die Zahlen werden immer größer – die G7-Staaten haben den Entwicklungsländern jüngst 600 Milliarden Euro an Infrastruktur-Hilfen zugesagt und wollen damit auch der chinesischen Seidenstraße Konkurrenz machen. Der Clou dabei: Ein großer Teil des Geldes soll mittels privater Investoren mobilisiert werden. Die G7-Staaten selbst tragen nur einen kleinen Teil bei. Doch das gelingt eher schlecht als recht, wie frühere Versprechungen beispielsweise der Weltbank unter dem Slogan “From Billions to Trillions” zeigen.
In Afrika werden diese Milchmädchen-Rechnungen längst durchschaut. Mit vagen Versprechungen kann der Westen in Afrika nicht mehr punkten, berichtet Katja Scherer. Viele Afrikanerinnen und Afrikaner sehen China zunehmend als guten Partner an. Die rasche Umsetzung von Projekten und die Nicht-Einmischung bei Menschenrechtsverletzungen gereicht der Volksrepublik zum Vorteil. Wenn die EU wirklich dem wachsenden Einfluss Chinas auf dem afrikanischen Kontinent entgegentreten will, muss ihre Afrika-Politik auf jeden Fall flexibler werden.
Viel Veränderung zeichnet sich auch in der Mobilität ab. E-Autos boomen. In naher Zukunft wird eine große Menge ausgedienter E-Auto-Akkus anfallen, die als Rohstoff für neue Batterien dienen sollen. China liegt hier weit vorne. Chinesische Recycling-Unternehmen sind schon gut im Geschäft, während sich der Markt in Europa nur langsam entwickelt, berichtet Leonie Düngefeld. Investitionen in Recycling-Anlagen lohnen sich schließlich erst, wenn genug Material zum Recycling vorhanden ist. Hier kann China seine Vorteile als Früheinsteiger in die Elektromobilität ausspielen.
Ein großes Versprechen haben sie sich abgerungen, mal wieder. Die G7-Staaten wollen mit 600 Milliarden US-Dollar die Infrastruktur in Entwicklungsländern ausbauen. Das haben sie jüngst bei ihrem Treffen auf Schloss Elmau bekannt gegeben.
Ganz vorne mit dabei bei diesem Vorhaben ist die EU. Sie will die Hälfte des zugesagten Geldes aufbringen, 100 Milliarden Dollar mehr noch als die USA. Und das ist nicht das einzige Versprechen, das Brüssel ärmeren Ländern – insbesondere in Afrika – zuletzt gegeben hat. “Gemeinsam können wir eine wohlhabendere, friedlichere und nachhaltigere Zukunft für alle aufbauen”, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in ihren Reden mehrfach. Im Februar kündigte sie Investitionen in Höhe von 150 Milliarden Euro beim EU-Afrika-Gipfel an. Bei der europäischen Global Gateway-Initiative liegt ebenfalls ein starker Fokus auf Afrika, zum Beispiel mit einem neuen Unterseekabel zwischen den Kontinenten.
Ziel dieser Bemühungen ist es, Chinas wachsendem Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent etwas entgegenzusetzen. Dabei stützt sich der Westen auf ein einfaches Narrativ: Die EU sei grundsätzlich der bessere Partner für Afrika, betonen europäische PolitikerInnen und Institutionen immer wieder. Anders als China baue man Infrastruktur von guter Qualität, man treibe Staaten nicht in die Schuldenfalle und man arbeite vor Ort eng mit der lokalen Bevölkerung zusammen. “Es ist an uns, der Welt einen positiven, kräftigen Investitionsimpuls zu geben”, sagte von der Leyen beim G7-Treffen. “So zeigen wir unseren Partnern in den Entwicklungsländern, dass sie eine Wahl haben.” Dass diese Wahl nicht automatisch pro EU ausfällt, wird im Westen allerdings häufig übersehen.
Anders als in Europa dargestellt, wird China nämlich nicht als schlechter Partner in Afrika wahrgenommen – im Gegenteil. Eine aktuelle Studie im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung zeigt: Bei Infrastrukturprojekten und beim Rohstoffhandel mit Afrika hat China Europa abgehängt. Ein Großteil von 1.600 befragten Entscheiderinnen und Entscheidern auf dem Kontinent lobt Chinas schnelle Entscheidungen, die rasche Umsetzung von Projekten und die Nicht-Einmischung Pekings in innenpolitische Angelegenheiten. Dem Glauben Europas an die Überlegenheit der eigenen Werte stehe der nüchterne Blick der Afrikaner auf die chinesischen Leistungen gegenüber, sagt Stefan Schott, Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Ostafrika. “Einfach gesagt: Eine Straße, die nach kurzer Bauzeit durch die Chinesen fertiggestellt wird, ist in der Wahrnehmung der Afrikaner auch ein Wert – und konkreter als manch europäisches Projekt zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten oder Nachhaltigkeit.”
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine aktuelle Studie der südafrikanischen Ichikowitz Family Foundation. Darin heißt es, China werde von jungen Afrikanerinnen und Afrikanern mittlerweile als die Großmacht mit dem positivsten Einfluss in Afrika wahrgenommen – erstmalig liegt die Volksrepublik damit vor den USA und Europa. 76 Prozent von 4.500 befragten Jugendlichen in 15 Ländern finden es gut, dass China ihnen neue Straßen, moderne Smartphones und neue Jobchancen bringt. “Es steht außer Frage, dass China heute der dominierende Akteur in Afrika ist”, sagte Ivor Ichikowitz, südafrikanischer Unternehmer und Gründer der Familienstiftung. “Insgesamt sehen wir eine viel positivere Einstellung zu China, was zu einem noch stärkeren Engagement mit China führen wird.”
China habe in Afrika einen Newcomer-Bonus, erklärt Tom Bayes die Ergebnisse der Studie. Bayes ist unabhängiger Afrika-China-Forscher und hat kürzlich für die Konrad-Adenauer-Stiftung untersucht, mit welchen Narrativen China seinen Einfluss in Afrika ausbaut. Peking werde in Afrika von vielen als Vorbild und Entwicklungspartner wahrgenommen, sagt er. “Wenn China neue Vorhaben ankündigt, dann bekommt das viel Aufmerksamkeit – auch wenn Europa und die USA seit Jahren Ähnliches in größerem Umfang machen.” Afrika sei für Peking ein guter Absatzmarkt für die einheimische Überproduktion, zum Beispiel bei Industriegütern, glaubt Bayes. “Aber China schafft es viel besser als die EU, afrikanischen Ländern die eigenen Interessen als gleichberechtigte Partnerschaft zu verkaufen.”
Das hat unter anderem historische Gründe. Während der Westen noch immer mit seinem kolonialen Erbe belastet ist, war die Zusammenarbeit mit China von Anfang an eher positiv besetzt. Schon in den 70er-Jahren habe China auf dem Kontinent investiert und zum Beispiel die Eisenbahnstrecke zwischen Tansania und Sambia ausgebaut, schreibt die tansanische Zeitung The Citizen. Tansania und Sambia hätten damals vergeblich versucht, westliche Unterstützung für den Bau zu bekommen. Dann kamen die Chinesen und wurden vom Sambias damaligem Präsidenten Kenneth Kaunda “als Freunde und Kameraden in einem gemeinsamen Kampf” empfangen, ein Narrativ, das China bis heute aufrechterhält.
