China ist und bleibt in den EU-Institutionen häufig der berüchtigte Elefant im Raum. Alle wissen, worum es geht, über wen eigentlich geredet wird, ausgesprochen wird es aber nicht. In der offiziellen Kommunikation ist dann die Rede von “anderen wichtigen Volkswirtschaften”. Über das Offensichtliche wurde zu Beginn der Woche sogar in der Erklärung der EU-Außenminister zum “Global vernetzten Europa” geschwiegen. Kein Wort über die Volksrepublik – und das bei einer Initiative, mit der Brüssel der Neuen Seidenstraße direkt die Stirn bieten will.
Eine Alternative zur BRI ist aber nicht nur für die EU ein Anliegen. In einem Report der Münchner Sicherheitskonferenz, des Berliner Forschungsinstituts Merics und des US-Thinktanks Aspen Strategy Group wird sie als eine der Kernaufgaben für einen Neustart der transatlantischen China-Politik genannt. Marcel Grzanna analysiert die wichtigsten Punkte des 67-Seiten-Papiers. Und soviel lässt sich vorab sagen: Es gibt viel zu tun, um die Versäumnisse der jüngsten Vergangenheit wettzumachen.
Einen entspannten Ausflug gibt es dafür heute mit unserer Autorin Christiane Kühl, die Sie mit in Chinas Hauptstadt der E-Autos nimmt. In Liuzhou wimmelt es nur so von den kleinen bunten Elektroflitzern. Die Stadt, die einschließlich ihrer Vororte rund vier Millionen Einwohner hat, ist einer der größten lokalen Elektroauto-Märkte der Welt. Nur in Oslo gibt es mehr Elektroautos pro Einwohner. Wie hat Liuzhou das geschafft?
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dem heutigen China.Table!
67 Seiten lang ist der Report und voller Appelle, Mahnungen, Vorschläge. Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), das Berliner Forschungsinstitut Merics und der US-Thinktank Aspen Strategy Group drängen in ihrer gemeinsamen Veröffentlichung “Mind the Gap: Priorities for Transatlantic China Policy“ auf eine schnelle und konzertierte Politik westlicher Partner als Antwort auf die Herausforderungen chinesischer Ambitionen im 21. Jahrhundert. 67 Seiten, die auch den Eindruck vermitteln, dass sowohl in Nordamerika als auch in Europa zu lange der Wunsch Vater des Gedankens war, die Volksrepublik China ließe sich schon irgendwie, aber vor allem schadlos für westliche Interessen in die internationale Gemeinschaft integrieren.
Lange Zeit wirkte das von Peking selbst propagierte “Jahrhundert der Chinesen” für viele Regierungen der Welt in weiter Ferne. So ein Jahrhundert ist lang, und der technologische, wirtschaftliche und militärische Rückstand Chinas war vor 15 oder 20 Jahren noch so groß, dass es die Verantwortlichen im Westen bevorzugten, sich bequem und selbstgerecht zurückzulehnen, statt sich intensiv auf den Aufstieg eines autoritären Regierungssystems mit wenig Interesse an einer Nebenrolle auf der Weltbühne vorzubereiten. Die Schläfrigkeit demokratischer Staaten spiegelt sich schonungslos in diversen Statistiken wider, wie das Papier aufzeigt.
Eine davon beschäftigt sich mit der Frage, welches Land die Bevölkerungen in den G7-Staaten sowie in China und Indien in den 2070er-Jahren als technologisch führende Nation erwarten. Die Resultate der Umfragen machen zweierlei deutlich. Zum einen, dass das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Stärken in vielen westlichen Staaten stark gelitten hat. Beispiel Deutschland: 52 Prozent gehen heute davon aus, dass China in spätestens 50 Jahren die globale Führungsrolle übernommen haben wird. Nur 16 Prozent trauen der Europäischen Union den Spitzenplatz zu. Nur in Japan, den USA und in Indien glaubt eine jeweils knappe Mehrheit noch an die Überlegenheit der US-Amerikaner.
Zum anderen zeigen die Zahlen, dass es der Volksrepublik gelungen ist, ihr Gefühl der Stärke nachhaltig in den öffentlichen Meinungsraum in westlichen Staaten einzupflanzen, vornehmlich in Europa. Und zwar ausreichend glaubwürdig, auch weil in der EU zu lange darauf verzichtet wurde, der Bevölkerung den Glauben an die eigene Kompetenz zu vermitteln. Dass es Peking gelungen ist, diese Schnittstelle zu durchbrechen, ist vor allem auch das Resultat einer psychologischen Unterwanderung des Westens.
Geschickt hat die chinesische Regierung die beiden großen Krisen der vergangenen Jahrzehnte – die Finanzkrise von 2008 und die Corona-Pandemie – dazu genutzt, um sich jeweils frühzeitig als Gewinner zu positionieren und damit die psychologischen Weichen gestellt. Hierzulande regelmäßig vernommene Einschätzungen, dass Europa gegen das Riesenreich China wirtschaftlich sowieso keine Chance mehr habe, sind Zeichen der Resignation, die unter anderem aus diesen chinesischen Schachzügen resultieren. Mit Rivalen, deren Siegeswille und Kampfbereitschaft so angeschlagen sind, dürfte die Volksrepublik in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich leichtes Spiel haben.
Der europäische Westen hat offenbar lange unterschätzt, welche Bedeutung die Technologie in der geostrategischen Entwicklung in Zukunft haben wird. Deutlich wurde das bei der Sicherheitskonferenz 2020, als die damals noch von Donald Trump regierten USA eine scharfe Auseinandersetzung mit den Europäern lostraten. Als Projektionsfläche diente der chinesische Netzwerkausrüster Huawei. Wenn Europa die Bedrohung durch Huawei nicht verstehe und nichts dagegen tue, “könnte es das erfolgreichste Militärbündnis der Geschichte, die Nato, gefährden.”
Der Titel des Reports lautet deshalb nicht zufällig “Mind the gap”. Er erinnert an die Differenzen, die es vornehmlich zwischen US-Amerikanern und Europäern bei der Wahrnehmung und Handhabe einer autoritären Herausforderung auf der Weltbühne gibt. Und er impliziert die Dringlichkeit eines Neustarts der transatlantischen Beziehungen nach der Ära Trump. “Dies ist auf unterschiedliche Lesarten Chinas und Unterschiede in den grundlegenden Ansätzen der Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik zurückzuführen. Zum Teil spiegelt die Lücke Unterschiede in der Höhe des wirtschaftlichen und finanziellen Engagements wider. Zum Teil liegt es an unterschiedlichen Sicherheitsinteressen und Verteidigungsverpflichtungen”, schreiben der MSC-Chef Wolfgang Ischinger und Joseph S. Nye Jr. von der Aspen Strategy Group in ihrem Vorwort.
Daraus ergibt sich die Kernbotschaft des Papiers. Grundlage allen Widerstandes gegen den wachsenden Einfluss chinesischer Interessen in der Welt zuungunsten von Nordamerikanern und Europäern und damit des zentralen Blocks der demokratischen Wertegemeinschaft ist die Überbrückung dieser Lücke. Nicht auf allen Ebenen, nicht bei jedem Konfliktpunkt. Das wäre schlicht zu viel verlangt und ist auch gar nicht nötig, schreiben die Autoren. Aber die Lücke müsse eben ausreichend überbrückt werden, um gemeinsam eine Strategie und konkrete Maßnahmen zu entwickeln, um die Interessen auf beiden Seiten des Atlantiks zu bewahren und zu vertreten. “Keiner von uns will einen ‘neuen Kalten Krieg’ sehen. Wir erkennen an, dass China seinen rechtmäßigen Platz im internationalen System hat, und wir glauben, dass ein Dialog notwendig ist“, schreiben Ischinger und Nye.
Das Papier enthält eine weitere wichtige Botschaft: Die Zeit drängt – die Autor:innen empfehlen die Umsetzung von sieben Kernanliegen binnen sechs bis 18 Monaten. Darunter ein anhaltendes, gemeinsames Drängen auf ein wirtschaftliches Level Playing Field mit China und der Griff nach der Führung bei technischen Entwicklungen und Forschung. Eine Alternative zur Neuen Seidenstraße sei erforderlich, und in transatlantischer Zusammenarbeit müssten Freiheit und Sicherheit der indopazifischen Region geschützt werden (China.Table berichtete). Damit decken sich die Vorschläge weitgehend mit aktuellen Stoßrichtungen Brüssels und Washingtons, die auf diversen Kanälen angesprochen und verfolgt werden.
