Table.Briefing: Europe

Critical Raw Materials Act + Europa und der Krieg + Hin und Her um Energieplattform

  • Was vom Critical Raw Materials Act zu erwarten ist
  • Puglierin: “Deutschland hat Vertrauen bei Partnern im Osten verloren”
  • Energieplattform: Hin und Her vor Gericht
  • EU-Monitoring
  • EU bereitet zehntes Sanktionspaket gegen Moskau vor
  • IRA: Antwort aus Paris und Berlin bei Ministerrat
  • Macron und Sánchez unterzeichnen Freundschaftsvertrag
  • Volle Gasspeicher dank EU-weiten Sparens
  • Wirtschaftsvertreter wollen kulanteres Lieferkettengesetz 
  • Breton fordert mehr Einsatz von Tiktok
  • Eva Kaili weiter in Haft
  • Kolumne: Deutsch-französische Raffinesse im Mundatwald
Liebe Leserin, lieber Leser,

Anfang März will die Kommission ihr Gesetzespaket zur Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen vorstellen. Der Druck ist groß: Die EU muss nicht nur auf die Lieferengpässe reagieren, die infolge der Pandemie und des russischen Angriffs auf die Ukraine entstanden sind – sondern auch auf den Inflation Reduction Act der USA. “Das Gesetz wird für den schwedischen Ratsvorsitz in den kommenden Monaten oberste Priorität haben”, sagte die schwedische Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch direkt zum Auftakt der Ratspräsidentschaft. Leonie Düngefeld analysiert, was vom Critical Raw Materials Act zu erwarten ist

“Paris hatte bisher keinen Zeitenwende-Moment”, sagt Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations. Macron sei auch nach dem 24. Februar 2022 eher weiter auf seinem Kurs geblieben. Doch auch Deutschland mache in der Sicherheitspolitik keine gute Figur – zumindest aus Sicht der EU-Länder in Mittel- und Osteuropa. Im Interview mit Nana Brink und Viktor Funk spricht die Forscherin über alte und neue Rollen der Mitgliedstaaten, die Verteidigungsfähigkeit der EU und die enge Verständigung zwischen Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Biden.

Um die Energieplattform der EU wurde intensiv gerungen. Die entsprechende Verordnung hatte die Kommission am 18. Oktober vorgelegt, die EU-Energieminister nahmen sie aber erst zwei Monate später an. Nun gibt es weitere Auseinandersetzungen, dieses Mal mit einem juristischen Hintergrund: Das Europäische Gericht hat einen vorläufigen Beschluss zurückgenommen, der den gemeinsamen Gaseinkauf der EU verzögert hätteManuel Berkel hat die Hintergründe. 

Ihre
Sarah Schaefer
Bild von Sarah  Schaefer

Analyse

Was vom Critical Raw Materials Act zu erwarten ist

Der Druck ist groß, besonders für Binnenmarktkommissar Thierry Breton: Nach den durch Pandemie und Krieg verursachten Lieferengpässen muss die EU nun auch auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) reagieren – und hat den Termin für den Critical Raw Materials Act mittlerweile mehrmals vorverlegt. Ende November war die Frist für die öffentliche Konsultation, nun arbeitet die Kommission parallel an der Folgenabschätzung und am Entwurf. Diesen will sie laut der aktuellen Agenda am 8. März vorstellen.

“Das Gesetz wird für den schwedischen Ratsvorsitz in den kommenden Monaten oberste Priorität haben“, verkündete die schwedische Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch bei einer Pressekonferenz zum Auftakt der Ratspräsidentschaft – im Kiruna-Bergwerk, wo das Bergbauunternehmen LKAB gleichzeitig wirkungsvoll inszeniert einen gigantischen Fund Seltener Erden bekannt gab.

Bekannt ist: Die Kommission plant ein Paket aus legislativen und nichtlegislativen Initiativen, die auf vier Säulen basieren soll: Definition strategischer Prioritäten, Monitoring und Risikomanagement, Stärkung der Wertschöpfungskette innerhalb der EU, Level-playing field. Auch Umwelt- und Sozialstandards sollen gestärkt werden, doch oberstes Ziel bleibt die Versorgungssicherheit.

Peter Handley, Leiter der Referats Energieintensive Industrien, Rohstoffe und Wasserstoff in der zuständigen DG GROW, sagte: “Unser Ziel ist, eine widerstandsfähige Lieferkette zu gewährleisten und unsere Versorgungssicherheit für die Dinge zu verbessern, die wir für unseren grünen und digitalen Wandel benötigen.”

Zentrales Monitoring auf EU-Ebene

Die Kommission will laut ihrem Call for Evidence mit dem Gesetzespaket neben der geringen Diversifizierung der Bezugsquellen auch Probleme wie den Mangel an Investitionen in Projekte in der EU, die begrenzte öffentliche Akzeptanz und die sozialen und ökologischen Auswirkungen adressieren.

Über ein Netzwerk, das mit den zuständigen nationalen Agenturen zusammenarbeitet, sollen rechtzeitig Informationen ausgetauscht und Überwachungsmaßnahmen ermöglicht werden, etwa die Entwicklung von Frühwarnmechanismen, die Durchführung von Stresstests für kritische Versorgungsketten und die Kartierung strategischer Bodenschätze. Die Einrichtung einer staatlichen Rohstoffagentur nach dem Modell der JOGMEG in Japan steht als Idee im Raum.

Strategisch wichtige Projekte in der EU und weiteren Partnerländern sollen ein spezielles Kennzeichen erhalten. “Gemeinsam mit unseren Mitgliedstaaten und Partnern verleihen wir Projekten, die für einen bestimmten kritischen Rohstoff strategisch wichtig sind, ein Label”, hatte Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič im Interview mit Europe.Table gesagt. Die EU würde dann bei den jeweiligen Machbarkeitsstudien helfen und im Gegenzug verlangen, dass Umwelt- und Sozialstandards eingehalten würden.

NGOs fordern Reduktion der Rohstoffnachfrage

Um den Zugang von Rohstoffprojekten zu Finanzmitteln sicherzustellen, hatten Deutschland und Frankreich in einem Non-Paper im Rat die Einrichtung eines öffentlich-privaten Investmentfonds für Rohstoffprojekte vorgeschlagen. Diese Idee traf auch in der Industrie auf Zustimmung.

Die Kommission plant außerdem, Genehmigungen für Projekte in der EU zu vereinfachen. Ein Hindernis wird hier die Akzeptanz von Bergbauprojekten in der Öffentlichkeit sein. Vertreterinnen der Zivilgesellschaft fordern indes, die Kommission müsse sie stärker in die Vorbereitungen des Gesetzespakets einbeziehen, damit die Maßnahmen eine breitere Zustimmung erfahren.

Im gesamten EU-Binnenmarkt sollen durch folgende mögliche Maßnahmen nachhaltig gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden:

  • Stärkung des Abfall- und Kreislaufwirtschaftsrahmens zur Förderung des materialeffizienten Recyclings wichtiger Rohstoffe;
  • Verbesserung der Transparenz, Verfügbarkeit und Koordinierung strategischer Reserven relevanter kritischer Rohstoffe, um die Risiken von Unterbrechungen der Lieferkette zu mindern;
  • Gewährleistung der Verfügbarkeit ausreichender europäischer und internationaler technischer Normen, um Innovationen zu unterstützen;
  • hohe Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards;
  • Festlegung von Recyclingverpflichtungen für wichtige rohstoffbasierte Produkte und Komponenten, wie Seltenerd-Permanentmagnete;
  • Festlegung von EU-Zielen für den Kapazitätsausbau auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette, um die nationalen und EU-Bemühungen zu lenken.

Ein Bündnis von vier NGOs, darunter das European Environmental Bureau (EEB) und PowerShift, forderte in ihrer Stellungnahme zur Konsultation ein EU-weites Gesamtziel zur Verringerung des materiellen Fußabdrucks. Die Kommission müsse sich “nicht nur darauf konzentrieren, auf Veränderungen auf der Angebotsseite zu reagieren, sondern auch aktiv auf die Nachfrageseite einzuwirken“.

Die nächste Foresight-Studie der Europäischen Kommission zu kritischen Rohstoffen müsse auch Szenarien entwickeln, in denen eine geringere Rohstoffnachfrage berücksichtigt werde. Der Raw Materials Act könne dann ein politisches Signal dafür sein, dass die Kommission in ihrem nächsten Mandat ein Ziel für die Verringerung der Gesamtnachfrage nach Rohstoffen setzen müsse.

Kommission überarbeitet auch Liste kritischer Rohstoffe

Laut der Kommission könnten die Prioritäten und Ziele der EU-Maßnahmen durch die Bestimmung strategischer kritischer Rohstoffe festgelegt werden. In diesem Jahr überarbeitet sie entsprechend dem Drei-Jahres-Takt parallel auch die Liste kritischer Rohstoffe. Einen Termin hat sie dafür bislang nicht angekündigt. Die letzte Version von 2020 enthält dreißig Rohstoffe.

Wie “kritisch” ein Rohstoff ist, wird bislang anhand wirtschaftlicher Kriterien bewertet: der Bedeutung für die europäische Wirtschaft und dem Risiko einer Versorgungsunterbrechung, basierend auf der Konzentration der Primärrohstoffe in den produzierenden Ländern unter Berücksichtigung ihrer Governance-Leistung und von Handelsaspekten.

Dabei seien auch Umwelt- und Menschenrechtsrisiken entscheidend für den Abbau, sagt Tobias Kind-Rieper vom WWF. Umweltkatastrophen und Menschenrechtsverletzungen in Bergbauregionen wirkten sich ebenso auf die Belastbarkeit von Lieferketten aus wie wirtschaftliche Faktoren. “Die Frage der Rohstoffsicherheit muss mit einer solchen Risikobewertung einhergehen. Die Liste kritischer Rohstoffe sähe dann anders aus.”

“Wir sehen den Bedarf, dass nicht nur über ,kritische Rohstoffe’ eine Richtlinie gelegt werden sollte”, sagt Daniel Quantz von der Wirtschaftsvereinigung Metalle. “Vielmehr müssen durch die Kommission auch andere Metalle wie Kupfer und Aluminium mit in den Blick genommen werden.”

  • Critical Raw Materials Act
  • Recycling
  • Rohstoffe
  • Rohstoffstrategie
  • Thierry Breton

Puglierin: “Deutschland hat Vertrauen bei Partnern im Osten verloren”

Jana Puglierin ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations.

Frau Puglierin, Deutschland war bis zum 24. Februar 2022 tonangebend in der EU bei Beziehungen zu Russland, ließ Warnungen aus Polen und den baltischen Staaten abprallen. Jetzt wirkt Berlin getrieben. Wie haben die vergangenen elf Monate das Machtgefüge in der EU verändert?
Die Deutschen haben am 24. Februar letzten Jahres die Deutungshoheit bei der Russlandpolitik der EU verloren. Dagegen sehen sich Länder in Zentraleuropa, also Polen, die baltischen Staaten, Tschechien jetzt gestärkt. Jahrelang galten sie als russophobe, fast schon hysterische Länder, die übertreiben. Ihre Ängste wurden nicht ernst genommen. Jetzt steht Deutschland eigentlich vor dem Bankrott der jüngeren Russlandpolitik. Wir haben viele Entwicklungen in Russland nicht gesehen …

Oder nicht sehen wollen …
Oder beides. Kommt darauf an, wer auf der deutschen Seite der Akteur war. Der Schock nach dem Beginn des Krieges saß tief. Die Mittel- und Osteuropäer haben dann bei der europäischen Antwort auf den Krieg das Narrativ stark bestimmt. Sie haben rasch Initiativen gestartet und das Tempo der Reaktionen vorgegeben in einer Weise, wie es vorher nicht denkbar war.

Sie fühlten sich bestätigt?
Ja, nach Kriegsbeginn hatten sie einen Moment der moralischen Überlegenheit. Die Debatte um den Visa-Bann für russische Staatsbürger zeigt beispielsweise, wie mittel- und osteuropäische Staaten begannen, die europäische Agenda zu bestimmen. Deutschland fand sich hier sowie auch in der Debatte um den Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System eher in der Rolle des Bremsers.  

Zurückhaltend bei Reaktionen auf Russlands Überfall war auch Frankreich. Gleichzeitig gibt es Verstimmungen zwischen Paris und Berlin, ausgerechnet 60 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags. Führt das zum Machtverlust der alten großen Player und Machtgewinn für Mittel- und Osteuropa?
Polen, die baltischen Staaten oder Tschechien haben auch früher schon nicht nach Frankreich geschaut, wenn es um Russland ging. Unsere Coalition Explorer Daten aus dem Jahr 2020, mit denen wir sozusagen “gemessen” haben, wie sich Länder gegenseitig wahrnehmen, zeigten, dass die Beziehungen zwischen Frankreich und Mittel- und Osteuropa ganz schwierig waren. Deswegen haben sie dann auch nicht nach Paris geschaut, als in ihrer Nachbarschaft ein Krieg ausbrach. Sie haben stattdessen die Dynamik selbst bestimmt. Nach der jahrelangen Dominanz des deutsch-französischen Tandems fand ich dies zur Abwechslung ganz erfrischend. Inwiefern es zu einer nachhaltigen Machtverschiebung von Paris und Berlin nach Mittel- und Osteuropa kommt, wird sich zeigen.

