wenn ein internationaler Chip-Gigant in Europa investiert, ist das eine hochwillkommene Nachricht. Das verringert Abhängigkeiten von anderen Weltgegenden, verkürzt die Liefer- und Kommunikationswege zu den Abnehmern in der Industrie und schafft wertvolle Arbeitsplätze. Nachdem Intel sich bereits bewegen ließ, Werke unter anderem in Magdeburg zu bauen, richten sich die Augen nun auf den taiwanischen Marktführer TSMC. Die EU-Kommission wirbt derzeit um so eine Investition, ebenso wie die Bundesrepublik. Hintergründe finden Sie in der Analyse von Finn Mayer-Kuckuk und Till Hoppe.
Chinas Unternehmen wiederum sind wichtige Player in der globalen Transformation hin zu mehr Klimaschutz. Die Solar-Lieferketten dominieren sie bereits und wachsen auch im Bereich der Windenergie sehr stark. Ambitioniert sind auch Chinas Pläne bei E-Autos. Waren die chinesischen E-Autobauer bislang vor alle auf dem heimischen Markt erfolgreich, hält die chinesische Führung sie nun an, auch im Ausland zu expandieren. Doch insbesondere der europäische Markt gilt als schwieriges Terrain. Das liegt am Stolz der heimischen Autobauer, aber auch an mangelnder Lade-Infrastruktur und dem Fehlen eines Vertriebsnetzes. Dem chinesischen Hersteller Xpeng könnte der Markteintritt aber dennoch gelingen, analysiert Christian Domke-Seidel.
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EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hofft auf darauf, den taiwanischen Chiphersteller TSMC zum Bau einer Fabrik in der EU zu bewegen. “Wir wären sehr froh, wenn sie sich in Europa niederlassen würden – sei es allein oder gemeinsam mit anderen”, sagte er am Donnerstag in Berlin. Der weltgrößte Auftragsfertiger sei ein “sehr wichtiger Player”.
Das TSMC-Management lotet seit vergangenem Jahr eine Investition in Europa aus. Die Kunden des Unternehmens insbesondere in der Autoindustrie drängen TSMC, auf dem Kontinent eine eigene Fabrik zu bauen. Sie leiden unter Lieferengpässen und fürchten, von der Versorgung abgeschnitten zu werden, sollte China den Nachbarn Taiwan militärisch attackieren. Ohne Halbleiter aus Taiwan stehen die Bänder der deutschen Autohersteller still.
Als mögliche Partner von TSMC in der Halbleiterindustrie werden in Industriekreisen Bosch, Infineon und NXP gehandelt. Die Bundesregierung ist eng eingebunden in die Verhandlungen, die nach Informationen aus Industriekreisen schon fortgeschritten sind. In der Chipbranche sind hohe Zuschüsse aus Steuermitteln üblich, um die Unternehmen zu einer kapitalintensiven Investition zu bewegen.
Auch ein Standort in Deutschland ist in der Diskussion. So soll es Gespräche um die Nutzung von Bauland in der Nähe von Dresden für eine TSMC-Ansiedlung geben. Andere Städte in der EU konkurrieren jedoch ebenfalls um die Ansiedlung des Top-Arbeitgebers.
Experten gehen aber davon aus, dass TSMC eine Fabrik in Europa nicht mit seiner modernen Technologie mit Strukturgrößen unter sieben Nanometern ausrüsten wird. “Wenn TSMC in Europa investiert, dann wahrscheinlich in eine Fabrik mit reiferer Technologie, die Strukturgrößen ab 18 Nanometer fertigt”, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung.
Das entspricht jedoch dem Bedarf der deutschen Abnehmer, denn Autohersteller und Zulieferer werden insbesondere von Lieferengpässe in diesen reiferen Technologiebereichen geplagt. Sie brauchen keine superschnellen Hochleistungschips wie die Hersteller von Grafikkarten, sondern kostengünstige Bauteile, die für den behäbigeren Einsatz im Auto bisher ausreichen.
Im Juli hatten ST Microelectronics und der US-Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) bereits angekündigt, mehr als fünf Milliarden Euro in ein Chip-Werk in Frankreich zu investieren, das 18-Nanometer-Halbleiter herstellen soll. Der US-Hersteller Intel will insgesamt 80 Milliarden Euro in Europa in die Hand nehmen und plant unter anderem in Werk in Magdeburg.
Knackpunkt für eine Ansiedlung von TSMC in Deutschland dürften Liefervereinbarungen, insbesondere mit den Autoherstellern und deren Zulieferern sein. “Eine Produktion in Europa wäre teurer als in Taiwan, daher würde die Fab für den lokalen Markt produzieren und bräuchte vermutlich langfristige Abnahmegarantien seiner Kunden”, sagt Kleinhans.
Die Diskussion um ein TSMC-Werk in Deutschland geht schon länger in verschiedene Richtungen. Das Unternehmen selbst äußerte sich mal so, mal so. Letztlich handelt es sich aber dem Vernehmen nach um eine Frage der Beihilfen. Der TSMC-Gründer und frühere CEO Morris Chang (Zhang Zhongmo) hält eine Herstellung auch in den USA nicht für wettbewerbsfähig. Da die Kosten immer höher sein werden als in Taiwan, sei die Ansiedlung für TSMC kein gutes Geschäft. Der Subtext der Aussage: Ohne dauerhafte Subventionen sind solche Überseestandorte nicht wirklich überlebensfähig.
TSMC baut im US-Bundesstaat Oregon Chips, die in der Produktion 50 Prozent teurer sind als die gleichen Produkte aus Taiwan. Derzeit entsteht in Arizona eine weitere, große Fabrik. Auch diese Investmententscheidung war an staatliche Förderung gebunden.
Breton will jedoch mit dem European Chips Act einen rechtlichen Rahmen schaffen, der Subventionen erleichtern und die Rahmenbedingungen in Europa verbessert. Ziel der Kommission ist es, bis 2030 den Anteil Europas an der globalen Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als zu verdoppeln (Table.Media berichtete). Breton hat dabei vor allem Mikrochips der jüngsten Generation im Sinn, mit Strukturgrößen von weniger als fünf Nanometern. TSMC ist auf dem Gebiet weltweit führend.
In der Frage der Zuschüsse haben sich die EU und die Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren weit bewegt. Noch vor wenigen Jahren wollten sie Investitionen vor allem dem Markt überlassen. Doch schon vor der Pandemie hatten Befürworter einer aktiven Industriepolitik an Einfluss gewonnen. Der Schock des Mangels erst an Masken und nun an Teilen aller Art hat hier endgültig die Weichen umspringen lassen.
Weltweit herrscht derzeit Mangel an Chips aller Art. Dadurch sind auch Produkte von Spielekonsolen über Handys bis hin zu Sportwagen knapp. Die deutsche Industrie leidet besonders darunter, zwar als Hochtechnik-Standort zu gelten, die eigentliche Hochtechnik jedoch längst nicht mehr selbst zu fertigen.
Gerade die Abhängigkeit von China und Taiwan wird hier mit Sorge gesehen. Hintergrund sind die zunehmenden Spannungen um die Insel (China.Table berichtete). China baut eine Drohkulisse gegenüber Taiwan auf, während auch die USA ihrerseits den Ton verschärft haben. Das Szenario eines bewaffneten Konflikts erscheint ungleich realer als noch vor Jahresfrist.
