China macht seit Jahren die westlichen Demokratien madig und versucht auch hierzulande, den Keim des Zweifels an unserem politischen System zu säen. Mehr noch etikettiert sich die Volksrepublik selbst als Vertreterin der wahren Demokratie. Über alle Kanäle posaunt sie ihre vermeintliche Paraderolle in die Welt. Verstärkt auf dem Balkan, wo chinesische Investoren zunehmend lokale Medien übernehmen und den Ton der Berichterstattung ins Absurde drehen.
Und so albern und dreist Chinas Anspruch klingen mag, so wenig spiegelt er sich auch in der Realität wider. Der Fall des Anwalts Yu Wensheng, den wir heute im Porträt vorstellen, ist ein Paradebeispiel dafür, wie weit die Volksrepublik in Wahrheit von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entfernt ist.
Apropos Entfernung. Die Säule der Schande stand bis vor wenigen Monaten noch auf dem Campus der Hongkong Universität. Sie erinnerte dort an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989. Das “demokratische” China konnte ihre unmittelbare Nähe jedoch nicht ertragen und ließ sie abbauen. Jetzt steht sie in Budapest. Dass eine Erinnerungskultur ein wichtiger Bestandteil einer freien Gesellschaft ist, müssen Pekings “Demokraten” erst noch lernen.
Das deutsche Konsulat in Hongkong sieht den anstehenden Corona-Massentests in der Metropole mit großer Sorge entgegen. Generalkonsulin Stefanie Seedig wandte sich am Dienstag in einem dreiseitigen Schreiben, das China.Table vorliegt, an alle deutschen Bürger:innen in der Stadt. “Liebe Landsleute, es stehen uns harte Wochen in Hongkong bevor. Unklare Massentests, Quarantäneeinrichtungen, die an Lager erinnern, Maskenpflicht beim Joggen, die Ausreise von Freunden, abgesperrte Spielplätze. […] Wir werden alle viel Disziplin und Geduld brauchen”, schrieb Seedig.
Das Konsulat fürchtet vor allem “eine Trennung von minderjährigen Kindern von ihren Eltern in Quarantäne oder Isolation.” Die Bundesregierung habe diese Sorge in Gesprächen mit der Regierung in Peking vor wenigen Tagen zum Ausdruck gebracht, heißt es. Anlass sind die angekündigten Massentests (China.Table berichtete), die wegen der drastisch steigenden Infektionszahlen in Kürze beginnen sollen.
In den vergangenen beiden Tagen waren zusammen fast 70.000 Neuinfektionen in der Stadt registriert worden, nachdem Hongkong zuvor mehr als zwei Jahre kaum von der Pandemie betroffen war. Alle Bewohner:innen der Stadt sollen deshalb innerhalb weniger Wochen dreimal getestet werden. Bislang ist die genaue Handhabe unklar, wenn Kinder positiv, deren Eltern aber negativ getestet werden. Die Krankenhäuser sollen im Einzelfall entscheiden.
Um die Wirksamkeit der Testkampagne zu erhöhen, steht ein möglicher Lockdown der Stadt von neun Tagen Länge zur Diskussion. Zurzeit gelten lediglich strenge Abstandsregelungen und starke Einschränkungen für den Bewegungsradius von Ungeimpften. Allerdings dürfen die Menschen weiterhin regulär zur Arbeit gehen. Auch die Börse ist weiterhin geöffnet. Internationale Schulen befinden sich im Distanzunterricht.
Laut Statista lebten im Jahr 2020 in Hongkong rund 2.000 Bundesbürger unter den knapp 7,5 Millionen Einwohnern. Eine der Deutschen, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Hongkonger Universität, die anonym bleiben möchte, kritisiert die Politik der Behörden. “Nach zwei Jahren erfolgreicher Pandemiebekämpfung sieht sich die Hongkonger Regierung vor vielen selbstverschuldeten Herausforderungen. Die Bevölkerung wurde zu lange in Sicherheit gewogen und die Impfbereitschaft, besonders von Älteren war zu gering. Nun steht das Gesundheitswesen vor dem Kollaps”, sagt sie gegenüber China.Table. Es herrscht allgemein großes Misstrauen gegenüber den Behörden, die seit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes politischen Dissens sogar auf kleinster Ebene hart bestrafen.