Dazu kommt, dass China schnell lernt. Die Qualität chinesischer Bauprojekte sei noch vor zehn Jahren ein Problem gewesen, sagt Bayes. Inzwischen sei das nicht mehr der Fall. Und auch den Vorwurf, China bringe zu viele eigene Arbeitskräfte nach Afrika versucht Peking zu entschärfen. “Zum Beispiel baut China in jüngster Zeit verstärkt Bildungszentren in Afrika und holt afrikanische Studierende mit Stipendien nach China.”
Zur gleichen Einschätzung kommt auch Cobus van Staden, außenpolitischer Experte am South African Institute of International Affairs und Co-Host des renommierten “China in Africa Podcast”. Er bestätigt, dass mangelnde Qualität bei chinesischen Bauprojekten kaum noch ein Thema sei. Vielmehr habe China für neue Standards gesorgt, was die schnelle Umsetzung von Projekten angehe. Auch den westlichen Blick auf die Schulden afrikanischer Länder bei China hält der Experte für übertrieben. “Es stimmt, dass das in einzelnen Ländern ein Problem ist, zum Beispiel in Sambia oder Angola”, sagt er. “Aber es ist nicht die einzige Quelle für Schuldenprobleme auf dem Kontinent.” Auch manche Schulden bei westlichen Geldgebern sorgten für Ärger.
China hebt seine Beziehungen zu Afrika derzeit außerdem auf eine neue Stufe. Das wurde beim Forum on China-Africa Cooperation (China.Table berichtete) im November deutlich, einem wichtigen Gipfeltreffen, das seit der Jahrtausendwende alle drei Jahre stattfindet. “Wir werden künftig etwas weniger große Infrastrukturprojekte und dafür eine stärkere politische und technologische Zusammenarbeit zwischen China und Afrika sehen”, sagt Außenpolitikexperte Cobus van Staden. Das bedeute: Die Staaten werden stärker versuchen, eine gemeinsame Position in internationalen Organisationen wie der UN zu finden. Und sie werden ihre Zusammenarbeit in den Bereichen Internetausbau, Satellitennavigation und Digitalisierung verstärken.
Direkten Wettbewerb zwischen China und der EU könnte es künftig auch beim Ausbau grüner Technologien in Afrika geben. “China hat in den vergangenen Jahren viel Know-how in der Solar- und Windenergie aufgebaut und ein großes Interesse daran, dieses zu exportieren”, sagt Afrika-China-Experte Tom Bayes. Gleichzeitig bemüht sich die EU, sich als Afrikas Partner beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu positionieren.
Die EU sollte bei diesen Bemühungen noch stärker auf die Wirkung großer Gesten achten, rät Bayes. Die lange Weigerung der EU, Covid-Impfstoffpatente freizugeben, sei in Afrika zum Beispiel sehr negativ angekommen. Die Global Gateway-Initiative sei dagegen ein guter Schritt für mehr Zusammenarbeit. Noch warte Afrika allerdings auf konkrete Pläne, sagt Außenpolitikexperte Cobus van Staden.
Dabei muss die EU gut zuhören, was afrikanische Länder wollen – und nicht die eigenen hohen Standards nutzen, um bestimmte Länder und Projekte per se auszuschließen. Zum Spielball zwischen China und Europa zu werden, sei zum Beispiel nicht im afrikanischen Interesse, betont van Staden. “In Afrika gibt es viel Entwicklungsbedarf. Wir brauchen alle Partner.” Katja Scherer
Nun steht es fest: Ab 2035 werden in der EU keine Verbrenner-Autos mehr auf den Markt kommen, stattdessen übernehmen Elektrofahrzeuge die europäischen Straßen. Die Mobilität hängt dann an Lithium-Ionen-Batterien – und an deren Wiederverwertung, denn die EU will eine Kreislaufwirtschaft erreichen und muss mit Rohstoffengpässen jonglieren.
Das Recycling dieser Batterien ist dabei alternativlos. Seit 2006 ist es in der Europäischen Union verboten, Batterien auf Deponien zu entsorgen. Außerdem ist es strategisch relevant geworden: durch den Green Deal, das Ziel einer Kreislaufwirtschaft und den Wettlauf, sich von Rohstoffimporten unabhängiger zu machen.
Möglicherweise lässt sich hier etwas von den Ländern Ostasiens lernen. Im globalen Vergleich liegt China weit vorn: Mit 188.000 Tonnen pro Jahr können dortige Unternehmen doppelt so viele Lithium-Ionen-Batterien recyceln wie Firmen in Europa und haben mehr als dreimal so viele Kapazitäten wie die USA, berechneten Forscher Anfang dieses Jahres. Sie beriefen sich auf Zahlen von Ende 2021.
In Ländern wie China und Südkorea sei schon sehr viel früher Recyclingmaterial angefallen als in Europa oder den USA, erklärt Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut. Da es dort schon früher einen Markt und größere Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen gab, wurde auch die Recyclingindustrie schneller hochgefahren. Firmen konnten dort gewissermaßen bereits mit Produktionsschrott und Mangelware Recyclingverfahren erproben und optimieren.
Zudem haben die Regierungen seit 2012 den Aufbau des Recyclingsektors für Lithium-Ionen-Batterien nach vorne gebracht. 2018 wurden Hersteller in China zur Zusammenarbeit mit Recyclingunternehmen verpflichtet. Allerdings landen dort viele Batterien noch immer auf der Müllhalde oder bei Unternehmen, welche die Akkus illegal mit veralteten und umweltbelastenden Verfahren recyceln (China.Table berichtete).
Deutschland steht nun seinerseits unter Druck, seine Kapazitäten sehr schnell hochzufahren. Das Öko-Institut hat berechnet, dass in Deutschland ab 2035 pro Jahr etwa 1,2 Millionen Tonnen Lithium-Ionen-Batterien auf den Markt kommen und recycelt werden müssen. Hinzu kommen Akkus aus LKW und Bussen. Angesichts der Größe dieser Batterien – die eines Tesla Model 3 Long Range enthält 4416 Zellen und wiegt 480 Kilogramm – geht es um unglaubliche Mengen an Abfällen.
Der europäische Recyclingmarkt für Lithium-Ionen-Batterien wird, zeitversetzt mit dem Wachstum der Elektromobilität, in den kommenden zwanzig Jahren stark wachsen, sagt Buchert. Er rechnet damit, dass er spätestens Mitte der 2020er-Jahre anziehen wird. Dann wird auch hier in großem Stil Produktionsschrott anfallen – aus den Gigafactories, die nun in Europa den Betrieb aufnehmen. “Nach 2030 wird das noch ganz andere Dimensionen annehmen”, sagt Buchert.
In der Industrie geht man davon aus, dass es eine Arbeitsteilung in Europa geben wird, sagt er: “Wahrscheinlich wird eine größere Anzahl an Unternehmen mit kleineren Kapazitäten die ersten, mechanischen Schritte des Verfahrens übernehmen und etwa ein halbes Dutzend größere Unternehmen das Endrefining.”
Die größte zurzeit aktive Anlage in Europa betreibt die Firma SungEel HiTech im ungarischen Bátonyterenye. Es handelt sich um die Tochter eines südkoreanischen Unternehmens. Dort können 50.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien pro Jahr recycelt werden. Deutschland hat laut der Studie von Anfang 2022 europaweit die höchsten Recyclingkapazitäten: Recycelt werden können hier 54.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien. Auf 10.000 Tonnen davon kommt die Firma Redux mit ihrer Anlage in Bremerhaven.