Ein Krieg um Taiwan hätte wirtschaftlich zwei katastrophale Effekte: Die Produktionsstätten in Taiwan würden zerstört oder wären nicht mehr an die Warenströme angebunden. Und China würde vermutlich mit Sanktionen belegt. So oder so wäre der jetzige Teilemangel trivial gegenüber den Auswirkungen eines Krieges.
Für Taiwan ist die zentrale Stellung in der Lieferkette daher einerseits eine Lebensversicherung – dass sich die USA und EU ihrer Abhängigkeit bewusst sind, motiviert zum Schutz der Insel. Andererseits will auch die dortige Industrie ihre Standorte diversifizieren, um im Fall der Katastrophe an sicherer Stelle weiterproduzieren zu können. Till Hoppe/Finn Mayer-Kuckuk
Ein fliegendes Auto und ein giftgrüner Sportwagen mit Flügeltüren stehen vor dem Xpeng-Store in Kopenhagen. Das lockt natürlich Kundschaft an. Zwar gibt es dort weder den HT Aero zu kaufen – der aussieht wie eine überdimensionierte Drohne – noch den futuristischen P7 Wing. Doch der Effekt allein reicht aus. Und natürlich die Lage: Die Verkaufsräume liegen direkt gegenüber dem Vergnügungspark Tivoli. Der zweistöckige Lego-Flagship-Store ist nur ein paar Gehminuten entfernt, genauso wie der Hauptbahnhof.
Während der Ferienzeit kamen daher rund 12.000 Besucher innerhalb eines Monats, um sich die allesamt elektrisch betriebenen Autos anzuschauen – und die erhältliche E-Limousine P7 (ohne Flügeltüren) Probe zu fahren.
Xpeng möchte nah am Kunden sein, wie ein Unternehmenssprecher gegenüber China.Table erklärt. Der Showroom sieht aus wie ein Wohnzimmer, in dem jemand zwei Autos abgestellt hat: Couch, Kaffeemaschine, Holzvertäfelung. Wer eine Probefahrt machen möchte, muss dort gut 15 Minuten warten.
Genau wie die Elektro-Konkurrenten NIO und BYD treibt Xpeng gerade seine Europapläne voran. Brian Gu, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Elektro-Startups, plant, dass zukünftig die Hälfte aller Autos außerhalb Chinas verkauft werden sollen. Eine Jahreszahl für dieses Ziel kommunizierte er allerdings nicht. Im August hat die Marke in China knapp über 9.500 Fahrzeuge verkauft. Im zweiten Quartal waren es insgesamt über 34.000 Autos – ein Plus von 98 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Und im dritten Quartal sollen es zwischen 29.000 und 31.000 Autos werden.
Die Expansionspläne – nicht nur die von Xpeng – sind auch eine Reaktion auf das Strategiepapier “Made in China 2025”. Die Regierung in Peking hat darin festgelegt, dass die zwei führenden chinesischen EV-Hersteller ab dem Jahr 2025 zehn Prozent ihrer Fahrzeuge außerhalb Chinas verkaufen sollen. Für Xpeng bedeutet das aktuell: Norwegen, Schweden, Dänemark und Holland.
Einen Start in Deutschland hat Xpeng dagegen noch nicht offiziell angekündigt. Das ist wahrscheinlich auch gut so. Denn noch fehlen dem Hersteller schlichtweg die passenden Fahrzeuge, um durchzustarten. Das einzige Auto, das es in Dänemark zu kaufen gibt, ist der oben genannte P7. Dabei handelt es sich um eine sportliche Elektro-Limousine. Das ist jedoch eine Fahrzeugklasse, die seit Jahren wegen des anhaltenden SUV-Booms – auch im Elektro-Segment – Marktanteile verliert. Sie spielt nur wegen der hohen Anteile an Firmenfahrzeugen überhaupt noch eine Rolle.
Eines der Hauptargumente für Xpeng sind die Steuern. Auf luxuriöse Autos mit Verbrennungsmotor fallen in Dänemark bis zu 150 Prozent an – zusätzlich zur Umsatzsteuer wohlgemerkt. Elektroautos sind davon befreit. So ist ein Xpeng P7 in Vollausstattung (rund 56.000 Euro) günstiger als ein leistungstechnisch vergleichbarer Audi A4. Wer jetzt das Elektroauto bestellt, kann im zweiten Quartal 2023 mit der Lieferung rechnen. Genug Zeit, um ein Servicenetzwerk aufzubauen – denn das gibt es aktuell noch gar nicht.
Für eine Revolution auf dem Automarkt sorgt der Xpeng P7 also noch nicht. Diese soll nach Vorstellungen von Xpeng dann demnächst mit dem G9 folgen. Der G9 ist ein SUV der nächsten EV-Generation – mit 800 Volt Bordnetz, das ab rund 71.000 Euro zu haben sein soll. Mit einem der eigenen Supercharger (480 kW) des Startups lässt sich innerhalb von fünf Minuten genug Strom in den Akku schießen, um rund 200 Kilometer fahren zu können.
Innerhalb von nur 24 Stunden nach seiner Präsentation hatte Xpeng in China für das Modell rund 23.000 Vorbestellungen. Das Problem ist, dass es in Europa diese Supercharger noch nicht gibt. Xpeng unterhält lediglich in China ein entsprechendes Netz.
Kürzlich geriet Xpeng etwas unter Druck. Die erwähnten Quartalszahlen ließen den Aktienkurs auf ein Allzeittief abstürzen. Analysten hatten sich schlichtweg mehr erwartet und waren vom Ausblick auf das dritte Quartal enttäuscht. Doch das ist nur eine Momentaufnahme. Denn in China gehört Xpeng zu den heimischen Top-Performern. Und letztlich geht es nicht um Quartalszahlen, sondern um mittel- und langfristige Ziele. Mit Alibaba und Foxconn stehen außerdem milliardenschwere Investoren hinter dem Projekt.
Ob das reicht, bleibt dennoch abzuwarten. Mit Lexus (Toyota) und Infiniti (Nissan) haben schon einmal asiatische Firmen versucht, den europäischen Premiumherstellern Kunden abzuluchsen – mit überschaubarem Erfolg. Lexus kam nie über die Rolle als Nischenhersteller hinaus, und Infiniti hat sich mittlerweile aus dem Markt zurückgezogen. Der Unterschied ist allerdings, dass diese Hersteller nur mehr vom Altbekannten angeboten haben.
Xpeng, Nio und BYD haben hingegen das Alleinstellungsmerkmal qualitativ hochwertiger Elektroautos. In diesem Segment hinken die europäischen Hersteller schlichtweg hinterher. Xpeng hat noch dazu den Vorteil, alles selbst entwickelt zu haben. Die Technik hinter dem autonomen Fahren, die künstliche Intelligenz und die Infrastruktur drumherum (App-Store) gehören allesamt der Marke selbst. Und somit auch die Margen, die sich in diesen Bereichen verbergen. Es ist ein vorteilhafter Ansatz, bei dem sich europäische Hersteller bisher schwertun – wie das Beispiel Cariad von Volkswagen zeigt.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Vizekanzler Robert Habeck hat sich gegen einen Einstieg des chinesischen Reederei-Riesens Cosco beim Containerterminal in Tollerort ausgesprochen. “Ich tendiere in die Richtung, dass wir das nicht erlauben”, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Container-Hafen Tollerort sei zwar nur kleiner Teil vom Gesamthafen, aber China könnte dann Einfluss auf den Handel nehmen. “Deswegen haben wir das geprüft.” Es fehle aber noch ein Beschluss des Kabinetts. “Aber in der Tat finde ich insgesamt, dass wir kritischer gegenüber chinesischen Investments in Europa sein sollten.”
