Table.Briefing: China

Mysteriöse Nachricht einer Verschwundenen + Interview Charlie Weimers

  • WTA zweifelt Echtheit von Peng Shuais E-Mail an
  • Neue Impulse für EU-Taiwan-Beziehungen
  • Deutschland setzt sich für inhaftierte Bloggerin ein
  • Erneut lange Haftstrafe in Hongkong
  • Lieferketten in China unter Beobachtung
  • Freiwillige Covid-Impfung für Kinder möglich
  • Portrait: Kai Müller zum “totalitären Tibet”
Liebe Leserin, lieber Leser,

wie auf Bestellung liefert die Kommunistische Partei zur ersten Ausgabe des China.Table Human Rights ein Paradebeispiel für ihre dramatisch schlechte Menschenrechtsbilanz. Der Fall der Tennisspielerin Peng Shuai zeigt, wie wenig Interesse das Regime an öffentlicher Aufklärung hat, wenn Vorwürfe gegen einen Spitzenkader laut werden.

Umso wichtiger ist es, dass wir hierzulande über die Menschen- und Bürgerrechtssituation in der Volksrepublik ausführlich berichten. Sicherlich nicht primär, um drastische Verbesserungen in China anzuschieben. Wenn wir ehrlich sind, ist uns das in den vergangenen drei Jahrzehnten schon nicht gelungen, obwohl Deutschland auf vielen Ebenen und in zahlreichen Foren immer wieder das Thema Menschenrechte auf den Tisch gebracht hat.

Heute verfolgt die Berichterstattung einen anderen Zweck. Sie bringt uns gute Gründe in Erinnerung, weshalb wir trotz aller wirtschaftlicher Verknüpfung und teils partnerschaftlicher Beziehungen zu China einen gesunden Sicherheitsabstand zu einem autoritären System wahren sollten.

In der heutigen Premierenausgabe erklärt uns der schwedische Europaparlamentarier Charlie Weimers, weshalb es stattdessen sinnvoll wäre, wenn die EU engere Verbindungen zu Taiwan knüpfen würde. Ein Argument, das Weimers nicht explizit erwähnt, liefere ich an dieser Stelle gerne vorweg: Taiwan ist ein erfolgreiches Beispiel für demokratische Entwicklung. Wenn wir uns solche Fortschritte auch in anderen Teil der Welt wünschen, sollten wir uns für den Erhalt der taiwanesischen Demokratie entsprechend engagieren. Andernfalls verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit als Verfechter der Freiheit.

Ein freundlicher Gruß

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Der Fall Peng Shuai: Mysteriöse Nachricht als Lebenszeichen

Zwei Wochen nach dem Verschwinden der chinesischen Profi-Tennisspielerin Peng Shuai gibt es ein vermeintliches Lebenszeichen. Am Mittwochabend erreichte Frauen-Weltverbandschef Steve Simon eine E-Mail im Namen der 35-Jährigen, die am 2. November einem Spitzenkader der Kommunistischen Partei einen sexuellen Übergriff vorgeworfen hatte und seitdem öffentlich keine Spur mehr hinterlassen hat (China.Table berichtete). Allerdings ist unklar, ob Peng die Nachricht überhaupt selbst und aus freien Stücken geschrieben hat oder möglicherweise dazu gezwungen wurde.

Mit einem Beitrag auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo hatte Peng den Stein ins Rollen gebracht. Obwohl der Eintrag nur wenige Minuten nach seiner Veröffentlichung schon wieder gelöscht wurde, kursierten Screenshots davon im Internet. Peng behauptet darin, der frühere Vizepremierminister Zhang Gaoli und sie hätten über einen Zeitraum von zehn Jahren eine Beziehung geführt. In ihrem Beitrag, dessen Urheberschaft nicht verifiziert werden konnte, ist unter anderem auch von Liebe und Zuneigung die Rede. Allerdings wirft Peng dem 75-Jährigen auch einen nicht einvernehmlichen sexuellen Übergriff vor.

CGTN verbreitet nach Verschwinden Email im Namen von Peng Shuai

Das Thema ist in China streng zensiert. Suchen nach Pengs Namen oder nach #MeToo im chinesischen Internet sind geblockt. Und auch Staatsmedien berichten nicht – jedenfalls nicht auf Chinesisch. Stattdessen verbreitete der chinesische Auslandssender CGTN die mysteriöse E-Mail-Nachricht, die angeblich von Peng selbst stammt und an den Chef des Frauentennis-Weltverbandes WTA gerichtet war. In der E-Mail heißt es: Die Berichte über sie, “einschließlich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung”, seien “nicht wahr”. Sie sei zurzeit zu Hause, um sich auszuruhen: “Alles ist gut.”

CGTN Screenshot von Peng Shuai über ihr Verschwinden
Screenshot der von CGTN auf Twitter verbreiteten, vermeintlichen E-Mail Pengs.

“Es fällt mir schwer zu glauben, dass Peng Shuai diese E-Mail, die wir bekommen haben, tatsächlich selbst geschrieben hat“, kommentierte Simon die Nachricht. In der Vergangenheit kam es in China immer wieder zu Fällen, in denen Festgehaltene vermeintlich freiwillig schriftliche Nachrichten abgesetzt hatten, um die besorgte Öffentlichkeit zu beruhigen.

Während das Thema in China selbst zwar erdrückt wird, schlagen die Wellen im Ausland hoch. Die WTA und der Rest der Welt bräuchten einen “unabhängigen und nachprüfbaren Beweis”, dass die Spielerin in Sicherheit ist, sagte Simon. Die Veröffentlichung durch chinesische Staatsmedien vergrößere seine Bedenken bezüglich ihrer Sicherheit und ihres Aufenthaltsorts. Er habe selbst wiederholt über verschiedene Wege vergeblich versucht, den Tennisstar zu erreichen. Auch die US-Tennis-Ikone Chris Evert, die Peng seit vielen Jahren kennt, hatte über soziale Medien Alarm geschlagen und um Hinweise auf den Verbleib Pengs gebeten.

Standen bei früheren #MeToo-Fällen in China etwa ein Universitätsprofessor und ein bekannter Fernsehmoderator im Mittelpunkt der Anschuldigungen, machte Peng erstmals Vorwürfe gegen einen hochrangigen Politiker öffentlich. Die Angelegenheit ist extrem delikat. Als ehemaliges Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros gehörte Zhang zwischen 2012 und 2017 dem engsten Machtzirkel der Kommunistischen Partei an. Der Fall hat das Potenzial, eine öffentliche Debatte über Moral und Verantwortung der Topkader zu initiieren. An solchen Diskussionen ist das Regime jedoch nicht interessiert und versucht ihre Ursachen schon im Keim zu ersticken.

Neue Dynamik für Boykott der Winterspiele

Dabei hatte es nach dem Posting von Peng auf Weibo zumindest kurz einen öffentlichen Aufschrei gegeben, ehe die Zensur einschritt und die Debatte abwürgte. Viele Chinesen:innen äußerten den Wunsch, dass der Fall aufgeklärt und Zhang Gaoli gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen wird.

Wenig überraschend stellt sich auch das Pekinger Außenministerium unwissend. “Ich habe noch nichts von der Angelegenheit gehört. Es handelt sich auch nicht um eine diplomatische Frage”, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian am Montag während des täglichen Briefings auf die Frage eines Journalisten nach Peng. 