In den kommenden Jahren werden in Europa etliche Anlagen mit Kapazitäten von mehreren Zehntausend Tonnen im Jahr hinzukommen, etwa in Spanien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Polen und den skandinavischen Ländern. Northvolt plant, ab 2030 im schwedischen Skellefteå jährlich 125.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien zu recyceln. Das größte Projekt plant derzeit der belgische Konzern Umicore: Er wird seine Recyclingkapazitäten auf 150.000 Tonnen pro Jahr erhöhen, sagte dessen Leiter für Government Affairs EU, Jan Tytgat, in der vergangenen Woche in Berlin.
Torsten Brandenburg, Referent im Bundeswirtschaftsministerium, sieht die Herausforderung für den europäischen Markt in den fehlenden Investitionen. “Wir müssen den Kreislauf der Wertschöpfungskette in Europa schließen, um gegenüber Asien aufzuholen“, sagte er bei einer Diskussion der EIT Raw Materials.
Deutschland und China stehen dabei grundsätzlich vor denselben Hürden, die mit Hilfe staatlicher Regulierungen zu überwinden sind. “Wie auf jedem jungen Markt ist die Herausforderung im Recycling, dass Unternehmen zunächst mehrere Millionen Euro in die Anlagen investieren müssen”, sagt Matthias Buchert. Zurzeit lohnt sich dies noch nicht wirklich: Die Akkus von E-Autos haben eine Nutzungsdauer von durchschnittlich zehn Jahren, es wird also dauern, bis Recycler überhaupt größere Mengen an Material bekommen. Buchert spricht von dem “Henne-Ei-Problem”: Je größer eine Recycling-Anlage, desto wirtschaftlicher kann sie arbeiten – jedoch nur, wenn sie ausgelastet ist.
Das Problem in Deutschland liegt laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) derzeit auch in der gesetzlichen Sammelquote, die nicht eingehalten wird. Laut Batteriegesetz müssen 50 Prozent der Alt-Gerätebatterien gesammelt werden, was die EU-Mindestvorgabe von 45 Prozent übertrifft. Laut DUH lag die Zahl der Lithium-Ionen-Akkus bei nur etwa 32 Prozent. Hersteller müssen die auf den Markt gebrachten Batteriemengen angeben und die Batterien zurücknehmen, über ein eigenes oder eines von sechs etablierten Rücknahmesystemen. Die DUH fordert deshalb einen Kostenausgleich für Sammelsysteme, ambitionierte Sammelquoten sowie ein Pfandsystem für Lithium-Ionen-Akkus.
Ab wann das Batterie-Recycling wirklich kostendeckend sein wird, wird auch von den Rohstoffpreisen beeinflusst. Mineralien wie Lithium sind zurzeit sehr teuer, zudem wird in aktuellen Studien vor Engpässen aufgrund der hohen Nachfrage gewarnt. Bleiben die Preise auf einem derart hohen Niveau und werden die Verfahren und die Logistik schnell optimiert, könne das Recycling schon sehr bald profitabel werden, so Buchert.
Ein wichtiges Signal an Investoren kommt bald aus Brüssel: Die EU wird eine neue Batterie-Verordnung verabschieden. Diese befindet sich zurzeit in den Trilog-Verhandlungen. Die neuen Vorgaben sehen unter anderem vor, dass Autohersteller für das Recycling von Altbatterien aus ihren Elektrofahrzeugen verantwortlich sind, dass neue Lithium-Ionen-Batterien einen bestimmten Anteil an recyceltem Material enthalten und neue Batterien leichter recycelbar sein müssen. Die Mindestsammelquoten sollen bis 2030 auf 85 Prozent erhöht und Batterien mit einem digitalen Herkunftspass versehen werden. Der Vorschlag wird von verschiedenen Seiten als Meilenstein gelobt, da er den gesamten Lebenszyklus von Batterien reguliert.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Der chinesische Autobauer BYD hat Tesla als größten E-Auto-Bauer überholt. Laut Unternehmensangaben hat das Unternehmen aus Shenzhen im 1. Halbjahr des laufenden Jahres 641.000 Autos verkauft. Tesla hat im gleichen Zeitraum 564.000 Einheiten abgesetzt.
Tesla hat ein schwieriges zweites Quartal hinter sich. Das Unternehmen führt die schlechteren Zahlen auf Störungen in der Lieferkette und beim Vertrieb in China zurück. BYD war von diesen Problemen nicht ganz so stark betroffen wie seine Wettbewerber, da die BYD-Fabriken in Regionen liegen, die nicht so sehr von Lockdowns betroffen waren wie die Regionen, in denen Tesla, XPeng, Nio und andere produzieren. BYD verkauft auch viele Plug-In-Hybride, die in die Kategorie der E-Autos fallen. Tesla produziert hingegen ausschließlich batteriebetriebene E-Autos.
BYD feiert auch in anderen Bereichen Erfolge. Das Unternehmen hat den südkoreanischen Wettbewerber LG bei der Fertigung von E-Auto-Batterien überholt. Hinter dem ebenfalls chinesischen CATL liegt BYD jetzt auf Rang zwei der größten Batterie-Hersteller für E-Autos. Analysten erwarten, dass BYD und andere chinesische Hersteller ihre Bemühungen verstärken werden, in westliche Märkte vorzudringen. nib
China will Insidern zufolge mit einem milliardenschweren staatlichen Fonds die Investitionen in die Infrastruktur ankurbeln und der schwächelnden Konjunktur auf die Beine helfen. Der Topf solle mit 500 Milliarden Yuan (gut 70 Milliarden Euro) gefüllt werden, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Fonds solle noch im laufenden Sommerquartal eingerichtet werden.
Die chinesische Wirtschaft erholt sich derzeit nur langsam von den Engpässen, die durch die umfangreichen Corona-Lockdowns in Metropolen wie Shanghai verursacht wurden. Zudem schwächelt der lange Zeit boomende Immobilienmarkt, während die Verbraucher beim Konsum knausern. Außerdem geht die Angst vor wiederkehrenden Infektionswellen um.
Die Regierung versucht bereits mit anderen Maßnahmen gegenzusteuern. Die Zentralbank etwa macht Kredite billiger. Die Behörden verdoppeln zudem ihre Infrastruktur-Maßnahmen und greifen auf ein altes Instrument zur Ankurbelung der Wirtschaft zurück, indem sie 800 Milliarden Yuan (115 Milliarden Euro) an neuen Darlehen zur Finanzierung von Großprojekten zusagten. rtr/nib
Chinas Behörden warnen vor Hitzewellen im Norden des Landes. In den kommenden beiden Wochen werden im Norden des Landes an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen von über 40 Grad erwartet. 250 Millionen Menschen in den Regionen Xinjiang, Innere Mongolei und Ningxia sowie den Provinzen Hebei, Henan, Gansu und Shaanxi könnten davon betroffen sein, so Fang Xiang, stellvertretender Leiter des Nationalen Meteorologischen Zentrums (NMC).
Der Juni war laut Behördenangaben der heißeste Juni seit 1961. Im vergangenen Monat waren demnach mehr als die Hälfte der chinesischen Bevölkerung von Hitzewellen betroffen. “Die anhaltend hohen Temperaturen werden sich deutlich auf die Produktion und das Leben der Menschen auswirken, zum Beispiel durch einen erhöhten Druck auf die Stromversorgung“, sagte Fang. Die Gefahr von Waldbränden steigt und die Produktion von Reis, Baumwolle und Mais könnte negativ betroffen werden, so der Meteorologe. Die Volksrepublik ist nicht das einzige Land, das mit Hitzewellen zu kämpfen hat. In großen Teilen der Nordhalbkugel herrschte in den letzten Wochen extreme Hitze.
