die Lage in Sri Lanka ist dramatisch. Das Land steckt in der tiefsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Arbeitslosigkeit und steigende Preise treiben die Menschen auf die Straßen, während der Staatshaushalt von einem riesigen Schuldenberg erdrückt wird. Am Wochenende stürmten Aufständische gar den Palast des Präsidenten.
Doch wer ist schuld an diesem Zustand? Viele zeigen auf China. Aus ihrer Sicht handelt es sich um ein Paradebeispiel für Chinas angebliche Schuldenfalle. Frank Sieren hat sich die komplizierte Gemengelage aus Kreditverträgen, Zinsbindungen und Machbarkeitsstudien für das Hafenprojekt genauer angeschaut und kommt zu dem Schluss: Ausgerechnet in Sri Lanka hat eben nicht Chinas angebliche Schuldenfalle zugeschnappt. Vielmehr sind die Gründe auch in Europa und den USA zu suchen.
In unserer zweiten Analyse blicken wir heute nach Japan. Dort hat die ehemalige Partei des getöteten Ex-Premiers Shinzo Abe am Wochenende die Wahl zum Oberhaus gewonnen. Nun bietet sich den regierenden Liberaldemokraten und ihren Koalitionspartnern unverhofft die Chance, ein jahrzehntealtes Anliegen umzusetzen: Japans Konservative könnten endlich die pazifistische Verfassung abändern. Für China wäre das wohl ein kaum hinnehmbarer Akt. Finn Mayer-Kuckuk hat die neue Situation nach der Wahl analysiert und zeigt, weshalb Japans amtierender Premierminister Kishida trotz des Wahlsieges wohl doch nicht eine Verfassungsänderung anstreben wird.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Sri Lanka steckt in der größten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Inselnation hat mehr als 50 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden. Die Inflation liegt bei rund 60 Prozent. Am Wochenende stürmten Aufständische den Präsidentenpalast. Am heutigen Dienstag wollen Präsident Gotabaya Rajapaksa sowie Premierminister Ranil Wickremesinghe und dessen Regierungsmannschaft geschlossen zurücktreten.
Viele denken sofort an China, wenn es um die Schulden Sri Lankas geht. Genauer gesagt, an die vermeintliche chinesische Schuldenfalle, in die Peking die Länder der “Belt-and-Road-Initiative” treibt – “chinesischer Neokolonialismus”, wie man das in Washington nennt. Präsident Rajapaksa und Premier Wickremesinghe unterhielten in der Tat lange Zeit enge Beziehungen zu China. Jetzt müssen sie sich vorwerfen lassen, von China über den Tisch gezogen worden zu sein.
Als Paradebeispiel der Pekinger Schuldenfalle gilt Hambantota, der zweitgrößte, aber neueste Tiefseehafen Sri Lankas. Der Hafen liegt an der wichtigsten Schifffahrtsroute zwischen Europa und Asien und ist auch militärisch interessant. So weit, so richtig.
Doch schaut man sich nun den Vorwurf der Schuldenfalle genauer an, entpuppt er sich schnell als geopolitische Sage. Sie lautet wie folgt: Peking habe Sri Lanka gegen hohe Zinsen Geld für einen neuen Hafen geliehen, der im Grund aber gar nicht rentabel werden kann, nur um schließlich Sri Lanka zu zwingen, China den strategisch wichtigen Hafen vor der Haustür Indiens für 99 Jahre zu überlassen – denn das war die Garantie für den ursprünglichen Kredit.
Die Geschichte vom Kredithai China hat allerdings ein grundlegendes Problem: Sie stimmt nicht. Das belegen jüngste im Rahmen der Wirtschaftskrise durchgeführte Forschungen der US-Spitzenuniversität Johns Hopkins: “Es ist eine Lüge, eine machtvolle zudem”, fasst Professor Deborah Bräutigam die Ergebnisse ebenso knapp wie provokant zusammen. Sie wurden jüngst sogar als großes Stück im Magazin “The Atlantic” veröffentlicht, einer der renommiertesten amerikanischen Zeitschriften.
Die Machbarkeitsstudie, auf der der Ausbau des Hafens basiert, ist demnach nicht etwa von Peking finanziert worden, sondern zu 75 Prozent von der kanadischen Regierung, erstellt von SNC-Lavalin, einem der führenden kanadischen Bauunternehmen für 1,5 Millionen US-Dollar. Das Ergebnis: Der Hafen ist wirtschaftlich rentabel, wenn ein internationales Konsortium ihn in einem Joint Venture baut, betreibt und später übergibt. Entsprechend muss Colombo die Investitionskosten von 1,7 Milliarden US-Dollar nicht alleine stemmen. Eine zweite Studie der renommierten dänischen Beratungsfirma Ramboll, die viele EU-Projekte umsetzt, kommt zu dem gleichen Ergebnis.
Mit diesen Studien warb die Regierung von Sri Lanka in Kanada, den USA und Indien für das Projekt – allerdings zeigte man dort kein Interesse. Auch niemand aus der EU. Den Investoren war (und ist) die politische Lage nach 30 Jahren Bürgerkrieg und einem Tsunami schlicht zu riskant.
Die einzigen, die das unternehmerische Risiko nicht scheuten, waren die Chinesen. Die China Exim Bank bot Sri Lanka einen 307 Millionen US-Dollar hohen Kredit auf 15 Jahre an, inklusive der Wahl zwischen festen Zinsen von 6,3 Prozent oder flexiblen Zinsen. Die Regierung wählte die zweite, riskantere Option. Dass Pekings Zinsen angemessen sind, zeigt eine internationale Anleihe, die Colombo gleichzeitig auflegte. Sri Lanka muss 8,3 Prozent Verzinsung anbieten, um sich am internationalen Markt Geld leihen zu können.
Allerdings entschied sich die Regierung in Sri Lanka, den Hafen selbst zu betreiben. 2010 wurde er feierlich eröffnet. Doch schnell wurde klar, dass das so nicht funktionieren wird. Mehr noch: Statt zu warten, bis die erste Phase profitabel wird, wie die westlichen Berater es vorgeschlagen hatten, ließ Colombo 2012 auch noch die zweite Ausbaustufe bauen – mit einem neuen 757-Millionen-US-Dollar-Kredit zu nun nur zwei Prozent. Denn die nach der Weltfinanzkrise waren die Zinsen gesunken.
Als 2016 der Hafen immer noch zu geringe Profite machte, bat Colombo die China Harbor and Merchants Group, den Hafen für 35 Jahre zu betreiben, da diese schon den Hafen der Hauptstadt erfolgreich verwaltet. Doch bevor die chinesischen Betreiber richtig Fuß fassen konnten, war Sri Lanka derart überschuldet, dass das Wachstum schließlich vollkommen einbrach.
An diesen Schulden spielen die Chinesen mit einem Anteil von zehn Prozent allerdings nur eine randständige Rolle. “Sri Lanka hat höhere Schulden bei Japan, der Weltbank oder der Asian Development Bank ADB als bei China”, stellt Bräutigam in ihrer Studie fest. Die meisten Schulden habe Sri Lanka ohnehin am privaten internationalen Kapitalmarkt, wo sie im Jahr 2017 rund 4,3 Milliarden Dollar nicht zurückzahlen konnten.
Dem Rat des IWF folgend versuchte Colombo daraufhin, den Hafen international zu privatisieren, um an US-Dollar zu kommen. Doch nur zwei chinesische Firmen waren an dem weltweiten Bieterverfahren interessiert. Für 1,12 Milliarden US-Dollar bekommt China Merchants 70 Prozent des Hafens für 99 Jahre.
