wie gestern angekündigt hat die Ampelkoalition in Berlin ihren Koalitionsvertrag präsentiert. Und der ist nicht nur umfangreich, sondern auch europapolitisch höchst relevant.
Und das ist der Kern dieser Ausgabe: Wir haben für Sie das Arbeitsprogramm von SPD, Grünen und FDP geprüft, inwiefern hier Europa mitgedacht wurde, wo europäische Ziele befördert oder auch ignoriert werden, wie diese Bundesregierung künftig in Europa agieren will. Wird es ein Zusammenspiel der nationalen und europäischen Ebene? Oder wird mit der Ampel-Koalition Deutschlands Rolle in Europa die eines Außenseiters, ob in Klima-, Digital-, Verkehrs- oder Finanzpolitik?
Wie das weitere Verfahren bis zur Regierungsbildung aussieht und was bei der Vorstellung gestern zu erleben war und dabei fehlte, darf ich Ihnen heute schildern.
Mein Kollege Eric Bonse analysiert, was die Ampel nun für Rechtstaatsmechanismus, Europäisches Wahlrecht und in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bedeuten wird – und ob Ursula von der Leyen künftig mit mehr Gegenwind aus Berlin rechnen muss.
Warum Christian Lindner in seiner neuen Rolle als Finanzminister nicht das Schreckgespenst der anderen europäischen Hauptstädte sein muss, Deutschland aber auch nicht an die Seite der Reformer springen wird, erläutert Till Hoppe.
Dass Deutschland gerne Klimaweltmeister wäre, ist kein Geheimnis. Christian Lindner sprach gestern vom ambitioniertesten Klimaschutzplan eines Industrielandes, die Grünen wollen mit der Koalitionsvereinbarung gar auf den 1,5-Grad-Pfad kommen – doch wo dieser Plan noch deutliche Defizite aufweist, hat Timo Landenberger herausgefunden.
Digital ist besser, wusste einst schon die bei FDP, SPD und Grünen gleichermaßen beliebte Band Tocotronic. Deren treue Hörer dürfen nun wohl im Bund regieren, aber im Digitalen hat an vielen Stellen die EU maßgebliche Kompetenzen. Ob und wie nationale Vorhaben und europäisches Gesamtkunstwerk zueinander passen, habe ich zusammengefasst.
Wird Deutschland nun zum Nachhaltigkeits-Vorzeigeland? Die Absicht ist da, aber die allein reicht nicht. Nicht bei Handelsabkommen, nicht bei Lieferketten, nicht in der Taxonomie, wie Till Hoppe analysiert.
Dass die Ampel beim Verkehr keine allzu großen Sprünge machen wird, das zeichnete sich bereits mit dem Sondierungspapier ab. Doch als unambitioniert kann man den Koalitionsvertrag hier nicht bezeichnen, selbst wenn an einigen Stellen das Prinzip Hoffnung (auf noch zu entwickelnde technologische Lösungen) mitregiert, wie Lukas Scheid berichtet.
“Die Ampel steht.” Mit diesem Satz, der Ziel wie zentrale Erkenntnis ist, eröffnete der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz gestern die Vorstellung des Koalitionsvertrages zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP. Scholz, der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, das Grünen-Parteispitzenduo Annalena Baerbock und Robert Habeck und die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und ihr scheidender Ko-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans wurden nicht müde, zu betonen, wie sehr man sich einander angenähert habe.
Einigkeit, die die Ampel-Koalition brauchen wird. Am Dienstag, mitten im Verhandlungsendspurt, hatte die Noch-Kanzlerin die Ampelverhandler zu sich gerufen, um mit ihnen über die Corona-Lage zu sprechen. Eine von vielen geerbten Krisen – aber die dringlichste, die keine 100 Tage Schonfrist dulden wird.
“Mehr Fortschritt wagen” ist der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition benannt, 177 Seiten stark. Dass das an Willy Brandts “Mehr Demokratie wagen” erinnern soll, ist kein Zufall. Die Post-Merkel-Ära soll, so haben es sich Liberale, Grüne und Sozialdemokraten vorgenommen, die Zeit eines Aufbruchs sein. Und der soll auch europäisch sein – selbst wenn das Europakapitel erst auf Seite 131 des Vertrages beginnt: Fast schon wie selbstverständlich sind die europäischen Regularien und Vorhaben Teil der inhaltlichen Kapitel (wir erläutern Sie ihnen in dieser Ausgabe themenbezogen).
Und das hat Methode – genauer gesagt: soll künftig wieder Gemeinschaftsmethode haben. Der will die Ampel-Koalition wieder Vorrang geben, allerdings mit einem Initiativrecht für das Europäische Parlament “vorzugsweise in den Verträgen”. Auf diese Weise will sie den EU-Institutionen wieder mehr Gewicht verleihen. Ein Angebot an Emmanuel Macron? Oder doch eher eine Ansage unmittelbar vor der französischen Ratspräsidentschaft? “Gemeinsam Europapolitik machen” wolle man, so Olaf Scholz.
Fragt sich nur: Wie? Die Koalitionäre der Ampel-Koalition beteuern, sich in europapolitischen Fragen effektiver untereinander abstimmen zu wollen – das “German Vote” im Brüsseler Rat soll der Vergangenheit angehören. Wie genau das gelingen soll, dazu schweigen sich die Parteien noch aus. Im Koalitionsvertrag ist von “regelmäßigen europapolitischen Koordinierungen” die Rede, und von einem “engen Zusammenwirken” der Fachminister mit dem Bundeskanzler. Klar ist: Olaf Scholz will auf diesem Schlüsselgebiet selbst die Zügel in der Hand halten.
Es fällt auf, wie FDP-Chef Christian Lindner die große Einigkeit in aller Unterschiedlichkeit der Koalitionspartner betont. Nichts erinnert an jenen Mann, der fast auf den Tag genau vor vier Jahren lieber “nicht als falsch regieren” wollte. Lindner ist plötzlich der Ampel-Botschafter: Er habe Olaf Scholz in diesen Verhandlungen neu kennengelernt, er sei ein guter Kanzler für dieses Land. Scholz und Lindner, sie sind die sichtbaren Akteure an diesem Tag in Berlin. Aber vielleicht ist das nicht weiter schlimm: Es gebe in dieser Regierung keine FDP-, Grünen und SPD-Minister, so Lindner weiter. Sondern Minister dienten dem Land.
Doch genau diese Minister wurden bei der Veranstaltung nicht öffentlich benannt. Bei Grünen und Liberalen scheint diese Frage bereits abschließend geklärt – doch bei der SPD ist sie noch offen.
Für die Grünen soll als Vizekanzler Robert Habeck das Ressort Wirtschaft und Klimaschutz leiten. Das Außenamt soll Annalena Baerbock übernehmen. Noch-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt soll für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zuständig sein, Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von Steffi Lemke verantwortet werden und Anton Hofreiter Ernährung und Landwirtschaft politisch gestalten.
Bei der FDP soll Christian Lindner als Finanzminister wirken, Marco Buschmann im Justizressort, Volker Wissing als Verkehrs- und Digitalminister und Bettina Stark-Watzinger als Bildungs- und Forschungsministerin.
Doch wer von den Sozialdemokraten außer Olaf Scholz und Wolfgang Schmidt (ChefBK) auf den weiteren fünf SPD-markierten Stühlen am Kabinettstisch der Ampel-Koalition Platz nehmen darf, ist noch offen. Die Personalfragen wolle er jetzt angehen und mit allen Beteiligten besprechen, sagte der wohl baldige Kanzler.
Als wahrscheinlich gilt, dass Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil am Platz bleibt. Doch wer für die SPD die Ressorts Gesundheit, Inneres, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung und das wieder aus dem BMI herausgelöste Bauen und Wohnen leiten soll? Erst die Inhalte, dann die Posten, so der sozialdemokratische Prozess – der aber auf interne Uneinigkeit deutet.
In der Europapolitik formuliert die Ampel-Koalition neue Ziele: Die Europäische Union solle “strategisch souverän” auftreten und zu einem “föderalen europäischen Bundesstaat” weiterentwickelt werden. Auch das “soziale Europa”, das Kanzlerin Angela Merkel tunlichst vermied, steht weit oben auf der Agenda der neuen Regierung.
Die Ampel-Koalition will auch stärker als Merkel für den Rechtsstaat eintreten. Polen und Ungarn müssen also mit mehr Druck aus Deutschland rechnen. Zunächst soll die Anfang 2021 eingeführte Rechtstaatskonditionalität genutzt werden, was Merkel auf die lange Bank geschoben hatte. Man plane, “die bestehenden Rechtsstaatsinstrumente konsequenter und zeitnah zu nutzen und durchzusetzen”, heißt es.
Dies ist auch eine Aufforderung an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die mit Verweis auf ein noch ausstehendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs zögert. Indirekt droht die Ampel-Koalition sogar mit dem Entzug von EU-Geldern aus dem Fonds “Next Generation EU”. Man werde den Plänen des Wiederaufbaufonds (nur dann) zustimmen, “wenn Voraussetzungen wie eine unabhängige Justiz gesichert sind”, heißt es im Koalitionsvertrag.
In der europäischen Außenpolitik strebt die neue Ampel-Koalition die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips an. Um die angestrebte qualifizierte Mehrheit im Rat durchzusetzen, will sie auf kleine Länder wie Luxemburg zugehen, die sich bisher quer stellen. Außerdem spricht sich die Ampel für die Aufwertung des EU-Außenbeauftragten aus – er soll zu einem “echten” EU-Außenminister werden (beziehungsweise einer Außenministerin).
Auch verteidigungspolitisch sind die Ziele hochgesteckt. So will die neue Ampel-Koalition “gemeinsame Kommandostrukturen und ein gemeinsames zivil-militärisches Hauptquartier” schaffen. Dabei müsse die Interoperabilität und die Komplementarität mit Strukturen und Fähigkeiten der NATO gesichert bleiben, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Ampel-Koalition wünscht sich einen “konstruktiven Dialog” mit Russland, geht aber verbal auf Distanz zu China.
Mit Blick auf die Europawahl 2024 legen sich die Ampel-Partner fest: “Wir unterstützen ein einheitliches europäisches Wahlrecht mit teils transnationalen Listen und einem verbindlichen Spitzenkandidatensystem.” Ein Machtkampf um die Besetzung der EU-Kommission wie 2019 soll so ausgeschlossen werden.
Diese Festlegung könnte von der Leyen zugutekommen. Denn der Koalitionsvertrag spricht das Vorschlagsrecht für den nächsten deutschen Kommissar oder Kommissarin den Grünen zu. Allerdings unter Vorbehalt, dass “die Kommissionspräsidentin nicht aus Deutschland stammt”.
Grünen-Vertreter Sven Giegold erklärt den Passus so: Wenn die anstehende Wahlrechtsreform das Spitzenkandidatenprinzip festschreibe und die EVP mit der CDU-Politikerin von der Leyen erfolgreich in den nächsten Europawahlkampf ziehe, dann werde sich die neue Bundesregierung dem nicht entgegenstellen. Dann hätten die Grünen “mit Zitronen gehandelt”.
Es war eine der größten Sorgen in Paris, Rom oder Madrid: dass eine neue Bundesregierung mit Beteiligung der FDP gleich im Koalitionsvertrag rote Linien festschreiben und so die anlaufende Diskussion um die Reform der europäischen Haushaltsregeln abwürgen würde (Europe.Table berichtete). Die mehr oder weniger dezenten Hinweise aus den anderen Hauptstädten haben offenkundig Wirkung gezeigt (Europe.Table berichtete).