China versucht sich besser an die Folgen des Klimawandels anzupassen und hat kürzlich eine Strategie dafür vorgelegt. Mit kurzfristigen Erfolgen ist jedoch nicht zu rechnen, da die Anpassung ein zeit- und kostenintensives Unterfangen ist (China.Table berichtete). nib
Das Ereignis war ebenso gefürchtet wie vorhersehbar: Die Coronavirus-Untervariante BA.5, die in Deutschland derzeit die Sommerwelle antreibt, verbreitet sich jetzt auch in China. In der Provinzhauptstadt Xi’an dominiere BA.5 bereits das Infektionsgeschehen, berichtet die Gesundheitsbehörde von Shaanxi. Die Zahlen sind jedoch weiterhin sehr überschaubar. Xi’an konnte sieben Fälle identifizieren. Die Ausbrüche in Shanghai und Peking gingen auf die Variante BA.2 zurück. “Die Omikron-Subvariante BA.5 ist noch ansteckender”, warnt Infektiologe Zhang Yi von der Gesundheitsbehörde. fin
Der ehemalige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat sein Unternehmen an einen chinesischen Investor verkauft. Die Westron Group aus Peking übernimmt 88,9 Prozent der Anteile an den Allgaier Werken. Der neue Eigentümer will den Betrieb weitgehend unverändert weiterführen. Westron ist ein Investor mit Fokus auf Unternehmen aus den Bereichen Auto, Technologie und Robotik. Allgaier passt daher gut ins Portfolio, es ist Autozulieferer und Industrie-Ausrüster.
Zur Westron-Gruppe gehört auch die Investitionsgesellschaft FountainVest mit Sitz in Hongkong, der BMTS Technology gehört, das bis zur Übernahme 2018 als Bosch Mahle Turbo Systems bekannt war. Hundt war von 1996 bis 2013 Präsident der Arbeitgeberverbände. Er ist noch Aufsichtsratsvorsitzender von Allgaier. fin
In China, wo Subkulturen kritisch beäugt, zensiert und mitunter sanktioniert werden, hat sich Heavy Metal – chinesisch Zhòngjīnshǔ 重金属 – seit Beginn der 90er-Jahre als solide Nische etabliert. Die Szene ist hier selten politisch oder sozialkritisch. Dafür ist Lokalkolorit ein wichtiger Selling-Point. Viele Bands thematisieren stolz die eigene Geschichte. Der Einsatz traditioneller Instrumente wie der Kniegeige ist, ebenso wie eine landestypische Ästhetik, bei vielen Gruppen Standard. Die Mischung aus harter Rockmusik und chinesischen Elementen ist dabei nicht immer leicht verdaulich. Manche Bands gehen in kitschigen Hanfu-Kostümen auf die Bühne, andere haben sich auf patriotische Reizthemen wie das Nanjing-Massaker spezialisiert.
Eine Band, die die Gratwanderung zwischen Tradition und Heavy-Metal-Ästhetik perfektioniert hat, ist die 1998 in Jinan gegründete Gruppe Zuriaake oder chinesisch Zàngshīhú 葬尸湖 – “See der vergrabenen Leichen”. Bis heute ist nicht bekannt, wer hinter der Formation steckt. Die Mitglieder zeigen weder ihre Gesichter noch verwenden sie Klarnamen. Zuriaake spielen Black Metal, die extremste Form des Heavy Metal. Der Sänger der Band firmiert unter dem Künstlernamen Bloodfire. Er erklärte in einem seiner seltenen Interviews, dass Zuriaake gegründet wurden, um der “Wüste der modernen Kultur” zu entkommen.
Ihr Debütalbum “Afterimage Of Autumn”, das 2007 erschien, gilt als einer der Klassiker des chinesischen Heavy Metal. Die atmosphärischen Keyboardpassagen rufen dort nicht die dunklen, schneebedeckten Wälder Norwegens in Erinnerung – den Geburtsort des Genres – sondern die verwunschenen Klüfte des Taishan, einem der fünf heiligen Berge des Daoismus. Die Bambusflöte erzählt von weltabgewandter Einsamkeit und gesellschaftlicher Entfremdung – die selbstgewählte Gegenkultur der Eremiten hat in China eine jahrtausendealte Tradition. “Als Träger einer Philosophie ist Black Metal eine Musik der Einsamkeit”, erklärt Bloodfire in dem Interview.
Die Album-Cover von Zuriaake zeigen verfallene Pagoden, aber auch traditionelle Tuschemalerei, die sich hier ganz selbstverständlich in “Chinese Gothic” verwandelt: die Leerstellen der Shanshui-Bilder wirken nebelverhangen, die gewundenen, hingetupften Äste windgepeitscht und ruhelos. Es ist eine Dunkelheit, die immer schon da war, in der kunstgeschichtlichen Rezeption Chinas jedoch hinter der naturverbundenen Erhabenheit des mönchischen Lebens zurückgetreten ist.
In ihren Texten beziehen sich Zuriaake auf den Dichter Qu Yuan, der 340 vor Christus im turbulenten Zeitalter der “Streitenden Reiche” geboren wurde, und sich im Jahr 278 in einer Vollmondnacht ertränkt haben soll. In ihrem Kompositionsprozess stünde das Wort an erster Stelle, erklärt Bloodfire. “China ist ein Land, das seine Schriftsprache zutiefst verehrt. Wir glauben, dass unsere Vorfahren die schönsten und bedeutungsvollsten Gedichte der Welt geschaffen haben. Chinesische Schriftzeichen haben ihre eigene Seele. Wir gravieren diese Worte in jeden einzelnen Song und vermischen sie mit den Tropfen unseres Blutes.”
Die künstlerische Vision von Zuriaake offenbart sich jedoch am deutlichsten auf ihren Konzerten. Ihre Bühnenoutfits sind grobe, zerrissenen Gewänder aus Leinen und rabenschwarz gefärbte Reisbauernhüte, die ihre Gesichter permanent in Schatten hüllen. “Unsere Kostüme basieren auf dem alten Gedicht “Jiang Xue”, erklärt Bloodfire. Darin heißt es: “ein alter Mann in Strohumhang und Hut, der allein im Schnee in einem Boot sitzt und im eiskalten, schneebedeckten Fluss fischt” (孤江蓑笠翁,独钓寒江雪).
Zuriaake-Shows sind theatralisch wie eine Begräbnisfeier in der chinesischen Provinz und durchdrungen von dem Bewusstsein, dass das Jenseits in jedem Moment das Diesseits durchwirkt. “Obwohl ich Rock höre, obwohl ich nach Freiheit strebe, obwohl ich im Ausland war und einer fremden Kultur ausgesetzt war, kann ich diese Elemente nicht aus meinen Knochen schrubben”, sagt Bloodfire. “Die Schreie, die aus meinem Mund kommen, werden unweigerlich chinesisch sein.” Fabian Peltsch
Tobias Czapka ist bei VW in die Position des Managers für System Engineering BEV-Powertrain China gewechselt. Der Doktor der Ingenieurwissenschaften war bis Juni Lead Technical Project Manager Gasoline Engines bei VW. Auch hier war Czapka bereits für China und die Eastern Regions zuständig.
Chunwei Yin ist seit Juni Facility Manager Data Center für die Deutschland-Tochter von China Mobile International. Der Tätigkeitsort des in Shanghai und Mannheim ausgebildeten Diplom-Ingenieurs ist Mörfelden-Walldorf in Hessen.