Nach Informationen des Manager Magazins hat Habecks Ministerium die Entscheidung in den Oktober verschoben, bleibt aber bei seiner ablehnenden Haltung. Das Ministerium wolle genügend Zeit haben, sich zu äußern. Aus Regierungskreisen hieß es laut Reuters zuletzt, im SPD-geführten Kanzleramt gebe es anders als im Wirtschaftsministerium Vorbehalte gegen ein Verbot des Deals.
Cosco will 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Containerterminals Tollerort übernehmen, der der Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft HHLA gehört. Das hatten die HHLA und Cosco im September 2021 vereinbart. Der Hamburger Hafen hatte die Bundesregierung zuletzt gewarnt, die Cosco-Pläne zu untersagen (China.Table berichtete). “Ein Einstieg der Chinesen in die Betriebsgesellschaft wäre ein Riesengewinn für den Hafen und keine Gefahr, zumal Cosco bald die weltgrößte Reederei sein wird”, so der Vorstand der Hafen Hamburg Marketing, Axel Mattern. “Eine Absage an die Chinesen wäre eine Katastrophe nicht nur für den Hafen, sondern für Deutschland”, so Mattern in einem Hinweis auf mögliche chinesische Reaktionen. rtr/ck
Der chinesische Autobauer BYD hat Land in Thailand gekauft, um seine erste Fabrik in Südostasien zu bauen. Am Donnerstag hatte das Unternehmen einen Vertrag mit einem Entwickler in Thailand abgeschlossen, wie Bloomberg berichtet. Die Produktion in dem Werk soll demnach im Jahr 2024 starten. Die Autos sind vor allem für den regionalen Markt und den Export nach Europa gedacht.
Die Werkspläne fügen sich ein in eine Strategie, Märkte außerhalb Chinas zu erschließen. Schon Ende des Jahres will BYD erste Modelle in Thailand verkaufen. Dafür wurde ein Vertrag mit dem lokalen Händler Rever Automotive abgeschlossen. Auch Deutschland, Japan, Dänemark, Israel und Kambodscha gehören zu den Märkten, in die BYD bald vorstoßen will. nib
Die erst kürzlich abgeebbten Hitzewellen und die anhaltende Dürre haben die Aluminium-Produktion in Yunnan eingeschränkt. Die Behörden der südwestchinesischen Provinz haben die Industrie aufgefordert, ihre Produktion um zehn Prozent zu drosseln. Es fehlt schlicht an Strom aus Wasserkraft. Laut Bloomberg wird das Ende der Drosselung davon abhängen, wann es in der Provinz wieder genug regnet und sich die Stauseen hinter den Wasserkraftwerken wieder aufgefüllt haben.
Yunnan ist für 13 Prozent der chinesischen Aluminium-Produktion verantwortlich. Die Provinz hatte viele Aluminium-Produzenten angelockt, da der Strom dort besonders günstig ist.
Der lokale Strommangel wird durch den allmählich wachsenden innerchinesischen Stromhandel verschärft. Provinzen wie Yunnan und Sichuan, die reich an Wasserkraft sind, senden einen großen Teil des Stroms an Provinzen und Städte im Süden Chinas, obwohl die Industrieproduktion in beiden Provinzen den letzten Jahren stark zugenommen hat und diesen Strom inzwischen auch selbst gern nutzen würde.
Die Stromengpässe in Yunnan könnten bis zum Ende der Trockenzeit im April 2023 andauern, gibt Bloomberg eine Analyse von Mysteel wieder. Auch Analysten von S&P Global Commodity Insights warnen vor anhaltenden Stromengpässen in Yunnan. Ob es deshalb zu Engpässen bei der Aluminium-Versorgung kommen wird, ist jedoch unklar. Aufgrund der Immobilienkrise in der Volksrepublik stockt derzeit die heimische Nachfrage nach Aluminium. Analysten haben für das dritte Quartal einen Nachfrage-Anstieg vorhergesagt, erwarten Richtung Jahresende aber schon wieder eine Abschwächung. nib
Aus dem US-Außenministerium, dem “Office of the Historian”: “Chinese Communists: Short range – no change. Long range – we do not want 800.000.000 living in angry isolation. We want contact … (want) China – cooperative member of international community ….”; Richard Nixon im Januar 1969. Wer die Entwicklung verfolgt, bis zur Aufnahme der Volksrepublik China in die Vereinten Nationen (1975) oder zur Aufnahme von Beziehungen zu den USA (1979), erkennt schnell: Nie in den letzten Jahrzehnten gab es so wenig direkte Begegnung zwischen China und der Welt.
Fast drei Jahre der Corona-Pandemie haben zu enormem Stress geführt, gleich ob im menschlichen oder kulturellen, im wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Austausch. Wo man “screen to screen” kommuniziert, gehen Zwischentöne verloren, also Chancen auf besseres Verständnis, auf allmähliche Annäherung oder gar Verständigung. Der Angriff Russlands auf die Ukraine verschärft diese Entfremdung.
Die Antworten auf die sich überlagernden (und sich gegenseitig verschärfenden) Gefahren für Klima und Bio-Diversität, für Frieden und stabile Entwicklung, für Gesundheit oder den Zusammenhalt der Gesellschaften, sind zum Teil fundamental verschieden. Deutschland und Europa sollten genau hinschauen.
Dieses Jahr markiert auch den 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und China. Ministerpräsident Fumio Kishida sprach kürzlich von dem Ziel konstruktiver und stabiler Beziehungen zwischen beiden Staaten. Wie Südkorea, Australien und Neuseeland haben die Japaner die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) mit China und den ASEAN-Staaten ratifiziert. Diese größte Freihandelszone der Welt repräsentiert das wirtschaftliche und politische Interesse an gemeinsamer und stabiler Entwicklung für ein Drittel der Menschheit und auch der weltwirtschaftlichen Leistung.
Indien, Brasilien, Südafrika und China gehören zu jenen Staaten, die den Angriff Russlands auf die Ukraine für eine zuvörderst europäische Angelegenheit halten. So machen beispielsweise Unternehmen aus Indien gute Geschäfte mit dem Einkauf russischen Erdöls (gegen Rabatt) und dem Weiterverkauf der erzeugten Produkte (zu Weltmarktpreisen).
Deutschland und Europa sollten ein differenzierteres Bild von der Wirklichkeit gewinnen, auch von China. Umgekehrt gilt das auch. Bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1972 tobte in China die Kulturrevolution, zerstörte Menschen, zerriss Familien, ruinierte China in jeder Hinsicht. Die politische Lage war, gelinde gesagt, komplex. Deutschland aber nahm Beziehungen auf und leistete einen Beitrag zu konstruktiver Friedens- und Entwicklungspolitik.
Und heute: Es breitet sich der Slogan aus von der “Abhängigkeit”, der man durch “De-Coupling” begegnen könne, ja müsse. Betrachtet man die gegenseitigen Abhängigkeiten nüchtern, dann kommt das Bild von Volkswirtschaften und Gesellschaften zum Vorschein, die aufeinander angewiesen sind.
Ob medizinische Wirkstoffe (bis zu 70 Prozent aus China) oder Halbleiter, ob Vorprodukte für Maschinen- und Anlagenbau oder die Chemieindustrie, ob Seltene Erden oder anderes, für unsere Energiewende unverzichtbares Material – die Liste ließe sich beliebig verlängern, in beide Richtungen. Nie war der Handel umfangreicher, die Investitionen höher, die Forschung und Entwicklung intensiver – trotz Corona. Aber es geht ja um viel mehr als die wirtschaftlichen Vorteile einer globalen Arbeitsteilung und deren Absicherung in einem stabilen politischen Rahmen.