Doch auch dieser Kraftakt verpuffte. Ein Anschlag 2019, bei dem mehr als 200 Menschen sterben, und die Corona-Pandemie in den beiden folgenden Jahren gibt Sri Lankas Wirtschaft schließlich den Rest. “Unsere Wirtschaft ist völlig zusammengebrochen”, musste Premierminister Ranil Wickremesinghe jüngst vor dem Parlament einräumen. Die Inflation in Sri Lanka liegt bei über 60 Prozent. Die Lebensmittelpreise sind um mehr als 80 Prozent gestiegen. Und wegen Devisenknappheit ist das Land nicht in der Lage, genug Treibstoff zu importieren.
“Sri Lankas Schuldenfalle ist nicht wegen Chinas Regierung entstanden, sondern vor allem durch innenpolitische Entscheidungen und internationale private Gläubiger“, fasst auch die Zeitung South China Morning Post die Entwicklung zusammen.
Doch inzwischen ist auch China vorsichtig geworden. So vorsichtig, dass Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa sich gegenüber dem Nachrichtendienst Bloomberg beschwerte, Peking würde seinem Land substantielle Hilfe verweigern. Zudem könne Sri Lanka nicht auf versprochene China-Kredite von 1,5 Milliarden US-Dollar zugreifen. Und auf die Anfrage nach einem Hilfspaket über eine Milliarde US-Dollar habe man gleich gar keine Rückmeldung mehr erhalten.
Rajapaksa weiß natürlich, welche Erzählung international gut funktioniert: Erst von China ausgenommen, dann in der schlimmsten Krise im Stich gelassen worden. Doch geholfen hat ihm das nicht. Denn Peking weiß, dass sich der Präsident nicht an der Macht halten wird und beschränkt seine Hilfe nun auf humanitäre Maßnahmen. 10.000 Tonnen Reis werden nach Sri Lanka verschickt, zudem Medikamente. Und zwei neue Hafenkräne wurden Ende Juni wie geplant geliefert.
Doch die Verhandlungen zu dem seit langem ausstehenden Freihandelsabkommen zwischen China und Sri Lanka sind ins Stocken geraten. Peking hofft vor allem, dass Sri Lanka ohne den US-dominierten IWF auskommt.
Und während Peking zurückhaltend geworden ist, versucht derweil Indien seine Position in Sri Lanka zu verbessern. Delhi hat allein in diesem Jahr Kredite im Umfang von 376 Millionen US-Dollar vergeben – und ist damit der größte Kreditgeber des Jahres. Im Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es nur 13 Millionen US-Dollar gewesen. Bei dem jüngsten Quad-Gipfel – dem Treffen der großen asiatischen Demokratien Indien, Japan, Australien mit den USA – hat sich Delhi dafür eingesetzt, dass der IMF einer Rettung Sri Lankas zustimmen möge. Doch mit einer neuen Regierung in Colombo ist das Machtspiel zwischen Indien und China um Sri Lanka wieder offen.
Bei einer Parlamentswahl am Sonntag konnte die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) in Japan Stimmen dazugewinnen. Damit rückt ein politisches Vorhaben in greifbare Nähe, das in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach gescheitert ist: Die Änderung eines Verfassungsartikels, der Japan zur Friedlichkeit verpflichtet. Denn bis heute wird die Armee des Landes nicht offiziell als solche bezeichnet. Premierminister Fumio Kishida könnte den Rechtsrahmen nun in Einklang mit der Realität bringen.
Auch wenn es noch ein langer Weg ist bis zu einer konkreten Abstimmung: Schon die öffentliche Debatte um den Friedensartikel 9 der Verfassung ist für China relevant. Die Verfassungsänderung hätte eine enorme Signalwirkung für das Nachbarland. Auch wenn Japan in der Praxis über hochgerüstete Streitkräfte verfügt, gehört der Pazifismus zu seinem Selbstverständnis. Eine Abkehr von dieser Haltung würde zeigen, dass die Befürworter militärischer Lösungen an Einfluss gewinnen.
Umgekehrt wäre die Verfassungsänderung für Chinas Führung aber auch ein Vorwand, Japan als militaristisch darzustellen und Stimmung gegen den Nachbarn zu machen. All das gehörte zu den Gründen, die Japans Regierungen bislang immer zögern ließ, die Verfassungsänderung zur Abstimmung zu bringen.
Japan befindet sich seit dem Zweiten Weltkrieg in einer kuriosen Situation. Die USA hatten eine Verfassung diktiert, die dem Kriegsverlierer eine Wiederbewaffnung verbot. Doch dann kam der Kalte Krieg, und die US-Amerikaner bestanden plötzlich darauf, dass Japan seinen Teil für die Verteidigung der Region gegen die Sowjetunion, Nordkorea und China leistet.
Das Land gründete daraufhin 1954 die “Selbstverteidigungskräfte“. Offiziell ist das keine Armee, sie sieht in der Praxis aber genauso aus. Damit war Japan sogar schneller als der andere Kriegsverlierer Deutschland. Die Bundeswehr wurde erst ein Jahr später gegründet. Für beide Länder endete damit die kurze Phase der Entmilitarisierung.
Während die Bundeswehr aber auf einer klaren rechtlichen Basis gegründet wurde, hat Japan seine Verfassung nie an die Realität angepasst. Neue Generationen von Japanern, die mit der Denkweise der Kriegsgeneration gebrochen hatten, mochten ihre friedliche Verfassung. Ihnen gefiel die Vorstellung von einem harmloseren, besseren Japan. In Meinungsumfragen lehnen sie die Änderung von Artikel 9 traditionell ab. Auch deshalb kam im Parlament nie eine entsprechende Mehrheit zustande.
Seit Sonntag haben die LDP sowie drei weitere Parteien, die der Änderung zuneigen, eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Das macht es zumindest theoretisch möglich, Artikel 9 zu ändern.
Der Friedensartikel sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Selbstverteidigungskräfte hervorragend ausgestattet sind. Japan hat 260.000 Soldaten unter Waffen, während es in Deutschland nur 185.000 sind. Die Marine verfügt über hoch entwickeltes Gerät wie Helikopterträger, die derzeit zu Flugzeugträgern umgerüstet werden. Um die japanischen Inseln patrouilliert laufend eine Flotte lautloser U-Boote, die auch Raketen abfeuern können.
Der am Freitag ermordete Premier Shinzo Abe hatte intensiv darauf hingearbeitet, die Verfassung damit in Einklang zu bringen, dass Japan in Wirklichkeit schwer bewaffnet ist. Für die Zukunft sagte er eine weitere Aufrüstung seines Landes voraus. Zu Japans Nachbarn gehören Nordkorea, Russland und China. Da sind langfristig Spannungen zu erwarten. Inzwischen erscheint sogar ein handfester Konflikt möglich.
Ob Abes Tod die Verfassungsänderung nun begünstigt oder behindert, ist derzeit Gegenstand von Diskussionen. Einerseits war er ein Verfechter der Anpassung, fällt nun aber als treibende Kraft weg. Andererseits könnte Kishida sich gerade deshalb verpflichtet fühlen, das Projekt weiter voranzutreiben.
Tatsächlich hat Premierminister Kishida aber derzeit ganz andere Probleme und Prioritäten. In seiner Pressekonferenz nach Schließung der Wahllokale am Sonntag nannte er die Inflation und die Verschuldung als Japans Hauptprobleme. Über die Verfassungsänderung wolle er “diskutieren lassen”, sagte er. Es ist fraglich, ob er sein politisches Kapital und seine Energie nun auf die völlig theoretische Verfassungsfrage verwenden wird oder ob er nicht eher bei der Wirtschaftspolitik bleibt.
Kishida selbst ist kein Scharfmacher. Er wiederholt stattdessen seine Ansicht, dass mehr Dialog der Region guttun würde. Zugleich warnt er vor einer steigenden chinesischen Militär-Aktivität. Er meint damit vor allem die ständigen Überflüge chinesischer Kampfjets in der Nähe von Taiwan. Vor diesem Hintergrund lässt er die Verteidigungsausgaben massiv erhöhen. Was natürlich auch ohne Verfassungsänderung möglich ist.
