EU-Organe, -Einrichtungen und -Agenturen Cybersicherheitsrisiken ermitteln, einen Plan zur Verbesserung ihrer Cybersicherheit aufstellen, regelmäßige Bewertungen vornehmen und Einzelheiten über Vorfälle mitteilen müssen. Die Kommission hat außerdem eine Verordnung zur Informationssicherheit vorgeschlagen, die ein Mindestmaß an Regeln und Standards für alle EU-Institutionen vorsieht.

Die Regierungen warnen seit Wochen davor, dass Russland oder seine Verbündeten als Vergeltung für die Sanktionen Cyberangriffe durchführen könnten, was die Banken dazu veranlasst hat, die Überwachung zu verstärken, Szenarien zu planen und zusätzliches Personal einzustellen, falls die feindlichen Aktivitäten zunehmen. Anfang dieses Monats forderten die EU-Minister die Einrichtung eines Fonds für Notfallmaßnahmen im Bereich der Cybersicherheit, um groß angelegte Cyberangriffe abzuwehren. rtr

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Presseschau

Angriff auf die Ukraine: EU will Solidaritätsfonds schaffen TAGESSCHAU
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Standpunkt

“Dark patterns”: So muss der DSA-Entwurf zu Plattformdesign verbessert werden

Julian Jaursch
Julian Jaursch ist Projektleiter bei der gemeinnützigen Think-Tank Stiftung Neue Verantwortung in Berlin. Er analysiert und entwickelt dort Policyvorschläge in den Bereichen Plattformregulierung und Umgang mit Desinformation. Kürzlich veröffentlichte er ein Papier zu den Fragen des Plattformdesigns (Dark Patterns) im Digital Services Act.
Julian Jaursch ist Projektleiter bei der gemeinnützigen Think-Tank Stiftung Neue Verantwortung in Berlin. Er analysiert und entwickelt dort Policyvorschläge in den Bereichen Plattformregulierung und Umgang mit Desinformation. Kürzlich veröffentlichte er ein Papier zu den Fragen des Plattformdesigns im DSA.

Der Nachrichtenfeed in den sozialen Netzwerken, der nicht endet. Das Pop-up auf der Buchungsseite, das den Nutzenden “74 Menschen gucken dies auch an! Es gibt nur noch 3 Angebote!” entgegenschreit. Die Seite mit den Datenschutzeinstellungen oder zur Löschung des Kontos, die nur nach einem Klickmarathon zu finden ist: All das sind unternehmerische Designentscheidungen, die den Onlinealltag von Millionen Menschen bestimmen. Im besten Fall sind solche Designpraktiken nur lästig. Im schlimmsten Fall sind es Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit der Menschen im Namen der Aufmerksamkeits- und Profitmaximierung. Deshalb muss das europäische Digitale-Dienste-Gesetz (“Digital Services Act”, DSA) für Tech-Plattformen ausdrücklich Designfragen in den Blick nehmen.

Eines der erklärten Ziele des DSA ist es, EU-weit für ein “transparentes und sicheres Online-Umfeld” zu sorgen. Dabei sollen neue Regeln für Onlineplattformen helfen, die auch Tech-Giganten wie Facebook, Google und TikTok einschließen. Erstmals geht es nicht nur darum, Vorgaben für die Moderation und Löschung einzelner Inhalte zu machen. Vielmehr handelt es sich beim DSA um eine Art verpflichtendes Handbuch mit Verhaltensregeln für Tech-Unternehmen, etwa dazu, wie sie über ihre Geschäftspraktiken berichten müssen. Was im Kommissionsentwurf aber fehlte: Überlegungen zu Plattformdesign.

Wenn der DSA das zukunftsweisende Regelwerk sein soll, das die EU-Gesetzgeber seit Jahren herbeireden und viele Menschen sich erhoffen, muss er einen eigenständigen Artikel zu Plattformdesign mit klaren Definitionen, Transparenzvorschriften und auch Verboten enthalten. Vorschläge für einen solchen Design-Artikel gibt es mittlerweile, allerdings haben sich Kommission, Mitgliedstaaten und Europäisches Parlament (EP) bislang nicht auf einen Kompromiss einigen können. Die EU-Länder hatten ein Verbot von irreführendem Design ins Spiel gebracht, jedoch nur für Onlinemarktplätze.

Das EP geht weiter und möchte solche Praktiken auf allen Onlineplattformen untersagen. Das ist der richtige Ansatz, denn irreführendes Design kommt nicht nur beim Onlineshopping vor, sondern auch in sozialen Netzwerken oder Video-Apps, wo Menschen sich informieren und ihre Meinungen bilden.

Ergebnisse offenlegen

Doch auch die EP-Vorschläge sind verbesserungswürdig. Eine sinnvolle Regelung von Plattformdesign sollte nicht nur auf Verbote setzen. Vielmehr sollte sie Einblicke in Designprozesse ermöglichen, zum Beispiel durch verpflichtende Designberichte. Denn Design kann nicht nur dafür genutzt werden, Menschen in die Irre zu führen.

Es gibt viele Wissenschaftler:innen sowie Praktiker:innen aus den Bereichen User-Interface- und User-Experience-Design (UI-/UX-Design), die sich mit der ethischen oder “prosozialen” Gestaltung von Plattformen befassen. So haben etwa Forschende herausgefunden, dass Pop-ups mit gesicherten Fakten Menschen dabei helfen können, mit Desinformation im Netz umzugehen. Der DSA sollte Plattformen dazu ermuntern, solche Designmaßnahmen zu erproben und neue Ansätze und ihre Ergebnisse offenzulegen. Doch weder EP noch Rat haben Vorschläge dieser Art gemacht. Deshalb sieht es momentan nicht danach aus, als würden derlei Vorgaben in den DSA aufgenommen.

Umso wichtiger ist es daher, dass die Regeln, die am Ende als Kompromiss im DSA festgeschrieben werden, auch konsequent durchgesetzt werden. Es sind also gut durchdachte Aufsichtsstrukturen nötig. Die zuständigen Behörden müssen nicht nur ausreichend eigene Expertise und Ressourcen haben, sondern müssen im Austausch mit externen Fachleuten stehen, wie eben UX/UI-Expert:innen. Auch hierzu sind Verbesserungen im Entwurf nötig. Bislang ist die Einbindung externer Expertise kein Muss, eher eine Option. Das muss sich dringend ändern.

Begriff “dark patterns” hat ausgedient

Die EU-Länder machen den Aufbau von Fachwissen zur Pflicht für die Kommission, die laut dem Vorschlag der Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle bei der Plattformaufsicht spielen soll. Das ist sinnvoll, sollte aber auch ausdrücklich das Hinzuziehen von externen Fachleuten umfassen. Der Ratsvorschlag, der die Kommission für große Player zentral für zuständig erklären will, würde am ehesten eine starke Aufsicht sicherstellen. Langfristig sollte eine eigene EU-Agentur für Plattformaufsicht aufgebaut werden, die sich noch besser als die Kommission spezialisieren kann und zudem unabhängig ist.