Allerdings dürfe es nicht darum gehen, eine direkte Konfrontation mit China zu suchen, also ein unmittelbares Kräftemessen, sondern konkrete Gegenangebote auf all jenen Feldern zu schaffen, auf denen die Volksrepublik und der Westen um Kontrolle und Einfluss ringen. Technologische Entwicklungen in Europa und den USA sollten enger aufeinander abgestimmt sein, schreiben die Autor:innen. Die gebündelte Kraft sollte dazu genutzt werden, weltweite Standards zu etablieren, um zu verhindern, dass westliche Akteure den chinesischen Vorgaben folgen müssen. Denn technische Standards münden in einer globalisierten Wertschöpfung zwangsläufig in politischer Stärke. Engere Abstimmung unter westlichen Partnern könnten gleichzeitig als Hebel genutzt werden, um China zu Zugeständnissen bei Marktzugang, Schutz des geistigen Eigentums, öffentlichen Ausschreibungen oder staatlichen Subventionen zu bewegen. Auf beiden Seiten des Atlantiks sollen die Trends zu engerem Investment-Screening fortgesetzt werden, um größere wirtschaftspolitische Sicherheit zu kreieren.
Ein Schlüssel für diese Zielsetzungen sehen die Autor:innen in der Stärkung und, wo nötig, Reform internationaler Institutionen wie der Welthandelsorganisation. Auch müsse über die Einrichtung neuer Institutionen nachgedacht werden. Die Bewahrung freiheitlicher Gesellschaften und die Förderungen von Menschenrechten seien dabei zentrale Werte, entlang derer Europa und Nordamerika ihre Politik ausrichten müssten.
Liuzhou liegt zwischen grünen Hügeln im Südwesten Chinas. Die Stadt hat mit die beste Luft und das sauberste Wasser im Land – trotz des riesigen Stahlindustriekomplexes von Liuzhou Iron and Steel am Stadtrand. Das Geheimnis ist eine unbürokratische Förderung kleiner Elektroautos, die Liuzhou zu Chinas Elektro-Hauptstadt gemacht hat.
Liuzhou hat dafür einen klaren Standortvorteil: Die Stadt ist Heimat des Dreier-Joint-Ventures von Shanghai Automotive (SAIC), General Motors und des lokalen Herstellers Wuling, kurz SGM-Wuling. Früher durch einfache Kleinbusse enorm erfolgreich, setzt das Gemeinschaftsunternehmen heute auf super-preiswerte Mini-Elektroautos etwa in Größe eines Smart. Die Kleinen sind derzeit der größte Verkaufsschlager unter Chinas Elektroautos: Von Januar bis Mai setzte SGM-Wuling nach Daten des Autoexperten und Investmentberaters Michael Dunne 128.796 Elektromobile ab und lag damit klar vor Tesla und BYD auf dem Spitzenplatz. Die meisten Käufer dieser Marken seien heute Privatkunden, sagt Dunne – und nicht mehr wie früher zum Elektrokauf gedrängte Flottenbetreiber.
Viele der kleinen Elektroflitzer, von denen es drei verschiedene Modelle gibt, verkauft SGM-Wuling in Liuzhou. Rund 30 Prozent aller 2020 in der Stadt gekauften Autos fahren mit Strom, berichtet die Zeitung China Daily unter Bezug auf die Consultingfirma Ways Information Technology in Guangzhou. Damit sei die Stadt, die einschließlich Vororte rund vier Millionen Einwohner hat, einer der größten lokalen Elektroauto-Märkte der Welt. Nur in Oslo gebe es mehr Elektroautos pro Einwohner, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Wie ist das gelungen? Die lokalen Behörden setzen Anreize für den Kauf von Elektroautos und kooperierten bei der Werbung für die neuartigen Fahrzeuge von Anfang an mit SGM-Wuling. “Die Lokalregierung verfolgte einen Graswurzel-Ansatz und motivierte seine Bürger, ein Elektroauto auszuprobieren”, sagt Autoexperte Tu Le vom Sino Auto Insights Newsletter. Schon 2017 bot die Stadt kostenlose 10-monatige Probefahrten mit dem Modell Baojun E100 an. Der Test war laut Bloomberg so beliebt, dass die verfügbaren 15.000 Slots damals innerhalb von Minuten ausgebucht waren. Später kauften 70 Prozent der Testfahrenden eines der getesteten Autos. Die Regierung habe dann die bei den Tests gesammelten Daten genutzt, um die ideale Reichweite eines E-Autos zu ermitteln, so Tu Le – auch um sicherzustellen, “dass das Auto nicht zu aufwändig konstruiert” werde. SGM-Wuling schnitt den Baojun E100 daraufhin für eine tägliche Pendelstrecke von weniger als 30 Kilometern zu.
Diese Positionierung ihrer Modelle als einfache Pendlerautos mit kleinerer Batterie ermöglichte SGM-Wuling einen Verkaufspreis ab umgerechnet etwa 4.500 Euro für den kleinsten unter seinen drei Modellen, den Hongguang Mini EV. Das Modell hat eine Reichweite zwischen 120 und 170 Kilometern – genug für kurze Strecken zur Arbeit oder zum Einkaufen in Liuzhou und anderswo. Die laufenden Kosten der Kleinstwagen für Batterieaufladen oder Versicherung sind ebenfalls sehr niedrig. Dass die Stromer so klein sind, ermöglichte es der Stadtregierung, rund 15.000 zusätzliche Parkplätze zu schaffen, denn sie passen zwischen Bäume, auf Randstreifen des Gehwegs oder in schmalere Durchfahrten.
All dem liegt auch das Bestreben zugrunde, Liuzhou zu einem Zentrum für die Herstellung von Elektrofahrzeugen zu machen. Die Stadt fördert die Ansiedlung auch von Zulieferern und unterstützt technologische Innovationen und Exporte. SGM-Wuling habe zudem an der Ausarbeitung von 117 internationalen, nationalen und lokalen Industriestandards im Elektro-Segment mitgewirkt, schreibt China Daily.
Es gibt keine Daten, wie viele der Kleinstromer derzeit über Liuzhous Straßen rollen. Doch Fotos aus der Stadt zeigen Straßenzüge voll bunter Kleinstmobile – manche von ihnen mit Aufdrucken wie Hello Kitty oder Pokemon, die SGM-Wuling für einen kleinen Aufpreis anbietet. In Wohnanlagen stehen sie aufgereiht an Ladestationen, das Kabel wie bei einem Smartphone von vorn hineingesteckt.
Liuzhou sei als SGM-Wuling-Standort sicher ein Sonderfall, sagt Bill Russo, Gründer des auf Neue Mobilität spezialisierten Beratungsunternehmens Automobility in Shanghai im Gespräch mit China.Table. “Nichtsdestotrotz gibt es für eine preiswerte städtische Elektromobilität einen potenziell riesigen Markt in ganz China.” In kleineren chinesischen Städten fehlen, ebenso wie auch vielfach in Europa, öffentliche Verkehrsmittel. Erschwingliche und bequeme Elektroautos seien dort eine ideale Alternative für Pendelnde, so Russo – als Ersatz für das Fahrrad oder den Motorroller.
In den wohlhabenderen Metropolen wie Shanghai oder Peking sind vor allem teurere Elektroautos unterwegs: Premium-Stomer von Tesla und den chinesischen Elektro-Startups oder E-Modelle des Volumensegments wie von BYD oder Beijing Automotive. Für Kleinstädte des Hinterlands sind aber selbst letztere noch zu hochpreisig – die Idee mit den E-Kleinstwagen erscheint daher ideal für eine Expansion der Elektromobilität in die vielen Kleinstädte des Landes.
Auch die Zentralregierung will nach dem Auslaufen der Kaufsubventionen für Stromer nun auf andere Wege der Förderung setzen. So gab die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) laut China Daily ein Dokument heraus, das unter anderem die Planer neuer Wohnanlagen verpflichten soll, jeden Stellplatz mit einer Ladesäule auszustatten. Der verstärkte Aufbau von Ladeinfrastruktur in Wohngebieten sei entscheidend bei dem Plan, den Übergang vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität zu beschleunigen, hieß es. Denn auch in China ist klar: Elektroautos müssen genauso bequem zu benutzen sein wie herkömmliche Personenwagen.
