Table.Briefing: China

Wachsender Nationalismus + Ericsson müht sich ab

  • Abschottung und Nationalismus wachsen
  • Ericsson an den Rand gedrängt
  • Putin und Xi – Treffen in Usbekistan geplant
  • BMW-Partner in Finanzskandal verwickelt
  • Chef der Hongkonger Journalisten-Gewerkschaft verhaftet
  • Zement-Industrie strebt CO2-Peak 2023 an
  • Standpunkt: Warnung vor Alleinherrschern
Liebe Leserin, lieber Leser,

hierzulande wird angesichts eines immer aggressiver auftretenden Chinas heftig über eine stärkere Entkopplung von der Volksrepublik debattiert. Die Einschätzung unter Experten, wie schmerzhaft und vor allem teuer eine solche Entkopplung für die deutsche Wirtschaft werden würde, geht erheblich auseinander. Nur: Womöglich stellt sich diese Frage gar nicht mehr. Denn die Abschottung ist längst im vollen Gange. Und zwar von China aus.

Die Abschottung findet auf vielen Ebenen statt, schreibt Marcel Grzanna in seiner Analyse und zählt auf: Chinesische Firmen kehren ausländischen Börsen den Rücken, Englisch-Unterricht an Schulen wird zurückgefahren, die meisten chinesischen Bürgerinnen und Bürger dürfen so gut wie gar nicht mehr ins Ausland reisen. Umgekehrt sind auch Ausländer in China immer weniger willkommen. Wozu eine solche Abschottungspolitik führt, ist in der Volksrepublik derzeit gut zu beobachten: der Nationalismus weitet aus. Und das macht China leider nur noch gefährlicher.

Obwohl auch Ericsson es in China nicht leicht hat, will der schwedische Kommunikationsausrüster bleiben. Denn trotz aller Hürden, die die chinesischen Behörden dem schwedischen Konzern in den Weg stellen – der chinesische Markt ist schon jetzt deutlich größer als der heimische, analysiert Frank Sieren. Ericsson könne es sich gar nicht leisten, den chinesischen Markt aufzugeben. Das Grundproblem für viele global agierende Unternehmen.

Viel Spaß beim Lesen!

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

Rückkehr zur Abschottung

Die Chinesische Akademie für Historische Forschung (CAHR) sorgte Ende August für eine Kontroverse. Sie verbreitete einen Beitrag über soziale Medien, der sich mit der Außenpolitik der Ming- und Qing-Dynastien beschäftigte. Damals hatten die chinesischen Kaiser ihrem Reich über Jahrhunderte eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Distanz zum Ausland verordnet, die China das Attribut eines “geschlossenen Landes” bescherte.

Den Lesern wurde die Parallele zum Jahr 2022 – mehr als 100 Jahre nach dem Ende der Qing-Dynastie – unverzüglich klar. Massive Reise-Beschränkungen ohne Perspektive auf baldige Veränderung halten Chinas Bevölkerung seit mehr als zweieinhalb Jahren faktisch im eigenen Land gefangen. Der Aufbau des sogenannten dualen Wirtschaftskreislaufes ist im vollen Gange und soll Abhängigkeiten aus dem Ausland langfristig auf ein absolutes Minimum reduzieren.

Gelistete Firmen kehren von ausländischen Börsen – mehr oder weniger freiwillig – an chinesische Finanzplätze zurück, weil chinesische Regulierer Druck machen. Besonders die Tech-Industrie will Peking von der Option fernhalten, in den Schwitzkasten ausländischen Kapitals zu geraten. Die Regierung verschärfte zudem im vergangenen Jahr die Lokalisierungsquoten für staatliche Unternehmen. Bei öffentlichen Ausschreibungen müssen die Bewerber mehr Komponenten vorweisen, die zu 100 Prozent aus China stammen: “Buy Chinese” als Order an die eigene Wirtschaft.

CAHR spricht von Selbstbeschränkung statt Abschottung

Die CAHR-Autoren des Beitrags mit dem Titel “Eine neue Untersuchung zum Sachverhalt des ‘geschlossenen Landes’” argumentieren, dass die einstige Distanzierung des Kaiserreichs eine Notwendigkeit gewesen sei, um die territoriale und kulturelle Sicherheit Chinas aufrechtzuerhalten. Statt “Abschottung” bezeichneten sie die Politik als “Selbstbeschränkung”.

Die Reaktionen von Leserinnen und Lesern fielen zum Teil sehr kritisch aus und veranlassten die Zensoren, in die Debatte einzugreifen, berichtet die chinesischsprachige Tageszeitung Lianhe Zaobao aus Singapur. Manche Kommentatoren warfen den Historikern vor, als “Propagandaorgan der Regierung” den Trend der Gegenwart historisch zu rechtfertigen.

Tatsächlich kommt die moderne Form der “Selbstbeschränkung” vielen Chinesen eher als Abschottung vor. Über ein privates WeChat-Konto antwortete ein Nutzer mit einem eigenen Essay auf den Beitrag. Der Kernpunkt der Kritik: Es gehe nicht um die nationale Sicherheit, so wie es auch die Ming- und Qing-Kaiser propagierten, sondern um die Angst der Herrschenden vor dem Machtverlust. “Jeder mit ein wenig gesundem Menschenverstand kann den Unterschied erkennen”, schrieb der Autor. Innerhalb eines Tages wurde das Stück 100.000 Mal gelesen, ehe die Zensoren einschritten und den Text aus dem digitalen Raum verbannten.

Die allein regierende Kommunistische Partei weist den Vorwurf des Decoupling kategorisch zurück. China, so die offizielle Linie, befinde sich in einem ständigen Prozess der Öffnung gegenüber dem Ausland. In Wahrheit aber konterkariert Pekings Politik diese Behauptung. Vorgaben an Wirtschaft und Industrie sind nur die eine Seite der Medaille. Die massiven Eingriffe in das Bildungsangebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die gerne besser Englisch lernen wollen, bedeuten gleichermaßen eine Kehrtwende.

“Chinas großer Sprung nach hinten”

Im vergangenen Jahr hatten ausgerechnet die Behörden in Shanghai, Chinas internationalster Metropole, das Ende von Englisch-Examen in örtlichen Grundschulen beschlossen. Neu in den Lehrplan der Jüngsten aufgenommen wurden stattdessen “Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismus mit chinesischen Merkmalen für eine neue Ära” – ein Buch mit den intellektuellen Ergüssen des Staatschefs, das durch seine vehemente internationale Vermarktung an den Hype um die Mao-Bibel in den 1960er- und 1970er-Jahren erinnert.

Es folgte zudem die landesweite Beendigung Tausender privater Bildungsangebote, die den Menschen im Land jahrzehntelang die Möglichkeit geboten hatten, sich außerhalb des staatlichen Bildungssystems Fremdsprachen – allen voran Englisch – anzueignen. Zynisch kommentierten manche Menschen in Land die Offensive als “Chinas großen Sprung nach hinten”. Zumal breite Englischkenntnisse der Bevölkerung noch zu Beginn des Jahrhunderts von der Staatsführung als einer der Schlüssel zu Chinas wirtschaftlichem Aufstieg propagiert wurde.

“Was wir zurzeit erleben, ist eine ideologische Radikalisierung des Landes auf Kosten seiner wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Öffnung“, sagt die Berliner Journalistin und Autorin Qin Liwen, die sich in ihrer Arbeit mit Chinas politischer Entwicklung beschäftigt. “Ein gewollter Nebeneffekt dieser Politik ist auch ein stetig wachsender Nationalismus im Land”, sagt sie.

Die Ausprägungen sind teilweise radikal, wie kürzlich das Beispiel einer Schule in Liupanshui in der Provinz Guizhou offenbarte. Im Rahmen eines schulischen Militärtrainings zur nationalen Verteidigung skandierten die Teenager: “Töten, töten, töten.” Gleichzeitig gelobten sie im Chor, jeden umzubringen, der es wagte, die Kommunistische Partei herauszufordern, ganz gleich, wo sich der- oder diejenige auf der Welt aufhalte.

Viele Ausländer verlassen das Land

Aufsehen erregte auch die Festnahme einer Chinesin in Suzhou, die für ein Fotoshooting einen japanischen Kimono getragen hatte und deswegen stundenlang verhört wurde. Später stellten die Behörden fest, dass jeder tragen könne, was er wolle, empfahlen aber, sensibel bei der Auswahl von Kleidung zu sein, um Dritte nicht zu provozieren.