Polen kommt aus der Schmuddelecke

Wer hat dabei besonders profitiert?
Nun, vor einem Jahr war Polen noch das Schmuddelkind in der EU. Es gab einen Konflikt mit der Biden-Administration, mit Berlin, mit der EU-Kommission in Brüssel. Heute geht an Warschau kein Weg mehr vorbei, es ist ein ganz zentrales Land für die Unterstützung der Ukraine. Außerdem nimmt sich Warschau als zentraler Akteur bei der Verteidigung westlicher Werte wahr. Ebenso sehen sich die Esten und Litauer in dieser Rolle. Das Ganze hat aber auch einen gefährlichen Drall, denn Polen ist in vielen Bereichen ein problematischer Akteur, etwa bei der Frage der Migration und der Rechtsstaatlichkeit.  

Und Frankreich?
Paris hatte bisher keinen Zeitenwende-Moment. Macron ist eher weiter auf seinem Kurs geblieben. Und die Franzosen finden die enge Verständigung zwischen Scholz und Biden schwierig, besonders, was die Rüstungspolitik und das Beschaffungswesen für die Bundeswehr betrifft. Die Franzosen wünschen sich mehr Investitionen in die europäische Rüstungsindustrie und eine stärkere Europäisierung des Sondervermögens, während Deutschland gerade sehr viel von der Stange in den USA kauft. Deutlich war das, als Deutschland sich für die US-Jets F-35 entschied. Frankreich – und übrigens auch Polen – sind bei der Luftverteidigungsinitiative European Sky Shield nicht dabei.

Was bedeutet das alles für die Verteidigungsfähigkeit der EU?
Gerade für die Europäer an der Ostflanke sieht es so aus, dass ihnen im Zweifel nur Amerika aus der Patsche helfen kann. Ihnen ist klar, dass die Ukraine nicht mehr existieren würde, wenn die USA nicht so schnell gehandelt hätten. Sie nehmen auch wahr, dass die Ramstein-Konferenz zwar in Deutschland stattfindet, aber die Amerikaner sie organisieren. Ich glaube, dieser Krieg zeigt ganz stark, wie zentral die Rolle der Nato, speziell das Engagement der USA, für europäische Verteidigungsfähigkeit ist. Ich finde es schade, dass die Europäer nicht gleichzeitig dieses Momentum nutzen, um die europäische Verteidigungskooperation noch stärker voranzutreiben.

Deutschland wartet auf die USA

Nun hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor der Ramstein-Konferenz gesagt, dass Leopard-Panzer erst geschickt werden, wenn die USA ihre Abrams schicken.
Deutschland wartet im Prinzip immer auf die Amerikaner und möchte nicht nur mit europäischen Partnern couragiert vorangehen. Eine europäische Leopard-2-Initiative würde diese Chance bieten, aber ohne die USA scheint es auch hier nicht zu gehen. Wir reden zwar davon, dass wir der Hauptgarant für europäische Sicherheit werden wollen, aber wir handeln oft nicht so. Und wir haben in den letzten elf Monaten viel Vertrauen der östlichen Partner verloren. Polen bildet jetzt eine große Armee, investiert in sie, während wir noch darüber reden.

Das sowieso schon komplizierte Machtgefüge in der EU wird spätestens seit dem Krieg in Syrien und dem Flüchtlingspakt Brüssels mit Ankara von 2016 auch von der Regierung Erdoğans beeinflusst. Hat sich Europa mit dem damaligen Deal oder auch jetzt als selbsternannter Vermittler im russisch-ukrainischen Krieg erpressbar gemacht?
Jetzt wäre es jedenfalls der falsche Moment, das Tischtuch mit der Türkei zu zerschneiden. An der Türkei sieht man gut, dass die Mittelmächte erstarken. Deutlich zum Beispiel daran zu sehen, dass es einerseits Drohnen an die Ukraine liefert, andererseits von Russland als Gesprächspartner akzeptiert wird. Die EU ist dankbar, dass Erdogan den Getreidedeal vermitteln konnte. Ankara spielt die Abhängigkeiten gezielt aus, wie man beim Pokern um die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato sieht. Das hat natürlich mit der Präsidentschaftswahl in der Türkei in diesem Jahr zu tun.

Jana Puglierin ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations und Leiterin des Berliner Büros des ECFR und gehört zum erweiterten Vorstand von Women in International Security Deutschland (WIIS).

  • ECFR
  • Leopard 2 Panzer
  • Polen
  • Sicherheitspolitik
  • WIIS

Energieplattform: Hin und Her vor Gericht

Das Europäische Gericht hat einen vorläufigen Beschluss zurückgenommen, der den gemeinsamen Gaseinkauf der EU verzögert hätte. Zuvor hatte das “Handelsblatt” über die zunächst erfolgreiche Klage des Münchner Unternehmens Enmacc gegen die Kommission berichtet. Das Unternehmen betreibt eine Energiehandelsplattform und wollte sich auf eine Ausschreibung für eine IT-Plattform bewerben, mit der die Kommission den gemeinsamen Gaseinkauf organisieren möchte.

Über die Energieplattform wollen die Mitgliedstaaten 15 Prozent ihrer Speicherverpflichtungen erfüllen und einen exzessiven Anstieg der Gaspreise wie im vergangenen Sommer verhindern. Die entsprechende Verordnung hatte die Kommission am 18. Oktober vorgelegt, die EU-Energieminister nahmen sie aber erst am 19. Dezember an. Mehrere Staaten hatten sie hinausgezögert als Faustpfand für die Einführung des Gaspreisdeckels.

Dringlichkeitsvergabe für schnellen Vertragsschluss

Das Vergabeverfahren hatte die Kommission nicht öffentlich bekannt gemacht, sondern eine sogenannte Dringlichkeitsvergabe gewählt. Am 30. November hatte sie die Ausschreibung mit einer begrenzten Zahl von Bietern geteilt, wie aus den beiden Beschlüssen hervorgeht, die Europe.Table vorliegen. Demnach habe die Kommission darauf gehofft, noch im Januar einen Vertrag abschließen zu können.

“Vieles in dieser Ausschreibung ist wenig konkret”, sagte Enmacc-Geschäftsführer Jens Hartmann dem “Handelsblatt”. “Umso wichtiger wäre es, dass unterschiedliche Bewerber ihr Konzept einer Handelsplattform der Kommission vorstellen können. Wir haben uns vergeblich um eine konstruktive Zusammenarbeit bemüht. Als letzte Option blieb uns leider nur der Rechtsweg.” Enmacc beantragte am 4. Januar vorläufigen Rechtsschutz und einen Stopp der Vergabe.

Kläger argumentiert mit ausreichender Vorlaufzeit

Schon einen Tag später folgte zunächst ein positiver Bescheid des Europäischen Gerichts, den es am 18. Januar aber wieder zurücknahm. Zur Begründung führt das Gericht die Stellungnahme der Kommission vom 16. Januar an. Darin “unterstreicht die Kommission die äußerst außergewöhnlichen Umstände dieses Falles”, heißt es in dem zweiten Beschluss. “Die Kommission betont insbesondere die Tatsache, dass eine fortgesetzte Aussetzung gemäß dem Beschluss vom 5. Januar die rechtzeitige Umsetzung eines sehr wichtigen Teils der Maßnahmen der Europäischen Union zur Bewältigung der aktuellen Energiekrise gefährden würde.”

Der Kläger argumentiert laut “Handelsblatt” aber, dass die Kommission schon seit März daran arbeite, den Gasbedarf zu bündeln. Seitdem hätte sie sich um eine Ausschreibung kümmern können.

Anwälte sehen hohe Hürden für Kommission

Juristen räumen Enmacc durchaus Chancen ein. Das europäische Vergaberecht setze staatlichen Nachfragen hohe rechtliche Hürden, wenn sie in Ausnahmefällen auf Dringlichkeitsvergaben zurückgreifen wollen, sagt der Vergaberechtsexperte Mario Kreutzer von Bird & Bird: “Die Ursache für die aktuelle Versorgungsknappheit im Gasmarkt ist unstreitig ein unvorhersehbares Ereignis. Dies allein reicht jedoch nicht, um auf einen unionsweiten Wettbewerb verzichten zu dürfen.”

“Auf den ersten Blick leuchtet nicht ein, warum die EU-Kommission seinerzeit nicht bereits unverzüglich eine Ausschreibung vorbereitet hat oder zuletzt zumindest auf das Instrumentarium beschleunigter Vergabeverfahren mit verkürzten Fristen als milderes Mittel zurückgegriffen hat“, sagt Kreutzer.

Ähnlich sieht es auch Christopher Marx von Heuking Kühn Lüer Wojtek, der aber auch der EU-Kommission noch Chancen einräumt: “Die Gerichte stellen regelmäßig hohe Anforderungen an Dringlichkeitsvergaben, weshalb diese Verfahren öfters mit Erfolg angegriffen werden. Sicher ist das hier aber nicht. Dem zweiten Beschluss ist zu entnehmen, dass das Gericht der Versorgungssicherheit einen hohen Stellenwert einräumt.”

Eine endgültige Entscheidung in dem Verfahren steht noch aus.

  • Energie
  • Europapolitik
  • Vergaberecht

EU-Monitoring

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für Internationalen Handel (INTA)
Themen: Entwurf einer Stellungnahme zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Entwurf einer Stellungnahme zum Schutz der geografischen Angabe handwerklicher und gewerblicher Erzeugnisse, Stand der laufenden Trilog-Verhandlungen. Vorläufige Tagesordnung

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
Themen: Entwurf einer Stellungnahme zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Meinungsaustausch mit Ararat Mirzoyan (Minister für auswärtige Angelegenheiten der Republik Armenien), Meinungsaustausch mit Rafael Mariano Grossi (Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde). Vorläufige Tagesordnung

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
Themen: Jahresbericht 2022 zur Bankenunion, Wirtschaftsdialog und Meinungsaustausch mit Elisabeth Svantesson (ECOFIN-Präsidentin und schwedische Finanzministerin), Strukturierter Dialog mit Mairead McGuinness (Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion). Vorläufige Tagesordnung

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT)
Themen: Entlastung des Gesamthaushaltsplans der EU. Vorläufige Tagesordnung

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
Themen: Berichtsentwurf zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten, Berichtsentwurf zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen, Berichtsentwurf zu elektronischen Behördendiensten zur schnelleren Abwicklung digitaler öffentlicher Dienstleistungen, die dem Funktionieren des Binnenmarkts förderlich sind. Vorläufige Tagesordnung

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
Themen: Vorschläge des Europäischen Parlaments zur Änderung der Verträge, Entwurf einer Stellungnahme zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen, Vorstellung der Kommission zur EU-Strategie für globale Gesundheit. Vorläufige Tagesordnung

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE)
Themen: Entwurf einer Stellungnahme zur EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien, Abstimmung zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Halbleiter-Ökosystems (Chip-Gesetz), Berichtsentwurf zur Gründung der Gemeinsamen Unternehmen im Rahmen von “Horizont Europa” hinsichtlich des Gemeinsamen Unternehmens für Chips. Vorläufige Tagesordnung

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL)
Themen: Entwurf eines Entschließungsantrags zum angemessenen Mindesteinkommen zur Gewährleistung der aktiven Inklusion, Entwurf einer Stellungnahme zur Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, Mitteilung zur Einrichtung eines sozialen Klimafonds. Vorläufige Tagesordnung

23.01.-24.01.2023
Sitzung des Ausschusses für den Einsatz von Pegasus und ähnlicher Überwachungs- und Spähsoftware (PEGA)
Themen: Anhörung zum Thema “Einsatz von Spyware durch private Akteure”, Gedankenaustausch. Vorläufige Tagesordnung

23.01.2023 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Laufende Angelegenheiten, Gedankenaustausch zu Russlands Aggression gegen die Ukraine, Gedankenaustausch zu den westafrikanischen Sahel- und Küstenländern Vorläufige Tagesordnung

25.01.2023
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Stärkung des sozialen Dialogs (Mitteilung über die Stärkung des sozialen Dialogs in der Europäischen Union, Empfehlung des Rates zur Förderung des sozialen Dialogs auf EU- und nationaler Ebene). Vorläufige Tagesordnung