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Stairway to heaven? Wolken über der Chinesischen Mauer erwecken den Eindruck, man könne über die Festungsanlage direkt in den Himmel steigen.
die Zahlen werden immer größer – die G7-Staaten haben den Entwicklungsländern jüngst 600 Milliarden Euro an Infrastruktur-Hilfen zugesagt und wollen damit auch der chinesischen Seidenstraße Konkurrenz machen. Der Clou dabei: Ein großer Teil des Geldes soll mittels privater Investoren mobilisiert werden. Die G7-Staaten selbst tragen nur einen kleinen Teil bei. Doch das gelingt eher schlecht als recht, wie frühere Versprechungen beispielsweise der Weltbank unter dem Slogan “From Billions to Trillions” zeigen.
In Afrika werden diese Milchmädchen-Rechnungen längst durchschaut. Mit vagen Versprechungen kann der Westen in Afrika nicht mehr punkten, berichtet Katja Scherer. Viele Afrikanerinnen und Afrikaner sehen China zunehmend als guten Partner an. Die rasche Umsetzung von Projekten und die Nicht-Einmischung bei Menschenrechtsverletzungen gereicht der Volksrepublik zum Vorteil. Wenn die EU wirklich dem wachsenden Einfluss Chinas auf dem afrikanischen Kontinent entgegentreten will, muss ihre Afrika-Politik auf jeden Fall flexibler werden.
Viel Veränderung zeichnet sich auch in der Mobilität ab. E-Autos boomen. In naher Zukunft wird eine große Menge ausgedienter E-Auto-Akkus anfallen, die als Rohstoff für neue Batterien dienen sollen. China liegt hier weit vorne. Chinesische Recycling-Unternehmen sind schon gut im Geschäft, während sich der Markt in Europa nur langsam entwickelt, berichtet Leonie Düngefeld. Investitionen in Recycling-Anlagen lohnen sich schließlich erst, wenn genug Material zum Recycling vorhanden ist. Hier kann China seine Vorteile als Früheinsteiger in die Elektromobilität ausspielen.
Ein großes Versprechen haben sie sich abgerungen, mal wieder. Die G7-Staaten wollen mit 600 Milliarden US-Dollar die Infrastruktur in Entwicklungsländern ausbauen. Das haben sie jüngst bei ihrem Treffen auf Schloss Elmau bekannt gegeben.
Ganz vorne mit dabei bei diesem Vorhaben ist die EU. Sie will die Hälfte des zugesagten Geldes aufbringen, 100 Milliarden Dollar mehr noch als die USA. Und das ist nicht das einzige Versprechen, das Brüssel ärmeren Ländern – insbesondere in Afrika – zuletzt gegeben hat. “Gemeinsam können wir eine wohlhabendere, friedlichere und nachhaltigere Zukunft für alle aufbauen”, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in ihren Reden mehrfach. Im Februar kündigte sie Investitionen in Höhe von 150 Milliarden Euro beim EU-Afrika-Gipfel an. Bei der europäischen Global Gateway-Initiative liegt ebenfalls ein starker Fokus auf Afrika, zum Beispiel mit einem neuen Unterseekabel zwischen den Kontinenten.
Ziel dieser Bemühungen ist es, Chinas wachsendem Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent etwas entgegenzusetzen. Dabei stützt sich der Westen auf ein einfaches Narrativ: Die EU sei grundsätzlich der bessere Partner für Afrika, betonen europäische PolitikerInnen und Institutionen immer wieder. Anders als China baue man Infrastruktur von guter Qualität, man treibe Staaten nicht in die Schuldenfalle und man arbeite vor Ort eng mit der lokalen Bevölkerung zusammen. “Es ist an uns, der Welt einen positiven, kräftigen Investitionsimpuls zu geben”, sagte von der Leyen beim G7-Treffen. “So zeigen wir unseren Partnern in den Entwicklungsländern, dass sie eine Wahl haben.” Dass diese Wahl nicht automatisch pro EU ausfällt, wird im Westen allerdings häufig übersehen.
Anders als in Europa dargestellt, wird China nämlich nicht als schlechter Partner in Afrika wahrgenommen – im Gegenteil. Eine aktuelle Studie im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung zeigt: Bei Infrastrukturprojekten und beim Rohstoffhandel mit Afrika hat China Europa abgehängt. Ein Großteil von 1.600 befragten Entscheiderinnen und Entscheidern auf dem Kontinent lobt Chinas schnelle Entscheidungen, die rasche Umsetzung von Projekten und die Nicht-Einmischung Pekings in innenpolitische Angelegenheiten. Dem Glauben Europas an die Überlegenheit der eigenen Werte stehe der nüchterne Blick der Afrikaner auf die chinesischen Leistungen gegenüber, sagt Stefan Schott, Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Ostafrika. “Einfach gesagt: Eine Straße, die nach kurzer Bauzeit durch die Chinesen fertiggestellt wird, ist in der Wahrnehmung der Afrikaner auch ein Wert – und konkreter als manch europäisches Projekt zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten oder Nachhaltigkeit.”
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine aktuelle Studie der südafrikanischen Ichikowitz Family Foundation. Darin heißt es, China werde von jungen Afrikanerinnen und Afrikanern mittlerweile als die Großmacht mit dem positivsten Einfluss in Afrika wahrgenommen – erstmalig liegt die Volksrepublik damit vor den USA und Europa. 76 Prozent von 4.500 befragten Jugendlichen in 15 Ländern finden es gut, dass China ihnen neue Straßen, moderne Smartphones und neue Jobchancen bringt. “Es steht außer Frage, dass China heute der dominierende Akteur in Afrika ist”, sagte Ivor Ichikowitz, südafrikanischer Unternehmer und Gründer der Familienstiftung. “Insgesamt sehen wir eine viel positivere Einstellung zu China, was zu einem noch stärkeren Engagement mit China führen wird.”
China habe in Afrika einen Newcomer-Bonus, erklärt Tom Bayes die Ergebnisse der Studie. Bayes ist unabhängiger Afrika-China-Forscher und hat kürzlich für die Konrad-Adenauer-Stiftung untersucht, mit welchen Narrativen China seinen Einfluss in Afrika ausbaut. Peking werde in Afrika von vielen als Vorbild und Entwicklungspartner wahrgenommen, sagt er. “Wenn China neue Vorhaben ankündigt, dann bekommt das viel Aufmerksamkeit – auch wenn Europa und die USA seit Jahren Ähnliches in größerem Umfang machen.” Afrika sei für Peking ein guter Absatzmarkt für die einheimische Überproduktion, zum Beispiel bei Industriegütern, glaubt Bayes. “Aber China schafft es viel besser als die EU, afrikanischen Ländern die eigenen Interessen als gleichberechtigte Partnerschaft zu verkaufen.”
Das hat unter anderem historische Gründe. Während der Westen noch immer mit seinem kolonialen Erbe belastet ist, war die Zusammenarbeit mit China von Anfang an eher positiv besetzt. Schon in den 70er-Jahren habe China auf dem Kontinent investiert und zum Beispiel die Eisenbahnstrecke zwischen Tansania und Sambia ausgebaut, schreibt die tansanische Zeitung The Citizen. Tansania und Sambia hätten damals vergeblich versucht, westliche Unterstützung für den Bau zu bekommen. Dann kamen die Chinesen und wurden vom Sambias damaligem Präsidenten Kenneth Kaunda “als Freunde und Kameraden in einem gemeinsamen Kampf” empfangen, ein Narrativ, das China bis heute aufrechterhält.