“Wir kommen nicht nach Festlandchina und nicht in irgendein anderes Ausland, ohne wochenlange, zermürbende und teure Hotelquarantäne. Viele Menschen konnten ihre Familien seit zwei Jahren nicht sehen, auch nicht ihre Familien auf dem Festland. Daher kommt es besonders in den letzten Wochen verstärkt zu langfristigen Ausreisen“, sagt die Forscherin. Zudem wurden immer wieder Flugverbote ausgesprochen.
Das deutsche Konsulat hat sich deswegen auf eine möglicherweise steigende Zahl deutscher Ausreisewilliger eingestellt. “Uns ist aufgefallen, dass Sie unsere Dienstleistungen jetzt verstärkt brauchen, um ihre Papiere in Ordnung zu bringen und sich für eine eventuelle Ausreise vorzubereiten”, schreibt Seedig. Für den Zeitraum der Massentests sei zudem ein zusätzlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet worden.
Die Zustände seien nicht mehr hinnehmbar, klagten in den vergangenen Tagen eine Reihe von ausländischen Diplomaten. Der EU-Gesandte in Hongkong, Thomas Gnocchi, teilte Regierungschefin Carrie Lam in einem Brief mit, dass im vergangenen Jahr bereits zehn Prozent der Europäer:innen die Stadt verlassen hätten. Vor allem wegen der Unsicherheiten, die die Coronavirus-Maßnahmen ausgelöst haben. In dem Brief hieß es demnach auch, dass zudem bereits einige europäische Unternehmen der Stadt den Rücken gekehrt hätten. Er forderte die Regierung auf, die derzeitigen Schulschließungen und Isolationsanforderungen zu überdenken und die Standards der Weltgesundheitsorganisation zur Isolierung von Covid-19-Patienten zu befolgen.
Aus der Volksrepublik China kommen inzwischen Warnungen, dass das lokale Gesundheitssystem der Stadt bald überlastet sein könnte. Laut einem Vertreter von Chinas Nationaler Gesundheitskommission stünden 9.000 medizinische Mitarbeiter bereit, um bei der Durchführung der Tests in Hongkong zu helfen.
Überlastet sind Krankenhäuser vor allem, weil sich jeder Infizierte in Behandlung begeben muss, egal ob mit oder ohne Symptomen. Wer infiziert ist, soll im Krankenhaus oder in Quarantänezentren isoliert werden. Einfach in der eigenen Wohnung bleiben, ist laut der Regeln in Hongkong nicht möglich. Eilig entstehen nun Containerstädte, in denen die Infizierten untergebracht werden. Die Stadtregierung hatte schon vergangene Woche 20.000 Hotelbetten reserviert, um Infizierte dort in Quarantäne zu isolieren (China.Table berichtete).
Auch der französische Generalkonsul Alexandre Giorgini veröffentlichte vergangene Woche einen Brief an die Staatsangehörigen seines Landes in Hongkong, in dem er schrieb, dass die Regierung trotz großer Expat-Gemeinschaften vor Ort das Konsulat nicht zu den neuen Maßnahmen konsultiert habe. “Die angekündigten Maßnahmen wirken sich tiefgreifend auf das Leben aller aus, mit einem zu zahlenden Preis, der seit zwei Jahren nicht aufgehört hat zu steigen”, schrieb er weiter. Giorgini sagte, dass sich das Konsulat zwar für die Verteidigung der Interessen französischer Staatsangehöriger einsetzt, die Situation in Hongkong jedoch für mehrere Monate kritisch bleiben würde.
