Table.Briefing: China

Russland kauft chinesische Autos + Indiens Smartphone-Markt

  • Nach den Sanktionen: Chinas Autobauer streben nach Russland
  • Xiaomi und Oppo überschwemmen indischen Handymarkt
  • Wegen Ukraine-Krieg: Peking besorgt um Rohstoffe und Energie
  • EU-Parlament: Desinformation mit Sanktionen stoppen
  • “Säule der Schande” steht nun in Budapest
  • Überalterung – Fünfjahresplan zur Pflege vorgelegt
  • Portrait: Yu Wensheng – der mutige Anwalt ist wieder frei
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Weltgemeinschaft hat den russischen Angriff auf Ukraine verurteilt und den Abzug der Truppen Russlands gefordert. China enthielt sich am Mittwoch bei der historischen Abstimmung in der Notfallsitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Die Resolution lasse die “Geschichte und Komplexität des Konflikts” außer Betracht, erklärte der chinesische UN-Botschafter Zhang Jun im Anschluss an das Votum. Zudem sei darin nicht die Dringlichkeit, die Konfrontation politisch zu lösen, ausgedrückt und die Sicherheitsbedenken aller beteiligten Staaten berücksichtigt, so der Botschafter. China sei jedoch bereit, “weiterhin eine konstruktive Rolle einzunehmen”. Chinas Enthaltung – neben 34 weiteren Staaten – ist keine Überraschung. Peking versucht sich seit einer Woche an einem wackeligen Balanceakt aus wirtschaftlichen und politischen Interessen in dem Konflikt.

Die zunehmende Isolation Russlands durch den Westen könnte chinesischen Autobauern Aufwind geben. Fahrzeuge aus der Volksrepublik sind bereits in den vergangenen Jahren in Russland beliebt geworden. Die chinesischen Hersteller halten bereits einen größeren Marktanteil als russische. Und durch den Rückzug westlicher Anbieter könnten sich nun noch größere Lücken öffnen für Marken wie Chery und Haval, wie Finn Mayer-Kuckuk analysiert. Denn Russland habe nie eine Strategie wie China gehabt, sich das Know-how selbst anzueignen. Am Ende könnte das Land in der Kfz-Branche sogar zu einem Satelliten Chinas werden.

Große Teile eines anderen Markts bestimmt China bereits: In Indien dominieren chinesische Smartphone-Marken. Fast alle lokal verkauften chinesischen Smartphones werden jedoch in Indien produziert, wie Frank Sieren schreibt. Der Marktanteil einheimischer Marken sinkt dabei dramatisch. Die enger werdende Tech-Verzahnung könnte jedoch helfe, die politischen Spannungen zwischen den beiden Staaten zu mindern.

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Analyse

Russlands Automarkt: Bald in chinesischer Hand?

tos von Chery warten am Hafen Lianyungang auf die Verschiffung nach Russland. Auch China
Autos von Chery warten am Hafen Lianyungang auf die Verschiffung nach Russland (Archivbild)

Vor der Invasion der Ukraine lief es für die chinesischen Autohersteller auf dem russischen Markt sehr gut. Der Marktanteil lag zuletzt bei 7,5 Prozent. Das bewegt sich zwar noch weit hinter den Europäern, Koreanern und Japanern. Aber es markiert eine Verdoppelung im Vergleich zu 2020. Und es ist deutlich mehr als der Anteil der russischen Anbieter. Diese kamen im eigenen Land nur auf 5,3 Prozent.

Neben den guten Handelsbeziehungen liegt das auch an der Konkurrenzfähigkeit der chinesischen Produkte. “Die Wahrnehmung chinesischer Marken hat sich fundamental gewandelt”, sagt der unabhängige Auto-Analyst Sergej Burgaslijew dem Portal Yicai. Qualität und Design sind in den vergangenen Jahren auf Weltklasseniveau vorgerückt. Besonders erfolgreich war in Russland zuletzt die Marke Chery, gefolgt von Great Wall, Geely, Changan und FAW. Auch Elektroautos gelten in Russland als künftiger Wachstumsmarkt für chinesische Anbieter.

Renault und Hyundai haben in Russland besonders viel zu verlieren. Die chinesische Konkurrenz holt rasch auf. (Marktanteile in Prozent)

Diese Entwicklung gewinnt durch den Ukraine-Krieg eine besondere Bedeutung. Denn westliche Autofirmen haben begonnen, sich aus dem russischen Markt zurückzuziehen. BMW hat die Ausfuhr eingestellt und rechnet mit Störungen der Herstellung vor Ort. Volvo und GM haben ihre Lieferungen nach Russland ebenfalls aufgegeben. Daimler Trucks hat seine Zusammenarbeit mit dem russischen Lkw-Hersteller Kamaz beendet. Volkswagen blockiert die Auslieferung von fertigen Fahrzeugen. Das Unternehmen betreibt seine russischen Fabriken allerdings weiter. Anders Toyota, das die Bänder angehalten hat. Die Werke leiden bereits unter einem Mangel an Teilen, die normalerweise von internationalen Zulieferern kommen.

Die Produktion vor Ort ist nur wenig eigenständig. Technisch anspruchsvolle Teile werden aus anderen Ländern importiert. Die Autos werden in Russland oft nur zusammengeschraubt. “Die Technik sitzt in Europa oder China”, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Duisburg. Auch die alte Marke Lada ist heute mehrheitlich im Besitz der Renault-Gruppe und technisch von ihr abhängig. Russland hatte nie eine Strategie wie China, sich das Know-how selbst anzueignen.

China will nun auf breiter Front in die Lücke stoßen, die sich durch die Sanktionen auftut. “China und Russland setzen ihre normale Handelszusammenarbeit fort”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking am Mittwoch. Er warnte die westlichen Länder davor, sogenannte sekundäre Sanktionen zu verhängen. Durch sekundäre Sanktionen werden in westlichen Ländern chinesische Firmen bestraft, die mit Russland Geschäfte machen. Eine chinesische Bank, die einem russischen Unternehmen einen Kredit gewährt, könnte dann auch in New York belangt werden.

Russland: Hohe Yuan-Reserven ermöglichen Importe aus Fernost

Der konkrete Grund für den mangelnden Nachschub von Autos und Autoteilen aus EU, USA und Japan liegt für Russland bisher in den Finanzsanktionen. Russland kann nach dem Ausschluss vom Zahlungssystem Swift seine Importe nur noch unter erschwerten Bedingungen bezahlen. Dazu kommt, dass die Währungsreserven des Landes in der EU eingefroren sind. Auch hier befindet sich China in einer besonderen Stellung gegenüber Russland (China.Table berichtete). Denn Russland kann zwar im Westen nichts mehr bezahlen, verfügt aber über nutzbare Devisenreserven in Yuan. Diese werden auf den Gegenwert von 70 bis 80 Milliarden Euro geschätzt.

Russland kann zudem in China weiterhin Einnahmen erzielen, die dann in Yuan anfallen. China ist mehr denn je auf Energielieferungen angewiesen, und Russland hat reichlich Öl und Gas zur Verfügung (China.Table berichtete). Die eingenommenen Yuan lassen sich direkt für chinesische Produkte ausgeben. Im Prinzip kann China daher in vielen Wirtschaftsbereichen das wegbrechende Europageschäft für eine ganze Weile ausgleichen. Allerdings schrumpfen die Möglichkeiten Russlands zum Konsum wegen der anstehen Wirtschaftskrise schnell zusammen.

Dudenhöffers Forschungsteam rechnet infolge der Sanktionen mit einem Einbruch des russischen Automarkts zwischen 34 und 52 Prozent. Der Absatz dort läge dann um oder unter einer Million Stück. Sein optimistisches Szenario geht von erheblicher Hilfe aus China in Form von Krediten aus. Im pessimistischen Szenario mischt China sich nicht ein und trägt einfach durch Passivität zum russischen Niedergang bei.

Russland wird “Wirtschafts-Satellit von China”

Zusammen mit dem Schrumpfen des Marktes wäre aber in jedem Fall eine Verschiebung hin zu den weiterhin verfügbaren chinesischen Waren zu erwarten. Great Wall hat mit seiner Marke Haval bereits eine starke Grundlage für die weitere Expansion gelegt. Das Unternehmen hat rund eine halbe Milliarde Euro in die Werke in Russland gesteckt und ein Händlernetz aufgebaut. Geely betreibt im verbündeten Nachbarland Belarus eine Fertigung und versorgt den russischen Markt von dort.