25.01.2023
EuGH-Verhandlung zur Finanzierung der Festen Fehmarnbeltquerung
Themen: Mit Beschluss vom 20. März 2020 gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass das öffentliche Finanzierungsmodell für die Feste Fehmarnbeltquerung zur Verbindung der dänischen und der deutschen Küste mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar ist. Die Kommission hatte das Finanzierungsmodell bereits im Juli 2015 ein erstes Mal genehmigt. Auf Klagen von Scandlines und Stena Line hin erklärte das Gericht der EU den Kommissionsbeschluss von 2015 jedoch mit Urteilen vom 13. Dezember 2018 aus verfahrensrechtlichen Gründen teilweise für nichtig. Scandlines Danmark und Scandlines Deutschland haben den Kommissionsbeschluss vom 20. März 2020 vor dem Gericht der EU angefochten (wie zuvor schon den Kommissionsbeschluss von 2015). Klage

25.01.2023 – 09:00-17:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Entwicklung (DEVE)
Themen: Berichtsentwurf zur Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung, Entwurf einer Stellungnahme zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Entwurf einer Stellungnahme zur EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien. Vorläufige Tagesordnung

25.01.2023 – 15:00-18:45 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Steuerfragen (FISC)
Themen: Öffentliche Anhörung zu dem Thema “Wie soll der BEFIT-Vorschlag aussehen?”, Offene Sitzung der Koordinatoren zu den steuerlichen Auswirkungen des US-Gesetzes zur Verringerung der Inflationsrate. Vorläufige Tagesordnung

26.01.-27.01.2023
Informelle Ministertagung Justiz und Inneres
Themen: Bekämpfung der organisierten Kriminalität im digitalen Zeitalter, Verfolgung der wichtigsten internationalen Straftaten in der Ukraine. Vorläufige Tagesordnung

26.01.2023
EuGH-Verhandlung zur Datenspeicherung bei privaten Wirtschaftsauskunfteien
Themen: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat auf die Klage eines Betroffenen hin darüber zu entscheiden, ob der Hessische Datenschutzbeauftragte es zu Recht abgelehnt hat, darauf hinzuwirken, dass die private Wirtschaftsauskunftei SCHUFA die Eintragung einer Restschuldbefreiung löscht. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ersucht den Gerichtshof in diesem Zusammenhang um Auslegung der Datenschutzgrundverordnung 2016/679 sowie der EU-Grundrechte-Charta. Antrag

26.01.2023 – 10:30-11:30 Uhr
Internationaler Holocaust-Gedenktag
Themen: Feierliche Ansprache von Isaac Herzog (Staatspräsident Israels). Vorläufige Tagesordnung

News

EU bereitet zehntes Sanktionspaket gegen Moskau vor

Die EU bereitet sich auf ein neues, zehntes Sanktionspaket gegen Russland vor. Es soll vor dem ersten Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine am 24. Februar stehen, sagten EU-Diplomaten in Brüssel. Erste Vorschläge will die Kommission am Wochenende im sogenannten Beichtstuhl-Verfahren mit den 27 EU-Staaten sammeln. Dabei wird jedes Land einzeln befragt.

Für eine neue Sanktionsrunde haben sich bereits Polen, Litauen und die Ukraine ausgesprochen. Schweden, das den EU-Ratsvorsitz führt, äußerte sich zurückhaltend. Mit jedem weiteren Sanktionspaket werde es schwieriger, sagte der schwedische EU-Botschafter Lars Danielsson. Die meisten Bereiche seien bereits abgedeckt; zudem müssten die Strafen Russland stärker treffen als die EU.

Bei den Beratungen am Sonntag geht es zunächst um eine Ideensammlung und Sondierung. Die Kommission will verschiedene Optionen “testen” und mögliche rote Linien der EU-Staaten erkunden. Bei der letzten Sanktionsrunde im Dezember standen mehrere Länder auf der Bremse. Auch Polen hatte bis zuletzt Vorbehalte, weil der Ölpreisdeckel aus polnischer Sicht zu sanft ausfiel.

Strafmaßnahmen gegen Diamanten-Handel im Gespräch

In Brüssel wird deshalb mit schwierigen Diskussionen gerechnet. Dabei geht es nicht nur um die Nachjustierung des Preisdeckels, die Warschau fordert. Die EU-Staaten bereiten sich auch auf den “Rollover” (Verlängerung) der bestehenden Sanktionen vor. Ungarn hat bereits gefordert, mehrere russische Oligarchen von der Sanktionsliste zu nehmen. Sie muss bis zum 15. März erneuert werden.

Die EU hat wegen der russischen Invasion mehr als 1.300 Individuen und 170 Organisationen sanktioniert. Zumeist wurden Reisesperren verhängt und Vermögen eingefroren. Die erhoffte Wirkung, ein schnelles Ende des Kriegs oder ein Schrumpfen der russischen “Kriegskasse”, wurde jedoch nicht erreicht.

Nun ruhen die Hoffnungen auf dem im Dezember erlassenen EU-Ölembargo und dem internationalen Gaspreisdeckel sowie auf der nächsten Sanktionsrunde. Im Gespräch sind zusätzliche Strafmaßnahmen gegen den russischen Atomenergie-Sektor (Rosatom) und gegen den Diamanten-Handel. Hier haben allerdings mehrere Staaten Vorbehalte, neben Ungarn steht auch Belgien auf der Bremse. ebo

  • EU-Außenpolitik
  • Europapolitik
  • Sanktionen

IRA: Antwort aus Paris und Berlin bei Ministerrat

Paris und Berlin wollen beim 23. deutsch-französischen Ministerrat am 22. Januar einen gemeinsamen Ansatz zu einer europäischen Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA bekannt geben. Der Ministerrat tagt am 60. Jahrestag des am 22. Januar 1963 unterzeichneten Élysée-Vertrags.

Aus dem Élysée-Palast heißt es: “Wir arbeiten mit unseren deutschen Partnern an einem gemeinsamen Ansatz, der in einer Erklärung am Sonntag angekündigt wird.”

In Bezug auf die französische Position, die öffentlich gemacht wurde, sei Berlin “offen für eine Reihe von Optionen”, fügte die Quelle hinzu und erklärte, dass Paris “die roten Linien” anerkenne, die von Berlin gesetzt wurden. Die Quelle aus dem Élysée-Palast gab keine Einzelheiten bekannt.

Die EU-Gipfel im Februar und März werden die Gelegenheit bieten, die gemeinsamen Positionen zwischen Berlin und Paris einerseits und den 27 Mitgliedstaaten andererseits weiter auszuarbeiten, hieß es weiter.

Fünf Themen am Sonntag

Der deutsch-französische Ministerrat wird sich mit fünf Themen befassen:

  • Verteidigung und Sicherheit
  • Industrie- und Wirtschaftspolitik: Erwartet wird eine Ankündigung eines Forschungsprogramms zu Batterien und künstlicher Intelligenz
  • Energie mit Schwerpunkt Wasserstoff
  • Verkehr: es soll eine Ankündigung für Jugendliche geben
  • Reform der EU und EU-Erweiterung

Zum Schluss treffen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron zu zweit zum Abendessen. “Dabei können eine Reihe von Fragen angesprochen werden, die während der Plenarsitzung nicht angesprochen oder geteilt wurden”, so die Quelle aus dem Élysée-Palast weiter. cst

  • Deutschland
  • Inflation Reduction Act

Macron und Sánchez unterzeichnen Freundschaftsvertrag 

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und der französische Präsident Emmanuel Macron haben am Donnerstag in Barcelona einen Freundschaftsvertrag zwischen Spanien und Frankreich unterzeichnet. Der Vertrag beinhaltet energiepolitische Fragen, wie etwa das gemeinsame Interesse an der Wasserstoff-Pipeline H2Med. Wichtige Themen des Abkommens sind darüber hinaus Sicherheit, Grenzpolitik und Kultur. Trotz der engen Geschichte, der bilateralen Beziehungen und der geografischen Nähe der beiden Länder hatte es einen solchen Vertrag bislang nicht gegeben.

Nach der Unterzeichnung der Abkommen betonten Sánchez und Macron auf der Pressekonferenz den europäischen Charakter des gemeinsamen Ziels. Die beiden Präsidenten bekräftigten ihre Haltung zu einer Reform des europäischen Energiemarktes.

Konsultation vor wichtigen Beschlüssen

Das Abkommen sieht vor, dass beide Länder jährlich ein bilaterales Gipfeltreffen abhalten und dass sie mindestens alle drei Monate abwechselnd in den Ministerrat des befreundeten Landes eingeladen werden. Darüber hinaus werden Arbeitsgruppen zu Migrations- und Verteidigungsfragen eingerichtet, und jährlich soll ein bilaterales Wirtschafts- und Unternehmensforum stattfinden. Die beiden Länder verpflichten sich außerdem, den Austausch in den Bereichen Kultur und Bildung zu fördern und einander regelmäßig zu konsultieren, bevor wichtige europäische Beschlüsse zu Fragen von gemeinsamem Interesse gefasst werden.  

Die Idee eines Freundschaftsvertrags zwischen den beiden Ländern sei während des Gipfels in Montauban im Jahr 2021 geboren, so die beiden Staatschefs. Die Unterzeichnung des Abkommens erfolgt vor dem Hintergrund der separatistischen Proteste in der katalanischen Hauptstadt. Isabel Cuesta

  • Energie
  • Spanien

Volle Gasspeicher dank EU-weiten Sparens

Die deutschen Gasspeicher seien auch deshalb so gut gefüllt, weil “sehr viel weniger Gas” in die Nachbarländer weitergeleitet wurde, als zunächst von der Regulierungsbehörde angenommen. “Dort ist teilweise mehr eingespart worden als bei uns. […] Rückblickend würde ich sagen, in den Prognosen der Bundesnetzagentur haben wir diesen Faktor am wenigsten gewürdigt”, sagte der Präsident der BNetzA, Klaus Müller, in einem Interview mit Table.Media.

In früheren Szenarien war die Bundesnetzagentur davon ausgegangen, dass die deutschen Gasspeicher im Winter wesentlich geringere Füllstände aufweisen würden, als es derzeit der Fall ist. Müller erklärte die mangelhafte Vorhersagegenauigkeit zum Teil mit “suboptimalen Daten”. “Wir haben viel Zeit darauf verwenden müssen, eine halbwegs valide Datenbasis zu erzeugen. Und es hat auch was mit weiteren Quellen zu tun. Einige Länder haben LNG-Terminals reaktiviert, die in der Vergangenheit schlecht ausgelastet waren”, sagte der BNetzA-Präsident.

Debatte um LNG-Terminals

Müller signalisierte zudem, dass in Deutschland möglicherweise nicht alle LNG-Terminals gebaut werden, die derzeit in Planung sind. “Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Bundesregierung Vorsorge trifft, und das bedeutet im Zweifelsfall auch, auf einen extrem kalten Winter vorbereitet zu sein und Redundanzen einzuplanen für den Fall, dass ein Terminal oder eine weitere Pipeline ausfällt.”

Ebenso richtig sei es, auch an die Nachbarländer zu denken. Dennoch werde man sich die Statistiken wohl noch mal genauer anschauen. “Ob am Ende alle derzeit diskutierten Terminals realisiert beziehungsweise voll ausgelastet werden, wird man sehen.” mk/ber

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  • LNG

Wirtschaftsvertreter fordern kulanteres Lieferkettengesetz

Zwar unterstütze die Unternehmerschaft eine Richtlinie für Nachhaltigkeitspflichten für Unternehmen. Allerdings sollte sie realistisch, umsetzbar und verhältnismäßig sein, warnten führende Unternehmerverbände gestern in einem gemeinsamen Schreiben. Zu den Unterzeichnern gehören Business Europe, Eurochambers und der europäische Textilverband.