Die Grundlagen menschlichen Lebens sind weltweit herausgefordert. Darauf werden wir zukunftsfeste Antworten nur gemeinsam finden. Zwei Beispiele: Ohne China gibt es keine global tragfähige Antwort auf den Klimawandel. Die Ziele Chinas sind ambitioniert, bleiben aber zurück hinter den Erfordernissen und auch den technischen Möglichkeiten. Dies aber wird sich nur ändern, wenn man in Verhandlungen bessere Lösungen für alle Seiten findet.
Lieferketten müssen resilienter werden, der Bezug von Rohstoffen, Energie oder anderen Produkten diversifizierter – das richtet sich aber gegen niemanden, sondern entspricht den jeweils eigenen Interessen. In China versteht man das sofort – wie RCEP allen zuletzt vor Augen führte. Überdies: China, die USA und auch Europa haben jeweils “zu Hause” dermaßen große Herausforderungen zu meistern, da braucht niemand eine eskalierende internationale Lage.
Wo nüchterne Interessenvertretung rhetorisch aufgeladen wird, ist Eskalation nicht weit. Demokratische Gesellschaften verbinden Interessen und Haltungen. Daran kann es keine Abstriche geben. Auch das versteht man in China. Wer bei welcher Gelegenheit was sagt und seinem Gegenüber wie viel zumutet, das steht auf einem anderen Blatt. Als Hinweis: 1992 besuchte der japanische Kaiser China; es war die Zeit ausgiebigster Freundschaftsbekundungen. Akihito brachte sein “Bedauern” (!) zum Ausdruck über andere (nicht näher angesprochene) Teile der Geschichte.
Wir würden vor Empörung aufschreien, wollte ein deutsches Staatsoberhaupt sich in Polen oder Frankreich so äußern zu der Geschichte zwischen, sagen wir einmal, 1830 und 1945. Die chinesischen Gastgeber des Tenno jedoch sagten nur freundlich, dass es dieser Anmerkung nicht bedurft hätte; und genau so war es gemeint in dieser Zeit und unter den damaligen Umständen.
China muss entscheiden, ob es die Grundlagen seines Erfolges (vor allem seit dem Beitritt zur WTO) “zurückbauen” will. So kann man manches wahrnehmen aus den Entscheidungen der letzten Jahre. Ob die Politik der Reform und Öffnung so sicher fortgesetzt wird wie Yangtze und Gelber Fluss stromabwärts fließen, das muss sich zeigen.
Jedenfalls bleibt es ja nicht bei bloß wirtschaftlichen Konsequenzen der Repressionen rund um Covid – die breite Unterstützung in der chinesischen Bevölkerung des Jahres 2020 hat sich verwandelt in Frust und Zorn, in einem Maße, das auch die Führung in Peking nicht einfach ignorieren kann. Nicht zuletzt: Dass die brutalen Folgen des Ukraine-Krieges für die weltweite Nahrungsversorgung mithilfe der Vereinten Nationen und der Türkei gemildert werden konnten, ist ein gutes Zeichen – für China ist es eher eine dringende Aufforderung, wirklich aktiv und verantwortlich zu agieren.
Denn auch der Frieden ist eine weltweite Herausforderung, die ohne China nicht zukunftsfest beantwortet werden kann. Henry Kissinger wurde gefragt nach dem Pelosi-Besuch in Taiwan (der für niemanden hilfreich war); seine Hoffnung sei es, dass die USA Außenpolitik betreiben und sich dabei leiten lassen von Interessen, nicht von Innenpolitik.
Rudolf Scharping war zwischen 1998 und 2002 Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland und ist ehemaliger Bundesvorsitzender der SPD. Mit seiner Beratungsfirma RSBK unterstützt er seit über 15 Jahren Unternehmen beim Markteintritt in China.
Alexandra Stefanov hält die deutsche China-Community in Sachen Digitales auf dem Laufenden – und hilft bei Alltagsproblemen: “Viele sind überrascht, dass sie auf ihre E-Mails gar nicht so schnell eine Antwort aus China bekommen.” Stefanov weiß, woran das liegt. In der Volksrepublik läuft alles über die App WeChat. Auch um die digitale Kommunikation zu verbessern, hat die 34-Jährige das Beratungsunternehmen China-Impulse gegründet. Einige ihrer Kunden wollen nach China expandieren, andere wollen sich digitale Trends aus der Volksrepublik abschauen.
Und wer auf den chinesischen Markt will, muss seine Marketingstrategie komplett neu denken. “Es bringt nichts, einfach die Webseite auf Chinesisch zu übersetzen”, sagt Stefanov. Viel wichtiger sei es, die gängigen chinesischen Plattformen zu nutzen. Google, Facebook und LinkedIn gibt es schließlich nicht.
Stefanov fängt schon vor ihrem Abitur an, Chinesisch zu lernen. Sie studiert Sinologie in Heidelberg, Tianjin und Shanghai. Ihr fällt auf, wie wenig man sich in Deutschland mit der chinesischen Gesellschaft beschäftigt: “Sehr, sehr viele Leute hier haben von Wechat noch nie etwas gehört”. Daher die Idee für ihr Unternehmen: Deutsche Firmen brauchen Nachhilfe in Sachen China.
Deshalb beobachtet Stefanov digitale Trends aus der Volksrepublik. Und die gibt es in allen möglichen Alltagsgegebenheiten: Die Bevölkerung wird immer älter, es herrscht Personalmangel. In China übernehmen deshalb beispielsweise häufig Roboter den Service im Supermarkt. Besonders beliebt sind auch virtuelle Influencer, KI-basierte Figuren, die zum Beispiel Live-Shopping-Shows moderieren können.
“Virtuelle Influencer und Moderatoren sind in China derzeit superpopulär”, erklärt Stefanov. Man könne aber in Europa nicht alles eins zu eins übernehmen. Tiktok hat ein ähnliches Konzept nach einer Testphase in Großbritannien wieder zurückgenommen. “In diesem Bereich ist uns China um Jahre voraus”, sagt Stefanov.
Zur Wahrheit gehöre aber auch: Viele Technologien konnten sich in China so schnell entwickeln, weil lange kaum jemand Wert auf Datenschutz gelegt hat. Trotzdem glaubt Stefanov, dass sich Firmen auch bei der chinesischen Unternehmenskultur etwas abschauen können. Viele Ideen würden einfach ausprobiert. “In Deutschland lösen wir uns nur schwer von unserem Perfektionismus.” Außerdem rät sie zu langfristigen Zielen. In China sind die politisch vorgegeben. “Ich glaube, im Kleinen kann man diese Strategien auch in Unternehmen implementieren”, sagt Stefanov.
Neben ihrer Arbeit als Beraterin moderiert sie einen Podcast, sie hat ein Buch geschrieben und gibt ein Magazin heraus. Einmal im Monat erklärt sie ihren Abonnentinnen und Abonnenten die wichtigsten Neuigkeiten aus der chinesischen digitalen Welt in einem Live-Video-Call. Jana Hemmersmeier
Ulf Dewitz ist seit September Produktmanager bei der Volkswagen Group China. Der Diplom-Ingenieur arbeitet seit mehr als 20 Jahren für VW, drei Jahre davon verbrachte er als Gruppenleiter bei Front-/Heckend im FAW–Volkswagen-Werk in Changchun. Für seinen neuen Posten wechselt Dewitz von Wolfsburg nach Peking.