FDP-Chef Christian Lindner ist zwar alles andere als die Wunschbesetzung der Regierungen in Frankreich, Italien und Spanien für das Amt des Bundesfinanzministers. Doch die Passagen im Koalitionsvertrag zur europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik lesen sich offener, als es das FDP-Wahlprogramm hätte vermuten lassen.
Zwar wird dort die Formulierung aus dem Sondierungspapier wiederholt, wonach der Wachstums- und Stabilitätspakt “seine Flexibilität bewiesen” habe. Zugleich ist dort aber auch von einer “Weiterentwicklung der fiskalpolitischen Regeln” die Rede. Diese solle sich daran orientieren, Wirtschaftswachstum zu sichern, die Schuldentragfähigkeit zu erhalten und für nachhaltige und klimafreundliche Investitionen zu sorgen. Zugleich solle “der Stabilitätspakt einfacher und transparenter werden, auch um seine Durchsetzung zu stärken”.
Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Nicola Beer betont zwar, die geplante Weiterentwicklung bedeute keine Abkehr von den Grenzen im Stabilitätspakt, drei Prozent für das Defizit und 60 Prozent für die Staatsverschuldung. Lucas Guttenberg, stellvertretender Direktor des Jacques Delors Centre, sieht aber in den Formulierungen dennoch einen großen Schritt: “Dass die Ampel explizit bereit ist, die Fiskalregeln weiterzuentwickeln, geht über das Sondierungspapier hinaus und ist eine sehr gute Nachricht: Das eröffnet die Möglichkeit, die Fiskalregeln endlich der Realität anzupassen.”
Der Koalitionsvertrag enthält auch keine eindeutige Positionierung in der Debatte um eine Neuauflage des über EU-Anleihen finanzierten Aufbauinstruments: “Next Generation EU (NGEU) ist ein zeitlich und in der Höhe begrenztes Instrument“, heißt es dort zwar. Auch Beer betont, der 750 Milliarden große Topf sei “keine Dauereinrichtung”. Aber Guttenberg sieht darin keine klare Absage: “Dass NGEU in Höhe und Umfang begrenzt ist, ist eine richtige wie triviale Feststellung: Eine Festlegung über ein mögliches Folgeinstrument trifft der Vertrag nicht.”
Einen großen Schritt gehen die Koalitionspartner bei der Bankenunion: Sie erklären sich “bereit, eine europäische Rückversicherung für nationale Einlagensicherungssysteme zu schaffen”. Bei dem europäischen Einlagenversicherungssystem (EDIS) hatte Deutschland auf europäischer Ebene lange gebremst. Mit der Vereinbarung werde “eine zehnjährige Blockade in Richtung Bankenunion endlich aufgehoben“, sagt der Grünen-Finanzpolitiker Sven Giegold.
Allerdings stellt Giegold auch klar, dies bedeute keine Zustimmung Berlins für eine volle Vergemeinschaftung der Einlagensicherung, wie die EU-Kommission sie anstrebe. Der Koalitionsvertrag nennt etliche Einschränkungen: Voraussetzung sei eine weitere Reduzierung von Risiken in den Bankbilanzen, die weitere Stärkung des Abwicklungsregimes und der Erhalt der Institutssicherung der Sparkassen und Volksbanken – “mit dem klaren Ziel, wirtschaftliche Zusatzbelastungen der ihnen angehörenden kleinen und mittleren Banken zu vermeiden”.
Auch der Grüne Giegold betont: Die Koalitionäre wollten andere Akzente setzen als die Vorgänger, aber nicht das Fundament deutscher Europapolitik verrücken: “Auch die neue deutsche Regierung wird auf Solidität und Solidarität bestehen.”
Mit einem Klimaschutz-Sofortprogramm inklusive aller notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen will die neue Ampelkoalition ihre Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik bis spätestens 2022 konsequent auf den 1,5-Grad-Pfad ausrichten. Dabei sollen sämtliche Gesetzesentwürfe auf ihre Klimawirkung hin geprüft werden. Wie genau dieser “Klimacheck” aussehen soll, wird im Koalitionsvertrag nicht näher ausgeführt.
Dass der Weg zur Klimaneutralität jedoch möglichst technologieoffen ausgestaltet werden soll, wird hingegen sehr deutlich. Der Begriff fällt im Kapitel Klima, Energie, Transformation etliche Male, ist besonders der FDP ein wichtiges Anliegen und dürfte andererseits den Grünen einige Bauchschmerzen bereitet haben.
Diese konnten sich dafür erwartungsgemäß mit einer ihrer Kernforderungen durchsetzen: Der Kohleausstieg soll bereits 2030 und damit acht Jahre früher als bisher geplant erfolgen. Jedenfalls “idealerweise”, wie es heißt. Für Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, eine zentrale Errungenschaft. “Allein dadurch werden wir enorm viel CO2 einsparen”, sagt der Europaabgeordnete, der für die Grünen an den Koalitionsverhandlungen beteiligt war, zu Europe.Table. “Aber es war kein Spaziergang. Für viele Punkte mussten wir echt kämpfen.”
Dazu gehört auch das ambitionierte Ziel für erneuerbare Energien. Trotz erhöhten Strombedarfs sollen 80 Prozent des Stroms im Jahr 2030 aus regenerativen Quellen stammen. Entsprechend soll der Ausbau massiv beschleunigt, Genehmigungsverfahren sollen deutlich verkürzt werden.
Neben einer Solar-Offensive auf möglichst allen geeigneten Dächern soll auch die Windenergie an Land, deren Ausbau in den vergangenen Jahren ins Stocken geriet, wieder beschleunigt werden, wofür zwei Prozent der Landesfläche herhalten sollen. Auch auf See will die Ampelkoalition die Windkraft-Kapazitäten deutlich erhöhen. Das könne aber nur in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnern erfolgen, sagt Sylwia Andralojc-Bodych von der Umweltorganisation Germanwatch.
“Ohne ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Deutschland und EU-Mitgliedstaaten wird das Erzeugungspotenzial in der Ostsee, das von der Europäischen Kommission auf 93 Gigawatt geschätzt wird, kaum ausgeschöpft werden können.” In jedem Fall wird Deutschland ein Energie-Importland bleiben. Ob 2030 also wirklich 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammt, hängt auch davon ab, ob Partnerländer und die EU mitziehen.
Bis zur Versorgungssicherheit durch erneuerbare Energien setzt die Ampelkoalition auf den Zubau neuer Gaskraftwerke, die auf klimaneutrale Gase wie Wasserstoff (H2-ready) umgestellt werden können. Erdgas sei für die Übergangszeit unverzichtbar, heißt es in dem Papier, das aber auch mit einem – wenn auch etwas verklausuliertem – Bekenntnis zum Gasausstieg aufwartet. Demnach sollen die Betriebsgenehmigungen für Kraftwerke so erteilt werden, dass der Betrieb über das Jahr 2045 hinaus nur mit nicht-fossilen Brennstoffen fortgesetzt werden kann.
Bis dahin wird Gas auch für die Herstellung von Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen (Europe.Table berichtete). Priorität habe zwar die einheimische Erzeugung auf Basis erneuerbarer Energien, für einen schnellen Hochlauf müsse jedoch auf eine technologieoffene Ausgestaltung gesetzt werden, heißt es in dem Papier. Auf europäischer Ebene will sich die Ampel für eine einheitliche Zertifizierung von Wasserstoff und seinen Folgeprodukten einsetzen, europäische Importpartnerschaften stärken und das IPCEI Wasserstoff schnell umsetzen (Europe.Table berichtete).
Daneben setzt die künftige Regierung auf eine Stärkung des EU-Emissionshandels (ETS) und will sich für einen ETS-Mindestpreis von 60 Euro stark machen. Das entspricht ungefähr dem aktuellen Preisniveau. “Ich werde im EU-Parlament darauf drängen, dass wir das auch wirklich bekommen”, sagt Michael Bloss, ETS-Schattenberichterstatter für die Grünen.
Da die Energiepreise allerdings ohnehin bereits seit einigen Wochen sehr hoch sind, will die Ampel zunächst am bisherigen Preispfad des Brennstoffemissionshandelsgesetz festhalten, und diesen nicht zusätzlich erhöhen. Die Grünen hatten dies gefordert, konnten sich hier aber nicht durchsetzen.
Außerdem soll zum 1. Januar 2023 die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis beendet werden. Mit der Vollendung des Kohleausstiegs soll die Förderung der erneuerbaren Energien dann ganz auslaufen. Gleichzeitig sollen aber auch Steuerbegünstigungen bei der wirtschaftlichen Nutzung von Strom abgebaut werden.
Zum Schutz der Industrie will sich die Ampelkoalition auch für einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz einsetzen und bekennt sich dabei zum Border Adjustment Mechanism der EU (CBAM) (Europe.Table berichtete). Bei der Novellierung der europäischen Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (Europe.Table berichtete) und anderer Regelungen will die Koalition “darauf achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewahrt bleibt”. Mit den “richtigen Rahmenbedingungen” sollen die Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützt werden. Dazu zählen insbesondere Klimaschutzdifferenzverträge, wettbewerbsfähige Energiepreise, ein Transformationsfonds bei der KfW sowie Anreize für Leitmärkte und für klimaneutrale Produkte.
Die globale Klima- und Energieaußenpolitik soll, ausgehend von der Initiative Deutschlands und der EU, durch internationale Klimaclubs geprägt werden. Die Ampel will sich schon während der deutschen G7-Präsidentschaft 2022 dafür einsetzen, dass mittelfristig ein weltumspannendes Emissionshandelssystem mit einheitlichem CO2-Preis und gemeinsamem CO2-Grenzausgleich entsteht. mit Lukas Scheid
Europäische und nationale Vorhaben gemeinsam zu denken, das ist bei den digitalen Vorhaben feste Absichtserklärung des Koalitionsvertrages: “Ein digitaler Aufbruch, der unsere Werte, die digitale Souveränität und einen starken Technologiestandort sichert, gelingt nur in einem fortschrittlichen europäischen Rahmen“, heißt es auf Seite 15. Der Blick wird sich nun auch auf das BMVI richten: Das Haus an der Invalidenstraße soll künftig mit Volker Wissing (FDP) an der Spitze maßgebliches Treiberministerium auch für Digitales werden. Doch in fast jedem Ressort gibt es relevante Digitalvorhaben.
Doch digitaler Fortschritt hängt von zwei Aspekten ab: In welchem Umfeld soll etwas passieren – und mit welchem politischen und regulatorischen Werkzeug lässt es sich adressieren? Zugleich bewirken europäische Regelungen immer auch Veränderungen an primär nationalen Vorhaben.
In der nationalen Digitalpolitik spielt natürlich der Infrastrukturausbau mit Glasfaser und Mobilfunk eine wesentliche Rolle, hier steuern die Koalitionäre vor allem mit prozessualen Veränderungen wie dem Gigabit-Grundbuch nach. Auch bei der Verwaltungsmodernisierung ist es weniger die Neuerfindung des Rades, als das Nachsteuern auf eingeschlagenen Pfaden.
Im Gesundheitswesen soll Digitalisierung zum Standard werden, die DSGVO-konforme elektronische Patientenakte sollen Bürger aktiv per Opt-Out ablehnen müssen. Bis hin zur “telenotärztlichen Versorgung” sollen künftig alle medizinischen Leistungen auch digital erbracht werden können – wie diese Vorhaben europaweit kompatibel sein sollen, verraten die Koalitionäre zumindest nicht im Vertragstext.