Die Änderung von Artikel 9 würde Kishida wenig nutzen bei dem Versuch, einerseits auf Dialog zu setzen und andererseits die Armee unauffällig hochzurüsten. Ein wahrscheinliches Szenario wäre es daher, dass er zwar pro Forma darauf hinarbeitet, die Initiative aber im Sande verlaufen lässt. Wie so viele Regierungen vor ihm.
Als erster chinesischer Tech-Gigant steht Baidu vor dem Produktionsstart eines eigenen smarten E-Autos. Das von Baidu und dem heimischen Autokonzern Geely gegründete Start-up Jidu 集度 hat kürzlich in Peking das Konzeptauto Robo-1 vorgestellt. Jidu zeigte ein futuristisches Gefährt mit Schmetterlingstüren und einem Display, das sich über das gesamte Armaturenbrett zieht. Der Bau soll nach Angaben des Unternehmens im kommenden Jahr beginnen. Demnach soll das Serienmodell zu 90 Prozent dem Konzept-Auto entsprechen.
Die Konkurrenz dürfte den Robo-1 im Auge behalten. Schließlich verbindet das Fahrzeug Expertise aus zwei Welten. Volvo-Mutter und Mercedes-Großaktionär Geely demonstrierte gerade erst mit der Einführung der neuen Marke Zeekr, dass es in der Lage ist, Tesla und anderen Herstellern im Premiumsegment bei E-Autos Konkurrenz zu machen. Baidu wiederum ist ein weltweit führender Spieler im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Hier finden also Hardware und Software auf hohem Niveau zusammen.
Der Robo-1 basiert auf der gleichen Plattform wie der Zeekr 001 oder auch der neue Smart, den Geely und Mercedes gemeinsam entwickelt haben. Hinzu kommt jedoch eine technische Ausstattung, die Baidu federführend entwickelt hat. Fünf Radaraugen, zwei Lidar-Sensoren und zwölf HD-Kameras sollen im Robo-1 verbaut werden. Damit würde das Auto neue Maßstäbe setzen. Trotz der üppigen Technik-Ausstattung strebt Jidu an, den Robo-1 offenbar zu einem Kampfpreis oberhalb von 200.000 Yuan (28.500 Euro) auf den Markt zu bringen.
Gelingt es Jidu tatsächlich, den Robo-1 im kommenden Jahr auszurollen, würde es damit auch Xiaomi ausstechen. Der chinesische Smartphone-Gigant arbeitet ebenfalls an einem eigenen E-Auto. Xiaomi hält bislang an dem Ziel fest, bis 2024 in die Massenproduktion zu gehen. Neben Baidu und Xiaomi investieren auch andere chinesische Tech-Giganten in E-Autos.
Huawei etwa ist Partnerschaften mit einer ganzen Reihe von Autokonzernen eingegangen, denen es smarte Lösungen anbietet. Ähnlich gehen auch Tencent und Alibaba vor, die zudem früh in die chinesischen E-Auto-Startups Xpeng (Alibaba) und Nio (Tencent) investiert haben. Nur Xiaomi und Baidu verfolgen Pläne zum Bau eigener Autos.
Der Robo-1 ziele darauf ab, das Bedürfnisse der Nutzer nach intelligentem Reisen und einer intelligenten Kabine zu erfüllen, sagte Joe Xia Yiping, Geschäftsführer von Jidu anlässlich der Präsentation. “Das ultimative Ziel ist es, ein vollständig fahrerloses Transporterlebnis zu realisieren”, so der Jidu-Chef weiter. Die autonome Fahrtechnologie für Jidus Auto wird auf Apollo basieren, einer offenen Plattform, die von Baidu und mehreren Partnern entwickelt wurde.
Sie wird von Dutzenden Autoherstellern in China eingesetzt. Baidu gilt in China als führend bei der Entwicklung von Technik, die autonomes Fahrens ermöglicht. Das Unternehmen ist derzeit dabei, seinen eigenen Roboter-Taxi-Service Apollo Go in großen chinesischen Städten auszurollen.
Nach eigenen Angaben verfügt der Konzern über einen Datenschatz, aus mehr als 20 Millionen Kilometern überwachtem autonomen Fahren. Die Daten nutzt Baidu ähnlich wie Tesla, um die Algorithmen zu trainieren, die später das Steuer komplett übernehmen sollen. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Chinas Außenminister Wang Yi hat am Montag die südostasiatischen Staaten vor dem Einfluss der USA gewarnt. Bei einer Rede im Sekretariat der Vereinigung südostasiatischer Länder (Asean) in der indonesischen Hauptstadt Jakarta sagte Wang, die Länder sollten in der Rivalität der Großmächte nicht Partei ergreifen oder sich gar als “Schachfiguren” auf der Weltbühne missbrauchen lassen. Vielmehr sollten die Länder in der Region unabhängig bleiben und die Souveränität des jeweils anderen respektieren. Wang betonte: “Wir müssen diese Region vor geopolitischem Kalkül schützen.”
Nicht erst mit Beginn des Krieges in der Ukraine hat sich der Kampf um Einfluss in verschiedenen Weltregionen deutlich verschärft – und die geopolitische Rivalität zwischen China und den USA tritt immer offener zutage (China.Table berichtete).
Während China seit einigen Jahren versucht, durch die Initiative der “Neuen Seidenstraße” seine Handelsbeziehungen zu stärken und seinen Einfluss auszudehnen, entwickeln die USA aktuell eine zunehmend China-kritische Haltung. Die USA engagieren sich in Südostasien mit dem “quadrilateralen Sicherheitsdialog” (kurz “Quad”), in dem sie mit Japan, Australien und Indien zusammenarbeiten. Zudem schlossen die USA vor wenigen Monaten die Aukus-Allianz im Indopazifik. In diesem Rahmen wollen die USA und Großbritannien ihrem Partner Australien beim Bau von Atom-U-Booten helfen. Als Antwort auf China “Neue Seidenstraße” haben die G7-Staaten inzwischen eine Infrastruktur-Initiative gestartet (China.Table berichtete).
Wang warnte deshalb am Montag in Jakarta: Es müsse verhindert werden, dass südostasiatische Nationen durch “Hegemonie und Mobbing” in die Rivalität der Großmächte genötigt werden. Die Region solle Versuche zurückweisen, sie in “konfrontative und exklusive Gruppen” zu unterteilen. “Wir sollten eine echte regionale Zusammenarbeit aufrechterhalten, die Länder innerhalb der Region vereint, und für Länder außerhalb offen bleiben”, erklärte der chinesische Außenminister. Wang ist derzeit auf einer Tour durch Südostasien, um unter anderem für Chinas Initiative der “Neue Seidenstraße” zu werben. rad
Die Stadt Hongkong will positiv auf Covid-19 getestete Bürger in der Quarantäne elektronisch überwachen. Die Patienten können ihre Isolationszeit zwar zu Hause absitzen. Doch sie könnten dabei Ortungs-Armbänder tragen, kündigte Gesundheitsminister Lo Chung-mau am Montag an. Gleichzeitig soll die Corona-App nach dem Vorbild Festlandchinas künftig einen Gesundheitscode in Ampelfarben anzeigen, um Kontaktbeschränkungen “besser zu managen”.