Die EU könnte mit dem DSA unterstreichen, wie wichtig der Umgang mit nervigen Pop-ups und irreführenden Buttons ist. Solche Designpraktiken wurden bisher oft als “dark patterns” bezeichnet, auch im DSA. Es mag nur als Nebensache erscheinen, aber es wäre ein wichtiges Signal der EU, diesen Begriff nicht mehr zu nutzen. Er hat seinen Zweck erfüllt, Aufmerksamkeit auf das Thema Plattformdesign zu lenken. Jetzt ist ein präziserer Begriff wie “irreführende Designpraktiken” nötig. Außerdem verstetigt “dark patterns”, wie die Designexpertin Kat Zhou sagt, den problematischen Dualismus zwischen hell/gut und dunkel/böse.

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Apéropa

Da musste Thierry Breton selbst schmunzeln: Mit dem Industrieausschuss ITRE wollte er unter anderem über den EU-Chips Act und andere Initiativen konferieren, mit denen die EU digitaler Weltmarktführer werden soll – ganz zeitgemäß digital zugeschaltet. Es ging um Milliardenausgaben, um Forschungsförderung, um Spitzentechnologie.

Doch das Unterfangen wurde erschwert, insbesondere, als er über Connectivity und den Breitbandausbau sprechen wollte. Cristian Silviu Bușoi, der ITRE-Vorsitzende stellte lakonisch fest: Der Kommissar ist eingefroren. Und: es handele sich um Netzwerkprobleme, nicht Vernetzungsprobleme.

Nicht einmal, nicht zweimal, wir haben viermal gezählt, dass die Kommissionstechniker Breton zur Seite springen mussten, um über die digitale Zukunft Europas debattieren zu können. Realistischer lässt sich der derzeitige Stand der Digitalisierung in Europa wohl kaum erleben – vielleicht sollten die Maßnahmen unter einem neuen Titel durchgeführt werden: Aufbruch ins Auftauen. Falk Steiner

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Blaue Briefe für Dark Patterns?
    • KI-Verordnung: Parlament will Dossier im Eiltempo bearbeiten
    • Taxonomie: MEPs üben heftige Kritik an Kommissarin McGuinness
    • CO2-Flottengrenzwerte für Pkw: Berichterstatter legt Kompromiss vor
    • Grünere Digitalisierung: Grüne schreiben Brief an Kommission
    • Scholz lehnt vor EU-Gipfel Stopp russischer Energielieferungen ab
    • Tesla-Fabrik rollt an – “Deutschland kann schnell sein”
    • Weltweite Kapazität von Batterien könnte sich bis 2030 verfünffachen
    • EU bewilligt 209 Millionen Euro Beihilfe für Batteriewerk in Ungarn
    • Lagarde warnt Kryptofirmen vor Beihilfe zur Umgehung der Sanktionen
    • 400.000 Euro Staatshilfen für europäische Firmen
    • EU schlägt Cyber-Sicherheitsvorschriften für EU-Einrichtungen vor
    • Presseschau
    • Standpunkt zu “Dark Patterns”: So muss der DSA-Entwurf zu Plattformdesign verbessert werden
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Gipfel beschäftigen Brüssel und die Hauptstädte. Ein EU-Gipfel Donnerstag und Freitag, ein außerordentlicher NATO-Gipfel am Donnerstag, beides in Anwesenheit von US-Präsident Joe Biden und teilweise mit Zuschaltung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

    Am Morgen bringt Bundeskanzler Scholz im Bundestag den Kanzleramtsetat in der Haushaltsdebatte ein. In dieser Generaldebatte sind auch einige Ankündigungen für den Gipfel zu erwarten. Am Nachmittag werden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel im Europaparlament erwartet.

    Kursierende Entwürfe der Rats-Schlussfolgerungen zeigen auf, wie die EU-Mitgliedstaaten künftig die Prioritäten setzen wollen. Während der Ukraine Unterstützung zugesichert und ein Wiederaufbaufonds für das Land beschlossen werden soll sowie die Bemühungen um eine europäische Verteidigungsbehörde weiter verstärkt werden sollen, ist das Kapitel zur Energie noch nicht zu Ende abgestimmt.

    Sobald wie möglich, heißt es im Entwurf, wolle man sich von russischem Gas, Kohl und Öl unabhängig machen, Uran wird hingegen nicht erwähnt. Ungebührliche Profite der Krise abzuschöpfen, sei eine “nützliche Quelle zur Finanzierung”. Energiepolitisch vielleicht am wichtigsten: Geplant ist, dass die EU gemeinsam Energie einkauft – Gas, Flüssigerdgas und Wasserstoff. Damit soll verhindert werden, dass die EU-Mitgliedstaaten am nun verkleinerten Weltmarkt die Preise wechselseitig in die Höhe treiben. Wie diese europäische Einkaufsgemeinschaft genau aussehen soll, erklärt das Dokument dabei nicht. Ein entsprechendes Instrument für gemeinsamen strategischen Gaseinkauf hatte die Kommission im Dezember vorgeschlagen (wir berichteten).

    Doch auch jenseits der Gipfel herrscht keine Langeweile:

    So hat das European Data Protection Board Richtlinien für Dark Patterns in Social Media-Plattformen veröffentlicht. Mithilfe der Richtlinien sollen Behörden europaweit nun einheitlich gegen Dark Patterns vorgehen können, also gegen die unlauteren Taktiken mancher Webseitenbetreiber, womit diese an die Daten der User:innen kommen. Zugleich geben die Richtlinien vor, wie Beanstandungen vermieden werden können. Torsten Kleinz hat die Richtlinie analysiert.

    Abseits von den veröffentlichten Richtlinien arbeitet man in Brüssel derzeit am Digital Services Act (DSA), mit dem Ziel, neue, verpflichtende Regeln für Onlineplattformen zu schaffen. Julian Jaursch, Projektleiter bei der Stiftung Neue Verantwortung, plädiert im Standpunkt dafür, dass der DSA einen eigenständigen Artikel zu Plattformdesign mit klaren Definitionen und Transparenzvorschriften enthält, der für alle Onlineplattformen gilt und irreführendes Design verhindert, eben die oben erwähnten Dark Patterns.

    In Grünheide eröffnete gestern ein gut gelaunter, tanzender Elon Musk mit Bundeskanzler Olaf Scholz das Tesla-Werk, aus dem nun jährlich 500.000 Elektroautos, Model Y, rollen sollen. Mehr dazu lesen Sie in den News.

    Am kommenden Donnerstag will Parlamentsberichterstatter für die Revision der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Kleintransporter, Jan Huitema (Renew), seinen Kompromisstext für eine Einigung im ENVI-Ausschuss den Schattenberichterstattern vorlegen. In dem Kompromiss hält er unter anderem am Verbrenner-Aus fest. Was sonst noch drin steht, lesen Sie in den News.

    Ihr
    Falk Steiner
    Bild von Falk  Steiner

    Analyse

    Blaue Briefe für Dark Patterns?

    Die Datenschützer berufen sich dabei auf verschiedene Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung. Artikel 5 verlangt, dass personenbezogene Daten “auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden”. Artikel 4 schreibt vor, dass eine Einwilligung nur “in informierter Weise und unmissverständlich” abgegeben werden kann. Artikel 12 legt fest, dass die Information der Bürger über die Datenverarbeitung in “präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form” informiert werden müssen.