Auch ein digitales Gesetzgebungsportal ist vorgesehen, in dem der Stand inklusive Synopsen enthalten sein und öffentliche Kommentierungsmöglichkeiten erprobt werden sollen. Dieses könnte praktisch eng verbunden werden mit der vorgesehenen Lobbyregistergesetz-Novelle, mit der künftig schon Kontakte auf Referentenebene erfasst werden sollen und dem Plan, den “legislativen Fußabdruck“, also eingeflossene Eingaben von außen ebenfalls bei Gesetzentwürfen mitanzugeben. Auch hier findet sich bedauerlicherweise keine Angabe zu einer denkbaren Interoperabilität mit europäischen Systemen und Vorhaben der Digitalpolitik.
Konfliktpotenzial in der Digitalpolitik entsteht bei der Frage des regulatorischen Umgangs mit Daten: Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem ein Datengesetz zur Schaffung eines “standardisierten und maschinenlesbaren Zugangs zu selbsterzeugten Daten vor”. Dies könnte jedoch auch Teil der Regelungen des für Ende 2021 geplanten Vorschlags für einen Data Act auf europäischer Ebene sein. Ähnliches gilt auch für die Koalitionspläne für Daten in der Landwirtschaft: Auch hier müssten die Zielvorgaben der Ampel und der EU-Ebene in Einklang gebracht werden.
Beim Datenschutz soll die DSGVO unangetastet bleiben, aber die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden national wie europäisch gestärkt werden. Einen besonderen Effekt könnte die Ampelkoalition auf die seit Jahren feststeckende E-Privacy-Verordnung haben: Hier wollen SPD, Grüne und FDP schnell die Verabschiedung einer “ambitionierten” Regelung, ohne weiter ins Detail zu gehen.
Eng im Zusammenhang mit beiden Bereichen steht auch die Position der kommenden Bundesregierung zur Vorratsdatenspeicherung: Hier haben die Verhandler eine politische Bewertung unterlassen und zur Begründung schlicht auf die ausstehenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs verwiesen. Dennoch: die VDS soll Geschichte sein. Das, was der Koalitionsvertrag nun vorsieht, entspricht dem Konzept “Quick Freeze”, also anlassbezogener Speicherung.
Die Koalition bekennt sich zum Digital Services Act. Auf dessen Grundlage wolle man unter anderem Telemediengesetz und Netzwerkdurchsetzungsgesetz überarbeiten. Allerdings sind die Ausführungen zum DSA eher schlank geraten – welche Behörde beispielsweise der deutsche Digital Services Coordinator werden soll, wird nicht weiter spezifiziert.
Allerdings ist an anderer Stelle dem Bundeskartellamt eine starke Rolle im Umgang mit Plattformen zugedacht. Das bezieht sich auch auf die Verhandlungen zum Digital Markets Act. Der DMA wird prinzipiell unterstützt – jedoch mit der Maßgabe, dass er nicht schwächer als nationales Recht ausfallen dürfe.
Gemeint sind damit die noch unter schwarz-roter Regierung durchgeführten Änderungen am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), insbesondere der damit eingeführte § 19a, den das Bundeskartellamt derzeit in verschiedenen Verfahren auf seine Wirksamkeit prüft. Das GWB will die Koalition weiterentwickeln. Auch die Fusionskontrolle soll europäisch weiter geschärft und Killer-Akquisitionen verboten werden.
Nicht genau absehbar sind die europäischen Auswirkungen der Vorhaben im Bereich der IT-Sicherheit auf die Digitalpolitik. So will die Ampel ein Recht auf Verschlüsselung genauso einführen wie security-by-design/default als Vorgabe. Dies steht teilweise im Konflikt mit Plänen der EU-Kommission, etwa beim Thema Chatüberwachung. Auch an anderer Stelle im Koalitionsvertrag werden “Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation” abgelehnt.
Weitergehend dürften Auswirkungen an anderer Stelle sein: Die künftige Bundesregierung will den Ankauf von Schwachstellen durch staatliche Stellen verbieten und ein Meldesystem über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) etablieren, sodass bekannt gewordene Sicherheitslücken herstellerseitig schnellstmöglich geschlossen werden. Flankiert wird dies unter anderem von der Ankündigung einer “ehrgeizigen Cybersicherheitspolitik”, die die Bundeswehr befähigen soll. Zugleich soll der Cyberraum friedlich sein – außenpolitisch wird dafür auf völkerrechtliche Normen und ein Rüstungskontrollregime gesetzt.
Insbesondere bei den Themen Datenschutz und IT-Sicherheit zeitigt der Wechsel von einer schwarz-roten zu einer Ampelkoalition also deutliche Unterschiede.
Auch hier haben die Koalitionäre Europa nicht vergessen: Insbesondere KI soll gefördert werden. Die KI-Regulierung wird für gut befunden, wenn die Haftung geklärt und ein mehrstufiger Risikoansatz enthalten ist. Dass eine biometrische Erkennung im öffentlichen Raum durch die Koalition kategorisch ausgeschlossen wird, entspricht der sonstigen Veränderung gegenüber bisheriger deutscher Regierungslinie im Sicherheitsbereich und dürfte Verhandlungsarbeit auf europäischer Ebene bedeuten – oder eben eine Öffnungsklausel für nationale Gesetzgeber.
Was bei den Schlüsseltechnologien hingegen auch der bisherigen deutschen Linie in der Digitalpolitik entspricht: Der EU Chips Act soll unterstützt werden, die IPCEIs gestärkt. Die Quantenkommunikation, Distributed-Ledger-Technologien (das Wort Blockchain wurde so elegant vermieden), Robotik und Cybersicherheit gehören für FDP, Grüne und SPD weiterhin zu den Schlüsseltechnologien, auf die es ankomme.
Für Kontinuität zur Politik der Großen Koalition steht auch die Positionierung zur “strategischen Souveränität”, die die Koalitionäre erhöhen wollen. Es gehe darum, “eigene Handlungsfähigkeit im globalen Kontext herzustellen und in wichtigen strategischen Bereichen, wie Energieversorgung, Gesundheit, Rohstoffimporte und digitale Technologie weniger abhängig und verwundbar zu sein”, heißt es dort. Freilich, ohne Europa abzuschotten.
Dies bedeute, kritische Technologie und Infrastruktur besser zu schützen sowie die Formulierung von Standards und die öffentliche Beschaffung strategisch mitzudenken. Ein konkretes Beispiel dieser Lesart findet sich in der Koalitionsvereinbarung: Bei kritischen Infrastrukturen sollen “nicht-vertrauenswürdige Unternehmen” beim Ausbau keine Berücksichtigung finden (Europe.Table berichtete). Dazu passend wollen die Koalitionäre ein europäisches Open Source-5/6G-Konsortium initiieren.
Kaum etwas wird in Brüssel derzeit so hitzig diskutiert wie die Frage, ob Investitionen in Kernkraft und Erdgas als nachhaltig klassifiziert werden sollten. Im Koalitionsvertrag findet sich zur Taxonomie: kein Wort. Was nicht bedeutet, dass die drei Parteien darüber nicht diskutiert und gestritten hätten.
Der Grünen-Unterhändler Sven Giegold etwa hatte ausdrücklich gewarnt, weder Investitionen in Gas noch in Atomenergie dürfen “durch die Aufnahme in die Taxonomie grün gewaschen werden”. SPD und FDP hingegen setzen auf Gas als Brückentechnologie und verhinderten eine klare Positionierung.
Die Grünen fügten sich schließlich und rechtfertigen dies mit höheren Zielen: Der Streit um die Kernkraft dürfe nicht das Verhältnis zu Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den erwünschten Aufbruch gefährden, sagt Giegold. “Das wäre ein schwerer europapolitischer Fehler.” Daher wolle man in den kommenden Wochen versuchen, die Kuh vom Eis zu holen – sprich: einen gangbaren Kompromiss zu finden.
Hinsichtlich von Umwelt- und Sozialstandards für Lieferketten hat das Ringen der drei Parteien wenig aussagekräftige Formulierungen hervorgebracht. “Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert”, heißt es dazu. Grünen-Handelspolitikerin Anna Cavazzini, eine Verfechterin weitreichender Standards für Unternehmen, verweist auf das Wort “wirksam”. Einzelheiten werde man besprechen, wenn die Kommission ihren bislang für Dezember terminierten Entwurf zum Sorgfaltspflichtengesetz vorgelegt habe (Europe.Table berichtete).
Die Abschnitte zur Handelspolitik tragen hingegen deutlich die Handschrift von Grünen und jenen in der SPD, die die bisher abgeschlossenen Handelsabkommen kritisch sehen. Eine schnelle Ratifizierung der noch anhängigen Verträge mit Kanada, Mercosur und China ist von der Ampel kaum zu erwarten.
So heißt es im Koalitionsvertrag, über die Ratifizierung des Ceta-Abkommens mit Kanada werde die Koalition nach Abschluss der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Dort ist derzeit noch eine Verfassungsbeschwerde der NGOs Foodwatch, Campact und Mehr Demokratie anhängig. Selbst wenn die Karlsruher Richter diese abweisen sollten, ist der Weg für die Ratifizierung des vorläufig in Kraft getretenen Abkommens nicht automatisch frei. Cavazzini wertet dies als “großen Erfolg”: So gewinne man Zeit, um mit der kanadischen Regierung nochmals zu verhandeln, insbesondere über das Investitionsschutzkapitel des Abkommens.
Grüne und SPD setzten durch, dass sich die Ampel auch jenseits von Ceta dafür einsetzen will, den Spielraum von Investoren für Klagen einzuschränken. So sollten die Abkommen “den Investitionsschutz für Unternehmen im Ausland auf direkte Enteignungen und Diskriminierungen konzentrieren”. Cavazzini hofft, so die Diskussion in Brüssel über das Thema anzuheizen und ein neues Modellkapitel zum Investitionsschutz zu entwickeln, das in künftige Abkommen einfließt.
Auch beim Abkommen mit den Mercosur-Staaten will die Ampel nachverhandeln. Vor einer Ratifizierung brauche es vonseiten der Partnerländer rechtliche verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz sowie praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen, heißt es im Koalitionsvertrag.
Zudem wolle man sich dafür einsetzen, dass künftige Handelsabkommen, etwa mit Chile, Neuseeland oder Australien, “mit effektiven Nachhaltigkeitsstandards unter Anwendung eines Streitbeilegungsmechanismus ausgestattet” würden. Auch hier dürfte der Knackpunkt sein, was die drei Partner unter “effektiv” verstehen – Sanktionen oder auch Dialogformate.
Neue Jobs sollen in der Batteriefertigung entstehen. Europäischen Batterie-IPCEIs sollen fortgeführt und die deutsche Zellproduktion ausgebaut werden (Europe.Table berichtete). Wirklich konkretes sei im Koalitionsvertrag aber nicht zu finden, kritisiert Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer, “weder bei der Finanzierung noch bei den Maßnahmen, wie etwa Besteuerung von fossilen Kraftstoffen.” Aber: Deutschland soll zum “Leitmarkt für Elektromobilität” werden und 15 Millionen vollelektrische Autos bis 2030 auf die Straße bringen.
Die Ampel-Parteien beziehen sich im Koalitionsvertrag zudem auf den Vorschlag der EU-Kommission, ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zuzulassen. In Deutschland soll das sogar noch früher gelingen. Ein konkretes Datum fehlt jedoch.