Anders als im restlichen China verwendet Hongkong bisher keine Gesundheitscodes, mit der sich der eigene Gefährdungsstatus schnell nachweisen lässt. Zuletzt ist die täglich neu entdeckte Fallzahl in Hongkong jedoch wieder auf über 2.500 gestiegen, nachdem sie im Mai auf unter 100 gesunken war. Hongkongs Regierung steht unter Druck, die Infektionsketten wieder unter Kontrolle zu bekommen. Lo versprach, dass das System nicht die Bewegungen der Bürger aufzeichnen werde. Er schloss es zudem aus, dass die Polizei Codes künftig auf Rot stellt, um Versammlungen aufzulösen. fin
Der Internationale Währungsfonds (IWF) drängt China und andere wichtige Gläubiger, hoch verschuldeten Entwicklungsländern Zugeständnisse zu machen. Sollte es nicht bald zu Anstrengungen für Schuldenerleichterungen kommen, drohe eine Abwärtsspirale, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa der Nachrichtenagentur Reuters. Ende der Woche beraten die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Bali. Dabei dürfte die Verschuldung besonders armer Staaten Thema sein.
Die G20-Gruppe hatte sich im Oktober 2020 darauf geeinigt, wie Staatspleiten beispielsweise afrikanischer Länder verhindert werden könnten. Auslöser war eine sprunghaft gestiegene Verschuldung aufgrund der Corona-Pandemie. Seitdem ist allerdings nicht viel passiert. Schuldenschnitte oder Restrukturierungen gab es nicht.
Bei dem Thema dürfe man sich keine Bequemlichkeit erlauben, warnte Georgiewa. Sonst werde Vertrauen verspielt, und es könne eine Abwärtsspirale geben. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt immer wieder vor einer Schuldenkrise von Schwellen- und Entwicklungsländern gewarnt und dabei auch China namentlich in die Pflicht genommen.
Der IWF-Chefin zufolge sind ein Drittel der Schwellenländer und zwei Drittel der Entwicklungsländer wegen hoher Schulden in Bedrängnis. Die jüngsten Zinserhöhungen – etwa in den USA und Großbritannien – verschärfen die Lage noch, weil dadurch Kapital aus ärmeren Staaten abgezogen wird. Georgiewa forderte, es sei unerlässlich, sich auf Schuldenerleichterungen für Sambia, Äthiopien und Tschad zu einigen. Die drei afrikanischen Länder haben Hilfen nach dem G20-Rahmenwerk beantragt, warten aber seitdem. Im Juli soll es hierzu Verhandlungen geben. rtr
Volkswagen hat nach vermehrter Kritik an seinem Werk in Xinjiang eine Beauftragte für Menschenrechte berufen. Kerstin Waltenberg gehört zur Compliance-Abteilung und soll in dieser Funktion direkt an den Vorstand berichten. Volkswagen-Chef Herbert Diess hatte die Personalie am Freitag dem Aufsichtsrat vorgestellt.
Die Berufung von Waltenberg sei vor allem eine Vorbereitung auf die Einführung des Lieferkettengesetzes in Deutschland zum 1. Januar 2023, sagte ein Sprecher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Mit dem Posten werde aber auch auf die Kritik am VW-Werk in Xinjiang (China.Table berichtete) reagiert. Waltenberg arbeitet seit 2017 für Volkswagen als COO für Group Compliance. Sie ist Autorin von Fachliteratur zu Compliance- und Due-Diligence-Themen. ari
Zwei führende Parlamentarier der Grünen unterstützen die USA in ihrer Forderung an Deutschland, keine militärisch anwendbaren Schiffsmaschinen mehr an China zu verkaufen. Der berichtet die Zeitung Welt am Sonntag. Jürgen Trittin, derzeit außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, und der profilierte Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer halten die Praxis des Exports der Schiffsmotoren für überholt. “Eine solche Unterstützung der rapiden Aufrüstung Chinas steht den deutschen Interessen entgegen”, so Bütikofer gegenüber der Zeitung.
Washington stört sich schon länger daran, dass deutsche Firmen die großen Schiffsantriebe nach China liefern, ohne Genehmigungen einzuholen. Die Technik könnte in Kriegsschiffen zum Einsatz kommen. Das Außenministerium und das Wirtschaftsministerium, beide inzwischen grün geführt und beide für solche Exporte zuständig, sind beide bislang nicht gegen die Praxis eingeschritten. fin
Wolfgang Ehmann, 62, sitzt in seinem Büro im 19. Stock des Cofco Towers in der Hongkonger Gloucester Road. Wenn er von seinem Computerbildschirm aufschaut, sieht er die Metropole wie auf einer Postkarte – Segelschiffe, die vorbeiziehen, glitzernde Wolkenkratzerfassaden und im Hintergrund die diesigen Umrisse einer Berglandschaft. “Die Topografie von Hongkong ist einmalig”, sagt Ehmann. Das merke er immer wieder, wenn er in den Country Parks wandern geht, die die Stadt umgeben.
Ehmann ist Chef der deutschen Außenhandelskammer in Hongkong. Mit seinen 13 Kolleginnen und Kollegen stärkt er die bilateralen Beziehungen zwischen China und Deutschland. Die Mitglieder kommen vor allem aus dem deutschen Mittelstand. Vom Maschinenbauer bis zum Tech-Unternehmen ist alles dabei. Was er genau macht? “Fragen beantworten”, sagt er. Seine Aufgabe ist es, die Leute an die Hand zu nehmen und ihnen die bestmöglichen Startbedingungen in Hongkong zu verschaffen. Er besorgt Bonitätsauskünfte, hilft bei der Eröffnung von Konten oder sucht passende Büroflächen.
Vor allem aber knüpft er Verbindungen. Er kennt sich aus in Hongkong, die Geschäftswelt ist sein Zuhause. Zwar ist jemand, der in Deutschland gute Geschäfte macht, auch in Hongkong nicht aufgeschmissen, aber Kontakte sind hier besonders wichtig. Man braucht einen Vermittler, der einen vorstellt. “Cold Calls” sind nicht so gerne gesehen. “Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist hier oft eine Schlangenlinie”, sagt er. Man kennt jemanden, der jemanden kennt. Der Kontakt komme in der Regel nie direkt zustande.
Ehmann muss es wissen. Schließlich lebt er seit 35 Jahren in Hongkong. Er war damals gerade einmal 26, als er nach seinem BWL-Studium von Freiburg in die chinesische Sonderverwaltungszone zog. Sein Vater leitete das Hongkonger Büro des Heidenheimer Maschinenherstellers Voith und hatte ihm seinen ersten Job vermittelt.
“Hongkong hat eine eigene DNA. Diese Abwechslung, diese Kontraste, das schnelle Leben – entweder man liebt es oder man hasst es”, sagt Ehmann. Das Klima, die vielen Menschen, das Gedränge, der permanente Kampf um den Platz – das alles ist auch anstrengend, findet Ehmann. Zum Ausgleich joggt er oder fährt mit dem Rad im hügeligen Umland. “Wenn das nicht wäre, weiß ich nicht, ob ich immer noch hier leben würde.”
Die Proteste in der Metropole 2019 hat Ehmann eher negativ wahrgenommen. “Meiner Meinung nach waren die Proteste komplett verfehlt.” Der öffentliche Nahverkehr kam zum Erliegen und Kollegen kamen teilweise nicht von der Arbeit nach Hause. “Ich habe immer verstehen können, dass der Frust groß war. Die Regierung hat es lange versäumt, sich mit den Anliegen der jungen Bevölkerung auseinanderzusetzen. Dieses Ausmaß an Gewalt hat mich aber abgestoßen”, sagt Ehmann.
Der Heimat ist Ehmann nach wie vor verbunden. Einmal saß er mit einem Banker aus Ulm zusammen. Er hörte sofort den schwäbischen Zungenschlag und freundete sich mit ihm an. Mittlerweile sind sie eine kleine Gruppe von Geschäftsleuten aus Baden-Württemberg, die entweder in Hongkong leben oder sich die meiste Zeit des Jahres hier aufhalten. Sie nennen sich die “Spätzle-Connection”. Tim Winter
die Lage in Sri Lanka ist dramatisch. Das Land steckt in der tiefsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Arbeitslosigkeit und steigende Preise treiben die Menschen auf die Straßen, während der Staatshaushalt von einem riesigen Schuldenberg erdrückt wird. Am Wochenende stürmten Aufständische gar den Palast des Präsidenten.