Dazu kommt, dass China schnell lernt. Die Qualität chinesischer Bauprojekte sei noch vor zehn Jahren ein Problem gewesen, sagt Bayes. Inzwischen sei das nicht mehr der Fall. Und auch den Vorwurf, China bringe zu viele eigene Arbeitskräfte nach Afrika versucht Peking zu entschärfen. “Zum Beispiel baut China in jüngster Zeit verstärkt Bildungszentren in Afrika und holt afrikanische Studierende mit Stipendien nach China.”
Zur gleichen Einschätzung kommt auch Cobus van Staden, außenpolitischer Experte am South African Institute of International Affairs und Co-Host des renommierten “China in Africa Podcast”. Er bestätigt, dass mangelnde Qualität bei chinesischen Bauprojekten kaum noch ein Thema sei. Vielmehr habe China für neue Standards gesorgt, was die schnelle Umsetzung von Projekten angehe. Auch den westlichen Blick auf die Schulden afrikanischer Länder bei China hält der Experte für übertrieben. “Es stimmt, dass das in einzelnen Ländern ein Problem ist, zum Beispiel in Sambia oder Angola”, sagt er. “Aber es ist nicht die einzige Quelle für Schuldenprobleme auf dem Kontinent.” Auch manche Schulden bei westlichen Geldgebern sorgten für Ärger.
China hebt seine Beziehungen zu Afrika derzeit außerdem auf eine neue Stufe. Das wurde beim Forum on China-Africa Cooperation (China.Table berichtete) im November deutlich, einem wichtigen Gipfeltreffen, das seit der Jahrtausendwende alle drei Jahre stattfindet. “Wir werden künftig etwas weniger große Infrastrukturprojekte und dafür eine stärkere politische und technologische Zusammenarbeit zwischen China und Afrika sehen”, sagt Außenpolitikexperte Cobus van Staden. Das bedeute: Die Staaten werden stärker versuchen, eine gemeinsame Position in internationalen Organisationen wie der UN zu finden. Und sie werden ihre Zusammenarbeit in den Bereichen Internetausbau, Satellitennavigation und Digitalisierung verstärken.
Direkten Wettbewerb zwischen China und der EU könnte es künftig auch beim Ausbau grüner Technologien in Afrika geben. “China hat in den vergangenen Jahren viel Know-how in der Solar- und Windenergie aufgebaut und ein großes Interesse daran, dieses zu exportieren”, sagt Afrika-China-Experte Tom Bayes. Gleichzeitig bemüht sich die EU, sich als Afrikas Partner beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu positionieren.
Die EU sollte bei diesen Bemühungen noch stärker auf die Wirkung großer Gesten achten, rät Bayes. Die lange Weigerung der EU, Covid-Impfstoffpatente freizugeben, sei in Afrika zum Beispiel sehr negativ angekommen. Die Global Gateway-Initiative sei dagegen ein guter Schritt für mehr Zusammenarbeit. Noch warte Afrika allerdings auf konkrete Pläne, sagt Außenpolitikexperte Cobus van Staden.
Dabei muss die EU gut zuhören, was afrikanische Länder wollen – und nicht die eigenen hohen Standards nutzen, um bestimmte Länder und Projekte per se auszuschließen. Zum Spielball zwischen China und Europa zu werden, sei zum Beispiel nicht im afrikanischen Interesse, betont van Staden. “In Afrika gibt es viel Entwicklungsbedarf. Wir brauchen alle Partner.” Katja Scherer
Nun steht es fest: Ab 2035 werden in der EU keine Verbrenner-Autos mehr auf den Markt kommen, stattdessen übernehmen Elektrofahrzeuge die europäischen Straßen. Die Mobilität hängt dann an Lithium-Ionen-Batterien – und an deren Wiederverwertung, denn die EU will eine Kreislaufwirtschaft erreichen und muss mit Rohstoffengpässen jonglieren.
Das Recycling dieser Batterien ist dabei alternativlos. Seit 2006 ist es in der Europäischen Union verboten, Batterien auf Deponien zu entsorgen. Außerdem ist es strategisch relevant geworden: durch den Green Deal, das Ziel einer Kreislaufwirtschaft und den Wettlauf, sich von Rohstoffimporten unabhängiger zu machen.
Möglicherweise lässt sich hier etwas von den Ländern Ostasiens lernen. Im globalen Vergleich liegt China weit vorn: Mit 188.000 Tonnen pro Jahr können dortige Unternehmen doppelt so viele Lithium-Ionen-Batterien recyceln wie Firmen in Europa und haben mehr als dreimal so viele Kapazitäten wie die USA, berechneten Forscher Anfang dieses Jahres. Sie beriefen sich auf Zahlen von Ende 2021.
In Ländern wie China und Südkorea sei schon sehr viel früher Recyclingmaterial angefallen als in Europa oder den USA, erklärt Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut. Da es dort schon früher einen Markt und größere Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen gab, wurde auch die Recyclingindustrie schneller hochgefahren. Firmen konnten dort gewissermaßen bereits mit Produktionsschrott und Mangelware Recyclingverfahren erproben und optimieren.
Zudem haben die Regierungen seit 2012 den Aufbau des Recyclingsektors für Lithium-Ionen-Batterien nach vorne gebracht. 2018 wurden Hersteller in China zur Zusammenarbeit mit Recyclingunternehmen verpflichtet. Allerdings landen dort viele Batterien noch immer auf der Müllhalde oder bei Unternehmen, welche die Akkus illegal mit veralteten und umweltbelastenden Verfahren recyceln (China.Table berichtete).
Deutschland steht nun seinerseits unter Druck, seine Kapazitäten sehr schnell hochzufahren. Das Öko-Institut hat berechnet, dass in Deutschland ab 2035 pro Jahr etwa 1,2 Millionen Tonnen Lithium-Ionen-Batterien auf den Markt kommen und recycelt werden müssen. Hinzu kommen Akkus aus LKW und Bussen. Angesichts der Größe dieser Batterien – die eines Tesla Model 3 Long Range enthält 4416 Zellen und wiegt 480 Kilogramm – geht es um unglaubliche Mengen an Abfällen.
Der europäische Recyclingmarkt für Lithium-Ionen-Batterien wird, zeitversetzt mit dem Wachstum der Elektromobilität, in den kommenden zwanzig Jahren stark wachsen, sagt Buchert. Er rechnet damit, dass er spätestens Mitte der 2020er-Jahre anziehen wird. Dann wird auch hier in großem Stil Produktionsschrott anfallen – aus den Gigafactories, die nun in Europa den Betrieb aufnehmen. “Nach 2030 wird das noch ganz andere Dimensionen annehmen”, sagt Buchert.
In der Industrie geht man davon aus, dass es eine Arbeitsteilung in Europa geben wird, sagt er: “Wahrscheinlich wird eine größere Anzahl an Unternehmen mit kleineren Kapazitäten die ersten, mechanischen Schritte des Verfahrens übernehmen und etwa ein halbes Dutzend größere Unternehmen das Endrefining.”
Die größte zurzeit aktive Anlage in Europa betreibt die Firma SungEel HiTech im ungarischen Bátonyterenye. Es handelt sich um die Tochter eines südkoreanischen Unternehmens. Dort können 50.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien pro Jahr recycelt werden. Deutschland hat laut der Studie von Anfang 2022 europaweit die höchsten Recyclingkapazitäten: Recycelt werden können hier 54.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien. Auf 10.000 Tonnen davon kommt die Firma Redux mit ihrer Anlage in Bremerhaven.