    Aus diesen und einigen anderen Vorschriften haben die Datenschützer eine Reihe von verbreiteten Strategien identifiziert, die aus ihrer Sicht nicht mit der DSGVO zu vereinbaren sind. Das reicht vom “Overloading”, bei dem die Nutzer mit Informationen und Auswahlmöglichkeiten überhäuft werden, über das “Stirring”, bei denen Nutzer emotional angesprochen werden bis zum “Hindering”, bei dem Nutzer oft mit plumpen Tricks wie fehlenden Links abgehalten werden, eine Entscheidung zu treffen, die nicht im Sinne des Anbieters ist.

    Die Richtlinien sollen nicht nur als Orientierungshilfe für Behörden dienen, damit sie europaweit einheitlich gegen solche ungewollten Praktiken vorgehen können. Die Autoren haben sich auch Mühe gegeben, das Problem verständlich für die regulierten Firmen zu schildern. Sie erklären auf 64 Seiten haarklein, welche Dark Patterns beispielsweise bei der Kontoeröffnung auf Social Media-Plattformen auftauchen, um die Nutzer dazu zu bringen, mehr Daten von sich freizugeben. Gleichzeitig geben Sie Ratschläge, wie man Beanstandungen vermeiden kann. Zum Beispiel raten die Datenschützer davon ab, Cookie-Banner auf die leichte Schulter zu nehmen und die Nutzer hier lediglich mit einem Backrezept für Kekse zu konfrontieren.

    Praxisnaher Katalog

    Verantwortlich für die Erstellung des Berichts war der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Baden-Württemberg (LfDI) und die französische Aufsichtsbehörde CNIL. Obwohl die Richtlinien mit Social Media-Plattformen nur einen engen Anwendungsbereich haben, erwarten die deutschen Aufsichtsbehörden eine Verbesserung ihrer Tätigkeit. Gegenüber Table.Europe erklärt das Büro des LfDI, dass der praxisnahe Katalog “Argumentation gegenüber verantwortlichen Stellen und Betroffenen” erleichtere.

    Für deren Beteiligung sind nun sechs Wochen Zeit vorgesehen. In einer ersten Stellungnahme macht der Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft klar, dass es hier durchaus Gesprächsbedarf gibt. “Inwieweit tatsächlich der größere Teil der Inhalte aus datenschutzrechtlichen Gründen geboten ist, wird zu diskutieren sein”, erklärt Thomas Duhr gegenüber Europe.Table.

    Das größte Problem bei dieser Debatte dürfte allerdings sein: Die seit jüngster Zeit als “Dark Patterns” bezeichneten Methoden der Kundenbeeinflussung haben sich als enorm effektiv erwiesen. Gerade bei Cookie-Bannern erwiesen sich die Tricks als erstaunlich wirkungsvoll. Auf Konferenzen berichteten Verantwortliche begeistert, wie sich die Zustimmungsraten zu datenbasierter Werbung von unter 30 auf über 80 Prozent erhöhten.

    Noch keine gefestigte Rechtsprechung

    Da diese Methoden für alle Konkurrenten offen lagen und zudem durch spezialisierte Dienstleister weiter getragen wurden, finden sich heute auf werbefinanzierten Angeboten kaum noch Cookie-Banner, die nicht eine oder mehrere Methoden verwenden, die nun als “Dark Patterns” angeprangert werden. Mit dem “Transparency and Consent Framework” wurde sogar ein De-Facto-Standard etabliert, der die Nutzer zwangsläufig mit Informationen und Entscheidungsoptionen überflutet. Der Konkurrenzkampf unter Plattformen, Websites und Verlagen sorgte zudem dafür, dass sich viele Anbieter dafür entschieden, die jeweils kundenunfreundlichste Variante zu wählen, die ihnen zur Auswahl stand. Die Datenweitergabe zu beenden ist für viele Unternehmen heute keine Option. Gerade beim Thema Nudging sehen sich viele Anbieter im Recht, solche Methoden auch aggressiv einzusetzen. Konsequenzen mussten sie dafür eher nicht befürchten.

    Die Verfolgung der Methoden wurde bisher Aktivisten wie Max Schrems überlassen, der mit massenhaften Abmahnungen und Klagen gegen die Datensammlung vorgegangen ist. Mit den neuen Richtlinien signalisieren die europäischen Datenschutzbehörden nun, dass ihre bisherige Beißhemmung eine Grenze gefunden hat.

    Allzu schnell müssen Firmen allerdings noch nicht mit blauen Briefen vom Amt rechnen. Der Begriff ist noch zu vage, als dass ihn Behörden reibungslos in ihre Aufsichtspraxis überführen könnten, es existiert auch noch keine gefestigte Rechtsprechung. Dennoch zeigen sich auch deutsche Verbraucherschützer vom Verbraucherzentrale Bundesverband interessiert, Dark Patterns auch außerhalb von Cookie-Bannern zu bekämpfen.

    Hierzu müssen sie aber eine ganze Reihe unterschiedlicher Vorschriften bemühen: Vom Paragrafen 5 des UWG, über den §312j des BGB bis hin zu dem neuen TTDSG. Dieser Dschungel an Vorschriften dürfte noch unübersichtlicher werden: Denn das Europäische Parlament arbeitet bereits an einer Reihe neuer Vorschriften im Digital Services Act, Digital Markets Act und im Data Act. Da die Umstellung von Oberflächen und den damit verbundenen Geschäftsprozessen über ein Jahr beanspruchen kann, sind Firmen gut beraten, baldmöglichst den Einstieg in den Ausstieg zu suchen. Torsten Kleinz

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    KI-Verordnung: Parlament will Dossier im Eiltempo bearbeiten

    Fast ein Jahr hat es gedauert, bis die inhaltliche Arbeit an der KI-Verordnung richtig losging. Doch nun geht es Schlag auf Schlag. Das Thema taucht immer wieder auf den Tagesordnungen der EP-Ausschüsse auf. Das liegt auch daran, dass gleich sieben Ausschüsse mitmischen. IMCO und LIBE sind federführend, JURI bekam Exklusivkompetenzen in Teilbereichen wie den Transparenzanforderungen an KI-Systeme und den Regeln zur Beaufsichtigung der Anwendungen durch Menschen. ENVI, CULT, ITRE und TRAN sind mitberatend und dürfen ihre Stellungnahmen abgeben. Hinzu kommt der Sonderausschuss AIDA, dessen Arbeit zwar mit dem Bericht diese Woche abgeschlossen ist, dessen Erkenntnisse aber ebenfalls Eingang finden sollen.

    Ein weiterer Grund für die vielen Sitzungen ist zudem der ambitionierte Zeitplan, den die beiden federführenden Berichterstatter Brando Benifei (IMCO) und Dragoş Tudorache (LIBE) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz bekräftigten.