Ausländer erfahren zunehmend Ablehnung, wenn sie in Hotels außerhalb der Metropolen einchecken wollen. Andere berichten, dass sie in den vergangenen Jahren regelmäßig in Diskussionen über die Haltung des Westens gegenüber der Volksrepublik verstrickt würden, die sie weder anzetteln, geschweige denn führen wollen. Der wachsende Nationalismus paart sich mit der rigorosen Null-Covid-Politik und veranlasst viele Ausländer, das Land zu verlassen.

“Nationalismus gibt es natürlich auch in anderen Länder”, sagt Publizistin Qin. “In einer Diktatur aber fehlt dazu das gesellschaftliche Gegengewicht. Solange der Nationalismus die chinesische Führung stützt, wird sie ihn fördern und besänftigende Stimmen abschneiden. In einem solchen Klima multipliziert sich Nationalismus viel schneller, weil er öffentlich nicht ausbalanciert wird.”

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Ericsson setzt weiter auf China

Seit dem Ausschluss Huaweis aus dem schwedischen 5G-Netz hat es Ericsson in China nicht mehr leicht.
Seit dem Ausschluss Huaweis aus dem schwedischen 5G-Netz hat es Ericsson in China nicht mehr leicht.

Ericsson hält am chinesischen Markt fest. Der schwedische Kommunikationsausrüster möchte noch umfassender am Bau chinesischer 5G-Netze beteiligt werden. Das erklärte Fang Ying, Präsident von Ericssons China-Geschäft, bei einer Pressekonferenz Mitte August. Vor allem im Bereich privater 5G-Netze seien die Wachstumschancen vielversprechend. Ericsson will vor allem chinesische Unternehmen mit 5G-Mobilfunklösungen unterstützen, heißt es. Das wird nicht einfach. Denn Schweden hatte sich im Oktober 2020 aus “Sicherheitsgründen” dem US-Boykott gegen den chinesischen Netzwerkausrüster und Handyhersteller Huawei angeschlossen.

Schwedens Regulierungsbehörde hatte allen 5G-Teilnehmern vorgeschrieben, bis zum Jahr 2025 Ausrüstung von Huawei und ZTE aus ihrem bestehenden Netzwerk auszubauen. Huawei hat dagegen geklagt und vergangenen Juni die Klage verloren. Nun hat Ericsson wiederum Schwierigkeiten, im größten und weiterhin am schnellsten wachsenden 5G-Markt der Welt Aufträge zu erhalten.

In den vergangenen drei Jahren hat China ein hohes Tempo beim Aufbau von Basisstationen an den Tag gelegt. Im November stellte das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnologie einen Plan vor, nachdem die Zahl der 5G-Basisstationen im Land bis Ende 2025 auf 3,64 Millionen Stück erhöht werden soll. Das hieße, auf 10.000 Menschen kämen dann 26 Basisstationen. 2020 kamen nur fünf auf 10.000 Menschen. Insgesamt hat China nach Angaben des Ministeriums derzeit bereits mehr als 1,6 Millionen 5G-Basisstationen installiert. Doch in diesem Markt teilzuhaben, ist für Ericsson schwierig.

Schon Mitte 2021 warnte das Unternehmen vor dem Risiko von “Kollateralschäden aufgrund der schwierigen chinesisch-schwedischen Beziehungen.” Das Chinageschäft macht zwar nur acht Prozent des Geschäftes von Ericsson aus. Doch dieser Anteil sollte eigentlich stark zunehmen, da China der größte Wachstumsmarkt ist. Stattdessen hat der Einbruch im chinesischen Markt Ericssons Wachstum 2021 halbiert. Statt acht Prozent ist das Unternehmen nur um vier Prozent gewachsen. Die Umsätze von 27 Milliarden kommen an die besten Jahre mit bis zu 35 Milliarden US-Dollar (2011) nicht heran. Den Umsatzrückgang in China bezifferte Ericsson im Gesamtjahr auf eine Milliarde US-Dollar.

Kostenstruktur anpassen

Kurz darauf erklärte das Unternehmen, eines seiner fünf Forschungszentren in Nanjing zu schließen. Die Niederlassung war bereits im Jahr 2001 eröffnet worden. “Als Folge der Umsatzeinbußen in China müssen wir unsere Vertriebs- und Lieferorganisation in China verkleinern, was im vierten Quartal beginnen wird”, erklärte Borge Eckholm, Ericssons Präsident und Chief Executive, während einer Präsentation der Geschäftsergebnisse. “Kurzfristig müssen wir die Kostenstruktur so weit wie möglich anpassen.”

Bei Ericsson ist man nicht glücklich über die Entscheidung aus Stockholm, Huawei beim 5G-Ausbau in Schweden auszuschließen. Denn der chinesische Markt ist schon jetzt deutlich größer als der schwedische. Deshalb kann sich Eckholm auch nicht leisten, den chinesischen Markt aufzugeben. Im Mai hatte Ericsson im Rahmen einer Umstrukturierung eine neue Abteilung mit dem Namen Business Area Enterprise Wireless Solutions gegründet. Fang nannte jedoch noch keinen konkreten Zeitplan, wann die neuen 5G-Mobilfunklösungen von Ericsson in China verfügbar sein werden. Der Plan befinde sich noch in einer “Sondierungsphase”.

Besonders in den Bereichen Mobile Core Networks (MCN) und Multi-Access Edge Computing (MEC) hat China seit zwei Jahren enormen Bedarf. Der chinesische MCN-Markt erzielte im 2. Quartal 2022 eine zweistellige prozentuale Wachstumsrate. Zu den fünf weltweit führenden 5G-MCN-Anbietern im zweiten Quartal 2022 gehören Huawei, Ericsson, ZTE, Nokia und NEC. Doch auch in diesem Bereich ist Huawei Marktführer und das chinesische Unternehmen ZTE den Schweden dicht auf den Fersen.

Ericsson: Spielraum bleibt erhalten

Gleichzeitig jedoch haben China Unicom und China Telecom die Beteiligung Ericssons an ihren 5G-Netzwerkprojekten reduziert. Auch China Mobile hatte Ericsson im vergangenen Jahr mit nur zwei Prozent am Aufbau seines 5G-Netze beteiligt, verglichen mit einem Anteil von elf Prozent im Jahr 2020. Der Großteil des Auftrags im Volumen von 7,5 Milliarden Yuan (1,16 Milliarden US-Dollar) ging an die chinesischen Konzerne Huawei und ZTE.

Immerhin läuft es in anderen Teilen der Welt gut für Ericsson. Laut einer Studie von Trendforce wird Ericsson seinen globalen Marktanteil bei Basisstationen 2022 auf 24 Prozent steigern, verglichen mit 23,5 Prozent im Jahr 2021. Erst diesen Monat hat Bharti Airtel, Indiens führender Anbieter von Kommunikationslösungen, bekannt gegeben, seinen ersten 5G-Vertrag im Land an Ericsson zu vergeben. Das ist nur ein schwacher Trost im Vergleich zu dem, was in China geschäftlich verloren ging. Besonders bitter für Ericsson wird 6G in China. Bei Ericsson geht man davon aus, dass schon 2027 die globalen Standards in der neuen Technologie gesetzt werden könnten. In China dann ohne Ericsson.

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News

Botschafter: Xi und Putin treffen sich in Usbekistan

Wladimir Putin und Li Zhanshu beim Eastern Economic Forum in Wladiwostok - Putin und Xi werden sich in Usbekistan treffen.
Wladimir Putin und Li Zhanshu beim Eastern Economic Forum in Wladiwostok

Chinas Staatschef Xi Jinping wird Agenturmeldungen zufolge kommende Woche erstmals seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin treffen. Putin und Xi wollen bei einem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in der Stadt Samarkand in Usbekistan zusammenkommen, wie der russische Botschafter in Peking, Andrej Denissow, laut den Nachrichtenagenturen RIA Nowosti und Tass am Mittwoch bekannt gab. Xi und Putin hatten sich zuletzt Anfang Februar zum Auftakt der Olympischen Winterspiele in Peking persönlich getroffen. Das SCO-Gipfeltreffen ist für den 15. und 16. September angesetzt. Laut Tass ist das Treffen zwischen den beiden Staatschefs für den Mittwoch angesetzt, nähere Details gab es zunächst nicht.