Der niederländische Generalkonsul Arjen van den Berg richtete sich ebenfalls an die Hongkonger Regierung und warnte, dass eine Reihe niederländischer Einwohner erwägen, die Stadt zu verlassen, da ihre Arbeitgeber beschlossen hätten, umzuziehen. Es sei enttäuschend, dass in Hongkong “alles weiter eingesperrt ist, ohne unmittelbare Aussicht auf eine Wiedereröffnung”. Die kanadische Generalkonsulin Rachael Bedlington teilte derweil mit, dass die neuen Maßnahmen der Regierung “die Angst” vieler Kanadier in Hongkong verschärft hätten.
Die Welle der diplomatischen Entrüstung dürfte Regierungschefin Carrie Lam zwar zur Kenntnis genommen haben. Jedoch sehen Beobachter keine Chance, dass Hongkong von seinen strikten Maßnahmen abrücken wird. Denn dort müssen die Behörden inzwischen den Vorgaben Pekings folgen. Es heißt, Präsident Xi Jinping habe wegen der explodierenden Fallzahlen in Hongkong bereits die Geduld verloren. Nun strömen täglich mehr chinesische Experten und Helfer der Zentralregierung nach Hongkong und ins benachbarte Shenzhen, um wieder “Ordnung” herzustellen. Fabian Peltsch/Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Die “Pillar of Shame” des dänischen Bildhauers Jens Galschiøt hat eine neue Heimat gefunden. Die drei Meter hohe Skulptur wurde am Mittwoch zwischen der “Free Hong Kong Road” und der “Uyghur Martyrs Road” in Budapest aufgestellt.
Um den Ort für die Statue tobt seit Wochen ein politischer Kampf: Zunächst hatte Ungarns Präsident Victor Orbán angekündigt, an dieser Stelle eine von China unterstützte Universität zu errichten. Daraufhin kam es zu Protesten. Anschließend beschloss die Stadtverwaltung von Budapest, die Straßen um den geplanten Standort umzubenennen. Sollte die Universität also tatsächlich gebaut werden, würde sie zwischen den Straßen “Free Hong Kong Road” und “Uyghur Martyrs Road” und dem “Dalai Lama Square” liegen. Und seit dem gestrigen Mittwoch in Sichtweite der “Säule der Schande”.
Inzwischen wurden außerdem mehr als 200.000 Unterschriften gesammelt, um ein Referendum über den Bau zu erreichen (China.Table berichtete). Das umstrittene Projekt mit der Fudan-Universität in Shanghai machte die Beziehungen zwischen China und Ungarn zuletzt auch zum Wahlkampfthema (China.Table berichtete).
Die drei Meter hohe Skulptur von Galschiøt erinnert an eines der dunkelsten Kapitel der chinesischen Geschichte: die blutige Niederschlagung der Proteste im Juni 1989. Gut 24 Jahre stand sie auf dem Gelände der Universität Hongkong. Dort musste die “Säule der Schande” im Januar verschwinden (China.Table berichtete). Das wurde damit begründet, dass die Existenz der Skulptur gegen das nationale Sicherheitsgesetz verstoße. Das im Juli 2020 in Kraft getretene Gesetz erlaubt es den Behörden, gegen alle Aktivitäten vorzugehen, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen.
In Budapest wird die Statue aus Hongkong gleichen Text auf dem Sockel tragen wie ihre Pendants in Mexiko und Brasilien: “The old can not kill the young forever”. Laut Jens Galschiøt sollen die Worte nicht nur daran erinnern, was auf chinesischen Befehl hin in Hongkong mit der Statue geschah. Auch Russlands Krieg in der Ukraine verleihe seiner Arbeit wieder traurige Aktualität. Putin stehe für die Vergangenheit, hofft Galschiøt. rad
Während die Nachrichten über Angriffe auf die Ukraine in Europa seit Donnerstagmorgen die Schlagzeilen beherrschten, waren Chinas Staatsmedien zunächst noch zögerlich in der Berichterstattung. Zum Donnerstagabend hin aber gehörte der Konflikt neben anderen Themen dann auch zu den Aufmachern beim Auslandssender CGTN, der Nachrichtenagentur Xinhua und dem Staatsfernsehen CCTV. Allerdings war der Umfang jedoch geringer als in westlichen Medien. Die Staatsmedien gaben vor allem die Aussagen von Außenminister Wang Yi wieder.