    Gemeinsame Schnittmengen in vier Bereichen

    Am 11. April wollen Benifei und Tudorache ihren gemeinsamen, ersten Entwurf für den Abschlussbericht vorlegen. Bis 19. Mai können dann Änderungsanträge eingebracht werden. Bis zum 11. Juli sollen die mitberatenden Ausschüsse ihre Stellungnahmen einbringen. Im Oktober sollen dann die MEPs über den Bericht beraten und in der ersten Novembersitzung des Plenums auch annehmen, wie Tudorache erläuterte. Anschließend möchte man so schnell wie möglich – am liebsten noch in diesem Jahr – mit den Trilogen starten. “Wir hoffen, dass der Rat diesem Zeitplan folgen kann”, sagte Benifei. “Wenn wir uns zu viel Zeit nehmen, werden wir mit dieser Regulierung, die wegweisend im Bereich KI sein will, zu spät sein.” Der Rat hat mit seinen Erörterungen bereits begonnen, am vergangenen Freitag hatte etwa die Bundesregierung ihre erste, 300-seitige Stellungnahme zu den ersten Diskussionspunkten offiziell eingereicht.

    Nach den bisherigen Beratungen sehen die beiden Berichterstatter zunächst in vier Bereichen gemeinsame Schnittmengen. So sei man sich einig, dass man den Begriff KI-System nicht zu eng fassen möchte. Auch plädieren sie für eine Neuverteilung von Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette. Laut Benifei will man dabei vor allem den Anwendern mehr Pflichten auferlegen, auch um mögliche Haftungslücken zu vermeiden. “Deren Verantwortung soll sich nicht darauf beschränken, Instruktionen zu folgen”, betonte er.

    DSGVO als Maßstab

    Bei der Governance können sich die Berichterstatter ebenfalls eine Einigung auf eine gemeinsame Position vorstellen. Die Regelungen im Verordnungsentwurf würden nicht ausreichen, um eine Fragmentierung des digitalen Marktes zu vermeiden. “Wir wollen nicht 27 Rechtsprechungen sehen, die die Verordnung unterschiedlich anwenden”, sagte Tudorache. Die nationalen Behörden müssten dabei mit den richtigen Kompetenzen ausgestattet werden.

    Außerdem sei man sich einig, die KI-Verordnung an den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auszurichten. Die DSGVO sei der Maßstab, wie man in Europa Privatsphäre definiere. Es gebe in der KI-Verordnung einige Bereiche, wie etwa biometrische Fernidentifizierung, in denen die Interaktion mit der DSGVO sehr wichtig sei, betonte Tudorache.

    Wo man sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen kann, wollen die Berichterstatter den üblichen prozeduralen Weg über die Änderungsanträge gehen. “Dann wird man sehen, welche Kompromisse erreicht werden und wo die Mehrheiten im Parlament sind”, erläuterte Tudorache.

    KI-Verordnung noch nicht zukunftsfest

    Viele Aspekte der KI-Verordnung werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Bei einer Expert:innen-Anhörung, die am Montag in der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Binnenmarkt (IMCO) und Bürgerliche Freiheiten (LIBE) stattfand, bescheinigten etwa einige anwesenden Experten, dass die KI-Verordnung noch nicht zukunftsfest sei. Max Tegmark, Vorsitzender des Future-of-Life-Institute, das sich für die Reduzierung von Nebenwirkungen der Technologie einsetzt, warnte davor, Allgemeinzweck-KI (Spracherkennung, Bilderkennung und ähnliche nichtspezifische Verfahren) aus dem Geltungsbereich der Verordnung auszuschließen, vor allem, wenn diese außerhalb der EU entwickelt wurde.

    Diese Kategorie stellt aus seiner Sicht die Zukunft der KI dar. “Allgemeinzweck-KI kann sich sehr schnell entwickeln”, gab Tegmark zu bedenken. “Es wird für die EU gar nicht möglich sein, so rasch neue Regelungen zu erlassen.” Die Lösung sei denkbar einfach: Diese KI-Systeme müssten lediglich Artikel 15 der KI-Verordnung unterworfen sein. Dann müssten alle Hersteller Genauigkeit, Robustheit und Cybersicherheit gewährleisten. Andrea Renda, Forscher am Centre for European Policy Studies (CEPS), plädierte für eine breite und technologieneutrale KI-Definition, damit das KI-Gesetz zukunftssicher wird.

    Verbot der biometrischen Fernidentifizierung

    Der Schutz der Grundrechte stand ebenfalls im Fokus der Debatten. KI-Expertin Catelijne Muller von ALLAI, eine Organisation, die sich eigenen Angaben zufolge der Förderung einer verantwortungsvollen KI verschrieben hat, wies darauf hin, dass KI bereits heute in vielerlei Hinsicht die Grundrechte verletzte, beispielsweise wenn sie Menschen nach Hautfarbe diskriminiere oder die Demonstrationsfreiheit einschränke. Sie kritisierte, dass die Systeme, die bereits auf dem Markt sind, nicht in den Geltungsbereich der KI-Verordnung fallen sollen, solange sich deren Sinn und Zweck nicht ändert.

    Sarah Chander von European Digital Rights (EDRi) legte den EU-Abgeordneten vier Handlungsempfehlungen an Herz, um die KI-Regulierung nachzuschärfen. Erstens müsste ein klarer Haftungsrahmen entwickelt werden. Dieser ist ihrer Ansicht nach bisher lückenhaft. Auch sie plädierte dafür, die Anwender stärker in die Pflicht zu nehmen. Zweitens brauche es Rechtshilfen und klare Beschwerdemechanismen für Betroffene. Drittens müsse ein Mechanismus etabliert werden, um die Risikokategorien regelmäßig zu aktualisieren oder neue Verbote einzuführen. Viertens muss es bereits jetzt mehr Verbote geben, wo KI “lebensvernichtende Folgen” haben könne, etwa bei der Massenüberwachung oder bei Vorhersagen künftiger Verbrechen. Chander forderte ein absolutes Verbot der biometrischen Fernidentifizierung.

    Mehr Kompetenzen für den KI-Ausschuss

    CEPS-Experte Renda empfahl außerdem, den Governance-Rahmen zu stärken, um eine kohärente Umsetzung der Verordnung zu gewährleisten. Bisher sei der KI-Ausschuss zu schwach. “Wir brauchen einen großen KI-Ausschuss mit einer starken Gruppe, die ihn unterstützt”, sagte er. Zu den Kompetenzen sollte aus seiner Sicht unter anderem regelmäßige Updates der Anhänge und der Risikoklassifizierung, Erstellung von Leitlinien für die Konformitätsbewertung und Reallabore sowie Zusammenarbeit mit sektoralen Regulierungsbehörden gehören. Der Ausschuss solle zudem in der Lage sind, auch präventiv zu wirken, um aufkommende Risiken zu adressieren.

    Entwurf der ITRE-Stellungnahme vorgelegt

    Die Expert:innen-Anhörung im IMCO/LIEBE-Ausschuss spiegelt in vielen Aspekten die Diskussionen in den anderen Ausschüssen wider. So standen der Schutz der Grundrechte, die Verwendung von Allgemeinzweck-KI-Systemen, die Stärkung des KI-Ausschusses sowie die richtige Balance der Verantwortlichkeiten zwischen Herstellern und Anwendern im Mittelpunkt der Debatten im Industrieausschuss (ITRE) am Montag.

