Table.Briefing: China

Stefan Bratzel im Interview + E-Auto-Hersteller Seres

  • Interview: Stefan Bratzel über Chinas Automarkt
  • Seres plant Markteintritt in Deutschland – ohne Huawei
  • VW erleidet Absatzeinbruch
  • BMW verkauft so viele Autos wie nie zuvor
  • Unfalldatenschreiber wird für Autos Pflicht
  • Thorsten Benner zu Eigentoren deutscher CEOS
  • Im Portrait: Johannes Vogel – FDP-Politiker mit China-Fokus
  • Personalien: Zhang Yang wird CEO von Aiways

Liebe Leserin, lieber Leser,

neues Jahr, neues Glück – könnte man meinen. Doch für die deutschen Autohersteller wird auch 2022 alles andere als leicht. In China ist die heimische Konkurrenz durch Newcomer wie Nio und Xpeng mittlerweile stärker und zahlreicher als in Europa, sagt Auto-Experte Stefan Bratzel. Er hat einige Schwachstellen ausgemacht: Bei der Software hinken die deutschen Autobauer hinterher und bei den Lieferketten sollten sie sich in Corona-Zeiten flexibler aufstellen. Insgesamt sollten die deutschen Hersteller ihre hohe Abhängigkeit von China hinterfragen, rät der Branchenkenner vom Center of Automotive Management. Denn Handelsstreitigkeiten und Fragen zu Menschenrechten können sich schnell auch auf das Milliardengeschäft der deutschen Autoindustrie auswirken.

Während Volkswagen von den verschiedenen Krisen stark getroffen ist, zieht BMW davon. Der Grund: Das Unternehmen aus München hat genug Chips zur Verfügung und offenbar auch die passenderen Produkte für China. Die Auswirkungen sind spektakulär und weltweit zu spüren. Während der globale VW-Absatz auf den Stand von vor zehn Jahren zurückgefallen ist, hat BMW die Top-Position unter den Premiumanbietern souverän verteidigt.

Ist der Netzwerkhersteller und Elektroriese Huawei unter die Autohersteller gegangen? Wir klären die Frage in unserem Portrait des chinesischen Unternehmens Seres, dem Kooperationspartner von Huawei. Der Elektroauto-Spezialist hat eine bewegte Firmengeschichte hinter sich, an der auch deutsche Manager mitgewirkt haben.

Viel Spaß beim Lesen!

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

“Abhängigkeit von China hinterfragen”

Stefan Bratzel im Interview über die Abhängigkeiten der deutschen Autoindustrie von China.
Stefan Bratzel leitet das Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach

Herr Bratzel, die Pandemie, Chipmangel, Lieferengpässe, die deutsche Automobilindustrie hatte 2021 wahrlich kein leichtes Jahr. Wird 2022 besser?

Stefan Bratzel: Die Branche befindet sich im größten Umbruch ihrer Geschichte – und zusätzlich zu dieser Transformation kommen nun die verschiedenen Krisen hinzu. Ich gehe davon aus, dass die Chip-Krise auch 2022 anhalten und eine Belastung für die Autobranche bleiben wird. Wahrscheinlich wird es ab Frühjahr eine leichte Entspannung geben. Das Thema dürfte aber das ganze Jahr über auf der Agenda bleiben. Das Drama spielt sich vor dem Hintergrund der großen technologischen Veränderungen ab: Elektromobilität, Vernetzung, autonomes Fahren. Für alle diese Themen sind Chips fundamental.

Wie lässt sich das Chip-Problem lösen?

Die Autohersteller versuchen, ihre Technik flexibler zu machen, um auf unterschiedliche Hersteller ausweichen zu können. Vor allem aber treten die Autobauer mit den Herstellern direkt in Kontakt, um sich Chargen zu sichern und auf die Hersteller einzuwirken, die Kapazitäten auszuweiten. Aber das dauert ein, zwei Jahre, bis die Fabriken entsprechend erweitert sind. Zudem sind nicht alle Chip-Hersteller dazu bereit. Für sie ist eine hohe Auslastung ganz zentral. Wenn sie nicht bei über 70 oder 80 Prozent liegt, schreiben sie keine schwarzen Zahlen mehr und befürchten ein Überangebot. Sie investieren also nicht wild in die Zukunft, weil sie sonst ihr eigenes Geschäft kaputt machen.

Wäre es nicht sinnvoll, wenn die deutsche Autobranche selbst stärker in die Chip-Entwicklung einsteigen würde?

Ja, das ist teilweise auch schon der Fall. Längst sind es nicht nur Hersteller wie Apple, die eigene Chips entwickeln. Tesla ist in der Entwicklung schon sehr involviert. Ich habe erst vor Kurzem mit dem Entwicklungschef von Daimler gesprochen. Dieser bestätigte, dass auch sein Unternehmen in die Chip-Entwicklung geht und die Software-Entwicklung zum großen Teil selbst übernehmen will. Die Einsicht ist also da, dass Software in allen Bereichen wichtiger geworden ist. Das wird allerdings nicht jeder hinbekommen, sondern nur die Hersteller, die in diesem Bereich bereits eine gewisse Kompetenz erworben haben.

Welche Autokonzerne meinen Sie konkret?

Herstellern wie Daimler oder BMW traue ich das zu. Auch Volkswagen hat sich dem Thema Software als Kernstrategie angenommen. Aber ob VW das so schnell hinbekommen wird – da bin ich ein bisschen skeptisch. Bei BMW und Daimler bin ich optimistischer.

Bei der Entwicklung der E-Mobilität hinken doch eher Daimler und BMW hinterher und VW gilt als fortschrittlich?

Das muss man differenziert betrachten. Tatsächlich setzt Volkswagen seit dem Dieselskandal intensiv auf E-Mobilität. Im Vergleich dazu hinkt Daimler hinterher. Inzwischen holt Daimler aber auf. BMW hatte bei der Elektromobilität eine Weile eine Vorreiterrolle, dann legten die Münchner eine Pause ein, sind jetzt aber wieder stark im Kommen.

Nicht zuletzt, weil China die Pandemie vor anderthalb Jahren rasch in den Griff bekam, liefen die Geschäfte für die deutschen Autobauer verhältnismäßig gut. Doch mit Omikron geht es auch dort wieder los und Chinas Führung setzt radikal auf Lockdowns ganzer Millionenstädte. Was wird das für die Autobranche bedeuten?

Die Auswirkungen auf Lieferketten sind schwer kalkulierbar. Es hängt immer davon ab, wo gerade ein Ausbruch stattfindet. Wenn dies in einer Stadt oder bei einem Zulieferer passiert, der von heute auf morgen dicht machen muss – und das kann bei der strengen chinesischen Corona-Politik leicht passieren – bringt das natürlich schnell die Lieferketten in Gefahr. Inzwischen weiß man, dass Chinas Impfstoff bislang nur schlecht vor der Omikron-Variante schützt. Die Gefahr von Lockdowns ganzer Regionen ist also durchaus vorhanden. Akut lässt sich da gar nicht viel machen. Mittelfristig sollten sich die Unternehmer bei den Lieferketten flexibler aufstellen. Das ist jedoch leichter gesagt als getan in dieser Anlagen-basierten Industrie in Zeiten von stark gestiegenen Fixkosten.

VW mit seinen über zwei Dutzend Werken in der Volksrepublik steht also vor einem großen Problem, sollte die Pandemie auch in China wieder ausbrechen.

Ja, denn wer wie Volkswagen 40 Prozent seines globalen Absatzes in China macht, muss per se genau schauen, was dort gerade passiert. Hinzu kommt das bereits erwähnte Thema Elektromobilität. Beim Verbrennungsmotor ist VW in China weiter führend, nicht aber bei E-Autos. In dem Bereich ist der Wettbewerb ein ganz anderer. Insbesondere chinesische Anbieter im Low-Cost-Bereich sind sehr stark in China. VW kann da bislang nicht mithalten. Das sind schon große Herausforderungen für den neuen China-Chef von Volkswagen, Ralf Brandstätter.

Ist die chinesische Konkurrenz technisch denn wirklich so viel besser?

Einige chinesische Newcomer wie Nio oder Xpeng profitieren vom Greenfield-Ansatz, also dem kompletten Neuanfang. Sie müssen nicht umständlich einen Umstrukturierungsprozess durchlaufen. Hinzu kommen Player wie BYD, die schon lange das Thema Elektromobilität in ihrer Wertschöpfungskette haben. Dann gibt es beispielsweise auch die Marke Wuling, ein Joint Venture von GM mit SAIC, die sehr stark ist. Und Tesla ist mit einem eigenen Werk in China auch bereits gut vertreten. Es gibt für die deutschen Autobauer also sehr viel mehr Konkurrenz in China als derzeit in Europa.

Der Auftakt seiner ID-Elektromodelle lief für VW nicht wie erhofft. Müsste sich VW in China nicht anders aufstellen, vielleicht mit der chinesischen Konkurrenz zusammenarbeiten?

Die Grundsatz-Strategie ist schon richtig. Mit dem Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) hat VW eine starke Plattform. Für China hat VW ein bisschen spät angefangen. Volkswagen ist daher nach wie vor nicht in allen Segmenten aktiv. Insbesondere im niedrigen Segment hat VW noch nichts im Angebot.

Bisher haben die deutschen Hersteller in China vor allem auch im hochpreisigen Segment gepunktet. Vielleicht wollen sie gar nicht das Billig-Segment abdecken.