Etwas konkreter wird der Koalitionsvertrag bei den EU-Flottengrenzwerten: Die Ampel unterstützt diese grundsätzlich. Für Stef Cornelis, Direktor Deutschland bei der NGO Transport & Environment, bedeutet das einen Durchbruch. Er habe sich jedoch noch ehrgeizigere Ziele im Rahmen der Flottenregulierung gewünscht. Cornelis fordert: Die neue Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, dass die Emissionen der Pkw-Flotte ab 2025 um 25 Prozent statt um die vorgeschlagenen 15 Prozent reduziert werden. Die Emissionsreduzierung ab 2030 solle von 50 auf 80 Prozent angehoben werden.
Bei der anstehenden Erneuerung von Schadstoff-Normen für Fahrzeuge will die Ampel sich für eine “ambitionierte” Euro 7-Norm einsetzen (Europe.Table berichtete). Allerdings wird an dieser Stelle auch betont, dass die Norm Wertschöpfung und Arbeitsplätze berücksichtigen müsse. Welche Umweltkriterien sie erfüllen soll, wird nicht benannt. Das bedeutet, dass der Fokus von Euro 7 für die Ampel nicht auf einem Mehr an Klimaschutz liegt, sondern auf geringerer Belastung für die Automobilindustrie.
Von einem expliziten Verbrenner-Aus ist ohnehin nicht die Rede. Die Formulierung zu den E-Fuels aus dem Sondierungspapier hat es auch in den Koalitionsvertrag geschafft (Europe.Table berichtete): Außerhalb der EU-Flottengrenzwerte möchte die Ampel Verbrenner-Fahrzeuge, die ausschließlich mit E-Fuels betankt werden können, weiterhin zulassen. Allerdings sieht die EU-Flottenregulierung keine solche Ausnahme vor. E-Fuels sind demnach nur auf dem Papier ein Teil der Dekarbonisierungstrategie der Ampel. In der Praxis dürften sie weiterhin keine Rolle im Straßenverkehr spielen.
Ganz anders in der Luftfahrt. Die Ampel unterstützt die “Erforschung und den Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen, die klimaneutrales Fliegen ermöglichen“. Als Anreiz für den Markthochlauf sollen “ambitionierte Quoten” dienen. Beziffert werden diese Quoten im Koalitionsvertrag nicht. Allerdings deutet die Sprache des Papiers deutlich daraufhin, dass der Luftfahrtsektor allgemein mehr zur Verantwortung gezogen werden soll. Billigtickets sollen verhindert und eine Luftverkehrsabgabe – wenn nicht sogar eine Kerosinsteuer – europaweit eingeführt werden.
Bei der Dekarbonisierung der Schifffahrt bleiben die Koalitionäre dagegen eher schwammig. Zwar sollen auch hier Quoten für synthetische Kraftstoffe eingeführt werden. Bei der Ausgestaltung des Fit for 55-Pakets heißt es jedoch nichtssagend, man wolle “die Gesamtbelastungen für die Schifffahrt im Blick behalten”. Das klingt, als müsste die Schifffahrtsbranche vor zu harten Bandagen aus Brüssel beschützt werden. Konkrete Dekarbonisierungspläne für die maritime Wirtschaft fehlen jedenfalls.
25.11.2021 – 16:30-17:45 Uhr, online
KAS, Discussion The hotly contested Arctic: Why we need more EU in the region
This Konrad Adenauer Foundation (KAS) event will explain the political and geographic complexity of the Arctic. Furthermore, it will address the question of how the EU can deal with the effects of competition for natural resources and the new environmental and security risks in the Arctic. INFOS & REGISTRATION
26.11.2021 – 08:00-13:30 Uhr, Berlin/online
Konferenz French German Business Forum 2021
Das Französisch-Deutsche-Wirtschaftsforum bietet Repräsentant:innen aus Wirtschaft, Politik und Medien aus beiden Ländern eine Möglichkeit des Austauschs. INFOS & ANMELDUNG
29.11.-01.12.2021, online
ERA, Seminar Privacy and Data Protection: Recent ECtHR and CJEU Case Law
The seminar of the Academy of European Law (ERA) addresses lawyers, judges, civil servants and legal practitioners dealing with privacy and data protection law. It will provide an update on the development of the case law of the European Court of Human Rights (ECtHR) and the Court of Justice of the European Union (CJEU) with regard to the right to privacy and data protection since 2020. INFOS & REGISTRATION
29.11.-03.12.2021, online
FCH, Conference European Hydrogen Week 2021
At several events during the Hydrogen Week, the latest developments at EU level in the hydrogen sector will be discussed. More info and details will be available on the website. INFOS
30.11.2021 – 09:00 Uhr, online
VIK, Konferenz Jahrestagung
Die Jahrestagung des Verbands der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) bietet eine Möglichkeit des Austauschs für Vertreter:innen aus der Energiewirtschaft und anderer energieintensiver Branchen. Im Fokus der diesjährigen Veranstaltung steht die Vereinbarkeit von industrieller Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltigem Klimaschutz. INFOS & ANMELDUNG
30.11.2021 – 09:00-15:45 Uhr, online
Conference The Hamburg Summit – China meets Europe
The Hamburg Summit is a business conference on European-Chinese relations and offers leaders and representatives from European, Chinese and international politics, business and academia the opportunity to discuss mutual subjects. INFOS & REGISTRATION
30.11.2021 – 10:00-12:00 Uhr, online
Eurelectric, Seminar Digitopia 2021: Where Electricity Meets Data
This eurelectric event addresses data, artificial intelligence and digitalization in the energy sector. It will focus on digital strategies as a basis for smart grids and customer solutions. INFOS & REGISTRATION
30.11.2021 – 10:00-13:00 Uhr, online
ZIA, Seminar Update Taxonomie – Was gibt es Neues?
Bei diesem Seminar des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) wird der EU Action Plan on Sustainable Finance vorgestellt und aufgezeigt, welche Tätigkeitsbereiche der Immobilienwirtschaft er berührt. INFOS & ANMELDUNG
30.11.2021, 13:00 Uhr – online
Bitkom, Conference Digital Energy Conference
At Bitkom’s Digital Energy Conference, political and energy industry experts will discuss new possibilities for energy infrastructure and market solutions. In particular, the topics of digitalization of distribution networks, smart meter rollout, solutions for energy efficiency via IT security, resilience of energy systems, platform and cloud models, virtual power plants and intelligent storage solutions will be addressed. INFOS & REGISTRATION
30.11.2021 – 15:00-16:00 Uhr, online
Eco, Podiumsdiskussion What’s next: Braucht Deutschland ein Digitalministerium?
Die Expert:innen des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) werden die Herausforderung der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft für die kommende Bundesregierung diskutieren. Dabei sollen die Voraussetzungen für die Realisierung eines Digitalministeriums thematisiert werden. INFOS & ANMELDUNG
30.11.2021 – 16:00-17:30 Uhr, online
Acatech, Podiumsdiskussion Gute Arbeit in der digitalen Transformation
Bei der Debatte der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) soll es um die digitale Transformation als Schlüssel der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und der Herausforderungen durch die demografische Entwicklung gehen. Die Referent:innen diskutieren die damit einhergehenden Veränderungen der Arbeitswelt. INFOS & ANMELDUNG
Im Kampf gegen die Corona-Krise hat die EU-Kommission die Länder der Eurozone aufgefordert, die Wirtschaft auch 2022 mit Konjunkturhilfen zu unterstützen. Dabei solle der Schwerpunkt auf Investitionen, Fachkräften in Zukunftsbranchen und dem Erhalt lebensfähiger Unternehmen liegen, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit.
Die Regierungen sollten die wirtschaftliche Erholung je nach ihrem Schuldenstand mithilfe der Fiskalpolitik moderat ankurbeln und dazu Mittel aus dem Corona-Hilfsfonds der EU verwenden, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni zur Umsetzung der Konjunkturhilfen. 2022 sei das Jahr, in dem die europäischen Länder von der Krisenbewältigung zur Unterstützung des Aufschwungs übergehen sollten.
Einige Länder mit einer besonders hohen Staatsverschuldung wie etwa Italien müssten ihre Ausgaben aber begrenzen, erklärte die EU-Kommission. Auch Griechenland, das unter einer hohen Arbeitslosigkeit leide, und Zypern, dem ein Berg fauler Kredite und ein großes Handelsdefizit zu schaffen machten, stünden hier unter genauerer Beobachtung. rtr
Die EVP-Fraktion hat Roberta Metsola als Kandidatin für Amt des Präsidenten des Europaparlaments nominiert. Mit 64,4 Prozent erhielt die maltesische EU-Abgeordnete und aktuelle Vizepräsidentin des Parlaments die Mehrheit der Stimmen ihrer Fraktion. Neben der Malteserin hatten sich die Niederländerin Esther de Lange und der Österreicher Othmar Karas beworben.
Der Vorsitzende der EVP-Fraktion Manfred Weber gratulierte Metsola zur Wahl und betonte, dass es “höchste Zeit ist, dass der nächste Präsident des Europäischen Parlaments eine Frau ist”. Zugleich bekräftigte Weber die Vereinbarung von 2019, laut der in der zweiten Hälfte der Wahlperiode das Amt an eine Person aus den Reihen der EVP-Fraktion gehen soll. Bislang ist jedoch unklar, ob der amtierende Parlamentspräsident David Sassoli (S&D) tatsächlich abtreten wird.
Die Wahl der neuen EU-Parlamentspräsidentin oder des neuen EU-Parlamentspräsidenten soll im Januar stattfinden. sas
Ernennung am Vormittag, Rücktritt am Nachmittag: Nur wenige Stunden nach ihrer Ernennung als Schwedens neue Ministerpräsidentin hat Magdalena Andersson ihren Rücktritt angekündigt. Grund war ein Streit über die Haushaltspläne ihrer Minderheitskoalition.
Die Opposition hatte diese am Mittwochnachmittag im Parlament abgelehnt und stattdessen für einen Etatentwurf von drei Oppositionsparteien gestimmt. Daraufhin kündigten die Grünen ihren Rückzug aus der Regierungskoalition an, woraufhin wiederum Anderssons Rücktrittserklärung folgte.
Erst am Vormittag war die Sozialdemokratin Magdalena Andersson als neue Regierungschefin bestätigt worden. rtr
Es sind viele Bilder, die an diesem Tag produziert werden. Scholz, Lindner, Habeck, Baerbock. Koalition. Aufbruch. Gemeinsames Fotografenschaulaufen der Koalitionsgruppe. Gemeinsamkeiten und Aufmerksamkeiten.
Nur einer, der hält sich versteckt, ohne sich zu verstecken. Gleich hinter den Fernsehkameras am linken Rand der Hafenhalle, wo die glücklichen Koalitionäre stehen, hat sich jemand auf die Fensterbank verkrochen, der an diesem Koalitionsvertrag mindestens so viel Anteil haben dürfte wie die auf der Bühne: Wolfgang Schmidt. Prozessorganisator, Sherpa, Notetaker.
Schmidt, hauptberuflich derzeit noch Staatssekretär im Scholz-BMF ist nach eigener, etwas spöttischer Auskunft üblicherweise dienstagabends mit der regulären Wochenarbeitszeit rum. Dann hat er Zeit für seine Hobbys: die SPD – und insbesondere Olaf Scholz.
Er genießt diesen Moment, hinter den Kameras, auf der Fensterbank. Die meisten Journalisten nehmen ihn gar nicht wahr. Er hört den Chefs zu, das Smartphone in der Hand, um jederzeit die nächsten Schritte organisieren zu können.
Und die werden kommen, nach dem heutigen Tag. Das Kanzleramt ist auch für ihn heute in unbegreifbare Nähe gerückt. Dann könnte es heißen: Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramts und Minister für besondere Aufgaben. Und die große Bühne könnte er weiter anderen überlassen. Falk Steiner
wie gestern angekündigt hat die Ampelkoalition in Berlin ihren Koalitionsvertrag präsentiert. Und der ist nicht nur umfangreich, sondern auch europapolitisch höchst relevant.