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wenn ein internationaler Chip-Gigant in Europa investiert, ist das eine hochwillkommene Nachricht. Das verringert Abhängigkeiten von anderen Weltgegenden, verkürzt die Liefer- und Kommunikationswege zu den Abnehmern in der Industrie und schafft wertvolle Arbeitsplätze. Nachdem Intel sich bereits bewegen ließ, Werke unter anderem in Magdeburg zu bauen, richten sich die Augen nun auf den taiwanischen Marktführer TSMC. Die EU-Kommission wirbt derzeit um so eine Investition, ebenso wie die Bundesrepublik. Hintergründe finden Sie in der Analyse von Finn Mayer-Kuckuk und Till Hoppe.
Chinas Unternehmen wiederum sind wichtige Player in der globalen Transformation hin zu mehr Klimaschutz. Die Solar-Lieferketten dominieren sie bereits und wachsen auch im Bereich der Windenergie sehr stark. Ambitioniert sind auch Chinas Pläne bei E-Autos. Waren die chinesischen E-Autobauer bislang vor alle auf dem heimischen Markt erfolgreich, hält die chinesische Führung sie nun an, auch im Ausland zu expandieren. Doch insbesondere der europäische Markt gilt als schwieriges Terrain. Das liegt am Stolz der heimischen Autobauer, aber auch an mangelnder Lade-Infrastruktur und dem Fehlen eines Vertriebsnetzes. Dem chinesischen Hersteller Xpeng könnte der Markteintritt aber dennoch gelingen, analysiert Christian Domke-Seidel.
Viel Spaß beim Lesen!
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hofft auf darauf, den taiwanischen Chiphersteller TSMC zum Bau einer Fabrik in der EU zu bewegen. “Wir wären sehr froh, wenn sie sich in Europa niederlassen würden – sei es allein oder gemeinsam mit anderen”, sagte er am Donnerstag in Berlin. Der weltgrößte Auftragsfertiger sei ein “sehr wichtiger Player”.
Das TSMC-Management lotet seit vergangenem Jahr eine Investition in Europa aus. Die Kunden des Unternehmens insbesondere in der Autoindustrie drängen TSMC, auf dem Kontinent eine eigene Fabrik zu bauen. Sie leiden unter Lieferengpässen und fürchten, von der Versorgung abgeschnitten zu werden, sollte China den Nachbarn Taiwan militärisch attackieren. Ohne Halbleiter aus Taiwan stehen die Bänder der deutschen Autohersteller still.
Als mögliche Partner von TSMC in der Halbleiterindustrie werden in Industriekreisen Bosch, Infineon und NXP gehandelt. Die Bundesregierung ist eng eingebunden in die Verhandlungen, die nach Informationen aus Industriekreisen schon fortgeschritten sind. In der Chipbranche sind hohe Zuschüsse aus Steuermitteln üblich, um die Unternehmen zu einer kapitalintensiven Investition zu bewegen.
Auch ein Standort in Deutschland ist in der Diskussion. So soll es Gespräche um die Nutzung von Bauland in der Nähe von Dresden für eine TSMC-Ansiedlung geben. Andere Städte in der EU konkurrieren jedoch ebenfalls um die Ansiedlung des Top-Arbeitgebers.
Experten gehen aber davon aus, dass TSMC eine Fabrik in Europa nicht mit seiner modernen Technologie mit Strukturgrößen unter sieben Nanometern ausrüsten wird. “Wenn TSMC in Europa investiert, dann wahrscheinlich in eine Fabrik mit reiferer Technologie, die Strukturgrößen ab 18 Nanometer fertigt”, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung.
Das entspricht jedoch dem Bedarf der deutschen Abnehmer, denn Autohersteller und Zulieferer werden insbesondere von Lieferengpässe in diesen reiferen Technologiebereichen geplagt. Sie brauchen keine superschnellen Hochleistungschips wie die Hersteller von Grafikkarten, sondern kostengünstige Bauteile, die für den behäbigeren Einsatz im Auto bisher ausreichen.
Im Juli hatten ST Microelectronics und der US-Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) bereits angekündigt, mehr als fünf Milliarden Euro in ein Chip-Werk in Frankreich zu investieren, das 18-Nanometer-Halbleiter herstellen soll. Der US-Hersteller Intel will insgesamt 80 Milliarden Euro in Europa in die Hand nehmen und plant unter anderem in Werk in Magdeburg.
Knackpunkt für eine Ansiedlung von TSMC in Deutschland dürften Liefervereinbarungen, insbesondere mit den Autoherstellern und deren Zulieferern sein. “Eine Produktion in Europa wäre teurer als in Taiwan, daher würde die Fab für den lokalen Markt produzieren und bräuchte vermutlich langfristige Abnahmegarantien seiner Kunden”, sagt Kleinhans.
Die Diskussion um ein TSMC-Werk in Deutschland geht schon länger in verschiedene Richtungen. Das Unternehmen selbst äußerte sich mal so, mal so. Letztlich handelt es sich aber dem Vernehmen nach um eine Frage der Beihilfen. Der TSMC-Gründer und frühere CEO Morris Chang (Zhang Zhongmo) hält eine Herstellung auch in den USA nicht für wettbewerbsfähig. Da die Kosten immer höher sein werden als in Taiwan, sei die Ansiedlung für TSMC kein gutes Geschäft. Der Subtext der Aussage: Ohne dauerhafte Subventionen sind solche Überseestandorte nicht wirklich überlebensfähig.
TSMC baut im US-Bundesstaat Oregon Chips, die in der Produktion 50 Prozent teurer sind als die gleichen Produkte aus Taiwan. Derzeit entsteht in Arizona eine weitere, große Fabrik. Auch diese Investmententscheidung war an staatliche Förderung gebunden.
Breton will jedoch mit dem European Chips Act einen rechtlichen Rahmen schaffen, der Subventionen erleichtern und die Rahmenbedingungen in Europa verbessert. Ziel der Kommission ist es, bis 2030 den Anteil Europas an der globalen Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als zu verdoppeln (Table.Media berichtete). Breton hat dabei vor allem Mikrochips der jüngsten Generation im Sinn, mit Strukturgrößen von weniger als fünf Nanometern. TSMC ist auf dem Gebiet weltweit führend.
In der Frage der Zuschüsse haben sich die EU und die Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren weit bewegt. Noch vor wenigen Jahren wollten sie Investitionen vor allem dem Markt überlassen. Doch schon vor der Pandemie hatten Befürworter einer aktiven Industriepolitik an Einfluss gewonnen. Der Schock des Mangels erst an Masken und nun an Teilen aller Art hat hier endgültig die Weichen umspringen lassen.
Weltweit herrscht derzeit Mangel an Chips aller Art. Dadurch sind auch Produkte von Spielekonsolen über Handys bis hin zu Sportwagen knapp. Die deutsche Industrie leidet besonders darunter, zwar als Hochtechnik-Standort zu gelten, die eigentliche Hochtechnik jedoch längst nicht mehr selbst zu fertigen.
Gerade die Abhängigkeit von China und Taiwan wird hier mit Sorge gesehen. Hintergrund sind die zunehmenden Spannungen um die Insel (China.Table berichtete). China baut eine Drohkulisse gegenüber Taiwan auf, während auch die USA ihrerseits den Ton verschärft haben. Das Szenario eines bewaffneten Konflikts erscheint ungleich realer als noch vor Jahresfrist.