Ob Xi Jinping vor der Reise nach Samarkand noch Kasachstan besucht, blieb am Mittwoch offen. Mehrere Medien hatten zuvor unter Berufung auf das kasachische Außenministerium berichtet, dass Xi dort am 14. September Präsident Qassym-Schomart Toqajew für Handelsgespräche treffen wird. Das Ziel von Xis erster Auslandsreise ist viel beachtet und hat durchaus symbolische Tragkraft.

Chinas Nummer Drei, der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses Li Zhanshu, traf bereits am Mittwoch dieser Woche auf Putin. Beim Eastern Economic Forum in Wladiwostok wurden Li und Putin gemeinsam im Gespräch gesehen. Sie nahmen auch beide an der Haupt-Plenarsitzung teil. Li war mit seiner Teilnahme an dem Forum der ranghöchste chinesische Beamte, der die Volksrepublik seit Beginn der Corona-Pandemie verlassen hat. Lis Stopp in Wladiwostok ist Teil einer zehntägigen Tour, bei der er Russland, Südkorea, die Mongolei und Nepal besuchen wird. ari

  • Geopolitik
  • Russland
  • Wladimir Putin
  • Xi Jinping

Finanzskandal bei BMW-Partner

Der BMW-Partner Brilliance China Automotive soll 1,2 Milliarden US-Dollar durch illegale Transaktionen unter Beteiligung des Mutterkonzerns veruntreut haben, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtet. Im Zeitraum zwischen 2019 und 2021 sollen demnach insgesamt 52,6 Milliarden Yuan (7,5 Milliarden US-Dollar) an Zahlungen für illegale Garantien und Finanzierungen von Brilliance China Automotive an den Mutterkonzern Huachen Automotive Group Holdings geflossen sein. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Wirtschaftsprüfungsunternehmens RSM Corporate Advisory, die von Brilliance China Automotive in Auftrag gegeben wurde.

Die Manager von Huachen sollen die Verantwortlichen bei Brilliance China Automotive bei den Geldflüssen nicht vorher kontaktiert haben. Dem Joint-Venture Partner von BMW sind dabei finanzielle Schäden entstanden. Brilliance China Automotive musste den Banken teilweise Schulden zurückzahlen, die der Mutterkonzern nicht zurückzahlen konnte, wie die Untersuchung zeigt.

Laut Caixin gab es zudem Darlehen von Tochtergesellschaften von Brilliance China Automotive an den Mutterkonzern in Höhe von 40 Milliarden Yuan (5,7 Milliarden US-Dollar), die weder den Aktionären zur Genehmigung vorgelegt, noch der Öffentlichkeit offengelegt wurden. Dadurch erlitt Brilliance China Automotive einen Verlust in Höhe von rund 2,35 Milliarden Yuan (340 Millionen US-Dollar). BMW hatte im Februar seinen Anteil am Joint Venture Brilliance China Automotive auf 75 Prozent erhöht. Das Münchener Unternehmen teilte auf Anfrage von China.Table mit, die “BMW Group und die Brilliance Group sind getrennte und unabhängige Unternehmen”. Man könne sich deswegen “zu den Aktivitäten der Brilliance Group” nicht äußern. nib

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Vorsitzender von Journalismus-Gewerkschaft in Hongkong festgenommen

In Hongkong ist der Vorsitzende der Journalisten-Gewerkschaft, Ronson Chan, festgenommen worden. Chan, Vorsitzender der Journalisten-Gewerkschaft Hong Kong Journalists Association (HKJA), sei wegen angeblicher Störung der öffentlichen Ordnung und Widerstands gegen einen Polizeibeamten in Gewahrsam genommen worden, berichtete Bloomberg. Chans Arbeitgeber, die Online-Nachrichtenplattform Channel C, teilte demnach mit, der Journalist sei von Polizeibeamten abgeführt worden, während er über ein Treffen von Eigentümern von Sozialwohnungen berichtet habe.

Die Polizei bestätigte in einer offiziellen Mitteilung, dass ein 41-Jähriger namens Chan festgenommen wurde. Dieser habe sich geweigert, Beamten seinen Ausweis zu zeigen. Zudem habe er sich trotz mehrfacher Ermahnungen “unkooperativ” verhalten. Der Journalist wollte in nur wenigen Wochen Hongkong verlassen, um ab Oktober mit einem Halbjahresstipendium am Reuters Institute an der britischen Oxford-Universität zu studieren.

Ebenfalls am Mittwoch wurden in Hongkong fünf Logopäden wegen Volksverhetzung verurteilt. Ihnen drohen bis zu zwei Jahre Haft. Die Sprachtherapeuten-Gruppe hatte 2020 und 2021 Bücher veröffentlicht, in deren Geschichten Schafe ihr Dorf vor Wölfen verteidigen. Die Staatsanwälte argumentierten, die Geschichten seien Allegorien, die darauf hinausliefen, Kinder zu “indoktrinieren”, um Separatismus und Hass auf Peking zu unterstützen. ari

  • Hongkong
  • Menschenrechte
  • Peking
  • Pressefreiheit
  • Zivilgesellschaft

Zement-Industrie will früh CO2-Peak erreichen

Chinas Zementindustrie hat sich das Ziel gesetzt, mit den CO2-Emissionen des Sektors bis zum Jahr 2023 den Höchststand zu erreichen. Der Bausektor soll insgesamt beim Höchststand seiner Emissionen bis 2025 ankommen, wie der Industrie-Verband China Building Materials Federation mitteilte. Die Ziele sollen erreicht werden, indem energiesparender produziert wird und ineffiziente Produktionskapazitäten abgebaut werden. Auch neue Innovationen sollen zur CO2-Reduktion beitragen, so der Verband, ohne Details zu nennen.

Die chinesischen Hersteller von Baumaterialien wie Zement und Glas haben im Jahr 2020 mehr CO2-Emissionen verursacht als Japan, sagte die Klima-Analystin Liu Hongqiao auf Twitter. Der Sektor ist demnach für rund 13 Prozent der chinesischen CO2-Emissionen verantwortlich, wobei die Stahlherstellung gesondert erfasst wird und nicht zu den 13 Prozent beiträgt. “Wenn der Sektor seinen Emissionshöchststand vor 2025 oder sogar vor 2023 erreichen kann, wird dies Chinas Zeitplan für den landesweiten Emissionshöchststand noch weiter nach vorne verschieben, als das Land zugesagt hat”, so die Analystin. Der Energie- und Klimaexperte Lauri Myllyvirta bezeichnet die Ankündigung als “große Neuigkeiten”. Er sagt sogar, die Zielsetzung “dürfte massive Infrastrukturausgaben ausschließen”.

Die Reduktion der CO2-Emissionen im Zementsektor gilt als sehr schwierige Aufgabe. Derzeit fehlt es noch an Technologien, um CO2-armen Zement herzustellen. China setzt darauf, die Zementproduktion in Zukunft mit Carbon-Capture-Technologien zu kombinieren (China.Table berichtete), sagte kürzlich Xiliang Zhang, Direktor des Instituts für Energie, Umwelt und Wirtschaft an der Tsinghua-Universität. nib

  • Emissionen
  • Industrie
  • Klima
  • Klimaschutz
  • Zementindustrie

Presseschau

Treffen in Usbekistan: Xi Jinpings erste Reise seit zweieinhalb Jahren führt ausgerechnet zu Putin MERKUR
China: All eyes on Xi Jinping at Party Congress DW
China Hints at Own Special Military Operation for Taiwan NEWSWEEK
Französische Parlamentarier in Taiwan eingetroffen NAU
Latest U.S. lawmaker delegation arrives in Taiwan REUTERS
Bundestag genehmigt Reise nach Taiwan – trotz Ärger mit Taiwan T-ONLINE
Richtungswechsel auch wegen Taiwan-Krise: China rüstet sich für den Wirtschaftskrieg mit dem Westen MERKUR
Deutschland genehmigt weiter Ausfuhr militärisch nutzbarer Güter nach China HANDELSBLATT
China und Australien ringen um Einfluss auf den Salomonen DIEPRESSE
Sanktionen gegen China – Ringen um Neutralität: Die Schweiz und die China-Sanktionen SRF
China: Außenhandel verliert an Schwung DW
Chinesischer Handel mit Russland wächst um fast ein Drittel FAZ
“Erhebliches Risiko für Deutschland” – Deutsche Bank-Chef wirbt für mehr Unabhängigkeit von China HANDELSBLATT
Pentagon stops accepting F-35 jets to check for Chinese content REUTERS
Das neue iPhone soll nicht mehr nur aus China kommen SUEDDEUTSCHE
Chinese city to start building stalled housing projects amid mortgage boycott REUTERS
China’s zero-Covid policy is self-defeating FT
So Square It’s Hip: ​​Gen Z Tries on the Communist Cadre Look NYTIMES
Chef von Hongkonger Journalisten-Gewerkschaft festgenommen WELT
Investoren aus Asien: Ein neuer Blick auf China TAGESSCHAU
China: 74 Tote und 250 Verletzte nach Beben in Sichuan DE

Standpunkt

Vorsicht vor Führerstaaten 

Von Wolfgang Ischinger und Sebastian Turner
Wolfgang Ischinger und Sebastian Turner über Russland und China als Führerstaaten und den Umgang mit solchen.