Doch wer ist schuld an diesem Zustand? Viele zeigen auf China. Aus ihrer Sicht handelt es sich um ein Paradebeispiel für Chinas angebliche Schuldenfalle. Frank Sieren hat sich die komplizierte Gemengelage aus Kreditverträgen, Zinsbindungen und Machbarkeitsstudien für das Hafenprojekt genauer angeschaut und kommt zu dem Schluss: Ausgerechnet in Sri Lanka hat eben nicht Chinas angebliche Schuldenfalle zugeschnappt. Vielmehr sind die Gründe auch in Europa und den USA zu suchen.
In unserer zweiten Analyse blicken wir heute nach Japan. Dort hat die ehemalige Partei des getöteten Ex-Premiers Shinzo Abe am Wochenende die Wahl zum Oberhaus gewonnen. Nun bietet sich den regierenden Liberaldemokraten und ihren Koalitionspartnern unverhofft die Chance, ein jahrzehntealtes Anliegen umzusetzen: Japans Konservative könnten endlich die pazifistische Verfassung abändern. Für China wäre das wohl ein kaum hinnehmbarer Akt. Finn Mayer-Kuckuk hat die neue Situation nach der Wahl analysiert und zeigt, weshalb Japans amtierender Premierminister Kishida trotz des Wahlsieges wohl doch nicht eine Verfassungsänderung anstreben wird.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Sri Lanka steckt in der größten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Inselnation hat mehr als 50 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden. Die Inflation liegt bei rund 60 Prozent. Am Wochenende stürmten Aufständische den Präsidentenpalast. Am heutigen Dienstag wollen Präsident Gotabaya Rajapaksa sowie Premierminister Ranil Wickremesinghe und dessen Regierungsmannschaft geschlossen zurücktreten.
Viele denken sofort an China, wenn es um die Schulden Sri Lankas geht. Genauer gesagt, an die vermeintliche chinesische Schuldenfalle, in die Peking die Länder der “Belt-and-Road-Initiative” treibt – “chinesischer Neokolonialismus”, wie man das in Washington nennt. Präsident Rajapaksa und Premier Wickremesinghe unterhielten in der Tat lange Zeit enge Beziehungen zu China. Jetzt müssen sie sich vorwerfen lassen, von China über den Tisch gezogen worden zu sein.
Als Paradebeispiel der Pekinger Schuldenfalle gilt Hambantota, der zweitgrößte, aber neueste Tiefseehafen Sri Lankas. Der Hafen liegt an der wichtigsten Schifffahrtsroute zwischen Europa und Asien und ist auch militärisch interessant. So weit, so richtig.
Doch schaut man sich nun den Vorwurf der Schuldenfalle genauer an, entpuppt er sich schnell als geopolitische Sage. Sie lautet wie folgt: Peking habe Sri Lanka gegen hohe Zinsen Geld für einen neuen Hafen geliehen, der im Grund aber gar nicht rentabel werden kann, nur um schließlich Sri Lanka zu zwingen, China den strategisch wichtigen Hafen vor der Haustür Indiens für 99 Jahre zu überlassen – denn das war die Garantie für den ursprünglichen Kredit.
Die Geschichte vom Kredithai China hat allerdings ein grundlegendes Problem: Sie stimmt nicht. Das belegen jüngste im Rahmen der Wirtschaftskrise durchgeführte Forschungen der US-Spitzenuniversität Johns Hopkins: “Es ist eine Lüge, eine machtvolle zudem”, fasst Professor Deborah Bräutigam die Ergebnisse ebenso knapp wie provokant zusammen. Sie wurden jüngst sogar als großes Stück im Magazin “The Atlantic” veröffentlicht, einer der renommiertesten amerikanischen Zeitschriften.
Die Machbarkeitsstudie, auf der der Ausbau des Hafens basiert, ist demnach nicht etwa von Peking finanziert worden, sondern zu 75 Prozent von der kanadischen Regierung, erstellt von SNC-Lavalin, einem der führenden kanadischen Bauunternehmen für 1,5 Millionen US-Dollar. Das Ergebnis: Der Hafen ist wirtschaftlich rentabel, wenn ein internationales Konsortium ihn in einem Joint Venture baut, betreibt und später übergibt. Entsprechend muss Colombo die Investitionskosten von 1,7 Milliarden US-Dollar nicht alleine stemmen. Eine zweite Studie der renommierten dänischen Beratungsfirma Ramboll, die viele EU-Projekte umsetzt, kommt zu dem gleichen Ergebnis.
Mit diesen Studien warb die Regierung von Sri Lanka in Kanada, den USA und Indien für das Projekt – allerdings zeigte man dort kein Interesse. Auch niemand aus der EU. Den Investoren war (und ist) die politische Lage nach 30 Jahren Bürgerkrieg und einem Tsunami schlicht zu riskant.
Die einzigen, die das unternehmerische Risiko nicht scheuten, waren die Chinesen. Die China Exim Bank bot Sri Lanka einen 307 Millionen US-Dollar hohen Kredit auf 15 Jahre an, inklusive der Wahl zwischen festen Zinsen von 6,3 Prozent oder flexiblen Zinsen. Die Regierung wählte die zweite, riskantere Option. Dass Pekings Zinsen angemessen sind, zeigt eine internationale Anleihe, die Colombo gleichzeitig auflegte. Sri Lanka muss 8,3 Prozent Verzinsung anbieten, um sich am internationalen Markt Geld leihen zu können.
Allerdings entschied sich die Regierung in Sri Lanka, den Hafen selbst zu betreiben. 2010 wurde er feierlich eröffnet. Doch schnell wurde klar, dass das so nicht funktionieren wird. Mehr noch: Statt zu warten, bis die erste Phase profitabel wird, wie die westlichen Berater es vorgeschlagen hatten, ließ Colombo 2012 auch noch die zweite Ausbaustufe bauen – mit einem neuen 757-Millionen-US-Dollar-Kredit zu nun nur zwei Prozent. Denn die nach der Weltfinanzkrise waren die Zinsen gesunken.
Als 2016 der Hafen immer noch zu geringe Profite machte, bat Colombo die China Harbor and Merchants Group, den Hafen für 35 Jahre zu betreiben, da diese schon den Hafen der Hauptstadt erfolgreich verwaltet. Doch bevor die chinesischen Betreiber richtig Fuß fassen konnten, war Sri Lanka derart überschuldet, dass das Wachstum schließlich vollkommen einbrach.
An diesen Schulden spielen die Chinesen mit einem Anteil von zehn Prozent allerdings nur eine randständige Rolle. “Sri Lanka hat höhere Schulden bei Japan, der Weltbank oder der Asian Development Bank ADB als bei China”, stellt Bräutigam in ihrer Studie fest. Die meisten Schulden habe Sri Lanka ohnehin am privaten internationalen Kapitalmarkt, wo sie im Jahr 2017 rund 4,3 Milliarden Dollar nicht zurückzahlen konnten.
Dem Rat des IWF folgend versuchte Colombo daraufhin, den Hafen international zu privatisieren, um an US-Dollar zu kommen. Doch nur zwei chinesische Firmen waren an dem weltweiten Bieterverfahren interessiert. Für 1,12 Milliarden US-Dollar bekommt China Merchants 70 Prozent des Hafens für 99 Jahre.