Sie fordern insbesondere:

  • Ein harmonisiertes Gesetz, welches von den EU27 gleich ausgelegt wird. Nur so könne eine Fragmentierung des Binnenmarktes verhindert werden. Tatsächlich liegt hier eine große Gefahr des Vorschlags, etwa wenn Mitgliedstaaten ihre Sanktionen unterschiedlich ansetzen.
  • Nicht die ganze Wertschöpfungskette soll unter das Gesetz fallen – die Unternehmerschaft bevorzugt einen risikobasierten Ansatz: Unternehmen sollen dort eingreifen, wo ein tatsächliches Risiko für die Verletzungen von Vorgaben zu Menschenrechten oder Umweltschutz besteht. Die Auflagen an Unternehmen sollen zudem proportional zu deren Größe und Mitteln ausfallen. Auch der Wolters-Bericht und das Mandat des Rates plädieren für einen risikobasierten Ansatz, allerdings sieht der Vorschlag von Berichterstatterin Lara Wolters die Einbeziehung der gesamten Lieferkette vor.
  • Keine persönliche Haftung für Unternehmenschefs: Solche Auflagen würden nicht in ein Lieferkettengesetz gehören und nationales Unternehmensrecht womöglich untergraben, hieß es. Auch die Kommission tat sich mit diesem Aspekt schwer, hat sich dann aber auf einen Kompromiss einigen könnten. Demnach soll die Bezahlung von Direktoren an die Umsetzung einer Unternehmensstrategie zum Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft gekoppelt werden.
  • Die Auflagen für die zivilrechtliche Haftung für Unternehmen solle “ausbalanciert” sein und der Tatsache Rechnung tragen, dass Unternehmen nicht für Vorkommnisse haftbar sein dürfen, die sie nicht direkt verursacht haben. Dies dürfte in den Verhandlungen zwischen Parlament und Rat ein großer Knackpunkt werden. Der Wolters-Bericht will es Geschädigten einfacher machen, vor EU-Gerichten gegen Unternehmen vorzugehen. Der Rat will diesen Punkt abschwächen.
  • Industrie-Koalitionen (industry schemes) und Multi-Stakeholder-Initiativen sollen einen größeren Stellenwert erhalten. Dies sieht der Vorschlag der Kommission vor. Das Parlament will die Rolle solcher Koalitionen jedoch abschwächen. Unternehmen sollen ihre Verantwortung nicht einfach abgeben, so der Wolters-Bericht. Tatsächlich können solche Modelle Schlupflöcher bieten, wie die Konfliktmineralienverordnung zeigt.

Spätestens in der zweiten Hälfte dieses Jahres dürften die Trilogverhandlungen zum Lieferkettengesetz beginnen. Während der Rat sich im Dezember auf eine allgemeine Ausrichtung einigen konnte, verhandelt das Parlament noch. Der JURI-Ausschuss stimmt voraussichtlich im März über den Bericht von Lara Wolters ab. Die Abstimmung im Plenum ist für Mai angesetzt. cw

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Breton fordert mehr Einsatz von Tiktok

Tiktok-CEO Shou Zi Chew bemüht sich weiter, in Brüssel gute Stimmung für sein Unternehmen zu verbreiten. Es habe einen guten Austausch zwischen ihm und EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton gegeben, twitterte Caroline Greer, Director Public Policy and Government Relations der chinesischen Video-App am Donnerstag. Das Gespräch mit Breton fand per Videochat statt.

Tiktok begrüße die Gelegenheit, sein Engagement für den DSA zu bekräftigen, schrieb Greer. Außerdem hätten beide über die Einhaltung der DSGVO sowie den Verhaltenskodex für Desinformation gesprochen. Vergangene Woche hatte sich der Tiktok-CEO bereits mit Wettbewerbskommissarin Vestager und weiteren Kommissaren persönlich in Brüssel getroffen. Tiktok werden in den USA und anderswo Datenschutzverletzungen, Spionage und Zensur vorgeworfen.

Breton äußerte sich besorgt über die Vorwürfe, dass Journalisten ausspioniert und personenbezogene Daten ins außereuropäische Ausland übertragen worden seien. “Mit Millionen von jungen Nutzern in Europa trägt Tiktok eine besondere Verantwortung dafür, dass seine Inhalte sicher sind”, sagte Breton nach Angaben eines Sprechers.

Breton habe Shou Zi Chew darauf hingewiesen, sich stärker um die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften in den Bereichen Datenschutz, Urheberrecht und Online-Plattformen zu bemühen. Der DSA sehe abschreckende Sanktionen vor. Und die EU werde nicht zögern, diese zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger auszuschöpfen, wenn die Audits nicht die vollständige Einhaltung der Vorschriften belegten. “Ich fordere Tiktok nachdrücklich auf, sein Geschäft schon lange vor dem 1. September 2023 mit dem DSA in Einklang zu bringen”, sagte Breton. vis

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Eva Kaili weiter in Haft

Die ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlamentes, Eva Kaili, muss weiter in Untersuchungshaft bleiben. Das hat das belgische Gericht gestern erneut bestätigt. Kaili muss sich wegen Geldwäsche, Korruption und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation verantworten.

Die Griechin soll Geld und Geschenke angenommen haben, um politische Entscheidungen im Sinne Katars und Marokkos zu beeinflussen. Rund 600.000 Euro Bargeld wurden in der gemeinsamen Wohnung von Eva Kaili und ihrem Lebensgefährten Francesco Giorgi beschlagnahmt. Kailis Vater wurde dabei ertappt, wie er versuchte, einen Koffer voller Geld zu verstecken. Francesco Giorgi sitzt ebenfalls im Gefängnis.

Panzeri will Netzwerk offenlegen

Kaili und Giorgi sollen Teil eines vom ehemaligen Abgeordneten Pier Antonio Panzeri ins Leben gerufenen Korruptionsnetzwerks sein. Geld gegen Einfluss lautete die Abmachung, die Panzeri mit autokratischen Regimes abschloss. Neben Katar sollen Marokko und Mauretanien zu Panzeris Klienten gehört haben.

Am Dienstag wurde bekannt, dass Panzeri sich mit der belgischen Justiz auf einen Deal eingelassen hat. Für eine relativ milde Haftstrafe werde er den Ermittlern sein Netzwerk offenlegen.

Kaili hat 48 Stunden Zeit, um Einspruch gegen die Entscheidung des Gerichtes einzureichen. Die ehemalige Vizepräsidentin hat mit Francesco Giorgi eine Tochter. Bisher bestreitet sie die Vorwürfe. cw

 

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Presseschau

Kriegsverbrechen in der Ukraine: EU-Parlament für Sondertribunal TAGESSCHAU
EU-Grenzschutzbehörde: Frontex-Chef verspricht Ende von Pushbacks TAGESSCHAU
Abgesetzte EU-Parlamentsvize Kaili muss weiter in U-Haft bleiben RP-ONLINE
EU-Parlamentspräsidentin: Metsola meldet rund 140 Geschenke nach ZDF
Resolution zu Marokko: EU-Parlament kritisiert Umgang mit Journalisten FAZ
Iranisches Regime warnt: EU-Parlament stimmt für Aufnahme der Revolutionsgarden auf Terrorliste T-ONLINE
Russland pumpt weniger Gas durch Ukraine nach Europa ZEIT
EU to Consider More Russia Sanctions Despite Difficult Debates BLOOMBERG
DAVOS/IWF-Chefin: Führungsrolle für Europa im Kampf gegen Klimawandel HANDELSBLATT
Freundschaftsvertrag geschlossen: Paris und Madrid wollen US-Politik mit EU-Schulden kontern N-TV
Neuer Geldsegen für E-Mobilität? Von der Leyen will riesiges EU-Programm starten EFAHRER
EU verschiebt Endabstimmung über MiCA wegen Übersetzungsproblem TRENDINGTOPICS
Lebensbedrohliche Inhalte: EU-Kommission droht Tiktok mit Verbot FINANZEN
EU verhängt 5,5 Millionen Euro Strafe wegen Datenschutzverstoß gegen WhatsApp HANDELSBLATT
Die EU nimmt den Kampf gegen Fake News und Hassrede auf WIENERZEITUNG
The battle over European drug pricing FT
EU-Länder stellen sich gegen Verbot von Tiertransporten in Drittstaaten EURACTIV
Biopflanzenschutz: EU bremst Innovationen aus MAIN-ECHO
EU fördert klimaneutrales Zementwerk mit 109 Millionen Euro HEISE

Kolumne

Deutsch-französische Raffinesse im Mundatwald

Von Claire Stam
Schwarz-weiß Portrait von Claire Stam

Kennen Sie den Mundatwald? Ein gewöhnlicher deutscher Wald, könnte man meinen. Doch er hat eine besondere Geschichte – vor allem ein bestimmter Abschnitt des Waldes, der zum Oberen Mundatwald gehört. Dieses 680 Hektar große Gebiet wird vom französischen Office National des Forêts verwaltet und nach französischem Recht bewirtschaftet.

Der Obere Mundatwald ist insgesamt 40 km² groß und liegt an der deutsch-französischen Grenze, und zwar in der Nähe der elsässischen Stadt Wissembourg. Und hier ist ein kurzer historischer Rückblick absolut notwendig, um diese echte deutsch-französische Leckerei richtig genießen zu können:

Im Mittelalter gehörten der Wald und die Stadt Wissembourg zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Jahrhunderte später wurde beides durch die Eroberungen Ludwigs XIV. in Frankreich eingegliedert. Noch viel später, im Jahr 1815, verlor Napoleon in Waterloo und Frankreich unterzeichnete mit den Siegern den Zweiten Pariser Frieden, der seine Grenzen beschnitt.

Wald ging an Deutschland, dann wieder an Frankreich

Durch diesen Vertrag blieb Wissembourg in Frankreich, während der Mundatwald zwischen Frankreich und dem Königreich Bayern aufgeteilt wurde. Und genau hier lag das Problem: Wissembourg ist nämlich einer der Haupteigentümer des Oberen Mundatwaldes; und aufgrund der nicht einfachen deutsch-französischen Beziehungen – damals, wohlgemerkt – hatte die Stadt Schwierigkeiten, ihren Wald auf deutscher Seite zu nutzen, vor allem nach dem Ersten Weltkrieg. In dem Wald befinden sich Wasserquellen, die die Stadt Wissembourg versorgen.

Es folgte ein verwirrendes Hin und Her: Die Stadt Wissembourg verlor ihre Rechte an dem Wald auf deutscher Seite. Der französische Staat bekam sie zwischenzeitlich wieder zurück, bevor er sie am 16. Dezember 1937 für 1,35 Millionen Reichsmark an den deutschen Staat verkaufte. Nach 1945 gehörte der Obere Mundatwald zur französischen Besatzungszone. Kurz darauf, im Jahr 1948, diskutierte ein Ausschuss, dem die USA, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich angehörten, über die Möglichkeit, die Westgrenzen Deutschlands zu revidieren.

Als Konsequenz erhielt Frankreich schließlich das Waldgebiet zurück.

Aber Vorsicht: Für das Komitee, das diese Berichtigung genehmigte, war sie nur vorläufig. Nur ein Vertrag zwischen dem französischen Staat und dem deutschen Staat – den es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab – konnte diese Angliederung rechtskräftig machen, mit der notwendigen Zustimmung der Amerikaner und Briten. Erledigt wurde dieser Punkt mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Zehn Jahre später begann der Versöhnungsprozess zwischen Franzosen und Deutschen.

Ein originelles Abkommen

In diesem Zusammenhang wurde am 31. Juli 1962 ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die BRD die Zugehörigkeit der Fläche des Oberen Mundatwaldes zu Frankreich anerkennt. Aber in der BRD weigerten sich die Abgeordneten des Bundestags, das Abkommen zu ratifizieren. Wem gehörten diese 680 Hektar nun? Weder die Franzosen, die an diesem historisch gewachsenen Wald in Wissembourg festhalten, noch die Deutschen, die nach dem Krieg viele Gebiete verloren haben, schienen bereit zu sein, loszulassen. Erst in den 1980er-Jahren, einer idyllischen Zeit für das “deutsch-französische Paar”, änderte sich die Situation. Auf der Höhe ihrer Flitterwochen versuchten die ehemals besten Feinde tatsächlich, ihre alten Streitereien zu regeln.

Der Fall des Oberen Mundatwaldes kam also auf den Tisch, und es war der damalige französische Außenminister Claude Cheysson, der schließlich vorschlug, die Frage der Souveränität von der Frage des Eigentums zu trennen. Darin liegt die Raffinesse. Am 10. Mai 1984 versprach Frankreich, die Verordnung zur Angliederung der 680 Hektar an Frankreich aufzuheben, und Deutschland verpflichtete sich, das Eigentum Frankreichs an dem Wald samt seiner Rechte an den Wasserquellen und der Jagd anzuerkennen.

In Artikel B des Abkommens heißt es: “Freier Zugang zum Wald und zu den Quellen für das mit ihrer Pflege und Nutzung beauftragte Personal.” Das bedeutet konkret, dass das Personal des Office National des Forêts, das nach französischem Recht angestellt ist, in Deutschland Holz schlagen und es nach Frankreich bringen kann, und es mit französischer Mehrwertsteuer zu verkaufen.

Darin liegt tatsächlich die Originalität des Abkommens: Franzosen wird erlaubt, deutsches Gebiet zu bewirtschaften. Obwohl der Teil des Waldes zu Deutschland gehört, gilt dort französisches Recht. Ist der Obere Mundatwald damit deutsch oder französisch? Er ist wohl beides – das ist ja das Charmante.