Spione sollen nicht den eigenen Machtapparat verraten. Genau das aber tat der Chef der russischen Auslandsspionage Sergei Naryschkin am 23. Februar, unfreiwillig und unübersehbar. Bei einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates offenbarten seine Antworten nicht nur, wie die Vorwände des russischen Imperialismus wetterwendisch wechseln. Als Wladimir Putin seinen obersten Spion vor der Weltöffentlichkeit demütigte, verriet er: Die Russische Föderation ist ein Führerstaat geworden. Der Alleinherrscher hat absolute Macht. Er wird durch keine Öffentlichkeit, keine Partei, kein Parlament, keine Justiz, kein Kabinett oder auch nur eine Funktionärs- oder Geheimdienstclique kontrolliert – im Gegenteil, er beherrscht sie alle. Einen Tag nach Naryschkins peinlicher Offenbarung erlebte die Welt, wozu Führerstaaten fähig sind: Russland überfällt die Ukraine und tötet seitdem Tausende und terrorisiert Millionen.

Die absolute Macht des Alleinherrschers

Kenner Russlands konnten die Metamorphose von den dysfunktionalen postsowjetischen Jelzin-Jahren zum Putinschen Führerstaat kommen sehen. Natürlich gibt es kein Politbüro mehr, das in der alten UdSSR als Kontrollorgan den Generalsekretär der KPdSU ernannte beziehungsweise absetzte. Duma und Föderationsrat sind Claqueure, die Pressevielfalt ist fast völlig verschwunden. Auch die Wirtschaft ist Untertan, vom Schauprozess gegen Michail Chodorkowski 2005 bis zum plötzlichen Tod von Wirtschaftsvertretern, die den Ukraine-Überfall ablehnen. Auch Putins aggressive Absage an die demokratische Welt bei seinem historischen Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 wurde weder in Washington noch in Brüssel oder Berlin hinreichend ernst genommen.

Wer von der absteigenden Weltmacht Russland auf die aufsteigende Weltmacht China blickt, wird beunruhigende Ähnlichkeiten feststellen. Der starke Mann Chinas Xi Jinping hat nahezu alle Gegenkräfte in seinem Einparteienstaat beseitigt, um sich auf dem nächsten Parteikongress ab dem 16. Oktober auf Lebenszeit wählen lassen zu können. Mehrfach wechselte er die Geheimdienstspitzen aus, das Militär hat er fest in der Hand. Er regiert persönlich in alle Organisationen von Staat, Partei und Gesellschaft hinein. Wer ihm widerspricht, landet in den Verhörkellern der Zentralen Disziplinarkommission. Auch die Wirtschaft ist an der kurzen Leine, vom Hausarrest von Jack Ma bis zu Gesetzen, die das Datensammeln zum staatlichen Monopol machen. Hierin übertrifft Xi seinen Verbündeten Putin bei Weitem. Mit Sozialpunkten und Gesichtserkennung hat Xi totalitäre Macht über jeden: Bürger, Institutionen und Hierarchien.

Xis totalitäre Kontrolle

Man muss Führerstaaten fürchten, weil selbst die originärsten Interessen des Landes von persönlichen Prioritäten, Visionen, Launen und Krankheiten der Nr. 1 überlagert werden können. Die Ja-Sager schaffen für den Alleinherrscher zudem eine Scheinrealität, sodass er trotz langjähriger politischer Erfahrung irrational entscheiden kann – und niemand wird ihn aufhalten.

Schon immer gab es Alleinherrscher, die ein gesamtes Gemeinwesen unterjochen konnten. Atommächte als Ein-Führerstaaten sind aber eine neue geostrategische Herausforderung, auf die sich die Welt einstellen muss. Sie stellen gerade für Demokratien eine neue Risikoklasse dar und sollten deshalb auch so eingestuft und behandelt werden.

Deutschland vertraute auf “Wandel durch Handel” – von der Montanunion über die Ostpolitik bis zum aktuellen Umgang mit dem China Xi Jinpings. Durch wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten politische Risiken zu reduzieren, hat sich bei Führerstaaten aber als völlig untauglich erwiesen. Gegenüber einem Führerstaat ist jede Form der Abhängigkeit prinzipiell kontraproduktiv – sie kann den Alleinherrscher sogar zu unkalkulierbarem Verhalten verführen und so strategische Verwundbarkeiten noch verstärken. Entsprechend sollten G7 und EU, angelehnt an Bonitätsratings, Länder danach einstufen, ob sie sich der Staatsform Führerstaat annähern. Mit jedem Schritt zur Alleinherrschaft sollten Maßnahmen ergriffen werden, um strategische Verwundbarkeiten zu reduzieren und das Kalkül des Alleinherrschers zu beeinflussen.

Glaubwürdige Abschreckung gegenüber Führerstaaten

Aus dem russischen Angriff auf die Ukraine und aus der Wirkung der aktuellen Sanktionen gegen Russland – sie verändern das strategische Verhalten der anderen Seite allenfalls mittel- und langfristig und schaden allen –  können wir lernen.

Gegenüber Führerstaaten müssen wir statt auf Bestrafung ex post auf Prävention durch glaubwürdige Abschreckung setzen. Zu Recht schaltet die Nato jetzt in den baltischen Staaten um: Man denkt nicht mehr in Kategorien einer möglichen Rückeroberung von besetztem Territorium, sondern man stellt sich von vornherein militärisch so auf, dass niemand in Moskau mehr auf die Idee kommen kann, Angriffspläne umzusetzen. Ähnliche Fragen stellen sich jetzt im Hinblick auf Taiwan – eine mögliche Zerreißprobe für die Demokratien!

Demokratien brauchen Unabhängigkeit von Führerstaaten und eine glaubwürdige Abschreckung. Konsequenzen müssen vorher angekündigt werden, wie bei der Nachrüstung in den 1980er-Jahren, damit sie idealerweise gar nicht erst angewandt werden müssen. Glaubwürdig sind sie aber nur, wenn die Demokratien wirklich dahinter stehen. Dazu müssen sie wissen, dass sie es mit besonders gefährlichen Ländern zu tun haben – den Führerstaaten.

Wolfgang Ischinger ist Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz.
Sebastian Turner ist Gründer von Table.Media und Herausgeber des China.Table.

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  • Wladimir Putin
  • Xi Jinping

Personalien

Sandro Schmidt wechselt als Hotelier von China zurück nach Deutschland. Er wird neuer Cluster General Manager für Seetelhotels in Heringsdorf auf der Ostseeinsel Usedom. Schmidt hatte zuvor als General Manager das Maritim Hotel Taicang Garden bei Shanghai geleitet. Davor war Schmidt General Manager des Meliá Hotels International in Zhengzhou.

Rebecca Huebler wechselt von der Unternehmensberatung BCG zu Sixt in München. Dort übernimmt sie die Rolle als Executive Director OEM Partnerships China.