Für die Premium-Anbieter Audi, Mercedes und BMW mag das zutreffen. VW ist zwar auch kein Low-Cost-Anbieter, aber schon auf breiteren Segmenten unterwegs. Und in den Bereichen muss VW aufpassen, keine Marktanteile zu verlieren. Insbesondere im Software-Bereich hinken die deutschen Hersteller zur chinesischen Konkurrenz hinterher. Die Autohersteller müssen bei E-Autos zudem den Batterie-Bereich gut im Griff haben. Auch da sind chinesische Hersteller, allen voran BYD – ursprünglich ein reiner Batterie-Hersteller – klar voraus.

Mittlerweile sind chinesische E-Autobauer auch in Europa auf dem Vormarsch. Mehrere chinesische Anbieter planen 2022 ihren Markteintritt. Wie schätzen Sie deren Erfolgschancen ein?

Ja, chinesische Autobauer wollen auch global vertreten sein, übrigens gedeckt durch die chinesische Regierung. Klar ist aber auch: Für die chinesischen E-Autohersteller wird es kein Selbstläufer sein, in Europa Fuß zu fassen. Denn sie müssen die europäischen Geschmäcker treffen. Das war bei vergangenen Versuchen nicht gelungen. Die Welle, die jetzt kommt, hat größere Chancen. Ich rechne fest damit, dass der eine oder andere hier erfolgreich sein wird. Mit Geely-Volvo haben wir ja auch schon einen europäischen Hersteller mit chinesischer Mutter. Die Autos verkaufen sich entsprechend gut.

Zugleich nehmen die politischen Spannungen auch zwischen China und der neuen Bundesregierung zu. Inwiefern wird sich diese Entwicklung aufs Autogeschäft auswirken?

Das ist keine plötzliche Neuentwicklung. Chinas geopolitische Ambitionen stellen schon seit einigen Jahren eine Bedrohung dar – auch für das Autogeschäft. Natürlich ist China auch auf Europa angewiesen. China will aber Weltmacht werden und die Autoindustrie ist ein Faustpfand. Und wenn die politischen Konflikte eskalieren, kann das zu großen handelspolitischen Verwerfungen führen, die auch die Autoindustrie massiv in Mitleidenschaft ziehen. Diese Verwundbarkeit ist ein großes Problem.

Die deutschen Autobauer haben auch hunderttausende Arbeitsplätze in China geschaffen. Beruht die Abhängigkeit nicht auf Gegenseitigkeit?

Im Zweifel überwiegen trotz des langjährigen deutschen Engagements der Nationalstolz und die politischen Ambitionen.

Was kann die Autobranche tun?

Das wird für die deutschen Autobauer wirklich schwierig. Das haben wir schon mit Volkswagen und den Uiguren gesehen: Wenn die chinesische Regierung etwas will, müssen die Autohersteller reagieren. Ich denke, bei solchen Fragen sollte sich künftig auch die Bundesregierung stärker einschalten. Die Konzerne können das nicht mehr aus eigener Kraft verhandeln. Zugleich sollten die Autohersteller ihre Marktposition mehr ausbalancieren und nicht zu sehr auf einen einzelnen Markt setzen. Die hohe Abhängigkeit von China sollten sie hinterfragen.

Stefan Bratzel ist Direktor des “Center of Automotive Management” der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Er erforscht insbesondere die Erfolgs- und Überlebensbedingungen von Fahrzeugherstellern.

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    • Autoindustrie
    • Chips

    Huawei-Partner Seres bringt seine Pkw nach Deutschland

    Das Seres Auto Aito M5 soll mit Technologie von Huawei in Deutschland auf den Markt kommen.
    Der Aito M5 – identisch mit dem SF5 und dem Seres 5

    Um den Autohersteller Seres herrscht derzeit etwas Verwirrung – und zwar, seit das Unternehmen als Partner des Elektrokonzerns Huawei auftritt. Identische Produkte tauchen unter verschiedenen Namen auf. Und auch zur Herkunft des Unternehmens gibt es unterschiedliche Angaben. Hier sind die wichtigsten Fakten:

    • Der Firmensitz einer Tochtergesellschaft von Seres liegt in Kalifornien, doch es handelt sich um ein chinesisches Unternehmen. Seres ist eine Tochter der Chongqing Sokon Industry Group, auch genannt Xiaokang (小康).
    • Seres ist weder Teil des Huawei-Konzerns noch ein Auftragsfertiger für Huawei. Dieser Eindruck hatte sich allerdings so sehr verfestigt, dass Huawei selbst eine Klarstellung veröffentlicht hat.
    • Der Aito M5, den Huawei bei einer Produktvorstellung präsentiert hat (China.Table berichtete) ist in vielen Punkten identisch mit dem Seres SF5.

    Die widersprüchlichen Berichte zu dem Unternehmen haben mit der Firmengeschichte zu tun, die viele Brüche erlebt hat – und jetzt dank Huawei doch noch eine glückliche Wendung nimmt. Mit großen Plänen war Seres im Jahr 2016 ins Silicon Valley aufgebrochen. Damals hieß das Unternehmen noch SF Motors. Der Elektroautomarkt sollte aufgerollt werden. Dafür gewann die Firma sogar Martin Eberhard, den Mitbegründer und ehemaligen CEO von Tesla, als Berater für die strategische Ausrichtung.

    Unter Eberhard kaufte Seres im Jahr 2017 das EV- und Batterietechnologieunternehmen InEVit für 33 Millionen Dollar (ein Kunstwort aus ‘Electric Vehicle’ und dem englischen Wort ‘inevitable’, also ‘unvermeidlich’). Schon 2016 hatte Seres für 160 Millionen Dollar die Produktionsanlagen von AM General erworben – die Fabrik, die für die Produktion des berühmt-berüchtigten Hummer zuständig war.

    Große Ankündigungen – und ebenso große Enttäuschung

    Eberhard stieg zum Chief Innovation Officer auf. Heiner Fees, der Gründer von InEVit, wurde in das Innovationsteam berufen. Geld war da, ebenso wie Erfahrung im Fahrzeuggeschäft. Seres ist schließlich eine Schwestergesellschaft von Dongfeng Sokon Automobile (DFSK). Das ist eine der größten chinesischen Automarken.

    Im Jahr 2018 präsentierte Seres dann die Prototypen SF5 und SF7: Premium-Elektro-SUV mit Protz-Leistungen von rund 1.000 PS. Etwa 50.000 Stück sollten in den USA gebaut und verkauft werden, noch einmal 150.000 in der Volksrepublik. Die ambitionierten Pläne motivierten sogar Elon Musk dazu, sich auf Twitter mit Präsident Trump anzulegen. Musk wies den streitlustigen Präsidenten darauf hin, dass chinesische Autohersteller bereits mehrere hundertprozentige Töchter in den USA betreiben – darunter SF Motors.

    Doch schnell wurde klar, dass Seres die vollmundigen Versprechungen gar nicht einhalten kann. Fees verließ nach nur vier Monaten das Unternehmen wieder und die andauernden Handelskonflikte veranlassten Seres dazu, die Produktion in den USA komplett einzustellen.

    Marktauftritt in Deutschland unter abweichendem Namen

    In China ist seit November 2020 der Seres 3 erhältlich. Ein Kompakt-SUV, das sich die Plattform mit dem Fengon 500 teilt. Auch der SF5 schaffte es im April 2021 nach China. Bis einschließlich November wurden aber gerade einmal 7.080 Stück verkauft. Überarbeitet und mit dem Huawei Betriebssystem Harmony OS ausgestattet, soll er jetzt als Aito M5 doch noch Karriere machen.

    Auch in Deutschland. Der Importeur Indimo möchte den Wagen ab dem zweiten Quartal 2022 im Angebot haben. Wenn auch unter dem Namen Seres 5. Eigentlich hatten Huawei und Seres die Marke Aito gegründet, doch die Umstellung will das deutsche Unternehmen erst einmal nicht mitgehen. Ohnehin ist Indimo vorsichtig. Nur vier Stück hat das Unternehmen geordert, um sich das Modell erst einmal anzuschauen.

    Das Fahrzeug ist in der Volksrepublik mit Range-Extender zu haben. Das bedeutet: Es fährt eigentlich mit einem Elektromotor, hat jedoch einen mit Benzin betriebenen Generator an Bord, mit dem sich Strom nachproduzieren lässt. In Deutschland wird es dagegen nur die rein elektrische Variante geben. Denn es ist völlig unklar, wie hoch der CO2-Ausstoß des chinesischen Vierzylinders ist und ob es dafür eine Zulassung gibt.

    Viel PS, hoher Preis, winzige Stückzahl

    Auf dem deutschen Markt wird es den Aito M5 (oder Seres 5 oder SF5) daher nur als reines Elektro-SUV geben. An der Vorder- und Hinterachse werde jeweils ein Elektromotor mit rund 340 PS arbeiten, gibt Indimo im Gespräch mit China.Table an. Mindestens 50.000, eher 60.000 Euro werden für das Paket fällig. Zu den genauen Leistungsdaten und der Reichweite möchte der Importeur erst Angaben machen, wenn der Wagen in Deutschland angekommen ist. Dreiphasiges Laden und ein 400-Volt-Bordnetz sind allerdings Standard.

    Mit dem Aito M5 geht Huawei beim Automobilbau in die Offensive. Wegen der US-Sanktionen ist dem Elektronikkonzern der Smartphone-Absatz eingebrochen. Die Verluste sollen jetzt mit dem Einstieg in den Automobilsektor wettgemacht werden. Hintergrund ist, dass vernetzte Autos, Mobilitätsanwendungen und autonomes Fahren als Wachstumsbranche gelten. Die dafür benötigten Chips sind aber nicht so komplex wie die, die für Smartphones benötigt werden. Den Bedarf könnte Huawei auch ohne amerikanische Zulieferer decken.