Doch auch dieser Kraftakt verpuffte. Ein Anschlag 2019, bei dem mehr als 200 Menschen sterben, und die Corona-Pandemie in den beiden folgenden Jahren gibt Sri Lankas Wirtschaft schließlich den Rest. “Unsere Wirtschaft ist völlig zusammengebrochen”, musste Premierminister Ranil Wickremesinghe jüngst vor dem Parlament einräumen. Die Inflation in Sri Lanka liegt bei über 60 Prozent. Die Lebensmittelpreise sind um mehr als 80 Prozent gestiegen. Und wegen Devisenknappheit ist das Land nicht in der Lage, genug Treibstoff zu importieren.
“Sri Lankas Schuldenfalle ist nicht wegen Chinas Regierung entstanden, sondern vor allem durch innenpolitische Entscheidungen und internationale private Gläubiger“, fasst auch die Zeitung South China Morning Post die Entwicklung zusammen.
Doch inzwischen ist auch China vorsichtig geworden. So vorsichtig, dass Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa sich gegenüber dem Nachrichtendienst Bloomberg beschwerte, Peking würde seinem Land substantielle Hilfe verweigern. Zudem könne Sri Lanka nicht auf versprochene China-Kredite von 1,5 Milliarden US-Dollar zugreifen. Und auf die Anfrage nach einem Hilfspaket über eine Milliarde US-Dollar habe man gleich gar keine Rückmeldung mehr erhalten.
Rajapaksa weiß natürlich, welche Erzählung international gut funktioniert: Erst von China ausgenommen, dann in der schlimmsten Krise im Stich gelassen worden. Doch geholfen hat ihm das nicht. Denn Peking weiß, dass sich der Präsident nicht an der Macht halten wird und beschränkt seine Hilfe nun auf humanitäre Maßnahmen. 10.000 Tonnen Reis werden nach Sri Lanka verschickt, zudem Medikamente. Und zwei neue Hafenkräne wurden Ende Juni wie geplant geliefert.
Doch die Verhandlungen zu dem seit langem ausstehenden Freihandelsabkommen zwischen China und Sri Lanka sind ins Stocken geraten. Peking hofft vor allem, dass Sri Lanka ohne den US-dominierten IWF auskommt.
Und während Peking zurückhaltend geworden ist, versucht derweil Indien seine Position in Sri Lanka zu verbessern. Delhi hat allein in diesem Jahr Kredite im Umfang von 376 Millionen US-Dollar vergeben – und ist damit der größte Kreditgeber des Jahres. Im Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es nur 13 Millionen US-Dollar gewesen. Bei dem jüngsten Quad-Gipfel – dem Treffen der großen asiatischen Demokratien Indien, Japan, Australien mit den USA – hat sich Delhi dafür eingesetzt, dass der IMF einer Rettung Sri Lankas zustimmen möge. Doch mit einer neuen Regierung in Colombo ist das Machtspiel zwischen Indien und China um Sri Lanka wieder offen.
Bei einer Parlamentswahl am Sonntag konnte die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) in Japan Stimmen dazugewinnen. Damit rückt ein politisches Vorhaben in greifbare Nähe, das in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach gescheitert ist: Die Änderung eines Verfassungsartikels, der Japan zur Friedlichkeit verpflichtet. Denn bis heute wird die Armee des Landes nicht offiziell als solche bezeichnet. Premierminister Fumio Kishida könnte den Rechtsrahmen nun in Einklang mit der Realität bringen.
Auch wenn es noch ein langer Weg ist bis zu einer konkreten Abstimmung: Schon die öffentliche Debatte um den Friedensartikel 9 der Verfassung ist für China relevant. Die Verfassungsänderung hätte eine enorme Signalwirkung für das Nachbarland. Auch wenn Japan in der Praxis über hochgerüstete Streitkräfte verfügt, gehört der Pazifismus zu seinem Selbstverständnis. Eine Abkehr von dieser Haltung würde zeigen, dass die Befürworter militärischer Lösungen an Einfluss gewinnen.
Umgekehrt wäre die Verfassungsänderung für Chinas Führung aber auch ein Vorwand, Japan als militaristisch darzustellen und Stimmung gegen den Nachbarn zu machen. All das gehörte zu den Gründen, die Japans Regierungen bislang immer zögern ließ, die Verfassungsänderung zur Abstimmung zu bringen.
Japan befindet sich seit dem Zweiten Weltkrieg in einer kuriosen Situation. Die USA hatten eine Verfassung diktiert, die dem Kriegsverlierer eine Wiederbewaffnung verbot. Doch dann kam der Kalte Krieg, und die US-Amerikaner bestanden plötzlich darauf, dass Japan seinen Teil für die Verteidigung der Region gegen die Sowjetunion, Nordkorea und China leistet.
Das Land gründete daraufhin 1954 die “Selbstverteidigungskräfte“. Offiziell ist das keine Armee, sie sieht in der Praxis aber genauso aus. Damit war Japan sogar schneller als der andere Kriegsverlierer Deutschland. Die Bundeswehr wurde erst ein Jahr später gegründet. Für beide Länder endete damit die kurze Phase der Entmilitarisierung.
Während die Bundeswehr aber auf einer klaren rechtlichen Basis gegründet wurde, hat Japan seine Verfassung nie an die Realität angepasst. Neue Generationen von Japanern, die mit der Denkweise der Kriegsgeneration gebrochen hatten, mochten ihre friedliche Verfassung. Ihnen gefiel die Vorstellung von einem harmloseren, besseren Japan. In Meinungsumfragen lehnen sie die Änderung von Artikel 9 traditionell ab. Auch deshalb kam im Parlament nie eine entsprechende Mehrheit zustande.
Seit Sonntag haben die LDP sowie drei weitere Parteien, die der Änderung zuneigen, eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Das macht es zumindest theoretisch möglich, Artikel 9 zu ändern.
Der Friedensartikel sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Selbstverteidigungskräfte hervorragend ausgestattet sind. Japan hat 260.000 Soldaten unter Waffen, während es in Deutschland nur 185.000 sind. Die Marine verfügt über hoch entwickeltes Gerät wie Helikopterträger, die derzeit zu Flugzeugträgern umgerüstet werden. Um die japanischen Inseln patrouilliert laufend eine Flotte lautloser U-Boote, die auch Raketen abfeuern können.
Der am Freitag ermordete Premier Shinzo Abe hatte intensiv darauf hingearbeitet, die Verfassung damit in Einklang zu bringen, dass Japan in Wirklichkeit schwer bewaffnet ist. Für die Zukunft sagte er eine weitere Aufrüstung seines Landes voraus. Zu Japans Nachbarn gehören Nordkorea, Russland und China. Da sind langfristig Spannungen zu erwarten. Inzwischen erscheint sogar ein handfester Konflikt möglich.
Ob Abes Tod die Verfassungsänderung nun begünstigt oder behindert, ist derzeit Gegenstand von Diskussionen. Einerseits war er ein Verfechter der Anpassung, fällt nun aber als treibende Kraft weg. Andererseits könnte Kishida sich gerade deshalb verpflichtet fühlen, das Projekt weiter voranzutreiben.
Tatsächlich hat Premierminister Kishida aber derzeit ganz andere Probleme und Prioritäten. In seiner Pressekonferenz nach Schließung der Wahllokale am Sonntag nannte er die Inflation und die Verschuldung als Japans Hauptprobleme. Über die Verfassungsänderung wolle er “diskutieren lassen”, sagte er. Es ist fraglich, ob er sein politisches Kapital und seine Energie nun auf die völlig theoretische Verfassungsfrage verwenden wird oder ob er nicht eher bei der Wirtschaftspolitik bleibt.
Kishida selbst ist kein Scharfmacher. Er wiederholt stattdessen seine Ansicht, dass mehr Dialog der Region guttun würde. Zugleich warnt er vor einer steigenden chinesischen Militär-Aktivität. Er meint damit vor allem die ständigen Überflüge chinesischer Kampfjets in der Nähe von Taiwan. Vor diesem Hintergrund lässt er die Verteidigungsausgaben massiv erhöhen. Was natürlich auch ohne Verfassungsänderung möglich ist.