    Dort hat Eva Maydell (EVP) ihren ersten Entwurf einer Stellungnahme zur KI-Verordnung vorgestellt (Europe.Table berichtete). Dieser wurde insgesamt positiv aufgenommen, doch mehrere Fraktionen forderten weitere Präzisierungen der Bestimmungen zur Datengovernance sowie der Definitionen, insbesondere der Definition von KI.

    Die Änderungsanträge der S&D-Fraktion werden vor allem die Themen wie Auswirkungen auf Grundrechte, Inklusivität und die Zuweisung von Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette, kündigte Miapetra Kumpulanatri an. “KI-Systeme, die auf den Markt kommen, müssen mit unseren Werten übereinstimmen, nicht nur mit unseren technischen Spezifikationen”, sagte sie. Auch Elena Kountoura von der Linken forderte, den Grundrechten der Nutzer Vorrang einzuräumen. Die Linke möchte die biometrische Fernidentifikation im öffentlichen Raum komplett verbieten lassen.

    AIDA-Bericht angenommen

    Während die EP-Ausschüsse noch mitten in ihrer Arbeit stecken, hat der Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter (AIDA) seinen Bericht gestern verabschiedet. “Wir haben jetzt die einmalige Chance, einen menschenzentrierten und vertrauenswürdigen Regulierungsansatz für KI auf der Grundlage der Grundrechte zu fördern, der die Risiken beherrscht und gleichzeitig die Vorteile, die KI für die gesamte Gesellschaft bringen kann, voll ausschöpft”, so Axel Voss (CDU), rechtspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Berichterstatter des Abschlussberichts.

    Im Mittelpunkt des Berichts steht dabei die Wettbewerbsfähigkeit der EU in den digitalen Märkten und wie sie gefördert werden kann. Die ursprünglichen Forderungen von Voss wurden in der gestern beschlossenen Kompromissfassung allerdings teilweise erheblich abgeschwächt. Der Bericht hat keine unmittelbare legislative Relevanz, kann jedoch von den EU-Abgeordneten zur Meinungsbildung herangezogen werden.

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    Taxonomie: MEPs üben heftige Kritik an Kommissarin McGuinness

    In einer Aussprache zwischen Finanz-Kommissarin Mairead McGuinness, dem ECON-Ausschuss und dem ENVI-Ausschuss des EU-Parlaments machten die Abgeordneten ihrer Empörung über den Kommissionsvorschlag zur Taxonomie Luft. Die Kommission habe sowohl die Wissenschaft als auch das Parlament ignoriert, lautete ein mehrfach vorgetragener Vorwurf an die Kommission. Diese will mit einem ergänzenden delegierten Rechtsakt Investitionen in Gas und Kernenergie als nachhaltige Brückentechnologien klassifizieren.

    Im Parlament herrscht noch immer großer Widerstand, was sich am Dienstag einmal mehr zeigte. Die “Platform on Sustainable Finance”, ein wissenschaftliches Beratungsgremium der Kommission, hatte die Aufnahme von Gas in die Taxonomie kritisiert. Die Kommission blieb jedoch bei ihrem Vorschlag, weshalb die Parlamentarier der Behörde nun vorwerfen, die Wissenschaft zu ignorieren.

    Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss erinnerte zudem daran, dass das Parlament abgestimmt hatte, Kernenergie aus der Taxonomie zu nehmen. Die Kommission habe sie durch die Hintertür mit einem delegierten Rechtsakt nun wieder reingeholt. Die Europaparlamentarier könnten den Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit stoppen. Sozialdemokrat Tiemo Wölken wollte wissen, wie man auf Kernkraft setzen könne, wo doch das Uran aus Russland käme. Peter Liese von der EVP kritisierte vor allem die Kriterien für die Nutzung von Kernenergie. Er sei offen für Nuklearstrom, aber eine nukleare Abhängigkeit von Russland sei schlimmer als eine fossile.

    McGuinness verteidigte die Entscheidung. Man habe weder die Wissenschaft noch das Parlament ignoriert, sondern einen “anderen Ansatz” gewählt. Es sei besser, die Investitionen mit strengen Kriterien zu lenken, um den Übergang zu erleichtern, als die Energiewende dem Markt zu überlassen, sagte sie. Die Aufnahme von Gas und Atomenergie verteidigte sie mit der fehlenden Kapazität Erneuerbarer. Uran komme zudem nicht nur aus Russland. luk

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    CO2-Flottengrenzwerte für Pkw: Berichterstatter legt Kompromiss vor

    Parlamentsberichterstatter für die Revision der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Kleintransporter, Jan Huitema (Renew), hat einen Kompromisstext für eine Einigung im ENVI-Ausschuss erarbeitet. Doch obwohl sein Bericht mit zahlreichen Änderungsanträgen übersät wurde (Europe.Table berichtete), plant der liberale Niederländer keine wesentlichen Änderungen.

    An seinen Reduktionszielen für Autohersteller hält Huitema fest und bleibt beim Verbrenner-Aus 2035. Auch seine Zwischenziele bleiben unverändert. Allerdings ergänzte er die Forderung, die Automobilindustrie müsse bei ihrem ökologischen und digitalen Wandel unterstützt werden, da sie eine der Säulen der EU-Wirtschaft sei und Arbeitsplätze sichere.

    Den Mechanismus für “Zero and low emission vehicles” (ZLEV) will Huitema, wie schon in seinem Berichtsentwurf vorgeschlagen, 2025 abschaffen. Dieser bietet Herstellern über ein Crediting-System die Möglichkeit, ihre CO2-Emissionsreduktionsziele zu verringern, wenn sie sogenannte ZLEV verkaufen. Auch der Gewichtsanpassungsfaktor, der Autoherstellern niedrigere Ziele vorschreibt, wenn sie schwerere Fahrzeuge verkaufen, soll ab 2025 nicht mehr gelten. Diesen hatte Huitema in seinem vorigen Entwurf noch unangetastet gelassen. Am Donnerstag (24.03) will Huitema seinen Kompromiss den Schattenberichterstattern vorlegen. luk

    • Autoindustrie

    Grünere Digitalisierung: Grüne schreiben Brief an Kommission

    Mit einem Brief haben sich Europaabgeordnete der Grünen an Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans, seine Kolleginnen Margharete Vestager und Vera Jourova, Binnenmarktkommissar Thierry Breton, Verbraucherschutzkommissar Didier Reynders und Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius gewandt. Darin fordern sie ein stärkeres Zusammendenken von Digitalisierung und Green Deal: bereits heute mache der ICT-Sektor 5 bis 9 Prozent des Elektrizitätsverbrauchs aus und die Digitalisierung werde weiter zunehmen.

    Daher sei es zwingend geboten, dass die EU nur “in gewisser Weise mit den CO2-Reduktionszielen, Klimaneutralitätsvorhaben und hohen Umweltstandards kompatible Innovation und Digitalisierung vorantreibt”, so die Grünen-MdEP. Dies meine, dass digitale Technologien und Elektronik über ihren gesamten Produktzyklus nachhaltig und kreislaufwirtschaftsfähig sein müssten.