    Huawei wird zur Spinne im Netz der Auto-Partner

    Im Jahr 2021 formte Huawei das “5G Automotive Ecosystem”. Dafür hat der Konzern Vereinbarungen mit insgesamt 18 Autoherstellern getroffen, die künftig das System Huawei HiCar in ihren Autos anbieten werden. Darunter befinden sich auch Größen wie Great Wall Motor, Geely, Changan Automobile, BAIC Group, SAIC Motor und die GAC Group. Die Software kann auch in älteren Modellen installiert werden. BYD war im Februar 2021 der erste Hersteller, der ein Fahrzeug mit dem Huawei-Screen zeigte.

    Besonderen Fokus legt Huawei bei seiner Zusammenarbeit auf das autonome Fahren. Die Marke Arcfox präsentierte beispielsweise die Kombilimousine Alpha-S. Der Wagen ist mit Huawei-Technik ausgestattet und soll streckenweise bereits autonomes Fahren auf Level drei (L3) beherrschen. Das würde es dem Fahrer erlauben, sich während der Fahrt tatsächlich anderen Dingen zu widmen. Mit dem Great Sage X-1 von Jetour steht bereits das nächste Elektro-SUV mit umfangreicher Huawei-Technik in den Startlöchern. Christian Domke Seidel

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      News

      VW meldet massiven Absatzeinbruch

      Die Volkswagen-Gruppe hat im letzten Jahr in China 14 Prozent weniger Autos abgesetzt als im Vorjahreszeitraum. Damit hat der Konzern auf seinem wichtigsten Einzelmarkt hohe Einbußen verzeichnet. Als Gründe nannte VW-China-Chef Stephan Wöllenstein den Mangel an Chips und Probleme in den Lieferketten. “600.000 Autos sind in der Produktion verloren gegangen”, klagte Wöllenstein. “2021 war eines der schwierigsten Jahre in unserer Geschichte in China.” Vor allem die volumenstarken Marken Skoda und Volkswagen verzeichnen deutlich weniger Absatz. Auch Audi hat 3,6 Prozent weniger Autos verkauft. Die Premiummarken Porsche (plus acht Prozent) und Bentley (plus 43 Prozent) konnten ihre Absätze hingegen ausbauen.

      Der Marktanteil der Volkswagen-Gruppe, der in der Volksrepublik lange bei 14 oder 15 Prozent gelegen hatte, fiel auf 11,7 Prozent. Trotzdem blieb die Marke Volkswagen die Nummer 1 bei den chinesischen Kunden. Insgesamt seien 3,3 Millionen Autos ausgeliefert worden, davon 2,4 Millionen der Kernmarke Volkswagen. 

      Enttäuscht hat aus Sicht des Konzerns auch der Verkauf an E-Autos. 70.625 batteriebetriebene Fahrzeuge hat VW im letzten Jahr in China verkauft. Volkswagen verfehlte sein selbstgestecktes Ziel damit deutlich. Das Unternehmen wollte zwischen 80.000 und 100.000 Einheiten verkaufen. Der Marktstart der neuen ID-Familie überzeugte viele chinesische Kunden offenbar nicht. Wöllenstein ist zuversichtlich, dass 2022 ein besseres Jahr für den Konzern wird. Er erwartet ein Plus von 15 Prozent. Bei E-Autos strebt Volkswagen sogar eine Verdopplung des Absatzes an. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei jedoch die Versorgung mit Chips. flee 

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        BMW boomt trotz Chipmangel

        Während Marktführer Volkswagen in den vergangenen Monaten erheblich unter den Lieferengpässen bei Chips gelitten hat und auch Daimler einen leichten Verkaufsrückgang verzeichnete, hat BMW 2021 seine Verkäufe in China deutlich steigern können. Der Absatz legte um 8,9 Prozent auf knapp 850.000 Fahrzeuge zu. Damit hat BMW in China so viele Autos verkauft wie nie zuvor, teilte das Münchner Unternehmen mit.

        Die Autoindustrie hat seit mehr als einem Jahr weltweit mit der Knappheit von Halbleitern zu kämpfen. Viele Hersteller mussten immer wieder die Produktion stoppen, weil die wichtigen Teile fehlten. BMW hatte die Chip-Versorgung aber besser im Griff. Fachleuten zufolge spielt dabei eine Rolle, dass BMW zum Höhepunkt der ersten Corona-Welle im März 2020 seine Bestellungen nicht so stark drosselte wie andere Unternehmen.

        Das Highlight in diesem Jahr: BMW will die Mehrheit an seinem Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Anbieter Brilliance übernehmen. Mit einem Abschluss des Geschäfts wird noch im ersten Quartal gerechnet. flee/rtr

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          Autos brauchen eine Black Box

          Alle Autos, die in China hergestellt werden, brauchen ab diesem Monat einen Unfalldatenspeicher. Das berichtet das Portal Automobil Industrie. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnik hat den Datenrekorder im April zur Pflicht gemacht, jetzt trete die Regelung in Kraft. Auch in den USA ist die “Black Box” im Auto bereits vorgeschrieben. fin

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            Standpunkt

            Kommunikative Eigentore deutscher CEOs

            Von Thorsten Benner vom Global Public Policy Institute (GPPI)
            Thorsten Brenner, Politologe, analysiert im China.Table die Kommunikation deutscher Unternehmen im Umgang mit China und dessen Zwangsarbeits-Vorwürfen.
            Thorsten Benner, Politologe

            “Siemens defends slave labour (again)” titelte der britische Spectator letzte Woche. Die Entstehung dieser Schlagzeile ist ein Lehrstück darüber, was in der chinapolitischen Positionierung von einigen CEOs der Deutschland-AG danebengeht. Was war passiert? Siemens-Chef Roland Busch hatte zum Jahreswechsel in der Süddeutschen Zeitung vor einer “konfrontativen Außenpolitik” gewarnt und mahnte einen “respektvollen Umgang” mit China an.

            Eine Sorge führte er sehr konkret aus: “Wenn Exportverbote erlassen werden, könnten diese dazu führen, dass wir keine Solarzellen aus China mehr kaufen können – dann ist die Energiewende an dieser Stelle zu Ende. Wollen wir das wirklich? Es ist doch unser gemeinsames Interesse, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern”. Busch sprach es nicht direkt an, doch worauf er zielte, waren mögliche Sanktionen gegen Komponenten aus Xinjiang, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie auch mithilfe von Zwangsarbeit produziert werden.

            Die Haltung der Amerikaner ist dazu klar: Im Dezember unterzeichnete US-Präsident Biden ein Gesetz, das Importe von Produkten, die in Xinjiang hergestellt wurden oder Komponenten und Materialien aus Xinjiang enthalten, weitgehend verbietet. Die Europäische Kommission ist dagegen skeptisch. Man könne die “US-Gesetzgebung in Europa nicht automatisch replizieren”, heißt es. Ein Importverbot würde nicht verhindern, dass diese Produkte weiter mit Zwangsarbeit hergestellt würden. Die EU-Kommission scheint ein Gesetz mit stärkeren Sorgfaltspflichten der Anbieter zu bevorzugen.

            In diese Diskussion platzte Siemens-CEO Busch mit seiner Philippika gegen “Exportverbote”. Dabei hat Busch zumindest recht, was die Abhängigkeiten der Solarbranche von Xinjiang betrifft. Doch für einen Konzern, der eine Geschichte des Einsatzes von Zwangsarbeit hat, ist die Intervention bemerkenswert ungeschickt. Zumal Siemens laut FAZ mit dem chinesischen Rüstungszulieferer China Electronics Technology Group Corporation (CETC) zusammenarbeitet. CETC hat laut Human Rights Watch eine Überwachungs-App entwickelt, mit deren Hilfe Uiguren von der Polizei verfolgt und eingesperrt würden. Da hilft es eher wenig, dass Busch mit Blick auf die Menschenrechte versichert: “Wir halten diese weltweit ein, auch bei unseren Arbeitsplätzen in China”.

            Nun rechtfertigt Busch natürlich keine Zwangsarbeit, anders als der Spectator es nahelegt. Es hätte aber viele geschicktere Wege gegeben, Skepsis an Importverboten zu äußern. Mit der ungelenken Art seiner Aussagen hat Busch der Fehlinterpretation seiner Worte Tür und Tor geöffnet. Was bei seiner Aussage etwa fehlt, ist ein explizites Bekenntnis, Menschenrechte auch in den Lieferketten und bei Kooperationspartnern einzuhalten.

            Busch fällt auch hinter das zurück, was sein Vorgänger als Siemens-Chef und Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Joe Kaeser, kurz vor Ende seiner Amtszeit im September 2020 formulierte: “Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen in Hongkong, aber auch in der Provinz Xinjiang aufmerksam und mit Sorge. Wir lehnen jede Form von Unterdrückung, Zwangsarbeit und Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen kategorisch ab. All das würden wir grundsätzlich weder in unseren Betrieben dulden noch bei unseren Partnern folgenlos hinnehmen.” Für Kaeser, der jahrelang den chinesischen Parteistaat rhetorisch hofiert hatte, war dies eine bemerkenswert klare Formulierung. Busch signalisiert nun, dass er an Kaesers Kritik nicht anknüpfen möchte.

            Stattdessen scheint sich Busch den Volkswagen-CEO Diess als Vorbild zu nehmen, den Chef eines weiteren deutschen Weltkonzerns mit Zwangsarbeits-Vergangenheit. Diess hatte 2019 der BBC gesagt, dass er von Umerziehungslagern nicht wisse und “stolz” sei auf die Arbeitsplätze, die Volkswagen in Xinjiang geschaffen habe. Dabei klingt er wie der ehemalige ZEIT-Herausgeber Theo Sommer, der 2019 behauptete, deutsche Unternehmen “können und werden in dem schwierigen Umfeld Xinjiangs einen Beitrag zum ersprießlichen Zusammenleben verschiedener Völkerschaften leisten. Dann werden – wie einst die südafrikanischen Schwarzen von BMW – eines Tages auch die Uiguren sagen können, wer zu den Mitarbeitern der deutschen Firmen gehört, der hat das große Los gezogen”.

