Peking grüßt Olaf Scholz. Der Finanzminister steckt tief im Schlamassel um Wirecard, das durch die Roste der Finanzaufsicht gerutscht ist. Die chinesische Regierung, schreibt Finn Mayer-Kuckuk, will nun den Finanzarm der Alibaba-Gruppe nach den Regeln eines Finanzinstituts und nicht mehr den Regeln eines Tech-Konzerns regulieren.
Tiktok und seine Video-App kennt im Westen mittlerweile jeder. Dass Kuaishou (“schnelle Hand”) in China genauso erfolgreich ist, weiß man hierzulande nicht. Morgen könnte sich das ändern – Das Unternehmen geht in Hongkong an die Börse. Gregor Koppenburg und Jörn Petring nehmen uns mit in die Koaishou-Welt mit ihren 300 Millionen Usern.
Die Kritik am EU-China-Abkommen CAI reißt nicht ab. Im Zentrum stehen die Übereinkommen zur Abschaffung der Zwangsarbeit. Was sich konkret hinter den ILO-Vereinbarungen verbirgt, analysiert Amelie Richter.
Kann der Westen der Supermacht China mit Sanktionen beikommen? Der erfahrene Außenpolitiker Jürgen Trittin sagt: Nein. Ich möchte Ihnen Trittins zehn Thesen zum Verhältnis der Amerikaner, der Chinesen und der Europäer empfehlen. Er hat sie dieser Tage bei der außenpolitischen Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung vorgetragen – Und ich denke, Sie werden sie mit Gewinn lesen.
Technik-Holding oder Finanzkonzern? Da die Internetbranche in immer mehr Geschäftsfelder hineinwuchert, lassen sich hier oft keine klaren Grenzen ziehen. Die Regierung in Peking hat sich im Fall der Ant Group offenbar entschieden, den Zahlungsdienstleister wie eine Bank zu regulieren. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf gut informierte Kreise. Noch vor dem chinesischen Neujahrsfest am 12. Februar wollen die Behörden die Entscheidung offiziell bekannt geben. Damit die Ant Group unter den Schirm der Bankenaufsicht passt, ist dem Bericht zufolge ein Umbau der Beteiligungsstruktur nötig.
Die Einstufung der Ant Group als Finanzholding entspricht zwar nicht den Wünschen seines Mutterkonzerns Alibaba. Doch sie wäre logisch: Ant vergibt bereits mehr als ein Fünftel der Verbraucherkredite in China. Das Unternehmen verdankt seinen Erfolg dem Aufstieg von Alibaba zum größten Onlinehändler des Landes. Es ist das Paypal Chinas – und noch viel mehr. Mit dem Geldmarktfonds Yu’e Bao ist das Unternehmen in den Markt für Geldanlagen eingestiegen – auf Wunsch ganz einfach per Handy. Auch Ratenzahlungen sind möglich. Das erklärt den hohen Anteil des Unternehmens am Markt für Konsumkredite. Eine gewisse Bekanntheit hat auch Sesame Credit erlangt, die Tochter für Bonitätseinstufungen, die besonders ausgefeilte Algorithmen verwendet.
Die Erfassung der Ant Group durch die Finanzaufsicht entspricht einem Trend, der derzeit parallel auch in Deutschland läuft. Nach der spektakulären Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard will die Bundesregierung die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf solche Holding-Strukturen aus der Technikwelt ausweiten. In Deutschland kommt die Reform zu spät – Wirecard hat in seiner Regulierungs-Lücke mit gezockt und betrogen, bis die Schäden in Milliardenhöhe gingen.
Das Geschäft von Ant ist im großen Gegensatz zu Wirecard zwar höchst real, solide und nachvollziehbar. Dennoch hat die schiere Größe des jungen Giganten die staatlichen Stellen immer nervöser gemacht. Das Unternehmen wickelt jährlich Zahlungen in Höhe von 15 Billionen (ja, 15.000 Milliarden) Euro ab, wie aus Börseninformationen hervorgeht.
Etwa eine Milliarde Kunden sind bei Ant registriert – schließlich hat eine Mehrheit der Chinesen schon einmal etwas auf den Seiten von Alibaba bestellt. Bei einem geplanten Börsengang in Hongkong sollte das Unternehmen eine Bewertung erhalten, die ungefähr so hoch ist wie die von Volkswagen, Allianz, Deutscher Telekom und Daimler zusammen.
Der Führung in Peking ging das alles zu weit. Sie lässt solche Konglomerate gerne heranwachsen, solange sie dadurch Mehrwert schaffen. Wenn sie zur Konkurrenz für die Staatsmacht werden, dann steigt das Misstrauen – so wie in den USA. Washington will Google und Facebook künftig ebenfalls strenger behandeln. Ant hat nun nicht einfach nur Wissen monopolisiert, sondern der kommunistischen Staatswirtschaft da Konkurrenz gemacht, wo es wehtut: bei den Finanzgeschäften.
Die Banken sind in China der Angelpunkt des organisierten Wirtschaftserfolgs. In den frühen Achtzigerjahren haben sie angefangen, das Wachstum mit Krediten anzutreiben. Rein private Institute gibt es fast nicht. Die Großbanken sind Staatsbetriebe unter direkter Kontrolle der Zentralregierung. In Krisen wie 2009 können sich die Planer darauf verlassen, dass das System stabil bleibt und die Finanzakteure ihren Teil tun, um Firmenpleiten zu verhindern und Arbeitsplätze zu erhalten. Das ist nicht ökonomisch effizient, aber es funktioniert. Ant Financial ist nun ebenso systemrelevant, hat aber keine Banklizenz. Das konnte auf Dauer nicht so bleiben.
Aus Misstrauen gegenüber der Finanzmacht aus dem Internet hat Peking den Börsengang von Ant Financial sabotiert, der im November stattfinden sollte. Im September hatte der Gesetzgeber bereits eine neue Rechtsform geschaffen, die nun auf die Ant Group angewendet werden soll. Das Unternehmen suche nun nach Wegen, den Börsengang nachzuholen, berichtet Bloomberg. Doch dazu muss der geforderte Umbau zuerst abgeschlossen sein – schließlich muss klar sein, welche Untereinheit überhaupt die Anteilsscheine ausgibt. Noch wichtiger für einen neuen Anlauf an der Börse wäre jedoch, dass die Führung in Peking wieder sichtbar positive Signale in Richtung Ant Financial sendet. Ohne die Unterstützung der Partei – oder gar gegen ihren Willen – geht in China schließlich wenig.
Auch die Kapitalausstattung muss die Ant Group nun vermutlich anpassen. Bisher hat sie darauf gesetzt, dass nur Teile des Firmenkonstrukts als Finanzinstitutionen gelten. Künftig gilt vermutlich eine ähnliche Untergrenze für die Eigenkapitalausstattung im Verhältnis zu den vergebenen Krediten wie für die Banken.
In Hongkong wird an diesem Freitag aller Voraussicht nach der weltgrößte Börsengang seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie über die Bühne gehen. Der chinesische Video-App-Anbieter Kuaishou Technology will bei Anlegern umgerechnet 5,4 Milliarden US-Dollar einsammeln und strebt zum Handelsstart eine Marktbewertung von rund 60 Milliarden Dollar an. Das Interesse an dem vor neun Jahren in Peking gegründeten Unternehmen ist bei Anlegern laut Analysten noch größer, als es beim im Oktober kurzfristig geplatzten Börsengang der Alibaba-Finanztochter Ant Financial war.
Kuaishou, was wörtlich übersetzt soviel wie “schnelle Hand” bedeutet, ist in China mit ihrer gleichnamigen Video-App der größte Konkurrent der chinesischen App Douyin, die im Westen unter dem Namen Tiktok firmiert. Wer in chinesischen Großstädten mit der U-Bahn unterwegs ist, kennt dieses Bild: Praktisch alle der dicht gedrängt stehenden Fahrgäste sind in ihre Smartphones vertieft. Doch auf ihren Displays hat sich etwas verändert. Schenkten sie über Jahre fast ausschließlich WeChat ihre Aufmerksamkeit, flimmern nun immer mehr Videos über die Bildschirme. Kuaishou gehört mit mehr als 300 Millionen aktiven Nutzern zu einem der Anbieter, die am besten auf dem Markt positioniert sind. Douyin kam im vergangenen Jahr etwa auf 400 Millionen Anwender in China, die die App täglich nutzen.