Und das ist der Kern dieser Ausgabe: Wir haben für Sie das Arbeitsprogramm von SPD, Grünen und FDP geprüft, inwiefern hier Europa mitgedacht wurde, wo europäische Ziele befördert oder auch ignoriert werden, wie diese Bundesregierung künftig in Europa agieren will. Wird es ein Zusammenspiel der nationalen und europäischen Ebene? Oder wird mit der Ampel-Koalition Deutschlands Rolle in Europa die eines Außenseiters, ob in Klima-, Digital-, Verkehrs- oder Finanzpolitik?
Wie das weitere Verfahren bis zur Regierungsbildung aussieht und was bei der Vorstellung gestern zu erleben war und dabei fehlte, darf ich Ihnen heute schildern.
Mein Kollege Eric Bonse analysiert, was die Ampel nun für Rechtstaatsmechanismus, Europäisches Wahlrecht und in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bedeuten wird – und ob Ursula von der Leyen künftig mit mehr Gegenwind aus Berlin rechnen muss.
Warum Christian Lindner in seiner neuen Rolle als Finanzminister nicht das Schreckgespenst der anderen europäischen Hauptstädte sein muss, Deutschland aber auch nicht an die Seite der Reformer springen wird, erläutert Till Hoppe.
Dass Deutschland gerne Klimaweltmeister wäre, ist kein Geheimnis. Christian Lindner sprach gestern vom ambitioniertesten Klimaschutzplan eines Industrielandes, die Grünen wollen mit der Koalitionsvereinbarung gar auf den 1,5-Grad-Pfad kommen – doch wo dieser Plan noch deutliche Defizite aufweist, hat Timo Landenberger herausgefunden.
Digital ist besser, wusste einst schon die bei FDP, SPD und Grünen gleichermaßen beliebte Band Tocotronic. Deren treue Hörer dürfen nun wohl im Bund regieren, aber im Digitalen hat an vielen Stellen die EU maßgebliche Kompetenzen. Ob und wie nationale Vorhaben und europäisches Gesamtkunstwerk zueinander passen, habe ich zusammengefasst.
Wird Deutschland nun zum Nachhaltigkeits-Vorzeigeland? Die Absicht ist da, aber die allein reicht nicht. Nicht bei Handelsabkommen, nicht bei Lieferketten, nicht in der Taxonomie, wie Till Hoppe analysiert.
Dass die Ampel beim Verkehr keine allzu großen Sprünge machen wird, das zeichnete sich bereits mit dem Sondierungspapier ab. Doch als unambitioniert kann man den Koalitionsvertrag hier nicht bezeichnen, selbst wenn an einigen Stellen das Prinzip Hoffnung (auf noch zu entwickelnde technologische Lösungen) mitregiert, wie Lukas Scheid berichtet.
“Die Ampel steht.” Mit diesem Satz, der Ziel wie zentrale Erkenntnis ist, eröffnete der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz gestern die Vorstellung des Koalitionsvertrages zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP. Scholz, der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, das Grünen-Parteispitzenduo Annalena Baerbock und Robert Habeck und die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und ihr scheidender Ko-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans wurden nicht müde, zu betonen, wie sehr man sich einander angenähert habe.
Einigkeit, die die Ampel-Koalition brauchen wird. Am Dienstag, mitten im Verhandlungsendspurt, hatte die Noch-Kanzlerin die Ampelverhandler zu sich gerufen, um mit ihnen über die Corona-Lage zu sprechen. Eine von vielen geerbten Krisen – aber die dringlichste, die keine 100 Tage Schonfrist dulden wird.
“Mehr Fortschritt wagen” ist der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition benannt, 177 Seiten stark. Dass das an Willy Brandts “Mehr Demokratie wagen” erinnern soll, ist kein Zufall. Die Post-Merkel-Ära soll, so haben es sich Liberale, Grüne und Sozialdemokraten vorgenommen, die Zeit eines Aufbruchs sein. Und der soll auch europäisch sein – selbst wenn das Europakapitel erst auf Seite 131 des Vertrages beginnt: Fast schon wie selbstverständlich sind die europäischen Regularien und Vorhaben Teil der inhaltlichen Kapitel (wir erläutern Sie ihnen in dieser Ausgabe themenbezogen).
Und das hat Methode – genauer gesagt: soll künftig wieder Gemeinschaftsmethode haben. Der will die Ampel-Koalition wieder Vorrang geben, allerdings mit einem Initiativrecht für das Europäische Parlament “vorzugsweise in den Verträgen”. Auf diese Weise will sie den EU-Institutionen wieder mehr Gewicht verleihen. Ein Angebot an Emmanuel Macron? Oder doch eher eine Ansage unmittelbar vor der französischen Ratspräsidentschaft? “Gemeinsam Europapolitik machen” wolle man, so Olaf Scholz.
Fragt sich nur: Wie? Die Koalitionäre der Ampel-Koalition beteuern, sich in europapolitischen Fragen effektiver untereinander abstimmen zu wollen – das “German Vote” im Brüsseler Rat soll der Vergangenheit angehören. Wie genau das gelingen soll, dazu schweigen sich die Parteien noch aus. Im Koalitionsvertrag ist von “regelmäßigen europapolitischen Koordinierungen” die Rede, und von einem “engen Zusammenwirken” der Fachminister mit dem Bundeskanzler. Klar ist: Olaf Scholz will auf diesem Schlüsselgebiet selbst die Zügel in der Hand halten.
Es fällt auf, wie FDP-Chef Christian Lindner die große Einigkeit in aller Unterschiedlichkeit der Koalitionspartner betont. Nichts erinnert an jenen Mann, der fast auf den Tag genau vor vier Jahren lieber “nicht als falsch regieren” wollte. Lindner ist plötzlich der Ampel-Botschafter: Er habe Olaf Scholz in diesen Verhandlungen neu kennengelernt, er sei ein guter Kanzler für dieses Land. Scholz und Lindner, sie sind die sichtbaren Akteure an diesem Tag in Berlin. Aber vielleicht ist das nicht weiter schlimm: Es gebe in dieser Regierung keine FDP-, Grünen und SPD-Minister, so Lindner weiter. Sondern Minister dienten dem Land.
Doch genau diese Minister wurden bei der Veranstaltung nicht öffentlich benannt. Bei Grünen und Liberalen scheint diese Frage bereits abschließend geklärt – doch bei der SPD ist sie noch offen.
Für die Grünen soll als Vizekanzler Robert Habeck das Ressort Wirtschaft und Klimaschutz leiten. Das Außenamt soll Annalena Baerbock übernehmen. Noch-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt soll für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zuständig sein, Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von Steffi Lemke verantwortet werden und Anton Hofreiter Ernährung und Landwirtschaft politisch gestalten.
Bei der FDP soll Christian Lindner als Finanzminister wirken, Marco Buschmann im Justizressort, Volker Wissing als Verkehrs- und Digitalminister und Bettina Stark-Watzinger als Bildungs- und Forschungsministerin.
Doch wer von den Sozialdemokraten außer Olaf Scholz und Wolfgang Schmidt (ChefBK) auf den weiteren fünf SPD-markierten Stühlen am Kabinettstisch der Ampel-Koalition Platz nehmen darf, ist noch offen. Die Personalfragen wolle er jetzt angehen und mit allen Beteiligten besprechen, sagte der wohl baldige Kanzler.
Als wahrscheinlich gilt, dass Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil am Platz bleibt. Doch wer für die SPD die Ressorts Gesundheit, Inneres, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung und das wieder aus dem BMI herausgelöste Bauen und Wohnen leiten soll? Erst die Inhalte, dann die Posten, so der sozialdemokratische Prozess – der aber auf interne Uneinigkeit deutet.
In der Europapolitik formuliert die Ampel-Koalition neue Ziele: Die Europäische Union solle “strategisch souverän” auftreten und zu einem “föderalen europäischen Bundesstaat” weiterentwickelt werden. Auch das “soziale Europa”, das Kanzlerin Angela Merkel tunlichst vermied, steht weit oben auf der Agenda der neuen Regierung.
Die Ampel-Koalition will auch stärker als Merkel für den Rechtsstaat eintreten. Polen und Ungarn müssen also mit mehr Druck aus Deutschland rechnen. Zunächst soll die Anfang 2021 eingeführte Rechtstaatskonditionalität genutzt werden, was Merkel auf die lange Bank geschoben hatte. Man plane, “die bestehenden Rechtsstaatsinstrumente konsequenter und zeitnah zu nutzen und durchzusetzen”, heißt es.
Dies ist auch eine Aufforderung an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die mit Verweis auf ein noch ausstehendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs zögert. Indirekt droht die Ampel-Koalition sogar mit dem Entzug von EU-Geldern aus dem Fonds “Next Generation EU”. Man werde den Plänen des Wiederaufbaufonds (nur dann) zustimmen, “wenn Voraussetzungen wie eine unabhängige Justiz gesichert sind”, heißt es im Koalitionsvertrag.
In der europäischen Außenpolitik strebt die neue Ampel-Koalition die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips an. Um die angestrebte qualifizierte Mehrheit im Rat durchzusetzen, will sie auf kleine Länder wie Luxemburg zugehen, die sich bisher quer stellen. Außerdem spricht sich die Ampel für die Aufwertung des EU-Außenbeauftragten aus – er soll zu einem “echten” EU-Außenminister werden (beziehungsweise einer Außenministerin).
Auch verteidigungspolitisch sind die Ziele hochgesteckt. So will die neue Ampel-Koalition “gemeinsame Kommandostrukturen und ein gemeinsames zivil-militärisches Hauptquartier” schaffen. Dabei müsse die Interoperabilität und die Komplementarität mit Strukturen und Fähigkeiten der NATO gesichert bleiben, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Ampel-Koalition wünscht sich einen “konstruktiven Dialog” mit Russland, geht aber verbal auf Distanz zu China.
Mit Blick auf die Europawahl 2024 legen sich die Ampel-Partner fest: “Wir unterstützen ein einheitliches europäisches Wahlrecht mit teils transnationalen Listen und einem verbindlichen Spitzenkandidatensystem.” Ein Machtkampf um die Besetzung der EU-Kommission wie 2019 soll so ausgeschlossen werden.
Diese Festlegung könnte von der Leyen zugutekommen. Denn der Koalitionsvertrag spricht das Vorschlagsrecht für den nächsten deutschen Kommissar oder Kommissarin den Grünen zu. Allerdings unter Vorbehalt, dass “die Kommissionspräsidentin nicht aus Deutschland stammt”.
Grünen-Vertreter Sven Giegold erklärt den Passus so: Wenn die anstehende Wahlrechtsreform das Spitzenkandidatenprinzip festschreibe und die EVP mit der CDU-Politikerin von der Leyen erfolgreich in den nächsten Europawahlkampf ziehe, dann werde sich die neue Bundesregierung dem nicht entgegenstellen. Dann hätten die Grünen “mit Zitronen gehandelt”.
Es war eine der größten Sorgen in Paris, Rom oder Madrid: dass eine neue Bundesregierung mit Beteiligung der FDP gleich im Koalitionsvertrag rote Linien festschreiben und so die anlaufende Diskussion um die Reform der europäischen Haushaltsregeln abwürgen würde (Europe.Table berichtete). Die mehr oder weniger dezenten Hinweise aus den anderen Hauptstädten haben offenkundig Wirkung gezeigt (Europe.Table berichtete).