Die Änderung von Artikel 9 würde Kishida wenig nutzen bei dem Versuch, einerseits auf Dialog zu setzen und andererseits die Armee unauffällig hochzurüsten. Ein wahrscheinliches Szenario wäre es daher, dass er zwar pro Forma darauf hinarbeitet, die Initiative aber im Sande verlaufen lässt. Wie so viele Regierungen vor ihm.
Als erster chinesischer Tech-Gigant steht Baidu vor dem Produktionsstart eines eigenen smarten E-Autos. Das von Baidu und dem heimischen Autokonzern Geely gegründete Start-up Jidu 集度 hat kürzlich in Peking das Konzeptauto Robo-1 vorgestellt. Jidu zeigte ein futuristisches Gefährt mit Schmetterlingstüren und einem Display, das sich über das gesamte Armaturenbrett zieht. Der Bau soll nach Angaben des Unternehmens im kommenden Jahr beginnen. Demnach soll das Serienmodell zu 90 Prozent dem Konzept-Auto entsprechen.
Die Konkurrenz dürfte den Robo-1 im Auge behalten. Schließlich verbindet das Fahrzeug Expertise aus zwei Welten. Volvo-Mutter und Mercedes-Großaktionär Geely demonstrierte gerade erst mit der Einführung der neuen Marke Zeekr, dass es in der Lage ist, Tesla und anderen Herstellern im Premiumsegment bei E-Autos Konkurrenz zu machen. Baidu wiederum ist ein weltweit führender Spieler im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Hier finden also Hardware und Software auf hohem Niveau zusammen.
Der Robo-1 basiert auf der gleichen Plattform wie der Zeekr 001 oder auch der neue Smart, den Geely und Mercedes gemeinsam entwickelt haben. Hinzu kommt jedoch eine technische Ausstattung, die Baidu federführend entwickelt hat. Fünf Radaraugen, zwei Lidar-Sensoren und zwölf HD-Kameras sollen im Robo-1 verbaut werden. Damit würde das Auto neue Maßstäbe setzen. Trotz der üppigen Technik-Ausstattung strebt Jidu an, den Robo-1 offenbar zu einem Kampfpreis oberhalb von 200.000 Yuan (28.500 Euro) auf den Markt zu bringen.
Gelingt es Jidu tatsächlich, den Robo-1 im kommenden Jahr auszurollen, würde es damit auch Xiaomi ausstechen. Der chinesische Smartphone-Gigant arbeitet ebenfalls an einem eigenen E-Auto. Xiaomi hält bislang an dem Ziel fest, bis 2024 in die Massenproduktion zu gehen. Neben Baidu und Xiaomi investieren auch andere chinesische Tech-Giganten in E-Autos.
Huawei etwa ist Partnerschaften mit einer ganzen Reihe von Autokonzernen eingegangen, denen es smarte Lösungen anbietet. Ähnlich gehen auch Tencent und Alibaba vor, die zudem früh in die chinesischen E-Auto-Startups Xpeng (Alibaba) und Nio (Tencent) investiert haben. Nur Xiaomi und Baidu verfolgen Pläne zum Bau eigener Autos.
Der Robo-1 ziele darauf ab, das Bedürfnisse der Nutzer nach intelligentem Reisen und einer intelligenten Kabine zu erfüllen, sagte Joe Xia Yiping, Geschäftsführer von Jidu anlässlich der Präsentation. “Das ultimative Ziel ist es, ein vollständig fahrerloses Transporterlebnis zu realisieren”, so der Jidu-Chef weiter. Die autonome Fahrtechnologie für Jidus Auto wird auf Apollo basieren, einer offenen Plattform, die von Baidu und mehreren Partnern entwickelt wurde.
Sie wird von Dutzenden Autoherstellern in China eingesetzt. Baidu gilt in China als führend bei der Entwicklung von Technik, die autonomes Fahrens ermöglicht. Das Unternehmen ist derzeit dabei, seinen eigenen Roboter-Taxi-Service Apollo Go in großen chinesischen Städten auszurollen.
Nach eigenen Angaben verfügt der Konzern über einen Datenschatz, aus mehr als 20 Millionen Kilometern überwachtem autonomen Fahren. Die Daten nutzt Baidu ähnlich wie Tesla, um die Algorithmen zu trainieren, die später das Steuer komplett übernehmen sollen. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Chinas Außenminister Wang Yi hat am Montag die südostasiatischen Staaten vor dem Einfluss der USA gewarnt. Bei einer Rede im Sekretariat der Vereinigung südostasiatischer Länder (Asean) in der indonesischen Hauptstadt Jakarta sagte Wang, die Länder sollten in der Rivalität der Großmächte nicht Partei ergreifen oder sich gar als “Schachfiguren” auf der Weltbühne missbrauchen lassen. Vielmehr sollten die Länder in der Region unabhängig bleiben und die Souveränität des jeweils anderen respektieren. Wang betonte: “Wir müssen diese Region vor geopolitischem Kalkül schützen.”
Nicht erst mit Beginn des Krieges in der Ukraine hat sich der Kampf um Einfluss in verschiedenen Weltregionen deutlich verschärft – und die geopolitische Rivalität zwischen China und den USA tritt immer offener zutage (China.Table berichtete).
Während China seit einigen Jahren versucht, durch die Initiative der “Neuen Seidenstraße” seine Handelsbeziehungen zu stärken und seinen Einfluss auszudehnen, entwickeln die USA aktuell eine zunehmend China-kritische Haltung. Die USA engagieren sich in Südostasien mit dem “quadrilateralen Sicherheitsdialog” (kurz “Quad”), in dem sie mit Japan, Australien und Indien zusammenarbeiten. Zudem schlossen die USA vor wenigen Monaten die Aukus-Allianz im Indopazifik. In diesem Rahmen wollen die USA und Großbritannien ihrem Partner Australien beim Bau von Atom-U-Booten helfen. Als Antwort auf China “Neue Seidenstraße” haben die G7-Staaten inzwischen eine Infrastruktur-Initiative gestartet (China.Table berichtete).
Wang warnte deshalb am Montag in Jakarta: Es müsse verhindert werden, dass südostasiatische Nationen durch “Hegemonie und Mobbing” in die Rivalität der Großmächte genötigt werden. Die Region solle Versuche zurückweisen, sie in “konfrontative und exklusive Gruppen” zu unterteilen. “Wir sollten eine echte regionale Zusammenarbeit aufrechterhalten, die Länder innerhalb der Region vereint, und für Länder außerhalb offen bleiben”, erklärte der chinesische Außenminister. Wang ist derzeit auf einer Tour durch Südostasien, um unter anderem für Chinas Initiative der “Neue Seidenstraße” zu werben. rad
Die Stadt Hongkong will positiv auf Covid-19 getestete Bürger in der Quarantäne elektronisch überwachen. Die Patienten können ihre Isolationszeit zwar zu Hause absitzen. Doch sie könnten dabei Ortungs-Armbänder tragen, kündigte Gesundheitsminister Lo Chung-mau am Montag an. Gleichzeitig soll die Corona-App nach dem Vorbild Festlandchinas künftig einen Gesundheitscode in Ampelfarben anzeigen, um Kontaktbeschränkungen “besser zu managen”.