Auf Kuaishou können kurze Videos selbst erstellt und mit anderen Nutzern geteilt werden. Wichtiger für den Erfolg der App ist aber das Live-Streaming. Teilweise über Stunden gestalten Influencer auf Kuaishou Programme, die mal von Millionen, mal auch nur von einigen Hundert Zuschauern verfolgt werden. Es werden Tipps für Make-up gegeben, es wird gekocht oder getanzt. Fitness-Trainer protzen vor der Kamera mit ihren Sixpacks. Manchmal sitzt auch nur eine junge Frau für Stunden auf dem Sofa und räkelt sich in der Hoffnung, dass Fans ihr per Knopfdruck Sticker schicken.
Geld verdient wird in der App dadurch, dass Zuschauer den Machern der Videos oder Livestreams kostenpflichtige Sticker oder Bilder schicken können. Eine animierte Blume kostet umgerechnet nur etwa 15 Cent. Doch einige der teuersten Emoticons, eine Yacht oder eine Villa etwa, können schnell mehrere Hundert Euro kosten. Kuaishou und der jeweilige Anbieter des Videos teilen die Einnahmen unter sich auf. Diese kleinen Trinkgelder sind noch vor traditioneller Werbung der wichtigste Umsatzbringer für Kuaishou.
Außerdem setzen Kuaishou wie auch andere Live-Streaming-Dienste auf eigene Online-Shops. Da preist eine Fischerin aus der ostchinesischen Stadt Qingdao im Live-Video ihre frischen Krebse an, von denen eine Portion für umgerechnet fünf Euro direkt nach Hause bestellt werden kann. In einem anderen Video versucht ein Mann aus der zentralchinesischen Stadt Wuhan, seine selbst bedruckten T-Shirts zu verkaufen.
Trotz steigender Nutzerzahlen musste Kuaishou zuletzt hohe Verluste hinnehmen, was unter anderem am intensiven Wettbewerb mit Marktführer Douyin liegt. Wie so oft in Chinas Internet-Branche wird mit harten Bandagen gekämpft. Beide Firmen haben sich mit unzähligen Klagen überzogen. Und als Douyin vor einigen Tagen ankündigte, zum chinesischen Neujahrsfest Geldgeschenke in Höhe von rund zwei Milliarden Yuan (etwa 250 Millionen Euro) an seine Nutzer zu verteilen, zog Kuaishou prompt mir der Ankündigung nach, 2,1 Milliarden Yuan in die Hand nehmen zu wollen.
Ähnlich wie die Douyin-Mutter ByteDance mit Tiktok versucht auch Kuaishou Technology international zu expandieren. Mit ihrer Video-App Zynn führten die Chinesen letztes Jahr sogar kurz die Download-Charts für Android- und iPhone-Apps in den USA an, nachdem neuen Nutzern Geld für die Anmeldung und das Ansehen von Videos versprochen worden war. Allerdings beklagten bei TikTok unter Vertrag stehende Influencer, dass ihre Videos ohne ihre Erlaubnis auch auf Zynn gepostet wurden. Google und Apple nahmen Zynn daraufhin kurzfristig aus ihren Stores, bis die Probleme gelöst waren. Auch vor dem Hintergrund zunehmender Skepsis und Sicherheitsbedenken ausländischer Regierungen gegenüber chinesischen Apps gestaltet sich die Expansion im Ausland für Kuaishou schwierig. So ordnete erst kürzlich Indien an 200 chinesische Apps zu löschen. Vier davon gehörten Kuaishou.
Herausforderungen muss Kuaishou aber auch auf dem heimischen Markt bewältigen, wo Regulatoren immer strenger gegen die Live-Streaming-Plattformen vorgehen. So kündigte Chinas nationale Radio- und Fernsehverwaltung im November neue Live-Streaming-Regeln an, die es Minderjährigen verbietet auf den Plattformen Emoticons zu kaufen. Auch muss die Menge an Trinkgeld, die ein einzelner Nutzer geben kann, begrenzt werden. Möglicherweise müssen sich die Plattformen künftig auch auf noch mehr Regeln einstellen. Nur Tage vor dem Börsengang trat dann auch noch die China-Audio Video Copyright Association (Cavca) auf den Plan, die Kuaishou beschuldigt, dass Tausende Nutzer Musik-Urheberrechte in ihren Videos verletzt hätten.
Was trotz all dieser Probleme für Kuaishou spricht: Mit Tencent hält einer der größten Internet-Konzerne des Landes eine Beteiligung von 21,5 Prozent an den Startup. Mit einem solch starken Partner an der Seite, lassen sich auch turbulente Phasen leichter überstehen. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Die Kritik am Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) reißt seit Veröffentlichung eines Teil des Textes Ende Januar nicht ab – besonders Mängel hinsichtlich des Menschen- und Arbeiterschutzes werden kritisiert. Ein Zusammenschluss von mehr als 100 China-Experten, Aktivisten und Wissenschaftlern fordert deshalb einen Stopp des EU-China-Deals. In einem öffentlichen Schreiben verweisen sie auf Verletzungen der Menschenrechte und die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong.
Andreas Fulda, Senior Fellow am Asien-Forschungsinstitut der Universität Nottingham, der den Brief mit initiiert hat, glaubt nicht, dass das CAI etwas zur Verbesserung der Arbeiterrechte in China beiträgt. “Das Verhalten der Kommunistischen Partei Chinas (KP Chinas) unter Xi Jinping gibt keinen Grund mehr zu der Annahme, dass es sich durch internationale Abkommen beschränken lässt, geschweige denn durch dieses EU-China-Investitionsabkommen”, sagt Fulda China.Table. Die Verpflichtungen in dem Abkommen seien “so vage, dass sie im Wesentlichen nutzlos sind.”, kritisiert Fulda. Seiner Ansicht nach wird sich die Führung in Peking nicht an die Abmachungen halten: “Die Partei verstößt regelmäßig gegen WTO-Regeln und missachtet das Völkerrecht im Südchinesischen Meer.”
Die Unterzeichner des Schreibens sehen das CAI als Fehler: “Trotz Beweisen für ethnische Säuberungen, Zwangsarbeit und andere grobe Menschenrechtsverletzungen hat sich die Führung der europäischen Institutionen dafür entschieden, ein Abkommen zu unterzeichnen, das von der chinesischen Regierung keine sinnvollen Verpflichtungen verlangt, um ein Ende der Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder der Sklaverei zu garantieren”, heißt es in dem Brief.
Besonders im Blick sind dabei zwei Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die im Abkommenstext explizit genannt werden: das Übereinkommen über Zwangsarbeit (C029) und das Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit (C105). In beiden Konventionen verpflichten sich die ILO-Mitglieder, die diese Übereinkommen ratifiziert haben, jegliche Form von Zwangs- oder Pflichtarbeit zu unterdrücken und nicht anzuwenden – auch “als Mittel des politischen Zwangs, der Bildung oder als Strafe für das Halten oder Ausdrücken politischer Ansichten oder Ansichten, die dem etablierten politischen, sozialen oder wirtschaftlichen System ideologisch entgegengesetzt sind” – beide Übereinkommen hat China bisher nicht ratifiziert. Im bisher vorliegenden CAI-Text ist jedoch festgelegt, dass China “von sich aus fortgesetzte und nachhaltige Anstrengungen” unternehmen müsse, um die Ratifizierung der beiden Konventionen voranzutreiben. Wie das überprüft werden soll, bleibt offen.
Die Ratifizierung von ILO-Vorgaben ist freiwillig für die Mitgliedsländer – auch ein handelspolitisches Abkommen kann die jeweiligen Unterzeichner darauf nicht festnageln – wie jüngst auch in einer Streitsache zwischen Brüssel und Südkorea zu sehen war: Die EU hatte Ende 2018 ein Verfahren eingeleitet, weil Südkorea acht Jahre nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens einige ILO-Kernverpflichtungen zur Vereinigungsfreiheit noch nicht erfüllt hatte. 2019 wurde dazu auch die Einsetzung eines Panels unabhängiger Experten beantragt. Diese schlussfolgerten nun Ende Januar: Das südkoreanische Arbeitsrecht widerspricht in einigen Aspekten in der Tat dem Prinzip der Vereinigungsfreiheit. Dass jedoch die im Abkommen festgelegten “fortgesetzten und nachhaltigen Anstrengungen” zur Ratifizierung der entsprechenden ILO-Konventionen nicht gemacht wurden, konnten die Experten nicht feststellen. “Das Gremium hat weder die Zuständigkeit noch ist es befugt, Korea zur Ratifizierung der wichtigsten IAO-Übereinkommen zu verpflichten”, heißt es im Abschlussbericht.