Die Stärkung der chinesischen Marken infolge der Sanktionen geht vor allem auf Kosten von Renault, Hyundai und Volkswagen, die bisher die größten Marktanteile haben. Insgesamt ist die Entwicklung auf dem Automarkt jedoch vor allem als ein Puzzleteil einer größeren Entwicklung zu sehen, die sich bereits abzeichnet: “Russland könnte in dem optimistischen Szenario zu einem Wirtschaft-Satelliten von China zusammenschmelzen”, wie Dudenhöffer es ausdrückt. Im pessimistischen Szenario verliert es jede wirtschaftliche Bedeutung.

Chinas Smartphones dominieren indischen Markt

Im vergangenen Jahr kamen vier der fünf größten Smartphone-Marken in Indien aus China. Obwohl die politischen Spannungen zwischen den beiden Staaten anhalten und Neu-Delhi die chinesischen Tech-Unternehmen genau beobachtet, konnten sich chinesische Smartphone-Marken im vergangenen Jahr noch stärker auf dem indischen Markt etablieren. Der größte Gewinner war Xiaomi mit einem Wachstum von 258 Prozent im Premium-Smartphone-Segment (Preise ab 400 US-Dollar). Das Unternehmen aus Peking ist Marktführer mit einem Marktanteil von 24 Prozent, gefolgt von Samsung mit 18 Prozent. Vivo aus dem südchinesischem Guangdong war mit insgesamt 25,1 Millionen Auslieferungen und einem Marktanteil von 15,6 Prozent der drittgrößte Smartphone-Anbieter, gefolgt von den ebenfalls aus China stammenden Newcomern Realme und Oppo. 

Die Chinesen produzieren Smartphones lokal in Indien

Insgesamt verzeichnete der indische Smartphone-Markt im Jahr 2021 ein Wachstum von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die chinesischen Smartphones helfen und schaden dem Wachstum der indischen Wirtschaft gleichzeitig. So wie die westlichen Hersteller einerseits gezwungen wurden, immer mehr Produkte für den chinesischen Markt in China herzustellen, müssen die Chinesen in Indien produzieren. Bereits seit 2015 stellen die Chinesen ihre Smartphones lokal her. Im Februar 2021 erklärte Xiaomi, dass 99 Prozent der in Indien verkauften Smartphones bereits vor Ort hergestellt wurden. 

Doch anders als den chinesischen Marken gelingt es den einheimischen Herstellern nicht, sich gegen die chinesische Konkurrenz wettbewerbsfähig aufzustellen. Der Anteil indischer Smartphone-Unternehmen ist von 68 Prozent im Jahr 2015 auf nur noch ein Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Indische Marken wie Micromax, Lava, Karbonn und Intex sind bereits so gut wie verdrängt. Im gleichen Zeitraum stieg der Volumenanteil der chinesischen Marken von 32 Prozent auf 99 Prozent. Die Verdrängung bedeutet keine gute Entwicklung für Indiens Wirtschaft. Denn die Wertschöpfung bei eigens entwickelten Produkten ist höher, wenn beispielsweise Forschung und Entwicklung im eigenen Land stattfinden.

Indien reagierte mit Verboten gegen Chinas Tech-Industrie

Dass die Chinesen so weit vorne mitspielen, verwundert angesichts der Tatsache, dass Neu-Delhi eigentlich seine einheimische Technologieindustrie stärken und deswegen die Reichweite der chinesischen Tech-Unternehmen in Indien so gering wie möglich halten möchte. Im Zuge gewalttätiger Grenzstreitigkeiten hatte Indien im vergangenen Januar ein Verbot von 59 chinesischen Apps verhängt, darunter TikTok und WeChat. Diesen Monat kamen weitere 54 Apps auf die schwarze Liste, von denen einige chinesischen Ursprungs sind, darunter auch neue Klone bereits verbotener Apps.

Das indische Ministerium für Elektronik und Informationstechnologie erklärte, die Apps seien “der Souveränität und Integrität Indiens, der Verteidigung Indiens und der Sicherheit des Staates und der öffentlichen Ordnung abträglich”. Auch sonst stehen die Tech-Unternehmen unter Beobachtung. Im Januar wurde Xiaomi in Indien dazu verurteilt, Einfuhrsteuern in Höhe von umgerechnet 88 Millionen US-Dollar nachzuzahlen. Die indische Regierung kann es sich jedoch politisch nicht leisten, die chinesischen Smartphones zu verbieten, die bei den Indern sehr gut ankommen. 

Verzahnung im Tech-Bereich wächst

Allerdings nahmen die Investitionen der chinesischen Tech-Unternehmen in Indien zu. Peking hatte ein strengeres Kartellrecht gegen die Tech-Riesen durchgesetzt und damit deren Wachstum im Heimatmarkt gebremst. Im vergangenen Sommer, auf der Höhe des Crackdowns, sanken die Investitionen für chinesische Start-ups von 17,3 Milliarden Dollar im Juni auf 4,8 Milliarden US-Dollar im Juli, während die Investitionen in indische Start-ups im gleichen Zeitraum von 1,6 Milliarden US-Dollar auf fast acht Milliarden US-Dollar gestiegen sind.

China und Indien verzahnen sich nicht nur im Smartphone-Bereich, sondern auch im Tech-Bereich insgesamt immer enger. Die chinesischen Hersteller begeben sich mit ihren Produktionsanlagen und sonstigen Investitionen in indische Abhängigkeit. Die Inder sind abhängig von chinesischen Smartphones. Dass China und Indien wirtschaftlich enger zusammenwachsen, dürfte jedoch stärker im politischen Interesse Pekings sein. Die Machtposition Indiens in den politischen Auseinandersetzungen, zum Beispiel über die umstrittenen gemeinsamen Grenzen, wird damit nicht größer. 

  • Apps
  • Indien
  • Technologie

News

Kriegsfolgen: Peking sorgt sich um Versorgung

Peking hat wichtige Regierungsbehörden angewiesen, die Energie- und Rohstoffversorgung auch während des russischen Kriegs gegen Ukraine sicherzustellen, wie Bloomberg berichtet. Staatliche Einkäufer sollen demnach mögliche Versorgungslücken bei Rohstoffen wie Öl und Gas, Eisenerz sowie Getreide, die durch den Krieg entstehen könnten, über die internationalen Märkte schließen. Die Ukraine ist ein wichtiger Getreide-Lieferant der Volksrepublik. Die Importe aus der Ukraine machen bei einigen Sorten gut fünf Prozent der chinesischen Produktion aus. Aus Russland bezieht China Öl, Gas und Kohle sowie Industrierohstoffe wie Nickel, Palladium und Aluminium.

Die Sicherstellung der Versorgung hat für China hohe Priorität. Peking ist besorgt über die Auswirkungen, die der Anstieg der weltweiten Rohstoffpreise auf die chinesische Wirtschaft haben wird, gibt Bloomberg Personen wieder, die mit den Vorgängen vertraut sind. Maßnahmen zur Stützung des chinesischen Wachstums könnten durch den kriegsbedingten Anstieg der Rohstoffpreise erschwert werden. Es wird erwartet, dass Peking zum Nationalen Volkskongress am Wochenende weitere Konjunkturmaßnahmen ankündigt.

Chinesische Kraftwerke und Stahlhersteller suchen nach Bloomberg-Informationen derzeit nach Alternativen zu russischer Kohle, nachdem China die Importe aus Russland kurzfristig eingeschränkt hat (China.Table berichtete). Trotz dieser Anweisungen, sich auf dem Weltmarkt nach Alternativen zu russischen Importen umzusehen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking, der chinesisch-russische Handel werde trotz der westlichen Sanktionen gegen Moskau nicht gestört.