Patrick Paziener ist neuer Coordinator China and South East Asia beim Landwirtschaftsmaschinen-Hersteller Horsch. Paziener war zuvor Junior Agriculture Expert bei AFC Agriculture and Finance Consultants in Xiangshui.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Dino im Vorgarten? Fast! Das Bild zeigt einen T-Rex in einem Park in Hongkong. Die Installation ist Teil der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Gründung der Sonderverwaltungszone Hongkong, die Anfang Juli stattfand. Die Riesenechse lauert seither dort im Gebüsch.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Abschottung und Nationalismus wachsen
    • Ericsson an den Rand gedrängt
    • Putin und Xi – Treffen in Usbekistan geplant
    • BMW-Partner in Finanzskandal verwickelt
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    • Zement-Industrie strebt CO2-Peak 2023 an
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    hierzulande wird angesichts eines immer aggressiver auftretenden Chinas heftig über eine stärkere Entkopplung von der Volksrepublik debattiert. Die Einschätzung unter Experten, wie schmerzhaft und vor allem teuer eine solche Entkopplung für die deutsche Wirtschaft werden würde, geht erheblich auseinander. Nur: Womöglich stellt sich diese Frage gar nicht mehr. Denn die Abschottung ist längst im vollen Gange. Und zwar von China aus.

    Die Abschottung findet auf vielen Ebenen statt, schreibt Marcel Grzanna in seiner Analyse und zählt auf: Chinesische Firmen kehren ausländischen Börsen den Rücken, Englisch-Unterricht an Schulen wird zurückgefahren, die meisten chinesischen Bürgerinnen und Bürger dürfen so gut wie gar nicht mehr ins Ausland reisen. Umgekehrt sind auch Ausländer in China immer weniger willkommen. Wozu eine solche Abschottungspolitik führt, ist in der Volksrepublik derzeit gut zu beobachten: der Nationalismus weitet aus. Und das macht China leider nur noch gefährlicher.

    Obwohl auch Ericsson es in China nicht leicht hat, will der schwedische Kommunikationsausrüster bleiben. Denn trotz aller Hürden, die die chinesischen Behörden dem schwedischen Konzern in den Weg stellen – der chinesische Markt ist schon jetzt deutlich größer als der heimische, analysiert Frank Sieren. Ericsson könne es sich gar nicht leisten, den chinesischen Markt aufzugeben. Das Grundproblem für viele global agierende Unternehmen.

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    Analyse

    Rückkehr zur Abschottung

    Die Chinesische Akademie für Historische Forschung (CAHR) sorgte Ende August für eine Kontroverse. Sie verbreitete einen Beitrag über soziale Medien, der sich mit der Außenpolitik der Ming- und Qing-Dynastien beschäftigte. Damals hatten die chinesischen Kaiser ihrem Reich über Jahrhunderte eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Distanz zum Ausland verordnet, die China das Attribut eines “geschlossenen Landes” bescherte.

    Den Lesern wurde die Parallele zum Jahr 2022 – mehr als 100 Jahre nach dem Ende der Qing-Dynastie – unverzüglich klar. Massive Reise-Beschränkungen ohne Perspektive auf baldige Veränderung halten Chinas Bevölkerung seit mehr als zweieinhalb Jahren faktisch im eigenen Land gefangen. Der Aufbau des sogenannten dualen Wirtschaftskreislaufes ist im vollen Gange und soll Abhängigkeiten aus dem Ausland langfristig auf ein absolutes Minimum reduzieren.

    Gelistete Firmen kehren von ausländischen Börsen – mehr oder weniger freiwillig – an chinesische Finanzplätze zurück, weil chinesische Regulierer Druck machen. Besonders die Tech-Industrie will Peking von der Option fernhalten, in den Schwitzkasten ausländischen Kapitals zu geraten. Die Regierung verschärfte zudem im vergangenen Jahr die Lokalisierungsquoten für staatliche Unternehmen. Bei öffentlichen Ausschreibungen müssen die Bewerber mehr Komponenten vorweisen, die zu 100 Prozent aus China stammen: “Buy Chinese” als Order an die eigene Wirtschaft.

    CAHR spricht von Selbstbeschränkung statt Abschottung

    Die CAHR-Autoren des Beitrags mit dem Titel “Eine neue Untersuchung zum Sachverhalt des ‘geschlossenen Landes’” argumentieren, dass die einstige Distanzierung des Kaiserreichs eine Notwendigkeit gewesen sei, um die territoriale und kulturelle Sicherheit Chinas aufrechtzuerhalten. Statt “Abschottung” bezeichneten sie die Politik als “Selbstbeschränkung”.

    Die Reaktionen von Leserinnen und Lesern fielen zum Teil sehr kritisch aus und veranlassten die Zensoren, in die Debatte einzugreifen, berichtet die chinesischsprachige Tageszeitung Lianhe Zaobao aus Singapur. Manche Kommentatoren warfen den Historikern vor, als “Propagandaorgan der Regierung” den Trend der Gegenwart historisch zu rechtfertigen.

    Tatsächlich kommt die moderne Form der “Selbstbeschränkung” vielen Chinesen eher als Abschottung vor. Über ein privates WeChat-Konto antwortete ein Nutzer mit einem eigenen Essay auf den Beitrag. Der Kernpunkt der Kritik: Es gehe nicht um die nationale Sicherheit, so wie es auch die Ming- und Qing-Kaiser propagierten, sondern um die Angst der Herrschenden vor dem Machtverlust. “Jeder mit ein wenig gesundem Menschenverstand kann den Unterschied erkennen”, schrieb der Autor. Innerhalb eines Tages wurde das Stück 100.000 Mal gelesen, ehe die Zensoren einschritten und den Text aus dem digitalen Raum verbannten.

    Die allein regierende Kommunistische Partei weist den Vorwurf des Decoupling kategorisch zurück. China, so die offizielle Linie, befinde sich in einem ständigen Prozess der Öffnung gegenüber dem Ausland. In Wahrheit aber konterkariert Pekings Politik diese Behauptung. Vorgaben an Wirtschaft und Industrie sind nur die eine Seite der Medaille. Die massiven Eingriffe in das Bildungsangebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die gerne besser Englisch lernen wollen, bedeuten gleichermaßen eine Kehrtwende.

    “Chinas großer Sprung nach hinten”

    Im vergangenen Jahr hatten ausgerechnet die Behörden in Shanghai, Chinas internationalster Metropole, das Ende von Englisch-Examen in örtlichen Grundschulen beschlossen. Neu in den Lehrplan der Jüngsten aufgenommen wurden stattdessen “Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismus mit chinesischen Merkmalen für eine neue Ära” – ein Buch mit den intellektuellen Ergüssen des Staatschefs, das durch seine vehemente internationale Vermarktung an den Hype um die Mao-Bibel in den 1960er- und 1970er-Jahren erinnert.

    Es folgte zudem die landesweite Beendigung Tausender privater Bildungsangebote, die den Menschen im Land jahrzehntelang die Möglichkeit geboten hatten, sich außerhalb des staatlichen Bildungssystems Fremdsprachen – allen voran Englisch – anzueignen. Zynisch kommentierten manche Menschen in Land die Offensive als “Chinas großen Sprung nach hinten”. Zumal breite Englischkenntnisse der Bevölkerung noch zu Beginn des Jahrhunderts von der Staatsführung als einer der Schlüssel zu Chinas wirtschaftlichem Aufstieg propagiert wurde.

    “Was wir zurzeit erleben, ist eine ideologische Radikalisierung des Landes auf Kosten seiner wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Öffnung“, sagt die Berliner Journalistin und Autorin Qin Liwen, die sich in ihrer Arbeit mit Chinas politischer Entwicklung beschäftigt. “Ein gewollter Nebeneffekt dieser Politik ist auch ein stetig wachsender Nationalismus im Land”, sagt sie.

    Die Ausprägungen sind teilweise radikal, wie kürzlich das Beispiel einer Schule in Liupanshui in der Provinz Guizhou offenbarte. Im Rahmen eines schulischen Militärtrainings zur nationalen Verteidigung skandierten die Teenager: “Töten, töten, töten.” Gleichzeitig gelobten sie im Chor, jeden umzubringen, der es wagte, die Kommunistische Partei herauszufordern, ganz gleich, wo sich der- oder diejenige auf der Welt aufhalte.

    Viele Ausländer verlassen das Land

    Aufsehen erregte auch die Festnahme einer Chinesin in Suzhou, die für ein Fotoshooting einen japanischen Kimono getragen hatte und deswegen stundenlang verhört wurde. Später stellten die Behörden fest, dass jeder tragen könne, was er wolle, empfahlen aber, sensibel bei der Auswahl von Kleidung zu sein, um Dritte nicht zu provozieren.