Kritiker befürchten, dass auch die im CAI-Text nur freiwilligen Verpflichtungen Peking ein Schlupfloch bieten. Ein fatales Urteil fällte dazu auch jemand, der selbst mal die Zügel in Brüssel in der Hand hielt: Der ehemalige Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker nannte das CAI in Bezug auf Arbeitsnormen und die Verpflichtungen im Rahmen des Deals zu Beginn der Woche “billig”. “Ich habe sehr lange versucht, dieses Investitionsabkommen mit dem chinesischen Präsidenten und dem chinesischen Premierminister abzuschließen”, sagte Juncker einem Medienbericht zufolge bei einer virtuellen Veranstaltung des Landes Baden-Württemberg am Montagabend. Er sei jedoch letztendlich immer daran gescheitert , dass Peking nicht dazu bereits gewesen sei, ILO-Konventionen zu ratifizieren. “Wir dürfen hier keine Kompromisse eingehen”, sagte der frühere EU-Kommissionschef.
Angesichts der laufenden Debatte um das Thema sorgte in dieser Woche auch ein Tweet der Generaldirektion für Verteidigungsindustrie und Weltraum der Europäischen Kommission für Aufsehen: Mit diesem wurden Luftaufnahmen eines Satelliten der Copernicus-Raumfahrtmission Sentinel-2 veröffentlicht, die den Ausbau eines Lagers in Dabancheng in der Provinz Xinjiang zwischen Januar 2017, 2019 und 2021 zeigen. Eine Sprecherin der Generaldirektion erklärte China.Table auf Anfrage, dass es sich dabei um ein aktuelles Thema handle, das daher für Social-Media-Nutzer von Interesse sei. Den durchaus politischen Inhalt des Tweets kommentierte die Sprecherin nicht.
Hongkong ist im Demokratie-Index 2020 der Economist Intelligence Unit (EIU) um einige Plätze abgestürzt. Die ehemalige britische Kronkolonie fiel in der aktualisierten Liste, die am Mittwoch veröffentlicht wurde, von Platz 75 auf 87. Auch der Index-Status wurde geändert: Hongkong wurde bisher als “fehlerhafte Demokratie” eingestuft, jetzt wird die Stadt, die 1997 an die Volksrepublik China zurückgegeben wurde, nur noch als “Hybridregime” klassifiziert, das gleichermaßen demokratische und autokratische Elemente aufweist. Mit diesem Status rangiert Hongkong nur noch eine Kategorie oberhalb der “autoritären Regime” des Demokratie-Indexes, zu denen die Volksrepublik China gehört.
Hauptgrund für den Verfall der Hongkonger Demokratie ist die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Im Sommer waren in dessen Folge zunächst ein Dutzend demokratischer Kandidaten von der später dann noch verschobenen Parlamentswahl ausgeschlossen worden. Anschließend wurden vier Oppositionspolitiker ihrer Ämter enthoben. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten ihren Eid verletzt, loyal zur Hongkonger Regierung zu stehen. Daraufhin waren 15 weitere Oppositionspolitiker zurückgetreten.
Einen tieferen Fall im Index als Hongkong erlebte im vergangenen Jahr nur Myanmar, das schon vor dem jüngsten Militärcoup um 13 Plätze auf Rang 135 fiel. Derweil hat der Inselstaat Taiwan 2020 erstmals den Status einer “vollen Demokratie” erreicht und stieg von Platz 31 auf Rang elf. Taiwan wird von Peking als “untrennbarer Teil” der Volksrepublik China betrachtet.
Der Index umfasst 167 Staaten der Welt und wird durch ein Punktesystem ermittelt, in dem 60 Demokratie-Indikatoren in fünf Kategorien bewertet werden. Dazu zählen funktionierende Wahlprozesse und Regierungshandeln, politische Kultur und Teilhabe sowie allgemeine Bürgerrechte. grz
Heute in einem Jahr ist der offizielle Start der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. Während das Internationale Olympische Komitee (IOC) zum Countdown gestern zur Hauptsendezeit in Chinas Staatsmedien mit kurzen Videos der teilnehmenden Sportler warb, soll US-Präsident Joe Biden einem Bericht zufolge einen US-Boykott der Spiele vorbereiten. “Berater von Biden fühlen aktuell bei europäischen Regierungen vor, ob sie den Boykott mittragen würden”, berichtet die Wirtschaftswoche unter Berufung auf Diplomatenkreise. Die Sprecherin des Weißen Hauses bestätigte dies nicht. In Europa sind die Reaktionen dazu bisher zurückhaltend.
160 Menschenrechtsgruppen hatten bereits im Herbst vergangenen Jahres IOC-Präsident Thomas Bach in einem Brief aufgefordert, Peking die Spiele zu entziehen. “Bereits im Zuge der Sommerspiele 2008 hat die Regierung gezeigt, dass sie entgegen eigener Bekundungen nicht beabsichtigt, die Rechte der Menschen in China zu respektieren und den Schutz dieser Rechte auszubauen”, sagt Jasna Causevic, Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker, in einer Mitteilung ein Jahr vor dem Beginn der Winterspiele. “Es wäre fatal, wenn das IOC dieses Verhalten erneut goutieren und Chinas Unterdrückungspolitik ignorieren würde”, so Causevic.
Mandie McKeown, Direktorin des International Tibet Network, die den Brief an Bach im Herbst 2020 koordinierte, hatte vergangene Woche im Nachrichtensender CNN angekündigt, dass die Zahl der teilnehmenden Gruppen an einem erneuten Aufruf nun “zweifellos” höher wäre – womit sie richtig lag: In einem offenen Brief forderten gestern mehr als 180 Menschenrechtsgruppen einen diplomatischen Boykott der Spiele. In dem Schreiben weisen die Organisationen auf Menschenrechtsverletzungen in Tibet, Xinjiang und Hongkong hin.
Das IOC äußerte sich zunächst nicht zu den Boykott-Spekulationen. IOC-Präsident Bach bedankte sich zuletzt beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping, dass sich dieser “trotz aller anderen Themen die Zeit nahm, alle Austragungsorte zu besuchen”. Im Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua sagte Bach, dass es “fast ein Wunder” sei, dass die Vorbereitungen trotz der Pandemie “so glatt” liefen. niw
China hat im letzten Jahr dreimal mehr Kohlekraftwerke ans Netz gebracht als der Rest der Welt. Das geht aus einer Kurzanalyse des Global Energy Monitor und des Centre for Research on Energy and Clean Air hervor. Rechnet man die Stilllegungen heraus, hat China 2020 fast 30 GW neue Kohlekraft ans Netz gebracht. Der Rest der Welt senkte seine Kohlekapazitäten demgegenüber um 17,2 GW.
Die Autoren der Analyse schreiben, dass die Kohlekraftwerke auch der Konjunkturbelebung dienten. Die Zentralregierung in Peking “förderte Investitionen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen von Coronavirus auszugleichen”. Doch während die Kohlekapazität ausgebaut wurde, sinkt die Auslastung der Kraftwerke seit 2015, heißt es in der Analyse. Die durchschnittliche Auslastung liege derzeit nur noch bei 50 Prozent – 2011 lag sie noch bei 61 Prozent. Das liege auch am starken Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dennoch müsse China massiv Kohlekapazitäten abbauen, um das Ziel zu erreichen, den Energiesektor bis 2050 zu dekarbonisieren, so die Autoren.
Gleichzeitig weist die Analyse auf ein Paradox hin: Obwohl die Kapazitäten bei Kohle und Erneuerbaren Energien stiegen, kam es Ende des letzten Jahres zu Stromengpässen. Dies liege daran, dass Kraftwerke wegen hoher Kohlepreise “nicht in Betrieb waren oder bereit, Strom zu produzieren“, so die Autoren. Als weiterer Grund werden unzureichende Übertragungskapazitäten genannt. Auch die New York Times hatte über Stromrationierungen berichtet, von denen Millionen Menschen betroffen waren: Fabriken wurden aufgefordert nur zeitweise zu produzieren und Unternehmen wurden gebeten Büros nicht zu heizen. nib
Der chinesische BMW-Partner Brilliance steht laut Insidern vor einer Übernahme durch den zweitgrößten chinesischen Autobauer FAW Group. Hintergrund sei die prekäre finanzielle Lage des größten Brilliance-Aktionärs, Huachen Automotive, so ein Reuters-Bericht. Der Konzern befindet sich im Insolvenzverfahren, mit der Umstrukturierung wurde begonnen (China.Table berichtete). Bisher produziert FAW schon mit Volkswagen und Audi Fahrzeuge für den chinesischen Markt.