Beim Thema Flüssiggas (LNG) verhandeln China, Indien und die EU, um Preissteigerungen für alle Beteiligten zu verhindern. Das geht aus einem neuen Entwurf für die Energie-Kommunikation der Kommission hervor, die nun für den 9. März terminiert ist. nib/ber

  • Energie
  • Rohstoffe
  • Ukraine

EU-Parlament fordert Sanktionen gegen Desinformation

Das EU-Parlament warnt vor zunehmenden Desinformationskampagnen aus China. Um dem Problem beizukommen, fordert das Parlament ein EU-Sanktionssystem. Vor allem im Westbalkan sei die Desinformation aus Fernost “viel diffiziler” geworden, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Viola von Cramon-Taubadel am Mittwoch. In der Region kauften chinesische Herausgeber Zeitungen oder gründeten eigene Publikationen, womit eine China-kritische Berichterstattung im Westbalkan immer schwieriger werde. Der Sonderausschuss für ausländische Einflussnahme des Europaparlaments (INGE) pocht deshalb nun unter anderem auf die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten.

Die Akteure können davon ausgehen, dass ihre Kampagnen gegen die EU keine Konsequenzen nach sich ziehen werden, merkt der INGE-Ausschuss in seinem ersten Bericht an. Der Grund: Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben “derzeit keine besondere Sanktionsregelung” im Hinblick auf solche Desinformationskampagnen. Über den Bericht wird kommende Woche im Europaparlament debattiert und abgestimmt. Wie entsprechende Sanktionen aussehen könnten, nennt der Bericht nicht. In dem Text wird zudem eine enge Überprüfung der Konfuzius-Institute in Europa gefordert.

Neben den Sanktionsmöglichkeiten wird eine generelle Stärkung der Abwehrfähigkeit gefordert. Entsprechende Taskforces des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) benötigten mehr Kapazität und ein klares Mandat. Dass die EU nicht ausreichend gegen Desinformation aus China ausgestattet ist, ist kein neues Problem (China.Table berichtete). Ein generelles Verbot chinesischer Staatsmedien wie CCTV, China Daily oder Global Times, ähnlich wie derzeit die Abschaltung der russischen Medien RT und Sputnik, lehnt Cramon-Taubadel jedoch ab. Es sei nicht das Ziel, keine Lizenzen mehr zu erteilen, so die Grünen-Politikerin. Die Fälle von Sputnik und RT seinen angesichts des russischen Einmarsches in Ukraine anders zu bewerten. ari

  • China-Sanktionen
  • EU
  • Gesellschaft

“Säule der Schande” in Budapest aufgebaut

“Säule der Schande”, hier noch auf dem Gelände der Universität Hongkong.

Die “Pillar of Shame” des dänischen Bildhauers Jens Galschiøt hat eine neue Heimat gefunden. Die drei Meter hohe Skulptur wurde am Mittwoch zwischen der “Free Hong Kong Road” und der “Uyghur Martyrs Road” in Budapest aufgestellt.

Um den Ort für die Statue tobt seit Wochen ein politischer Kampf: Zunächst hatte Ungarns Präsident Victor Orbán angekündigt, an dieser Stelle eine von China unterstützte Universität zu errichten. Daraufhin kam es zu Protesten. Anschließend beschloss die Stadtverwaltung von Budapest, die Straßen um den geplanten Standort umzubenennen. Sollte die Universität also tatsächlich gebaut werden, würde sie zwischen den Straßen “Free Hong Kong Road” und “Uyghur Martyrs Road” und dem “Dalai Lama Square” liegen. Und seit dem gestrigen Mittwoch in Sichtweite der “Säule der Schande”.

Inzwischen wurden außerdem mehr als 200.000 Unterschriften gesammelt, um ein Referendum über den Bau zu erreichen (China.Table berichtete). Das umstrittene Projekt mit der Fudan-Universität in Shanghai machte die Beziehungen zwischen China und Ungarn zuletzt auch zum Wahlkampfthema (China.Table berichtete).

Die drei Meter hohe Skulptur von Galschiøt erinnert an eines der dunkelsten Kapitel der chinesischen Geschichte: die blutige Niederschlagung der Proteste im Juni 1989. Gut 24 Jahre stand sie auf dem Gelände der Universität Hongkong. Dort musste die “Säule der Schande” im Januar verschwinden (China.Table berichtete). Das wurde damit begründet, dass die Existenz der Skulptur gegen das nationale Sicherheitsgesetz verstoße. Das im Juli 2020 in Kraft getretene Gesetz erlaubt es den Behörden, gegen alle Aktivitäten vorzugehen, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen.

In Budapest wird die Statue aus Hongkong gleichen Text auf dem Sockel tragen wie ihre Pendants in Mexiko und Brasilien: “The old can not kill the young forever”. Laut Jens Galschiøt sollen die Worte nicht nur daran erinnern, was auf chinesischen Befehl hin in Hongkong mit der Statue geschah. Auch Russlands Krieg in der Ukraine verleihe seiner Arbeit wieder traurige Aktualität. Putin stehe für die Vergangenheit, hofft Galschiøt. rad

  • Hongkong
  • Menschenrechte
  • Ungarn
  • Zivilgesellschaft

Plan zur Stärkung der Pflege vorgestellt

Chinas Behörden wollen den Zugang älterer Bürger zur medizinischen Versorgung verbessern. Das geht aus einem jüngst veröffentlichten Fünfjahresplan für die Altenpflege hervor, über den die South China Morning Post berichtet. Der Plan zeige demnach die dringende Notwendigkeit auf, die Gesundheitsdienste für ältere Menschen zu verbessern.

Aufgrund des starken Geburtenrückgangs und geringer Zuwanderung steht China in den kommenden Jahrzehnten vor einer Überalterung der Gesellschaft. Schon heute sind knapp 19 Prozent der Chinesen über 60 Jahre alt – fast 270 Millionen Menschen. Laut der Nationalen Kommission für Gesundheit und Medizin gebe es “immer noch Regionen mit unausgewogener und unzureichender Altenpflege und Altenpflegediensten“, schreibt die SCMP.

Zudem gebe es einen akuten Mangel an häuslichen Pflegediensten für ältere Menschen und Bürger mit Einschränkungen. Mehr als 80 Prozent der älteren Bürger leiden demnach an mindestens einer chronischen Krankheit. Das Ziel des vorherigen Fünfjahresplans zur Erhöhung der Anzahl der Betten in der Altenpflege wurde demnach weit verfehlt. Auch in China müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen teils lange auf einen Pflegeplatz warten.

Neben einem besseren Zugang zur Altenpflege sieht der Fünfjahresplan die Stärkung von Reha-Dienstleistungen vor, die auf der traditionellen chinesischen Medizin beruhen. Zudem will der Staat vermehrt Altenpflege-Einrichtungen errichten und Personal einstellen. Die lokalen Behörden und die Staatsunternehmen sollen zur Verbesserung der Lage beitragen, so die Behörden. nib

  • Demografie
  • Gesellschaft
  • Gesundheit

Presseschau

China bat Russland um Invasion erst nach Olympia SUEDDEUTSCHE
China steht im Ukraine-Krieg hinter Russland – Wie ein Experte Pekings Strategie einordnet HANDELSBLATT
Chinese in Ukraine Fend for Themselves as Beijing Takes a Careful Stance on Russia’s Invasion WSJ
China versucht, Staatsbürger aus Ukraine zu evakuieren HANDELSBLATT
Sanktionen: Westliche Konzerne ziehen sich aus Russland zurück – kommt jetzt China? EURONEWS
China Won’t Take Part in Western Financial Sanctions on Russia: Bank Regulator Chief WSJ
US-Delegation sichert Taiwan Unterstützung gegen China zu SPIEGEL
Taiwan: USA sehen Frieden und Stabilität in Indopazifik-Region im globalen Interesse RND
China, Eying Taiwan, Gets Lesson From Ukraine’s Stiff Resistance WSJ
Taiwan president to donate a month’s salary for Ukraine relief efforts REUTERS
Russland und Belarus bei Paralympics in Peking dabei FAZ
Hongkonger Radio-DJ wegen angeblicher Aufwiegelung verurteilt SPIEGEL
Hong Kong, Buckling Under Covid, Leaves Its Most Vulnerable in the Cold NYTIMES
‘A new culture’: discovery in China reveals ochre processing in east Asia up to 41,000 years ago GUARDIAN

Portrait

Yu Wensheng – Anwalt ohne Rechte

Yu Wensheng ist chinesischer Anwalt und Aktivist. Nach vier Jahren Haft in Nanjing wurde er am 1. März entlassen.
Yu Wensheng – Chinesischer Anwalt und Demokratieaktivist

Mehr als vier Jahre ist es her, dass Yu Wensheng dauerhaft in Gewahrsam genommen wurde. Am 19. Januar 2018 stoppte ein gutes Dutzend Polizei- und Zivilbeamte den Anwalt, als der seinen Sohn zu Fuß zur Schule begleitete. Danach dauerte es dreieinhalb Jahre, bis Yu seinen Sohn wiedersah – im Gefängnis in Nanjing.