    Ausländer erfahren zunehmend Ablehnung, wenn sie in Hotels außerhalb der Metropolen einchecken wollen. Andere berichten, dass sie in den vergangenen Jahren regelmäßig in Diskussionen über die Haltung des Westens gegenüber der Volksrepublik verstrickt würden, die sie weder anzetteln, geschweige denn führen wollen. Der wachsende Nationalismus paart sich mit der rigorosen Null-Covid-Politik und veranlasst viele Ausländer, das Land zu verlassen.

    “Nationalismus gibt es natürlich auch in anderen Länder”, sagt Publizistin Qin. “In einer Diktatur aber fehlt dazu das gesellschaftliche Gegengewicht. Solange der Nationalismus die chinesische Führung stützt, wird sie ihn fördern und besänftigende Stimmen abschneiden. In einem solchen Klima multipliziert sich Nationalismus viel schneller, weil er öffentlich nicht ausbalanciert wird.”

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    Ericsson setzt weiter auf China

    Seit dem Ausschluss Huaweis aus dem schwedischen 5G-Netz hat es Ericsson in China nicht mehr leicht.
    Seit dem Ausschluss Huaweis aus dem schwedischen 5G-Netz hat es Ericsson in China nicht mehr leicht.

    Ericsson hält am chinesischen Markt fest. Der schwedische Kommunikationsausrüster möchte noch umfassender am Bau chinesischer 5G-Netze beteiligt werden. Das erklärte Fang Ying, Präsident von Ericssons China-Geschäft, bei einer Pressekonferenz Mitte August. Vor allem im Bereich privater 5G-Netze seien die Wachstumschancen vielversprechend. Ericsson will vor allem chinesische Unternehmen mit 5G-Mobilfunklösungen unterstützen, heißt es. Das wird nicht einfach. Denn Schweden hatte sich im Oktober 2020 aus “Sicherheitsgründen” dem US-Boykott gegen den chinesischen Netzwerkausrüster und Handyhersteller Huawei angeschlossen.

    Schwedens Regulierungsbehörde hatte allen 5G-Teilnehmern vorgeschrieben, bis zum Jahr 2025 Ausrüstung von Huawei und ZTE aus ihrem bestehenden Netzwerk auszubauen. Huawei hat dagegen geklagt und vergangenen Juni die Klage verloren. Nun hat Ericsson wiederum Schwierigkeiten, im größten und weiterhin am schnellsten wachsenden 5G-Markt der Welt Aufträge zu erhalten.

    In den vergangenen drei Jahren hat China ein hohes Tempo beim Aufbau von Basisstationen an den Tag gelegt. Im November stellte das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnologie einen Plan vor, nachdem die Zahl der 5G-Basisstationen im Land bis Ende 2025 auf 3,64 Millionen Stück erhöht werden soll. Das hieße, auf 10.000 Menschen kämen dann 26 Basisstationen. 2020 kamen nur fünf auf 10.000 Menschen. Insgesamt hat China nach Angaben des Ministeriums derzeit bereits mehr als 1,6 Millionen 5G-Basisstationen installiert. Doch in diesem Markt teilzuhaben, ist für Ericsson schwierig.

    Schon Mitte 2021 warnte das Unternehmen vor dem Risiko von “Kollateralschäden aufgrund der schwierigen chinesisch-schwedischen Beziehungen.” Das Chinageschäft macht zwar nur acht Prozent des Geschäftes von Ericsson aus. Doch dieser Anteil sollte eigentlich stark zunehmen, da China der größte Wachstumsmarkt ist. Stattdessen hat der Einbruch im chinesischen Markt Ericssons Wachstum 2021 halbiert. Statt acht Prozent ist das Unternehmen nur um vier Prozent gewachsen. Die Umsätze von 27 Milliarden kommen an die besten Jahre mit bis zu 35 Milliarden US-Dollar (2011) nicht heran. Den Umsatzrückgang in China bezifferte Ericsson im Gesamtjahr auf eine Milliarde US-Dollar.

    Kostenstruktur anpassen

    Kurz darauf erklärte das Unternehmen, eines seiner fünf Forschungszentren in Nanjing zu schließen. Die Niederlassung war bereits im Jahr 2001 eröffnet worden. “Als Folge der Umsatzeinbußen in China müssen wir unsere Vertriebs- und Lieferorganisation in China verkleinern, was im vierten Quartal beginnen wird”, erklärte Borge Eckholm, Ericssons Präsident und Chief Executive, während einer Präsentation der Geschäftsergebnisse. “Kurzfristig müssen wir die Kostenstruktur so weit wie möglich anpassen.”

    Bei Ericsson ist man nicht glücklich über die Entscheidung aus Stockholm, Huawei beim 5G-Ausbau in Schweden auszuschließen. Denn der chinesische Markt ist schon jetzt deutlich größer als der schwedische. Deshalb kann sich Eckholm auch nicht leisten, den chinesischen Markt aufzugeben. Im Mai hatte Ericsson im Rahmen einer Umstrukturierung eine neue Abteilung mit dem Namen Business Area Enterprise Wireless Solutions gegründet. Fang nannte jedoch noch keinen konkreten Zeitplan, wann die neuen 5G-Mobilfunklösungen von Ericsson in China verfügbar sein werden. Der Plan befinde sich noch in einer “Sondierungsphase”.

    Besonders in den Bereichen Mobile Core Networks (MCN) und Multi-Access Edge Computing (MEC) hat China seit zwei Jahren enormen Bedarf. Der chinesische MCN-Markt erzielte im 2. Quartal 2022 eine zweistellige prozentuale Wachstumsrate. Zu den fünf weltweit führenden 5G-MCN-Anbietern im zweiten Quartal 2022 gehören Huawei, Ericsson, ZTE, Nokia und NEC. Doch auch in diesem Bereich ist Huawei Marktführer und das chinesische Unternehmen ZTE den Schweden dicht auf den Fersen.

    Ericsson: Spielraum bleibt erhalten

    Gleichzeitig jedoch haben China Unicom und China Telecom die Beteiligung Ericssons an ihren 5G-Netzwerkprojekten reduziert. Auch China Mobile hatte Ericsson im vergangenen Jahr mit nur zwei Prozent am Aufbau seines 5G-Netze beteiligt, verglichen mit einem Anteil von elf Prozent im Jahr 2020. Der Großteil des Auftrags im Volumen von 7,5 Milliarden Yuan (1,16 Milliarden US-Dollar) ging an die chinesischen Konzerne Huawei und ZTE.

    Immerhin läuft es in anderen Teilen der Welt gut für Ericsson. Laut einer Studie von Trendforce wird Ericsson seinen globalen Marktanteil bei Basisstationen 2022 auf 24 Prozent steigern, verglichen mit 23,5 Prozent im Jahr 2021. Erst diesen Monat hat Bharti Airtel, Indiens führender Anbieter von Kommunikationslösungen, bekannt gegeben, seinen ersten 5G-Vertrag im Land an Ericsson zu vergeben. Das ist nur ein schwacher Trost im Vergleich zu dem, was in China geschäftlich verloren ging. Besonders bitter für Ericsson wird 6G in China. Bei Ericsson geht man davon aus, dass schon 2027 die globalen Standards in der neuen Technologie gesetzt werden könnten. In China dann ohne Ericsson.

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    Botschafter: Xi und Putin treffen sich in Usbekistan

    Wladimir Putin und Li Zhanshu beim Eastern Economic Forum in Wladiwostok - Putin und Xi werden sich in Usbekistan treffen.
    Wladimir Putin und Li Zhanshu beim Eastern Economic Forum in Wladiwostok

    Chinas Staatschef Xi Jinping wird Agenturmeldungen zufolge kommende Woche erstmals seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin treffen. Putin und Xi wollen bei einem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in der Stadt Samarkand in Usbekistan zusammenkommen, wie der russische Botschafter in Peking, Andrej Denissow, laut den Nachrichtenagenturen RIA Nowosti und Tass am Mittwoch bekannt gab. Xi und Putin hatten sich zuletzt Anfang Februar zum Auftakt der Olympischen Winterspiele in Peking persönlich getroffen. Das SCO-Gipfeltreffen ist für den 15. und 16. September angesetzt. Laut Tass ist das Treffen zwischen den beiden Staatschefs für den Mittwoch angesetzt, nähere Details gab es zunächst nicht.