Das Joint-Venture zwischen Brilliance und BMW – beide Firmen halten derzeit noch 50 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen – sei für beide Seiten ein wichtiger Ertragsbringer, schreibt die Nachrichtenagentur. BMW verkauft gut ein Drittel seiner Autos in China – ein großer Teil davon stammt aus dem Joint-Venture mit Brilliance. BMW selbst hat Pläne, seine Beteiligung am Joint-Venture auf 75 Prozent zu erhöhen, wie es weiter in dem Bericht heißt. Demnach erklärte der Autobauer aus München, dass ein möglicher FAW-Einstieg bei Brilliance dieses Vorhaben nicht gefährdet. nib
• Die Geoökonomie hat das Zeitalter des Wettrüstens weitgehend abgelöst. Im chinesisch-amerikanischen Kampf um Hegemonie ist die globale Wirtschaft zum primären Schlachtfeld geworden, in dem die Frage der wirtschaftlicher Interdependenzen eine der Hauptwaffen ist.
• Die Corona-Krise hat das geoökonomische Machtverhältnis verändert. China geht wirtschaftlich als Gewinner aus der Pandemie hervor, es konnte seinen Anteil am globalen BIP erhöhen. Die USA und die EU haben an ökonomischem Gewicht verloren.
• Im geoökonomischen Machtspiel sehen wir Strategien der Abschreckung. Aber die alten Rezepte des Kalten Krieges funktionieren nicht mehr. Stattdessen ist das Verhängen von Sanktionen zum Hauptinstrument der USA geworden, welches auf einem überparteilichen Konsens beruht. Doch was ein halbes Jahrhundert lang im kleinen Havanna gescheitert ist, wird auch bei einer Supermacht wie China versagen.
• Sanktionen, wie das Verbot von Huawei und TikTok, zielen auf eine wirtschaftliche Entkopplung der USA und China ab. Eine Entkopplung ist auch in der globalisierten Welt nicht unmöglich – aber sie hat einen sehr hohen Preis. Geoökonomisch bedeutet Entkopplung, den Gegner mit der Drohung abzuschrecken, sich selbst ins Knie zu schießen.
• Die bipolare Welt existiert nicht mehr. Zwei Blöcke und eine so genannte “Dritte Welt” wird es nicht mehr geben. Wir leben in einer Welt der umfassenden Globalisierung, in der nicht nur Märkte und Informationen, sondern auch Kulturen und Herausforderungen global geworden sind – von Flucht bis zu Terrorismus.
• Globale Herausforderungen brauchen globalen Lösungen. Globale Probleme werden nicht von Nationen gelöst werden – auch wenn sie sich zu Koalitionen der Willigen zusammenschließen. Ohne China, ohne die USA, ohne Europa wird die Welt die aktuelle Rezession nicht überwinden. Ohne diese drei Pole wird es weder gelingen, die globale Armut zu bekämpfen, noch den Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen zu gewährleisten. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) können nur gemeinsam verwirklicht werden.
• Ohne die USA, China und Europa werden wir nicht auf den 1,5-Grad-Pfad zur Begrenzung der Klimakrise kommen. Das Pariser Klimaabkommen wurde erst durch das von John Podesta vermittelte US-China-Abkommen möglich. Die Rückkehr der USA zum Pariser Klimaabkommen ist für die Bekämpfung der Klimakrise entscheidend. Aber auch ohne den Green Deal und die Dekarbonisierung Europas vor 2050 wird die Erderwärmung kritische Grenzwerte überschreiten. Und auch wenn China seine Verpflichtungen nicht einhält, den Höhepunkt der CO2-Emission vor 2030 zu erreichen und vor 2060 CO2-neutral zu werden, wird die Klimakrise weiter fortschreiten. Globale Krisen brauchen globale Zusammenarbeit.
• Joe Biden will eine neue, von den USA geführte Allianz bilden, um China gemeinsam mit seinen europäischen Verbündeten entgegenzutreten. Aber amerikanische Interessen sind nicht gleich europäische Interessen – vom staatlich gelenkten Handel für die Farmer im Mittleren Westen über eine dominante Finanz- und Informationsindustrie bis zu Europas Automobilindustrie und Maschinenbau. Das Gleiche gilt für Konflikte über Subventionen, Steuern und Beschaffung.
• Europa muss sein geoökonomisches Gewicht stärken. Und Europa muss lernen, mit anderen, mit schwierigen Partnern umzugehen. Europa muss China endlich als den Partner, Wettbewerber und Systemrivalen behandeln, der das Land ist. Und Europa muss auch die USA als Kooperationspartner und wirtschaftlichen Konkurrenten betrachten.
• China und die USA stellen zugleich unterschiedliche Herausforderungen und Chancen in unterschiedlichen Politikfeldern dar. Deshalb brauchen wir für jedes Politikfeld unterschiedliche Strategien. Ein Weg könnte sein, gemeinsame Interessen in diesen Politikfeldern zu identifizieren. Geoökonomische Zeiten erfordern “case-by-case” Allianzen – keine neuen Blöcke in einer globalisierten Welt.
Michael Lackner kann in diesen Tagen auf die harte Arbeit der vergangenen zehn Jahre zurückblicken, leider aber nicht so, wie er sich das selbst vorgestellt hat. 2009 gründete der renommierte Sinologe von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zusammen mit anderen Wissenschaftlern ein internationales Kolleg für geisteswissenschaftliche Forschung. “Seit dieser Zeit forschen wir zur traditionellen Zukunftsbewältigung in China”, erzählt der 68-Jährige. Unter traditioneller Zukunftsbewältigung seien Aspekte wie Aberglaube und Wahrsagung zu verstehen. Allerdings würde in China wohl kaum jemand von “Aberglaube” sprechen, denn Horoskope und Vorhersagen sind dort immer noch etablierter Teil des religiösen Lebens. Beispielsweise lassen sich viele junge Paare vor ihrer Heirat eine Prognose beim Wahrsager erstellen.
Die Förderung für das internationale Kolleg, das den Titel “Schicksal, Freiheit und Prognose” trägt, wurde 2020 noch einmal um drei Jahre verlängert. Trotzdem sollte für Michael Lackner in diesen Tagen ein wichtiges Etappenziel erreicht werden: nämlich eine große Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg unter dem Titel “Zeichen der Zukunft. Wahrsagen in Ostasien und Europa.” Allerdings können Besucher aktuell eben nicht durch das bekannte Museum in Nürnberg schlendern, sondern die Exposition lediglich per Online-Rundgang anschauen. Michael Lackner sieht aber auch die positiven Seiten des Ganzen. “Ich bin sehr froh darüber, dass es auch einen Open-Access-Katalog gibt”, erklärt er. Dies sei der erste Ausstellungskatalog dieser Art im Nationalmuseum.
Nun könnte man meinen, dass eine Forschung zu Orakeln in China die Spitze des akademischen Elfenbeinturms darstellen würde, aber Michael Lackner widerspricht. “Das hat auch einen wichtigen Gegenwartsbezug. In Taiwan etwa gibt es immer noch ein Orakel”, sagt er. Auch so mancher Generalsekretär der Kommunistischen Partei soll schon Wahrsager zurate gezogen haben.
Michael Lackner selbst ist eine Art Koryphäe auf seinem Forschungsgebiet, aber auch andere Lehrstühle – etwa an der FU Berlin – forschen und lehren zu Aberglaube und Mystik in China. Er selbst ist mittlerweile seit über 20 Jahren Lehrstuhlinhaber in Erlangen-Nürnberg. Zu seinem Forschungsinteresse kam er eher zufällig. Als Student in Heidelberg in den Siebzigerjahren habe sich Lackner zunächst für Arabistik eingeschrieben, aber eine Begegnung mit dem bekannten Sinologen Wolfgang Bauer sei für ihn ein einschneidender Moment gewesen. “Da wusste ich, was ich mal studieren möchte”, erinnert sich Lackner. “Es sollte in jedem Fall eine Spiegelkultur sein” – eine Kultur also, die beispielsweise in ihrer Sprache und ihrem Glauben unserer komplett entgegensteht – “deshalb hatte ich mich auch erst für Arabistik interessiert.”
Als Sinologe ist Michael Lackner eine wissenschaftliche “Allzweckwaffe”. Seine Publikationsliste ist lang und zugleich geprägt von diversen Forschungsfeldern. Wenn er sich nicht mit Aberglaube und Wahrsagerei beschäftigt, dann schreibt er unter anderem zu dem Chinesen-Bild im europäischen Comic. “Ich war lange in Frankreich. Dort hat der Comic eine prominente Stellung. Und ich bemerkte, dass China in den Comics fast überrepräsentiert war”, erzählt er. Also forschte er intensiver und setzte sich publizistisch damit auseinander. Und geht es nach dem 68-Jährigen, dann ist auch noch lange nicht Schluss. Zunächst stehen immerhin weitere Jahre im internationalen Kolleg für geisteswissenschaftliche Forschung an. Constantin Eckner
Etwas Süßes zu den Neujahrsfeierlichkeiten darf nicht fehlen. Der Winter ist laut dem chinesischen Mondkalender seit gestern vorbei. Nun kann der Frühling kommen.