Doch das Thema könnte noch politischer werden, als es der Führung in Peking lieb ist. Das Verschwinden von Peng verschaffte Menschenrechtlern neues Gehör, die einen diplomatischen Boykott der Winterspiele in Peking fordern. “Die chinesische Regierung hat eine lange Vorgeschichte, willkürlich Menschen in kontroversen Fällen festzuhalten, deren Meinungsäußerungen zu kontrollieren und ihnen erzwungene Erklärungen abzuringen”, kommentierten Human Rights Watch. “Diese Vorwürfe sollten nicht zensiert werden, sondern eine unparteiische und faire Untersuchung auslösen”, sagte William Nee von der Organisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD). 

Der wachsenden Zahl von Athleten:innen und Organisationen, die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit Pengs geäußert haben, schloss sich auch der japanische Tennis-Superstar Naomi Ōsaka an. “Zensur ist nie in Ordnung”, schrieb die 24-jährige auf Twitter unter dem Hashtag #WhereisPengShuai: “Ich bin schockiert über die aktuelle Situation und sende ihr Liebe und Licht.” Joern Petring/Gregor Koppenburg 

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    “China ist kein zuverlässiger Partner mehr”

    Der schwedische EU-Abgeordnete Charlie Weimers im Interview zu EU und Taiwan
    Der schwedische EU-Abgeordnete Charlie Weimers

    Kürzlich hat eine Delegation des Europaparlaments Taipeh besucht, der taiwanische Außenminister Joseph Wu war in Brüssel. Gibt es derzeit eine besondere Dynamik für die EU-Taiwan-Beziehungen?

    Ja. Darüber hinaus wurde in der Woche vor dem Besuch von Minister Wu auch die Empfehlung des Europaparlaments zu den EU-Taiwan-Beziehungen herausgegeben. Es gibt also auf jeden Fall einen Impuls dafür.

    Wie sehen Sie den Besuch der Abgeordneten des Sonderausschusses für ausländische Einflussnahme auf demokratische Prozesse (INGE) in Taipeh?

    Das ist eine großartige Gelegenheit, mehr über bewährte Verfahren zur Bekämpfung chinesischer Desinformation zu erfahren. Die EU und Taiwan sollten viel stärker zusammenarbeiten, um die besten Ansätze zur Förderung der Medienfreiheit und des Journalismus zu finden, unsere Zusammenarbeit im Bereich der Cybersicherheit zu vertiefen und gemeinsam die Widerstandsfähigkeit Taiwans und der Mitgliedsstaaten der EU zu stärken.

    Es war die allererste Delegation, die Taiwan besuchte. Warum wurde nicht schon früher eine Delegation geschickt?

    Im Jahr 2016 rissen Trump und der Brexit ein riesiges Loch in die Erzählung vom “Ende der Geschichte” (“The End of History and the Last Men”). Im folgenden Jahr war Präsident Xi Jinping der Liebling von Davos, was einige dazu veranlasste, die Fantasie zu hegen, dass China eine von den USA geführte internationale Ordnung ersetzen würde. Viele übersahen die Zeichen der Zeit und dachten fälschlicherweise, dass ihre wirtschaftliche Zukunft in China liege.

    In den letzten fünf Jahren ist es unvermeidbar geworden, Chinas Kampfbereitschaft gegenüber Nachbarn im nahen Ausland, die brutale interne Repression, Merkantilismus, den verleumdenden Einfluss in internationalen Institutionen und Drittstaaten, den Personenkult um Präsident Xi, zunehmende staatliche Kontrolle über Märkte, den demografischen Rückgang sowie Vertuschung, Desinformation und mangelnde Transparenz über die Ursprünge von Covid-19 zu sehen. Kurz gesagt, China ist kein zuverlässiger Partner mehr. Deshalb gibt es weniger Bedenken, China wegen Taiwan zu verärgern.

    Glauben Sie, dass es Vergeltungsmaßnahmen aus Peking für den INGE-Besuch geben wird?

    Als Reaktion auf EU-Sanktionen gegen China wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren hat China bereits Anfang des Jahres den Abgeordneten Raphaël Glucksmann (zusammen mit vier anderen EU-Abgeordneten) auf die schwarze Liste gesetzt. Im Oktober verweigerten sie einer US-Kongressdelegation Visa für China – es sei denn, sie stimmten zu, an einem bevorstehenden Besuch in Taiwan nicht teilzunehmen. Es ist durchaus möglich, dass sie auch die INGE-Abgeordneten sanktionieren.

    Als Taiwans Außenminister Wu nach Brüssel reiste, gab es keine offiziellen Treffen mit Vertretern der EU-Kommission oder des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS). Hätten sich diese Ihrer Meinung nach mit Herrn Wu treffen sollen?

    Ich denke, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hätte sich mit Minister Wu treffen sollen.

    Sind Sie als EU-Parlamentarier mit der Leistung des EEAS in Bezug auf die Taiwan-Politik zufrieden?

    Der EEAS hat damit begonnen, sich an das aktuelle Umfeld anzupassen.

    Sie haben Herrn Wu in Brüssel getroffen – was hat er Ihnen gesagt und was war seine Botschaft an die EU?

    Es war ein zukunftsweisendes Treffen, das sich auf die im Taiwan-Bericht des Europäischen Parlaments skizzierten Themen konzentrierte: Stärkung der Handelsbeziehungen, Taiwans Beteiligung an internationalen Organisationen, akademischer Austausch und Sicherheit in der Taiwanstraße. Außenminister Wu forderte eine Zusammenarbeit bei der weiteren Vertiefung der Beziehungen, einschließlich der Aufnahme von Verhandlungen über ein Investitionsabkommen.

    Wie kann die EU Taiwan unterstützen?

    Die Empfehlung des Europäischen Parlaments zu den politischen Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen der EU und Taiwan enthält viele Beispiele:

    • Den Beginn einer Folgenabschätzung, öffentlichen Konsultation und einer Scoping-Übung zu einem bilateralen Investitionsabkommen (BIA) mit Taiwan.
    • Die EU muss Chinas Handeln auf das Schärfste verurteilen und betonen, dass Chinas Vorgehen gegen Taiwan Konsequenzen für die Beziehungen zwischen der EU und China haben wird.
    • Die EU muss sich trotz des chinesischen Drucks nachdrücklich für eine sinnvolle Teilnahme Taiwans als Beobachter an Sitzungen, Mechanismen und Aktivitäten internationaler Gremien, einschließlich der WHO, einsetzen.

    Die INGE-Delegation ist nach Taipeh gereist, um sich über Desinformation und Cyber-Angriffe zu informieren. Sind bereits konkrete Projekte zwischen der EU und Taiwan geplant?

    Beide Seiten untersuchen Wege der Partnerschaft, einschließlich der möglichen Schaffung eines gemeinsamen Zentrums für Desinformation in Taipeh.

    Die EU-Kommission hält sich in der offiziellen Kommunikation an die “Ein-China-Politik”. Glauben Sie, das muss sich ändern? Braucht die EU einen härteren Tonfall, wenn es um Taiwan geht?

    Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EU-Institutionen haben damit begonnen, sich an die Entwicklungen im Indo-Pazifik anzupassen. Vorreiter sind Mitgliedstaaten wie Litauen und die Tschechische Republik.

    Welche Reaktion haben Sie von der EU-Kommission auf Ihren Taiwan-Bericht erhalten?

    Die Reaktion wurde während der Plenarsitzung im Oktober von EU-Vizepräsidentin Margrethe Vestager im Namen des EU-Außenbeauftragten Borrell mitgeteilt. Diese war sehr positiv. Beispielsweise sagte sie, dass die Europäische Union ein Interesse an der Verbesserung der Beziehungen und der Zusammenarbeit mit Taiwan hat. Außerdem sollen ihrer Antwort zufolge die Handels- und Investitionsbeziehungen mit “diesem wichtigen Partner und Technologieführer” vertieft verfolgt werden.