Anders als im restlichen China verwendet Hongkong bisher keine Gesundheitscodes, mit der sich der eigene Gefährdungsstatus schnell nachweisen lässt. Zuletzt ist die täglich neu entdeckte Fallzahl in Hongkong jedoch wieder auf über 2.500 gestiegen, nachdem sie im Mai auf unter 100 gesunken war. Hongkongs Regierung steht unter Druck, die Infektionsketten wieder unter Kontrolle zu bekommen. Lo versprach, dass das System nicht die Bewegungen der Bürger aufzeichnen werde. Er schloss es zudem aus, dass die Polizei Codes künftig auf Rot stellt, um Versammlungen aufzulösen. fin
Der Internationale Währungsfonds (IWF) drängt China und andere wichtige Gläubiger, hoch verschuldeten Entwicklungsländern Zugeständnisse zu machen. Sollte es nicht bald zu Anstrengungen für Schuldenerleichterungen kommen, drohe eine Abwärtsspirale, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa der Nachrichtenagentur Reuters. Ende der Woche beraten die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Bali. Dabei dürfte die Verschuldung besonders armer Staaten Thema sein.
Die G20-Gruppe hatte sich im Oktober 2020 darauf geeinigt, wie Staatspleiten beispielsweise afrikanischer Länder verhindert werden könnten. Auslöser war eine sprunghaft gestiegene Verschuldung aufgrund der Corona-Pandemie. Seitdem ist allerdings nicht viel passiert. Schuldenschnitte oder Restrukturierungen gab es nicht.
Bei dem Thema dürfe man sich keine Bequemlichkeit erlauben, warnte Georgiewa. Sonst werde Vertrauen verspielt, und es könne eine Abwärtsspirale geben. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt immer wieder vor einer Schuldenkrise von Schwellen- und Entwicklungsländern gewarnt und dabei auch China namentlich in die Pflicht genommen.
Der IWF-Chefin zufolge sind ein Drittel der Schwellenländer und zwei Drittel der Entwicklungsländer wegen hoher Schulden in Bedrängnis. Die jüngsten Zinserhöhungen – etwa in den USA und Großbritannien – verschärfen die Lage noch, weil dadurch Kapital aus ärmeren Staaten abgezogen wird. Georgiewa forderte, es sei unerlässlich, sich auf Schuldenerleichterungen für Sambia, Äthiopien und Tschad zu einigen. Die drei afrikanischen Länder haben Hilfen nach dem G20-Rahmenwerk beantragt, warten aber seitdem. Im Juli soll es hierzu Verhandlungen geben. rtr
Volkswagen hat nach vermehrter Kritik an seinem Werk in Xinjiang eine Beauftragte für Menschenrechte berufen. Kerstin Waltenberg gehört zur Compliance-Abteilung und soll in dieser Funktion direkt an den Vorstand berichten. Volkswagen-Chef Herbert Diess hatte die Personalie am Freitag dem Aufsichtsrat vorgestellt.
Die Berufung von Waltenberg sei vor allem eine Vorbereitung auf die Einführung des Lieferkettengesetzes in Deutschland zum 1. Januar 2023, sagte ein Sprecher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Mit dem Posten werde aber auch auf die Kritik am VW-Werk in Xinjiang (China.Table berichtete) reagiert. Waltenberg arbeitet seit 2017 für Volkswagen als COO für Group Compliance. Sie ist Autorin von Fachliteratur zu Compliance- und Due-Diligence-Themen. ari
Zwei führende Parlamentarier der Grünen unterstützen die USA in ihrer Forderung an Deutschland, keine militärisch anwendbaren Schiffsmaschinen mehr an China zu verkaufen. Der berichtet die Zeitung Welt am Sonntag. Jürgen Trittin, derzeit außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, und der profilierte Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer halten die Praxis des Exports der Schiffsmotoren für überholt. “Eine solche Unterstützung der rapiden Aufrüstung Chinas steht den deutschen Interessen entgegen”, so Bütikofer gegenüber der Zeitung.
Washington stört sich schon länger daran, dass deutsche Firmen die großen Schiffsantriebe nach China liefern, ohne Genehmigungen einzuholen. Die Technik könnte in Kriegsschiffen zum Einsatz kommen. Das Außenministerium und das Wirtschaftsministerium, beide inzwischen grün geführt und beide für solche Exporte zuständig, sind beide bislang nicht gegen die Praxis eingeschritten. fin
Wolfgang Ehmann, 62, sitzt in seinem Büro im 19. Stock des Cofco Towers in der Hongkonger Gloucester Road. Wenn er von seinem Computerbildschirm aufschaut, sieht er die Metropole wie auf einer Postkarte – Segelschiffe, die vorbeiziehen, glitzernde Wolkenkratzerfassaden und im Hintergrund die diesigen Umrisse einer Berglandschaft. “Die Topografie von Hongkong ist einmalig”, sagt Ehmann. Das merke er immer wieder, wenn er in den Country Parks wandern geht, die die Stadt umgeben.
Ehmann ist Chef der deutschen Außenhandelskammer in Hongkong. Mit seinen 13 Kolleginnen und Kollegen stärkt er die bilateralen Beziehungen zwischen China und Deutschland. Die Mitglieder kommen vor allem aus dem deutschen Mittelstand. Vom Maschinenbauer bis zum Tech-Unternehmen ist alles dabei. Was er genau macht? “Fragen beantworten”, sagt er. Seine Aufgabe ist es, die Leute an die Hand zu nehmen und ihnen die bestmöglichen Startbedingungen in Hongkong zu verschaffen. Er besorgt Bonitätsauskünfte, hilft bei der Eröffnung von Konten oder sucht passende Büroflächen.
Vor allem aber knüpft er Verbindungen. Er kennt sich aus in Hongkong, die Geschäftswelt ist sein Zuhause. Zwar ist jemand, der in Deutschland gute Geschäfte macht, auch in Hongkong nicht aufgeschmissen, aber Kontakte sind hier besonders wichtig. Man braucht einen Vermittler, der einen vorstellt. “Cold Calls” sind nicht so gerne gesehen. “Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist hier oft eine Schlangenlinie”, sagt er. Man kennt jemanden, der jemanden kennt. Der Kontakt komme in der Regel nie direkt zustande.
Ehmann muss es wissen. Schließlich lebt er seit 35 Jahren in Hongkong. Er war damals gerade einmal 26, als er nach seinem BWL-Studium von Freiburg in die chinesische Sonderverwaltungszone zog. Sein Vater leitete das Hongkonger Büro des Heidenheimer Maschinenherstellers Voith und hatte ihm seinen ersten Job vermittelt.
“Hongkong hat eine eigene DNA. Diese Abwechslung, diese Kontraste, das schnelle Leben – entweder man liebt es oder man hasst es”, sagt Ehmann. Das Klima, die vielen Menschen, das Gedränge, der permanente Kampf um den Platz – das alles ist auch anstrengend, findet Ehmann. Zum Ausgleich joggt er oder fährt mit dem Rad im hügeligen Umland. “Wenn das nicht wäre, weiß ich nicht, ob ich immer noch hier leben würde.”
Die Proteste in der Metropole 2019 hat Ehmann eher negativ wahrgenommen. “Meiner Meinung nach waren die Proteste komplett verfehlt.” Der öffentliche Nahverkehr kam zum Erliegen und Kollegen kamen teilweise nicht von der Arbeit nach Hause. “Ich habe immer verstehen können, dass der Frust groß war. Die Regierung hat es lange versäumt, sich mit den Anliegen der jungen Bevölkerung auseinanderzusetzen. Dieses Ausmaß an Gewalt hat mich aber abgestoßen”, sagt Ehmann.
Der Heimat ist Ehmann nach wie vor verbunden. Einmal saß er mit einem Banker aus Ulm zusammen. Er hörte sofort den schwäbischen Zungenschlag und freundete sich mit ihm an. Mittlerweile sind sie eine kleine Gruppe von Geschäftsleuten aus Baden-Württemberg, die entweder in Hongkong leben oder sich die meiste Zeit des Jahres hier aufhalten. Sie nennen sich die “Spätzle-Connection”. Tim Winter