In den kommenden Jahren werden in Europa etliche Anlagen mit Kapazitäten von mehreren Zehntausend Tonnen im Jahr hinzukommen, etwa in Spanien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Polen und den skandinavischen Ländern. Northvolt plant, ab 2030 im schwedischen Skellefteå jährlich 125.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien zu recyceln. Das größte Projekt plant derzeit der belgische Konzern Umicore: Er wird seine Recyclingkapazitäten auf 150.000 Tonnen pro Jahr erhöhen, sagte dessen Leiter für Government Affairs EU, Jan Tytgat, in der vergangenen Woche in Berlin.
Torsten Brandenburg, Referent im Bundeswirtschaftsministerium, sieht die Herausforderung für den europäischen Markt in den fehlenden Investitionen. “Wir müssen den Kreislauf der Wertschöpfungskette in Europa schließen, um gegenüber Asien aufzuholen“, sagte er bei einer Diskussion der EIT Raw Materials.
Deutschland und China stehen dabei grundsätzlich vor denselben Hürden, die mit Hilfe staatlicher Regulierungen zu überwinden sind. “Wie auf jedem jungen Markt ist die Herausforderung im Recycling, dass Unternehmen zunächst mehrere Millionen Euro in die Anlagen investieren müssen”, sagt Matthias Buchert. Zurzeit lohnt sich dies noch nicht wirklich: Die Akkus von E-Autos haben eine Nutzungsdauer von durchschnittlich zehn Jahren, es wird also dauern, bis Recycler überhaupt größere Mengen an Material bekommen. Buchert spricht von dem “Henne-Ei-Problem”: Je größer eine Recycling-Anlage, desto wirtschaftlicher kann sie arbeiten – jedoch nur, wenn sie ausgelastet ist.
Das Problem in Deutschland liegt laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) derzeit auch in der gesetzlichen Sammelquote, die nicht eingehalten wird. Laut Batteriegesetz müssen 50 Prozent der Alt-Gerätebatterien gesammelt werden, was die EU-Mindestvorgabe von 45 Prozent übertrifft. Laut DUH lag die Zahl der Lithium-Ionen-Akkus bei nur etwa 32 Prozent. Hersteller müssen die auf den Markt gebrachten Batteriemengen angeben und die Batterien zurücknehmen, über ein eigenes oder eines von sechs etablierten Rücknahmesystemen. Die DUH fordert deshalb einen Kostenausgleich für Sammelsysteme, ambitionierte Sammelquoten sowie ein Pfandsystem für Lithium-Ionen-Akkus.
Ab wann das Batterie-Recycling wirklich kostendeckend sein wird, wird auch von den Rohstoffpreisen beeinflusst. Mineralien wie Lithium sind zurzeit sehr teuer, zudem wird in aktuellen Studien vor Engpässen aufgrund der hohen Nachfrage gewarnt. Bleiben die Preise auf einem derart hohen Niveau und werden die Verfahren und die Logistik schnell optimiert, könne das Recycling schon sehr bald profitabel werden, so Buchert.
Ein wichtiges Signal an Investoren kommt bald aus Brüssel: Die EU wird eine neue Batterie-Verordnung verabschieden. Diese befindet sich zurzeit in den Trilog-Verhandlungen. Die neuen Vorgaben sehen unter anderem vor, dass Autohersteller für das Recycling von Altbatterien aus ihren Elektrofahrzeugen verantwortlich sind, dass neue Lithium-Ionen-Batterien einen bestimmten Anteil an recyceltem Material enthalten und neue Batterien leichter recycelbar sein müssen. Die Mindestsammelquoten sollen bis 2030 auf 85 Prozent erhöht und Batterien mit einem digitalen Herkunftspass versehen werden. Der Vorschlag wird von verschiedenen Seiten als Meilenstein gelobt, da er den gesamten Lebenszyklus von Batterien reguliert.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Der chinesische Autobauer BYD hat Tesla als größten E-Auto-Bauer überholt. Laut Unternehmensangaben hat das Unternehmen aus Shenzhen im 1. Halbjahr des laufenden Jahres 641.000 Autos verkauft. Tesla hat im gleichen Zeitraum 564.000 Einheiten abgesetzt.
Tesla hat ein schwieriges zweites Quartal hinter sich. Das Unternehmen führt die schlechteren Zahlen auf Störungen in der Lieferkette und beim Vertrieb in China zurück. BYD war von diesen Problemen nicht ganz so stark betroffen wie seine Wettbewerber, da die BYD-Fabriken in Regionen liegen, die nicht so sehr von Lockdowns betroffen waren wie die Regionen, in denen Tesla, XPeng, Nio und andere produzieren. BYD verkauft auch viele Plug-In-Hybride, die in die Kategorie der E-Autos fallen. Tesla produziert hingegen ausschließlich batteriebetriebene E-Autos.
BYD feiert auch in anderen Bereichen Erfolge. Das Unternehmen hat den südkoreanischen Wettbewerber LG bei der Fertigung von E-Auto-Batterien überholt. Hinter dem ebenfalls chinesischen CATL liegt BYD jetzt auf Rang zwei der größten Batterie-Hersteller für E-Autos. Analysten erwarten, dass BYD und andere chinesische Hersteller ihre Bemühungen verstärken werden, in westliche Märkte vorzudringen. nib
China will Insidern zufolge mit einem milliardenschweren staatlichen Fonds die Investitionen in die Infrastruktur ankurbeln und der schwächelnden Konjunktur auf die Beine helfen. Der Topf solle mit 500 Milliarden Yuan (gut 70 Milliarden Euro) gefüllt werden, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Fonds solle noch im laufenden Sommerquartal eingerichtet werden.
Die chinesische Wirtschaft erholt sich derzeit nur langsam von den Engpässen, die durch die umfangreichen Corona-Lockdowns in Metropolen wie Shanghai verursacht wurden. Zudem schwächelt der lange Zeit boomende Immobilienmarkt, während die Verbraucher beim Konsum knausern. Außerdem geht die Angst vor wiederkehrenden Infektionswellen um.
Die Regierung versucht bereits mit anderen Maßnahmen gegenzusteuern. Die Zentralbank etwa macht Kredite billiger. Die Behörden verdoppeln zudem ihre Infrastruktur-Maßnahmen und greifen auf ein altes Instrument zur Ankurbelung der Wirtschaft zurück, indem sie 800 Milliarden Yuan (115 Milliarden Euro) an neuen Darlehen zur Finanzierung von Großprojekten zusagten. rtr/nib
Chinas Behörden warnen vor Hitzewellen im Norden des Landes. In den kommenden beiden Wochen werden im Norden des Landes an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen von über 40 Grad erwartet. 250 Millionen Menschen in den Regionen Xinjiang, Innere Mongolei und Ningxia sowie den Provinzen Hebei, Henan, Gansu und Shaanxi könnten davon betroffen sein, so Fang Xiang, stellvertretender Leiter des Nationalen Meteorologischen Zentrums (NMC).
Der Juni war laut Behördenangaben der heißeste Juni seit 1961. Im vergangenen Monat waren demnach mehr als die Hälfte der chinesischen Bevölkerung von Hitzewellen betroffen. “Die anhaltend hohen Temperaturen werden sich deutlich auf die Produktion und das Leben der Menschen auswirken, zum Beispiel durch einen erhöhten Druck auf die Stromversorgung“, sagte Fang. Die Gefahr von Waldbränden steigt und die Produktion von Reis, Baumwolle und Mais könnte negativ betroffen werden, so der Meteorologe. Die Volksrepublik ist nicht das einzige Land, das mit Hitzewellen zu kämpfen hat. In großen Teilen der Nordhalbkugel herrschte in den letzten Wochen extreme Hitze.