    Ob Xi Jinping vor der Reise nach Samarkand noch Kasachstan besucht, blieb am Mittwoch offen. Mehrere Medien hatten zuvor unter Berufung auf das kasachische Außenministerium berichtet, dass Xi dort am 14. September Präsident Qassym-Schomart Toqajew für Handelsgespräche treffen wird. Das Ziel von Xis erster Auslandsreise ist viel beachtet und hat durchaus symbolische Tragkraft.

    Chinas Nummer Drei, der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses Li Zhanshu, traf bereits am Mittwoch dieser Woche auf Putin. Beim Eastern Economic Forum in Wladiwostok wurden Li und Putin gemeinsam im Gespräch gesehen. Sie nahmen auch beide an der Haupt-Plenarsitzung teil. Li war mit seiner Teilnahme an dem Forum der ranghöchste chinesische Beamte, der die Volksrepublik seit Beginn der Corona-Pandemie verlassen hat. Lis Stopp in Wladiwostok ist Teil einer zehntägigen Tour, bei der er Russland, Südkorea, die Mongolei und Nepal besuchen wird. ari

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    Finanzskandal bei BMW-Partner

    Der BMW-Partner Brilliance China Automotive soll 1,2 Milliarden US-Dollar durch illegale Transaktionen unter Beteiligung des Mutterkonzerns veruntreut haben, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtet. Im Zeitraum zwischen 2019 und 2021 sollen demnach insgesamt 52,6 Milliarden Yuan (7,5 Milliarden US-Dollar) an Zahlungen für illegale Garantien und Finanzierungen von Brilliance China Automotive an den Mutterkonzern Huachen Automotive Group Holdings geflossen sein. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Wirtschaftsprüfungsunternehmens RSM Corporate Advisory, die von Brilliance China Automotive in Auftrag gegeben wurde.

    Die Manager von Huachen sollen die Verantwortlichen bei Brilliance China Automotive bei den Geldflüssen nicht vorher kontaktiert haben. Dem Joint-Venture Partner von BMW sind dabei finanzielle Schäden entstanden. Brilliance China Automotive musste den Banken teilweise Schulden zurückzahlen, die der Mutterkonzern nicht zurückzahlen konnte, wie die Untersuchung zeigt.

    Laut Caixin gab es zudem Darlehen von Tochtergesellschaften von Brilliance China Automotive an den Mutterkonzern in Höhe von 40 Milliarden Yuan (5,7 Milliarden US-Dollar), die weder den Aktionären zur Genehmigung vorgelegt, noch der Öffentlichkeit offengelegt wurden. Dadurch erlitt Brilliance China Automotive einen Verlust in Höhe von rund 2,35 Milliarden Yuan (340 Millionen US-Dollar). BMW hatte im Februar seinen Anteil am Joint Venture Brilliance China Automotive auf 75 Prozent erhöht. Das Münchener Unternehmen teilte auf Anfrage von China.Table mit, die “BMW Group und die Brilliance Group sind getrennte und unabhängige Unternehmen”. Man könne sich deswegen “zu den Aktivitäten der Brilliance Group” nicht äußern. nib

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    Vorsitzender von Journalismus-Gewerkschaft in Hongkong festgenommen

    In Hongkong ist der Vorsitzende der Journalisten-Gewerkschaft, Ronson Chan, festgenommen worden. Chan, Vorsitzender der Journalisten-Gewerkschaft Hong Kong Journalists Association (HKJA), sei wegen angeblicher Störung der öffentlichen Ordnung und Widerstands gegen einen Polizeibeamten in Gewahrsam genommen worden, berichtete Bloomberg. Chans Arbeitgeber, die Online-Nachrichtenplattform Channel C, teilte demnach mit, der Journalist sei von Polizeibeamten abgeführt worden, während er über ein Treffen von Eigentümern von Sozialwohnungen berichtet habe.

    Die Polizei bestätigte in einer offiziellen Mitteilung, dass ein 41-Jähriger namens Chan festgenommen wurde. Dieser habe sich geweigert, Beamten seinen Ausweis zu zeigen. Zudem habe er sich trotz mehrfacher Ermahnungen “unkooperativ” verhalten. Der Journalist wollte in nur wenigen Wochen Hongkong verlassen, um ab Oktober mit einem Halbjahresstipendium am Reuters Institute an der britischen Oxford-Universität zu studieren.

    Ebenfalls am Mittwoch wurden in Hongkong fünf Logopäden wegen Volksverhetzung verurteilt. Ihnen drohen bis zu zwei Jahre Haft. Die Sprachtherapeuten-Gruppe hatte 2020 und 2021 Bücher veröffentlicht, in deren Geschichten Schafe ihr Dorf vor Wölfen verteidigen. Die Staatsanwälte argumentierten, die Geschichten seien Allegorien, die darauf hinausliefen, Kinder zu “indoktrinieren”, um Separatismus und Hass auf Peking zu unterstützen. ari

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    Zement-Industrie will früh CO2-Peak erreichen

    Chinas Zementindustrie hat sich das Ziel gesetzt, mit den CO2-Emissionen des Sektors bis zum Jahr 2023 den Höchststand zu erreichen. Der Bausektor soll insgesamt beim Höchststand seiner Emissionen bis 2025 ankommen, wie der Industrie-Verband China Building Materials Federation mitteilte. Die Ziele sollen erreicht werden, indem energiesparender produziert wird und ineffiziente Produktionskapazitäten abgebaut werden. Auch neue Innovationen sollen zur CO2-Reduktion beitragen, so der Verband, ohne Details zu nennen.

    Die chinesischen Hersteller von Baumaterialien wie Zement und Glas haben im Jahr 2020 mehr CO2-Emissionen verursacht als Japan, sagte die Klima-Analystin Liu Hongqiao auf Twitter. Der Sektor ist demnach für rund 13 Prozent der chinesischen CO2-Emissionen verantwortlich, wobei die Stahlherstellung gesondert erfasst wird und nicht zu den 13 Prozent beiträgt. “Wenn der Sektor seinen Emissionshöchststand vor 2025 oder sogar vor 2023 erreichen kann, wird dies Chinas Zeitplan für den landesweiten Emissionshöchststand noch weiter nach vorne verschieben, als das Land zugesagt hat”, so die Analystin. Der Energie- und Klimaexperte Lauri Myllyvirta bezeichnet die Ankündigung als “große Neuigkeiten”. Er sagt sogar, die Zielsetzung “dürfte massive Infrastrukturausgaben ausschließen”.

    Die Reduktion der CO2-Emissionen im Zementsektor gilt als sehr schwierige Aufgabe. Derzeit fehlt es noch an Technologien, um CO2-armen Zement herzustellen. China setzt darauf, die Zementproduktion in Zukunft mit Carbon-Capture-Technologien zu kombinieren (China.Table berichtete), sagte kürzlich Xiliang Zhang, Direktor des Instituts für Energie, Umwelt und Wirtschaft an der Tsinghua-Universität. nib

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    Presseschau

    Treffen in Usbekistan: Xi Jinpings erste Reise seit zweieinhalb Jahren führt ausgerechnet zu Putin MERKUR
    China: All eyes on Xi Jinping at Party Congress DW
    China Hints at Own Special Military Operation for Taiwan NEWSWEEK
    Französische Parlamentarier in Taiwan eingetroffen NAU
    Latest U.S. lawmaker delegation arrives in Taiwan REUTERS
    Bundestag genehmigt Reise nach Taiwan – trotz Ärger mit Taiwan T-ONLINE
    Richtungswechsel auch wegen Taiwan-Krise: China rüstet sich für den Wirtschaftskrieg mit dem Westen MERKUR
    Deutschland genehmigt weiter Ausfuhr militärisch nutzbarer Güter nach China HANDELSBLATT
    China und Australien ringen um Einfluss auf den Salomonen DIEPRESSE
    Sanktionen gegen China – Ringen um Neutralität: Die Schweiz und die China-Sanktionen SRF
    China: Außenhandel verliert an Schwung DW
    Chinesischer Handel mit Russland wächst um fast ein Drittel FAZ
    “Erhebliches Risiko für Deutschland” – Deutsche Bank-Chef wirbt für mehr Unabhängigkeit von China HANDELSBLATT
    Pentagon stops accepting F-35 jets to check for Chinese content REUTERS
    Das neue iPhone soll nicht mehr nur aus China kommen SUEDDEUTSCHE
    Chinese city to start building stalled housing projects amid mortgage boycott REUTERS
    China’s zero-Covid policy is self-defeating FT
    So Square It’s Hip: ​​Gen Z Tries on the Communist Cadre Look NYTIMES
    Chef von Hongkonger Journalisten-Gewerkschaft festgenommen WELT
    Investoren aus Asien: Ein neuer Blick auf China TAGESSCHAU
    China: 74 Tote und 250 Verletzte nach Beben in Sichuan DE

    Standpunkt

    Vorsicht vor Führerstaaten 

    Von Wolfgang Ischinger und Sebastian Turner
    Wolfgang Ischinger und Sebastian Turner über Russland und China als Führerstaaten und den Umgang mit solchen.