Der 54-Jährige saß dort ein, nachdem ihn das Mittlere Volksgericht Xuzhou der Provinz Jiangsu schuldig gesprochen hatte. Der Vorwurf: Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt. Yu hatte einen Tag vor seiner Festnahme einen offenen Brief verfasst, in dem er Reformen für die chinesische Verfassung vorschlug. Freie Wahlen hatte er darin gefordert und eine Kontrollinstanz für das Handeln der Kommunistischen Partei, die seit 1949 die Volksrepublik China autoritär regiert.

Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Yu war schließlich kein unbeschriebenes Blatt. Er war den Sicherheitsbehörden schon viele Jahre ein Dorn im Auge. 2014 hatte er die Regenschirmproteste in Hongkong unterstützt. Die Bewegung war eine Reaktion auf die damalige Wahlrechtsform der Stadt, die die demokratische Teilhabe der Bürger:innen bei der Bestimmung ihrer politischen Führer drastisch einschränkte. 99 Tage wurde Yu damals für seine Solidarität weggesperrt.

2015 gab es dafür die nächste Quittung. Als die chinesische Regierung mit der sogenannten 709-Razzia in den Wochen nach dem 15. Juli (7/09/15) mehr als 200 Aktivisten und Anwälte in einer konzertierten Aktion festnahm, war auch Yu Wensheng betroffen. Seine Frau Xu Yan erinnert sich an 20 Männer, die Anfang August des gleichen Jahres vor der Wohnungstür standen und sich schließlich mit einer Kettensäge Einlass verschafften, nachdem Yu Wensheng sich geweigert hatte zu öffnen. Yu blieb diesmal nur 24 Stunden in Haft. Danach kümmerte er sich um die Verteidigung der weiterhin Inhaftierten.

Seinen Mut, sich für Veränderungen in seiner Heimat mit dem übermächtigen und notorisch gnadenlosen Gegner anzulegen, verlor er durch die wiederholten Inhaftierungen nicht. Er vertrat gegenüber dem Staat die Rechte von Landsleuten, deren persönlichen Interessen mit denen des Staates kollidierten – Menschenrechtsaktivisten, Bittsteller, Anwaltskollegen. Yu pochte stets auf die festgeschriebenen Rechte des Volkes.

Yu war Teil einer Gruppe, die Peking wegen schlechter Luft verklagte

Ein Jahr später tauchte sein Name erneut prominent auf. Er war Teil einer sechsköpfigen Gruppe, die die Städte Peking und Tianjin sowie die Provinz Hebei wegen der massiven Luftverschmutzung in der Region verklagt hatte. “Schwere Pflichtverletzung”, lautete der Vorwurf. Die Juristen verlangten eine öffentliche Entschuldigung der Verwaltungen und finanzielle Entschädigungen. Der Fall machte weltweit Schlagzeilen. Die Klage wurde jedoch abgeschmettert. Yu blieb eine erneute Haft allerdings erspart.

Bis zu jenem Tag, als er sich entschied, das Große und Ganze zu kritisieren. Sein offener Brief war der Beginn eines Martyriums. Es dauerte Monate, ehe Yu Wensheng aus der sogenannten Residential Surveillance at a Designated Location (RSDL) in die formelle Haft überführt wurde. RSDL ist ein Rechtsmittel in der Grauzone, das die Polizei anwendet, um Menschen monatelang wegzusperren. Es autorisiert die Behörden, weder die Familien der Betroffen über Ort und Dauer der Ingewahrsamnahme zu informieren, noch einen rechtlichen Beistand gewähren zu müssen.

Im April 2018 erhielt Ehefrau Xu ein Schreiben, das von ihrem Mann unterschrieben war. Darin setzte er den Anwalt ab, der sich in ihrem Auftrag für ihn eingesetzt hatte. Er wolle auch auf von ihr organisierten Rechtsbeistand verzichten, hieß es in dem Papier. Yu wusste offenbar, dass er zu seiner Unterschrift unter ein solches Dokument gezwungen würde. In einer weitsichtig vorbereiteten Videonachricht hatte er betont, dass er in der Haft nicht freiwillig seinen Anwalt absetzen würde. In späteren Gesprächen mit seiner Frau klagte er darüber, dass er seinen Pflichtverteidiger teilweise länger als ein Jahr nicht zu Gesicht bekommen hatte.

Yu erlitt Nervenschäden durch Folter und Prügel durch Mithäftlinge

Knapp ein Jahr nach seinem offenen Brief zeichneten ihn die Bundesrepublik und Frankreich mit dem Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit aus. Die Auszeichnung bewahrte Yu nicht vor einer Verurteilung. Im Mai 2019 wurde er in Xuzhou heimlich vor Gericht gestellt. Ohne Kenntnis der Außenwelt und ohne Anwalt machte ihm das chinesische Volksgericht den Prozess. Aber erst ein Jahr später gab das Gericht ein Urteil bekannt: vier Jahre Haft.

Anfang vergangenen Jahres verschaffte die Martin-Ennals-Stiftung dem Fall noch einmal verstärkte Aufmerksamkeit. Yu war einer von drei Preisträger:innen, die mit dem jährlich vergebenen Martin-Ennals-Award ausgezeichnet wurden. Der Namensgeber der Stiftung war Generalsekretär von Amnesty International in den 1970er-Jahren. Doch auch Appelle der Europäischen Union und von Menschenrechtsorganisationen an die chinesische Regierung zur Freilassung des Anwalts versandeten.

China war fest entschlossen, Yu Wensheng die komplette Dauer der Strafe absitzen zu lassen. In Gesprächen mit seiner Frau erzählte er von der Folter, die er durchlitt. Stundenlang musste er auf einem Metallstuhl sitzen, bis ihn Muskelkrämpfe marterten. Er magerte ab, weil ihm die Nahrung reduziert wurde. Im Sommer sperrte man ihn in nicht-klimatisierte Zellen ein, in denen es so warm wurde, dass er ohnmächtig wurde. Es kam vor, dass Mithäftlinge ohne erkennbaren Grund auf ihn einprügelten. In der Folge erlitt er Nervenleiden in der Hand und im Gesicht. Er, der Rechtshänder, kann Stifte und Essstäbchen heute nur noch mit links halten.

Am 1. März ist Yu Wensheng aus der Haft in Nanjing entlassen worden. Er reiste umgehend nach Peking zu seiner Familie. Seine Gefangenschaft ist vorerst beendet. Seine gesellschaftliche Ächtung ist es nicht. Als Anwalt arbeiten darf Yu nicht mehr. Seine Lizenz wurde ihm schon vor Jahren entzogen. Marcel Grzanna

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  • Zivilgesellschaft

Personalien

Oliver Lutz Radtke wechselt nach zehn Jahren bei der Bosch-Stiftung zur Heinrich-Böll-Stiftung. Dort ist er ab sofort Chief Representative China. Fürs Erste wird er in Berlin mitarbeiten.

Zhang Yong ist als CEO der Hotpot-Restaurantkette Haidilao zurückgetreten. Der Gründer des Unternehmens wird sich stattdessen der strategischen Planung des Unternehmens widmen. Yang Lijuan, zuvor Vize-CEO, rückt auf den CEO-Posten auf.