    INGE-Delegationsführer Glucksmann sagte in Taipeh, dass hochrangige Treffen zwischen EU und Taiwan erforderlich sind – glauben Sie, dass es in naher Zukunft mehrere Treffen geben wird?

    Angesichts gemeinsamer Interessen in wichtigen Bereichen, wie Halbleiter, Handel, Cybersicherheit, wäre es ratsam, das zu tun.

    Was könnte die EU in Taiwan besonders interessieren?

    Kooperationen im Bereich Cybersicherheit und Halbleiter sind interessant. Taiwan ist aber auch für die internationale Gemeinschaft wertvoll. Taiwan hatte als Erster die Weltgesundheitsorganisation über eine mögliche Mensch-zu-Mensch-Übertragung von Corona informiert, während die KP Chinas solche Behauptungen weitere drei Wochen lang zurückwies.

    In Ihrem Bericht wird auch aufgefordert, den Namen des European Economic and Trade Office in Taiwan zu ändern – warum ist der Name in diesem Fall so wichtig?

    Der Bericht fordert die EU-Kommission und den EEAS auf, den Namen des Europäischen Wirtschafts- und Handelsbüros in Taiwan in “Büro der Europäischen Union in Taiwan” (“European Union Office in Taiwan”) zu ändern, um die große Bandbreite unserer Beziehungen mit der Insel besser widerzuspiegeln.

    Charlie Weimers (39) ist konservativer Abgeordneter im Europaparlament. Der Schwede war zuletzt federführend für den ersten alleinstehenden Bericht des EU-Parlaments zu den Beziehungen zwischen Brüssel und Taipeh. In dem Papier fordern die EU-Abgeordneten eine engere Zusammenarbeit mit der Insel. Die Fragen beantwortete Reimers schriftlich.

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      Deutschland und USA fordern Freilassung von Bloggerin Zhang Zhan

      Die Deutsche Botschaft in China hat sich laut Medienberichten an das chinesische Außenministerium gewandt und die “unverzügliche Freilassung” der Bloggerin Zhang Zhan gefordert. Die inhaftierte Bürger-Journalistin war Ende vergangenen Jahres zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden und befindet sich seit mehreren Wochen im Hungersteik. Zhang wird vorgeworfen, mit ihrer unabhängigen Berichterstattung über den Ausbruch des Coronavirus in Wuhan “Streit provoziert und Unruhe gestiftet” zu haben.

      Auch das US-Außenministerium forderte die “unverzügliche und bedingungslose” Freilassung der Bloggerin (China.Table berichtete). Die Regierung in Washington sei besorgt über den “willkürlichen Charakter (von Zhangs) Inhaftierung und ihrer Misshandlung während der Haft“, erklärte ein Sprecher. Zhangs Gesundheitszustand hat sich nach Angaben der Familie deutlich verschlechtert. Ihr Bruder schrieb auf Twitter, dass sie stark untergewichtig sei und zwangsernährt werden müsse. Er befürchtet, seine Schwester werde den Winter nicht überleben.

      Zhang hatte zu Beginn des Jahres 2020 überfüllte Krankenhäuser und leere Supermärkte in der Millionenmetropole dokumentiert und einen ungefilterten Blick auf die Lage vor Ort geworfen, nachdem die Stadt einen strengen Lockdown auferlegt bekommen hatte. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schloss sich den Appellen aus Deutschland und den USA an. AI bezeichnet die Inhaftierung als “beschämenden Angriff auf die Menschenrechte”. ari/nib

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        Hongkong: Fast sechs Jahre Haft für “Captain America 2.0”

        In Hongkong ist zum zweiten Mal ein Demokratie-Aktivist auf Grundlage des Nationalen Sicherheitsgesetzes zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Dem 31-Jährigen wurde vorgeworfen, zwischen August und November 2020 bei mindestens 20 Versammlungen Slogans geschrien und diese auch über soziale Medien verbreitet zu haben. Er forderte die Unabhängigkeit der Stadt von der Volksrepublik China. Der Richter verhängte eine Haftdauer von fünf Jahren und neun Monaten.

        Der Mann namens Ma Chun-man war innerhalb der Demokratiebewegung als Captain America 2.0 bekannt geworden. Zu den Protesten hatte er stets ein Verteidigungsschild des US-Superhelden am Arm getragen. Vor Gericht bekannte sich Ma für nicht schuldig. Sein Anwalt argumentierte, der Angeklagte habe lediglich die Auslegung des Sicherheitsgesetzes in der Praxis testen wollen. Er sei überzeugt gewesen, dass die Meinungsfreiheit auch in dem neuen Rechtsrahmen gedeckt ist. Ma habe jedoch nie ernsthaft die Unabhängigkeit Hongkongs gefordert.

        Ende Juli war das erste Urteil auf Basis des Sicherheitsgesetzes gesprochen worden. Damals wurde ein 24-Jähriger zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mit einem Motorrad in eine Gruppe von Polizisten gerast war und dabei drei Menschen verletzt hatte.

        Das Gesetz wurde im Juli vergangenen Jahres implementiert, nachdem der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking das Basic Law für Hongkong entsprechend ergänzt hatte. Das Basic Law wird auch als Hongkongs Miniverfassung bezeichnet. Die chinesische Regierung hatte als Reaktion auf die Massenproteste in den Jahren 2019 und 2020 gegen den wachsenden Einfluss der Volksrepublik in der Stadt den Rechtsrahmen drastisch verschärft. In den kommenden Monaten werden weitere Urteile gegen Demokratie-Aktivisten erwartet. grz

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          Gesetz zu Lieferketten beschäftigt deutsche Unternehmen

          Gut ein Jahr vor seinem Inkrafttreten beschäftigt das geplante Lieferkettengesetz bereits deutsche Unternehmen in China. Gut ein Drittel (31 Prozent) der befragten Firmen in der Volksrepublik bereitet sich einer Umfrage der Außenhandelskammer (AHK) zufolge schon jetzt auf die Umsetzung des Gesetzes zum Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten vor. 35 Prozent der befragten Unternehmen haben nach eigenen Angaben noch keine Schritte zur Umsetzung eingeleitet, wie die AHK China.Table mitteilte. Weitere 34 Prozent machten dazu keine Angaben.

          Die Unternehmen überprüften laut AHK in Peking verstärkt das Risiko in Bezug auf ihre Lieferketten, Produkte, Dienstleistungen und alle Bereiche, die von diesen Gesetzen betroffen sein könnten. “Das umfasst zum Beispiel Lieferantenmanagement und Risikobewertungen“, teilte die AHK mit. Während größere Unternehmen schön länger entsprechende Systeme eingerichtet hätten, müssten kleinere Unternehmen erst einmal die internen Zuständigkeiten und Kapazitäten klären, um die zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen.

          Laut der AHK-Zahlen befassen sich Unternehmen in China bereits mehr mit dem geplanten Gesetz als Firmen weltweit. So gab in der globalen Befragung nur ein Viertel der Unternehmen an, sich auf die Umsetzung vorzubereiten. Ein Drittel tue das noch nicht und 42 Prozent machten demnach zu dieser Frage keine Angabe. Das deutsche Lieferkettengesetz tritt im Januar 2023 in Kraft.