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Was vom Critical Raw Materials Act zu erwarten ist
    • Puglierin: “Deutschland hat Vertrauen bei Partnern im Osten verloren”
    • Energieplattform: Hin und Her vor Gericht
    • EU-Monitoring
    • EU bereitet zehntes Sanktionspaket gegen Moskau vor
    • IRA: Antwort aus Paris und Berlin bei Ministerrat
    • Macron und Sánchez unterzeichnen Freundschaftsvertrag
    • Volle Gasspeicher dank EU-weiten Sparens
    • Wirtschaftsvertreter wollen kulanteres Lieferkettengesetz 
    • Breton fordert mehr Einsatz von Tiktok
    • Eva Kaili weiter in Haft
    • Kolumne: Deutsch-französische Raffinesse im Mundatwald
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Anfang März will die Kommission ihr Gesetzespaket zur Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen vorstellen. Der Druck ist groß: Die EU muss nicht nur auf die Lieferengpässe reagieren, die infolge der Pandemie und des russischen Angriffs auf die Ukraine entstanden sind – sondern auch auf den Inflation Reduction Act der USA. “Das Gesetz wird für den schwedischen Ratsvorsitz in den kommenden Monaten oberste Priorität haben”, sagte die schwedische Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch direkt zum Auftakt der Ratspräsidentschaft. Leonie Düngefeld analysiert, was vom Critical Raw Materials Act zu erwarten ist

    “Paris hatte bisher keinen Zeitenwende-Moment”, sagt Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations. Macron sei auch nach dem 24. Februar 2022 eher weiter auf seinem Kurs geblieben. Doch auch Deutschland mache in der Sicherheitspolitik keine gute Figur – zumindest aus Sicht der EU-Länder in Mittel- und Osteuropa. Im Interview mit Nana Brink und Viktor Funk spricht die Forscherin über alte und neue Rollen der Mitgliedstaaten, die Verteidigungsfähigkeit der EU und die enge Verständigung zwischen Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Biden.

    Um die Energieplattform der EU wurde intensiv gerungen. Die entsprechende Verordnung hatte die Kommission am 18. Oktober vorgelegt, die EU-Energieminister nahmen sie aber erst zwei Monate später an. Nun gibt es weitere Auseinandersetzungen, dieses Mal mit einem juristischen Hintergrund: Das Europäische Gericht hat einen vorläufigen Beschluss zurückgenommen, der den gemeinsamen Gaseinkauf der EU verzögert hätteManuel Berkel hat die Hintergründe. 

    Ihre
    Sarah Schaefer
    Bild von Sarah  Schaefer

    Analyse

    Was vom Critical Raw Materials Act zu erwarten ist

    Der Druck ist groß, besonders für Binnenmarktkommissar Thierry Breton: Nach den durch Pandemie und Krieg verursachten Lieferengpässen muss die EU nun auch auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) reagieren – und hat den Termin für den Critical Raw Materials Act mittlerweile mehrmals vorverlegt. Ende November war die Frist für die öffentliche Konsultation, nun arbeitet die Kommission parallel an der Folgenabschätzung und am Entwurf. Diesen will sie laut der aktuellen Agenda am 8. März vorstellen.

    “Das Gesetz wird für den schwedischen Ratsvorsitz in den kommenden Monaten oberste Priorität haben“, verkündete die schwedische Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch bei einer Pressekonferenz zum Auftakt der Ratspräsidentschaft – im Kiruna-Bergwerk, wo das Bergbauunternehmen LKAB gleichzeitig wirkungsvoll inszeniert einen gigantischen Fund Seltener Erden bekannt gab.

    Bekannt ist: Die Kommission plant ein Paket aus legislativen und nichtlegislativen Initiativen, die auf vier Säulen basieren soll: Definition strategischer Prioritäten, Monitoring und Risikomanagement, Stärkung der Wertschöpfungskette innerhalb der EU, Level-playing field. Auch Umwelt- und Sozialstandards sollen gestärkt werden, doch oberstes Ziel bleibt die Versorgungssicherheit.

    Peter Handley, Leiter der Referats Energieintensive Industrien, Rohstoffe und Wasserstoff in der zuständigen DG GROW, sagte: “Unser Ziel ist, eine widerstandsfähige Lieferkette zu gewährleisten und unsere Versorgungssicherheit für die Dinge zu verbessern, die wir für unseren grünen und digitalen Wandel benötigen.”

    Zentrales Monitoring auf EU-Ebene

    Die Kommission will laut ihrem Call for Evidence mit dem Gesetzespaket neben der geringen Diversifizierung der Bezugsquellen auch Probleme wie den Mangel an Investitionen in Projekte in der EU, die begrenzte öffentliche Akzeptanz und die sozialen und ökologischen Auswirkungen adressieren.

    Über ein Netzwerk, das mit den zuständigen nationalen Agenturen zusammenarbeitet, sollen rechtzeitig Informationen ausgetauscht und Überwachungsmaßnahmen ermöglicht werden, etwa die Entwicklung von Frühwarnmechanismen, die Durchführung von Stresstests für kritische Versorgungsketten und die Kartierung strategischer Bodenschätze. Die Einrichtung einer staatlichen Rohstoffagentur nach dem Modell der JOGMEG in Japan steht als Idee im Raum.

    Strategisch wichtige Projekte in der EU und weiteren Partnerländern sollen ein spezielles Kennzeichen erhalten. “Gemeinsam mit unseren Mitgliedstaaten und Partnern verleihen wir Projekten, die für einen bestimmten kritischen Rohstoff strategisch wichtig sind, ein Label”, hatte Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič im Interview mit Europe.Table gesagt. Die EU würde dann bei den jeweiligen Machbarkeitsstudien helfen und im Gegenzug verlangen, dass Umwelt- und Sozialstandards eingehalten würden.

    NGOs fordern Reduktion der Rohstoffnachfrage

    Um den Zugang von Rohstoffprojekten zu Finanzmitteln sicherzustellen, hatten Deutschland und Frankreich in einem Non-Paper im Rat die Einrichtung eines öffentlich-privaten Investmentfonds für Rohstoffprojekte vorgeschlagen. Diese Idee traf auch in der Industrie auf Zustimmung.

    Die Kommission plant außerdem, Genehmigungen für Projekte in der EU zu vereinfachen. Ein Hindernis wird hier die Akzeptanz von Bergbauprojekten in der Öffentlichkeit sein. Vertreterinnen der Zivilgesellschaft fordern indes, die Kommission müsse sie stärker in die Vorbereitungen des Gesetzespakets einbeziehen, damit die Maßnahmen eine breitere Zustimmung erfahren.

    Im gesamten EU-Binnenmarkt sollen durch folgende mögliche Maßnahmen nachhaltig gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden:

    • Stärkung des Abfall- und Kreislaufwirtschaftsrahmens zur Förderung des materialeffizienten Recyclings wichtiger Rohstoffe;
    • Verbesserung der Transparenz, Verfügbarkeit und Koordinierung strategischer Reserven relevanter kritischer Rohstoffe, um die Risiken von Unterbrechungen der Lieferkette zu mindern;
    • Gewährleistung der Verfügbarkeit ausreichender europäischer und internationaler technischer Normen, um Innovationen zu unterstützen;
    • hohe Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards;
    • Festlegung von Recyclingverpflichtungen für wichtige rohstoffbasierte Produkte und Komponenten, wie Seltenerd-Permanentmagnete;
    • Festlegung von EU-Zielen für den Kapazitätsausbau auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette, um die nationalen und EU-Bemühungen zu lenken.

    Ein Bündnis von vier NGOs, darunter das European Environmental Bureau (EEB) und PowerShift, forderte in ihrer Stellungnahme zur Konsultation ein EU-weites Gesamtziel zur Verringerung des materiellen Fußabdrucks. Die Kommission müsse sich “nicht nur darauf konzentrieren, auf Veränderungen auf der Angebotsseite zu reagieren, sondern auch aktiv auf die Nachfrageseite einzuwirken“.

    Die nächste Foresight-Studie der Europäischen Kommission zu kritischen Rohstoffen müsse auch Szenarien entwickeln, in denen eine geringere Rohstoffnachfrage berücksichtigt werde. Der Raw Materials Act könne dann ein politisches Signal dafür sein, dass die Kommission in ihrem nächsten Mandat ein Ziel für die Verringerung der Gesamtnachfrage nach Rohstoffen setzen müsse.

    Kommission überarbeitet auch Liste kritischer Rohstoffe

    Laut der Kommission könnten die Prioritäten und Ziele der EU-Maßnahmen durch die Bestimmung strategischer kritischer Rohstoffe festgelegt werden. In diesem Jahr überarbeitet sie entsprechend dem Drei-Jahres-Takt parallel auch die Liste kritischer Rohstoffe. Einen Termin hat sie dafür bislang nicht angekündigt. Die letzte Version von 2020 enthält dreißig Rohstoffe.

    Wie “kritisch” ein Rohstoff ist, wird bislang anhand wirtschaftlicher Kriterien bewertet: der Bedeutung für die europäische Wirtschaft und dem Risiko einer Versorgungsunterbrechung, basierend auf der Konzentration der Primärrohstoffe in den produzierenden Ländern unter Berücksichtigung ihrer Governance-Leistung und von Handelsaspekten.

    Dabei seien auch Umwelt- und Menschenrechtsrisiken entscheidend für den Abbau, sagt Tobias Kind-Rieper vom WWF. Umweltkatastrophen und Menschenrechtsverletzungen in Bergbauregionen wirkten sich ebenso auf die Belastbarkeit von Lieferketten aus wie wirtschaftliche Faktoren. “Die Frage der Rohstoffsicherheit muss mit einer solchen Risikobewertung einhergehen. Die Liste kritischer Rohstoffe sähe dann anders aus.”

    “Wir sehen den Bedarf, dass nicht nur über ,kritische Rohstoffe’ eine Richtlinie gelegt werden sollte”, sagt Daniel Quantz von der Wirtschaftsvereinigung Metalle. “Vielmehr müssen durch die Kommission auch andere Metalle wie Kupfer und Aluminium mit in den Blick genommen werden.”

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    • Thierry Breton

    Puglierin: “Deutschland hat Vertrauen bei Partnern im Osten verloren”

    Jana Puglierin ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations.

    Frau Puglierin, Deutschland war bis zum 24. Februar 2022 tonangebend in der EU bei Beziehungen zu Russland, ließ Warnungen aus Polen und den baltischen Staaten abprallen. Jetzt wirkt Berlin getrieben. Wie haben die vergangenen elf Monate das Machtgefüge in der EU verändert?
    Die Deutschen haben am 24. Februar letzten Jahres die Deutungshoheit bei der Russlandpolitik der EU verloren. Dagegen sehen sich Länder in Zentraleuropa, also Polen, die baltischen Staaten, Tschechien jetzt gestärkt. Jahrelang galten sie als russophobe, fast schon hysterische Länder, die übertreiben. Ihre Ängste wurden nicht ernst genommen. Jetzt steht Deutschland eigentlich vor dem Bankrott der jüngeren Russlandpolitik. Wir haben viele Entwicklungen in Russland nicht gesehen …

    Oder nicht sehen wollen …
    Oder beides. Kommt darauf an, wer auf der deutschen Seite der Akteur war. Der Schock nach dem Beginn des Krieges saß tief. Die Mittel- und Osteuropäer haben dann bei der europäischen Antwort auf den Krieg das Narrativ stark bestimmt. Sie haben rasch Initiativen gestartet und das Tempo der Reaktionen vorgegeben in einer Weise, wie es vorher nicht denkbar war.

    Sie fühlten sich bestätigt?
    Ja, nach Kriegsbeginn hatten sie einen Moment der moralischen Überlegenheit. Die Debatte um den Visa-Bann für russische Staatsbürger zeigt beispielsweise, wie mittel- und osteuropäische Staaten begannen, die europäische Agenda zu bestimmen. Deutschland fand sich hier sowie auch in der Debatte um den Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System eher in der Rolle des Bremsers.  

    Zurückhaltend bei Reaktionen auf Russlands Überfall war auch Frankreich. Gleichzeitig gibt es Verstimmungen zwischen Paris und Berlin, ausgerechnet 60 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags. Führt das zum Machtverlust der alten großen Player und Machtgewinn für Mittel- und Osteuropa?
    Polen, die baltischen Staaten oder Tschechien haben auch früher schon nicht nach Frankreich geschaut, wenn es um Russland ging. Unsere Coalition Explorer Daten aus dem Jahr 2020, mit denen wir sozusagen “gemessen” haben, wie sich Länder gegenseitig wahrnehmen, zeigten, dass die Beziehungen zwischen Frankreich und Mittel- und Osteuropa ganz schwierig waren. Deswegen haben sie dann auch nicht nach Paris geschaut, als in ihrer Nachbarschaft ein Krieg ausbrach. Sie haben stattdessen die Dynamik selbst bestimmt. Nach der jahrelangen Dominanz des deutsch-französischen Tandems fand ich dies zur Abwechslung ganz erfrischend. Inwiefern es zu einer nachhaltigen Machtverschiebung von Paris und Berlin nach Mittel- und Osteuropa kommt, wird sich zeigen.