Das scheint in Liuzhou gelungen zu sein. Bloomberg interviewte in Liuzhou Menschen, die einen der kleinen Stromer fuhren. Die meisten Befragten hatten nach eigenen Worten auch einen normalen Benziner zu Hause stehen, den sie kaum noch benutzen – weil die Elektrovehikel praktischer und billiger seien. Ein Mann sagte, er zahle für das Aufladen etwa 0,1 Yuan pro Kilometer – rund 1,3 Cent. Parken auf den zugewiesenen Elektroauto-Plätzen sei kostenlos, ebenso wie die ersten beiden Stunden in normalen Parkhäusern.
Anfangs hätten viele Menschen die üblichen Bedenken zu den Elektroautos gehabt, zitierte Bloomberg Gou Yi, den stellvertretenden Leiter des lokalen NDRC-Büros. “Wir haben daher dafür gesorgt, dass unsere Bürger das Gefühl haben, dass die Nutzung von Elektrofahrzeugen sehr angenehm ist.” Und, wer viel damit fahre, bekomme sogar eine Geldprämie – wie er selbst auch, sagte Gou.
Mit Stand April 2021 gab es in China nach offiziellen Angaben rund 868.000 öffentliche Ladesäulen (China.Table berichtete). Von Januar bis Mai wurden im Land 950.000 Elektroautos und Plug-in Hybride verkauft – ein Zuwachs von 225 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Aussichten für den Rest des Jahres bleiben nach Prognosen des Autoherstellerverbandes CAAM positiv – er gibt als Ziel für dieses Jahr 1,8 Millionen verkaufte Stromer aus. Michael Dunne erwartet sogar noch mehr: “China ist auf dem besten Weg, 2021 über 2,4 Millionen Elektrofahrzeuge zu verkaufen und den Titel des weltgrößten Absatzmarktes von Europa zurückzuerobern.” Wenn es weiter gut läuft, dann wird es auch an einfachen Konzepten und günstigen E-Autos wie in Liuzhou liegen.
Die EU gibt in einem neuen Leitfaden Hinweise zur Erkennung und Umgang mit Zwangsarbeit in der Lieferkette. Das am Dienstag veröffentlichte Papier nennt keine Staaten direkt. Die EU-Richtlinie beinhaltet jedoch mehrere Punkte, die auf China zutreffen. So sind die Unternehmen aufgefordert, auf Warnsignale bezüglich der Staaten zu achten, die auf Zwangsarbeit hinweisen. Die Richtlinie nennt dazu als Risikofaktoren unter anderem:
Wenn die EU-Unternehmen im Ausland auf “staatlich geförderte Zwangsarbeit” stoßen, sollten sie erwägen, “ernste Besorgnis zum Ausdruck zu bringen”, Transparenz fordern oder die Regierungen aufrufen, die Vereinten Nationen und die ILO einzubinden, heißt es weiter in der Richtlinie. Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einem EU-weiten Lieferkettengesetz. ari
Chinesische Unternehmen haben in den vergangenen zehn Jahren fast 6,5 Millionen Hektar Landfläche in Drittländern aufgekauft oder gepachtet. Sie liegen damit weit vor Firmen aus Großbritannien (1,5 Millionen Hektar), den USA (860.000 Hektar) und Japan (420.000 Hektar), wie eine Analyse von Nikkei Asia basierend auf Daten der Initiative Land Matrix zeigt. Die unter chinesischer Aufsicht befindlichen Areale machen umgerechnet fast die Fläche Bayerns aus. Sie werden demnach hauptsächlich landwirtschaftlich sowie für die Forstwirtschaft und den Bergbau genutzt.
Der Landerwerb im Ausland verschafft den Unternehmen Zugang zu natürlichen Ressourcen. So solle die wachsende Inlandsnachfrage, die aus Chinas wirtschaftlicher Entwicklung resultiert, befriedigt werden, schreiben die Analyst:innen von Nikkei. Umwelt- und Entwicklungsaktivist:innen kritisieren die Landnahme. Sie führe zur Vertreibung einheimischer Bäuerinnen und Bauern. Die häufig angepflanzten Monokulturen laugten zudem den Boden aus. nib
Der chinesische Immobilienentwickler Sichuan Languang Development gerät mit der Rückzahlung einer inländischen Anleihe in Höhe von 900 Millionen Yuan (rund 139 Millionen US-Dollar) in Verzug. Languang gehört zu den größten Bauunternehmen des Landes und gab nun bekannt insgesamt 4,5 Milliarden Yuan an überfälligen Schulden angehäuft zu haben.
Mit dem Zahlungsausfall reiht sich Languang zu den Bauunternehmen des Landes ein, die in letzter Zeit ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Erst Anfang des Jahres hatte China Fortune Land Development bekannt gegeben, seine Kredite nicht mehr zurückzahlen zu können. Kürzlich musste das Unternehmen einräumen, Gesamtausfälle in Höhe von 67 Milliarden Yuan zu halten.
Peking hatte zuletzt immer größeren Druck auf die Immobilienentwickler des Landes ausgeübt, nachdem die Branche in diesem Jahr für einen Rekordanstieg der Ausfälle inländischer Unternehmensanleihen gesorgt hatte. Als Gegenmaßnahme wurden die Kreditaufnahmen für die Branche eingeschränkt, was wiederum zu dem größten Ausverkauf chinesischer Dollar-Anleihen mit Junk-Rating führte, die vor allem von den Immobilienentwicklern gehalten werden. niw
Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei hat in Schweden Berufung gegen eine Gerichtsentscheidung eingelegt, die ein staatliches Verbot seiner 5G-Ausrüstung aufrechterhält. Das Gericht habe “keine korrekte Analyse” durchgeführt, zudem werfe das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes in Stockholm “grundsätzliche Fragen” auf, hieß in einer Pressemitteilung des Konzerns. Das chinesische Unternehmen sei nicht zu allen seinen Argumenten gehört worden und habe deshalb beantragt, dass der Fall von einem Berufungsgericht behandelt werde.
Hintergrund ist der bereits seit längerer Zeit bestehende Konflikt zwischen dem Staat und der Telekommunikationsfirma (China.Table berichtete): Schweden hatte bereits im Oktober 2020 entschieden, die chinesischen Anbieter Huawei und ZTE vom Ausbau des 5G-Netzes auszuschließen. Die Ausrüstung beider Unternehmen wurde von schwedischen nationalen Sicherheitseinrichtungen als Risiko eingestuft.
Infolgedessen entschied unter anderem die schwedische Post- und Telekommunikationsagentur (PTS), dass Betreiber, die Teile der 5G-Frequenzbänder erworben haben, keine Huawei-Geräte verwenden dürfen. Ende Juni entschied das Verwaltungsgericht in Stockholm, dass diese Entscheidung richtig war. Dagegen will das chinesische Unternehmen mit der Berufung nun vorgehen. PTS habe nicht ausreichend mit Huawei kommuniziert, hieß es in der Mitteilung. ari
Die beiden chinesischen Pharmaunternehmen Sinovac und Sinopharm werden der internationalen Impfinitiative Covax in den kommenden Monaten insgesamt 110 Millionen Dosen ihrer Corona-Impfstoffe zur Verfügung stellen. Die Lieferung beginne sofort, erklärte die Impfallianz Gavi, die Covax gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Forschungsbündnis Cepi ins Leben gerufen hatte. Es gäbe zudem eine Option zum Kauf weiterer Dosen.
Die internationale Impfinitiative ist derzeit mit massiven Engpässen konfrontiert. Bis Beginn der Woche verteilte die Initiative nach eigenen Angaben mehr als 102 Millionen Impfdosen an 135 Länder. Damit liegt die Covax-Initiative aber unter dem zu Jahresbeginn erklärten Ziel.