            Ganz so vehement wie Sommer würden wahrscheinlich nur wenige deutsche CEOs öffentlich argumentieren. Aber allzu oft wirken sie so, als hätten sie selbst das große Los des Kotaus gegenüber der chinesischen Führung gezogen. Der Journalist Robin Alexander berichtet in seinem Buch “Machtverfall” über die deutschen CEOs, die Merkel auf deren letzter China-Reise im September 2019 begleiteten: “Die Bosse haben auf die Kanzlerin eingewirkt, die chinesische Regierung nicht mit einer allzu deutlichen Kritik an der Aussetzung des Basic Law der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong und den Repressionen gegen die dortige Demokratiebewegung zu brüskieren”.

            Weiter berichtet der Autor über eine Abstimmung unter den deutschen Managern während besagter Reise, ob sie die Chinesen ihrerseits auf die engere Überwachung von Internetaktivitäten chinesischer Belegschaften in Firmen mit deutscher Beteiligung ansprechen sollten – denn die gefährdet nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch deutsche Geschäftsgeheimnisse. Per Handzeichen im Kanzlerflugzeug stimmten die CEOs dagegen. Erschreckend daran ist, dass die Unternehmensführer auch dann gegenüber Peking zu kuschen scheinen, wenn ihre Kerninteressen tangiert sind.

            Bei der Suche nach mehr strategischer Klarheit kombiniert mit Rückgrat könnten die CEOs beim BDI fündig werden. Dieser hatte im vergangenen Sommer ein Diskussionspapier über “Außenwirtschaftliche Zusammenarbeit mit Autokratien” zur “Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen im internationalen Systemwettbewerb” veröffentlicht und dabei den Begriff der “verantwortungsvollen Koexistenz” geprägt.

            Mehr strategische Klarheit in der Chinapolitik ist auf Seiten von CEOs wie Busch dringend vonnöten, denn die vom Spectator verzerrte menschenrechtliche Komponente ist nicht das größte Problem. Ebenfalls beunruhigend ist, dass Busch die Klimakrise zu instrumentalisieren scheint für einen “Business as Usual”-Kurs gegenüber Peking. Und noch konsternierender ist die Tatsache, dass Busch die Thematik auf die Frage der Menschenrechte reduziert. Dabei geht es im Systemwettbewerb mit Pekings autoritärem Staatskapitalismus um weit mehr.

            Zwangsarbeit ist nicht unser Hauptproblem, wenn wir uns bei Kerntechnologien für die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft von Produktion in China abhängig machen, oder wenn sich Unternehmen wie Volkswagen ein Klumpenrisiko China aufhalsen, in dem sie sich über Gebühr vom chinesischen Markt abhängig machen. 2020 unterzeichnete Siemens eine weitreichende “strategische Kooperationsvereinbarung” mit der schon erwähnten China Electronic Technology Group Corporation (CETC). Das Staatsunternehmen ist für das chinesische Militär als Zulieferer von zentraler Bedeutung. Tochterunternehmen von CETC unterliegen bereits US-Sanktionen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die USA auch die Siemens-Kooperation mit CETC genauer anschauen werden.

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              Portrait

              Johannes Vogel – FDP-Politiker mit China-Fokus

              Johannes Vogel, FDP, im Portrait über seine China-Erfahrung.
              Johannes Vogel ist stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe

              Eigentlich war es eine Niederlage, die Johannes Vogel nach China führte. Der FDP-Politiker hatte gerade seinen Job als Bundestagsabgeordneter verloren. Die Partei war bei den Bundestagswahlen 2013 krachend gescheitert. Von 14,6 Prozent rauschten die Liberalen auf 4,8 Prozent ab. Vogel sagt, damals habe er miterlebt, wie man eine Partei vor die Wand fährt. Und was machte er? Ging erst einmal weg. Nach dem Wahlfiasko entschied er, für ein Vierteljahr zu einem Freund nach Peking zu ziehen, um Chinesisch zu lernen. 

              Dort nahm er in einer Sprachschule Einzelunterricht. Wenn er von diesen knapp drei Monaten berichtet, in denen Politik nur noch ein “zeitintensives Hobby” für ihn war, dann erzählt er von den Reisen durch ein Land der Polaritäten. Nach seinem Sprachkurs war er in der inneren Mongolei, auf deren Hochebenen gigantische Windparks entstehen. Er war in menschenleeren Geisterstädten, die so schnell hochgezogen wurden, dass sie noch komplett unbewohnt sind. Er besuchte Landstriche ohne Kanalisation deren Bewohner ihre Brunnen deshalb regelmäßig reinigen mussten.

              Von Peking zurück nach Berlin

              Das alles ist jetzt zwei Legislaturperioden her. Heute ist der 39-Jährige zurück im politischen Berlin. Bei den Wahlen 2021 zog er auf Platz fünf der NRW-Landesliste in den Bundestag ein. Mitte Dezember wurde er zum parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion gewählt. Von seinem eigentlichen Job als Leiter der Strategieabteilung der Arbeitsagentur ist er seit dem politischen Comeback seiner Partei 2017 beurlaubt. China hat er, der auch stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe ist, aber weiter im Blick.

              “Für dieses Land kann man sich einfach nicht nicht interessieren”, erklärt er. Und gerade jetzt, nach dem Politikwechsel in Berlin, rückt das wechselseitige deutsch-chinesische Interesse wieder in den Fokus. Wie sieht die China-Politik der neuen Bundesregierung aus? Die FDP gilt als eine Partei, die eine besonders strenge Linie gegenüber China verfolgt – trotz wirtschaftlicher Interessen. Die Ratifikation des EU-China-Investitionsabkommens wird “zurzeit nicht stattfinden”. So steht es im Koalitionsvertrag. “Das wird auch nicht passieren, solange China Sanktionen gegen EU-Politiker verhängt”, ergänzt Vogel. Gemeint sind unter anderem die deutschen Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer (Grüne) und Michael Gahler (CDU). Stattdessen will die neue Bundesregierung “Chinas Menschenrechtsverletzungen klar thematisieren”.

              Mehr Austausch mit Malaysia, Australien und Hongkong

              Wie passt das zu einer wirtschaftsliberalen Partei? Man stehe für wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheiten. Das hat der Politikwissenschaftler Vogel bereits in einem China.Table-Interview kurz vor der Bundestagswahl betont. Das seien unteilbare Aspekte – und Kernwerte der Liberalen. Lange hoffte man, die Liberalisierung der Wirtschaft in China führe auch zu einer freieren Gesellschaft. Seit Xi Jinping weiß man, dass diese Hoffnungen unerfüllt bleiben werden. Was das bedeuten kann, hat Vogel selbst erlebt: In Hongkong erzählt er, sprach er einst noch mit freien Abgeordneten, die inzwischen inhaftiert sind. In diesem Systemwettbewerb dürfe Deutschland nicht schweigen, fordert er. Aber was bedeutet das genau?

              Vogel plädiert dafür, den Austausch mit anderen asiatischen Akteuren zu verstärken: Malaysia, Australien – und eben mit Hongkong. “Das ist der große Hebel”, sagt er, der schon einmal als “der Mann hinter und neben Parteichef Christian Lindner” bezeichnet wurde.

              Aufgewachsen sind beide in der Kleinstadt Wermelskirchen im Bergischen Land. Nach der Schule absolvierte Vogel seinen Zivildienst als Rettungssanitäter. Später studierte er in Bonn Politikwissenschaften, Geschichte und Völkerrecht. Einen seiner neuen Koalitionspartner kennt Vogel noch aus alten Zeiten: Zwischenzeitlich engagiert er sich für die Grüne Jugend. Dort störte ihn, wie über das Unternehmertum gesprochen wurde. Seit 1999 ist er Mitglied bei der FDP. Wenige Jahre später wurde er Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen. In dieser Zeit leitete er eine Delegationsreise nach China. Später wurde Vogel stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe, die den Kontakt zu den Parlamenten der jeweiligen Partnerländer pflegen.

              Mehr Konflikte mit China könnten mehr Konflikte in der Koalition bedeuten

              Gegenüber China fehle eine gemeinsame EU-Strategie, kritisiert Vogel. Dabei seien die derzeitigen Entwicklungen mehr als besorgniserregend. Der chinesische Sicherheitsapparat wachse rasant. Seit Corona werde die digitale Überwachung in China immer umfassender. Dass sie irgendwann nach der Pandemie wieder zurückgefahren wird, hält Vogel für unwahrscheinlich. “Corona ist eine Zäsur.” Vielmehr warnt er vor einer zur großen Abhängigkeit von China. Und betont, es brauche stattdessen Reziprozität – also Wechselseitigkeit.

              Ob das auch im wechselseitigen Einvernehmen zwischen den Koalitionspartnern aufgehen wird? Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Angela Merkel versichert, dass sich an der grundsätzlichen Linie der deutsch-chinesischen Beziehungen nichts ändern werde, berichtete die Wirtschaftswoche. In Sachen China-Politik könnte dem neuen parlamentarischen Geschäftsführer noch der ein oder andere Konflikt drohen. Pauline Schinkels

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                Personalien

                Zhang Yang wird neuer CEO der Automarke Aiways aus Shanghai. Zhang hat zuvor für den direkten Elektroauto-Konkurrenten Nio gearbeitet.