    Anlass des Briefes ist die geplante Vorstellung der Initiative für nachhaltige Produkte am 30. März, die auch eine Revision der Ökodesign-Richtlinie mit einschließen soll. Mit ihrem Brief stellen die Grünen klare Forderungen an die Kommission: Ein verpflichtendes Impact Assessment soll für alle ICT-Produkte kommen, Label zu Umweltauswirkungen der Produkte sollen Verbrauchern eine ökologische Entscheidungsfindung erleichtern. Zudem soll die Kommission nach dem Willen der viertgrößten EP-Fraktion verpflichtende Umweltmindeststandards einführen, unter anderem für Software und digitale Endgeräte. fst

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    Scholz lehnt vor EU-Gipfel Stopp russischer Energielieferungen ab

    Zwei Tage vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf Scholz den Stopp für russische Energielieferungen nach Deutschland und Europa erneut abgelehnt. Es könne sein, dass der Konflikt mit Russland eine Weile anhalten werde, deshalb müsse man Sanktionen auch durchhalten können. “Deshalb ist die Position der Bundesrepublik Deutschland in dieser Frage unverändert. Im Übrigen gilt das für viele, viele andere Mitgliedstaaten auch, die sehr abhängig von Kohle, Öl und Gas aus Russland sind, noch mehr als Deutschland”, sagte Scholz.

    Aber alle EU-Staaten arbeiteten mit großem Tempo daran, Russland als Lieferant zu ersetzen. Dafür brauche es noch Vertragsschlüsse. Es wird erwartet, dass die Frage von Energiesanktionen auf dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag eine Rolle spielen wird.

    Scholz fordert sofortige Waffenruhe

    Scholz äußerte sich außerdem zurückhaltend zur polnischen Forderung nach einem Ausschluss Russlands aus den G20. Dies sei eine Frage, die man gemeinsam unter den Mitgliedern erörtern und “nicht einzeln und individuell” entscheiden solle, sagte Scholz. “Ganz klar, wir sind mit etwas anderem beschäftigt als zusammenzukommen”, fügte er hinzu. Polen gehört nicht zu der Gruppe der 20 wichtigsten Industriestaaten der Welt (G20), ist jedoch über die Mitgliedschaft der EU ebenfalls in dem Gremium vertreten.

    Scholz forderte Russlands Präsident Wladimir Putin zu einer sofortigen Waffenruhe in der Ukraine auf. “Wir alle brauchen sofort einen Waffenstillstand, den Rückzug der Invasoren und die Möglichkeit über einen Friedensschluss miteinander zu verhandeln.” Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dringe auf ein direktes Treffen mit Putin, sagte Scholz. rtr

    • Europapolitik

    Tesla-Fabrik rollt an – “Deutschland kann schnell sein”

    Der US-Elektroauto-Pionier Tesla hat am Dienstag im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz seine Fabrik im brandenburgischen Grünheide eröffnet und die ersten Modelle an Kunden übergeben. Der aus den USA angereiste Konzernchef Elon Musk präsentierte das Werk mit Stolz: “Tesla wird sicherstellen, dass das ein Juwel ist für diese Region, für Deutschland und die Welt”, sagte er bei der Eröffnungsfeier. “Deutschland kann schnell sein”, betonte Scholz (SPD) mit Blick auf die Rekord-Bauzeit von gut zwei Jahren.

    Er wies damit auch auf die notwendige Planungsbeschleunigung in Deutschland hin. Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung eine deutliche Verkürzung der Planungs- und Genehmigungszeiten erreichen, damit etwa Wind- und Solar-Anlagen schneller gebaut werden können. Angesichts der weltweiten Spannungen warnte Scholz auch davor, die Globalisierung der Wirtschaft rückgängig zu machen. “Aus meiner Sicht würde das die Welt und uns alle um großen Wohlstand bringen”, sagte Scholz. Deutsche Firmen ihrerseits investierten in den USA, in China und an vielen anderen Orten der Welt. “Wir brauchen globalen Wettbewerb und keine Deglobalisierung. Das geht schief”, fügte Scholz hinzu.

    50 Gigawatt Batteriezellen im Jahr

    Das Tesla-Werk sei ein Ansporn und ein Zeichen für den Fortschritt der Industrie am Standort Deutschland. Der Umschwung zu Elektroautos sei gerade jetzt wichtig, wo Deutschland wegen des Ukraine-Krieges unabhängig von russischem Öl werden wolle, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seiner Ankunft am Werk.

    Zur Eröffnung, die auf den Weltwassertag der Vereinten Nationen fällt, protestierten Umweltschützer. Auf der A10 in Richtung Grünheide seilten sich zwei Tesla-Gegner von einer Autobahnbrücke ab. Die Polizei stoppte den Verkehr, es kam zu einem langen Stau. “Die Ersetzung von Verbrennern durch Elektroautos wird uns nicht vor der Klimakrise retten”, sagte Aktivist Benjamin aus Berlin, der vor der Einfahrt gegen den Autobauer demonstrierte. Neben Mitarbeitern und Käufern der ersten 30 ausgelieferten Neuwagen des “Model Y” waren auch Tesla-Fanclubs vor Ort.

    Künftig sollen in Grünheide jährlich 500.000 Wagen vom Kompakt-SUV-Wagen Model Y sowie 500 Millionen Batteriezellen hergestellt werden, was einer Produktionsmenge von 50 Gigawatt pro Jahr entspricht. Damit verstärkt sich der Konkurrenzdruck auf die deutschen Autobauer, die ihr Angebot nach und nach von Verbrennermodellen auf Elektromobile umstellen. Der Produktionsstart in Grünheide ist zugleich die Europapremiere einer leistungsstärkeren Version des Model Y mit mehr als 500 Kilometern Reichweite zum Preis ab 63.990 Euro. rtr

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    Weltweite Kapazität von Batterien könnte sich bis 2030 verfünffachen

    Die weltweite Kapazität von Lithium-Ionen-Batterien könnte von 2021 bis 2030 um mehr als das Fünffache auf 5.500 Gigawattstunden (GWh) ansteigen, erklärte das Beratungsunternehmen Wood Mackenzie am Dienstag. Es warnte aber gleichzeitig davor, dass das Angebot an Batterien dieses Jahr knapp bleiben wird. “Der Markt für Elektrofahrzeuge macht fast 80 Prozent der Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien aus, und die hohen Ölpreise bewegen mehr Märkte zur Einführung von emissionsfreien Verkehrssystemen, was die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien in die Höhe schnellen lässt”, so Wood Mackenzie-Berater Jiayue Zheng in einem Bericht.

    Die US-Automobilhersteller Ford Motor Co und General Motors Co haben vor kurzem ihre Expansionspläne für Elektrofahrzeuge bekannt gegeben. Ford will bis 2024 sieben Elektromodelle in Europa auf den Markt bringen und seine Partnerschaft mit Volkswagen vertiefen, um ein zweites Elektrofahrzeug für den europäischen Markt zu produzieren.