Nach Angaben von Gavi sieht die Vereinbarung den Kauf von 60 Millionen Impfdosen über den Zeitraum Juli bis Ende Oktober von Sinopharm vor, weitere 50 Millionen Dosen sollen bis Ende September von Sinovac kommen. Insgesamt stehen demnach bis Mitte 2022 bis zu 170 Millionen Sinopharm-Dosen und 380 Millionen Sinovac-Dosen zur Verfügung. ari
US-Politiker beider Kongressparteien befürchten, China könne Amerika bald als führende wissenschaftliche und technologische Macht ablösen. In seltener Einigkeit verabschiedete der ansonsten blockierte Senat Anfang Juni ein Gesetz, das im nächsten Jahrzehnt fast 250 Milliarden US-Dollar in die Spitzenforschung lenkt. Aber vielleicht sind die Sorgen der Gesetzgeber auch unnötig; die chinesische Regierung tut anscheinend, was sie kann, damit sie das Technologierennen mit Amerika verlieren.
Der jüngste Beweis für Chinas Hang zur Selbstbeschädigung ist die plötzliche und willkürliche regulatorische Maßnahme der Cyberspace-Administration in China (CAC) gegen Didi Chuxing, ein Unternehmen, das Fahrdienste vermittelt und bei seinem Börsengang an der New Yorker Börse vor kurzem 4,4 Milliarden US-Dollar eingenommen hat. Am 2. Juli, nur zwei Tage nach Didis erfolgreichem Emissionsangebot, das die Firma mit über 70 Milliarden US-Dollar bewertete, kündigte die CAC, eine Abteilung der herrschenden Kommunistischen Partei Chinas, die sich als staatliche Agentur tarnt, eine Überprüfung des Datenschutzes des Unternehmens an. Zwei Tage später ordnete die CAC die Entfernung Didis aus allen App Stores an und vernichtete fast ein Viertel des Marktwerts der Firma.
Das Durchgreifen der CAC gegen Didi unter dem Vorwand der Datensicherheit scheint nur der Beginn einer allgemeineren Kampagne zu sein, mit der die Agentur Chinas blühende Tech-Branche unter Kontrolle zu bringen versucht. Am 9. Juli versetzte die CAC Technologieunternehmen und ihren Investoren im Westen den nächsten Schock, als sie ankündigte, alle Unternehmen mit Daten von mehr als einer Million Nutzern müssten vor der Zulassung an ausländischen Börsen künftig eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen. Wenn diese neue Politik vollständig umgesetzt wird, könnte dies die chinesischen Technologiefirmen von ausländischem Kapital abwürgen.
Die Ironie ist: Das ist genau das, wovon die Falken in den USA schon lange träumen. Im Dezember letzten Jahres hatte der Kongress ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, chinesische Unternehmen von amerikanischen Börsen zu nehmen, wenn sie die US-amerikanischen Prüfungsstandards nicht erfüllen. Jetzt sieht es so aus, als hätte sich der Kongress die Mühe sparen können. Seine Nemesis, die KP Chinas, erledigt dieselbe Arbeit von nun an selbst, nur viel effizienter und gründlicher.
Jede sogenannte Datensicherheitsprüfung eines geheimnistuerischen Parteiorgans mit wenig technischem Sachverstand und keinerlei gesetzlichen Rechenschaftspflicht, die ausschließlich ihren politischen Herren verpflichtet ist, bedeutet ein weiteres unberechenbares regulatorisches Hemmnis, das die meisten, wenn nicht alle, ausländischen Investoren abschrecken dürfte. Ausländische Kapitalgeber, die in chinesische Tech-Startups investieren, wollen ihre Investition normalerweise durch einen Börsengang im Ausland – am besten in New York – beenden. Die Aussicht, dass ein Organ der KP künftig ein Veto gegen einen Börsengang einlegen kann, dürfte ihre Investitionslust ziemlich dämpfen.
Mit ausländischen Investoren, in der Regel etablierten Risikokapitalfirmen, kommen nicht nur dringend benötigte Gelder, sondern auch wertvolles Knowhow und bewährte Praktiken der Unternehmensführung, die für den Erfolg von Startups der Tech-Branche entscheidend sind. Fast allen marktbeherrschenden chinesischen Technologiekonzernen wie Alibaba, Tencent und Baidu gelang ihre spektakuläre Entwicklung zu blühenden Unternehmen nur mithilfe ausländischer Investitionen. Hätte die KP schon vor zwanzig Jahren eine solche Datensicherheitsprüfung verlangt, gäbe es heute keines von ihnen und die chinesische Tech-Branche wäre ein trostloser Anblick.
Die CAC geht nicht deshalb gegen die erfolgreichsten Technologiefirmen Chinas vor, weil sie sich um die Datensicherheit sorgt. Der Überwachungsstaat China bietet seinen Bürgern weder Datensicherheit noch Privatsphäre. Und da alle Technologieunternehmen gemäß den chinesischen Datenschutzvorschriften ihre Daten sowieso schon im Land aufbewahren müssen, lassen sich diese radikalen Regeländerungen und willkürlichen Beschränkungen wohl kaum mit der Angst der Regierung vor einem möglichen Datenleck bei einer Mitfahr-Plattform wie Didi rechtfertigen. Die Politik könnte die nationale Sicherheit sehr gut auch mit kleinen regulatorischen Verbesserungen gewährleisten.
Ausländische Investoren sollten sich jedoch keine großen Hoffnungen machen, dass die chinesische Führung ihren Fehler einsieht und umschwenkt. Die KP Chinas scheint darauf spezialisiert zu sein, die sprichwörtliche Goldene Gans niederzumetzeln. Tatsächlich sind weder Didi noch Alibaba – gegen das die chinesische Regierung im April eine sagenhafte Kartellstrafe von 2.8 Milliarden US-Dollar verhängt hat – bei weitem nicht die größten Gänse, die China vor kurzem geschlachtet hat. Diese ungewollte Ehre kommt Hongkong zu, dessen Autonomie und Wohlstand durch das von der chinesischen Regierung im vergangenen Jahr erlassene drakonische Nationale Sicherheitsgesetz akut in Gefahr sind.
Paranoia, bösartige Instinkte und die Verachtung von Eigentumsrechten sind tief in der kollektiven Psyche der KP Chinas verankert und verleiten die chinesische Regierung selbst dann zu selbstzerstörerischen Schritten, wenn wohlmeinende Ratgeber oder sogar harte Daten auf ihre schädlichen Folgen hinweisen. Heute macht die extreme Zentralisierung der Macht unter einem starken Mann eine Selbstkorrektur fast unmöglich.
Für chinesische Technologieunternehmen sind Didis Sorgen ein böses Omen. Bisher glauben viele, sie könnten in einer Diktatur florieren, solange sie sich aus der Politik heraushalten und sich aufs Geldverdienen konzentrieren. Aber um ein Zitat von Leo Trotzki abzuwandeln: Sie interessieren sich vielleicht nicht für die Diktatur, aber die Diktatur interessiert sich für sie.
Ein bekanntes chinesisches Sprichwort gilt auch für die KP Chinas. Die Partei hat die Angewohnheit “Ihre Nächsten zu verletzen und den Feind zu erfreuen” (qintong choukuai). Die chinesischen Technologiebosse lernen gerade auf die harte Tour, dass sie womöglich mehr von ihrer eigenen Regierung zu befürchten haben als von der parteiübergreifenden Sinophobie in Amerika.
Minxin Pei ist Professor für Governance am Claremont McKenna College und Senior Fellow des German Marshall Fund of the United States.
Copyright: Project Syndicate, 2021.
www.project-syndicate.org
Suning-Gründer Zhang Jindong tritt als Vorsitzender der E-Commerce-Plattform Suning.com zurück. Der 58-Jährige wird weiterhin als Ehrenvorsitzender beratend bei der Entwicklungsstrategie des Unternehmens tätig sein. Zhangs Aufgaben sollen vorübergehend von Ren Jun übernommen werden. Die Aktionäre müssen Ende Juli noch den Änderungen zustimmen. Zhang Jindong soll sein Sohn Steven Zhang (29) als Vorstandsmitglied nachfolgen.
Fischige Solarpanelkunst: In der Photovoltaik TopRunner Base in Sihong formt eine Gruppe Solarpanels die Draufsicht eines Fisches. Sihong liegt am Unterlauf des Huai-Flusses im Nordwesten der Provinz Jiangsu. Bereits 2017 wurde Sihong als dritter Batch für die “National Photovoltaic TopRunner Base” zugelassen. Die Fotovoltaik-Basis soll eine Gesamtkapazität von 1000 MW haben, weitere Batches befinden sich im Tiangang- und Xiangtao-See. Das Projekt “Fishery-Solar Complementary” soll rund 260 Millionen kWh Strom erzeugen.