          Die Fragen zu den Veränderungen in den Lieferketten wurden in dem vergangene Woche veröffentlichten “AHK World Business Outlook” noch nicht thematisiert, ebenso wie das Thema Nachhaltigkeit (China.Table berichtete). Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in China kündigte dazu noch weitere Informationen in den kommenden Wochen an. Der DIHK hatte im Juni einen Muster-Verhaltenskodex zur Nachhaltigkeit in Lieferketten veröffentlicht. ari

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            84 Millionen Kinder erstgeimpft

            China will bis Jahresende alle Kinder zwischen drei und elf Jahren vollständig gegen Covid-19 impfen. Die Nationale Gesundheitskommission verkündete jüngst, dass bereits mehr als 84 Millionen Kinder dieser Altersklasse die erste Impfung verabreicht bekommen hätten. Die Impfung für Kinder sei freiwillig, heißt es aus dem Bildungsministerium. Insgesamt zählen 160 Millionen Kinder zu der betroffenen Altersgruppe. Die Quote der Erstimpfungen liegt demnach bei über 50 Prozent.

            Bereits im Juni hatte die chinesische Aufsichtsbehörde die Impfstoffe der Hersteller Sinovac und Sinopharm für die Altersgruppe zwischen drei und 17 Jahren zugelassen. Bisher wurden vor allem Impfungen von älteren Kindern und Jugendlichen priorisiert. So soll die Impfquote der 12- bis 17-Jährigen bei 90 Prozent liegen. Nachdem es jedoch zu Corona-Ausbrüchen an Grundschulen und in Kindergärten gekommen war (China.Table berichtete), dringt Peking nun auch auf schnelle Impfungen bei kleineren Kindern. In einer jüngsten Studie der Fachzeitschrift Lancet wird der Impfstoff von Sinopharm für Kinder als sicher und gut verträglich bewertet. niw

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              Portrait

              Kai Müller – Für Tibet und gegen den Trend

              Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT) in Deutschland

              In den vergangenen zehn Jahren ist es vergleichsweise still geworden um Tibet und den Dalai Lama. Das geistige Oberhaupt der Tibeter reiste einst um die Welt, um auf das Schicksal seines Volkes aufmerksam zu machen. Auch nach Deutschland kam er, traf die Bundeskanzlerin oder war zu Gast in TV-Talkshows.

              Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Dalai Lama ist einerseits nicht mehr der Jüngste. Aber vor allem sind es die Drohungen aus der Volksrepublik China, die große Teil der Welt dazu veranlassen, auf Distanz zu ihm zu gehen. Peking stellt ihn als gewalttätigen Separatisten dar, der aus dem Exil Aufstände organisiert. Wer das anders sieht, gilt als Feind des chinesischen Volkes. Deshalb lautet die universelle Formel: Je enger eine Nation wirtschaftlich an China heranrückt, desto weiter entfernt sie sich vom Dalai Lama.

              Kai Müller gehört zu denjenigen, die gegen diesen Trend arbeiten. Er ist Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT) in Deutschland und sorgt dafür, dass die Fakten nicht vergessen werden: Seit 70 Jahren wird Tibet von der Volksrepublik China besetzt. Seit mehr als 60 Jahren schon lebt der Dalai Lama im Exil. Die Menschenrechtslage in der Region ist bedrückend. Unabhängige UN-Experten weisen immer wieder auf Fälle inhaftierter Tibeter hin. Die deutsche Bundesregierung bezeichnet die Menschenrechtslage in Tibet als “besonders kritisch”.

              Trotz fehlendem Zugang nach Tibet setzt sich die ICT als internationale Nichtregierungsorganisation für die unterdrückte Region ein und schafft Öffentlichkeit für Fälle inhaftierter oder verfolgter Tibeter:innen. Müller sagt, mit seiner Arbeit haben sein Team und er seit 2005 in Deutschland knapp 15.000 Unterstützer gewonnen.

              Und dennoch konnte auch der studierte Jurist und Sozialwissenschaftler, der bis 2005 im deutschen Bundesvorstand von Amnesty International tätig war, nicht verhindern, dass sich die Lage der Tibeter in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert hat. “Tibet wird mit jedem Tag immer totalitärer. Ein Überwachungsstaat, der von der Außenwelt abgeschottet ist”, so Müller.

              Mehr als 150 Tibeter:innen haben sich seit 2009 aus Protest gegen die chinesische Besatzung selbst angezündet. Eine für Müller erschütternde Zahl, auf die international aber wenig Reaktionen und keine Taten folgten. Ebenso tragisch seien die blutigen Proteste vor den Olympischen in Peking 2008 gewesen. Dass im kommenden Februar die Olympischen Winterspiele ebenfalls in Peking stattfinden, sei ein der Fehler, sagt Müller: “Nach den Spielen 2008 ist die Karawane weitergezogen, ohne dass es eine Aufarbeitung der Ereignisse in Tibet gegeben hat”. Er plädiert für einen Boykott der Winterspiele.

              Menschenrechtsverbrechen sind in Tibet weiterhin bitterer Alltag. Doch die wirtschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik und die Angst vor Konsequenzen sorgen vielerorts dafür, dass nicht so genau hingeschaut wird. “Tibeter:innen verschwinden, werden in chinesische Arbeitsprogramme gezwungen oder willkürlich inhaftiert.” Folter und Tod in Haft kämen nicht selten vor, sagt Müller.

              Bereits ein friedliches Eintreten für die tibetische Kultur reiche aus, um verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden. Müller und die ICT fordern deshalb freien Zugang nach Tibet für unabhängige Medien, UN-Vertreter, Diplomaten und die Zivilgesellschaft. Peking müsse seine Politik ändern, und die Weltgemeinschaft stärker für die Rechte der Tibeter eintreten.

              Einzelne Fälle verfolgter Tibeter bringt die ICT vor den UN-Menschenrechtsrat. Trotz oder gerade wegen ihrer Bemühungen wird der Organisation allerdings meist die Akkreditierung bei internationalen Konferenzen verwehrt. Oft würden andere Gründe vorgeschoben. Bei der Klimakonferenz in Glasgow war die Organisation zwar vertreten, aber offiziell nicht akkreditiert. Und dies trotz ihrer jahrelangen Arbeit zu Umwelt und Menschenrechten. Müller erkennt dahinter den wachsenden Einfluss der chinesischen Regierung, die Zivilgesellschaft systematisch einzuschränken, insbesondere bei den Vereinten Nationen. Tibet-Organisationen wie die ICT bekämen dies als erste zu spüren.

              Müller kritisiert auch die “Schieflage” bei den Vereinten Nationen was Kritik an Peking und anderen Staaten angehe. So gebe es im Menschenrechtsrat keine Resolution zur Menschenrechtslage in China. “Ein Menschenrechtsrat sollte die wichtigen Menschenrechtsthemen besprechen und nicht verschweigen. Stattdessen sind in ihm die schlimmsten Menschenrechtsverletzer vertreten. Es ist dann nicht überraschend, dass Länder wie China Kritik an ihrer Politik unterbinden können.”