Dessert

Vorbereitung für die Paralympischen Winterspiele: Die Fackelträger Li Rui und Zhou Jingjing tragen die paralympische Fackel zur Flammenzeremonie im Park des Himmelstempels in Peking. Die Fackel war am Montag in Stoke Mandeville entzündet worden. Das Dorf nordwestlich von London gilt als Geburtsort der Paralympischen Spiele. Gastgeberland China wartet zu den Paralympischen Winterspielen mit einer Rekord-Delegation auf: 96 Athlet:innen treten für die Volksrepublik an. Die Spiele beginnen am morgigen Freitag und dauern bis zum 13. März.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Nach den Sanktionen: Chinas Autobauer streben nach Russland
    • Xiaomi und Oppo überschwemmen indischen Handymarkt
    • Wegen Ukraine-Krieg: Peking besorgt um Rohstoffe und Energie
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    • “Säule der Schande” steht nun in Budapest
    • Überalterung – Fünfjahresplan zur Pflege vorgelegt
    • Portrait: Yu Wensheng – der mutige Anwalt ist wieder frei
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    die Weltgemeinschaft hat den russischen Angriff auf Ukraine verurteilt und den Abzug der Truppen Russlands gefordert. China enthielt sich am Mittwoch bei der historischen Abstimmung in der Notfallsitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Die Resolution lasse die “Geschichte und Komplexität des Konflikts” außer Betracht, erklärte der chinesische UN-Botschafter Zhang Jun im Anschluss an das Votum. Zudem sei darin nicht die Dringlichkeit, die Konfrontation politisch zu lösen, ausgedrückt und die Sicherheitsbedenken aller beteiligten Staaten berücksichtigt, so der Botschafter. China sei jedoch bereit, “weiterhin eine konstruktive Rolle einzunehmen”. Chinas Enthaltung – neben 34 weiteren Staaten – ist keine Überraschung. Peking versucht sich seit einer Woche an einem wackeligen Balanceakt aus wirtschaftlichen und politischen Interessen in dem Konflikt.

    Die zunehmende Isolation Russlands durch den Westen könnte chinesischen Autobauern Aufwind geben. Fahrzeuge aus der Volksrepublik sind bereits in den vergangenen Jahren in Russland beliebt geworden. Die chinesischen Hersteller halten bereits einen größeren Marktanteil als russische. Und durch den Rückzug westlicher Anbieter könnten sich nun noch größere Lücken öffnen für Marken wie Chery und Haval, wie Finn Mayer-Kuckuk analysiert. Denn Russland habe nie eine Strategie wie China gehabt, sich das Know-how selbst anzueignen. Am Ende könnte das Land in der Kfz-Branche sogar zu einem Satelliten Chinas werden.

    Große Teile eines anderen Markts bestimmt China bereits: In Indien dominieren chinesische Smartphone-Marken. Fast alle lokal verkauften chinesischen Smartphones werden jedoch in Indien produziert, wie Frank Sieren schreibt. Der Marktanteil einheimischer Marken sinkt dabei dramatisch. Die enger werdende Tech-Verzahnung könnte jedoch helfe, die politischen Spannungen zwischen den beiden Staaten zu mindern.

    Ihre
    Amelie Richter
    Bild von Amelie  Richter

    Analyse

    Russlands Automarkt: Bald in chinesischer Hand?

    tos von Chery warten am Hafen Lianyungang auf die Verschiffung nach Russland. Auch China
    Autos von Chery warten am Hafen Lianyungang auf die Verschiffung nach Russland (Archivbild)

    Vor der Invasion der Ukraine lief es für die chinesischen Autohersteller auf dem russischen Markt sehr gut. Der Marktanteil lag zuletzt bei 7,5 Prozent. Das bewegt sich zwar noch weit hinter den Europäern, Koreanern und Japanern. Aber es markiert eine Verdoppelung im Vergleich zu 2020. Und es ist deutlich mehr als der Anteil der russischen Anbieter. Diese kamen im eigenen Land nur auf 5,3 Prozent.

    Neben den guten Handelsbeziehungen liegt das auch an der Konkurrenzfähigkeit der chinesischen Produkte. “Die Wahrnehmung chinesischer Marken hat sich fundamental gewandelt”, sagt der unabhängige Auto-Analyst Sergej Burgaslijew dem Portal Yicai. Qualität und Design sind in den vergangenen Jahren auf Weltklasseniveau vorgerückt. Besonders erfolgreich war in Russland zuletzt die Marke Chery, gefolgt von Great Wall, Geely, Changan und FAW. Auch Elektroautos gelten in Russland als künftiger Wachstumsmarkt für chinesische Anbieter.

    Renault und Hyundai haben in Russland besonders viel zu verlieren. Die chinesische Konkurrenz holt rasch auf. (Marktanteile in Prozent)

    Diese Entwicklung gewinnt durch den Ukraine-Krieg eine besondere Bedeutung. Denn westliche Autofirmen haben begonnen, sich aus dem russischen Markt zurückzuziehen. BMW hat die Ausfuhr eingestellt und rechnet mit Störungen der Herstellung vor Ort. Volvo und GM haben ihre Lieferungen nach Russland ebenfalls aufgegeben. Daimler Trucks hat seine Zusammenarbeit mit dem russischen Lkw-Hersteller Kamaz beendet. Volkswagen blockiert die Auslieferung von fertigen Fahrzeugen. Das Unternehmen betreibt seine russischen Fabriken allerdings weiter. Anders Toyota, das die Bänder angehalten hat. Die Werke leiden bereits unter einem Mangel an Teilen, die normalerweise von internationalen Zulieferern kommen.

    Die Produktion vor Ort ist nur wenig eigenständig. Technisch anspruchsvolle Teile werden aus anderen Ländern importiert. Die Autos werden in Russland oft nur zusammengeschraubt. “Die Technik sitzt in Europa oder China”, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Duisburg. Auch die alte Marke Lada ist heute mehrheitlich im Besitz der Renault-Gruppe und technisch von ihr abhängig. Russland hatte nie eine Strategie wie China, sich das Know-how selbst anzueignen.

    China will nun auf breiter Front in die Lücke stoßen, die sich durch die Sanktionen auftut. “China und Russland setzen ihre normale Handelszusammenarbeit fort”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking am Mittwoch. Er warnte die westlichen Länder davor, sogenannte sekundäre Sanktionen zu verhängen. Durch sekundäre Sanktionen werden in westlichen Ländern chinesische Firmen bestraft, die mit Russland Geschäfte machen. Eine chinesische Bank, die einem russischen Unternehmen einen Kredit gewährt, könnte dann auch in New York belangt werden.

    Russland: Hohe Yuan-Reserven ermöglichen Importe aus Fernost

    Der konkrete Grund für den mangelnden Nachschub von Autos und Autoteilen aus EU, USA und Japan liegt für Russland bisher in den Finanzsanktionen. Russland kann nach dem Ausschluss vom Zahlungssystem Swift seine Importe nur noch unter erschwerten Bedingungen bezahlen. Dazu kommt, dass die Währungsreserven des Landes in der EU eingefroren sind. Auch hier befindet sich China in einer besonderen Stellung gegenüber Russland (China.Table berichtete). Denn Russland kann zwar im Westen nichts mehr bezahlen, verfügt aber über nutzbare Devisenreserven in Yuan. Diese werden auf den Gegenwert von 70 bis 80 Milliarden Euro geschätzt.

    Russland kann zudem in China weiterhin Einnahmen erzielen, die dann in Yuan anfallen. China ist mehr denn je auf Energielieferungen angewiesen, und Russland hat reichlich Öl und Gas zur Verfügung (China.Table berichtete). Die eingenommenen Yuan lassen sich direkt für chinesische Produkte ausgeben. Im Prinzip kann China daher in vielen Wirtschaftsbereichen das wegbrechende Europageschäft für eine ganze Weile ausgleichen. Allerdings schrumpfen die Möglichkeiten Russlands zum Konsum wegen der anstehen Wirtschaftskrise schnell zusammen.

    Dudenhöffers Forschungsteam rechnet infolge der Sanktionen mit einem Einbruch des russischen Automarkts zwischen 34 und 52 Prozent. Der Absatz dort läge dann um oder unter einer Million Stück. Sein optimistisches Szenario geht von erheblicher Hilfe aus China in Form von Krediten aus. Im pessimistischen Szenario mischt China sich nicht ein und trägt einfach durch Passivität zum russischen Niedergang bei.

    Russland wird “Wirtschafts-Satellit von China”

    Zusammen mit dem Schrumpfen des Marktes wäre aber in jedem Fall eine Verschiebung hin zu den weiterhin verfügbaren chinesischen Waren zu erwarten. Great Wall hat mit seiner Marke Haval bereits eine starke Grundlage für die weitere Expansion gelegt. Das Unternehmen hat rund eine halbe Milliarde Euro in die Werke in Russland gesteckt und ein Händlernetz aufgebaut. Geely betreibt im verbündeten Nachbarland Belarus eine Fertigung und versorgt den russischen Markt von dort.