China ist und bleibt in den EU-Institutionen häufig der berüchtigte Elefant im Raum. Alle wissen, worum es geht, über wen eigentlich geredet wird, ausgesprochen wird es aber nicht. In der offiziellen Kommunikation ist dann die Rede von “anderen wichtigen Volkswirtschaften”. Über das Offensichtliche wurde zu Beginn der Woche sogar in der Erklärung der EU-Außenminister zum “Global vernetzten Europa” geschwiegen. Kein Wort über die Volksrepublik – und das bei einer Initiative, mit der Brüssel der Neuen Seidenstraße direkt die Stirn bieten will.
Eine Alternative zur BRI ist aber nicht nur für die EU ein Anliegen. In einem Report der Münchner Sicherheitskonferenz, des Berliner Forschungsinstituts Merics und des US-Thinktanks Aspen Strategy Group wird sie als eine der Kernaufgaben für einen Neustart der transatlantischen China-Politik genannt. Marcel Grzanna analysiert die wichtigsten Punkte des 67-Seiten-Papiers. Und soviel lässt sich vorab sagen: Es gibt viel zu tun, um die Versäumnisse der jüngsten Vergangenheit wettzumachen.
Einen entspannten Ausflug gibt es dafür heute mit unserer Autorin Christiane Kühl, die Sie mit in Chinas Hauptstadt der E-Autos nimmt. In Liuzhou wimmelt es nur so von den kleinen bunten Elektroflitzern. Die Stadt, die einschließlich ihrer Vororte rund vier Millionen Einwohner hat, ist einer der größten lokalen Elektroauto-Märkte der Welt. Nur in Oslo gibt es mehr Elektroautos pro Einwohner. Wie hat Liuzhou das geschafft?
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dem heutigen China.Table!
67 Seiten lang ist der Report und voller Appelle, Mahnungen, Vorschläge. Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), das Berliner Forschungsinstitut Merics und der US-Thinktank Aspen Strategy Group drängen in ihrer gemeinsamen Veröffentlichung “Mind the Gap: Priorities for Transatlantic China Policy“ auf eine schnelle und konzertierte Politik westlicher Partner als Antwort auf die Herausforderungen chinesischer Ambitionen im 21. Jahrhundert. 67 Seiten, die auch den Eindruck vermitteln, dass sowohl in Nordamerika als auch in Europa zu lange der Wunsch Vater des Gedankens war, die Volksrepublik China ließe sich schon irgendwie, aber vor allem schadlos für westliche Interessen in die internationale Gemeinschaft integrieren.
Lange Zeit wirkte das von Peking selbst propagierte “Jahrhundert der Chinesen” für viele Regierungen der Welt in weiter Ferne. So ein Jahrhundert ist lang, und der technologische, wirtschaftliche und militärische Rückstand Chinas war vor 15 oder 20 Jahren noch so groß, dass es die Verantwortlichen im Westen bevorzugten, sich bequem und selbstgerecht zurückzulehnen, statt sich intensiv auf den Aufstieg eines autoritären Regierungssystems mit wenig Interesse an einer Nebenrolle auf der Weltbühne vorzubereiten. Die Schläfrigkeit demokratischer Staaten spiegelt sich schonungslos in diversen Statistiken wider, wie das Papier aufzeigt.
Eine davon beschäftigt sich mit der Frage, welches Land die Bevölkerungen in den G7-Staaten sowie in China und Indien in den 2070er-Jahren als technologisch führende Nation erwarten. Die Resultate der Umfragen machen zweierlei deutlich. Zum einen, dass das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Stärken in vielen westlichen Staaten stark gelitten hat. Beispiel Deutschland: 52 Prozent gehen heute davon aus, dass China in spätestens 50 Jahren die globale Führungsrolle übernommen haben wird. Nur 16 Prozent trauen der Europäischen Union den Spitzenplatz zu. Nur in Japan, den USA und in Indien glaubt eine jeweils knappe Mehrheit noch an die Überlegenheit der US-Amerikaner.
Zum anderen zeigen die Zahlen, dass es der Volksrepublik gelungen ist, ihr Gefühl der Stärke nachhaltig in den öffentlichen Meinungsraum in westlichen Staaten einzupflanzen, vornehmlich in Europa. Und zwar ausreichend glaubwürdig, auch weil in der EU zu lange darauf verzichtet wurde, der Bevölkerung den Glauben an die eigene Kompetenz zu vermitteln. Dass es Peking gelungen ist, diese Schnittstelle zu durchbrechen, ist vor allem auch das Resultat einer psychologischen Unterwanderung des Westens.
Geschickt hat die chinesische Regierung die beiden großen Krisen der vergangenen Jahrzehnte – die Finanzkrise von 2008 und die Corona-Pandemie – dazu genutzt, um sich jeweils frühzeitig als Gewinner zu positionieren und damit die psychologischen Weichen gestellt. Hierzulande regelmäßig vernommene Einschätzungen, dass Europa gegen das Riesenreich China wirtschaftlich sowieso keine Chance mehr habe, sind Zeichen der Resignation, die unter anderem aus diesen chinesischen Schachzügen resultieren. Mit Rivalen, deren Siegeswille und Kampfbereitschaft so angeschlagen sind, dürfte die Volksrepublik in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich leichtes Spiel haben.
Der europäische Westen hat offenbar lange unterschätzt, welche Bedeutung die Technologie in der geostrategischen Entwicklung in Zukunft haben wird. Deutlich wurde das bei der Sicherheitskonferenz 2020, als die damals noch von Donald Trump regierten USA eine scharfe Auseinandersetzung mit den Europäern lostraten. Als Projektionsfläche diente der chinesische Netzwerkausrüster Huawei. Wenn Europa die Bedrohung durch Huawei nicht verstehe und nichts dagegen tue, “könnte es das erfolgreichste Militärbündnis der Geschichte, die Nato, gefährden.”
Der Titel des Reports lautet deshalb nicht zufällig “Mind the gap”. Er erinnert an die Differenzen, die es vornehmlich zwischen US-Amerikanern und Europäern bei der Wahrnehmung und Handhabe einer autoritären Herausforderung auf der Weltbühne gibt. Und er impliziert die Dringlichkeit eines Neustarts der transatlantischen Beziehungen nach der Ära Trump. “Dies ist auf unterschiedliche Lesarten Chinas und Unterschiede in den grundlegenden Ansätzen der Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik zurückzuführen. Zum Teil spiegelt die Lücke Unterschiede in der Höhe des wirtschaftlichen und finanziellen Engagements wider. Zum Teil liegt es an unterschiedlichen Sicherheitsinteressen und Verteidigungsverpflichtungen”, schreiben der MSC-Chef Wolfgang Ischinger und Joseph S. Nye Jr. von der Aspen Strategy Group in ihrem Vorwort.
Daraus ergibt sich die Kernbotschaft des Papiers. Grundlage allen Widerstandes gegen den wachsenden Einfluss chinesischer Interessen in der Welt zuungunsten von Nordamerikanern und Europäern und damit des zentralen Blocks der demokratischen Wertegemeinschaft ist die Überbrückung dieser Lücke. Nicht auf allen Ebenen, nicht bei jedem Konfliktpunkt. Das wäre schlicht zu viel verlangt und ist auch gar nicht nötig, schreiben die Autoren. Aber die Lücke müsse eben ausreichend überbrückt werden, um gemeinsam eine Strategie und konkrete Maßnahmen zu entwickeln, um die Interessen auf beiden Seiten des Atlantiks zu bewahren und zu vertreten. “Keiner von uns will einen ‘neuen Kalten Krieg’ sehen. Wir erkennen an, dass China seinen rechtmäßigen Platz im internationalen System hat, und wir glauben, dass ein Dialog notwendig ist“, schreiben Ischinger und Nye.
Das Papier enthält eine weitere wichtige Botschaft: Die Zeit drängt – die Autor:innen empfehlen die Umsetzung von sieben Kernanliegen binnen sechs bis 18 Monaten. Darunter ein anhaltendes, gemeinsames Drängen auf ein wirtschaftliches Level Playing Field mit China und der Griff nach der Führung bei technischen Entwicklungen und Forschung. Eine Alternative zur Neuen Seidenstraße sei erforderlich, und in transatlantischer Zusammenarbeit müssten Freiheit und Sicherheit der indopazifischen Region geschützt werden (China.Table berichtete). Damit decken sich die Vorschläge weitgehend mit aktuellen Stoßrichtungen Brüssels und Washingtons, die auf diversen Kanälen angesprochen und verfolgt werden.