    Polen kommt aus der Schmuddelecke

    Wer hat dabei besonders profitiert?
    Nun, vor einem Jahr war Polen noch das Schmuddelkind in der EU. Es gab einen Konflikt mit der Biden-Administration, mit Berlin, mit der EU-Kommission in Brüssel. Heute geht an Warschau kein Weg mehr vorbei, es ist ein ganz zentrales Land für die Unterstützung der Ukraine. Außerdem nimmt sich Warschau als zentraler Akteur bei der Verteidigung westlicher Werte wahr. Ebenso sehen sich die Esten und Litauer in dieser Rolle. Das Ganze hat aber auch einen gefährlichen Drall, denn Polen ist in vielen Bereichen ein problematischer Akteur, etwa bei der Frage der Migration und der Rechtsstaatlichkeit.  

    Und Frankreich?
    Paris hatte bisher keinen Zeitenwende-Moment. Macron ist eher weiter auf seinem Kurs geblieben. Und die Franzosen finden die enge Verständigung zwischen Scholz und Biden schwierig, besonders, was die Rüstungspolitik und das Beschaffungswesen für die Bundeswehr betrifft. Die Franzosen wünschen sich mehr Investitionen in die europäische Rüstungsindustrie und eine stärkere Europäisierung des Sondervermögens, während Deutschland gerade sehr viel von der Stange in den USA kauft. Deutlich war das, als Deutschland sich für die US-Jets F-35 entschied. Frankreich – und übrigens auch Polen – sind bei der Luftverteidigungsinitiative European Sky Shield nicht dabei.

    Was bedeutet das alles für die Verteidigungsfähigkeit der EU?
    Gerade für die Europäer an der Ostflanke sieht es so aus, dass ihnen im Zweifel nur Amerika aus der Patsche helfen kann. Ihnen ist klar, dass die Ukraine nicht mehr existieren würde, wenn die USA nicht so schnell gehandelt hätten. Sie nehmen auch wahr, dass die Ramstein-Konferenz zwar in Deutschland stattfindet, aber die Amerikaner sie organisieren. Ich glaube, dieser Krieg zeigt ganz stark, wie zentral die Rolle der Nato, speziell das Engagement der USA, für europäische Verteidigungsfähigkeit ist. Ich finde es schade, dass die Europäer nicht gleichzeitig dieses Momentum nutzen, um die europäische Verteidigungskooperation noch stärker voranzutreiben.

    Deutschland wartet auf die USA

    Nun hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor der Ramstein-Konferenz gesagt, dass Leopard-Panzer erst geschickt werden, wenn die USA ihre Abrams schicken.
    Deutschland wartet im Prinzip immer auf die Amerikaner und möchte nicht nur mit europäischen Partnern couragiert vorangehen. Eine europäische Leopard-2-Initiative würde diese Chance bieten, aber ohne die USA scheint es auch hier nicht zu gehen. Wir reden zwar davon, dass wir der Hauptgarant für europäische Sicherheit werden wollen, aber wir handeln oft nicht so. Und wir haben in den letzten elf Monaten viel Vertrauen der östlichen Partner verloren. Polen bildet jetzt eine große Armee, investiert in sie, während wir noch darüber reden.

    Das sowieso schon komplizierte Machtgefüge in der EU wird spätestens seit dem Krieg in Syrien und dem Flüchtlingspakt Brüssels mit Ankara von 2016 auch von der Regierung Erdoğans beeinflusst. Hat sich Europa mit dem damaligen Deal oder auch jetzt als selbsternannter Vermittler im russisch-ukrainischen Krieg erpressbar gemacht?
    Jetzt wäre es jedenfalls der falsche Moment, das Tischtuch mit der Türkei zu zerschneiden. An der Türkei sieht man gut, dass die Mittelmächte erstarken. Deutlich zum Beispiel daran zu sehen, dass es einerseits Drohnen an die Ukraine liefert, andererseits von Russland als Gesprächspartner akzeptiert wird. Die EU ist dankbar, dass Erdogan den Getreidedeal vermitteln konnte. Ankara spielt die Abhängigkeiten gezielt aus, wie man beim Pokern um die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato sieht. Das hat natürlich mit der Präsidentschaftswahl in der Türkei in diesem Jahr zu tun.

    Jana Puglierin ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations und Leiterin des Berliner Büros des ECFR und gehört zum erweiterten Vorstand von Women in International Security Deutschland (WIIS).

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    Energieplattform: Hin und Her vor Gericht

    Das Europäische Gericht hat einen vorläufigen Beschluss zurückgenommen, der den gemeinsamen Gaseinkauf der EU verzögert hätte. Zuvor hatte das “Handelsblatt” über die zunächst erfolgreiche Klage des Münchner Unternehmens Enmacc gegen die Kommission berichtet. Das Unternehmen betreibt eine Energiehandelsplattform und wollte sich auf eine Ausschreibung für eine IT-Plattform bewerben, mit der die Kommission den gemeinsamen Gaseinkauf organisieren möchte.

    Über die Energieplattform wollen die Mitgliedstaaten 15 Prozent ihrer Speicherverpflichtungen erfüllen und einen exzessiven Anstieg der Gaspreise wie im vergangenen Sommer verhindern. Die entsprechende Verordnung hatte die Kommission am 18. Oktober vorgelegt, die EU-Energieminister nahmen sie aber erst am 19. Dezember an. Mehrere Staaten hatten sie hinausgezögert als Faustpfand für die Einführung des Gaspreisdeckels.

    Dringlichkeitsvergabe für schnellen Vertragsschluss

    Das Vergabeverfahren hatte die Kommission nicht öffentlich bekannt gemacht, sondern eine sogenannte Dringlichkeitsvergabe gewählt. Am 30. November hatte sie die Ausschreibung mit einer begrenzten Zahl von Bietern geteilt, wie aus den beiden Beschlüssen hervorgeht, die Europe.Table vorliegen. Demnach habe die Kommission darauf gehofft, noch im Januar einen Vertrag abschließen zu können.

    “Vieles in dieser Ausschreibung ist wenig konkret”, sagte Enmacc-Geschäftsführer Jens Hartmann dem “Handelsblatt”. “Umso wichtiger wäre es, dass unterschiedliche Bewerber ihr Konzept einer Handelsplattform der Kommission vorstellen können. Wir haben uns vergeblich um eine konstruktive Zusammenarbeit bemüht. Als letzte Option blieb uns leider nur der Rechtsweg.” Enmacc beantragte am 4. Januar vorläufigen Rechtsschutz und einen Stopp der Vergabe.

    Kläger argumentiert mit ausreichender Vorlaufzeit

    Schon einen Tag später folgte zunächst ein positiver Bescheid des Europäischen Gerichts, den es am 18. Januar aber wieder zurücknahm. Zur Begründung führt das Gericht die Stellungnahme der Kommission vom 16. Januar an. Darin “unterstreicht die Kommission die äußerst außergewöhnlichen Umstände dieses Falles”, heißt es in dem zweiten Beschluss. “Die Kommission betont insbesondere die Tatsache, dass eine fortgesetzte Aussetzung gemäß dem Beschluss vom 5. Januar die rechtzeitige Umsetzung eines sehr wichtigen Teils der Maßnahmen der Europäischen Union zur Bewältigung der aktuellen Energiekrise gefährden würde.”

    Der Kläger argumentiert laut “Handelsblatt” aber, dass die Kommission schon seit März daran arbeite, den Gasbedarf zu bündeln. Seitdem hätte sie sich um eine Ausschreibung kümmern können.

    Anwälte sehen hohe Hürden für Kommission

    Juristen räumen Enmacc durchaus Chancen ein. Das europäische Vergaberecht setze staatlichen Nachfragen hohe rechtliche Hürden, wenn sie in Ausnahmefällen auf Dringlichkeitsvergaben zurückgreifen wollen, sagt der Vergaberechtsexperte Mario Kreutzer von Bird & Bird: “Die Ursache für die aktuelle Versorgungsknappheit im Gasmarkt ist unstreitig ein unvorhersehbares Ereignis. Dies allein reicht jedoch nicht, um auf einen unionsweiten Wettbewerb verzichten zu dürfen.”

    “Auf den ersten Blick leuchtet nicht ein, warum die EU-Kommission seinerzeit nicht bereits unverzüglich eine Ausschreibung vorbereitet hat oder zuletzt zumindest auf das Instrumentarium beschleunigter Vergabeverfahren mit verkürzten Fristen als milderes Mittel zurückgegriffen hat“, sagt Kreutzer.

    Ähnlich sieht es auch Christopher Marx von Heuking Kühn Lüer Wojtek, der aber auch der EU-Kommission noch Chancen einräumt: “Die Gerichte stellen regelmäßig hohe Anforderungen an Dringlichkeitsvergaben, weshalb diese Verfahren öfters mit Erfolg angegriffen werden. Sicher ist das hier aber nicht. Dem zweiten Beschluss ist zu entnehmen, dass das Gericht der Versorgungssicherheit einen hohen Stellenwert einräumt.”

    Eine endgültige Entscheidung in dem Verfahren steht noch aus.

    • Energie
    • Europapolitik
    • Vergaberecht

    EU-Monitoring

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für Internationalen Handel (INTA)
    Themen: Entwurf einer Stellungnahme zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Entwurf einer Stellungnahme zum Schutz der geografischen Angabe handwerklicher und gewerblicher Erzeugnisse, Stand der laufenden Trilog-Verhandlungen. Vorläufige Tagesordnung

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
    Themen: Entwurf einer Stellungnahme zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Meinungsaustausch mit Ararat Mirzoyan (Minister für auswärtige Angelegenheiten der Republik Armenien), Meinungsaustausch mit Rafael Mariano Grossi (Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde). Vorläufige Tagesordnung

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
    Themen: Jahresbericht 2022 zur Bankenunion, Wirtschaftsdialog und Meinungsaustausch mit Elisabeth Svantesson (ECOFIN-Präsidentin und schwedische Finanzministerin), Strukturierter Dialog mit Mairead McGuinness (Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion). Vorläufige Tagesordnung

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT)
    Themen: Entlastung des Gesamthaushaltsplans der EU. Vorläufige Tagesordnung

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
    Themen: Berichtsentwurf zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten, Berichtsentwurf zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen, Berichtsentwurf zu elektronischen Behördendiensten zur schnelleren Abwicklung digitaler öffentlicher Dienstleistungen, die dem Funktionieren des Binnenmarkts förderlich sind. Vorläufige Tagesordnung

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
    Themen: Vorschläge des Europäischen Parlaments zur Änderung der Verträge, Entwurf einer Stellungnahme zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen, Vorstellung der Kommission zur EU-Strategie für globale Gesundheit. Vorläufige Tagesordnung

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE)
    Themen: Entwurf einer Stellungnahme zur EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien, Abstimmung zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Halbleiter-Ökosystems (Chip-Gesetz), Berichtsentwurf zur Gründung der Gemeinsamen Unternehmen im Rahmen von “Horizont Europa” hinsichtlich des Gemeinsamen Unternehmens für Chips. Vorläufige Tagesordnung

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL)
    Themen: Entwurf eines Entschließungsantrags zum angemessenen Mindesteinkommen zur Gewährleistung der aktiven Inklusion, Entwurf einer Stellungnahme zur Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, Mitteilung zur Einrichtung eines sozialen Klimafonds. Vorläufige Tagesordnung

    23.01.-24.01.2023
    Sitzung des Ausschusses für den Einsatz von Pegasus und ähnlicher Überwachungs- und Spähsoftware (PEGA)
    Themen: Anhörung zum Thema “Einsatz von Spyware durch private Akteure”, Gedankenaustausch. Vorläufige Tagesordnung

    23.01.2023 – 10:00 Uhr
    Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
    Themen: Laufende Angelegenheiten, Gedankenaustausch zu Russlands Aggression gegen die Ukraine, Gedankenaustausch zu den westafrikanischen Sahel- und Küstenländern Vorläufige Tagesordnung

    25.01.2023
    Wöchentliche Kommissionssitzung
    Themen: Stärkung des sozialen Dialogs (Mitteilung über die Stärkung des sozialen Dialogs in der Europäischen Union, Empfehlung des Rates zur Förderung des sozialen Dialogs auf EU- und nationaler Ebene). Vorläufige Tagesordnung