FDP-Chef Christian Lindner ist zwar alles andere als die Wunschbesetzung der Regierungen in Frankreich, Italien und Spanien für das Amt des Bundesfinanzministers. Doch die Passagen im Koalitionsvertrag zur europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik lesen sich offener, als es das FDP-Wahlprogramm hätte vermuten lassen.
Zwar wird dort die Formulierung aus dem Sondierungspapier wiederholt, wonach der Wachstums- und Stabilitätspakt “seine Flexibilität bewiesen” habe. Zugleich ist dort aber auch von einer “Weiterentwicklung der fiskalpolitischen Regeln” die Rede. Diese solle sich daran orientieren, Wirtschaftswachstum zu sichern, die Schuldentragfähigkeit zu erhalten und für nachhaltige und klimafreundliche Investitionen zu sorgen. Zugleich solle “der Stabilitätspakt einfacher und transparenter werden, auch um seine Durchsetzung zu stärken”.
Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Nicola Beer betont zwar, die geplante Weiterentwicklung bedeute keine Abkehr von den Grenzen im Stabilitätspakt, drei Prozent für das Defizit und 60 Prozent für die Staatsverschuldung. Lucas Guttenberg, stellvertretender Direktor des Jacques Delors Centre, sieht aber in den Formulierungen dennoch einen großen Schritt: “Dass die Ampel explizit bereit ist, die Fiskalregeln weiterzuentwickeln, geht über das Sondierungspapier hinaus und ist eine sehr gute Nachricht: Das eröffnet die Möglichkeit, die Fiskalregeln endlich der Realität anzupassen.”
Der Koalitionsvertrag enthält auch keine eindeutige Positionierung in der Debatte um eine Neuauflage des über EU-Anleihen finanzierten Aufbauinstruments: “Next Generation EU (NGEU) ist ein zeitlich und in der Höhe begrenztes Instrument“, heißt es dort zwar. Auch Beer betont, der 750 Milliarden große Topf sei “keine Dauereinrichtung”. Aber Guttenberg sieht darin keine klare Absage: “Dass NGEU in Höhe und Umfang begrenzt ist, ist eine richtige wie triviale Feststellung: Eine Festlegung über ein mögliches Folgeinstrument trifft der Vertrag nicht.”
Einen großen Schritt gehen die Koalitionspartner bei der Bankenunion: Sie erklären sich “bereit, eine europäische Rückversicherung für nationale Einlagensicherungssysteme zu schaffen”. Bei dem europäischen Einlagenversicherungssystem (EDIS) hatte Deutschland auf europäischer Ebene lange gebremst. Mit der Vereinbarung werde “eine zehnjährige Blockade in Richtung Bankenunion endlich aufgehoben“, sagt der Grünen-Finanzpolitiker Sven Giegold.
Allerdings stellt Giegold auch klar, dies bedeute keine Zustimmung Berlins für eine volle Vergemeinschaftung der Einlagensicherung, wie die EU-Kommission sie anstrebe. Der Koalitionsvertrag nennt etliche Einschränkungen: Voraussetzung sei eine weitere Reduzierung von Risiken in den Bankbilanzen, die weitere Stärkung des Abwicklungsregimes und der Erhalt der Institutssicherung der Sparkassen und Volksbanken – “mit dem klaren Ziel, wirtschaftliche Zusatzbelastungen der ihnen angehörenden kleinen und mittleren Banken zu vermeiden”.
Auch der Grüne Giegold betont: Die Koalitionäre wollten andere Akzente setzen als die Vorgänger, aber nicht das Fundament deutscher Europapolitik verrücken: “Auch die neue deutsche Regierung wird auf Solidität und Solidarität bestehen.”
Mit einem Klimaschutz-Sofortprogramm inklusive aller notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen will die neue Ampelkoalition ihre Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik bis spätestens 2022 konsequent auf den 1,5-Grad-Pfad ausrichten. Dabei sollen sämtliche Gesetzesentwürfe auf ihre Klimawirkung hin geprüft werden. Wie genau dieser “Klimacheck” aussehen soll, wird im Koalitionsvertrag nicht näher ausgeführt.
Dass der Weg zur Klimaneutralität jedoch möglichst technologieoffen ausgestaltet werden soll, wird hingegen sehr deutlich. Der Begriff fällt im Kapitel Klima, Energie, Transformation etliche Male, ist besonders der FDP ein wichtiges Anliegen und dürfte andererseits den Grünen einige Bauchschmerzen bereitet haben.
Diese konnten sich dafür erwartungsgemäß mit einer ihrer Kernforderungen durchsetzen: Der Kohleausstieg soll bereits 2030 und damit acht Jahre früher als bisher geplant erfolgen. Jedenfalls “idealerweise”, wie es heißt. Für Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, eine zentrale Errungenschaft. “Allein dadurch werden wir enorm viel CO2 einsparen”, sagt der Europaabgeordnete, der für die Grünen an den Koalitionsverhandlungen beteiligt war, zu Europe.Table. “Aber es war kein Spaziergang. Für viele Punkte mussten wir echt kämpfen.”
Dazu gehört auch das ambitionierte Ziel für erneuerbare Energien. Trotz erhöhten Strombedarfs sollen 80 Prozent des Stroms im Jahr 2030 aus regenerativen Quellen stammen. Entsprechend soll der Ausbau massiv beschleunigt, Genehmigungsverfahren sollen deutlich verkürzt werden.
Neben einer Solar-Offensive auf möglichst allen geeigneten Dächern soll auch die Windenergie an Land, deren Ausbau in den vergangenen Jahren ins Stocken geriet, wieder beschleunigt werden, wofür zwei Prozent der Landesfläche herhalten sollen. Auch auf See will die Ampelkoalition die Windkraft-Kapazitäten deutlich erhöhen. Das könne aber nur in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnern erfolgen, sagt Sylwia Andralojc-Bodych von der Umweltorganisation Germanwatch.
“Ohne ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Deutschland und EU-Mitgliedstaaten wird das Erzeugungspotenzial in der Ostsee, das von der Europäischen Kommission auf 93 Gigawatt geschätzt wird, kaum ausgeschöpft werden können.” In jedem Fall wird Deutschland ein Energie-Importland bleiben. Ob 2030 also wirklich 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammt, hängt auch davon ab, ob Partnerländer und die EU mitziehen.
Bis zur Versorgungssicherheit durch erneuerbare Energien setzt die Ampelkoalition auf den Zubau neuer Gaskraftwerke, die auf klimaneutrale Gase wie Wasserstoff (H2-ready) umgestellt werden können. Erdgas sei für die Übergangszeit unverzichtbar, heißt es in dem Papier, das aber auch mit einem – wenn auch etwas verklausuliertem – Bekenntnis zum Gasausstieg aufwartet. Demnach sollen die Betriebsgenehmigungen für Kraftwerke so erteilt werden, dass der Betrieb über das Jahr 2045 hinaus nur mit nicht-fossilen Brennstoffen fortgesetzt werden kann.
Bis dahin wird Gas auch für die Herstellung von Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen (Europe.Table berichtete). Priorität habe zwar die einheimische Erzeugung auf Basis erneuerbarer Energien, für einen schnellen Hochlauf müsse jedoch auf eine technologieoffene Ausgestaltung gesetzt werden, heißt es in dem Papier. Auf europäischer Ebene will sich die Ampel für eine einheitliche Zertifizierung von Wasserstoff und seinen Folgeprodukten einsetzen, europäische Importpartnerschaften stärken und das IPCEI Wasserstoff schnell umsetzen (Europe.Table berichtete).
Daneben setzt die künftige Regierung auf eine Stärkung des EU-Emissionshandels (ETS) und will sich für einen ETS-Mindestpreis von 60 Euro stark machen. Das entspricht ungefähr dem aktuellen Preisniveau. “Ich werde im EU-Parlament darauf drängen, dass wir das auch wirklich bekommen”, sagt Michael Bloss, ETS-Schattenberichterstatter für die Grünen.
Da die Energiepreise allerdings ohnehin bereits seit einigen Wochen sehr hoch sind, will die Ampel zunächst am bisherigen Preispfad des Brennstoffemissionshandelsgesetz festhalten, und diesen nicht zusätzlich erhöhen. Die Grünen hatten dies gefordert, konnten sich hier aber nicht durchsetzen.
Außerdem soll zum 1. Januar 2023 die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis beendet werden. Mit der Vollendung des Kohleausstiegs soll die Förderung der erneuerbaren Energien dann ganz auslaufen. Gleichzeitig sollen aber auch Steuerbegünstigungen bei der wirtschaftlichen Nutzung von Strom abgebaut werden.
Zum Schutz der Industrie will sich die Ampelkoalition auch für einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz einsetzen und bekennt sich dabei zum Border Adjustment Mechanism der EU (CBAM) (Europe.Table berichtete). Bei der Novellierung der europäischen Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (Europe.Table berichtete) und anderer Regelungen will die Koalition “darauf achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewahrt bleibt”. Mit den “richtigen Rahmenbedingungen” sollen die Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützt werden. Dazu zählen insbesondere Klimaschutzdifferenzverträge, wettbewerbsfähige Energiepreise, ein Transformationsfonds bei der KfW sowie Anreize für Leitmärkte und für klimaneutrale Produkte.
Die globale Klima- und Energieaußenpolitik soll, ausgehend von der Initiative Deutschlands und der EU, durch internationale Klimaclubs geprägt werden. Die Ampel will sich schon während der deutschen G7-Präsidentschaft 2022 dafür einsetzen, dass mittelfristig ein weltumspannendes Emissionshandelssystem mit einheitlichem CO2-Preis und gemeinsamem CO2-Grenzausgleich entsteht. mit Lukas Scheid
Europäische und nationale Vorhaben gemeinsam zu denken, das ist bei den digitalen Vorhaben feste Absichtserklärung des Koalitionsvertrages: “Ein digitaler Aufbruch, der unsere Werte, die digitale Souveränität und einen starken Technologiestandort sichert, gelingt nur in einem fortschrittlichen europäischen Rahmen“, heißt es auf Seite 15. Der Blick wird sich nun auch auf das BMVI richten: Das Haus an der Invalidenstraße soll künftig mit Volker Wissing (FDP) an der Spitze maßgebliches Treiberministerium auch für Digitales werden. Doch in fast jedem Ressort gibt es relevante Digitalvorhaben.
Doch digitaler Fortschritt hängt von zwei Aspekten ab: In welchem Umfeld soll etwas passieren – und mit welchem politischen und regulatorischen Werkzeug lässt es sich adressieren? Zugleich bewirken europäische Regelungen immer auch Veränderungen an primär nationalen Vorhaben.
In der nationalen Digitalpolitik spielt natürlich der Infrastrukturausbau mit Glasfaser und Mobilfunk eine wesentliche Rolle, hier steuern die Koalitionäre vor allem mit prozessualen Veränderungen wie dem Gigabit-Grundbuch nach. Auch bei der Verwaltungsmodernisierung ist es weniger die Neuerfindung des Rades, als das Nachsteuern auf eingeschlagenen Pfaden.
Im Gesundheitswesen soll Digitalisierung zum Standard werden, die DSGVO-konforme elektronische Patientenakte sollen Bürger aktiv per Opt-Out ablehnen müssen. Bis hin zur “telenotärztlichen Versorgung” sollen künftig alle medizinischen Leistungen auch digital erbracht werden können – wie diese Vorhaben europaweit kompatibel sein sollen, verraten die Koalitionäre zumindest nicht im Vertragstext.