                China.Table Redaktion

                CHINA.TABLE REDAKTION

                Licenses:
                  • Interview: Stefan Bratzel über Chinas Automarkt
                  • Seres plant Markteintritt in Deutschland – ohne Huawei
                  • VW erleidet Absatzeinbruch
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                  • Im Portrait: Johannes Vogel – FDP-Politiker mit China-Fokus
                  • Personalien: Zhang Yang wird CEO von Aiways

                  Liebe Leserin, lieber Leser,

                  neues Jahr, neues Glück – könnte man meinen. Doch für die deutschen Autohersteller wird auch 2022 alles andere als leicht. In China ist die heimische Konkurrenz durch Newcomer wie Nio und Xpeng mittlerweile stärker und zahlreicher als in Europa, sagt Auto-Experte Stefan Bratzel. Er hat einige Schwachstellen ausgemacht: Bei der Software hinken die deutschen Autobauer hinterher und bei den Lieferketten sollten sie sich in Corona-Zeiten flexibler aufstellen. Insgesamt sollten die deutschen Hersteller ihre hohe Abhängigkeit von China hinterfragen, rät der Branchenkenner vom Center of Automotive Management. Denn Handelsstreitigkeiten und Fragen zu Menschenrechten können sich schnell auch auf das Milliardengeschäft der deutschen Autoindustrie auswirken.

                  Während Volkswagen von den verschiedenen Krisen stark getroffen ist, zieht BMW davon. Der Grund: Das Unternehmen aus München hat genug Chips zur Verfügung und offenbar auch die passenderen Produkte für China. Die Auswirkungen sind spektakulär und weltweit zu spüren. Während der globale VW-Absatz auf den Stand von vor zehn Jahren zurückgefallen ist, hat BMW die Top-Position unter den Premiumanbietern souverän verteidigt.

                  Ist der Netzwerkhersteller und Elektroriese Huawei unter die Autohersteller gegangen? Wir klären die Frage in unserem Portrait des chinesischen Unternehmens Seres, dem Kooperationspartner von Huawei. Der Elektroauto-Spezialist hat eine bewegte Firmengeschichte hinter sich, an der auch deutsche Manager mitgewirkt haben.

                  Viel Spaß beim Lesen!

                  Ihr
                  Felix Lee
                  Bild von Felix  Lee

                  Analyse

                  “Abhängigkeit von China hinterfragen”

                  Stefan Bratzel im Interview über die Abhängigkeiten der deutschen Autoindustrie von China.
                  Stefan Bratzel leitet das Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach

                  Herr Bratzel, die Pandemie, Chipmangel, Lieferengpässe, die deutsche Automobilindustrie hatte 2021 wahrlich kein leichtes Jahr. Wird 2022 besser?

                  Stefan Bratzel: Die Branche befindet sich im größten Umbruch ihrer Geschichte – und zusätzlich zu dieser Transformation kommen nun die verschiedenen Krisen hinzu. Ich gehe davon aus, dass die Chip-Krise auch 2022 anhalten und eine Belastung für die Autobranche bleiben wird. Wahrscheinlich wird es ab Frühjahr eine leichte Entspannung geben. Das Thema dürfte aber das ganze Jahr über auf der Agenda bleiben. Das Drama spielt sich vor dem Hintergrund der großen technologischen Veränderungen ab: Elektromobilität, Vernetzung, autonomes Fahren. Für alle diese Themen sind Chips fundamental.

                  Wie lässt sich das Chip-Problem lösen?

                  Die Autohersteller versuchen, ihre Technik flexibler zu machen, um auf unterschiedliche Hersteller ausweichen zu können. Vor allem aber treten die Autobauer mit den Herstellern direkt in Kontakt, um sich Chargen zu sichern und auf die Hersteller einzuwirken, die Kapazitäten auszuweiten. Aber das dauert ein, zwei Jahre, bis die Fabriken entsprechend erweitert sind. Zudem sind nicht alle Chip-Hersteller dazu bereit. Für sie ist eine hohe Auslastung ganz zentral. Wenn sie nicht bei über 70 oder 80 Prozent liegt, schreiben sie keine schwarzen Zahlen mehr und befürchten ein Überangebot. Sie investieren also nicht wild in die Zukunft, weil sie sonst ihr eigenes Geschäft kaputt machen.

                  Wäre es nicht sinnvoll, wenn die deutsche Autobranche selbst stärker in die Chip-Entwicklung einsteigen würde?

                  Ja, das ist teilweise auch schon der Fall. Längst sind es nicht nur Hersteller wie Apple, die eigene Chips entwickeln. Tesla ist in der Entwicklung schon sehr involviert. Ich habe erst vor Kurzem mit dem Entwicklungschef von Daimler gesprochen. Dieser bestätigte, dass auch sein Unternehmen in die Chip-Entwicklung geht und die Software-Entwicklung zum großen Teil selbst übernehmen will. Die Einsicht ist also da, dass Software in allen Bereichen wichtiger geworden ist. Das wird allerdings nicht jeder hinbekommen, sondern nur die Hersteller, die in diesem Bereich bereits eine gewisse Kompetenz erworben haben.

                  Welche Autokonzerne meinen Sie konkret?

                  Herstellern wie Daimler oder BMW traue ich das zu. Auch Volkswagen hat sich dem Thema Software als Kernstrategie angenommen. Aber ob VW das so schnell hinbekommen wird – da bin ich ein bisschen skeptisch. Bei BMW und Daimler bin ich optimistischer.

                  Bei der Entwicklung der E-Mobilität hinken doch eher Daimler und BMW hinterher und VW gilt als fortschrittlich?

                  Das muss man differenziert betrachten. Tatsächlich setzt Volkswagen seit dem Dieselskandal intensiv auf E-Mobilität. Im Vergleich dazu hinkt Daimler hinterher. Inzwischen holt Daimler aber auf. BMW hatte bei der Elektromobilität eine Weile eine Vorreiterrolle, dann legten die Münchner eine Pause ein, sind jetzt aber wieder stark im Kommen.

                  Nicht zuletzt, weil China die Pandemie vor anderthalb Jahren rasch in den Griff bekam, liefen die Geschäfte für die deutschen Autobauer verhältnismäßig gut. Doch mit Omikron geht es auch dort wieder los und Chinas Führung setzt radikal auf Lockdowns ganzer Millionenstädte. Was wird das für die Autobranche bedeuten?

                  Die Auswirkungen auf Lieferketten sind schwer kalkulierbar. Es hängt immer davon ab, wo gerade ein Ausbruch stattfindet. Wenn dies in einer Stadt oder bei einem Zulieferer passiert, der von heute auf morgen dicht machen muss – und das kann bei der strengen chinesischen Corona-Politik leicht passieren – bringt das natürlich schnell die Lieferketten in Gefahr. Inzwischen weiß man, dass Chinas Impfstoff bislang nur schlecht vor der Omikron-Variante schützt. Die Gefahr von Lockdowns ganzer Regionen ist also durchaus vorhanden. Akut lässt sich da gar nicht viel machen. Mittelfristig sollten sich die Unternehmer bei den Lieferketten flexibler aufstellen. Das ist jedoch leichter gesagt als getan in dieser Anlagen-basierten Industrie in Zeiten von stark gestiegenen Fixkosten.

                  VW mit seinen über zwei Dutzend Werken in der Volksrepublik steht also vor einem großen Problem, sollte die Pandemie auch in China wieder ausbrechen.

                  Ja, denn wer wie Volkswagen 40 Prozent seines globalen Absatzes in China macht, muss per se genau schauen, was dort gerade passiert. Hinzu kommt das bereits erwähnte Thema Elektromobilität. Beim Verbrennungsmotor ist VW in China weiter führend, nicht aber bei E-Autos. In dem Bereich ist der Wettbewerb ein ganz anderer. Insbesondere chinesische Anbieter im Low-Cost-Bereich sind sehr stark in China. VW kann da bislang nicht mithalten. Das sind schon große Herausforderungen für den neuen China-Chef von Volkswagen, Ralf Brandstätter.

                  Ist die chinesische Konkurrenz technisch denn wirklich so viel besser?

                  Einige chinesische Newcomer wie Nio oder Xpeng profitieren vom Greenfield-Ansatz, also dem kompletten Neuanfang. Sie müssen nicht umständlich einen Umstrukturierungsprozess durchlaufen. Hinzu kommen Player wie BYD, die schon lange das Thema Elektromobilität in ihrer Wertschöpfungskette haben. Dann gibt es beispielsweise auch die Marke Wuling, ein Joint Venture von GM mit SAIC, die sehr stark ist. Und Tesla ist mit einem eigenen Werk in China auch bereits gut vertreten. Es gibt für die deutschen Autobauer also sehr viel mehr Konkurrenz in China als derzeit in Europa.

                  Der Auftakt seiner ID-Elektromodelle lief für VW nicht wie erhofft. Müsste sich VW in China nicht anders aufstellen, vielleicht mit der chinesischen Konkurrenz zusammenarbeiten?

                  Die Grundsatz-Strategie ist schon richtig. Mit dem Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) hat VW eine starke Plattform. Für China hat VW ein bisschen spät angefangen. Volkswagen ist daher nach wie vor nicht in allen Segmenten aktiv. Insbesondere im niedrigen Segment hat VW noch nichts im Angebot.

                  Bisher haben die deutschen Hersteller in China vor allem auch im hochpreisigen Segment gepunktet. Vielleicht wollen sie gar nicht das Billig-Segment abdecken.

                  Für die Premium-Anbieter Audi, Mercedes und BMW mag das zutreffen. VW ist zwar auch kein Low-Cost-Anbieter, aber schon auf breiteren Segmenten unterwegs. Und in den Bereichen muss VW aufpassen, keine Marktanteile zu verlieren. Insbesondere im Software-Bereich hinken die deutschen Hersteller zur chinesischen Konkurrenz hinterher. Die Autohersteller müssen bei E-Autos zudem den Batterie-Bereich gut im Griff haben. Auch da sind chinesische Hersteller, allen voran BYD – ursprünglich ein reiner Batterie-Hersteller – klar voraus.