Peking grüßt Olaf Scholz. Der Finanzminister steckt tief im Schlamassel um Wirecard, das durch die Roste der Finanzaufsicht gerutscht ist. Die chinesische Regierung, schreibt Finn Mayer-Kuckuk, will nun den Finanzarm der Alibaba-Gruppe nach den Regeln eines Finanzinstituts und nicht mehr den Regeln eines Tech-Konzerns regulieren.
Tiktok und seine Video-App kennt im Westen mittlerweile jeder. Dass Kuaishou (“schnelle Hand”) in China genauso erfolgreich ist, weiß man hierzulande nicht. Morgen könnte sich das ändern – Das Unternehmen geht in Hongkong an die Börse. Gregor Koppenburg und Jörn Petring nehmen uns mit in die Koaishou-Welt mit ihren 300 Millionen Usern.
Die Kritik am EU-China-Abkommen CAI reißt nicht ab. Im Zentrum stehen die Übereinkommen zur Abschaffung der Zwangsarbeit. Was sich konkret hinter den ILO-Vereinbarungen verbirgt, analysiert Amelie Richter.
Kann der Westen der Supermacht China mit Sanktionen beikommen? Der erfahrene Außenpolitiker Jürgen Trittin sagt: Nein. Ich möchte Ihnen Trittins zehn Thesen zum Verhältnis der Amerikaner, der Chinesen und der Europäer empfehlen. Er hat sie dieser Tage bei der außenpolitischen Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung vorgetragen – Und ich denke, Sie werden sie mit Gewinn lesen.
Technik-Holding oder Finanzkonzern? Da die Internetbranche in immer mehr Geschäftsfelder hineinwuchert, lassen sich hier oft keine klaren Grenzen ziehen. Die Regierung in Peking hat sich im Fall der Ant Group offenbar entschieden, den Zahlungsdienstleister wie eine Bank zu regulieren. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf gut informierte Kreise. Noch vor dem chinesischen Neujahrsfest am 12. Februar wollen die Behörden die Entscheidung offiziell bekannt geben. Damit die Ant Group unter den Schirm der Bankenaufsicht passt, ist dem Bericht zufolge ein Umbau der Beteiligungsstruktur nötig.
Die Einstufung der Ant Group als Finanzholding entspricht zwar nicht den Wünschen seines Mutterkonzerns Alibaba. Doch sie wäre logisch: Ant vergibt bereits mehr als ein Fünftel der Verbraucherkredite in China. Das Unternehmen verdankt seinen Erfolg dem Aufstieg von Alibaba zum größten Onlinehändler des Landes. Es ist das Paypal Chinas – und noch viel mehr. Mit dem Geldmarktfonds Yu’e Bao ist das Unternehmen in den Markt für Geldanlagen eingestiegen – auf Wunsch ganz einfach per Handy. Auch Ratenzahlungen sind möglich. Das erklärt den hohen Anteil des Unternehmens am Markt für Konsumkredite. Eine gewisse Bekanntheit hat auch Sesame Credit erlangt, die Tochter für Bonitätseinstufungen, die besonders ausgefeilte Algorithmen verwendet.
Die Erfassung der Ant Group durch die Finanzaufsicht entspricht einem Trend, der derzeit parallel auch in Deutschland läuft. Nach der spektakulären Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard will die Bundesregierung die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf solche Holding-Strukturen aus der Technikwelt ausweiten. In Deutschland kommt die Reform zu spät – Wirecard hat in seiner Regulierungs-Lücke mit gezockt und betrogen, bis die Schäden in Milliardenhöhe gingen.
Das Geschäft von Ant ist im großen Gegensatz zu Wirecard zwar höchst real, solide und nachvollziehbar. Dennoch hat die schiere Größe des jungen Giganten die staatlichen Stellen immer nervöser gemacht. Das Unternehmen wickelt jährlich Zahlungen in Höhe von 15 Billionen (ja, 15.000 Milliarden) Euro ab, wie aus Börseninformationen hervorgeht.
Etwa eine Milliarde Kunden sind bei Ant registriert – schließlich hat eine Mehrheit der Chinesen schon einmal etwas auf den Seiten von Alibaba bestellt. Bei einem geplanten Börsengang in Hongkong sollte das Unternehmen eine Bewertung erhalten, die ungefähr so hoch ist wie die von Volkswagen, Allianz, Deutscher Telekom und Daimler zusammen.
Der Führung in Peking ging das alles zu weit. Sie lässt solche Konglomerate gerne heranwachsen, solange sie dadurch Mehrwert schaffen. Wenn sie zur Konkurrenz für die Staatsmacht werden, dann steigt das Misstrauen – so wie in den USA. Washington will Google und Facebook künftig ebenfalls strenger behandeln. Ant hat nun nicht einfach nur Wissen monopolisiert, sondern der kommunistischen Staatswirtschaft da Konkurrenz gemacht, wo es wehtut: bei den Finanzgeschäften.
Die Banken sind in China der Angelpunkt des organisierten Wirtschaftserfolgs. In den frühen Achtzigerjahren haben sie angefangen, das Wachstum mit Krediten anzutreiben. Rein private Institute gibt es fast nicht. Die Großbanken sind Staatsbetriebe unter direkter Kontrolle der Zentralregierung. In Krisen wie 2009 können sich die Planer darauf verlassen, dass das System stabil bleibt und die Finanzakteure ihren Teil tun, um Firmenpleiten zu verhindern und Arbeitsplätze zu erhalten. Das ist nicht ökonomisch effizient, aber es funktioniert. Ant Financial ist nun ebenso systemrelevant, hat aber keine Banklizenz. Das konnte auf Dauer nicht so bleiben.
Aus Misstrauen gegenüber der Finanzmacht aus dem Internet hat Peking den Börsengang von Ant Financial sabotiert, der im November stattfinden sollte. Im September hatte der Gesetzgeber bereits eine neue Rechtsform geschaffen, die nun auf die Ant Group angewendet werden soll. Das Unternehmen suche nun nach Wegen, den Börsengang nachzuholen, berichtet Bloomberg. Doch dazu muss der geforderte Umbau zuerst abgeschlossen sein – schließlich muss klar sein, welche Untereinheit überhaupt die Anteilsscheine ausgibt. Noch wichtiger für einen neuen Anlauf an der Börse wäre jedoch, dass die Führung in Peking wieder sichtbar positive Signale in Richtung Ant Financial sendet. Ohne die Unterstützung der Partei – oder gar gegen ihren Willen – geht in China schließlich wenig.
Auch die Kapitalausstattung muss die Ant Group nun vermutlich anpassen. Bisher hat sie darauf gesetzt, dass nur Teile des Firmenkonstrukts als Finanzinstitutionen gelten. Künftig gilt vermutlich eine ähnliche Untergrenze für die Eigenkapitalausstattung im Verhältnis zu den vergebenen Krediten wie für die Banken.
In Hongkong wird an diesem Freitag aller Voraussicht nach der weltgrößte Börsengang seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie über die Bühne gehen. Der chinesische Video-App-Anbieter Kuaishou Technology will bei Anlegern umgerechnet 5,4 Milliarden US-Dollar einsammeln und strebt zum Handelsstart eine Marktbewertung von rund 60 Milliarden Dollar an. Das Interesse an dem vor neun Jahren in Peking gegründeten Unternehmen ist bei Anlegern laut Analysten noch größer, als es beim im Oktober kurzfristig geplatzten Börsengang der Alibaba-Finanztochter Ant Financial war.
Kuaishou, was wörtlich übersetzt soviel wie “schnelle Hand” bedeutet, ist in China mit ihrer gleichnamigen Video-App der größte Konkurrent der chinesischen App Douyin, die im Westen unter dem Namen Tiktok firmiert. Wer in chinesischen Großstädten mit der U-Bahn unterwegs ist, kennt dieses Bild: Praktisch alle der dicht gedrängt stehenden Fahrgäste sind in ihre Smartphones vertieft. Doch auf ihren Displays hat sich etwas verändert. Schenkten sie über Jahre fast ausschließlich WeChat ihre Aufmerksamkeit, flimmern nun immer mehr Videos über die Bildschirme. Kuaishou gehört mit mehr als 300 Millionen aktiven Nutzern zu einem der Anbieter, die am besten auf dem Markt positioniert sind. Douyin kam im vergangenen Jahr etwa auf 400 Millionen Anwender in China, die die App täglich nutzen.