    Die Stärkung der chinesischen Marken infolge der Sanktionen geht vor allem auf Kosten von Renault, Hyundai und Volkswagen, die bisher die größten Marktanteile haben. Insgesamt ist die Entwicklung auf dem Automarkt jedoch vor allem als ein Puzzleteil einer größeren Entwicklung zu sehen, die sich bereits abzeichnet: “Russland könnte in dem optimistischen Szenario zu einem Wirtschaft-Satelliten von China zusammenschmelzen”, wie Dudenhöffer es ausdrückt. Im pessimistischen Szenario verliert es jede wirtschaftliche Bedeutung.

    Chinas Smartphones dominieren indischen Markt

    Im vergangenen Jahr kamen vier der fünf größten Smartphone-Marken in Indien aus China. Obwohl die politischen Spannungen zwischen den beiden Staaten anhalten und Neu-Delhi die chinesischen Tech-Unternehmen genau beobachtet, konnten sich chinesische Smartphone-Marken im vergangenen Jahr noch stärker auf dem indischen Markt etablieren. Der größte Gewinner war Xiaomi mit einem Wachstum von 258 Prozent im Premium-Smartphone-Segment (Preise ab 400 US-Dollar). Das Unternehmen aus Peking ist Marktführer mit einem Marktanteil von 24 Prozent, gefolgt von Samsung mit 18 Prozent. Vivo aus dem südchinesischem Guangdong war mit insgesamt 25,1 Millionen Auslieferungen und einem Marktanteil von 15,6 Prozent der drittgrößte Smartphone-Anbieter, gefolgt von den ebenfalls aus China stammenden Newcomern Realme und Oppo. 

    Die Chinesen produzieren Smartphones lokal in Indien

    Insgesamt verzeichnete der indische Smartphone-Markt im Jahr 2021 ein Wachstum von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die chinesischen Smartphones helfen und schaden dem Wachstum der indischen Wirtschaft gleichzeitig. So wie die westlichen Hersteller einerseits gezwungen wurden, immer mehr Produkte für den chinesischen Markt in China herzustellen, müssen die Chinesen in Indien produzieren. Bereits seit 2015 stellen die Chinesen ihre Smartphones lokal her. Im Februar 2021 erklärte Xiaomi, dass 99 Prozent der in Indien verkauften Smartphones bereits vor Ort hergestellt wurden. 

    Doch anders als den chinesischen Marken gelingt es den einheimischen Herstellern nicht, sich gegen die chinesische Konkurrenz wettbewerbsfähig aufzustellen. Der Anteil indischer Smartphone-Unternehmen ist von 68 Prozent im Jahr 2015 auf nur noch ein Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Indische Marken wie Micromax, Lava, Karbonn und Intex sind bereits so gut wie verdrängt. Im gleichen Zeitraum stieg der Volumenanteil der chinesischen Marken von 32 Prozent auf 99 Prozent. Die Verdrängung bedeutet keine gute Entwicklung für Indiens Wirtschaft. Denn die Wertschöpfung bei eigens entwickelten Produkten ist höher, wenn beispielsweise Forschung und Entwicklung im eigenen Land stattfinden.

    Indien reagierte mit Verboten gegen Chinas Tech-Industrie

    Dass die Chinesen so weit vorne mitspielen, verwundert angesichts der Tatsache, dass Neu-Delhi eigentlich seine einheimische Technologieindustrie stärken und deswegen die Reichweite der chinesischen Tech-Unternehmen in Indien so gering wie möglich halten möchte. Im Zuge gewalttätiger Grenzstreitigkeiten hatte Indien im vergangenen Januar ein Verbot von 59 chinesischen Apps verhängt, darunter TikTok und WeChat. Diesen Monat kamen weitere 54 Apps auf die schwarze Liste, von denen einige chinesischen Ursprungs sind, darunter auch neue Klone bereits verbotener Apps.

    Das indische Ministerium für Elektronik und Informationstechnologie erklärte, die Apps seien “der Souveränität und Integrität Indiens, der Verteidigung Indiens und der Sicherheit des Staates und der öffentlichen Ordnung abträglich”. Auch sonst stehen die Tech-Unternehmen unter Beobachtung. Im Januar wurde Xiaomi in Indien dazu verurteilt, Einfuhrsteuern in Höhe von umgerechnet 88 Millionen US-Dollar nachzuzahlen. Die indische Regierung kann es sich jedoch politisch nicht leisten, die chinesischen Smartphones zu verbieten, die bei den Indern sehr gut ankommen. 

    Verzahnung im Tech-Bereich wächst

    Allerdings nahmen die Investitionen der chinesischen Tech-Unternehmen in Indien zu. Peking hatte ein strengeres Kartellrecht gegen die Tech-Riesen durchgesetzt und damit deren Wachstum im Heimatmarkt gebremst. Im vergangenen Sommer, auf der Höhe des Crackdowns, sanken die Investitionen für chinesische Start-ups von 17,3 Milliarden Dollar im Juni auf 4,8 Milliarden US-Dollar im Juli, während die Investitionen in indische Start-ups im gleichen Zeitraum von 1,6 Milliarden US-Dollar auf fast acht Milliarden US-Dollar gestiegen sind.

    China und Indien verzahnen sich nicht nur im Smartphone-Bereich, sondern auch im Tech-Bereich insgesamt immer enger. Die chinesischen Hersteller begeben sich mit ihren Produktionsanlagen und sonstigen Investitionen in indische Abhängigkeit. Die Inder sind abhängig von chinesischen Smartphones. Dass China und Indien wirtschaftlich enger zusammenwachsen, dürfte jedoch stärker im politischen Interesse Pekings sein. Die Machtposition Indiens in den politischen Auseinandersetzungen, zum Beispiel über die umstrittenen gemeinsamen Grenzen, wird damit nicht größer. 

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    News

    Kriegsfolgen: Peking sorgt sich um Versorgung

    Peking hat wichtige Regierungsbehörden angewiesen, die Energie- und Rohstoffversorgung auch während des russischen Kriegs gegen Ukraine sicherzustellen, wie Bloomberg berichtet. Staatliche Einkäufer sollen demnach mögliche Versorgungslücken bei Rohstoffen wie Öl und Gas, Eisenerz sowie Getreide, die durch den Krieg entstehen könnten, über die internationalen Märkte schließen. Die Ukraine ist ein wichtiger Getreide-Lieferant der Volksrepublik. Die Importe aus der Ukraine machen bei einigen Sorten gut fünf Prozent der chinesischen Produktion aus. Aus Russland bezieht China Öl, Gas und Kohle sowie Industrierohstoffe wie Nickel, Palladium und Aluminium.

    Die Sicherstellung der Versorgung hat für China hohe Priorität. Peking ist besorgt über die Auswirkungen, die der Anstieg der weltweiten Rohstoffpreise auf die chinesische Wirtschaft haben wird, gibt Bloomberg Personen wieder, die mit den Vorgängen vertraut sind. Maßnahmen zur Stützung des chinesischen Wachstums könnten durch den kriegsbedingten Anstieg der Rohstoffpreise erschwert werden. Es wird erwartet, dass Peking zum Nationalen Volkskongress am Wochenende weitere Konjunkturmaßnahmen ankündigt.

    Chinesische Kraftwerke und Stahlhersteller suchen nach Bloomberg-Informationen derzeit nach Alternativen zu russischer Kohle, nachdem China die Importe aus Russland kurzfristig eingeschränkt hat (China.Table berichtete). Trotz dieser Anweisungen, sich auf dem Weltmarkt nach Alternativen zu russischen Importen umzusehen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking, der chinesisch-russische Handel werde trotz der westlichen Sanktionen gegen Moskau nicht gestört.