                  Mittlerweile sind chinesische E-Autobauer auch in Europa auf dem Vormarsch. Mehrere chinesische Anbieter planen 2022 ihren Markteintritt. Wie schätzen Sie deren Erfolgschancen ein?

                  Ja, chinesische Autobauer wollen auch global vertreten sein, übrigens gedeckt durch die chinesische Regierung. Klar ist aber auch: Für die chinesischen E-Autohersteller wird es kein Selbstläufer sein, in Europa Fuß zu fassen. Denn sie müssen die europäischen Geschmäcker treffen. Das war bei vergangenen Versuchen nicht gelungen. Die Welle, die jetzt kommt, hat größere Chancen. Ich rechne fest damit, dass der eine oder andere hier erfolgreich sein wird. Mit Geely-Volvo haben wir ja auch schon einen europäischen Hersteller mit chinesischer Mutter. Die Autos verkaufen sich entsprechend gut.

                  Zugleich nehmen die politischen Spannungen auch zwischen China und der neuen Bundesregierung zu. Inwiefern wird sich diese Entwicklung aufs Autogeschäft auswirken?

                  Das ist keine plötzliche Neuentwicklung. Chinas geopolitische Ambitionen stellen schon seit einigen Jahren eine Bedrohung dar – auch für das Autogeschäft. Natürlich ist China auch auf Europa angewiesen. China will aber Weltmacht werden und die Autoindustrie ist ein Faustpfand. Und wenn die politischen Konflikte eskalieren, kann das zu großen handelspolitischen Verwerfungen führen, die auch die Autoindustrie massiv in Mitleidenschaft ziehen. Diese Verwundbarkeit ist ein großes Problem.

                  Die deutschen Autobauer haben auch hunderttausende Arbeitsplätze in China geschaffen. Beruht die Abhängigkeit nicht auf Gegenseitigkeit?

                  Im Zweifel überwiegen trotz des langjährigen deutschen Engagements der Nationalstolz und die politischen Ambitionen.

                  Was kann die Autobranche tun?

                  Das wird für die deutschen Autobauer wirklich schwierig. Das haben wir schon mit Volkswagen und den Uiguren gesehen: Wenn die chinesische Regierung etwas will, müssen die Autohersteller reagieren. Ich denke, bei solchen Fragen sollte sich künftig auch die Bundesregierung stärker einschalten. Die Konzerne können das nicht mehr aus eigener Kraft verhandeln. Zugleich sollten die Autohersteller ihre Marktposition mehr ausbalancieren und nicht zu sehr auf einen einzelnen Markt setzen. Die hohe Abhängigkeit von China sollten sie hinterfragen.

                  Stefan Bratzel ist Direktor des “Center of Automotive Management” der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Er erforscht insbesondere die Erfolgs- und Überlebensbedingungen von Fahrzeugherstellern.

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                    Huawei-Partner Seres bringt seine Pkw nach Deutschland

                    Das Seres Auto Aito M5 soll mit Technologie von Huawei in Deutschland auf den Markt kommen.
                    Der Aito M5 – identisch mit dem SF5 und dem Seres 5

                    Um den Autohersteller Seres herrscht derzeit etwas Verwirrung – und zwar, seit das Unternehmen als Partner des Elektrokonzerns Huawei auftritt. Identische Produkte tauchen unter verschiedenen Namen auf. Und auch zur Herkunft des Unternehmens gibt es unterschiedliche Angaben. Hier sind die wichtigsten Fakten:

                    • Der Firmensitz einer Tochtergesellschaft von Seres liegt in Kalifornien, doch es handelt sich um ein chinesisches Unternehmen. Seres ist eine Tochter der Chongqing Sokon Industry Group, auch genannt Xiaokang (小康).
                    • Seres ist weder Teil des Huawei-Konzerns noch ein Auftragsfertiger für Huawei. Dieser Eindruck hatte sich allerdings so sehr verfestigt, dass Huawei selbst eine Klarstellung veröffentlicht hat.
                    • Der Aito M5, den Huawei bei einer Produktvorstellung präsentiert hat (China.Table berichtete) ist in vielen Punkten identisch mit dem Seres SF5.

                    Die widersprüchlichen Berichte zu dem Unternehmen haben mit der Firmengeschichte zu tun, die viele Brüche erlebt hat – und jetzt dank Huawei doch noch eine glückliche Wendung nimmt. Mit großen Plänen war Seres im Jahr 2016 ins Silicon Valley aufgebrochen. Damals hieß das Unternehmen noch SF Motors. Der Elektroautomarkt sollte aufgerollt werden. Dafür gewann die Firma sogar Martin Eberhard, den Mitbegründer und ehemaligen CEO von Tesla, als Berater für die strategische Ausrichtung.

                    Unter Eberhard kaufte Seres im Jahr 2017 das EV- und Batterietechnologieunternehmen InEVit für 33 Millionen Dollar (ein Kunstwort aus ‘Electric Vehicle’ und dem englischen Wort ‘inevitable’, also ‘unvermeidlich’). Schon 2016 hatte Seres für 160 Millionen Dollar die Produktionsanlagen von AM General erworben – die Fabrik, die für die Produktion des berühmt-berüchtigten Hummer zuständig war.

                    Große Ankündigungen – und ebenso große Enttäuschung

                    Eberhard stieg zum Chief Innovation Officer auf. Heiner Fees, der Gründer von InEVit, wurde in das Innovationsteam berufen. Geld war da, ebenso wie Erfahrung im Fahrzeuggeschäft. Seres ist schließlich eine Schwestergesellschaft von Dongfeng Sokon Automobile (DFSK). Das ist eine der größten chinesischen Automarken.

                    Im Jahr 2018 präsentierte Seres dann die Prototypen SF5 und SF7: Premium-Elektro-SUV mit Protz-Leistungen von rund 1.000 PS. Etwa 50.000 Stück sollten in den USA gebaut und verkauft werden, noch einmal 150.000 in der Volksrepublik. Die ambitionierten Pläne motivierten sogar Elon Musk dazu, sich auf Twitter mit Präsident Trump anzulegen. Musk wies den streitlustigen Präsidenten darauf hin, dass chinesische Autohersteller bereits mehrere hundertprozentige Töchter in den USA betreiben – darunter SF Motors.

                    Doch schnell wurde klar, dass Seres die vollmundigen Versprechungen gar nicht einhalten kann. Fees verließ nach nur vier Monaten das Unternehmen wieder und die andauernden Handelskonflikte veranlassten Seres dazu, die Produktion in den USA komplett einzustellen.

                    Marktauftritt in Deutschland unter abweichendem Namen

                    In China ist seit November 2020 der Seres 3 erhältlich. Ein Kompakt-SUV, das sich die Plattform mit dem Fengon 500 teilt. Auch der SF5 schaffte es im April 2021 nach China. Bis einschließlich November wurden aber gerade einmal 7.080 Stück verkauft. Überarbeitet und mit dem Huawei Betriebssystem Harmony OS ausgestattet, soll er jetzt als Aito M5 doch noch Karriere machen.

                    Auch in Deutschland. Der Importeur Indimo möchte den Wagen ab dem zweiten Quartal 2022 im Angebot haben. Wenn auch unter dem Namen Seres 5. Eigentlich hatten Huawei und Seres die Marke Aito gegründet, doch die Umstellung will das deutsche Unternehmen erst einmal nicht mitgehen. Ohnehin ist Indimo vorsichtig. Nur vier Stück hat das Unternehmen geordert, um sich das Modell erst einmal anzuschauen.

                    Das Fahrzeug ist in der Volksrepublik mit Range-Extender zu haben. Das bedeutet: Es fährt eigentlich mit einem Elektromotor, hat jedoch einen mit Benzin betriebenen Generator an Bord, mit dem sich Strom nachproduzieren lässt. In Deutschland wird es dagegen nur die rein elektrische Variante geben. Denn es ist völlig unklar, wie hoch der CO2-Ausstoß des chinesischen Vierzylinders ist und ob es dafür eine Zulassung gibt.

                    Viel PS, hoher Preis, winzige Stückzahl

                    Auf dem deutschen Markt wird es den Aito M5 (oder Seres 5 oder SF5) daher nur als reines Elektro-SUV geben. An der Vorder- und Hinterachse werde jeweils ein Elektromotor mit rund 340 PS arbeiten, gibt Indimo im Gespräch mit China.Table an. Mindestens 50.000, eher 60.000 Euro werden für das Paket fällig. Zu den genauen Leistungsdaten und der Reichweite möchte der Importeur erst Angaben machen, wenn der Wagen in Deutschland angekommen ist. Dreiphasiges Laden und ein 400-Volt-Bordnetz sind allerdings Standard.

                    Mit dem Aito M5 geht Huawei beim Automobilbau in die Offensive. Wegen der US-Sanktionen ist dem Elektronikkonzern der Smartphone-Absatz eingebrochen. Die Verluste sollen jetzt mit dem Einstieg in den Automobilsektor wettgemacht werden. Hintergrund ist, dass vernetzte Autos, Mobilitätsanwendungen und autonomes Fahren als Wachstumsbranche gelten. Die dafür benötigten Chips sind aber nicht so komplex wie die, die für Smartphones benötigt werden. Den Bedarf könnte Huawei auch ohne amerikanische Zulieferer decken.