Allerdings dürfe es nicht darum gehen, eine direkte Konfrontation mit China zu suchen, also ein unmittelbares Kräftemessen, sondern konkrete Gegenangebote auf all jenen Feldern zu schaffen, auf denen die Volksrepublik und der Westen um Kontrolle und Einfluss ringen. Technologische Entwicklungen in Europa und den USA sollten enger aufeinander abgestimmt sein, schreiben die Autor:innen. Die gebündelte Kraft sollte dazu genutzt werden, weltweite Standards zu etablieren, um zu verhindern, dass westliche Akteure den chinesischen Vorgaben folgen müssen. Denn technische Standards münden in einer globalisierten Wertschöpfung zwangsläufig in politischer Stärke. Engere Abstimmung unter westlichen Partnern könnten gleichzeitig als Hebel genutzt werden, um China zu Zugeständnissen bei Marktzugang, Schutz des geistigen Eigentums, öffentlichen Ausschreibungen oder staatlichen Subventionen zu bewegen. Auf beiden Seiten des Atlantiks sollen die Trends zu engerem Investment-Screening fortgesetzt werden, um größere wirtschaftspolitische Sicherheit zu kreieren.
Ein Schlüssel für diese Zielsetzungen sehen die Autor:innen in der Stärkung und, wo nötig, Reform internationaler Institutionen wie der Welthandelsorganisation. Auch müsse über die Einrichtung neuer Institutionen nachgedacht werden. Die Bewahrung freiheitlicher Gesellschaften und die Förderungen von Menschenrechten seien dabei zentrale Werte, entlang derer Europa und Nordamerika ihre Politik ausrichten müssten.
Liuzhou liegt zwischen grünen Hügeln im Südwesten Chinas. Die Stadt hat mit die beste Luft und das sauberste Wasser im Land – trotz des riesigen Stahlindustriekomplexes von Liuzhou Iron and Steel am Stadtrand. Das Geheimnis ist eine unbürokratische Förderung kleiner Elektroautos, die Liuzhou zu Chinas Elektro-Hauptstadt gemacht hat.
Liuzhou hat dafür einen klaren Standortvorteil: Die Stadt ist Heimat des Dreier-Joint-Ventures von Shanghai Automotive (SAIC), General Motors und des lokalen Herstellers Wuling, kurz SGM-Wuling. Früher durch einfache Kleinbusse enorm erfolgreich, setzt das Gemeinschaftsunternehmen heute auf super-preiswerte Mini-Elektroautos etwa in Größe eines Smart. Die Kleinen sind derzeit der größte Verkaufsschlager unter Chinas Elektroautos: Von Januar bis Mai setzte SGM-Wuling nach Daten des Autoexperten und Investmentberaters Michael Dunne 128.796 Elektromobile ab und lag damit klar vor Tesla und BYD auf dem Spitzenplatz. Die meisten Käufer dieser Marken seien heute Privatkunden, sagt Dunne – und nicht mehr wie früher zum Elektrokauf gedrängte Flottenbetreiber.
Viele der kleinen Elektroflitzer, von denen es drei verschiedene Modelle gibt, verkauft SGM-Wuling in Liuzhou. Rund 30 Prozent aller 2020 in der Stadt gekauften Autos fahren mit Strom, berichtet die Zeitung China Daily unter Bezug auf die Consultingfirma Ways Information Technology in Guangzhou. Damit sei die Stadt, die einschließlich Vororte rund vier Millionen Einwohner hat, einer der größten lokalen Elektroauto-Märkte der Welt. Nur in Oslo gebe es mehr Elektroautos pro Einwohner, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Wie ist das gelungen? Die lokalen Behörden setzen Anreize für den Kauf von Elektroautos und kooperierten bei der Werbung für die neuartigen Fahrzeuge von Anfang an mit SGM-Wuling. “Die Lokalregierung verfolgte einen Graswurzel-Ansatz und motivierte seine Bürger, ein Elektroauto auszuprobieren”, sagt Autoexperte Tu Le vom Sino Auto Insights Newsletter. Schon 2017 bot die Stadt kostenlose 10-monatige Probefahrten mit dem Modell Baojun E100 an. Der Test war laut Bloomberg so beliebt, dass die verfügbaren 15.000 Slots damals innerhalb von Minuten ausgebucht waren. Später kauften 70 Prozent der Testfahrenden eines der getesteten Autos. Die Regierung habe dann die bei den Tests gesammelten Daten genutzt, um die ideale Reichweite eines E-Autos zu ermitteln, so Tu Le – auch um sicherzustellen, “dass das Auto nicht zu aufwändig konstruiert” werde. SGM-Wuling schnitt den Baojun E100 daraufhin für eine tägliche Pendelstrecke von weniger als 30 Kilometern zu.
Diese Positionierung ihrer Modelle als einfache Pendlerautos mit kleinerer Batterie ermöglichte SGM-Wuling einen Verkaufspreis ab umgerechnet etwa 4.500 Euro für den kleinsten unter seinen drei Modellen, den Hongguang Mini EV. Das Modell hat eine Reichweite zwischen 120 und 170 Kilometern – genug für kurze Strecken zur Arbeit oder zum Einkaufen in Liuzhou und anderswo. Die laufenden Kosten der Kleinstwagen für Batterieaufladen oder Versicherung sind ebenfalls sehr niedrig. Dass die Stromer so klein sind, ermöglichte es der Stadtregierung, rund 15.000 zusätzliche Parkplätze zu schaffen, denn sie passen zwischen Bäume, auf Randstreifen des Gehwegs oder in schmalere Durchfahrten.
All dem liegt auch das Bestreben zugrunde, Liuzhou zu einem Zentrum für die Herstellung von Elektrofahrzeugen zu machen. Die Stadt fördert die Ansiedlung auch von Zulieferern und unterstützt technologische Innovationen und Exporte. SGM-Wuling habe zudem an der Ausarbeitung von 117 internationalen, nationalen und lokalen Industriestandards im Elektro-Segment mitgewirkt, schreibt China Daily.
Es gibt keine Daten, wie viele der Kleinstromer derzeit über Liuzhous Straßen rollen. Doch Fotos aus der Stadt zeigen Straßenzüge voll bunter Kleinstmobile – manche von ihnen mit Aufdrucken wie Hello Kitty oder Pokemon, die SGM-Wuling für einen kleinen Aufpreis anbietet. In Wohnanlagen stehen sie aufgereiht an Ladestationen, das Kabel wie bei einem Smartphone von vorn hineingesteckt.
Liuzhou sei als SGM-Wuling-Standort sicher ein Sonderfall, sagt Bill Russo, Gründer des auf Neue Mobilität spezialisierten Beratungsunternehmens Automobility in Shanghai im Gespräch mit China.Table. “Nichtsdestotrotz gibt es für eine preiswerte städtische Elektromobilität einen potenziell riesigen Markt in ganz China.” In kleineren chinesischen Städten fehlen, ebenso wie auch vielfach in Europa, öffentliche Verkehrsmittel. Erschwingliche und bequeme Elektroautos seien dort eine ideale Alternative für Pendelnde, so Russo – als Ersatz für das Fahrrad oder den Motorroller.
In den wohlhabenderen Metropolen wie Shanghai oder Peking sind vor allem teurere Elektroautos unterwegs: Premium-Stomer von Tesla und den chinesischen Elektro-Startups oder E-Modelle des Volumensegments wie von BYD oder Beijing Automotive. Für Kleinstädte des Hinterlands sind aber selbst letztere noch zu hochpreisig – die Idee mit den E-Kleinstwagen erscheint daher ideal für eine Expansion der Elektromobilität in die vielen Kleinstädte des Landes.
Auch die Zentralregierung will nach dem Auslaufen der Kaufsubventionen für Stromer nun auf andere Wege der Förderung setzen. So gab die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) laut China Daily ein Dokument heraus, das unter anderem die Planer neuer Wohnanlagen verpflichten soll, jeden Stellplatz mit einer Ladesäule auszustatten. Der verstärkte Aufbau von Ladeinfrastruktur in Wohngebieten sei entscheidend bei dem Plan, den Übergang vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität zu beschleunigen, hieß es. Denn auch in China ist klar: Elektroautos müssen genauso bequem zu benutzen sein wie herkömmliche Personenwagen.