Ein Krieg um Taiwan hätte wirtschaftlich zwei katastrophale Effekte: Die Produktionsstätten in Taiwan würden zerstört oder wären nicht mehr an die Warenströme angebunden. Und China würde vermutlich mit Sanktionen belegt. So oder so wäre der jetzige Teilemangel trivial gegenüber den Auswirkungen eines Krieges.
Für Taiwan ist die zentrale Stellung in der Lieferkette daher einerseits eine Lebensversicherung – dass sich die USA und EU ihrer Abhängigkeit bewusst sind, motiviert zum Schutz der Insel. Andererseits will auch die dortige Industrie ihre Standorte diversifizieren, um im Fall der Katastrophe an sicherer Stelle weiterproduzieren zu können. Till Hoppe/Finn Mayer-Kuckuk
Ein fliegendes Auto und ein giftgrüner Sportwagen mit Flügeltüren stehen vor dem Xpeng-Store in Kopenhagen. Das lockt natürlich Kundschaft an. Zwar gibt es dort weder den HT Aero zu kaufen – der aussieht wie eine überdimensionierte Drohne – noch den futuristischen P7 Wing. Doch der Effekt allein reicht aus. Und natürlich die Lage: Die Verkaufsräume liegen direkt gegenüber dem Vergnügungspark Tivoli. Der zweistöckige Lego-Flagship-Store ist nur ein paar Gehminuten entfernt, genauso wie der Hauptbahnhof.
Während der Ferienzeit kamen daher rund 12.000 Besucher innerhalb eines Monats, um sich die allesamt elektrisch betriebenen Autos anzuschauen – und die erhältliche E-Limousine P7 (ohne Flügeltüren) Probe zu fahren.
Xpeng möchte nah am Kunden sein, wie ein Unternehmenssprecher gegenüber China.Table erklärt. Der Showroom sieht aus wie ein Wohnzimmer, in dem jemand zwei Autos abgestellt hat: Couch, Kaffeemaschine, Holzvertäfelung. Wer eine Probefahrt machen möchte, muss dort gut 15 Minuten warten.
Genau wie die Elektro-Konkurrenten NIO und BYD treibt Xpeng gerade seine Europapläne voran. Brian Gu, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Elektro-Startups, plant, dass zukünftig die Hälfte aller Autos außerhalb Chinas verkauft werden sollen. Eine Jahreszahl für dieses Ziel kommunizierte er allerdings nicht. Im August hat die Marke in China knapp über 9.500 Fahrzeuge verkauft. Im zweiten Quartal waren es insgesamt über 34.000 Autos – ein Plus von 98 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Und im dritten Quartal sollen es zwischen 29.000 und 31.000 Autos werden.
Die Expansionspläne – nicht nur die von Xpeng – sind auch eine Reaktion auf das Strategiepapier “Made in China 2025”. Die Regierung in Peking hat darin festgelegt, dass die zwei führenden chinesischen EV-Hersteller ab dem Jahr 2025 zehn Prozent ihrer Fahrzeuge außerhalb Chinas verkaufen sollen. Für Xpeng bedeutet das aktuell: Norwegen, Schweden, Dänemark und Holland.
Einen Start in Deutschland hat Xpeng dagegen noch nicht offiziell angekündigt. Das ist wahrscheinlich auch gut so. Denn noch fehlen dem Hersteller schlichtweg die passenden Fahrzeuge, um durchzustarten. Das einzige Auto, das es in Dänemark zu kaufen gibt, ist der oben genannte P7. Dabei handelt es sich um eine sportliche Elektro-Limousine. Das ist jedoch eine Fahrzeugklasse, die seit Jahren wegen des anhaltenden SUV-Booms – auch im Elektro-Segment – Marktanteile verliert. Sie spielt nur wegen der hohen Anteile an Firmenfahrzeugen überhaupt noch eine Rolle.
Eines der Hauptargumente für Xpeng sind die Steuern. Auf luxuriöse Autos mit Verbrennungsmotor fallen in Dänemark bis zu 150 Prozent an – zusätzlich zur Umsatzsteuer wohlgemerkt. Elektroautos sind davon befreit. So ist ein Xpeng P7 in Vollausstattung (rund 56.000 Euro) günstiger als ein leistungstechnisch vergleichbarer Audi A4. Wer jetzt das Elektroauto bestellt, kann im zweiten Quartal 2023 mit der Lieferung rechnen. Genug Zeit, um ein Servicenetzwerk aufzubauen – denn das gibt es aktuell noch gar nicht.
Für eine Revolution auf dem Automarkt sorgt der Xpeng P7 also noch nicht. Diese soll nach Vorstellungen von Xpeng dann demnächst mit dem G9 folgen. Der G9 ist ein SUV der nächsten EV-Generation – mit 800 Volt Bordnetz, das ab rund 71.000 Euro zu haben sein soll. Mit einem der eigenen Supercharger (480 kW) des Startups lässt sich innerhalb von fünf Minuten genug Strom in den Akku schießen, um rund 200 Kilometer fahren zu können.
Innerhalb von nur 24 Stunden nach seiner Präsentation hatte Xpeng in China für das Modell rund 23.000 Vorbestellungen. Das Problem ist, dass es in Europa diese Supercharger noch nicht gibt. Xpeng unterhält lediglich in China ein entsprechendes Netz.
Kürzlich geriet Xpeng etwas unter Druck. Die erwähnten Quartalszahlen ließen den Aktienkurs auf ein Allzeittief abstürzen. Analysten hatten sich schlichtweg mehr erwartet und waren vom Ausblick auf das dritte Quartal enttäuscht. Doch das ist nur eine Momentaufnahme. Denn in China gehört Xpeng zu den heimischen Top-Performern. Und letztlich geht es nicht um Quartalszahlen, sondern um mittel- und langfristige Ziele. Mit Alibaba und Foxconn stehen außerdem milliardenschwere Investoren hinter dem Projekt.
Ob das reicht, bleibt dennoch abzuwarten. Mit Lexus (Toyota) und Infiniti (Nissan) haben schon einmal asiatische Firmen versucht, den europäischen Premiumherstellern Kunden abzuluchsen – mit überschaubarem Erfolg. Lexus kam nie über die Rolle als Nischenhersteller hinaus, und Infiniti hat sich mittlerweile aus dem Markt zurückgezogen. Der Unterschied ist allerdings, dass diese Hersteller nur mehr vom Altbekannten angeboten haben.
Xpeng, Nio und BYD haben hingegen das Alleinstellungsmerkmal qualitativ hochwertiger Elektroautos. In diesem Segment hinken die europäischen Hersteller schlichtweg hinterher. Xpeng hat noch dazu den Vorteil, alles selbst entwickelt zu haben. Die Technik hinter dem autonomen Fahren, die künstliche Intelligenz und die Infrastruktur drumherum (App-Store) gehören allesamt der Marke selbst. Und somit auch die Margen, die sich in diesen Bereichen verbergen. Es ist ein vorteilhafter Ansatz, bei dem sich europäische Hersteller bisher schwertun – wie das Beispiel Cariad von Volkswagen zeigt.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Vizekanzler Robert Habeck hat sich gegen einen Einstieg des chinesischen Reederei-Riesens Cosco beim Containerterminal in Tollerort ausgesprochen. “Ich tendiere in die Richtung, dass wir das nicht erlauben”, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Container-Hafen Tollerort sei zwar nur kleiner Teil vom Gesamthafen, aber China könnte dann Einfluss auf den Handel nehmen. “Deswegen haben wir das geprüft.” Es fehle aber noch ein Beschluss des Kabinetts. “Aber in der Tat finde ich insgesamt, dass wir kritischer gegenüber chinesischen Investments in Europa sein sollten.”