                    Huawei wird zur Spinne im Netz der Auto-Partner

                    Im Jahr 2021 formte Huawei das “5G Automotive Ecosystem”. Dafür hat der Konzern Vereinbarungen mit insgesamt 18 Autoherstellern getroffen, die künftig das System Huawei HiCar in ihren Autos anbieten werden. Darunter befinden sich auch Größen wie Great Wall Motor, Geely, Changan Automobile, BAIC Group, SAIC Motor und die GAC Group. Die Software kann auch in älteren Modellen installiert werden. BYD war im Februar 2021 der erste Hersteller, der ein Fahrzeug mit dem Huawei-Screen zeigte.

                    Besonderen Fokus legt Huawei bei seiner Zusammenarbeit auf das autonome Fahren. Die Marke Arcfox präsentierte beispielsweise die Kombilimousine Alpha-S. Der Wagen ist mit Huawei-Technik ausgestattet und soll streckenweise bereits autonomes Fahren auf Level drei (L3) beherrschen. Das würde es dem Fahrer erlauben, sich während der Fahrt tatsächlich anderen Dingen zu widmen. Mit dem Great Sage X-1 von Jetour steht bereits das nächste Elektro-SUV mit umfangreicher Huawei-Technik in den Startlöchern. Christian Domke Seidel

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                      VW meldet massiven Absatzeinbruch

                      Die Volkswagen-Gruppe hat im letzten Jahr in China 14 Prozent weniger Autos abgesetzt als im Vorjahreszeitraum. Damit hat der Konzern auf seinem wichtigsten Einzelmarkt hohe Einbußen verzeichnet. Als Gründe nannte VW-China-Chef Stephan Wöllenstein den Mangel an Chips und Probleme in den Lieferketten. “600.000 Autos sind in der Produktion verloren gegangen”, klagte Wöllenstein. “2021 war eines der schwierigsten Jahre in unserer Geschichte in China.” Vor allem die volumenstarken Marken Skoda und Volkswagen verzeichnen deutlich weniger Absatz. Auch Audi hat 3,6 Prozent weniger Autos verkauft. Die Premiummarken Porsche (plus acht Prozent) und Bentley (plus 43 Prozent) konnten ihre Absätze hingegen ausbauen.

                      Der Marktanteil der Volkswagen-Gruppe, der in der Volksrepublik lange bei 14 oder 15 Prozent gelegen hatte, fiel auf 11,7 Prozent. Trotzdem blieb die Marke Volkswagen die Nummer 1 bei den chinesischen Kunden. Insgesamt seien 3,3 Millionen Autos ausgeliefert worden, davon 2,4 Millionen der Kernmarke Volkswagen. 

                      Enttäuscht hat aus Sicht des Konzerns auch der Verkauf an E-Autos. 70.625 batteriebetriebene Fahrzeuge hat VW im letzten Jahr in China verkauft. Volkswagen verfehlte sein selbstgestecktes Ziel damit deutlich. Das Unternehmen wollte zwischen 80.000 und 100.000 Einheiten verkaufen. Der Marktstart der neuen ID-Familie überzeugte viele chinesische Kunden offenbar nicht. Wöllenstein ist zuversichtlich, dass 2022 ein besseres Jahr für den Konzern wird. Er erwartet ein Plus von 15 Prozent. Bei E-Autos strebt Volkswagen sogar eine Verdopplung des Absatzes an. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei jedoch die Versorgung mit Chips. flee 

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                        BMW boomt trotz Chipmangel

                        Während Marktführer Volkswagen in den vergangenen Monaten erheblich unter den Lieferengpässen bei Chips gelitten hat und auch Daimler einen leichten Verkaufsrückgang verzeichnete, hat BMW 2021 seine Verkäufe in China deutlich steigern können. Der Absatz legte um 8,9 Prozent auf knapp 850.000 Fahrzeuge zu. Damit hat BMW in China so viele Autos verkauft wie nie zuvor, teilte das Münchner Unternehmen mit.

                        Die Autoindustrie hat seit mehr als einem Jahr weltweit mit der Knappheit von Halbleitern zu kämpfen. Viele Hersteller mussten immer wieder die Produktion stoppen, weil die wichtigen Teile fehlten. BMW hatte die Chip-Versorgung aber besser im Griff. Fachleuten zufolge spielt dabei eine Rolle, dass BMW zum Höhepunkt der ersten Corona-Welle im März 2020 seine Bestellungen nicht so stark drosselte wie andere Unternehmen.

                        Das Highlight in diesem Jahr: BMW will die Mehrheit an seinem Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Anbieter Brilliance übernehmen. Mit einem Abschluss des Geschäfts wird noch im ersten Quartal gerechnet. flee/rtr

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                          Autos brauchen eine Black Box

                          Alle Autos, die in China hergestellt werden, brauchen ab diesem Monat einen Unfalldatenspeicher. Das berichtet das Portal Automobil Industrie. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnik hat den Datenrekorder im April zur Pflicht gemacht, jetzt trete die Regelung in Kraft. Auch in den USA ist die “Black Box” im Auto bereits vorgeschrieben. fin

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                            Kommunikative Eigentore deutscher CEOs

                            Von Thorsten Benner vom Global Public Policy Institute (GPPI)
                            Thorsten Brenner, Politologe, analysiert im China.Table die Kommunikation deutscher Unternehmen im Umgang mit China und dessen Zwangsarbeits-Vorwürfen.
                            Thorsten Benner, Politologe

                            “Siemens defends slave labour (again)” titelte der britische Spectator letzte Woche. Die Entstehung dieser Schlagzeile ist ein Lehrstück darüber, was in der chinapolitischen Positionierung von einigen CEOs der Deutschland-AG danebengeht. Was war passiert? Siemens-Chef Roland Busch hatte zum Jahreswechsel in der Süddeutschen Zeitung vor einer “konfrontativen Außenpolitik” gewarnt und mahnte einen “respektvollen Umgang” mit China an.

                            Eine Sorge führte er sehr konkret aus: “Wenn Exportverbote erlassen werden, könnten diese dazu führen, dass wir keine Solarzellen aus China mehr kaufen können – dann ist die Energiewende an dieser Stelle zu Ende. Wollen wir das wirklich? Es ist doch unser gemeinsames Interesse, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern”. Busch sprach es nicht direkt an, doch worauf er zielte, waren mögliche Sanktionen gegen Komponenten aus Xinjiang, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie auch mithilfe von Zwangsarbeit produziert werden.

                            Die Haltung der Amerikaner ist dazu klar: Im Dezember unterzeichnete US-Präsident Biden ein Gesetz, das Importe von Produkten, die in Xinjiang hergestellt wurden oder Komponenten und Materialien aus Xinjiang enthalten, weitgehend verbietet. Die Europäische Kommission ist dagegen skeptisch. Man könne die “US-Gesetzgebung in Europa nicht automatisch replizieren”, heißt es. Ein Importverbot würde nicht verhindern, dass diese Produkte weiter mit Zwangsarbeit hergestellt würden. Die EU-Kommission scheint ein Gesetz mit stärkeren Sorgfaltspflichten der Anbieter zu bevorzugen.

                            In diese Diskussion platzte Siemens-CEO Busch mit seiner Philippika gegen “Exportverbote”. Dabei hat Busch zumindest recht, was die Abhängigkeiten der Solarbranche von Xinjiang betrifft. Doch für einen Konzern, der eine Geschichte des Einsatzes von Zwangsarbeit hat, ist die Intervention bemerkenswert ungeschickt. Zumal Siemens laut FAZ mit dem chinesischen Rüstungszulieferer China Electronics Technology Group Corporation (CETC) zusammenarbeitet. CETC hat laut Human Rights Watch eine Überwachungs-App entwickelt, mit deren Hilfe Uiguren von der Polizei verfolgt und eingesperrt würden. Da hilft es eher wenig, dass Busch mit Blick auf die Menschenrechte versichert: “Wir halten diese weltweit ein, auch bei unseren Arbeitsplätzen in China”.

                            Nun rechtfertigt Busch natürlich keine Zwangsarbeit, anders als der Spectator es nahelegt. Es hätte aber viele geschicktere Wege gegeben, Skepsis an Importverboten zu äußern. Mit der ungelenken Art seiner Aussagen hat Busch der Fehlinterpretation seiner Worte Tür und Tor geöffnet. Was bei seiner Aussage etwa fehlt, ist ein explizites Bekenntnis, Menschenrechte auch in den Lieferketten und bei Kooperationspartnern einzuhalten.

                            Busch fällt auch hinter das zurück, was sein Vorgänger als Siemens-Chef und Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Joe Kaeser, kurz vor Ende seiner Amtszeit im September 2020 formulierte: “Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen in Hongkong, aber auch in der Provinz Xinjiang aufmerksam und mit Sorge. Wir lehnen jede Form von Unterdrückung, Zwangsarbeit und Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen kategorisch ab. All das würden wir grundsätzlich weder in unseren Betrieben dulden noch bei unseren Partnern folgenlos hinnehmen.” Für Kaeser, der jahrelang den chinesischen Parteistaat rhetorisch hofiert hatte, war dies eine bemerkenswert klare Formulierung. Busch signalisiert nun, dass er an Kaesers Kritik nicht anknüpfen möchte.

                            Stattdessen scheint sich Busch den Volkswagen-CEO Diess als Vorbild zu nehmen, den Chef eines weiteren deutschen Weltkonzerns mit Zwangsarbeits-Vergangenheit. Diess hatte 2019 der BBC gesagt, dass er von Umerziehungslagern nicht wisse und “stolz” sei auf die Arbeitsplätze, die Volkswagen in Xinjiang geschaffen habe. Dabei klingt er wie der ehemalige ZEIT-Herausgeber Theo Sommer, der 2019 behauptete, deutsche Unternehmen “können und werden in dem schwierigen Umfeld Xinjiangs einen Beitrag zum ersprießlichen Zusammenleben verschiedener Völkerschaften leisten. Dann werden – wie einst die südafrikanischen Schwarzen von BMW – eines Tages auch die Uiguren sagen können, wer zu den Mitarbeitern der deutschen Firmen gehört, der hat das große Los gezogen”.