China versucht sich besser an die Folgen des Klimawandels anzupassen und hat kürzlich eine Strategie dafür vorgelegt. Mit kurzfristigen Erfolgen ist jedoch nicht zu rechnen, da die Anpassung ein zeit- und kostenintensives Unterfangen ist (China.Table berichtete). nib
Das Ereignis war ebenso gefürchtet wie vorhersehbar: Die Coronavirus-Untervariante BA.5, die in Deutschland derzeit die Sommerwelle antreibt, verbreitet sich jetzt auch in China. In der Provinzhauptstadt Xi’an dominiere BA.5 bereits das Infektionsgeschehen, berichtet die Gesundheitsbehörde von Shaanxi. Die Zahlen sind jedoch weiterhin sehr überschaubar. Xi’an konnte sieben Fälle identifizieren. Die Ausbrüche in Shanghai und Peking gingen auf die Variante BA.2 zurück. “Die Omikron-Subvariante BA.5 ist noch ansteckender”, warnt Infektiologe Zhang Yi von der Gesundheitsbehörde. fin
Der ehemalige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat sein Unternehmen an einen chinesischen Investor verkauft. Die Westron Group aus Peking übernimmt 88,9 Prozent der Anteile an den Allgaier Werken. Der neue Eigentümer will den Betrieb weitgehend unverändert weiterführen. Westron ist ein Investor mit Fokus auf Unternehmen aus den Bereichen Auto, Technologie und Robotik. Allgaier passt daher gut ins Portfolio, es ist Autozulieferer und Industrie-Ausrüster.
Zur Westron-Gruppe gehört auch die Investitionsgesellschaft FountainVest mit Sitz in Hongkong, der BMTS Technology gehört, das bis zur Übernahme 2018 als Bosch Mahle Turbo Systems bekannt war. Hundt war von 1996 bis 2013 Präsident der Arbeitgeberverbände. Er ist noch Aufsichtsratsvorsitzender von Allgaier. fin
In China, wo Subkulturen kritisch beäugt, zensiert und mitunter sanktioniert werden, hat sich Heavy Metal – chinesisch Zhòngjīnshǔ 重金属 – seit Beginn der 90er-Jahre als solide Nische etabliert. Die Szene ist hier selten politisch oder sozialkritisch. Dafür ist Lokalkolorit ein wichtiger Selling-Point. Viele Bands thematisieren stolz die eigene Geschichte. Der Einsatz traditioneller Instrumente wie der Kniegeige ist, ebenso wie eine landestypische Ästhetik, bei vielen Gruppen Standard. Die Mischung aus harter Rockmusik und chinesischen Elementen ist dabei nicht immer leicht verdaulich. Manche Bands gehen in kitschigen Hanfu-Kostümen auf die Bühne, andere haben sich auf patriotische Reizthemen wie das Nanjing-Massaker spezialisiert.
Eine Band, die die Gratwanderung zwischen Tradition und Heavy-Metal-Ästhetik perfektioniert hat, ist die 1998 in Jinan gegründete Gruppe Zuriaake oder chinesisch Zàngshīhú 葬尸湖 – “See der vergrabenen Leichen”. Bis heute ist nicht bekannt, wer hinter der Formation steckt. Die Mitglieder zeigen weder ihre Gesichter noch verwenden sie Klarnamen. Zuriaake spielen Black Metal, die extremste Form des Heavy Metal. Der Sänger der Band firmiert unter dem Künstlernamen Bloodfire. Er erklärte in einem seiner seltenen Interviews, dass Zuriaake gegründet wurden, um der “Wüste der modernen Kultur” zu entkommen.
Ihr Debütalbum “Afterimage Of Autumn”, das 2007 erschien, gilt als einer der Klassiker des chinesischen Heavy Metal. Die atmosphärischen Keyboardpassagen rufen dort nicht die dunklen, schneebedeckten Wälder Norwegens in Erinnerung – den Geburtsort des Genres – sondern die verwunschenen Klüfte des Taishan, einem der fünf heiligen Berge des Daoismus. Die Bambusflöte erzählt von weltabgewandter Einsamkeit und gesellschaftlicher Entfremdung – die selbstgewählte Gegenkultur der Eremiten hat in China eine jahrtausendealte Tradition. “Als Träger einer Philosophie ist Black Metal eine Musik der Einsamkeit”, erklärt Bloodfire in dem Interview.
Die Album-Cover von Zuriaake zeigen verfallene Pagoden, aber auch traditionelle Tuschemalerei, die sich hier ganz selbstverständlich in “Chinese Gothic” verwandelt: die Leerstellen der Shanshui-Bilder wirken nebelverhangen, die gewundenen, hingetupften Äste windgepeitscht und ruhelos. Es ist eine Dunkelheit, die immer schon da war, in der kunstgeschichtlichen Rezeption Chinas jedoch hinter der naturverbundenen Erhabenheit des mönchischen Lebens zurückgetreten ist.
In ihren Texten beziehen sich Zuriaake auf den Dichter Qu Yuan, der 340 vor Christus im turbulenten Zeitalter der “Streitenden Reiche” geboren wurde, und sich im Jahr 278 in einer Vollmondnacht ertränkt haben soll. In ihrem Kompositionsprozess stünde das Wort an erster Stelle, erklärt Bloodfire. “China ist ein Land, das seine Schriftsprache zutiefst verehrt. Wir glauben, dass unsere Vorfahren die schönsten und bedeutungsvollsten Gedichte der Welt geschaffen haben. Chinesische Schriftzeichen haben ihre eigene Seele. Wir gravieren diese Worte in jeden einzelnen Song und vermischen sie mit den Tropfen unseres Blutes.”
Die künstlerische Vision von Zuriaake offenbart sich jedoch am deutlichsten auf ihren Konzerten. Ihre Bühnenoutfits sind grobe, zerrissenen Gewänder aus Leinen und rabenschwarz gefärbte Reisbauernhüte, die ihre Gesichter permanent in Schatten hüllen. “Unsere Kostüme basieren auf dem alten Gedicht “Jiang Xue”, erklärt Bloodfire. Darin heißt es: “ein alter Mann in Strohumhang und Hut, der allein im Schnee in einem Boot sitzt und im eiskalten, schneebedeckten Fluss fischt” (孤江蓑笠翁,独钓寒江雪).
Zuriaake-Shows sind theatralisch wie eine Begräbnisfeier in der chinesischen Provinz und durchdrungen von dem Bewusstsein, dass das Jenseits in jedem Moment das Diesseits durchwirkt. “Obwohl ich Rock höre, obwohl ich nach Freiheit strebe, obwohl ich im Ausland war und einer fremden Kultur ausgesetzt war, kann ich diese Elemente nicht aus meinen Knochen schrubben”, sagt Bloodfire. “Die Schreie, die aus meinem Mund kommen, werden unweigerlich chinesisch sein.” Fabian Peltsch
Tobias Czapka ist bei VW in die Position des Managers für System Engineering BEV-Powertrain China gewechselt. Der Doktor der Ingenieurwissenschaften war bis Juni Lead Technical Project Manager Gasoline Engines bei VW. Auch hier war Czapka bereits für China und die Eastern Regions zuständig.
Chunwei Yin ist seit Juni Facility Manager Data Center für die Deutschland-Tochter von China Mobile International. Der Tätigkeitsort des in Shanghai und Mannheim ausgebildeten Diplom-Ingenieurs ist Mörfelden-Walldorf in Hessen.
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Stairway to heaven? Wolken über der Chinesischen Mauer erwecken den Eindruck, man könne über die Festungsanlage direkt in den Himmel steigen.