    Beim Thema Flüssiggas (LNG) verhandeln China, Indien und die EU, um Preissteigerungen für alle Beteiligten zu verhindern. Das geht aus einem neuen Entwurf für die Energie-Kommunikation der Kommission hervor, die nun für den 9. März terminiert ist. nib/ber

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    EU-Parlament fordert Sanktionen gegen Desinformation

    Das EU-Parlament warnt vor zunehmenden Desinformationskampagnen aus China. Um dem Problem beizukommen, fordert das Parlament ein EU-Sanktionssystem. Vor allem im Westbalkan sei die Desinformation aus Fernost “viel diffiziler” geworden, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Viola von Cramon-Taubadel am Mittwoch. In der Region kauften chinesische Herausgeber Zeitungen oder gründeten eigene Publikationen, womit eine China-kritische Berichterstattung im Westbalkan immer schwieriger werde. Der Sonderausschuss für ausländische Einflussnahme des Europaparlaments (INGE) pocht deshalb nun unter anderem auf die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten.

    Die Akteure können davon ausgehen, dass ihre Kampagnen gegen die EU keine Konsequenzen nach sich ziehen werden, merkt der INGE-Ausschuss in seinem ersten Bericht an. Der Grund: Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben “derzeit keine besondere Sanktionsregelung” im Hinblick auf solche Desinformationskampagnen. Über den Bericht wird kommende Woche im Europaparlament debattiert und abgestimmt. Wie entsprechende Sanktionen aussehen könnten, nennt der Bericht nicht. In dem Text wird zudem eine enge Überprüfung der Konfuzius-Institute in Europa gefordert.

    Neben den Sanktionsmöglichkeiten wird eine generelle Stärkung der Abwehrfähigkeit gefordert. Entsprechende Taskforces des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) benötigten mehr Kapazität und ein klares Mandat. Dass die EU nicht ausreichend gegen Desinformation aus China ausgestattet ist, ist kein neues Problem (China.Table berichtete). Ein generelles Verbot chinesischer Staatsmedien wie CCTV, China Daily oder Global Times, ähnlich wie derzeit die Abschaltung der russischen Medien RT und Sputnik, lehnt Cramon-Taubadel jedoch ab. Es sei nicht das Ziel, keine Lizenzen mehr zu erteilen, so die Grünen-Politikerin. Die Fälle von Sputnik und RT seinen angesichts des russischen Einmarsches in Ukraine anders zu bewerten. ari

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    • EU
    • Gesellschaft

    “Säule der Schande” in Budapest aufgebaut

    “Säule der Schande”, hier noch auf dem Gelände der Universität Hongkong.

    Die “Pillar of Shame” des dänischen Bildhauers Jens Galschiøt hat eine neue Heimat gefunden. Die drei Meter hohe Skulptur wurde am Mittwoch zwischen der “Free Hong Kong Road” und der “Uyghur Martyrs Road” in Budapest aufgestellt.

    Um den Ort für die Statue tobt seit Wochen ein politischer Kampf: Zunächst hatte Ungarns Präsident Victor Orbán angekündigt, an dieser Stelle eine von China unterstützte Universität zu errichten. Daraufhin kam es zu Protesten. Anschließend beschloss die Stadtverwaltung von Budapest, die Straßen um den geplanten Standort umzubenennen. Sollte die Universität also tatsächlich gebaut werden, würde sie zwischen den Straßen “Free Hong Kong Road” und “Uyghur Martyrs Road” und dem “Dalai Lama Square” liegen. Und seit dem gestrigen Mittwoch in Sichtweite der “Säule der Schande”.

    Inzwischen wurden außerdem mehr als 200.000 Unterschriften gesammelt, um ein Referendum über den Bau zu erreichen (China.Table berichtete). Das umstrittene Projekt mit der Fudan-Universität in Shanghai machte die Beziehungen zwischen China und Ungarn zuletzt auch zum Wahlkampfthema (China.Table berichtete).

    Die drei Meter hohe Skulptur von Galschiøt erinnert an eines der dunkelsten Kapitel der chinesischen Geschichte: die blutige Niederschlagung der Proteste im Juni 1989. Gut 24 Jahre stand sie auf dem Gelände der Universität Hongkong. Dort musste die “Säule der Schande” im Januar verschwinden (China.Table berichtete). Das wurde damit begründet, dass die Existenz der Skulptur gegen das nationale Sicherheitsgesetz verstoße. Das im Juli 2020 in Kraft getretene Gesetz erlaubt es den Behörden, gegen alle Aktivitäten vorzugehen, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen.

    In Budapest wird die Statue aus Hongkong gleichen Text auf dem Sockel tragen wie ihre Pendants in Mexiko und Brasilien: “The old can not kill the young forever”. Laut Jens Galschiøt sollen die Worte nicht nur daran erinnern, was auf chinesischen Befehl hin in Hongkong mit der Statue geschah. Auch Russlands Krieg in der Ukraine verleihe seiner Arbeit wieder traurige Aktualität. Putin stehe für die Vergangenheit, hofft Galschiøt. rad

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    Plan zur Stärkung der Pflege vorgestellt

    Chinas Behörden wollen den Zugang älterer Bürger zur medizinischen Versorgung verbessern. Das geht aus einem jüngst veröffentlichten Fünfjahresplan für die Altenpflege hervor, über den die South China Morning Post berichtet. Der Plan zeige demnach die dringende Notwendigkeit auf, die Gesundheitsdienste für ältere Menschen zu verbessern.

    Aufgrund des starken Geburtenrückgangs und geringer Zuwanderung steht China in den kommenden Jahrzehnten vor einer Überalterung der Gesellschaft. Schon heute sind knapp 19 Prozent der Chinesen über 60 Jahre alt – fast 270 Millionen Menschen. Laut der Nationalen Kommission für Gesundheit und Medizin gebe es “immer noch Regionen mit unausgewogener und unzureichender Altenpflege und Altenpflegediensten“, schreibt die SCMP.

    Zudem gebe es einen akuten Mangel an häuslichen Pflegediensten für ältere Menschen und Bürger mit Einschränkungen. Mehr als 80 Prozent der älteren Bürger leiden demnach an mindestens einer chronischen Krankheit. Das Ziel des vorherigen Fünfjahresplans zur Erhöhung der Anzahl der Betten in der Altenpflege wurde demnach weit verfehlt. Auch in China müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen teils lange auf einen Pflegeplatz warten.

    Neben einem besseren Zugang zur Altenpflege sieht der Fünfjahresplan die Stärkung von Reha-Dienstleistungen vor, die auf der traditionellen chinesischen Medizin beruhen. Zudem will der Staat vermehrt Altenpflege-Einrichtungen errichten und Personal einstellen. Die lokalen Behörden und die Staatsunternehmen sollen zur Verbesserung der Lage beitragen, so die Behörden. nib

    • Demografie
    • Gesellschaft
    • Gesundheit

    Presseschau

    China bat Russland um Invasion erst nach Olympia SUEDDEUTSCHE
    China steht im Ukraine-Krieg hinter Russland – Wie ein Experte Pekings Strategie einordnet HANDELSBLATT
    Chinese in Ukraine Fend for Themselves as Beijing Takes a Careful Stance on Russia’s Invasion WSJ
    China versucht, Staatsbürger aus Ukraine zu evakuieren HANDELSBLATT
    Sanktionen: Westliche Konzerne ziehen sich aus Russland zurück – kommt jetzt China? EURONEWS
    China Won’t Take Part in Western Financial Sanctions on Russia: Bank Regulator Chief WSJ
    US-Delegation sichert Taiwan Unterstützung gegen China zu SPIEGEL
    Taiwan: USA sehen Frieden und Stabilität in Indopazifik-Region im globalen Interesse RND
    China, Eying Taiwan, Gets Lesson From Ukraine’s Stiff Resistance WSJ
    Taiwan president to donate a month’s salary for Ukraine relief efforts REUTERS
    Russland und Belarus bei Paralympics in Peking dabei FAZ
    Hongkonger Radio-DJ wegen angeblicher Aufwiegelung verurteilt SPIEGEL
    Hong Kong, Buckling Under Covid, Leaves Its Most Vulnerable in the Cold NYTIMES
    ‘A new culture’: discovery in China reveals ochre processing in east Asia up to 41,000 years ago GUARDIAN

    Portrait

    Yu Wensheng – Anwalt ohne Rechte

    Yu Wensheng ist chinesischer Anwalt und Aktivist. Nach vier Jahren Haft in Nanjing wurde er am 1. März entlassen.
    Yu Wensheng – Chinesischer Anwalt und Demokratieaktivist

    Mehr als vier Jahre ist es her, dass Yu Wensheng dauerhaft in Gewahrsam genommen wurde. Am 19. Januar 2018 stoppte ein gutes Dutzend Polizei- und Zivilbeamte den Anwalt, als der seinen Sohn zu Fuß zur Schule begleitete. Danach dauerte es dreieinhalb Jahre, bis Yu seinen Sohn wiedersah – im Gefängnis in Nanjing.