Das scheint in Liuzhou gelungen zu sein. Bloomberg interviewte in Liuzhou Menschen, die einen der kleinen Stromer fuhren. Die meisten Befragten hatten nach eigenen Worten auch einen normalen Benziner zu Hause stehen, den sie kaum noch benutzen – weil die Elektrovehikel praktischer und billiger seien. Ein Mann sagte, er zahle für das Aufladen etwa 0,1 Yuan pro Kilometer – rund 1,3 Cent. Parken auf den zugewiesenen Elektroauto-Plätzen sei kostenlos, ebenso wie die ersten beiden Stunden in normalen Parkhäusern.
Anfangs hätten viele Menschen die üblichen Bedenken zu den Elektroautos gehabt, zitierte Bloomberg Gou Yi, den stellvertretenden Leiter des lokalen NDRC-Büros. “Wir haben daher dafür gesorgt, dass unsere Bürger das Gefühl haben, dass die Nutzung von Elektrofahrzeugen sehr angenehm ist.” Und, wer viel damit fahre, bekomme sogar eine Geldprämie – wie er selbst auch, sagte Gou.
Mit Stand April 2021 gab es in China nach offiziellen Angaben rund 868.000 öffentliche Ladesäulen (China.Table berichtete). Von Januar bis Mai wurden im Land 950.000 Elektroautos und Plug-in Hybride verkauft – ein Zuwachs von 225 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Aussichten für den Rest des Jahres bleiben nach Prognosen des Autoherstellerverbandes CAAM positiv – er gibt als Ziel für dieses Jahr 1,8 Millionen verkaufte Stromer aus. Michael Dunne erwartet sogar noch mehr: “China ist auf dem besten Weg, 2021 über 2,4 Millionen Elektrofahrzeuge zu verkaufen und den Titel des weltgrößten Absatzmarktes von Europa zurückzuerobern.” Wenn es weiter gut läuft, dann wird es auch an einfachen Konzepten und günstigen E-Autos wie in Liuzhou liegen.
Die EU gibt in einem neuen Leitfaden Hinweise zur Erkennung und Umgang mit Zwangsarbeit in der Lieferkette. Das am Dienstag veröffentlichte Papier nennt keine Staaten direkt. Die EU-Richtlinie beinhaltet jedoch mehrere Punkte, die auf China zutreffen. So sind die Unternehmen aufgefordert, auf Warnsignale bezüglich der Staaten zu achten, die auf Zwangsarbeit hinweisen. Die Richtlinie nennt dazu als Risikofaktoren unter anderem:
Wenn die EU-Unternehmen im Ausland auf “staatlich geförderte Zwangsarbeit” stoßen, sollten sie erwägen, “ernste Besorgnis zum Ausdruck zu bringen”, Transparenz fordern oder die Regierungen aufrufen, die Vereinten Nationen und die ILO einzubinden, heißt es weiter in der Richtlinie. Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einem EU-weiten Lieferkettengesetz. ari
Chinesische Unternehmen haben in den vergangenen zehn Jahren fast 6,5 Millionen Hektar Landfläche in Drittländern aufgekauft oder gepachtet. Sie liegen damit weit vor Firmen aus Großbritannien (1,5 Millionen Hektar), den USA (860.000 Hektar) und Japan (420.000 Hektar), wie eine Analyse von Nikkei Asia basierend auf Daten der Initiative Land Matrix zeigt. Die unter chinesischer Aufsicht befindlichen Areale machen umgerechnet fast die Fläche Bayerns aus. Sie werden demnach hauptsächlich landwirtschaftlich sowie für die Forstwirtschaft und den Bergbau genutzt.
Der Landerwerb im Ausland verschafft den Unternehmen Zugang zu natürlichen Ressourcen. So solle die wachsende Inlandsnachfrage, die aus Chinas wirtschaftlicher Entwicklung resultiert, befriedigt werden, schreiben die Analyst:innen von Nikkei. Umwelt- und Entwicklungsaktivist:innen kritisieren die Landnahme. Sie führe zur Vertreibung einheimischer Bäuerinnen und Bauern. Die häufig angepflanzten Monokulturen laugten zudem den Boden aus. nib
Der chinesische Immobilienentwickler Sichuan Languang Development gerät mit der Rückzahlung einer inländischen Anleihe in Höhe von 900 Millionen Yuan (rund 139 Millionen US-Dollar) in Verzug. Languang gehört zu den größten Bauunternehmen des Landes und gab nun bekannt insgesamt 4,5 Milliarden Yuan an überfälligen Schulden angehäuft zu haben.
Mit dem Zahlungsausfall reiht sich Languang zu den Bauunternehmen des Landes ein, die in letzter Zeit ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Erst Anfang des Jahres hatte China Fortune Land Development bekannt gegeben, seine Kredite nicht mehr zurückzahlen zu können. Kürzlich musste das Unternehmen einräumen, Gesamtausfälle in Höhe von 67 Milliarden Yuan zu halten.
Peking hatte zuletzt immer größeren Druck auf die Immobilienentwickler des Landes ausgeübt, nachdem die Branche in diesem Jahr für einen Rekordanstieg der Ausfälle inländischer Unternehmensanleihen gesorgt hatte. Als Gegenmaßnahme wurden die Kreditaufnahmen für die Branche eingeschränkt, was wiederum zu dem größten Ausverkauf chinesischer Dollar-Anleihen mit Junk-Rating führte, die vor allem von den Immobilienentwicklern gehalten werden. niw
Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei hat in Schweden Berufung gegen eine Gerichtsentscheidung eingelegt, die ein staatliches Verbot seiner 5G-Ausrüstung aufrechterhält. Das Gericht habe “keine korrekte Analyse” durchgeführt, zudem werfe das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes in Stockholm “grundsätzliche Fragen” auf, hieß in einer Pressemitteilung des Konzerns. Das chinesische Unternehmen sei nicht zu allen seinen Argumenten gehört worden und habe deshalb beantragt, dass der Fall von einem Berufungsgericht behandelt werde.
Hintergrund ist der bereits seit längerer Zeit bestehende Konflikt zwischen dem Staat und der Telekommunikationsfirma (China.Table berichtete): Schweden hatte bereits im Oktober 2020 entschieden, die chinesischen Anbieter Huawei und ZTE vom Ausbau des 5G-Netzes auszuschließen. Die Ausrüstung beider Unternehmen wurde von schwedischen nationalen Sicherheitseinrichtungen als Risiko eingestuft.
Infolgedessen entschied unter anderem die schwedische Post- und Telekommunikationsagentur (PTS), dass Betreiber, die Teile der 5G-Frequenzbänder erworben haben, keine Huawei-Geräte verwenden dürfen. Ende Juni entschied das Verwaltungsgericht in Stockholm, dass diese Entscheidung richtig war. Dagegen will das chinesische Unternehmen mit der Berufung nun vorgehen. PTS habe nicht ausreichend mit Huawei kommuniziert, hieß es in der Mitteilung. ari
Die beiden chinesischen Pharmaunternehmen Sinovac und Sinopharm werden der internationalen Impfinitiative Covax in den kommenden Monaten insgesamt 110 Millionen Dosen ihrer Corona-Impfstoffe zur Verfügung stellen. Die Lieferung beginne sofort, erklärte die Impfallianz Gavi, die Covax gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Forschungsbündnis Cepi ins Leben gerufen hatte. Es gäbe zudem eine Option zum Kauf weiterer Dosen.
Die internationale Impfinitiative ist derzeit mit massiven Engpässen konfrontiert. Bis Beginn der Woche verteilte die Initiative nach eigenen Angaben mehr als 102 Millionen Impfdosen an 135 Länder. Damit liegt die Covax-Initiative aber unter dem zu Jahresbeginn erklärten Ziel.