Auf Kuaishou können kurze Videos selbst erstellt und mit anderen Nutzern geteilt werden. Wichtiger für den Erfolg der App ist aber das Live-Streaming. Teilweise über Stunden gestalten Influencer auf Kuaishou Programme, die mal von Millionen, mal auch nur von einigen Hundert Zuschauern verfolgt werden. Es werden Tipps für Make-up gegeben, es wird gekocht oder getanzt. Fitness-Trainer protzen vor der Kamera mit ihren Sixpacks. Manchmal sitzt auch nur eine junge Frau für Stunden auf dem Sofa und räkelt sich in der Hoffnung, dass Fans ihr per Knopfdruck Sticker schicken.
Geld verdient wird in der App dadurch, dass Zuschauer den Machern der Videos oder Livestreams kostenpflichtige Sticker oder Bilder schicken können. Eine animierte Blume kostet umgerechnet nur etwa 15 Cent. Doch einige der teuersten Emoticons, eine Yacht oder eine Villa etwa, können schnell mehrere Hundert Euro kosten. Kuaishou und der jeweilige Anbieter des Videos teilen die Einnahmen unter sich auf. Diese kleinen Trinkgelder sind noch vor traditioneller Werbung der wichtigste Umsatzbringer für Kuaishou.
Außerdem setzen Kuaishou wie auch andere Live-Streaming-Dienste auf eigene Online-Shops. Da preist eine Fischerin aus der ostchinesischen Stadt Qingdao im Live-Video ihre frischen Krebse an, von denen eine Portion für umgerechnet fünf Euro direkt nach Hause bestellt werden kann. In einem anderen Video versucht ein Mann aus der zentralchinesischen Stadt Wuhan, seine selbst bedruckten T-Shirts zu verkaufen.
Trotz steigender Nutzerzahlen musste Kuaishou zuletzt hohe Verluste hinnehmen, was unter anderem am intensiven Wettbewerb mit Marktführer Douyin liegt. Wie so oft in Chinas Internet-Branche wird mit harten Bandagen gekämpft. Beide Firmen haben sich mit unzähligen Klagen überzogen. Und als Douyin vor einigen Tagen ankündigte, zum chinesischen Neujahrsfest Geldgeschenke in Höhe von rund zwei Milliarden Yuan (etwa 250 Millionen Euro) an seine Nutzer zu verteilen, zog Kuaishou prompt mir der Ankündigung nach, 2,1 Milliarden Yuan in die Hand nehmen zu wollen.
Ähnlich wie die Douyin-Mutter ByteDance mit Tiktok versucht auch Kuaishou Technology international zu expandieren. Mit ihrer Video-App Zynn führten die Chinesen letztes Jahr sogar kurz die Download-Charts für Android- und iPhone-Apps in den USA an, nachdem neuen Nutzern Geld für die Anmeldung und das Ansehen von Videos versprochen worden war. Allerdings beklagten bei TikTok unter Vertrag stehende Influencer, dass ihre Videos ohne ihre Erlaubnis auch auf Zynn gepostet wurden. Google und Apple nahmen Zynn daraufhin kurzfristig aus ihren Stores, bis die Probleme gelöst waren. Auch vor dem Hintergrund zunehmender Skepsis und Sicherheitsbedenken ausländischer Regierungen gegenüber chinesischen Apps gestaltet sich die Expansion im Ausland für Kuaishou schwierig. So ordnete erst kürzlich Indien an 200 chinesische Apps zu löschen. Vier davon gehörten Kuaishou.
Herausforderungen muss Kuaishou aber auch auf dem heimischen Markt bewältigen, wo Regulatoren immer strenger gegen die Live-Streaming-Plattformen vorgehen. So kündigte Chinas nationale Radio- und Fernsehverwaltung im November neue Live-Streaming-Regeln an, die es Minderjährigen verbietet auf den Plattformen Emoticons zu kaufen. Auch muss die Menge an Trinkgeld, die ein einzelner Nutzer geben kann, begrenzt werden. Möglicherweise müssen sich die Plattformen künftig auch auf noch mehr Regeln einstellen. Nur Tage vor dem Börsengang trat dann auch noch die China-Audio Video Copyright Association (Cavca) auf den Plan, die Kuaishou beschuldigt, dass Tausende Nutzer Musik-Urheberrechte in ihren Videos verletzt hätten.
Was trotz all dieser Probleme für Kuaishou spricht: Mit Tencent hält einer der größten Internet-Konzerne des Landes eine Beteiligung von 21,5 Prozent an den Startup. Mit einem solch starken Partner an der Seite, lassen sich auch turbulente Phasen leichter überstehen. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Die Kritik am Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) reißt seit Veröffentlichung eines Teil des Textes Ende Januar nicht ab – besonders Mängel hinsichtlich des Menschen- und Arbeiterschutzes werden kritisiert. Ein Zusammenschluss von mehr als 100 China-Experten, Aktivisten und Wissenschaftlern fordert deshalb einen Stopp des EU-China-Deals. In einem öffentlichen Schreiben verweisen sie auf Verletzungen der Menschenrechte und die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong.
Andreas Fulda, Senior Fellow am Asien-Forschungsinstitut der Universität Nottingham, der den Brief mit initiiert hat, glaubt nicht, dass das CAI etwas zur Verbesserung der Arbeiterrechte in China beiträgt. “Das Verhalten der Kommunistischen Partei Chinas (KP Chinas) unter Xi Jinping gibt keinen Grund mehr zu der Annahme, dass es sich durch internationale Abkommen beschränken lässt, geschweige denn durch dieses EU-China-Investitionsabkommen”, sagt Fulda China.Table. Die Verpflichtungen in dem Abkommen seien “so vage, dass sie im Wesentlichen nutzlos sind.”, kritisiert Fulda. Seiner Ansicht nach wird sich die Führung in Peking nicht an die Abmachungen halten: “Die Partei verstößt regelmäßig gegen WTO-Regeln und missachtet das Völkerrecht im Südchinesischen Meer.”
Die Unterzeichner des Schreibens sehen das CAI als Fehler: “Trotz Beweisen für ethnische Säuberungen, Zwangsarbeit und andere grobe Menschenrechtsverletzungen hat sich die Führung der europäischen Institutionen dafür entschieden, ein Abkommen zu unterzeichnen, das von der chinesischen Regierung keine sinnvollen Verpflichtungen verlangt, um ein Ende der Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder der Sklaverei zu garantieren”, heißt es in dem Brief.
Besonders im Blick sind dabei zwei Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die im Abkommenstext explizit genannt werden: das Übereinkommen über Zwangsarbeit (C029) und das Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit (C105). In beiden Konventionen verpflichten sich die ILO-Mitglieder, die diese Übereinkommen ratifiziert haben, jegliche Form von Zwangs- oder Pflichtarbeit zu unterdrücken und nicht anzuwenden – auch “als Mittel des politischen Zwangs, der Bildung oder als Strafe für das Halten oder Ausdrücken politischer Ansichten oder Ansichten, die dem etablierten politischen, sozialen oder wirtschaftlichen System ideologisch entgegengesetzt sind” – beide Übereinkommen hat China bisher nicht ratifiziert. Im bisher vorliegenden CAI-Text ist jedoch festgelegt, dass China “von sich aus fortgesetzte und nachhaltige Anstrengungen” unternehmen müsse, um die Ratifizierung der beiden Konventionen voranzutreiben. Wie das überprüft werden soll, bleibt offen.
Die Ratifizierung von ILO-Vorgaben ist freiwillig für die Mitgliedsländer – auch ein handelspolitisches Abkommen kann die jeweiligen Unterzeichner darauf nicht festnageln – wie jüngst auch in einer Streitsache zwischen Brüssel und Südkorea zu sehen war: Die EU hatte Ende 2018 ein Verfahren eingeleitet, weil Südkorea acht Jahre nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens einige ILO-Kernverpflichtungen zur Vereinigungsfreiheit noch nicht erfüllt hatte. 2019 wurde dazu auch die Einsetzung eines Panels unabhängiger Experten beantragt. Diese schlussfolgerten nun Ende Januar: Das südkoreanische Arbeitsrecht widerspricht in einigen Aspekten in der Tat dem Prinzip der Vereinigungsfreiheit. Dass jedoch die im Abkommen festgelegten “fortgesetzten und nachhaltigen Anstrengungen” zur Ratifizierung der entsprechenden ILO-Konventionen nicht gemacht wurden, konnten die Experten nicht feststellen. “Das Gremium hat weder die Zuständigkeit noch ist es befugt, Korea zur Ratifizierung der wichtigsten IAO-Übereinkommen zu verpflichten”, heißt es im Abschlussbericht.