Nach Informationen des Manager Magazins hat Habecks Ministerium die Entscheidung in den Oktober verschoben, bleibt aber bei seiner ablehnenden Haltung. Das Ministerium wolle genügend Zeit haben, sich zu äußern. Aus Regierungskreisen hieß es laut Reuters zuletzt, im SPD-geführten Kanzleramt gebe es anders als im Wirtschaftsministerium Vorbehalte gegen ein Verbot des Deals.
Cosco will 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Containerterminals Tollerort übernehmen, der der Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft HHLA gehört. Das hatten die HHLA und Cosco im September 2021 vereinbart. Der Hamburger Hafen hatte die Bundesregierung zuletzt gewarnt, die Cosco-Pläne zu untersagen (China.Table berichtete). “Ein Einstieg der Chinesen in die Betriebsgesellschaft wäre ein Riesengewinn für den Hafen und keine Gefahr, zumal Cosco bald die weltgrößte Reederei sein wird”, so der Vorstand der Hafen Hamburg Marketing, Axel Mattern. “Eine Absage an die Chinesen wäre eine Katastrophe nicht nur für den Hafen, sondern für Deutschland”, so Mattern in einem Hinweis auf mögliche chinesische Reaktionen. rtr/ck
Der chinesische Autobauer BYD hat Land in Thailand gekauft, um seine erste Fabrik in Südostasien zu bauen. Am Donnerstag hatte das Unternehmen einen Vertrag mit einem Entwickler in Thailand abgeschlossen, wie Bloomberg berichtet. Die Produktion in dem Werk soll demnach im Jahr 2024 starten. Die Autos sind vor allem für den regionalen Markt und den Export nach Europa gedacht.
Die Werkspläne fügen sich ein in eine Strategie, Märkte außerhalb Chinas zu erschließen. Schon Ende des Jahres will BYD erste Modelle in Thailand verkaufen. Dafür wurde ein Vertrag mit dem lokalen Händler Rever Automotive abgeschlossen. Auch Deutschland, Japan, Dänemark, Israel und Kambodscha gehören zu den Märkten, in die BYD bald vorstoßen will. nib
Die erst kürzlich abgeebbten Hitzewellen und die anhaltende Dürre haben die Aluminium-Produktion in Yunnan eingeschränkt. Die Behörden der südwestchinesischen Provinz haben die Industrie aufgefordert, ihre Produktion um zehn Prozent zu drosseln. Es fehlt schlicht an Strom aus Wasserkraft. Laut Bloomberg wird das Ende der Drosselung davon abhängen, wann es in der Provinz wieder genug regnet und sich die Stauseen hinter den Wasserkraftwerken wieder aufgefüllt haben.
Yunnan ist für 13 Prozent der chinesischen Aluminium-Produktion verantwortlich. Die Provinz hatte viele Aluminium-Produzenten angelockt, da der Strom dort besonders günstig ist.
Der lokale Strommangel wird durch den allmählich wachsenden innerchinesischen Stromhandel verschärft. Provinzen wie Yunnan und Sichuan, die reich an Wasserkraft sind, senden einen großen Teil des Stroms an Provinzen und Städte im Süden Chinas, obwohl die Industrieproduktion in beiden Provinzen den letzten Jahren stark zugenommen hat und diesen Strom inzwischen auch selbst gern nutzen würde.
Die Stromengpässe in Yunnan könnten bis zum Ende der Trockenzeit im April 2023 andauern, gibt Bloomberg eine Analyse von Mysteel wieder. Auch Analysten von S&P Global Commodity Insights warnen vor anhaltenden Stromengpässen in Yunnan. Ob es deshalb zu Engpässen bei der Aluminium-Versorgung kommen wird, ist jedoch unklar. Aufgrund der Immobilienkrise in der Volksrepublik stockt derzeit die heimische Nachfrage nach Aluminium. Analysten haben für das dritte Quartal einen Nachfrage-Anstieg vorhergesagt, erwarten Richtung Jahresende aber schon wieder eine Abschwächung. nib
Aus dem US-Außenministerium, dem “Office of the Historian”: “Chinese Communists: Short range – no change. Long range – we do not want 800.000.000 living in angry isolation. We want contact … (want) China – cooperative member of international community ….”; Richard Nixon im Januar 1969. Wer die Entwicklung verfolgt, bis zur Aufnahme der Volksrepublik China in die Vereinten Nationen (1975) oder zur Aufnahme von Beziehungen zu den USA (1979), erkennt schnell: Nie in den letzten Jahrzehnten gab es so wenig direkte Begegnung zwischen China und der Welt.
Fast drei Jahre der Corona-Pandemie haben zu enormem Stress geführt, gleich ob im menschlichen oder kulturellen, im wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Austausch. Wo man “screen to screen” kommuniziert, gehen Zwischentöne verloren, also Chancen auf besseres Verständnis, auf allmähliche Annäherung oder gar Verständigung. Der Angriff Russlands auf die Ukraine verschärft diese Entfremdung.
Die Antworten auf die sich überlagernden (und sich gegenseitig verschärfenden) Gefahren für Klima und Bio-Diversität, für Frieden und stabile Entwicklung, für Gesundheit oder den Zusammenhalt der Gesellschaften, sind zum Teil fundamental verschieden. Deutschland und Europa sollten genau hinschauen.
Dieses Jahr markiert auch den 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und China. Ministerpräsident Fumio Kishida sprach kürzlich von dem Ziel konstruktiver und stabiler Beziehungen zwischen beiden Staaten. Wie Südkorea, Australien und Neuseeland haben die Japaner die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) mit China und den ASEAN-Staaten ratifiziert. Diese größte Freihandelszone der Welt repräsentiert das wirtschaftliche und politische Interesse an gemeinsamer und stabiler Entwicklung für ein Drittel der Menschheit und auch der weltwirtschaftlichen Leistung.
Indien, Brasilien, Südafrika und China gehören zu jenen Staaten, die den Angriff Russlands auf die Ukraine für eine zuvörderst europäische Angelegenheit halten. So machen beispielsweise Unternehmen aus Indien gute Geschäfte mit dem Einkauf russischen Erdöls (gegen Rabatt) und dem Weiterverkauf der erzeugten Produkte (zu Weltmarktpreisen).
Deutschland und Europa sollten ein differenzierteres Bild von der Wirklichkeit gewinnen, auch von China. Umgekehrt gilt das auch. Bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1972 tobte in China die Kulturrevolution, zerstörte Menschen, zerriss Familien, ruinierte China in jeder Hinsicht. Die politische Lage war, gelinde gesagt, komplex. Deutschland aber nahm Beziehungen auf und leistete einen Beitrag zu konstruktiver Friedens- und Entwicklungspolitik.
Und heute: Es breitet sich der Slogan aus von der “Abhängigkeit”, der man durch “De-Coupling” begegnen könne, ja müsse. Betrachtet man die gegenseitigen Abhängigkeiten nüchtern, dann kommt das Bild von Volkswirtschaften und Gesellschaften zum Vorschein, die aufeinander angewiesen sind.
Ob medizinische Wirkstoffe (bis zu 70 Prozent aus China) oder Halbleiter, ob Vorprodukte für Maschinen- und Anlagenbau oder die Chemieindustrie, ob Seltene Erden oder anderes, für unsere Energiewende unverzichtbares Material – die Liste ließe sich beliebig verlängern, in beide Richtungen. Nie war der Handel umfangreicher, die Investitionen höher, die Forschung und Entwicklung intensiver – trotz Corona. Aber es geht ja um viel mehr als die wirtschaftlichen Vorteile einer globalen Arbeitsteilung und deren Absicherung in einem stabilen politischen Rahmen.