Auch ein digitales Gesetzgebungsportal ist vorgesehen, in dem der Stand inklusive Synopsen enthalten sein und öffentliche Kommentierungsmöglichkeiten erprobt werden sollen. Dieses könnte praktisch eng verbunden werden mit der vorgesehenen Lobbyregistergesetz-Novelle, mit der künftig schon Kontakte auf Referentenebene erfasst werden sollen und dem Plan, den “legislativen Fußabdruck“, also eingeflossene Eingaben von außen ebenfalls bei Gesetzentwürfen mitanzugeben. Auch hier findet sich bedauerlicherweise keine Angabe zu einer denkbaren Interoperabilität mit europäischen Systemen und Vorhaben der Digitalpolitik.
Konfliktpotenzial in der Digitalpolitik entsteht bei der Frage des regulatorischen Umgangs mit Daten: Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem ein Datengesetz zur Schaffung eines “standardisierten und maschinenlesbaren Zugangs zu selbsterzeugten Daten vor”. Dies könnte jedoch auch Teil der Regelungen des für Ende 2021 geplanten Vorschlags für einen Data Act auf europäischer Ebene sein. Ähnliches gilt auch für die Koalitionspläne für Daten in der Landwirtschaft: Auch hier müssten die Zielvorgaben der Ampel und der EU-Ebene in Einklang gebracht werden.
Beim Datenschutz soll die DSGVO unangetastet bleiben, aber die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden national wie europäisch gestärkt werden. Einen besonderen Effekt könnte die Ampelkoalition auf die seit Jahren feststeckende E-Privacy-Verordnung haben: Hier wollen SPD, Grüne und FDP schnell die Verabschiedung einer “ambitionierten” Regelung, ohne weiter ins Detail zu gehen.
Eng im Zusammenhang mit beiden Bereichen steht auch die Position der kommenden Bundesregierung zur Vorratsdatenspeicherung: Hier haben die Verhandler eine politische Bewertung unterlassen und zur Begründung schlicht auf die ausstehenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs verwiesen. Dennoch: die VDS soll Geschichte sein. Das, was der Koalitionsvertrag nun vorsieht, entspricht dem Konzept “Quick Freeze”, also anlassbezogener Speicherung.
Die Koalition bekennt sich zum Digital Services Act. Auf dessen Grundlage wolle man unter anderem Telemediengesetz und Netzwerkdurchsetzungsgesetz überarbeiten. Allerdings sind die Ausführungen zum DSA eher schlank geraten – welche Behörde beispielsweise der deutsche Digital Services Coordinator werden soll, wird nicht weiter spezifiziert.
Allerdings ist an anderer Stelle dem Bundeskartellamt eine starke Rolle im Umgang mit Plattformen zugedacht. Das bezieht sich auch auf die Verhandlungen zum Digital Markets Act. Der DMA wird prinzipiell unterstützt – jedoch mit der Maßgabe, dass er nicht schwächer als nationales Recht ausfallen dürfe.
Gemeint sind damit die noch unter schwarz-roter Regierung durchgeführten Änderungen am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), insbesondere der damit eingeführte § 19a, den das Bundeskartellamt derzeit in verschiedenen Verfahren auf seine Wirksamkeit prüft. Das GWB will die Koalition weiterentwickeln. Auch die Fusionskontrolle soll europäisch weiter geschärft und Killer-Akquisitionen verboten werden.
Nicht genau absehbar sind die europäischen Auswirkungen der Vorhaben im Bereich der IT-Sicherheit auf die Digitalpolitik. So will die Ampel ein Recht auf Verschlüsselung genauso einführen wie security-by-design/default als Vorgabe. Dies steht teilweise im Konflikt mit Plänen der EU-Kommission, etwa beim Thema Chatüberwachung. Auch an anderer Stelle im Koalitionsvertrag werden “Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation” abgelehnt.
Weitergehend dürften Auswirkungen an anderer Stelle sein: Die künftige Bundesregierung will den Ankauf von Schwachstellen durch staatliche Stellen verbieten und ein Meldesystem über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) etablieren, sodass bekannt gewordene Sicherheitslücken herstellerseitig schnellstmöglich geschlossen werden. Flankiert wird dies unter anderem von der Ankündigung einer “ehrgeizigen Cybersicherheitspolitik”, die die Bundeswehr befähigen soll. Zugleich soll der Cyberraum friedlich sein – außenpolitisch wird dafür auf völkerrechtliche Normen und ein Rüstungskontrollregime gesetzt.
Insbesondere bei den Themen Datenschutz und IT-Sicherheit zeitigt der Wechsel von einer schwarz-roten zu einer Ampelkoalition also deutliche Unterschiede.
Auch hier haben die Koalitionäre Europa nicht vergessen: Insbesondere KI soll gefördert werden. Die KI-Regulierung wird für gut befunden, wenn die Haftung geklärt und ein mehrstufiger Risikoansatz enthalten ist. Dass eine biometrische Erkennung im öffentlichen Raum durch die Koalition kategorisch ausgeschlossen wird, entspricht der sonstigen Veränderung gegenüber bisheriger deutscher Regierungslinie im Sicherheitsbereich und dürfte Verhandlungsarbeit auf europäischer Ebene bedeuten – oder eben eine Öffnungsklausel für nationale Gesetzgeber.
Was bei den Schlüsseltechnologien hingegen auch der bisherigen deutschen Linie in der Digitalpolitik entspricht: Der EU Chips Act soll unterstützt werden, die IPCEIs gestärkt. Die Quantenkommunikation, Distributed-Ledger-Technologien (das Wort Blockchain wurde so elegant vermieden), Robotik und Cybersicherheit gehören für FDP, Grüne und SPD weiterhin zu den Schlüsseltechnologien, auf die es ankomme.
Für Kontinuität zur Politik der Großen Koalition steht auch die Positionierung zur “strategischen Souveränität”, die die Koalitionäre erhöhen wollen. Es gehe darum, “eigene Handlungsfähigkeit im globalen Kontext herzustellen und in wichtigen strategischen Bereichen, wie Energieversorgung, Gesundheit, Rohstoffimporte und digitale Technologie weniger abhängig und verwundbar zu sein”, heißt es dort. Freilich, ohne Europa abzuschotten.
Dies bedeute, kritische Technologie und Infrastruktur besser zu schützen sowie die Formulierung von Standards und die öffentliche Beschaffung strategisch mitzudenken. Ein konkretes Beispiel dieser Lesart findet sich in der Koalitionsvereinbarung: Bei kritischen Infrastrukturen sollen “nicht-vertrauenswürdige Unternehmen” beim Ausbau keine Berücksichtigung finden (Europe.Table berichtete). Dazu passend wollen die Koalitionäre ein europäisches Open Source-5/6G-Konsortium initiieren.
Kaum etwas wird in Brüssel derzeit so hitzig diskutiert wie die Frage, ob Investitionen in Kernkraft und Erdgas als nachhaltig klassifiziert werden sollten. Im Koalitionsvertrag findet sich zur Taxonomie: kein Wort. Was nicht bedeutet, dass die drei Parteien darüber nicht diskutiert und gestritten hätten.
Der Grünen-Unterhändler Sven Giegold etwa hatte ausdrücklich gewarnt, weder Investitionen in Gas noch in Atomenergie dürfen “durch die Aufnahme in die Taxonomie grün gewaschen werden”. SPD und FDP hingegen setzen auf Gas als Brückentechnologie und verhinderten eine klare Positionierung.
Die Grünen fügten sich schließlich und rechtfertigen dies mit höheren Zielen: Der Streit um die Kernkraft dürfe nicht das Verhältnis zu Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den erwünschten Aufbruch gefährden, sagt Giegold. “Das wäre ein schwerer europapolitischer Fehler.” Daher wolle man in den kommenden Wochen versuchen, die Kuh vom Eis zu holen – sprich: einen gangbaren Kompromiss zu finden.
Hinsichtlich von Umwelt- und Sozialstandards für Lieferketten hat das Ringen der drei Parteien wenig aussagekräftige Formulierungen hervorgebracht. “Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert”, heißt es dazu. Grünen-Handelspolitikerin Anna Cavazzini, eine Verfechterin weitreichender Standards für Unternehmen, verweist auf das Wort “wirksam”. Einzelheiten werde man besprechen, wenn die Kommission ihren bislang für Dezember terminierten Entwurf zum Sorgfaltspflichtengesetz vorgelegt habe (Europe.Table berichtete).
Die Abschnitte zur Handelspolitik tragen hingegen deutlich die Handschrift von Grünen und jenen in der SPD, die die bisher abgeschlossenen Handelsabkommen kritisch sehen. Eine schnelle Ratifizierung der noch anhängigen Verträge mit Kanada, Mercosur und China ist von der Ampel kaum zu erwarten.
So heißt es im Koalitionsvertrag, über die Ratifizierung des Ceta-Abkommens mit Kanada werde die Koalition nach Abschluss der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Dort ist derzeit noch eine Verfassungsbeschwerde der NGOs Foodwatch, Campact und Mehr Demokratie anhängig. Selbst wenn die Karlsruher Richter diese abweisen sollten, ist der Weg für die Ratifizierung des vorläufig in Kraft getretenen Abkommens nicht automatisch frei. Cavazzini wertet dies als “großen Erfolg”: So gewinne man Zeit, um mit der kanadischen Regierung nochmals zu verhandeln, insbesondere über das Investitionsschutzkapitel des Abkommens.
Grüne und SPD setzten durch, dass sich die Ampel auch jenseits von Ceta dafür einsetzen will, den Spielraum von Investoren für Klagen einzuschränken. So sollten die Abkommen “den Investitionsschutz für Unternehmen im Ausland auf direkte Enteignungen und Diskriminierungen konzentrieren”. Cavazzini hofft, so die Diskussion in Brüssel über das Thema anzuheizen und ein neues Modellkapitel zum Investitionsschutz zu entwickeln, das in künftige Abkommen einfließt.
Auch beim Abkommen mit den Mercosur-Staaten will die Ampel nachverhandeln. Vor einer Ratifizierung brauche es vonseiten der Partnerländer rechtliche verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz sowie praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen, heißt es im Koalitionsvertrag.
Zudem wolle man sich dafür einsetzen, dass künftige Handelsabkommen, etwa mit Chile, Neuseeland oder Australien, “mit effektiven Nachhaltigkeitsstandards unter Anwendung eines Streitbeilegungsmechanismus ausgestattet” würden. Auch hier dürfte der Knackpunkt sein, was die drei Partner unter “effektiv” verstehen – Sanktionen oder auch Dialogformate.
Neue Jobs sollen in der Batteriefertigung entstehen. Europäischen Batterie-IPCEIs sollen fortgeführt und die deutsche Zellproduktion ausgebaut werden (Europe.Table berichtete). Wirklich konkretes sei im Koalitionsvertrag aber nicht zu finden, kritisiert Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer, “weder bei der Finanzierung noch bei den Maßnahmen, wie etwa Besteuerung von fossilen Kraftstoffen.” Aber: Deutschland soll zum “Leitmarkt für Elektromobilität” werden und 15 Millionen vollelektrische Autos bis 2030 auf die Straße bringen.
Die Ampel-Parteien beziehen sich im Koalitionsvertrag zudem auf den Vorschlag der EU-Kommission, ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zuzulassen. In Deutschland soll das sogar noch früher gelingen. Ein konkretes Datum fehlt jedoch.