              Unterdessen verfolge die Kommunistische Partei ihre aggressive Politik, Tibet ihrer Ideologie anzupassen, den nächsten Dalai Lama selbst zu bestimmen, Bodenschätze, Wasser und strategischen Zugang in der Region zu sichern. Viele nähmen die Narrative hin, die die KP im Westen und weltweit platziere. “Hinter der sogenannten Armutsbekämpfung, Umwelt – und Entwicklungspolitik der KP, verbergen sich andere Ziele.” Die KP handele aus purem Machtkalkül und nicht als altruistisch, wie es die Partei gerne darstelle. “Eine ganze Kultur wird assimiliert. Eine Religion verliert ihren Wesenskern. Eine Sprache stirbt aus,” so Müller. Lisa Marie Jordan

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              China.Table Redaktion

              CHINA.TABLE REDAKTION

              • WTA zweifelt Echtheit von Peng Shuais E-Mail an
              • Neue Impulse für EU-Taiwan-Beziehungen
              • Deutschland setzt sich für inhaftierte Bloggerin ein
              • Erneut lange Haftstrafe in Hongkong
              • Lieferketten in China unter Beobachtung
              • Freiwillige Covid-Impfung für Kinder möglich
              • Portrait: Kai Müller zum “totalitären Tibet”
              Liebe Leserin, lieber Leser,

              wie auf Bestellung liefert die Kommunistische Partei zur ersten Ausgabe des China.Table Human Rights ein Paradebeispiel für ihre dramatisch schlechte Menschenrechtsbilanz. Der Fall der Tennisspielerin Peng Shuai zeigt, wie wenig Interesse das Regime an öffentlicher Aufklärung hat, wenn Vorwürfe gegen einen Spitzenkader laut werden.

              Umso wichtiger ist es, dass wir hierzulande über die Menschen- und Bürgerrechtssituation in der Volksrepublik ausführlich berichten. Sicherlich nicht primär, um drastische Verbesserungen in China anzuschieben. Wenn wir ehrlich sind, ist uns das in den vergangenen drei Jahrzehnten schon nicht gelungen, obwohl Deutschland auf vielen Ebenen und in zahlreichen Foren immer wieder das Thema Menschenrechte auf den Tisch gebracht hat.

              Heute verfolgt die Berichterstattung einen anderen Zweck. Sie bringt uns gute Gründe in Erinnerung, weshalb wir trotz aller wirtschaftlicher Verknüpfung und teils partnerschaftlicher Beziehungen zu China einen gesunden Sicherheitsabstand zu einem autoritären System wahren sollten.

              In der heutigen Premierenausgabe erklärt uns der schwedische Europaparlamentarier Charlie Weimers, weshalb es stattdessen sinnvoll wäre, wenn die EU engere Verbindungen zu Taiwan knüpfen würde. Ein Argument, das Weimers nicht explizit erwähnt, liefere ich an dieser Stelle gerne vorweg: Taiwan ist ein erfolgreiches Beispiel für demokratische Entwicklung. Wenn wir uns solche Fortschritte auch in anderen Teil der Welt wünschen, sollten wir uns für den Erhalt der taiwanesischen Demokratie entsprechend engagieren. Andernfalls verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit als Verfechter der Freiheit.

              Ein freundlicher Gruß

              Ihr
              Marcel Grzanna
              Bild von Marcel  Grzanna

              Analyse

              Der Fall Peng Shuai: Mysteriöse Nachricht als Lebenszeichen

              Zwei Wochen nach dem Verschwinden der chinesischen Profi-Tennisspielerin Peng Shuai gibt es ein vermeintliches Lebenszeichen. Am Mittwochabend erreichte Frauen-Weltverbandschef Steve Simon eine E-Mail im Namen der 35-Jährigen, die am 2. November einem Spitzenkader der Kommunistischen Partei einen sexuellen Übergriff vorgeworfen hatte und seitdem öffentlich keine Spur mehr hinterlassen hat (China.Table berichtete). Allerdings ist unklar, ob Peng die Nachricht überhaupt selbst und aus freien Stücken geschrieben hat oder möglicherweise dazu gezwungen wurde.

              Mit einem Beitrag auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo hatte Peng den Stein ins Rollen gebracht. Obwohl der Eintrag nur wenige Minuten nach seiner Veröffentlichung schon wieder gelöscht wurde, kursierten Screenshots davon im Internet. Peng behauptet darin, der frühere Vizepremierminister Zhang Gaoli und sie hätten über einen Zeitraum von zehn Jahren eine Beziehung geführt. In ihrem Beitrag, dessen Urheberschaft nicht verifiziert werden konnte, ist unter anderem auch von Liebe und Zuneigung die Rede. Allerdings wirft Peng dem 75-Jährigen auch einen nicht einvernehmlichen sexuellen Übergriff vor.

              CGTN verbreitet nach Verschwinden Email im Namen von Peng Shuai

              Das Thema ist in China streng zensiert. Suchen nach Pengs Namen oder nach #MeToo im chinesischen Internet sind geblockt. Und auch Staatsmedien berichten nicht – jedenfalls nicht auf Chinesisch. Stattdessen verbreitete der chinesische Auslandssender CGTN die mysteriöse E-Mail-Nachricht, die angeblich von Peng selbst stammt und an den Chef des Frauentennis-Weltverbandes WTA gerichtet war. In der E-Mail heißt es: Die Berichte über sie, “einschließlich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung”, seien “nicht wahr”. Sie sei zurzeit zu Hause, um sich auszuruhen: “Alles ist gut.”

              CGTN Screenshot von Peng Shuai über ihr Verschwinden
              Screenshot der von CGTN auf Twitter verbreiteten, vermeintlichen E-Mail Pengs.

              “Es fällt mir schwer zu glauben, dass Peng Shuai diese E-Mail, die wir bekommen haben, tatsächlich selbst geschrieben hat“, kommentierte Simon die Nachricht. In der Vergangenheit kam es in China immer wieder zu Fällen, in denen Festgehaltene vermeintlich freiwillig schriftliche Nachrichten abgesetzt hatten, um die besorgte Öffentlichkeit zu beruhigen.

              Während das Thema in China selbst zwar erdrückt wird, schlagen die Wellen im Ausland hoch. Die WTA und der Rest der Welt bräuchten einen “unabhängigen und nachprüfbaren Beweis”, dass die Spielerin in Sicherheit ist, sagte Simon. Die Veröffentlichung durch chinesische Staatsmedien vergrößere seine Bedenken bezüglich ihrer Sicherheit und ihres Aufenthaltsorts. Er habe selbst wiederholt über verschiedene Wege vergeblich versucht, den Tennisstar zu erreichen. Auch die US-Tennis-Ikone Chris Evert, die Peng seit vielen Jahren kennt, hatte über soziale Medien Alarm geschlagen und um Hinweise auf den Verbleib Pengs gebeten.

              Standen bei früheren #MeToo-Fällen in China etwa ein Universitätsprofessor und ein bekannter Fernsehmoderator im Mittelpunkt der Anschuldigungen, machte Peng erstmals Vorwürfe gegen einen hochrangigen Politiker öffentlich. Die Angelegenheit ist extrem delikat. Als ehemaliges Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros gehörte Zhang zwischen 2012 und 2017 dem engsten Machtzirkel der Kommunistischen Partei an. Der Fall hat das Potenzial, eine öffentliche Debatte über Moral und Verantwortung der Topkader zu initiieren. An solchen Diskussionen ist das Regime jedoch nicht interessiert und versucht ihre Ursachen schon im Keim zu ersticken.

              Neue Dynamik für Boykott der Winterspiele

              Dabei hatte es nach dem Posting von Peng auf Weibo zumindest kurz einen öffentlichen Aufschrei gegeben, ehe die Zensur einschritt und die Debatte abwürgte. Viele Chinesen:innen äußerten den Wunsch, dass der Fall aufgeklärt und Zhang Gaoli gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen wird.

              Wenig überraschend stellt sich auch das Pekinger Außenministerium unwissend. “Ich habe noch nichts von der Angelegenheit gehört. Es handelt sich auch nicht um eine diplomatische Frage”, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian am Montag während des täglichen Briefings auf die Frage eines Journalisten nach Peng. 