Auf den großen Social-Media-Kanälen Weibo, Weixin und Douyin indes war der Krieg in der Ukraine Thema Nummer Eins. Eine Weibo-Themenseite, die den neuesten Entwicklungen in der Ukraine gewidmet ist, verzeichnete innerhalb weniger Stunden mehr als 2,5 Milliarden Aufrufe und 360.000 Kommentare.
Dort trendete sogar ein eigener Begriff, der beschreibt, dass man sich nicht auf die Arbeit konzentrieren kann, weil die Nachrichten aus der Ukraine so beunruhigend sind: wū xīn gōngzuò 乌心工作 – ein Wortspiel aus “Ukraine 乌克兰 Wūkèlán und wúxīn gōngzuò 无心工作: Nicht in der Stimmung sein, zu arbeiten.
In Kommentaren wurden die Ereignisse in Europa auch mit Taiwan und den Diaoyu-Inseln in Verbindung gebracht. Ein besonders drastisches Meme, das auf Weibo geteilt wurde, zeigte ein Schwein mit der Aufschrift “Ukraine” in einem Schlachttrog. Ein weiteres Schwein, über dem “Taiwan” steht, muss dem blutigen Treiben über ein Mäuerchen hinweg zusehen. Das Meme sollte die Botschaft übertragen, dass Taiwan als nächstes seinem Schicksal geweiht ist.
Andere Nutzer betonten, dass Krieg zu nichts führe und plädierten für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Auf WeChat Moments ging der Post eines Studenten mit dem User-Namen Tángyīshuǐ 唐一水 viral. Dieser schrieb: “所有支持战争的都是傻逼” – “Jeder, der Krieg unterstützt, ist ein ‘shabi’”. “Shabi”(傻逼) ist eines der derbsten Schimpfworte der chinesischen Sprache. Der Student schrieb weiter: “Das ist das Jahr 2020, nicht 1914. Wir sollten heute den Preis des Krieges kennen.” Jeder, der jetzt auf dem Sofa sitze, sein Wifi genieße, Früchte esse und den Krieg feiere, sollte sich bewusst sein, dass dieser Wohlstand auf Jahren des Friedens gewachsen sei, so der Autor.
Für Aufsehen vor allem in den westlichen Medien sorgte eine versehentlich veröffentlichte Anweisung an chinesische Medien zur Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt: Horizon News, eine Untergruppe von Beijing News, die der Kommunistischen Partei Chinas gehört, veröffentlichte laut Washington Post bereits am Dienstag “Anweisungen” zur Berichterstattung über die eskalierende Lage in der Ukraine auf ihrer Weibo-Seite. In dem Beitrag erklärte Horizon News, dass Inhalte, die Russland negativ darstellten, nicht veröffentlicht werden sollen. Auch eine pro-westliche Darstellung der Ereignisse sollte demnach vermieden werden. fpe
Das EU-Parlament warnt vor zunehmenden Desinformationskampagnen aus China. Um dem Problem beizukommen, fordert das Parlament ein EU-Sanktionssystem. Vor allem im Westbalkan sei die Desinformation aus Fernost “viel diffiziler” geworden, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Viola von Cramon-Taubadel am Mittwoch. In der Region kauften chinesische Herausgeber Zeitungen oder gründeten eigene Publikationen, womit eine China-kritische Berichterstattung im Westbalkan immer schwieriger werde. Der Sonderausschuss für ausländische Einflussnahme des Europaparlaments (INGE) pocht deshalb nun unter anderem auf die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten.
Die Akteure können davon ausgehen, dass ihre Kampagnen gegen die EU keine Konsequenzen nach sich ziehen werden, merkt der INGE-Ausschuss in seinem ersten Bericht an. Der Grund: Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben “derzeit keine besondere Sanktionsregelung” im Hinblick auf solche Desinformationskampagnen. Über den Bericht wird kommende Woche im Europaparlament debattiert und abgestimmt. Wie entsprechende Sanktionen aussehen könnten, nennt der Bericht nicht. In dem Text wird zudem eine enge Überprüfung der Konfuzius-Institute in Europa gefordert.