Etwas konkreter wird der Koalitionsvertrag bei den EU-Flottengrenzwerten: Die Ampel unterstützt diese grundsätzlich. Für Stef Cornelis, Direktor Deutschland bei der NGO Transport & Environment, bedeutet das einen Durchbruch. Er habe sich jedoch noch ehrgeizigere Ziele im Rahmen der Flottenregulierung gewünscht. Cornelis fordert: Die neue Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, dass die Emissionen der Pkw-Flotte ab 2025 um 25 Prozent statt um die vorgeschlagenen 15 Prozent reduziert werden. Die Emissionsreduzierung ab 2030 solle von 50 auf 80 Prozent angehoben werden.
Bei der anstehenden Erneuerung von Schadstoff-Normen für Fahrzeuge will die Ampel sich für eine “ambitionierte” Euro 7-Norm einsetzen (Europe.Table berichtete). Allerdings wird an dieser Stelle auch betont, dass die Norm Wertschöpfung und Arbeitsplätze berücksichtigen müsse. Welche Umweltkriterien sie erfüllen soll, wird nicht benannt. Das bedeutet, dass der Fokus von Euro 7 für die Ampel nicht auf einem Mehr an Klimaschutz liegt, sondern auf geringerer Belastung für die Automobilindustrie.
Von einem expliziten Verbrenner-Aus ist ohnehin nicht die Rede. Die Formulierung zu den E-Fuels aus dem Sondierungspapier hat es auch in den Koalitionsvertrag geschafft (Europe.Table berichtete): Außerhalb der EU-Flottengrenzwerte möchte die Ampel Verbrenner-Fahrzeuge, die ausschließlich mit E-Fuels betankt werden können, weiterhin zulassen. Allerdings sieht die EU-Flottenregulierung keine solche Ausnahme vor. E-Fuels sind demnach nur auf dem Papier ein Teil der Dekarbonisierungstrategie der Ampel. In der Praxis dürften sie weiterhin keine Rolle im Straßenverkehr spielen.
Ganz anders in der Luftfahrt. Die Ampel unterstützt die “Erforschung und den Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen, die klimaneutrales Fliegen ermöglichen“. Als Anreiz für den Markthochlauf sollen “ambitionierte Quoten” dienen. Beziffert werden diese Quoten im Koalitionsvertrag nicht. Allerdings deutet die Sprache des Papiers deutlich daraufhin, dass der Luftfahrtsektor allgemein mehr zur Verantwortung gezogen werden soll. Billigtickets sollen verhindert und eine Luftverkehrsabgabe – wenn nicht sogar eine Kerosinsteuer – europaweit eingeführt werden.
Bei der Dekarbonisierung der Schifffahrt bleiben die Koalitionäre dagegen eher schwammig. Zwar sollen auch hier Quoten für synthetische Kraftstoffe eingeführt werden. Bei der Ausgestaltung des Fit for 55-Pakets heißt es jedoch nichtssagend, man wolle “die Gesamtbelastungen für die Schifffahrt im Blick behalten”. Das klingt, als müsste die Schifffahrtsbranche vor zu harten Bandagen aus Brüssel beschützt werden. Konkrete Dekarbonisierungspläne für die maritime Wirtschaft fehlen jedenfalls.
25.11.2021 – 16:30-17:45 Uhr, online
KAS, Discussion The hotly contested Arctic: Why we need more EU in the region
This Konrad Adenauer Foundation (KAS) event will explain the political and geographic complexity of the Arctic. Furthermore, it will address the question of how the EU can deal with the effects of competition for natural resources and the new environmental and security risks in the Arctic. INFOS & REGISTRATION
26.11.2021 – 08:00-13:30 Uhr, Berlin/online
Konferenz French German Business Forum 2021
Das Französisch-Deutsche-Wirtschaftsforum bietet Repräsentant:innen aus Wirtschaft, Politik und Medien aus beiden Ländern eine Möglichkeit des Austauschs. INFOS & ANMELDUNG
29.11.-01.12.2021, online
ERA, Seminar Privacy and Data Protection: Recent ECtHR and CJEU Case Law
The seminar of the Academy of European Law (ERA) addresses lawyers, judges, civil servants and legal practitioners dealing with privacy and data protection law. It will provide an update on the development of the case law of the European Court of Human Rights (ECtHR) and the Court of Justice of the European Union (CJEU) with regard to the right to privacy and data protection since 2020. INFOS & REGISTRATION
29.11.-03.12.2021, online
FCH, Conference European Hydrogen Week 2021
At several events during the Hydrogen Week, the latest developments at EU level in the hydrogen sector will be discussed. More info and details will be available on the website. INFOS
30.11.2021 – 09:00 Uhr, online
VIK, Konferenz Jahrestagung
Die Jahrestagung des Verbands der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) bietet eine Möglichkeit des Austauschs für Vertreter:innen aus der Energiewirtschaft und anderer energieintensiver Branchen. Im Fokus der diesjährigen Veranstaltung steht die Vereinbarkeit von industrieller Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltigem Klimaschutz. INFOS & ANMELDUNG
30.11.2021 – 09:00-15:45 Uhr, online
Conference The Hamburg Summit – China meets Europe
The Hamburg Summit is a business conference on European-Chinese relations and offers leaders and representatives from European, Chinese and international politics, business and academia the opportunity to discuss mutual subjects. INFOS & REGISTRATION
30.11.2021 – 10:00-12:00 Uhr, online
Eurelectric, Seminar Digitopia 2021: Where Electricity Meets Data
This eurelectric event addresses data, artificial intelligence and digitalization in the energy sector. It will focus on digital strategies as a basis for smart grids and customer solutions. INFOS & REGISTRATION
30.11.2021 – 10:00-13:00 Uhr, online
ZIA, Seminar Update Taxonomie – Was gibt es Neues?
Bei diesem Seminar des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) wird der EU Action Plan on Sustainable Finance vorgestellt und aufgezeigt, welche Tätigkeitsbereiche der Immobilienwirtschaft er berührt. INFOS & ANMELDUNG
30.11.2021, 13:00 Uhr – online
Bitkom, Conference Digital Energy Conference
At Bitkom’s Digital Energy Conference, political and energy industry experts will discuss new possibilities for energy infrastructure and market solutions. In particular, the topics of digitalization of distribution networks, smart meter rollout, solutions for energy efficiency via IT security, resilience of energy systems, platform and cloud models, virtual power plants and intelligent storage solutions will be addressed. INFOS & REGISTRATION
30.11.2021 – 15:00-16:00 Uhr, online
Eco, Podiumsdiskussion What’s next: Braucht Deutschland ein Digitalministerium?
Die Expert:innen des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) werden die Herausforderung der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft für die kommende Bundesregierung diskutieren. Dabei sollen die Voraussetzungen für die Realisierung eines Digitalministeriums thematisiert werden. INFOS & ANMELDUNG
30.11.2021 – 16:00-17:30 Uhr, online
Acatech, Podiumsdiskussion Gute Arbeit in der digitalen Transformation
Bei der Debatte der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) soll es um die digitale Transformation als Schlüssel der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und der Herausforderungen durch die demografische Entwicklung gehen. Die Referent:innen diskutieren die damit einhergehenden Veränderungen der Arbeitswelt. INFOS & ANMELDUNG
Im Kampf gegen die Corona-Krise hat die EU-Kommission die Länder der Eurozone aufgefordert, die Wirtschaft auch 2022 mit Konjunkturhilfen zu unterstützen. Dabei solle der Schwerpunkt auf Investitionen, Fachkräften in Zukunftsbranchen und dem Erhalt lebensfähiger Unternehmen liegen, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit.
Die Regierungen sollten die wirtschaftliche Erholung je nach ihrem Schuldenstand mithilfe der Fiskalpolitik moderat ankurbeln und dazu Mittel aus dem Corona-Hilfsfonds der EU verwenden, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni zur Umsetzung der Konjunkturhilfen. 2022 sei das Jahr, in dem die europäischen Länder von der Krisenbewältigung zur Unterstützung des Aufschwungs übergehen sollten.
Einige Länder mit einer besonders hohen Staatsverschuldung wie etwa Italien müssten ihre Ausgaben aber begrenzen, erklärte die EU-Kommission. Auch Griechenland, das unter einer hohen Arbeitslosigkeit leide, und Zypern, dem ein Berg fauler Kredite und ein großes Handelsdefizit zu schaffen machten, stünden hier unter genauerer Beobachtung. rtr
Die EVP-Fraktion hat Roberta Metsola als Kandidatin für Amt des Präsidenten des Europaparlaments nominiert. Mit 64,4 Prozent erhielt die maltesische EU-Abgeordnete und aktuelle Vizepräsidentin des Parlaments die Mehrheit der Stimmen ihrer Fraktion. Neben der Malteserin hatten sich die Niederländerin Esther de Lange und der Österreicher Othmar Karas beworben.
Der Vorsitzende der EVP-Fraktion Manfred Weber gratulierte Metsola zur Wahl und betonte, dass es “höchste Zeit ist, dass der nächste Präsident des Europäischen Parlaments eine Frau ist”. Zugleich bekräftigte Weber die Vereinbarung von 2019, laut der in der zweiten Hälfte der Wahlperiode das Amt an eine Person aus den Reihen der EVP-Fraktion gehen soll. Bislang ist jedoch unklar, ob der amtierende Parlamentspräsident David Sassoli (S&D) tatsächlich abtreten wird.
Die Wahl der neuen EU-Parlamentspräsidentin oder des neuen EU-Parlamentspräsidenten soll im Januar stattfinden. sas
Ernennung am Vormittag, Rücktritt am Nachmittag: Nur wenige Stunden nach ihrer Ernennung als Schwedens neue Ministerpräsidentin hat Magdalena Andersson ihren Rücktritt angekündigt. Grund war ein Streit über die Haushaltspläne ihrer Minderheitskoalition.
Die Opposition hatte diese am Mittwochnachmittag im Parlament abgelehnt und stattdessen für einen Etatentwurf von drei Oppositionsparteien gestimmt. Daraufhin kündigten die Grünen ihren Rückzug aus der Regierungskoalition an, woraufhin wiederum Anderssons Rücktrittserklärung folgte.
Erst am Vormittag war die Sozialdemokratin Magdalena Andersson als neue Regierungschefin bestätigt worden. rtr
Es sind viele Bilder, die an diesem Tag produziert werden. Scholz, Lindner, Habeck, Baerbock. Koalition. Aufbruch. Gemeinsames Fotografenschaulaufen der Koalitionsgruppe. Gemeinsamkeiten und Aufmerksamkeiten.
Nur einer, der hält sich versteckt, ohne sich zu verstecken. Gleich hinter den Fernsehkameras am linken Rand der Hafenhalle, wo die glücklichen Koalitionäre stehen, hat sich jemand auf die Fensterbank verkrochen, der an diesem Koalitionsvertrag mindestens so viel Anteil haben dürfte wie die auf der Bühne: Wolfgang Schmidt. Prozessorganisator, Sherpa, Notetaker.
Schmidt, hauptberuflich derzeit noch Staatssekretär im Scholz-BMF ist nach eigener, etwas spöttischer Auskunft üblicherweise dienstagabends mit der regulären Wochenarbeitszeit rum. Dann hat er Zeit für seine Hobbys: die SPD – und insbesondere Olaf Scholz.
Er genießt diesen Moment, hinter den Kameras, auf der Fensterbank. Die meisten Journalisten nehmen ihn gar nicht wahr. Er hört den Chefs zu, das Smartphone in der Hand, um jederzeit die nächsten Schritte organisieren zu können.
Und die werden kommen, nach dem heutigen Tag. Das Kanzleramt ist auch für ihn heute in unbegreifbare Nähe gerückt. Dann könnte es heißen: Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramts und Minister für besondere Aufgaben. Und die große Bühne könnte er weiter anderen überlassen. Falk Steiner