    GM hat sich mit dem südkoreanischen Unternehmen POSCO Chemical zusammengetan, um in Kanada Batteriematerialien herzustellen; das neue Werk soll bis 2025 in Betrieb genommen werden. Die Batteriehersteller reagieren auf die steigende Nachfrage mit massiven Expansionsplänen, so Wood Mackenzie. Da es jedoch im letzten Jahr aufgrund der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen und den steigenden Rohstoffpreisen zu Engpässen kam, wird das Batterieangebot die Nachfrage bis 2023 nicht decken können, so das Beratungsunternehmen weiter. rtr

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    EU bewilligt 209 Millionen Euro Beihilfe für Batteriewerk in Ungarn

    Ungarn erhielt am Dienstag die wettbewerbsrechtliche Genehmigung der EU für die Gewährung einer staatlichen Beihilfe in Höhe von 209 Millionen Euro für die dritte Batteriefabrik des südkoreanischen Unternehmens SK Innovation Co. in Ungarn.

    Die Europäische Kommission erklärte, das Projekt trage zur Entwicklung der Region und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Das überwöge mögliche Wettbewerbsverzerrungen. In dem Werk sollen Lithium-Ionen-Batteriezellen und Batteriemodule für Elektrofahrzeuge hergestellt werden. SK Innovation, das das Projekt im Januar letzten Jahres ankündigte, liefert Batterien für Elektroautos an Volkswagen, Ford Motor Co, Hyundai Motor Co und andere. rtr

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    Lagarde warnt Kryptofirmen vor Beihilfe zur Umgehung der Sanktionen

    Kryptowährungen werden laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde genutzt, um die Russland-Sanktionen vieler Länder zu umgehen. Bestimmte Unternehmen und Personen würden versuchen, ihre Rubel in Kryptowährungen umzutauschen, sagte Lagarde am Dienstag auf einer Veranstaltung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). “Hier in Europa haben wir Schritte eingeleitet, um all denjenigen zu signalisieren, die umtauschen, Transaktionen betreiben, Dienstleistungen mit Bezug auf Kryptowährungen anbieten, dass sie Komplizen sind beim Versuch Sanktionen zu umgehen.”

    Nach der russischen Invasion der Ukraine hat der Westen massive Sanktionen gegen Russland verhängt und damit das Land von wichtigen Teilen der globalen Finanzmärkte abgeschnitten. So wurden unter anderem mehrere russische Banken vom internationalen Zahlungsnetzwerk Swift ausgeschlossen, wodurch es schwieriger wird, Geld außerhalb Russlands zu bewegen. Zudem wurden die Vermögen von Oligarchen eingefroren, die der russischen Regierung nahestehen. Auch die Auslandsguthaben der russischen Zentralbank wurden eingefroren. rtr

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    400.000 Euro Staatshilfen für europäische Firmen

    Europäische Firmen, die von den Sanktionen gegen Russland betroffen sind, können demnächst bis zu 400.000 Euro an Staatshilfen bekommen. Das geht aus einem Dokument der Europäischen Kommission hervor, das die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte. Von der Lockerung der Regeln für Staatshilfen sollen Tausende Firmen profitieren, deren Lieferketten durch den Krieg in der Ukraine und die deswegen gegen Russland verhängten Sanktionen nicht mehr funktionieren.

    Die Kommission hatte in einer früheren Mitteilung erklärt, eine solche Unterstützung könne in Form von Garantien und subventionierten Darlehen erfolgen, und bat die Mitgliedstaaten um Rückmeldung zu dieser Idee. Dieser Schritt erfolgt inmitten von Anzeichen, dass der Ukraine-Konflikt das Wirtschaftswachstum der EU in diesem Jahr beeinträchtigen könnte. rtr

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    EU schlägt Cyber-Sicherheitsvorschriften für EU-Einrichtungen vor

    Angesichts der zunehmenden Cyberangriffe sollten die EU-Länder einen Rahmen für den Umgang mit Cybersicherheitsrisiken in den EU-Institutionen schaffen, sagte die EU-Kommission am Dienstag. Die Angriffe zielten darauf ab, wichtige Aktivitäten zu stören und sensible Informationen zu stehlen. Der Vorschlag ist Teil eines Pakets von Regelungsentwürfen der Kommission, der sogenannten Cybersicherheitsverordnung, die auch die Einrichtung eines Cybersicherheitsrats vorsieht, der die Umsetzung der neuen Regeln überwachen soll.

    “In einer vernetzten Umgebung kann ein einziger Vorfall im Bereich der Cybersicherheit eine ganze Organisation in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, ein starkes Schutzschild gegen Cyber-Bedrohungen und -Vorfälle aufzubauen, die unsere Handlungsfähigkeit beeinträchtigen könnten”, so Haushaltskommissar Johannes Hahn in einer Erklärung.

    Ruf nach Fonds für Notfallmaßnahmen

    Der Entwurf sieht vor, dass alle EU-Organe, -Einrichtungen und -Agenturen Cybersicherheitsrisiken ermitteln, einen Plan zur Verbesserung ihrer Cybersicherheit aufstellen, regelmäßige Bewertungen vornehmen und Einzelheiten über Vorfälle mitteilen müssen. Die Kommission hat außerdem eine Verordnung zur Informationssicherheit vorgeschlagen, die ein Mindestmaß an Regeln und Standards für alle EU-Institutionen vorsieht.

    Die Regierungen warnen seit Wochen davor, dass Russland oder seine Verbündeten als Vergeltung für die Sanktionen Cyberangriffe durchführen könnten, was die Banken dazu veranlasst hat, die Überwachung zu verstärken, Szenarien zu planen und zusätzliches Personal einzustellen, falls die feindlichen Aktivitäten zunehmen. Anfang dieses Monats forderten die EU-Minister die Einrichtung eines Fonds für Notfallmaßnahmen im Bereich der Cybersicherheit, um groß angelegte Cyberangriffe abzuwehren. rtr

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    Presseschau

    Angriff auf die Ukraine: EU will Solidaritätsfonds schaffen TAGESSCHAU
    EU-Landwirtschaftsminister wollen Produktion steigern ZEIT
    Olaf Scholz lehnt Energieembargo gegen Russland weiter ab ZEIT
    Lindner rückt von Tankrabatt ab SPIEGEL
    Energie: Geplantes Entlastungspaket geht in Koalitionsausschuss ZEIT
    Draghi: “Wollen die Ukraine in der EU” NTV
    Polen schlägt G20-Ausschluss Russlands vor SPIEGEL
    Lagarde warnt Kryptofirmen vor Beihilfe zur Umgehung der Sanktionen HANDELSBLATT

    Standpunkt

    “Dark patterns”: So muss der DSA-Entwurf zu Plattformdesign verbessert werden

    Julian Jaursch
    Julian Jaursch ist Projektleiter bei der gemeinnützigen Think-Tank Stiftung Neue Verantwortung in Berlin. Er analysiert und entwickelt dort Policyvorschläge in den Bereichen Plattformregulierung und Umgang mit Desinformation. Kürzlich veröffentlichte er ein Papier zu den Fragen des Plattformdesigns (Dark Patterns) im Digital Services Act.
    Julian Jaursch ist Projektleiter bei der gemeinnützigen Think-Tank Stiftung Neue Verantwortung in Berlin. Er analysiert und entwickelt dort Policyvorschläge in den Bereichen Plattformregulierung und Umgang mit Desinformation. Kürzlich veröffentlichte er ein Papier zu den Fragen des Plattformdesigns im DSA.