    Spione sollen nicht den eigenen Machtapparat verraten. Genau das aber tat der Chef der russischen Auslandsspionage Sergei Naryschkin am 23. Februar, unfreiwillig und unübersehbar. Bei einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates offenbarten seine Antworten nicht nur, wie die Vorwände des russischen Imperialismus wetterwendisch wechseln. Als Wladimir Putin seinen obersten Spion vor der Weltöffentlichkeit demütigte, verriet er: Die Russische Föderation ist ein Führerstaat geworden. Der Alleinherrscher hat absolute Macht. Er wird durch keine Öffentlichkeit, keine Partei, kein Parlament, keine Justiz, kein Kabinett oder auch nur eine Funktionärs- oder Geheimdienstclique kontrolliert – im Gegenteil, er beherrscht sie alle. Einen Tag nach Naryschkins peinlicher Offenbarung erlebte die Welt, wozu Führerstaaten fähig sind: Russland überfällt die Ukraine und tötet seitdem Tausende und terrorisiert Millionen.

    Die absolute Macht des Alleinherrschers

    Kenner Russlands konnten die Metamorphose von den dysfunktionalen postsowjetischen Jelzin-Jahren zum Putinschen Führerstaat kommen sehen. Natürlich gibt es kein Politbüro mehr, das in der alten UdSSR als Kontrollorgan den Generalsekretär der KPdSU ernannte beziehungsweise absetzte. Duma und Föderationsrat sind Claqueure, die Pressevielfalt ist fast völlig verschwunden. Auch die Wirtschaft ist Untertan, vom Schauprozess gegen Michail Chodorkowski 2005 bis zum plötzlichen Tod von Wirtschaftsvertretern, die den Ukraine-Überfall ablehnen. Auch Putins aggressive Absage an die demokratische Welt bei seinem historischen Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 wurde weder in Washington noch in Brüssel oder Berlin hinreichend ernst genommen.

    Wer von der absteigenden Weltmacht Russland auf die aufsteigende Weltmacht China blickt, wird beunruhigende Ähnlichkeiten feststellen. Der starke Mann Chinas Xi Jinping hat nahezu alle Gegenkräfte in seinem Einparteienstaat beseitigt, um sich auf dem nächsten Parteikongress ab dem 16. Oktober auf Lebenszeit wählen lassen zu können. Mehrfach wechselte er die Geheimdienstspitzen aus, das Militär hat er fest in der Hand. Er regiert persönlich in alle Organisationen von Staat, Partei und Gesellschaft hinein. Wer ihm widerspricht, landet in den Verhörkellern der Zentralen Disziplinarkommission. Auch die Wirtschaft ist an der kurzen Leine, vom Hausarrest von Jack Ma bis zu Gesetzen, die das Datensammeln zum staatlichen Monopol machen. Hierin übertrifft Xi seinen Verbündeten Putin bei Weitem. Mit Sozialpunkten und Gesichtserkennung hat Xi totalitäre Macht über jeden: Bürger, Institutionen und Hierarchien.

    Xis totalitäre Kontrolle

    Man muss Führerstaaten fürchten, weil selbst die originärsten Interessen des Landes von persönlichen Prioritäten, Visionen, Launen und Krankheiten der Nr. 1 überlagert werden können. Die Ja-Sager schaffen für den Alleinherrscher zudem eine Scheinrealität, sodass er trotz langjähriger politischer Erfahrung irrational entscheiden kann – und niemand wird ihn aufhalten.

    Schon immer gab es Alleinherrscher, die ein gesamtes Gemeinwesen unterjochen konnten. Atommächte als Ein-Führerstaaten sind aber eine neue geostrategische Herausforderung, auf die sich die Welt einstellen muss. Sie stellen gerade für Demokratien eine neue Risikoklasse dar und sollten deshalb auch so eingestuft und behandelt werden.

    Deutschland vertraute auf “Wandel durch Handel” – von der Montanunion über die Ostpolitik bis zum aktuellen Umgang mit dem China Xi Jinpings. Durch wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten politische Risiken zu reduzieren, hat sich bei Führerstaaten aber als völlig untauglich erwiesen. Gegenüber einem Führerstaat ist jede Form der Abhängigkeit prinzipiell kontraproduktiv – sie kann den Alleinherrscher sogar zu unkalkulierbarem Verhalten verführen und so strategische Verwundbarkeiten noch verstärken. Entsprechend sollten G7 und EU, angelehnt an Bonitätsratings, Länder danach einstufen, ob sie sich der Staatsform Führerstaat annähern. Mit jedem Schritt zur Alleinherrschaft sollten Maßnahmen ergriffen werden, um strategische Verwundbarkeiten zu reduzieren und das Kalkül des Alleinherrschers zu beeinflussen.

    Glaubwürdige Abschreckung gegenüber Führerstaaten

    Aus dem russischen Angriff auf die Ukraine und aus der Wirkung der aktuellen Sanktionen gegen Russland – sie verändern das strategische Verhalten der anderen Seite allenfalls mittel- und langfristig und schaden allen –  können wir lernen.

    Gegenüber Führerstaaten müssen wir statt auf Bestrafung ex post auf Prävention durch glaubwürdige Abschreckung setzen. Zu Recht schaltet die Nato jetzt in den baltischen Staaten um: Man denkt nicht mehr in Kategorien einer möglichen Rückeroberung von besetztem Territorium, sondern man stellt sich von vornherein militärisch so auf, dass niemand in Moskau mehr auf die Idee kommen kann, Angriffspläne umzusetzen. Ähnliche Fragen stellen sich jetzt im Hinblick auf Taiwan – eine mögliche Zerreißprobe für die Demokratien!

    Demokratien brauchen Unabhängigkeit von Führerstaaten und eine glaubwürdige Abschreckung. Konsequenzen müssen vorher angekündigt werden, wie bei der Nachrüstung in den 1980er-Jahren, damit sie idealerweise gar nicht erst angewandt werden müssen. Glaubwürdig sind sie aber nur, wenn die Demokratien wirklich dahinter stehen. Dazu müssen sie wissen, dass sie es mit besonders gefährlichen Ländern zu tun haben – den Führerstaaten.

    Wolfgang Ischinger ist Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz.
    Sebastian Turner ist Gründer von Table.Media und Herausgeber des China.Table.

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    Personalien

    Sandro Schmidt wechselt als Hotelier von China zurück nach Deutschland. Er wird neuer Cluster General Manager für Seetelhotels in Heringsdorf auf der Ostseeinsel Usedom. Schmidt hatte zuvor als General Manager das Maritim Hotel Taicang Garden bei Shanghai geleitet. Davor war Schmidt General Manager des Meliá Hotels International in Zhengzhou.

    Rebecca Huebler wechselt von der Unternehmensberatung BCG zu Sixt in München. Dort übernimmt sie die Rolle als Executive Director OEM Partnerships China.

    Patrick Paziener ist neuer Coordinator China and South East Asia beim Landwirtschaftsmaschinen-Hersteller Horsch. Paziener war zuvor Junior Agriculture Expert bei AFC Agriculture and Finance Consultants in Xiangshui.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Dino im Vorgarten? Fast! Das Bild zeigt einen T-Rex in einem Park in Hongkong. Die Installation ist Teil der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Gründung der Sonderverwaltungszone Hongkong, die Anfang Juli stattfand. Die Riesenechse lauert seither dort im Gebüsch.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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