              Doch das Thema könnte noch politischer werden, als es der Führung in Peking lieb ist. Das Verschwinden von Peng verschaffte Menschenrechtlern neues Gehör, die einen diplomatischen Boykott der Winterspiele in Peking fordern. “Die chinesische Regierung hat eine lange Vorgeschichte, willkürlich Menschen in kontroversen Fällen festzuhalten, deren Meinungsäußerungen zu kontrollieren und ihnen erzwungene Erklärungen abzuringen”, kommentierten Human Rights Watch. “Diese Vorwürfe sollten nicht zensiert werden, sondern eine unparteiische und faire Untersuchung auslösen”, sagte William Nee von der Organisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD). 

              Der wachsenden Zahl von Athleten:innen und Organisationen, die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit Pengs geäußert haben, schloss sich auch der japanische Tennis-Superstar Naomi Ōsaka an. “Zensur ist nie in Ordnung”, schrieb die 24-jährige auf Twitter unter dem Hashtag #WhereisPengShuai: “Ich bin schockiert über die aktuelle Situation und sende ihr Liebe und Licht.” Joern Petring/Gregor Koppenburg 

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                “China ist kein zuverlässiger Partner mehr”

                Der schwedische EU-Abgeordnete Charlie Weimers im Interview zu EU und Taiwan
                Der schwedische EU-Abgeordnete Charlie Weimers

                Kürzlich hat eine Delegation des Europaparlaments Taipeh besucht, der taiwanische Außenminister Joseph Wu war in Brüssel. Gibt es derzeit eine besondere Dynamik für die EU-Taiwan-Beziehungen?

                Ja. Darüber hinaus wurde in der Woche vor dem Besuch von Minister Wu auch die Empfehlung des Europaparlaments zu den EU-Taiwan-Beziehungen herausgegeben. Es gibt also auf jeden Fall einen Impuls dafür.

                Wie sehen Sie den Besuch der Abgeordneten des Sonderausschusses für ausländische Einflussnahme auf demokratische Prozesse (INGE) in Taipeh?

                Das ist eine großartige Gelegenheit, mehr über bewährte Verfahren zur Bekämpfung chinesischer Desinformation zu erfahren. Die EU und Taiwan sollten viel stärker zusammenarbeiten, um die besten Ansätze zur Förderung der Medienfreiheit und des Journalismus zu finden, unsere Zusammenarbeit im Bereich der Cybersicherheit zu vertiefen und gemeinsam die Widerstandsfähigkeit Taiwans und der Mitgliedsstaaten der EU zu stärken.

                Es war die allererste Delegation, die Taiwan besuchte. Warum wurde nicht schon früher eine Delegation geschickt?

                Im Jahr 2016 rissen Trump und der Brexit ein riesiges Loch in die Erzählung vom “Ende der Geschichte” (“The End of History and the Last Men”). Im folgenden Jahr war Präsident Xi Jinping der Liebling von Davos, was einige dazu veranlasste, die Fantasie zu hegen, dass China eine von den USA geführte internationale Ordnung ersetzen würde. Viele übersahen die Zeichen der Zeit und dachten fälschlicherweise, dass ihre wirtschaftliche Zukunft in China liege.

                In den letzten fünf Jahren ist es unvermeidbar geworden, Chinas Kampfbereitschaft gegenüber Nachbarn im nahen Ausland, die brutale interne Repression, Merkantilismus, den verleumdenden Einfluss in internationalen Institutionen und Drittstaaten, den Personenkult um Präsident Xi, zunehmende staatliche Kontrolle über Märkte, den demografischen Rückgang sowie Vertuschung, Desinformation und mangelnde Transparenz über die Ursprünge von Covid-19 zu sehen. Kurz gesagt, China ist kein zuverlässiger Partner mehr. Deshalb gibt es weniger Bedenken, China wegen Taiwan zu verärgern.

                Glauben Sie, dass es Vergeltungsmaßnahmen aus Peking für den INGE-Besuch geben wird?

                Als Reaktion auf EU-Sanktionen gegen China wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren hat China bereits Anfang des Jahres den Abgeordneten Raphaël Glucksmann (zusammen mit vier anderen EU-Abgeordneten) auf die schwarze Liste gesetzt. Im Oktober verweigerten sie einer US-Kongressdelegation Visa für China – es sei denn, sie stimmten zu, an einem bevorstehenden Besuch in Taiwan nicht teilzunehmen. Es ist durchaus möglich, dass sie auch die INGE-Abgeordneten sanktionieren.

                Als Taiwans Außenminister Wu nach Brüssel reiste, gab es keine offiziellen Treffen mit Vertretern der EU-Kommission oder des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS). Hätten sich diese Ihrer Meinung nach mit Herrn Wu treffen sollen?

                Ich denke, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hätte sich mit Minister Wu treffen sollen.

                Sind Sie als EU-Parlamentarier mit der Leistung des EEAS in Bezug auf die Taiwan-Politik zufrieden?

                Der EEAS hat damit begonnen, sich an das aktuelle Umfeld anzupassen.

                Sie haben Herrn Wu in Brüssel getroffen – was hat er Ihnen gesagt und was war seine Botschaft an die EU?

                Es war ein zukunftsweisendes Treffen, das sich auf die im Taiwan-Bericht des Europäischen Parlaments skizzierten Themen konzentrierte: Stärkung der Handelsbeziehungen, Taiwans Beteiligung an internationalen Organisationen, akademischer Austausch und Sicherheit in der Taiwanstraße. Außenminister Wu forderte eine Zusammenarbeit bei der weiteren Vertiefung der Beziehungen, einschließlich der Aufnahme von Verhandlungen über ein Investitionsabkommen.

                Wie kann die EU Taiwan unterstützen?

                Die Empfehlung des Europäischen Parlaments zu den politischen Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen der EU und Taiwan enthält viele Beispiele:

                • Den Beginn einer Folgenabschätzung, öffentlichen Konsultation und einer Scoping-Übung zu einem bilateralen Investitionsabkommen (BIA) mit Taiwan.
                • Die EU muss Chinas Handeln auf das Schärfste verurteilen und betonen, dass Chinas Vorgehen gegen Taiwan Konsequenzen für die Beziehungen zwischen der EU und China haben wird.
                • Die EU muss sich trotz des chinesischen Drucks nachdrücklich für eine sinnvolle Teilnahme Taiwans als Beobachter an Sitzungen, Mechanismen und Aktivitäten internationaler Gremien, einschließlich der WHO, einsetzen.

                Die INGE-Delegation ist nach Taipeh gereist, um sich über Desinformation und Cyber-Angriffe zu informieren. Sind bereits konkrete Projekte zwischen der EU und Taiwan geplant?

                Beide Seiten untersuchen Wege der Partnerschaft, einschließlich der möglichen Schaffung eines gemeinsamen Zentrums für Desinformation in Taipeh.

                Die EU-Kommission hält sich in der offiziellen Kommunikation an die “Ein-China-Politik”. Glauben Sie, das muss sich ändern? Braucht die EU einen härteren Tonfall, wenn es um Taiwan geht?

                Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EU-Institutionen haben damit begonnen, sich an die Entwicklungen im Indo-Pazifik anzupassen. Vorreiter sind Mitgliedstaaten wie Litauen und die Tschechische Republik.

                Welche Reaktion haben Sie von der EU-Kommission auf Ihren Taiwan-Bericht erhalten?

                Die Reaktion wurde während der Plenarsitzung im Oktober von EU-Vizepräsidentin Margrethe Vestager im Namen des EU-Außenbeauftragten Borrell mitgeteilt. Diese war sehr positiv. Beispielsweise sagte sie, dass die Europäische Union ein Interesse an der Verbesserung der Beziehungen und der Zusammenarbeit mit Taiwan hat. Außerdem sollen ihrer Antwort zufolge die Handels- und Investitionsbeziehungen mit “diesem wichtigen Partner und Technologieführer” vertieft verfolgt werden.