    Der 54-Jährige saß dort ein, nachdem ihn das Mittlere Volksgericht Xuzhou der Provinz Jiangsu schuldig gesprochen hatte. Der Vorwurf: Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt. Yu hatte einen Tag vor seiner Festnahme einen offenen Brief verfasst, in dem er Reformen für die chinesische Verfassung vorschlug. Freie Wahlen hatte er darin gefordert und eine Kontrollinstanz für das Handeln der Kommunistischen Partei, die seit 1949 die Volksrepublik China autoritär regiert.

    Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Yu war schließlich kein unbeschriebenes Blatt. Er war den Sicherheitsbehörden schon viele Jahre ein Dorn im Auge. 2014 hatte er die Regenschirmproteste in Hongkong unterstützt. Die Bewegung war eine Reaktion auf die damalige Wahlrechtsform der Stadt, die die demokratische Teilhabe der Bürger:innen bei der Bestimmung ihrer politischen Führer drastisch einschränkte. 99 Tage wurde Yu damals für seine Solidarität weggesperrt.

    2015 gab es dafür die nächste Quittung. Als die chinesische Regierung mit der sogenannten 709-Razzia in den Wochen nach dem 15. Juli (7/09/15) mehr als 200 Aktivisten und Anwälte in einer konzertierten Aktion festnahm, war auch Yu Wensheng betroffen. Seine Frau Xu Yan erinnert sich an 20 Männer, die Anfang August des gleichen Jahres vor der Wohnungstür standen und sich schließlich mit einer Kettensäge Einlass verschafften, nachdem Yu Wensheng sich geweigert hatte zu öffnen. Yu blieb diesmal nur 24 Stunden in Haft. Danach kümmerte er sich um die Verteidigung der weiterhin Inhaftierten.

    Seinen Mut, sich für Veränderungen in seiner Heimat mit dem übermächtigen und notorisch gnadenlosen Gegner anzulegen, verlor er durch die wiederholten Inhaftierungen nicht. Er vertrat gegenüber dem Staat die Rechte von Landsleuten, deren persönlichen Interessen mit denen des Staates kollidierten – Menschenrechtsaktivisten, Bittsteller, Anwaltskollegen. Yu pochte stets auf die festgeschriebenen Rechte des Volkes.

    Yu war Teil einer Gruppe, die Peking wegen schlechter Luft verklagte

    Ein Jahr später tauchte sein Name erneut prominent auf. Er war Teil einer sechsköpfigen Gruppe, die die Städte Peking und Tianjin sowie die Provinz Hebei wegen der massiven Luftverschmutzung in der Region verklagt hatte. “Schwere Pflichtverletzung”, lautete der Vorwurf. Die Juristen verlangten eine öffentliche Entschuldigung der Verwaltungen und finanzielle Entschädigungen. Der Fall machte weltweit Schlagzeilen. Die Klage wurde jedoch abgeschmettert. Yu blieb eine erneute Haft allerdings erspart.

    Bis zu jenem Tag, als er sich entschied, das Große und Ganze zu kritisieren. Sein offener Brief war der Beginn eines Martyriums. Es dauerte Monate, ehe Yu Wensheng aus der sogenannten Residential Surveillance at a Designated Location (RSDL) in die formelle Haft überführt wurde. RSDL ist ein Rechtsmittel in der Grauzone, das die Polizei anwendet, um Menschen monatelang wegzusperren. Es autorisiert die Behörden, weder die Familien der Betroffen über Ort und Dauer der Ingewahrsamnahme zu informieren, noch einen rechtlichen Beistand gewähren zu müssen.

    Im April 2018 erhielt Ehefrau Xu ein Schreiben, das von ihrem Mann unterschrieben war. Darin setzte er den Anwalt ab, der sich in ihrem Auftrag für ihn eingesetzt hatte. Er wolle auch auf von ihr organisierten Rechtsbeistand verzichten, hieß es in dem Papier. Yu wusste offenbar, dass er zu seiner Unterschrift unter ein solches Dokument gezwungen würde. In einer weitsichtig vorbereiteten Videonachricht hatte er betont, dass er in der Haft nicht freiwillig seinen Anwalt absetzen würde. In späteren Gesprächen mit seiner Frau klagte er darüber, dass er seinen Pflichtverteidiger teilweise länger als ein Jahr nicht zu Gesicht bekommen hatte.

    Yu erlitt Nervenschäden durch Folter und Prügel durch Mithäftlinge

    Knapp ein Jahr nach seinem offenen Brief zeichneten ihn die Bundesrepublik und Frankreich mit dem Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit aus. Die Auszeichnung bewahrte Yu nicht vor einer Verurteilung. Im Mai 2019 wurde er in Xuzhou heimlich vor Gericht gestellt. Ohne Kenntnis der Außenwelt und ohne Anwalt machte ihm das chinesische Volksgericht den Prozess. Aber erst ein Jahr später gab das Gericht ein Urteil bekannt: vier Jahre Haft.

    Anfang vergangenen Jahres verschaffte die Martin-Ennals-Stiftung dem Fall noch einmal verstärkte Aufmerksamkeit. Yu war einer von drei Preisträger:innen, die mit dem jährlich vergebenen Martin-Ennals-Award ausgezeichnet wurden. Der Namensgeber der Stiftung war Generalsekretär von Amnesty International in den 1970er-Jahren. Doch auch Appelle der Europäischen Union und von Menschenrechtsorganisationen an die chinesische Regierung zur Freilassung des Anwalts versandeten.

    China war fest entschlossen, Yu Wensheng die komplette Dauer der Strafe absitzen zu lassen. In Gesprächen mit seiner Frau erzählte er von der Folter, die er durchlitt. Stundenlang musste er auf einem Metallstuhl sitzen, bis ihn Muskelkrämpfe marterten. Er magerte ab, weil ihm die Nahrung reduziert wurde. Im Sommer sperrte man ihn in nicht-klimatisierte Zellen ein, in denen es so warm wurde, dass er ohnmächtig wurde. Es kam vor, dass Mithäftlinge ohne erkennbaren Grund auf ihn einprügelten. In der Folge erlitt er Nervenleiden in der Hand und im Gesicht. Er, der Rechtshänder, kann Stifte und Essstäbchen heute nur noch mit links halten.

    Am 1. März ist Yu Wensheng aus der Haft in Nanjing entlassen worden. Er reiste umgehend nach Peking zu seiner Familie. Seine Gefangenschaft ist vorerst beendet. Seine gesellschaftliche Ächtung ist es nicht. Als Anwalt arbeiten darf Yu nicht mehr. Seine Lizenz wurde ihm schon vor Jahren entzogen. Marcel Grzanna

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    • Menschenrechte
    • Zivilgesellschaft

    Personalien

    Oliver Lutz Radtke wechselt nach zehn Jahren bei der Bosch-Stiftung zur Heinrich-Böll-Stiftung. Dort ist er ab sofort Chief Representative China. Fürs Erste wird er in Berlin mitarbeiten.

    Zhang Yong ist als CEO der Hotpot-Restaurantkette Haidilao zurückgetreten. Der Gründer des Unternehmens wird sich stattdessen der strategischen Planung des Unternehmens widmen. Yang Lijuan, zuvor Vize-CEO, rückt auf den CEO-Posten auf.

    Dessert

    Vorbereitung für die Paralympischen Winterspiele: Die Fackelträger Li Rui und Zhou Jingjing tragen die paralympische Fackel zur Flammenzeremonie im Park des Himmelstempels in Peking. Die Fackel war am Montag in Stoke Mandeville entzündet worden. Das Dorf nordwestlich von London gilt als Geburtsort der Paralympischen Spiele. Gastgeberland China wartet zu den Paralympischen Winterspielen mit einer Rekord-Delegation auf: 96 Athlet:innen treten für die Volksrepublik an. Die Spiele beginnen am morgigen Freitag und dauern bis zum 13. März.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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