Nach Angaben von Gavi sieht die Vereinbarung den Kauf von 60 Millionen Impfdosen über den Zeitraum Juli bis Ende Oktober von Sinopharm vor, weitere 50 Millionen Dosen sollen bis Ende September von Sinovac kommen. Insgesamt stehen demnach bis Mitte 2022 bis zu 170 Millionen Sinopharm-Dosen und 380 Millionen Sinovac-Dosen zur Verfügung. ari
US-Politiker beider Kongressparteien befürchten, China könne Amerika bald als führende wissenschaftliche und technologische Macht ablösen. In seltener Einigkeit verabschiedete der ansonsten blockierte Senat Anfang Juni ein Gesetz, das im nächsten Jahrzehnt fast 250 Milliarden US-Dollar in die Spitzenforschung lenkt. Aber vielleicht sind die Sorgen der Gesetzgeber auch unnötig; die chinesische Regierung tut anscheinend, was sie kann, damit sie das Technologierennen mit Amerika verlieren.
Der jüngste Beweis für Chinas Hang zur Selbstbeschädigung ist die plötzliche und willkürliche regulatorische Maßnahme der Cyberspace-Administration in China (CAC) gegen Didi Chuxing, ein Unternehmen, das Fahrdienste vermittelt und bei seinem Börsengang an der New Yorker Börse vor kurzem 4,4 Milliarden US-Dollar eingenommen hat. Am 2. Juli, nur zwei Tage nach Didis erfolgreichem Emissionsangebot, das die Firma mit über 70 Milliarden US-Dollar bewertete, kündigte die CAC, eine Abteilung der herrschenden Kommunistischen Partei Chinas, die sich als staatliche Agentur tarnt, eine Überprüfung des Datenschutzes des Unternehmens an. Zwei Tage später ordnete die CAC die Entfernung Didis aus allen App Stores an und vernichtete fast ein Viertel des Marktwerts der Firma.
Das Durchgreifen der CAC gegen Didi unter dem Vorwand der Datensicherheit scheint nur der Beginn einer allgemeineren Kampagne zu sein, mit der die Agentur Chinas blühende Tech-Branche unter Kontrolle zu bringen versucht. Am 9. Juli versetzte die CAC Technologieunternehmen und ihren Investoren im Westen den nächsten Schock, als sie ankündigte, alle Unternehmen mit Daten von mehr als einer Million Nutzern müssten vor der Zulassung an ausländischen Börsen künftig eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen. Wenn diese neue Politik vollständig umgesetzt wird, könnte dies die chinesischen Technologiefirmen von ausländischem Kapital abwürgen.
Die Ironie ist: Das ist genau das, wovon die Falken in den USA schon lange träumen. Im Dezember letzten Jahres hatte der Kongress ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, chinesische Unternehmen von amerikanischen Börsen zu nehmen, wenn sie die US-amerikanischen Prüfungsstandards nicht erfüllen. Jetzt sieht es so aus, als hätte sich der Kongress die Mühe sparen können. Seine Nemesis, die KP Chinas, erledigt dieselbe Arbeit von nun an selbst, nur viel effizienter und gründlicher.
Jede sogenannte Datensicherheitsprüfung eines geheimnistuerischen Parteiorgans mit wenig technischem Sachverstand und keinerlei gesetzlichen Rechenschaftspflicht, die ausschließlich ihren politischen Herren verpflichtet ist, bedeutet ein weiteres unberechenbares regulatorisches Hemmnis, das die meisten, wenn nicht alle, ausländischen Investoren abschrecken dürfte. Ausländische Kapitalgeber, die in chinesische Tech-Startups investieren, wollen ihre Investition normalerweise durch einen Börsengang im Ausland – am besten in New York – beenden. Die Aussicht, dass ein Organ der KP künftig ein Veto gegen einen Börsengang einlegen kann, dürfte ihre Investitionslust ziemlich dämpfen.
Mit ausländischen Investoren, in der Regel etablierten Risikokapitalfirmen, kommen nicht nur dringend benötigte Gelder, sondern auch wertvolles Knowhow und bewährte Praktiken der Unternehmensführung, die für den Erfolg von Startups der Tech-Branche entscheidend sind. Fast allen marktbeherrschenden chinesischen Technologiekonzernen wie Alibaba, Tencent und Baidu gelang ihre spektakuläre Entwicklung zu blühenden Unternehmen nur mithilfe ausländischer Investitionen. Hätte die KP schon vor zwanzig Jahren eine solche Datensicherheitsprüfung verlangt, gäbe es heute keines von ihnen und die chinesische Tech-Branche wäre ein trostloser Anblick.
Die CAC geht nicht deshalb gegen die erfolgreichsten Technologiefirmen Chinas vor, weil sie sich um die Datensicherheit sorgt. Der Überwachungsstaat China bietet seinen Bürgern weder Datensicherheit noch Privatsphäre. Und da alle Technologieunternehmen gemäß den chinesischen Datenschutzvorschriften ihre Daten sowieso schon im Land aufbewahren müssen, lassen sich diese radikalen Regeländerungen und willkürlichen Beschränkungen wohl kaum mit der Angst der Regierung vor einem möglichen Datenleck bei einer Mitfahr-Plattform wie Didi rechtfertigen. Die Politik könnte die nationale Sicherheit sehr gut auch mit kleinen regulatorischen Verbesserungen gewährleisten.
Ausländische Investoren sollten sich jedoch keine großen Hoffnungen machen, dass die chinesische Führung ihren Fehler einsieht und umschwenkt. Die KP Chinas scheint darauf spezialisiert zu sein, die sprichwörtliche Goldene Gans niederzumetzeln. Tatsächlich sind weder Didi noch Alibaba – gegen das die chinesische Regierung im April eine sagenhafte Kartellstrafe von 2.8 Milliarden US-Dollar verhängt hat – bei weitem nicht die größten Gänse, die China vor kurzem geschlachtet hat. Diese ungewollte Ehre kommt Hongkong zu, dessen Autonomie und Wohlstand durch das von der chinesischen Regierung im vergangenen Jahr erlassene drakonische Nationale Sicherheitsgesetz akut in Gefahr sind.
Paranoia, bösartige Instinkte und die Verachtung von Eigentumsrechten sind tief in der kollektiven Psyche der KP Chinas verankert und verleiten die chinesische Regierung selbst dann zu selbstzerstörerischen Schritten, wenn wohlmeinende Ratgeber oder sogar harte Daten auf ihre schädlichen Folgen hinweisen. Heute macht die extreme Zentralisierung der Macht unter einem starken Mann eine Selbstkorrektur fast unmöglich.
Für chinesische Technologieunternehmen sind Didis Sorgen ein böses Omen. Bisher glauben viele, sie könnten in einer Diktatur florieren, solange sie sich aus der Politik heraushalten und sich aufs Geldverdienen konzentrieren. Aber um ein Zitat von Leo Trotzki abzuwandeln: Sie interessieren sich vielleicht nicht für die Diktatur, aber die Diktatur interessiert sich für sie.
Ein bekanntes chinesisches Sprichwort gilt auch für die KP Chinas. Die Partei hat die Angewohnheit “Ihre Nächsten zu verletzen und den Feind zu erfreuen” (qintong choukuai). Die chinesischen Technologiebosse lernen gerade auf die harte Tour, dass sie womöglich mehr von ihrer eigenen Regierung zu befürchten haben als von der parteiübergreifenden Sinophobie in Amerika.
Minxin Pei ist Professor für Governance am Claremont McKenna College und Senior Fellow des German Marshall Fund of the United States.
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Suning-Gründer Zhang Jindong tritt als Vorsitzender der E-Commerce-Plattform Suning.com zurück. Der 58-Jährige wird weiterhin als Ehrenvorsitzender beratend bei der Entwicklungsstrategie des Unternehmens tätig sein. Zhangs Aufgaben sollen vorübergehend von Ren Jun übernommen werden. Die Aktionäre müssen Ende Juli noch den Änderungen zustimmen. Zhang Jindong soll sein Sohn Steven Zhang (29) als Vorstandsmitglied nachfolgen.
Fischige Solarpanelkunst: In der Photovoltaik TopRunner Base in Sihong formt eine Gruppe Solarpanels die Draufsicht eines Fisches. Sihong liegt am Unterlauf des Huai-Flusses im Nordwesten der Provinz Jiangsu. Bereits 2017 wurde Sihong als dritter Batch für die “National Photovoltaic TopRunner Base” zugelassen. Die Fotovoltaik-Basis soll eine Gesamtkapazität von 1000 MW haben, weitere Batches befinden sich im Tiangang- und Xiangtao-See. Das Projekt “Fishery-Solar Complementary” soll rund 260 Millionen kWh Strom erzeugen.