                INGE-Delegationsführer Glucksmann sagte in Taipeh, dass hochrangige Treffen zwischen EU und Taiwan erforderlich sind – glauben Sie, dass es in naher Zukunft mehrere Treffen geben wird?

                Angesichts gemeinsamer Interessen in wichtigen Bereichen, wie Halbleiter, Handel, Cybersicherheit, wäre es ratsam, das zu tun.

                Was könnte die EU in Taiwan besonders interessieren?

                Kooperationen im Bereich Cybersicherheit und Halbleiter sind interessant. Taiwan ist aber auch für die internationale Gemeinschaft wertvoll. Taiwan hatte als Erster die Weltgesundheitsorganisation über eine mögliche Mensch-zu-Mensch-Übertragung von Corona informiert, während die KP Chinas solche Behauptungen weitere drei Wochen lang zurückwies.

                In Ihrem Bericht wird auch aufgefordert, den Namen des European Economic and Trade Office in Taiwan zu ändern – warum ist der Name in diesem Fall so wichtig?

                Der Bericht fordert die EU-Kommission und den EEAS auf, den Namen des Europäischen Wirtschafts- und Handelsbüros in Taiwan in “Büro der Europäischen Union in Taiwan” (“European Union Office in Taiwan”) zu ändern, um die große Bandbreite unserer Beziehungen mit der Insel besser widerzuspiegeln.

                Charlie Weimers (39) ist konservativer Abgeordneter im Europaparlament. Der Schwede war zuletzt federführend für den ersten alleinstehenden Bericht des EU-Parlaments zu den Beziehungen zwischen Brüssel und Taipeh. In dem Papier fordern die EU-Abgeordneten eine engere Zusammenarbeit mit der Insel. Die Fragen beantwortete Reimers schriftlich.

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                  News

                  Deutschland und USA fordern Freilassung von Bloggerin Zhang Zhan

                  Die Deutsche Botschaft in China hat sich laut Medienberichten an das chinesische Außenministerium gewandt und die “unverzügliche Freilassung” der Bloggerin Zhang Zhan gefordert. Die inhaftierte Bürger-Journalistin war Ende vergangenen Jahres zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden und befindet sich seit mehreren Wochen im Hungersteik. Zhang wird vorgeworfen, mit ihrer unabhängigen Berichterstattung über den Ausbruch des Coronavirus in Wuhan “Streit provoziert und Unruhe gestiftet” zu haben.

                  Auch das US-Außenministerium forderte die “unverzügliche und bedingungslose” Freilassung der Bloggerin (China.Table berichtete). Die Regierung in Washington sei besorgt über den “willkürlichen Charakter (von Zhangs) Inhaftierung und ihrer Misshandlung während der Haft“, erklärte ein Sprecher. Zhangs Gesundheitszustand hat sich nach Angaben der Familie deutlich verschlechtert. Ihr Bruder schrieb auf Twitter, dass sie stark untergewichtig sei und zwangsernährt werden müsse. Er befürchtet, seine Schwester werde den Winter nicht überleben.

                  Zhang hatte zu Beginn des Jahres 2020 überfüllte Krankenhäuser und leere Supermärkte in der Millionenmetropole dokumentiert und einen ungefilterten Blick auf die Lage vor Ort geworfen, nachdem die Stadt einen strengen Lockdown auferlegt bekommen hatte. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schloss sich den Appellen aus Deutschland und den USA an. AI bezeichnet die Inhaftierung als “beschämenden Angriff auf die Menschenrechte”. ari/nib

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                    Hongkong: Fast sechs Jahre Haft für “Captain America 2.0”

                    In Hongkong ist zum zweiten Mal ein Demokratie-Aktivist auf Grundlage des Nationalen Sicherheitsgesetzes zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Dem 31-Jährigen wurde vorgeworfen, zwischen August und November 2020 bei mindestens 20 Versammlungen Slogans geschrien und diese auch über soziale Medien verbreitet zu haben. Er forderte die Unabhängigkeit der Stadt von der Volksrepublik China. Der Richter verhängte eine Haftdauer von fünf Jahren und neun Monaten.

                    Der Mann namens Ma Chun-man war innerhalb der Demokratiebewegung als Captain America 2.0 bekannt geworden. Zu den Protesten hatte er stets ein Verteidigungsschild des US-Superhelden am Arm getragen. Vor Gericht bekannte sich Ma für nicht schuldig. Sein Anwalt argumentierte, der Angeklagte habe lediglich die Auslegung des Sicherheitsgesetzes in der Praxis testen wollen. Er sei überzeugt gewesen, dass die Meinungsfreiheit auch in dem neuen Rechtsrahmen gedeckt ist. Ma habe jedoch nie ernsthaft die Unabhängigkeit Hongkongs gefordert.

                    Ende Juli war das erste Urteil auf Basis des Sicherheitsgesetzes gesprochen worden. Damals wurde ein 24-Jähriger zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mit einem Motorrad in eine Gruppe von Polizisten gerast war und dabei drei Menschen verletzt hatte.

                    Das Gesetz wurde im Juli vergangenen Jahres implementiert, nachdem der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking das Basic Law für Hongkong entsprechend ergänzt hatte. Das Basic Law wird auch als Hongkongs Miniverfassung bezeichnet. Die chinesische Regierung hatte als Reaktion auf die Massenproteste in den Jahren 2019 und 2020 gegen den wachsenden Einfluss der Volksrepublik in der Stadt den Rechtsrahmen drastisch verschärft. In den kommenden Monaten werden weitere Urteile gegen Demokratie-Aktivisten erwartet. grz

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                      Gesetz zu Lieferketten beschäftigt deutsche Unternehmen

                      Gut ein Jahr vor seinem Inkrafttreten beschäftigt das geplante Lieferkettengesetz bereits deutsche Unternehmen in China. Gut ein Drittel (31 Prozent) der befragten Firmen in der Volksrepublik bereitet sich einer Umfrage der Außenhandelskammer (AHK) zufolge schon jetzt auf die Umsetzung des Gesetzes zum Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten vor. 35 Prozent der befragten Unternehmen haben nach eigenen Angaben noch keine Schritte zur Umsetzung eingeleitet, wie die AHK China.Table mitteilte. Weitere 34 Prozent machten dazu keine Angaben.

                      Die Unternehmen überprüften laut AHK in Peking verstärkt das Risiko in Bezug auf ihre Lieferketten, Produkte, Dienstleistungen und alle Bereiche, die von diesen Gesetzen betroffen sein könnten. “Das umfasst zum Beispiel Lieferantenmanagement und Risikobewertungen“, teilte die AHK mit. Während größere Unternehmen schön länger entsprechende Systeme eingerichtet hätten, müssten kleinere Unternehmen erst einmal die internen Zuständigkeiten und Kapazitäten klären, um die zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen.

                      Laut der AHK-Zahlen befassen sich Unternehmen in China bereits mehr mit dem geplanten Gesetz als Firmen weltweit. So gab in der globalen Befragung nur ein Viertel der Unternehmen an, sich auf die Umsetzung vorzubereiten. Ein Drittel tue das noch nicht und 42 Prozent machten demnach zu dieser Frage keine Angabe. Das deutsche Lieferkettengesetz tritt im Januar 2023 in Kraft.