Die Grundlagen menschlichen Lebens sind weltweit herausgefordert. Darauf werden wir zukunftsfeste Antworten nur gemeinsam finden. Zwei Beispiele: Ohne China gibt es keine global tragfähige Antwort auf den Klimawandel. Die Ziele Chinas sind ambitioniert, bleiben aber zurück hinter den Erfordernissen und auch den technischen Möglichkeiten. Dies aber wird sich nur ändern, wenn man in Verhandlungen bessere Lösungen für alle Seiten findet.
Lieferketten müssen resilienter werden, der Bezug von Rohstoffen, Energie oder anderen Produkten diversifizierter – das richtet sich aber gegen niemanden, sondern entspricht den jeweils eigenen Interessen. In China versteht man das sofort – wie RCEP allen zuletzt vor Augen führte. Überdies: China, die USA und auch Europa haben jeweils “zu Hause” dermaßen große Herausforderungen zu meistern, da braucht niemand eine eskalierende internationale Lage.
Wo nüchterne Interessenvertretung rhetorisch aufgeladen wird, ist Eskalation nicht weit. Demokratische Gesellschaften verbinden Interessen und Haltungen. Daran kann es keine Abstriche geben. Auch das versteht man in China. Wer bei welcher Gelegenheit was sagt und seinem Gegenüber wie viel zumutet, das steht auf einem anderen Blatt. Als Hinweis: 1992 besuchte der japanische Kaiser China; es war die Zeit ausgiebigster Freundschaftsbekundungen. Akihito brachte sein “Bedauern” (!) zum Ausdruck über andere (nicht näher angesprochene) Teile der Geschichte.
Wir würden vor Empörung aufschreien, wollte ein deutsches Staatsoberhaupt sich in Polen oder Frankreich so äußern zu der Geschichte zwischen, sagen wir einmal, 1830 und 1945. Die chinesischen Gastgeber des Tenno jedoch sagten nur freundlich, dass es dieser Anmerkung nicht bedurft hätte; und genau so war es gemeint in dieser Zeit und unter den damaligen Umständen.
China muss entscheiden, ob es die Grundlagen seines Erfolges (vor allem seit dem Beitritt zur WTO) “zurückbauen” will. So kann man manches wahrnehmen aus den Entscheidungen der letzten Jahre. Ob die Politik der Reform und Öffnung so sicher fortgesetzt wird wie Yangtze und Gelber Fluss stromabwärts fließen, das muss sich zeigen.
Jedenfalls bleibt es ja nicht bei bloß wirtschaftlichen Konsequenzen der Repressionen rund um Covid – die breite Unterstützung in der chinesischen Bevölkerung des Jahres 2020 hat sich verwandelt in Frust und Zorn, in einem Maße, das auch die Führung in Peking nicht einfach ignorieren kann. Nicht zuletzt: Dass die brutalen Folgen des Ukraine-Krieges für die weltweite Nahrungsversorgung mithilfe der Vereinten Nationen und der Türkei gemildert werden konnten, ist ein gutes Zeichen – für China ist es eher eine dringende Aufforderung, wirklich aktiv und verantwortlich zu agieren.
Denn auch der Frieden ist eine weltweite Herausforderung, die ohne China nicht zukunftsfest beantwortet werden kann. Henry Kissinger wurde gefragt nach dem Pelosi-Besuch in Taiwan (der für niemanden hilfreich war); seine Hoffnung sei es, dass die USA Außenpolitik betreiben und sich dabei leiten lassen von Interessen, nicht von Innenpolitik.
Rudolf Scharping war zwischen 1998 und 2002 Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland und ist ehemaliger Bundesvorsitzender der SPD. Mit seiner Beratungsfirma RSBK unterstützt er seit über 15 Jahren Unternehmen beim Markteintritt in China.
Alexandra Stefanov hält die deutsche China-Community in Sachen Digitales auf dem Laufenden – und hilft bei Alltagsproblemen: “Viele sind überrascht, dass sie auf ihre E-Mails gar nicht so schnell eine Antwort aus China bekommen.” Stefanov weiß, woran das liegt. In der Volksrepublik läuft alles über die App WeChat. Auch um die digitale Kommunikation zu verbessern, hat die 34-Jährige das Beratungsunternehmen China-Impulse gegründet. Einige ihrer Kunden wollen nach China expandieren, andere wollen sich digitale Trends aus der Volksrepublik abschauen.
Und wer auf den chinesischen Markt will, muss seine Marketingstrategie komplett neu denken. “Es bringt nichts, einfach die Webseite auf Chinesisch zu übersetzen”, sagt Stefanov. Viel wichtiger sei es, die gängigen chinesischen Plattformen zu nutzen. Google, Facebook und LinkedIn gibt es schließlich nicht.
Stefanov fängt schon vor ihrem Abitur an, Chinesisch zu lernen. Sie studiert Sinologie in Heidelberg, Tianjin und Shanghai. Ihr fällt auf, wie wenig man sich in Deutschland mit der chinesischen Gesellschaft beschäftigt: “Sehr, sehr viele Leute hier haben von Wechat noch nie etwas gehört”. Daher die Idee für ihr Unternehmen: Deutsche Firmen brauchen Nachhilfe in Sachen China.
Deshalb beobachtet Stefanov digitale Trends aus der Volksrepublik. Und die gibt es in allen möglichen Alltagsgegebenheiten: Die Bevölkerung wird immer älter, es herrscht Personalmangel. In China übernehmen deshalb beispielsweise häufig Roboter den Service im Supermarkt. Besonders beliebt sind auch virtuelle Influencer, KI-basierte Figuren, die zum Beispiel Live-Shopping-Shows moderieren können.
“Virtuelle Influencer und Moderatoren sind in China derzeit superpopulär”, erklärt Stefanov. Man könne aber in Europa nicht alles eins zu eins übernehmen. Tiktok hat ein ähnliches Konzept nach einer Testphase in Großbritannien wieder zurückgenommen. “In diesem Bereich ist uns China um Jahre voraus”, sagt Stefanov.
Zur Wahrheit gehöre aber auch: Viele Technologien konnten sich in China so schnell entwickeln, weil lange kaum jemand Wert auf Datenschutz gelegt hat. Trotzdem glaubt Stefanov, dass sich Firmen auch bei der chinesischen Unternehmenskultur etwas abschauen können. Viele Ideen würden einfach ausprobiert. “In Deutschland lösen wir uns nur schwer von unserem Perfektionismus.” Außerdem rät sie zu langfristigen Zielen. In China sind die politisch vorgegeben. “Ich glaube, im Kleinen kann man diese Strategien auch in Unternehmen implementieren”, sagt Stefanov.
Neben ihrer Arbeit als Beraterin moderiert sie einen Podcast, sie hat ein Buch geschrieben und gibt ein Magazin heraus. Einmal im Monat erklärt sie ihren Abonnentinnen und Abonnenten die wichtigsten Neuigkeiten aus der chinesischen digitalen Welt in einem Live-Video-Call. Jana Hemmersmeier
Ulf Dewitz ist seit September Produktmanager bei der Volkswagen Group China. Der Diplom-Ingenieur arbeitet seit mehr als 20 Jahren für VW, drei Jahre davon verbrachte er als Gruppenleiter bei Front-/Heckend im FAW–Volkswagen-Werk in Changchun. Für seinen neuen Posten wechselt Dewitz von Wolfsburg nach Peking.
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