Neben den Sanktionsmöglichkeiten wird eine generelle Stärkung der Abwehrfähigkeit gefordert. Entsprechende Taskforces des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) benötigten mehr Kapazität und ein klares Mandat. Dass die EU nicht ausreichend gegen Desinformation aus China ausgestattet ist, ist kein neues Problem (China.Table berichtete). Ein generelles Verbot chinesischer Staatsmedien wie CCTV, China Daily oder Global Times, ähnlich wie derzeit die Abschaltung der russischen Medien RT und Sputnik, lehnt Cramon-Taubadel jedoch ab. Es sei nicht das Ziel, keine Lizenzen mehr zu erteilen, so die Grünen-Politikerin. Die Fälle von Sputnik und RT seinen angesichts des russischen Einmarsches in Ukraine anders zu bewerten. ari
Peking hat wichtige Regierungsbehörden angewiesen, die Energie- und Rohstoffversorgung auch während des russischen Kriegs gegen Ukraine sicherzustellen, wie Bloomberg berichtet. Staatliche Einkäufer sollen demnach mögliche Versorgungslücken bei Rohstoffen wie Öl und Gas, Eisenerz sowie Getreide, die durch den Krieg entstehen könnten, über die internationalen Märkte schließen. Die Ukraine ist ein wichtiger Getreide-Lieferant der Volksrepublik. Die Importe aus der Ukraine machen bei einigen Sorten gut fünf Prozent der chinesischen Produktion aus. Aus Russland bezieht China Öl, Gas und Kohle sowie Industrierohstoffe wie Nickel, Palladium und Aluminium.
Die Sicherstellung der Versorgung hat für China hohe Priorität. Peking ist besorgt über die Auswirkungen, die der Anstieg der weltweiten Rohstoffpreise auf die chinesische Wirtschaft haben wird, gibt Bloomberg Personen wieder, die mit den Vorgängen vertraut sind. Maßnahmen zur Stützung des chinesischen Wachstums könnten durch den kriegsbedingten Anstieg der Rohstoffpreise erschwert werden. Es wird erwartet, dass Peking zum Nationalen Volkskongress am Wochenende weitere Konjunkturmaßnahmen ankündigt.
Chinesische Kraftwerke und Stahlhersteller suchen nach Bloomberg-Informationen derzeit nach Alternativen zu russischer Kohle, nachdem China die Importe aus Russland kurzfristig eingeschränkt hat (China.Table berichtete). Trotz dieser Anweisungen, sich auf dem Weltmarkt nach Alternativen zu russischen Importen umzusehen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking, der chinesisch-russische Handel werde trotz der westlichen Sanktionen gegen Moskau nicht gestört.
Beim Thema Flüssiggas (LNG) verhandeln China, Indien und die EU, um Preissteigerungen für alle Beteiligten zu verhindern. Das geht aus einem neuen Entwurf für die Energie-Kommunikation der Kommission hervor, die nun für den 9. März terminiert ist. nib/ber
Chinas Behörden wollen den Zugang älterer Bürger zur medizinischen Versorgung verbessern. Das geht aus einem jüngst veröffentlichten Fünfjahresplan für die Altenpflege hervor, über den die South China Morning Post berichtet. Der Plan zeige demnach die dringende Notwendigkeit auf, die Gesundheitsdienste für ältere Menschen zu verbessern.
Aufgrund des starken Geburtenrückgangs und geringer Zuwanderung steht China in den kommenden Jahrzehnten vor einer Überalterung der Gesellschaft. Schon heute sind knapp 19 Prozent der Chinesen über 60 Jahre alt – fast 270 Millionen Menschen. Laut der Nationalen Kommission für Gesundheit und Medizin gebe es “immer noch Regionen mit unausgewogener und unzureichender Altenpflege und Altenpflegediensten“, schreibt die SCMP.