                      Die Fragen zu den Veränderungen in den Lieferketten wurden in dem vergangene Woche veröffentlichten “AHK World Business Outlook” noch nicht thematisiert, ebenso wie das Thema Nachhaltigkeit (China.Table berichtete). Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in China kündigte dazu noch weitere Informationen in den kommenden Wochen an. Der DIHK hatte im Juni einen Muster-Verhaltenskodex zur Nachhaltigkeit in Lieferketten veröffentlicht. ari

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                        84 Millionen Kinder erstgeimpft

                        China will bis Jahresende alle Kinder zwischen drei und elf Jahren vollständig gegen Covid-19 impfen. Die Nationale Gesundheitskommission verkündete jüngst, dass bereits mehr als 84 Millionen Kinder dieser Altersklasse die erste Impfung verabreicht bekommen hätten. Die Impfung für Kinder sei freiwillig, heißt es aus dem Bildungsministerium. Insgesamt zählen 160 Millionen Kinder zu der betroffenen Altersgruppe. Die Quote der Erstimpfungen liegt demnach bei über 50 Prozent.

                        Bereits im Juni hatte die chinesische Aufsichtsbehörde die Impfstoffe der Hersteller Sinovac und Sinopharm für die Altersgruppe zwischen drei und 17 Jahren zugelassen. Bisher wurden vor allem Impfungen von älteren Kindern und Jugendlichen priorisiert. So soll die Impfquote der 12- bis 17-Jährigen bei 90 Prozent liegen. Nachdem es jedoch zu Corona-Ausbrüchen an Grundschulen und in Kindergärten gekommen war (China.Table berichtete), dringt Peking nun auch auf schnelle Impfungen bei kleineren Kindern. In einer jüngsten Studie der Fachzeitschrift Lancet wird der Impfstoff von Sinopharm für Kinder als sicher und gut verträglich bewertet. niw

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                          Portrait

                          Kai Müller – Für Tibet und gegen den Trend

                          Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT) in Deutschland

                          In den vergangenen zehn Jahren ist es vergleichsweise still geworden um Tibet und den Dalai Lama. Das geistige Oberhaupt der Tibeter reiste einst um die Welt, um auf das Schicksal seines Volkes aufmerksam zu machen. Auch nach Deutschland kam er, traf die Bundeskanzlerin oder war zu Gast in TV-Talkshows.

                          Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Dalai Lama ist einerseits nicht mehr der Jüngste. Aber vor allem sind es die Drohungen aus der Volksrepublik China, die große Teil der Welt dazu veranlassen, auf Distanz zu ihm zu gehen. Peking stellt ihn als gewalttätigen Separatisten dar, der aus dem Exil Aufstände organisiert. Wer das anders sieht, gilt als Feind des chinesischen Volkes. Deshalb lautet die universelle Formel: Je enger eine Nation wirtschaftlich an China heranrückt, desto weiter entfernt sie sich vom Dalai Lama.

                          Kai Müller gehört zu denjenigen, die gegen diesen Trend arbeiten. Er ist Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT) in Deutschland und sorgt dafür, dass die Fakten nicht vergessen werden: Seit 70 Jahren wird Tibet von der Volksrepublik China besetzt. Seit mehr als 60 Jahren schon lebt der Dalai Lama im Exil. Die Menschenrechtslage in der Region ist bedrückend. Unabhängige UN-Experten weisen immer wieder auf Fälle inhaftierter Tibeter hin. Die deutsche Bundesregierung bezeichnet die Menschenrechtslage in Tibet als “besonders kritisch”.

                          Trotz fehlendem Zugang nach Tibet setzt sich die ICT als internationale Nichtregierungsorganisation für die unterdrückte Region ein und schafft Öffentlichkeit für Fälle inhaftierter oder verfolgter Tibeter:innen. Müller sagt, mit seiner Arbeit haben sein Team und er seit 2005 in Deutschland knapp 15.000 Unterstützer gewonnen.

                          Und dennoch konnte auch der studierte Jurist und Sozialwissenschaftler, der bis 2005 im deutschen Bundesvorstand von Amnesty International tätig war, nicht verhindern, dass sich die Lage der Tibeter in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert hat. “Tibet wird mit jedem Tag immer totalitärer. Ein Überwachungsstaat, der von der Außenwelt abgeschottet ist”, so Müller.

                          Mehr als 150 Tibeter:innen haben sich seit 2009 aus Protest gegen die chinesische Besatzung selbst angezündet. Eine für Müller erschütternde Zahl, auf die international aber wenig Reaktionen und keine Taten folgten. Ebenso tragisch seien die blutigen Proteste vor den Olympischen in Peking 2008 gewesen. Dass im kommenden Februar die Olympischen Winterspiele ebenfalls in Peking stattfinden, sei ein der Fehler, sagt Müller: “Nach den Spielen 2008 ist die Karawane weitergezogen, ohne dass es eine Aufarbeitung der Ereignisse in Tibet gegeben hat”. Er plädiert für einen Boykott der Winterspiele.

                          Menschenrechtsverbrechen sind in Tibet weiterhin bitterer Alltag. Doch die wirtschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik und die Angst vor Konsequenzen sorgen vielerorts dafür, dass nicht so genau hingeschaut wird. “Tibeter:innen verschwinden, werden in chinesische Arbeitsprogramme gezwungen oder willkürlich inhaftiert.” Folter und Tod in Haft kämen nicht selten vor, sagt Müller.

                          Bereits ein friedliches Eintreten für die tibetische Kultur reiche aus, um verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden. Müller und die ICT fordern deshalb freien Zugang nach Tibet für unabhängige Medien, UN-Vertreter, Diplomaten und die Zivilgesellschaft. Peking müsse seine Politik ändern, und die Weltgemeinschaft stärker für die Rechte der Tibeter eintreten.

                          Einzelne Fälle verfolgter Tibeter bringt die ICT vor den UN-Menschenrechtsrat. Trotz oder gerade wegen ihrer Bemühungen wird der Organisation allerdings meist die Akkreditierung bei internationalen Konferenzen verwehrt. Oft würden andere Gründe vorgeschoben. Bei der Klimakonferenz in Glasgow war die Organisation zwar vertreten, aber offiziell nicht akkreditiert. Und dies trotz ihrer jahrelangen Arbeit zu Umwelt und Menschenrechten. Müller erkennt dahinter den wachsenden Einfluss der chinesischen Regierung, die Zivilgesellschaft systematisch einzuschränken, insbesondere bei den Vereinten Nationen. Tibet-Organisationen wie die ICT bekämen dies als erste zu spüren.

                          Müller kritisiert auch die “Schieflage” bei den Vereinten Nationen was Kritik an Peking und anderen Staaten angehe. So gebe es im Menschenrechtsrat keine Resolution zur Menschenrechtslage in China. “Ein Menschenrechtsrat sollte die wichtigen Menschenrechtsthemen besprechen und nicht verschweigen. Stattdessen sind in ihm die schlimmsten Menschenrechtsverletzer vertreten. Es ist dann nicht überraschend, dass Länder wie China Kritik an ihrer Politik unterbinden können.”

                          Unterdessen verfolge die Kommunistische Partei ihre aggressive Politik, Tibet ihrer Ideologie anzupassen, den nächsten Dalai Lama selbst zu bestimmen, Bodenschätze, Wasser und strategischen Zugang in der Region zu sichern. Viele nähmen die Narrative hin, die die KP im Westen und weltweit platziere. “Hinter der sogenannten Armutsbekämpfung, Umwelt – und Entwicklungspolitik der KP, verbergen sich andere Ziele.” Die KP handele aus purem Machtkalkül und nicht als altruistisch, wie es die Partei gerne darstelle. “Eine ganze Kultur wird assimiliert. Eine Religion verliert ihren Wesenskern. Eine Sprache stirbt aus,” so Müller. Lisa Marie Jordan

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