    25.01.2023
    EuGH-Verhandlung zur Finanzierung der Festen Fehmarnbeltquerung
    Themen: Mit Beschluss vom 20. März 2020 gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass das öffentliche Finanzierungsmodell für die Feste Fehmarnbeltquerung zur Verbindung der dänischen und der deutschen Küste mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar ist. Die Kommission hatte das Finanzierungsmodell bereits im Juli 2015 ein erstes Mal genehmigt. Auf Klagen von Scandlines und Stena Line hin erklärte das Gericht der EU den Kommissionsbeschluss von 2015 jedoch mit Urteilen vom 13. Dezember 2018 aus verfahrensrechtlichen Gründen teilweise für nichtig. Scandlines Danmark und Scandlines Deutschland haben den Kommissionsbeschluss vom 20. März 2020 vor dem Gericht der EU angefochten (wie zuvor schon den Kommissionsbeschluss von 2015). Klage

    25.01.2023 – 09:00-17:30 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Entwicklung (DEVE)
    Themen: Berichtsentwurf zur Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung, Entwurf einer Stellungnahme zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Entwurf einer Stellungnahme zur EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien. Vorläufige Tagesordnung

    25.01.2023 – 15:00-18:45 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Steuerfragen (FISC)
    Themen: Öffentliche Anhörung zu dem Thema “Wie soll der BEFIT-Vorschlag aussehen?”, Offene Sitzung der Koordinatoren zu den steuerlichen Auswirkungen des US-Gesetzes zur Verringerung der Inflationsrate. Vorläufige Tagesordnung

    26.01.-27.01.2023
    Informelle Ministertagung Justiz und Inneres
    Themen: Bekämpfung der organisierten Kriminalität im digitalen Zeitalter, Verfolgung der wichtigsten internationalen Straftaten in der Ukraine. Vorläufige Tagesordnung

    26.01.2023
    EuGH-Verhandlung zur Datenspeicherung bei privaten Wirtschaftsauskunfteien
    Themen: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat auf die Klage eines Betroffenen hin darüber zu entscheiden, ob der Hessische Datenschutzbeauftragte es zu Recht abgelehnt hat, darauf hinzuwirken, dass die private Wirtschaftsauskunftei SCHUFA die Eintragung einer Restschuldbefreiung löscht. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ersucht den Gerichtshof in diesem Zusammenhang um Auslegung der Datenschutzgrundverordnung 2016/679 sowie der EU-Grundrechte-Charta. Antrag

    26.01.2023 – 10:30-11:30 Uhr
    Internationaler Holocaust-Gedenktag
    Themen: Feierliche Ansprache von Isaac Herzog (Staatspräsident Israels). Vorläufige Tagesordnung

    News

    EU bereitet zehntes Sanktionspaket gegen Moskau vor

    Die EU bereitet sich auf ein neues, zehntes Sanktionspaket gegen Russland vor. Es soll vor dem ersten Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine am 24. Februar stehen, sagten EU-Diplomaten in Brüssel. Erste Vorschläge will die Kommission am Wochenende im sogenannten Beichtstuhl-Verfahren mit den 27 EU-Staaten sammeln. Dabei wird jedes Land einzeln befragt.

    Für eine neue Sanktionsrunde haben sich bereits Polen, Litauen und die Ukraine ausgesprochen. Schweden, das den EU-Ratsvorsitz führt, äußerte sich zurückhaltend. Mit jedem weiteren Sanktionspaket werde es schwieriger, sagte der schwedische EU-Botschafter Lars Danielsson. Die meisten Bereiche seien bereits abgedeckt; zudem müssten die Strafen Russland stärker treffen als die EU.

    Bei den Beratungen am Sonntag geht es zunächst um eine Ideensammlung und Sondierung. Die Kommission will verschiedene Optionen “testen” und mögliche rote Linien der EU-Staaten erkunden. Bei der letzten Sanktionsrunde im Dezember standen mehrere Länder auf der Bremse. Auch Polen hatte bis zuletzt Vorbehalte, weil der Ölpreisdeckel aus polnischer Sicht zu sanft ausfiel.

    Strafmaßnahmen gegen Diamanten-Handel im Gespräch

    In Brüssel wird deshalb mit schwierigen Diskussionen gerechnet. Dabei geht es nicht nur um die Nachjustierung des Preisdeckels, die Warschau fordert. Die EU-Staaten bereiten sich auch auf den “Rollover” (Verlängerung) der bestehenden Sanktionen vor. Ungarn hat bereits gefordert, mehrere russische Oligarchen von der Sanktionsliste zu nehmen. Sie muss bis zum 15. März erneuert werden.

    Die EU hat wegen der russischen Invasion mehr als 1.300 Individuen und 170 Organisationen sanktioniert. Zumeist wurden Reisesperren verhängt und Vermögen eingefroren. Die erhoffte Wirkung, ein schnelles Ende des Kriegs oder ein Schrumpfen der russischen “Kriegskasse”, wurde jedoch nicht erreicht.

    Nun ruhen die Hoffnungen auf dem im Dezember erlassenen EU-Ölembargo und dem internationalen Gaspreisdeckel sowie auf der nächsten Sanktionsrunde. Im Gespräch sind zusätzliche Strafmaßnahmen gegen den russischen Atomenergie-Sektor (Rosatom) und gegen den Diamanten-Handel. Hier haben allerdings mehrere Staaten Vorbehalte, neben Ungarn steht auch Belgien auf der Bremse. ebo

    • EU-Außenpolitik
    • Europapolitik
    • Sanktionen

    IRA: Antwort aus Paris und Berlin bei Ministerrat

    Paris und Berlin wollen beim 23. deutsch-französischen Ministerrat am 22. Januar einen gemeinsamen Ansatz zu einer europäischen Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA bekannt geben. Der Ministerrat tagt am 60. Jahrestag des am 22. Januar 1963 unterzeichneten Élysée-Vertrags.

    Aus dem Élysée-Palast heißt es: “Wir arbeiten mit unseren deutschen Partnern an einem gemeinsamen Ansatz, der in einer Erklärung am Sonntag angekündigt wird.”

    In Bezug auf die französische Position, die öffentlich gemacht wurde, sei Berlin “offen für eine Reihe von Optionen”, fügte die Quelle hinzu und erklärte, dass Paris “die roten Linien” anerkenne, die von Berlin gesetzt wurden. Die Quelle aus dem Élysée-Palast gab keine Einzelheiten bekannt.

    Die EU-Gipfel im Februar und März werden die Gelegenheit bieten, die gemeinsamen Positionen zwischen Berlin und Paris einerseits und den 27 Mitgliedstaaten andererseits weiter auszuarbeiten, hieß es weiter.

    Fünf Themen am Sonntag

    Der deutsch-französische Ministerrat wird sich mit fünf Themen befassen:

    • Verteidigung und Sicherheit
    • Industrie- und Wirtschaftspolitik: Erwartet wird eine Ankündigung eines Forschungsprogramms zu Batterien und künstlicher Intelligenz
    • Energie mit Schwerpunkt Wasserstoff
    • Verkehr: es soll eine Ankündigung für Jugendliche geben
    • Reform der EU und EU-Erweiterung

    Zum Schluss treffen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron zu zweit zum Abendessen. “Dabei können eine Reihe von Fragen angesprochen werden, die während der Plenarsitzung nicht angesprochen oder geteilt wurden”, so die Quelle aus dem Élysée-Palast weiter. cst

    • Deutschland
    • Inflation Reduction Act

    Macron und Sánchez unterzeichnen Freundschaftsvertrag 

    Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und der französische Präsident Emmanuel Macron haben am Donnerstag in Barcelona einen Freundschaftsvertrag zwischen Spanien und Frankreich unterzeichnet. Der Vertrag beinhaltet energiepolitische Fragen, wie etwa das gemeinsame Interesse an der Wasserstoff-Pipeline H2Med. Wichtige Themen des Abkommens sind darüber hinaus Sicherheit, Grenzpolitik und Kultur. Trotz der engen Geschichte, der bilateralen Beziehungen und der geografischen Nähe der beiden Länder hatte es einen solchen Vertrag bislang nicht gegeben.

    Nach der Unterzeichnung der Abkommen betonten Sánchez und Macron auf der Pressekonferenz den europäischen Charakter des gemeinsamen Ziels. Die beiden Präsidenten bekräftigten ihre Haltung zu einer Reform des europäischen Energiemarktes.

    Konsultation vor wichtigen Beschlüssen

    Das Abkommen sieht vor, dass beide Länder jährlich ein bilaterales Gipfeltreffen abhalten und dass sie mindestens alle drei Monate abwechselnd in den Ministerrat des befreundeten Landes eingeladen werden. Darüber hinaus werden Arbeitsgruppen zu Migrations- und Verteidigungsfragen eingerichtet, und jährlich soll ein bilaterales Wirtschafts- und Unternehmensforum stattfinden. Die beiden Länder verpflichten sich außerdem, den Austausch in den Bereichen Kultur und Bildung zu fördern und einander regelmäßig zu konsultieren, bevor wichtige europäische Beschlüsse zu Fragen von gemeinsamem Interesse gefasst werden.  

    Die Idee eines Freundschaftsvertrags zwischen den beiden Ländern sei während des Gipfels in Montauban im Jahr 2021 geboren, so die beiden Staatschefs. Die Unterzeichnung des Abkommens erfolgt vor dem Hintergrund der separatistischen Proteste in der katalanischen Hauptstadt. Isabel Cuesta

    • Energie
    • Spanien

    Volle Gasspeicher dank EU-weiten Sparens

    Die deutschen Gasspeicher seien auch deshalb so gut gefüllt, weil “sehr viel weniger Gas” in die Nachbarländer weitergeleitet wurde, als zunächst von der Regulierungsbehörde angenommen. “Dort ist teilweise mehr eingespart worden als bei uns. […] Rückblickend würde ich sagen, in den Prognosen der Bundesnetzagentur haben wir diesen Faktor am wenigsten gewürdigt”, sagte der Präsident der BNetzA, Klaus Müller, in einem Interview mit Table.Media.

    In früheren Szenarien war die Bundesnetzagentur davon ausgegangen, dass die deutschen Gasspeicher im Winter wesentlich geringere Füllstände aufweisen würden, als es derzeit der Fall ist. Müller erklärte die mangelhafte Vorhersagegenauigkeit zum Teil mit “suboptimalen Daten”. “Wir haben viel Zeit darauf verwenden müssen, eine halbwegs valide Datenbasis zu erzeugen. Und es hat auch was mit weiteren Quellen zu tun. Einige Länder haben LNG-Terminals reaktiviert, die in der Vergangenheit schlecht ausgelastet waren”, sagte der BNetzA-Präsident.

    Debatte um LNG-Terminals

    Müller signalisierte zudem, dass in Deutschland möglicherweise nicht alle LNG-Terminals gebaut werden, die derzeit in Planung sind. “Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Bundesregierung Vorsorge trifft, und das bedeutet im Zweifelsfall auch, auf einen extrem kalten Winter vorbereitet zu sein und Redundanzen einzuplanen für den Fall, dass ein Terminal oder eine weitere Pipeline ausfällt.”

    Ebenso richtig sei es, auch an die Nachbarländer zu denken. Dennoch werde man sich die Statistiken wohl noch mal genauer anschauen. “Ob am Ende alle derzeit diskutierten Terminals realisiert beziehungsweise voll ausgelastet werden, wird man sehen.” mk/ber

    • Bundesnetzagentur
    • Energie
    • Gasspeicher
    • LNG

    Wirtschaftsvertreter fordern kulanteres Lieferkettengesetz

    Zwar unterstütze die Unternehmerschaft eine Richtlinie für Nachhaltigkeitspflichten für Unternehmen. Allerdings sollte sie realistisch, umsetzbar und verhältnismäßig sein, warnten führende Unternehmerverbände gestern in einem gemeinsamen Schreiben. Zu den Unterzeichnern gehören Business Europe, Eurochambers und der europäische Textilverband.