Kritiker befürchten, dass auch die im CAI-Text nur freiwilligen Verpflichtungen Peking ein Schlupfloch bieten. Ein fatales Urteil fällte dazu auch jemand, der selbst mal die Zügel in Brüssel in der Hand hielt: Der ehemalige Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker nannte das CAI in Bezug auf Arbeitsnormen und die Verpflichtungen im Rahmen des Deals zu Beginn der Woche “billig”. “Ich habe sehr lange versucht, dieses Investitionsabkommen mit dem chinesischen Präsidenten und dem chinesischen Premierminister abzuschließen”, sagte Juncker einem Medienbericht zufolge bei einer virtuellen Veranstaltung des Landes Baden-Württemberg am Montagabend. Er sei jedoch letztendlich immer daran gescheitert , dass Peking nicht dazu bereits gewesen sei, ILO-Konventionen zu ratifizieren. “Wir dürfen hier keine Kompromisse eingehen”, sagte der frühere EU-Kommissionschef.
Angesichts der laufenden Debatte um das Thema sorgte in dieser Woche auch ein Tweet der Generaldirektion für Verteidigungsindustrie und Weltraum der Europäischen Kommission für Aufsehen: Mit diesem wurden Luftaufnahmen eines Satelliten der Copernicus-Raumfahrtmission Sentinel-2 veröffentlicht, die den Ausbau eines Lagers in Dabancheng in der Provinz Xinjiang zwischen Januar 2017, 2019 und 2021 zeigen. Eine Sprecherin der Generaldirektion erklärte China.Table auf Anfrage, dass es sich dabei um ein aktuelles Thema handle, das daher für Social-Media-Nutzer von Interesse sei. Den durchaus politischen Inhalt des Tweets kommentierte die Sprecherin nicht.
Hongkong ist im Demokratie-Index 2020 der Economist Intelligence Unit (EIU) um einige Plätze abgestürzt. Die ehemalige britische Kronkolonie fiel in der aktualisierten Liste, die am Mittwoch veröffentlicht wurde, von Platz 75 auf 87. Auch der Index-Status wurde geändert: Hongkong wurde bisher als “fehlerhafte Demokratie” eingestuft, jetzt wird die Stadt, die 1997 an die Volksrepublik China zurückgegeben wurde, nur noch als “Hybridregime” klassifiziert, das gleichermaßen demokratische und autokratische Elemente aufweist. Mit diesem Status rangiert Hongkong nur noch eine Kategorie oberhalb der “autoritären Regime” des Demokratie-Indexes, zu denen die Volksrepublik China gehört.
Hauptgrund für den Verfall der Hongkonger Demokratie ist die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Im Sommer waren in dessen Folge zunächst ein Dutzend demokratischer Kandidaten von der später dann noch verschobenen Parlamentswahl ausgeschlossen worden. Anschließend wurden vier Oppositionspolitiker ihrer Ämter enthoben. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten ihren Eid verletzt, loyal zur Hongkonger Regierung zu stehen. Daraufhin waren 15 weitere Oppositionspolitiker zurückgetreten.
Einen tieferen Fall im Index als Hongkong erlebte im vergangenen Jahr nur Myanmar, das schon vor dem jüngsten Militärcoup um 13 Plätze auf Rang 135 fiel. Derweil hat der Inselstaat Taiwan 2020 erstmals den Status einer “vollen Demokratie” erreicht und stieg von Platz 31 auf Rang elf. Taiwan wird von Peking als “untrennbarer Teil” der Volksrepublik China betrachtet.
Der Index umfasst 167 Staaten der Welt und wird durch ein Punktesystem ermittelt, in dem 60 Demokratie-Indikatoren in fünf Kategorien bewertet werden. Dazu zählen funktionierende Wahlprozesse und Regierungshandeln, politische Kultur und Teilhabe sowie allgemeine Bürgerrechte. grz
Heute in einem Jahr ist der offizielle Start der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. Während das Internationale Olympische Komitee (IOC) zum Countdown gestern zur Hauptsendezeit in Chinas Staatsmedien mit kurzen Videos der teilnehmenden Sportler warb, soll US-Präsident Joe Biden einem Bericht zufolge einen US-Boykott der Spiele vorbereiten. “Berater von Biden fühlen aktuell bei europäischen Regierungen vor, ob sie den Boykott mittragen würden”, berichtet die Wirtschaftswoche unter Berufung auf Diplomatenkreise. Die Sprecherin des Weißen Hauses bestätigte dies nicht. In Europa sind die Reaktionen dazu bisher zurückhaltend.
160 Menschenrechtsgruppen hatten bereits im Herbst vergangenen Jahres IOC-Präsident Thomas Bach in einem Brief aufgefordert, Peking die Spiele zu entziehen. “Bereits im Zuge der Sommerspiele 2008 hat die Regierung gezeigt, dass sie entgegen eigener Bekundungen nicht beabsichtigt, die Rechte der Menschen in China zu respektieren und den Schutz dieser Rechte auszubauen”, sagt Jasna Causevic, Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker, in einer Mitteilung ein Jahr vor dem Beginn der Winterspiele. “Es wäre fatal, wenn das IOC dieses Verhalten erneut goutieren und Chinas Unterdrückungspolitik ignorieren würde”, so Causevic.
Mandie McKeown, Direktorin des International Tibet Network, die den Brief an Bach im Herbst 2020 koordinierte, hatte vergangene Woche im Nachrichtensender CNN angekündigt, dass die Zahl der teilnehmenden Gruppen an einem erneuten Aufruf nun “zweifellos” höher wäre – womit sie richtig lag: In einem offenen Brief forderten gestern mehr als 180 Menschenrechtsgruppen einen diplomatischen Boykott der Spiele. In dem Schreiben weisen die Organisationen auf Menschenrechtsverletzungen in Tibet, Xinjiang und Hongkong hin.
Das IOC äußerte sich zunächst nicht zu den Boykott-Spekulationen. IOC-Präsident Bach bedankte sich zuletzt beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping, dass sich dieser “trotz aller anderen Themen die Zeit nahm, alle Austragungsorte zu besuchen”. Im Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua sagte Bach, dass es “fast ein Wunder” sei, dass die Vorbereitungen trotz der Pandemie “so glatt” liefen. niw
China hat im letzten Jahr dreimal mehr Kohlekraftwerke ans Netz gebracht als der Rest der Welt. Das geht aus einer Kurzanalyse des Global Energy Monitor und des Centre for Research on Energy and Clean Air hervor. Rechnet man die Stilllegungen heraus, hat China 2020 fast 30 GW neue Kohlekraft ans Netz gebracht. Der Rest der Welt senkte seine Kohlekapazitäten demgegenüber um 17,2 GW.
Die Autoren der Analyse schreiben, dass die Kohlekraftwerke auch der Konjunkturbelebung dienten. Die Zentralregierung in Peking “förderte Investitionen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen von Coronavirus auszugleichen”. Doch während die Kohlekapazität ausgebaut wurde, sinkt die Auslastung der Kraftwerke seit 2015, heißt es in der Analyse. Die durchschnittliche Auslastung liege derzeit nur noch bei 50 Prozent – 2011 lag sie noch bei 61 Prozent. Das liege auch am starken Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dennoch müsse China massiv Kohlekapazitäten abbauen, um das Ziel zu erreichen, den Energiesektor bis 2050 zu dekarbonisieren, so die Autoren.
Gleichzeitig weist die Analyse auf ein Paradox hin: Obwohl die Kapazitäten bei Kohle und Erneuerbaren Energien stiegen, kam es Ende des letzten Jahres zu Stromengpässen. Dies liege daran, dass Kraftwerke wegen hoher Kohlepreise “nicht in Betrieb waren oder bereit, Strom zu produzieren“, so die Autoren. Als weiterer Grund werden unzureichende Übertragungskapazitäten genannt. Auch die New York Times hatte über Stromrationierungen berichtet, von denen Millionen Menschen betroffen waren: Fabriken wurden aufgefordert nur zeitweise zu produzieren und Unternehmen wurden gebeten Büros nicht zu heizen. nib
Der chinesische BMW-Partner Brilliance steht laut Insidern vor einer Übernahme durch den zweitgrößten chinesischen Autobauer FAW Group. Hintergrund sei die prekäre finanzielle Lage des größten Brilliance-Aktionärs, Huachen Automotive, so ein Reuters-Bericht. Der Konzern befindet sich im Insolvenzverfahren, mit der Umstrukturierung wurde begonnen (China.Table berichtete). Bisher produziert FAW schon mit Volkswagen und Audi Fahrzeuge für den chinesischen Markt.