    Der Nachrichtenfeed in den sozialen Netzwerken, der nicht endet. Das Pop-up auf der Buchungsseite, das den Nutzenden “74 Menschen gucken dies auch an! Es gibt nur noch 3 Angebote!” entgegenschreit. Die Seite mit den Datenschutzeinstellungen oder zur Löschung des Kontos, die nur nach einem Klickmarathon zu finden ist: All das sind unternehmerische Designentscheidungen, die den Onlinealltag von Millionen Menschen bestimmen. Im besten Fall sind solche Designpraktiken nur lästig. Im schlimmsten Fall sind es Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit der Menschen im Namen der Aufmerksamkeits- und Profitmaximierung. Deshalb muss das europäische Digitale-Dienste-Gesetz (“Digital Services Act”, DSA) für Tech-Plattformen ausdrücklich Designfragen in den Blick nehmen.

    Eines der erklärten Ziele des DSA ist es, EU-weit für ein “transparentes und sicheres Online-Umfeld” zu sorgen. Dabei sollen neue Regeln für Onlineplattformen helfen, die auch Tech-Giganten wie Facebook, Google und TikTok einschließen. Erstmals geht es nicht nur darum, Vorgaben für die Moderation und Löschung einzelner Inhalte zu machen. Vielmehr handelt es sich beim DSA um eine Art verpflichtendes Handbuch mit Verhaltensregeln für Tech-Unternehmen, etwa dazu, wie sie über ihre Geschäftspraktiken berichten müssen. Was im Kommissionsentwurf aber fehlte: Überlegungen zu Plattformdesign.

    Wenn der DSA das zukunftsweisende Regelwerk sein soll, das die EU-Gesetzgeber seit Jahren herbeireden und viele Menschen sich erhoffen, muss er einen eigenständigen Artikel zu Plattformdesign mit klaren Definitionen, Transparenzvorschriften und auch Verboten enthalten. Vorschläge für einen solchen Design-Artikel gibt es mittlerweile, allerdings haben sich Kommission, Mitgliedstaaten und Europäisches Parlament (EP) bislang nicht auf einen Kompromiss einigen können. Die EU-Länder hatten ein Verbot von irreführendem Design ins Spiel gebracht, jedoch nur für Onlinemarktplätze.

    Das EP geht weiter und möchte solche Praktiken auf allen Onlineplattformen untersagen. Das ist der richtige Ansatz, denn irreführendes Design kommt nicht nur beim Onlineshopping vor, sondern auch in sozialen Netzwerken oder Video-Apps, wo Menschen sich informieren und ihre Meinungen bilden.

    Ergebnisse offenlegen

    Doch auch die EP-Vorschläge sind verbesserungswürdig. Eine sinnvolle Regelung von Plattformdesign sollte nicht nur auf Verbote setzen. Vielmehr sollte sie Einblicke in Designprozesse ermöglichen, zum Beispiel durch verpflichtende Designberichte. Denn Design kann nicht nur dafür genutzt werden, Menschen in die Irre zu führen.

    Es gibt viele Wissenschaftler:innen sowie Praktiker:innen aus den Bereichen User-Interface- und User-Experience-Design (UI-/UX-Design), die sich mit der ethischen oder “prosozialen” Gestaltung von Plattformen befassen. So haben etwa Forschende herausgefunden, dass Pop-ups mit gesicherten Fakten Menschen dabei helfen können, mit Desinformation im Netz umzugehen. Der DSA sollte Plattformen dazu ermuntern, solche Designmaßnahmen zu erproben und neue Ansätze und ihre Ergebnisse offenzulegen. Doch weder EP noch Rat haben Vorschläge dieser Art gemacht. Deshalb sieht es momentan nicht danach aus, als würden derlei Vorgaben in den DSA aufgenommen.

    Umso wichtiger ist es daher, dass die Regeln, die am Ende als Kompromiss im DSA festgeschrieben werden, auch konsequent durchgesetzt werden. Es sind also gut durchdachte Aufsichtsstrukturen nötig. Die zuständigen Behörden müssen nicht nur ausreichend eigene Expertise und Ressourcen haben, sondern müssen im Austausch mit externen Fachleuten stehen, wie eben UX/UI-Expert:innen. Auch hierzu sind Verbesserungen im Entwurf nötig. Bislang ist die Einbindung externer Expertise kein Muss, eher eine Option. Das muss sich dringend ändern.

    Begriff “dark patterns” hat ausgedient

    Die EU-Länder machen den Aufbau von Fachwissen zur Pflicht für die Kommission, die laut dem Vorschlag der Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle bei der Plattformaufsicht spielen soll. Das ist sinnvoll, sollte aber auch ausdrücklich das Hinzuziehen von externen Fachleuten umfassen. Der Ratsvorschlag, der die Kommission für große Player zentral für zuständig erklären will, würde am ehesten eine starke Aufsicht sicherstellen. Langfristig sollte eine eigene EU-Agentur für Plattformaufsicht aufgebaut werden, die sich noch besser als die Kommission spezialisieren kann und zudem unabhängig ist.

    Die EU könnte mit dem DSA unterstreichen, wie wichtig der Umgang mit nervigen Pop-ups und irreführenden Buttons ist. Solche Designpraktiken wurden bisher oft als “dark patterns” bezeichnet, auch im DSA. Es mag nur als Nebensache erscheinen, aber es wäre ein wichtiges Signal der EU, diesen Begriff nicht mehr zu nutzen. Er hat seinen Zweck erfüllt, Aufmerksamkeit auf das Thema Plattformdesign zu lenken. Jetzt ist ein präziserer Begriff wie “irreführende Designpraktiken” nötig. Außerdem verstetigt “dark patterns”, wie die Designexpertin Kat Zhou sagt, den problematischen Dualismus zwischen hell/gut und dunkel/böse.

    • Digital Services Act
    • Digitalisierung
    • Europapolitik

    Apéropa

    Da musste Thierry Breton selbst schmunzeln: Mit dem Industrieausschuss ITRE wollte er unter anderem über den EU-Chips Act und andere Initiativen konferieren, mit denen die EU digitaler Weltmarktführer werden soll – ganz zeitgemäß digital zugeschaltet. Es ging um Milliardenausgaben, um Forschungsförderung, um Spitzentechnologie.

    Doch das Unterfangen wurde erschwert, insbesondere, als er über Connectivity und den Breitbandausbau sprechen wollte. Cristian Silviu Bușoi, der ITRE-Vorsitzende stellte lakonisch fest: Der Kommissar ist eingefroren. Und: es handele sich um Netzwerkprobleme, nicht Vernetzungsprobleme.

    Nicht einmal, nicht zweimal, wir haben viermal gezählt, dass die Kommissionstechniker Breton zur Seite springen mussten, um über die digitale Zukunft Europas debattieren zu können. Realistischer lässt sich der derzeitige Stand der Digitalisierung in Europa wohl kaum erleben – vielleicht sollten die Maßnahmen unter einem neuen Titel durchgeführt werden: Aufbruch ins Auftauen. Falk Steiner

    Europe.Table Redaktion

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