    Sie fordern insbesondere:

    • Ein harmonisiertes Gesetz, welches von den EU27 gleich ausgelegt wird. Nur so könne eine Fragmentierung des Binnenmarktes verhindert werden. Tatsächlich liegt hier eine große Gefahr des Vorschlags, etwa wenn Mitgliedstaaten ihre Sanktionen unterschiedlich ansetzen.
    • Nicht die ganze Wertschöpfungskette soll unter das Gesetz fallen – die Unternehmerschaft bevorzugt einen risikobasierten Ansatz: Unternehmen sollen dort eingreifen, wo ein tatsächliches Risiko für die Verletzungen von Vorgaben zu Menschenrechten oder Umweltschutz besteht. Die Auflagen an Unternehmen sollen zudem proportional zu deren Größe und Mitteln ausfallen. Auch der Wolters-Bericht und das Mandat des Rates plädieren für einen risikobasierten Ansatz, allerdings sieht der Vorschlag von Berichterstatterin Lara Wolters die Einbeziehung der gesamten Lieferkette vor.
    • Keine persönliche Haftung für Unternehmenschefs: Solche Auflagen würden nicht in ein Lieferkettengesetz gehören und nationales Unternehmensrecht womöglich untergraben, hieß es. Auch die Kommission tat sich mit diesem Aspekt schwer, hat sich dann aber auf einen Kompromiss einigen könnten. Demnach soll die Bezahlung von Direktoren an die Umsetzung einer Unternehmensstrategie zum Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft gekoppelt werden.
    • Die Auflagen für die zivilrechtliche Haftung für Unternehmen solle “ausbalanciert” sein und der Tatsache Rechnung tragen, dass Unternehmen nicht für Vorkommnisse haftbar sein dürfen, die sie nicht direkt verursacht haben. Dies dürfte in den Verhandlungen zwischen Parlament und Rat ein großer Knackpunkt werden. Der Wolters-Bericht will es Geschädigten einfacher machen, vor EU-Gerichten gegen Unternehmen vorzugehen. Der Rat will diesen Punkt abschwächen.
    • Industrie-Koalitionen (industry schemes) und Multi-Stakeholder-Initiativen sollen einen größeren Stellenwert erhalten. Dies sieht der Vorschlag der Kommission vor. Das Parlament will die Rolle solcher Koalitionen jedoch abschwächen. Unternehmen sollen ihre Verantwortung nicht einfach abgeben, so der Wolters-Bericht. Tatsächlich können solche Modelle Schlupflöcher bieten, wie die Konfliktmineralienverordnung zeigt.

    Spätestens in der zweiten Hälfte dieses Jahres dürften die Trilogverhandlungen zum Lieferkettengesetz beginnen. Während der Rat sich im Dezember auf eine allgemeine Ausrichtung einigen konnte, verhandelt das Parlament noch. Der JURI-Ausschuss stimmt voraussichtlich im März über den Bericht von Lara Wolters ab. Die Abstimmung im Plenum ist für Mai angesetzt. cw

    • Europapolitik
    • Lieferketten
    • Nachhaltigkeit

    Breton fordert mehr Einsatz von Tiktok

    Tiktok-CEO Shou Zi Chew bemüht sich weiter, in Brüssel gute Stimmung für sein Unternehmen zu verbreiten. Es habe einen guten Austausch zwischen ihm und EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton gegeben, twitterte Caroline Greer, Director Public Policy and Government Relations der chinesischen Video-App am Donnerstag. Das Gespräch mit Breton fand per Videochat statt.

    Tiktok begrüße die Gelegenheit, sein Engagement für den DSA zu bekräftigen, schrieb Greer. Außerdem hätten beide über die Einhaltung der DSGVO sowie den Verhaltenskodex für Desinformation gesprochen. Vergangene Woche hatte sich der Tiktok-CEO bereits mit Wettbewerbskommissarin Vestager und weiteren Kommissaren persönlich in Brüssel getroffen. Tiktok werden in den USA und anderswo Datenschutzverletzungen, Spionage und Zensur vorgeworfen.

    Breton äußerte sich besorgt über die Vorwürfe, dass Journalisten ausspioniert und personenbezogene Daten ins außereuropäische Ausland übertragen worden seien. “Mit Millionen von jungen Nutzern in Europa trägt Tiktok eine besondere Verantwortung dafür, dass seine Inhalte sicher sind”, sagte Breton nach Angaben eines Sprechers.

    Breton habe Shou Zi Chew darauf hingewiesen, sich stärker um die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften in den Bereichen Datenschutz, Urheberrecht und Online-Plattformen zu bemühen. Der DSA sehe abschreckende Sanktionen vor. Und die EU werde nicht zögern, diese zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger auszuschöpfen, wenn die Audits nicht die vollständige Einhaltung der Vorschriften belegten. “Ich fordere Tiktok nachdrücklich auf, sein Geschäft schon lange vor dem 1. September 2023 mit dem DSA in Einklang zu bringen”, sagte Breton. vis

    • Datenschutz
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    • Digitalpolitik
    • DSGVO
    • Thierry Breton
    • Tiktok

    Eva Kaili weiter in Haft

    Die ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlamentes, Eva Kaili, muss weiter in Untersuchungshaft bleiben. Das hat das belgische Gericht gestern erneut bestätigt. Kaili muss sich wegen Geldwäsche, Korruption und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation verantworten.

    Die Griechin soll Geld und Geschenke angenommen haben, um politische Entscheidungen im Sinne Katars und Marokkos zu beeinflussen. Rund 600.000 Euro Bargeld wurden in der gemeinsamen Wohnung von Eva Kaili und ihrem Lebensgefährten Francesco Giorgi beschlagnahmt. Kailis Vater wurde dabei ertappt, wie er versuchte, einen Koffer voller Geld zu verstecken. Francesco Giorgi sitzt ebenfalls im Gefängnis.

    Panzeri will Netzwerk offenlegen

    Kaili und Giorgi sollen Teil eines vom ehemaligen Abgeordneten Pier Antonio Panzeri ins Leben gerufenen Korruptionsnetzwerks sein. Geld gegen Einfluss lautete die Abmachung, die Panzeri mit autokratischen Regimes abschloss. Neben Katar sollen Marokko und Mauretanien zu Panzeris Klienten gehört haben.

    Am Dienstag wurde bekannt, dass Panzeri sich mit der belgischen Justiz auf einen Deal eingelassen hat. Für eine relativ milde Haftstrafe werde er den Ermittlern sein Netzwerk offenlegen.

    Kaili hat 48 Stunden Zeit, um Einspruch gegen die Entscheidung des Gerichtes einzureichen. Die ehemalige Vizepräsidentin hat mit Francesco Giorgi eine Tochter. Bisher bestreitet sie die Vorwürfe. cw

     

    • Europäisches Parlament
    • Eva Kaili
    • Korruption

    Presseschau

    Kriegsverbrechen in der Ukraine: EU-Parlament für Sondertribunal TAGESSCHAU
    EU-Grenzschutzbehörde: Frontex-Chef verspricht Ende von Pushbacks TAGESSCHAU
    Abgesetzte EU-Parlamentsvize Kaili muss weiter in U-Haft bleiben RP-ONLINE
    EU-Parlamentspräsidentin: Metsola meldet rund 140 Geschenke nach ZDF
    Resolution zu Marokko: EU-Parlament kritisiert Umgang mit Journalisten FAZ
    Iranisches Regime warnt: EU-Parlament stimmt für Aufnahme der Revolutionsgarden auf Terrorliste T-ONLINE
    Russland pumpt weniger Gas durch Ukraine nach Europa ZEIT
    EU to Consider More Russia Sanctions Despite Difficult Debates BLOOMBERG
    DAVOS/IWF-Chefin: Führungsrolle für Europa im Kampf gegen Klimawandel HANDELSBLATT
    Freundschaftsvertrag geschlossen: Paris und Madrid wollen US-Politik mit EU-Schulden kontern N-TV
    Neuer Geldsegen für E-Mobilität? Von der Leyen will riesiges EU-Programm starten EFAHRER
    EU verschiebt Endabstimmung über MiCA wegen Übersetzungsproblem TRENDINGTOPICS
    Lebensbedrohliche Inhalte: EU-Kommission droht Tiktok mit Verbot FINANZEN
    EU verhängt 5,5 Millionen Euro Strafe wegen Datenschutzverstoß gegen WhatsApp HANDELSBLATT
    Die EU nimmt den Kampf gegen Fake News und Hassrede auf WIENERZEITUNG
    The battle over European drug pricing FT
    EU-Länder stellen sich gegen Verbot von Tiertransporten in Drittstaaten EURACTIV
    Biopflanzenschutz: EU bremst Innovationen aus MAIN-ECHO
    EU fördert klimaneutrales Zementwerk mit 109 Millionen Euro HEISE

    Kolumne

    Deutsch-französische Raffinesse im Mundatwald

    Von Claire Stam
    Schwarz-weiß Portrait von Claire Stam

    Kennen Sie den Mundatwald? Ein gewöhnlicher deutscher Wald, könnte man meinen. Doch er hat eine besondere Geschichte – vor allem ein bestimmter Abschnitt des Waldes, der zum Oberen Mundatwald gehört. Dieses 680 Hektar große Gebiet wird vom französischen Office National des Forêts verwaltet und nach französischem Recht bewirtschaftet.

    Der Obere Mundatwald ist insgesamt 40 km² groß und liegt an der deutsch-französischen Grenze, und zwar in der Nähe der elsässischen Stadt Wissembourg. Und hier ist ein kurzer historischer Rückblick absolut notwendig, um diese echte deutsch-französische Leckerei richtig genießen zu können:

    Im Mittelalter gehörten der Wald und die Stadt Wissembourg zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Jahrhunderte später wurde beides durch die Eroberungen Ludwigs XIV. in Frankreich eingegliedert. Noch viel später, im Jahr 1815, verlor Napoleon in Waterloo und Frankreich unterzeichnete mit den Siegern den Zweiten Pariser Frieden, der seine Grenzen beschnitt.

    Wald ging an Deutschland, dann wieder an Frankreich

    Durch diesen Vertrag blieb Wissembourg in Frankreich, während der Mundatwald zwischen Frankreich und dem Königreich Bayern aufgeteilt wurde. Und genau hier lag das Problem: Wissembourg ist nämlich einer der Haupteigentümer des Oberen Mundatwaldes; und aufgrund der nicht einfachen deutsch-französischen Beziehungen – damals, wohlgemerkt – hatte die Stadt Schwierigkeiten, ihren Wald auf deutscher Seite zu nutzen, vor allem nach dem Ersten Weltkrieg. In dem Wald befinden sich Wasserquellen, die die Stadt Wissembourg versorgen.

    Es folgte ein verwirrendes Hin und Her: Die Stadt Wissembourg verlor ihre Rechte an dem Wald auf deutscher Seite. Der französische Staat bekam sie zwischenzeitlich wieder zurück, bevor er sie am 16. Dezember 1937 für 1,35 Millionen Reichsmark an den deutschen Staat verkaufte. Nach 1945 gehörte der Obere Mundatwald zur französischen Besatzungszone. Kurz darauf, im Jahr 1948, diskutierte ein Ausschuss, dem die USA, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich angehörten, über die Möglichkeit, die Westgrenzen Deutschlands zu revidieren.

    Als Konsequenz erhielt Frankreich schließlich das Waldgebiet zurück.

    Aber Vorsicht: Für das Komitee, das diese Berichtigung genehmigte, war sie nur vorläufig. Nur ein Vertrag zwischen dem französischen Staat und dem deutschen Staat – den es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab – konnte diese Angliederung rechtskräftig machen, mit der notwendigen Zustimmung der Amerikaner und Briten. Erledigt wurde dieser Punkt mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Zehn Jahre später begann der Versöhnungsprozess zwischen Franzosen und Deutschen.

    Ein originelles Abkommen

    In diesem Zusammenhang wurde am 31. Juli 1962 ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die BRD die Zugehörigkeit der Fläche des Oberen Mundatwaldes zu Frankreich anerkennt. Aber in der BRD weigerten sich die Abgeordneten des Bundestags, das Abkommen zu ratifizieren. Wem gehörten diese 680 Hektar nun? Weder die Franzosen, die an diesem historisch gewachsenen Wald in Wissembourg festhalten, noch die Deutschen, die nach dem Krieg viele Gebiete verloren haben, schienen bereit zu sein, loszulassen. Erst in den 1980er-Jahren, einer idyllischen Zeit für das “deutsch-französische Paar”, änderte sich die Situation. Auf der Höhe ihrer Flitterwochen versuchten die ehemals besten Feinde tatsächlich, ihre alten Streitereien zu regeln.

    Der Fall des Oberen Mundatwaldes kam also auf den Tisch, und es war der damalige französische Außenminister Claude Cheysson, der schließlich vorschlug, die Frage der Souveränität von der Frage des Eigentums zu trennen. Darin liegt die Raffinesse. Am 10. Mai 1984 versprach Frankreich, die Verordnung zur Angliederung der 680 Hektar an Frankreich aufzuheben, und Deutschland verpflichtete sich, das Eigentum Frankreichs an dem Wald samt seiner Rechte an den Wasserquellen und der Jagd anzuerkennen.

    In Artikel B des Abkommens heißt es: “Freier Zugang zum Wald und zu den Quellen für das mit ihrer Pflege und Nutzung beauftragte Personal.” Das bedeutet konkret, dass das Personal des Office National des Forêts, das nach französischem Recht angestellt ist, in Deutschland Holz schlagen und es nach Frankreich bringen kann, und es mit französischer Mehrwertsteuer zu verkaufen.

    Darin liegt tatsächlich die Originalität des Abkommens: Franzosen wird erlaubt, deutsches Gebiet zu bewirtschaften. Obwohl der Teil des Waldes zu Deutschland gehört, gilt dort französisches Recht. Ist der Obere Mundatwald damit deutsch oder französisch? Er ist wohl beides – das ist ja das Charmante.

    • Deutschland

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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