Das Joint-Venture zwischen Brilliance und BMW – beide Firmen halten derzeit noch 50 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen – sei für beide Seiten ein wichtiger Ertragsbringer, schreibt die Nachrichtenagentur. BMW verkauft gut ein Drittel seiner Autos in China – ein großer Teil davon stammt aus dem Joint-Venture mit Brilliance. BMW selbst hat Pläne, seine Beteiligung am Joint-Venture auf 75 Prozent zu erhöhen, wie es weiter in dem Bericht heißt. Demnach erklärte der Autobauer aus München, dass ein möglicher FAW-Einstieg bei Brilliance dieses Vorhaben nicht gefährdet. nib
• Die Geoökonomie hat das Zeitalter des Wettrüstens weitgehend abgelöst. Im chinesisch-amerikanischen Kampf um Hegemonie ist die globale Wirtschaft zum primären Schlachtfeld geworden, in dem die Frage der wirtschaftlicher Interdependenzen eine der Hauptwaffen ist.
• Die Corona-Krise hat das geoökonomische Machtverhältnis verändert. China geht wirtschaftlich als Gewinner aus der Pandemie hervor, es konnte seinen Anteil am globalen BIP erhöhen. Die USA und die EU haben an ökonomischem Gewicht verloren.
• Im geoökonomischen Machtspiel sehen wir Strategien der Abschreckung. Aber die alten Rezepte des Kalten Krieges funktionieren nicht mehr. Stattdessen ist das Verhängen von Sanktionen zum Hauptinstrument der USA geworden, welches auf einem überparteilichen Konsens beruht. Doch was ein halbes Jahrhundert lang im kleinen Havanna gescheitert ist, wird auch bei einer Supermacht wie China versagen.
• Sanktionen, wie das Verbot von Huawei und TikTok, zielen auf eine wirtschaftliche Entkopplung der USA und China ab. Eine Entkopplung ist auch in der globalisierten Welt nicht unmöglich – aber sie hat einen sehr hohen Preis. Geoökonomisch bedeutet Entkopplung, den Gegner mit der Drohung abzuschrecken, sich selbst ins Knie zu schießen.
• Die bipolare Welt existiert nicht mehr. Zwei Blöcke und eine so genannte “Dritte Welt” wird es nicht mehr geben. Wir leben in einer Welt der umfassenden Globalisierung, in der nicht nur Märkte und Informationen, sondern auch Kulturen und Herausforderungen global geworden sind – von Flucht bis zu Terrorismus.
• Globale Herausforderungen brauchen globalen Lösungen. Globale Probleme werden nicht von Nationen gelöst werden – auch wenn sie sich zu Koalitionen der Willigen zusammenschließen. Ohne China, ohne die USA, ohne Europa wird die Welt die aktuelle Rezession nicht überwinden. Ohne diese drei Pole wird es weder gelingen, die globale Armut zu bekämpfen, noch den Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen zu gewährleisten. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) können nur gemeinsam verwirklicht werden.
• Ohne die USA, China und Europa werden wir nicht auf den 1,5-Grad-Pfad zur Begrenzung der Klimakrise kommen. Das Pariser Klimaabkommen wurde erst durch das von John Podesta vermittelte US-China-Abkommen möglich. Die Rückkehr der USA zum Pariser Klimaabkommen ist für die Bekämpfung der Klimakrise entscheidend. Aber auch ohne den Green Deal und die Dekarbonisierung Europas vor 2050 wird die Erderwärmung kritische Grenzwerte überschreiten. Und auch wenn China seine Verpflichtungen nicht einhält, den Höhepunkt der CO2-Emission vor 2030 zu erreichen und vor 2060 CO2-neutral zu werden, wird die Klimakrise weiter fortschreiten. Globale Krisen brauchen globale Zusammenarbeit.
• Joe Biden will eine neue, von den USA geführte Allianz bilden, um China gemeinsam mit seinen europäischen Verbündeten entgegenzutreten. Aber amerikanische Interessen sind nicht gleich europäische Interessen – vom staatlich gelenkten Handel für die Farmer im Mittleren Westen über eine dominante Finanz- und Informationsindustrie bis zu Europas Automobilindustrie und Maschinenbau. Das Gleiche gilt für Konflikte über Subventionen, Steuern und Beschaffung.
• Europa muss sein geoökonomisches Gewicht stärken. Und Europa muss lernen, mit anderen, mit schwierigen Partnern umzugehen. Europa muss China endlich als den Partner, Wettbewerber und Systemrivalen behandeln, der das Land ist. Und Europa muss auch die USA als Kooperationspartner und wirtschaftlichen Konkurrenten betrachten.
• China und die USA stellen zugleich unterschiedliche Herausforderungen und Chancen in unterschiedlichen Politikfeldern dar. Deshalb brauchen wir für jedes Politikfeld unterschiedliche Strategien. Ein Weg könnte sein, gemeinsame Interessen in diesen Politikfeldern zu identifizieren. Geoökonomische Zeiten erfordern “case-by-case” Allianzen – keine neuen Blöcke in einer globalisierten Welt.
Michael Lackner kann in diesen Tagen auf die harte Arbeit der vergangenen zehn Jahre zurückblicken, leider aber nicht so, wie er sich das selbst vorgestellt hat. 2009 gründete der renommierte Sinologe von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zusammen mit anderen Wissenschaftlern ein internationales Kolleg für geisteswissenschaftliche Forschung. “Seit dieser Zeit forschen wir zur traditionellen Zukunftsbewältigung in China”, erzählt der 68-Jährige. Unter traditioneller Zukunftsbewältigung seien Aspekte wie Aberglaube und Wahrsagung zu verstehen. Allerdings würde in China wohl kaum jemand von “Aberglaube” sprechen, denn Horoskope und Vorhersagen sind dort immer noch etablierter Teil des religiösen Lebens. Beispielsweise lassen sich viele junge Paare vor ihrer Heirat eine Prognose beim Wahrsager erstellen.
Die Förderung für das internationale Kolleg, das den Titel “Schicksal, Freiheit und Prognose” trägt, wurde 2020 noch einmal um drei Jahre verlängert. Trotzdem sollte für Michael Lackner in diesen Tagen ein wichtiges Etappenziel erreicht werden: nämlich eine große Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg unter dem Titel “Zeichen der Zukunft. Wahrsagen in Ostasien und Europa.” Allerdings können Besucher aktuell eben nicht durch das bekannte Museum in Nürnberg schlendern, sondern die Exposition lediglich per Online-Rundgang anschauen. Michael Lackner sieht aber auch die positiven Seiten des Ganzen. “Ich bin sehr froh darüber, dass es auch einen Open-Access-Katalog gibt”, erklärt er. Dies sei der erste Ausstellungskatalog dieser Art im Nationalmuseum.
Nun könnte man meinen, dass eine Forschung zu Orakeln in China die Spitze des akademischen Elfenbeinturms darstellen würde, aber Michael Lackner widerspricht. “Das hat auch einen wichtigen Gegenwartsbezug. In Taiwan etwa gibt es immer noch ein Orakel”, sagt er. Auch so mancher Generalsekretär der Kommunistischen Partei soll schon Wahrsager zurate gezogen haben.
Michael Lackner selbst ist eine Art Koryphäe auf seinem Forschungsgebiet, aber auch andere Lehrstühle – etwa an der FU Berlin – forschen und lehren zu Aberglaube und Mystik in China. Er selbst ist mittlerweile seit über 20 Jahren Lehrstuhlinhaber in Erlangen-Nürnberg. Zu seinem Forschungsinteresse kam er eher zufällig. Als Student in Heidelberg in den Siebzigerjahren habe sich Lackner zunächst für Arabistik eingeschrieben, aber eine Begegnung mit dem bekannten Sinologen Wolfgang Bauer sei für ihn ein einschneidender Moment gewesen. “Da wusste ich, was ich mal studieren möchte”, erinnert sich Lackner. “Es sollte in jedem Fall eine Spiegelkultur sein” – eine Kultur also, die beispielsweise in ihrer Sprache und ihrem Glauben unserer komplett entgegensteht – “deshalb hatte ich mich auch erst für Arabistik interessiert.”
Als Sinologe ist Michael Lackner eine wissenschaftliche “Allzweckwaffe”. Seine Publikationsliste ist lang und zugleich geprägt von diversen Forschungsfeldern. Wenn er sich nicht mit Aberglaube und Wahrsagerei beschäftigt, dann schreibt er unter anderem zu dem Chinesen-Bild im europäischen Comic. “Ich war lange in Frankreich. Dort hat der Comic eine prominente Stellung. Und ich bemerkte, dass China in den Comics fast überrepräsentiert war”, erzählt er. Also forschte er intensiver und setzte sich publizistisch damit auseinander. Und geht es nach dem 68-Jährigen, dann ist auch noch lange nicht Schluss. Zunächst stehen immerhin weitere Jahre im internationalen Kolleg für geisteswissenschaftliche Forschung an. Constantin Eckner
Etwas Süßes zu den Neujahrsfeierlichkeiten darf nicht fehlen. Der Winter ist laut dem chinesischen Mondkalender seit gestern vorbei. Nun kann der Frühling kommen.