                            Ganz so vehement wie Sommer würden wahrscheinlich nur wenige deutsche CEOs öffentlich argumentieren. Aber allzu oft wirken sie so, als hätten sie selbst das große Los des Kotaus gegenüber der chinesischen Führung gezogen. Der Journalist Robin Alexander berichtet in seinem Buch “Machtverfall” über die deutschen CEOs, die Merkel auf deren letzter China-Reise im September 2019 begleiteten: “Die Bosse haben auf die Kanzlerin eingewirkt, die chinesische Regierung nicht mit einer allzu deutlichen Kritik an der Aussetzung des Basic Law der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong und den Repressionen gegen die dortige Demokratiebewegung zu brüskieren”.

                            Weiter berichtet der Autor über eine Abstimmung unter den deutschen Managern während besagter Reise, ob sie die Chinesen ihrerseits auf die engere Überwachung von Internetaktivitäten chinesischer Belegschaften in Firmen mit deutscher Beteiligung ansprechen sollten – denn die gefährdet nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch deutsche Geschäftsgeheimnisse. Per Handzeichen im Kanzlerflugzeug stimmten die CEOs dagegen. Erschreckend daran ist, dass die Unternehmensführer auch dann gegenüber Peking zu kuschen scheinen, wenn ihre Kerninteressen tangiert sind.

                            Bei der Suche nach mehr strategischer Klarheit kombiniert mit Rückgrat könnten die CEOs beim BDI fündig werden. Dieser hatte im vergangenen Sommer ein Diskussionspapier über “Außenwirtschaftliche Zusammenarbeit mit Autokratien” zur “Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen im internationalen Systemwettbewerb” veröffentlicht und dabei den Begriff der “verantwortungsvollen Koexistenz” geprägt.

                            Mehr strategische Klarheit in der Chinapolitik ist auf Seiten von CEOs wie Busch dringend vonnöten, denn die vom Spectator verzerrte menschenrechtliche Komponente ist nicht das größte Problem. Ebenfalls beunruhigend ist, dass Busch die Klimakrise zu instrumentalisieren scheint für einen “Business as Usual”-Kurs gegenüber Peking. Und noch konsternierender ist die Tatsache, dass Busch die Thematik auf die Frage der Menschenrechte reduziert. Dabei geht es im Systemwettbewerb mit Pekings autoritärem Staatskapitalismus um weit mehr.

                            Zwangsarbeit ist nicht unser Hauptproblem, wenn wir uns bei Kerntechnologien für die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft von Produktion in China abhängig machen, oder wenn sich Unternehmen wie Volkswagen ein Klumpenrisiko China aufhalsen, in dem sie sich über Gebühr vom chinesischen Markt abhängig machen. 2020 unterzeichnete Siemens eine weitreichende “strategische Kooperationsvereinbarung” mit der schon erwähnten China Electronic Technology Group Corporation (CETC). Das Staatsunternehmen ist für das chinesische Militär als Zulieferer von zentraler Bedeutung. Tochterunternehmen von CETC unterliegen bereits US-Sanktionen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die USA auch die Siemens-Kooperation mit CETC genauer anschauen werden.

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                              Portrait

                              Johannes Vogel – FDP-Politiker mit China-Fokus

                              Johannes Vogel, FDP, im Portrait über seine China-Erfahrung.
                              Johannes Vogel ist stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe

                              Eigentlich war es eine Niederlage, die Johannes Vogel nach China führte. Der FDP-Politiker hatte gerade seinen Job als Bundestagsabgeordneter verloren. Die Partei war bei den Bundestagswahlen 2013 krachend gescheitert. Von 14,6 Prozent rauschten die Liberalen auf 4,8 Prozent ab. Vogel sagt, damals habe er miterlebt, wie man eine Partei vor die Wand fährt. Und was machte er? Ging erst einmal weg. Nach dem Wahlfiasko entschied er, für ein Vierteljahr zu einem Freund nach Peking zu ziehen, um Chinesisch zu lernen. 

                              Dort nahm er in einer Sprachschule Einzelunterricht. Wenn er von diesen knapp drei Monaten berichtet, in denen Politik nur noch ein “zeitintensives Hobby” für ihn war, dann erzählt er von den Reisen durch ein Land der Polaritäten. Nach seinem Sprachkurs war er in der inneren Mongolei, auf deren Hochebenen gigantische Windparks entstehen. Er war in menschenleeren Geisterstädten, die so schnell hochgezogen wurden, dass sie noch komplett unbewohnt sind. Er besuchte Landstriche ohne Kanalisation deren Bewohner ihre Brunnen deshalb regelmäßig reinigen mussten.

                              Von Peking zurück nach Berlin

                              Das alles ist jetzt zwei Legislaturperioden her. Heute ist der 39-Jährige zurück im politischen Berlin. Bei den Wahlen 2021 zog er auf Platz fünf der NRW-Landesliste in den Bundestag ein. Mitte Dezember wurde er zum parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion gewählt. Von seinem eigentlichen Job als Leiter der Strategieabteilung der Arbeitsagentur ist er seit dem politischen Comeback seiner Partei 2017 beurlaubt. China hat er, der auch stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe ist, aber weiter im Blick.

                              “Für dieses Land kann man sich einfach nicht nicht interessieren”, erklärt er. Und gerade jetzt, nach dem Politikwechsel in Berlin, rückt das wechselseitige deutsch-chinesische Interesse wieder in den Fokus. Wie sieht die China-Politik der neuen Bundesregierung aus? Die FDP gilt als eine Partei, die eine besonders strenge Linie gegenüber China verfolgt – trotz wirtschaftlicher Interessen. Die Ratifikation des EU-China-Investitionsabkommens wird “zurzeit nicht stattfinden”. So steht es im Koalitionsvertrag. “Das wird auch nicht passieren, solange China Sanktionen gegen EU-Politiker verhängt”, ergänzt Vogel. Gemeint sind unter anderem die deutschen Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer (Grüne) und Michael Gahler (CDU). Stattdessen will die neue Bundesregierung “Chinas Menschenrechtsverletzungen klar thematisieren”.

                              Mehr Austausch mit Malaysia, Australien und Hongkong

                              Wie passt das zu einer wirtschaftsliberalen Partei? Man stehe für wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheiten. Das hat der Politikwissenschaftler Vogel bereits in einem China.Table-Interview kurz vor der Bundestagswahl betont. Das seien unteilbare Aspekte – und Kernwerte der Liberalen. Lange hoffte man, die Liberalisierung der Wirtschaft in China führe auch zu einer freieren Gesellschaft. Seit Xi Jinping weiß man, dass diese Hoffnungen unerfüllt bleiben werden. Was das bedeuten kann, hat Vogel selbst erlebt: In Hongkong erzählt er, sprach er einst noch mit freien Abgeordneten, die inzwischen inhaftiert sind. In diesem Systemwettbewerb dürfe Deutschland nicht schweigen, fordert er. Aber was bedeutet das genau?

                              Vogel plädiert dafür, den Austausch mit anderen asiatischen Akteuren zu verstärken: Malaysia, Australien – und eben mit Hongkong. “Das ist der große Hebel”, sagt er, der schon einmal als “der Mann hinter und neben Parteichef Christian Lindner” bezeichnet wurde.

                              Aufgewachsen sind beide in der Kleinstadt Wermelskirchen im Bergischen Land. Nach der Schule absolvierte Vogel seinen Zivildienst als Rettungssanitäter. Später studierte er in Bonn Politikwissenschaften, Geschichte und Völkerrecht. Einen seiner neuen Koalitionspartner kennt Vogel noch aus alten Zeiten: Zwischenzeitlich engagiert er sich für die Grüne Jugend. Dort störte ihn, wie über das Unternehmertum gesprochen wurde. Seit 1999 ist er Mitglied bei der FDP. Wenige Jahre später wurde er Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen. In dieser Zeit leitete er eine Delegationsreise nach China. Später wurde Vogel stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe, die den Kontakt zu den Parlamenten der jeweiligen Partnerländer pflegen.

                              Mehr Konflikte mit China könnten mehr Konflikte in der Koalition bedeuten

                              Gegenüber China fehle eine gemeinsame EU-Strategie, kritisiert Vogel. Dabei seien die derzeitigen Entwicklungen mehr als besorgniserregend. Der chinesische Sicherheitsapparat wachse rasant. Seit Corona werde die digitale Überwachung in China immer umfassender. Dass sie irgendwann nach der Pandemie wieder zurückgefahren wird, hält Vogel für unwahrscheinlich. “Corona ist eine Zäsur.” Vielmehr warnt er vor einer zur großen Abhängigkeit von China. Und betont, es brauche stattdessen Reziprozität – also Wechselseitigkeit.

                              Ob das auch im wechselseitigen Einvernehmen zwischen den Koalitionspartnern aufgehen wird? Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Angela Merkel versichert, dass sich an der grundsätzlichen Linie der deutsch-chinesischen Beziehungen nichts ändern werde, berichtete die Wirtschaftswoche. In Sachen China-Politik könnte dem neuen parlamentarischen Geschäftsführer noch der ein oder andere Konflikt drohen. Pauline Schinkels

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                                Zhang Yang wird neuer CEO der Automarke Aiways aus Shanghai. Zhang hat zuvor für den direkten Elektroauto-Konkurrenten Nio gearbeitet.

                                China.Table Redaktion

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