Zudem gebe es einen akuten Mangel an häuslichen Pflegediensten für ältere Menschen und Bürger mit Einschränkungen. Mehr als 80 Prozent der älteren Bürger leiden demnach an mindestens einer chronischen Krankheit. Das Ziel des vorherigen Fünfjahresplans zur Erhöhung der Anzahl der Betten in der Altenpflege wurde demnach weit verfehlt. Auch in China müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen teils lange auf einen Pflegeplatz warten.
Neben einem besseren Zugang zur Altenpflege sieht der Fünfjahresplan die Stärkung von Reha-Dienstleistungen vor, die auf der traditionellen chinesischen Medizin beruhen. Zudem will der Staat vermehrt Altenpflege-Einrichtungen errichten und Personal einstellen. Die lokalen Behörden und die Staatsunternehmen sollen zur Verbesserung der Lage beitragen, so die Behörden. nib
Mehr als vier Jahre ist es her, dass Yu Wensheng dauerhaft in Gewahrsam genommen wurde. Am 19. Januar 2018 stoppte ein gutes Dutzend Polizei- und Zivilbeamte den Anwalt, als der seinen Sohn zu Fuß zur Schule begleitete. Danach dauerte es dreieinhalb Jahre, bis Yu seinen Sohn wiedersah – im Gefängnis in Nanjing.
Der 54-Jährige saß dort ein, nachdem ihn das Mittlere Volksgericht Xuzhou der Provinz Jiangsu schuldig gesprochen hatte. Der Vorwurf: Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt. Yu hatte einen Tag vor seiner Festnahme einen offenen Brief verfasst, in dem er Reformen für die chinesische Verfassung vorschlug. Freie Wahlen hatte er darin gefordert und eine Kontrollinstanz für das Handeln der Kommunistischen Partei, die seit 1949 die Volksrepublik China autoritär regiert.
Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Yu war schließlich kein unbeschriebenes Blatt. Er war den Sicherheitsbehörden schon viele Jahre ein Dorn im Auge. 2014 hatte er die Regenschirmproteste in Hongkong unterstützt. Die Bewegung war eine Reaktion auf die damalige Wahlrechtsform der Stadt, die die demokratische Teilhabe der Bürger:innen bei der Bestimmung ihrer politischen Führer drastisch einschränkte. 99 Tage wurde Yu damals für seine Solidarität weggesperrt.
2015 gab es dafür die nächste Quittung. Als die chinesische Regierung mit der sogenannten 709-Razzia in den Wochen nach dem 15. Juli (7/09/15) mehr als 200 Aktivisten und Anwälte in einer konzertierten Aktion festnahm, war auch Yu Wensheng betroffen. Seine Frau Xu Yan erinnert sich an 20 Männer, die Anfang August des gleichen Jahres vor der Wohnungstür standen und sich schließlich mit einer Kettensäge Einlass verschafften, nachdem Yu Wensheng sich geweigert hatte zu öffnen. Yu blieb diesmal nur 24 Stunden in Haft. Danach kümmerte er sich um die Verteidigung der weiterhin Inhaftierten.
Seinen Mut, sich für Veränderungen in seiner Heimat mit dem übermächtigen und notorisch gnadenlosen Gegner anzulegen, verlor er durch die wiederholten Inhaftierungen nicht. Er vertrat gegenüber dem Staat die Rechte von Landsleuten, deren persönlichen Interessen mit denen des Staates kollidierten – Menschenrechtsaktivisten, Bittsteller, Anwaltskollegen. Yu pochte stets auf die festgeschriebenen Rechte des Volkes.
Ein Jahr später tauchte sein Name erneut prominent auf. Er war Teil einer sechsköpfigen Gruppe, die die Städte Peking und Tianjin sowie die Provinz Hebei wegen der massiven Luftverschmutzung in der Region verklagt hatte. “Schwere Pflichtverletzung”, lautete der Vorwurf. Die Juristen verlangten eine öffentliche Entschuldigung der Verwaltungen und finanzielle Entschädigungen. Der Fall machte weltweit Schlagzeilen. Die Klage wurde jedoch abgeschmettert. Yu blieb eine erneute Haft allerdings erspart.
Bis zu jenem Tag, als er sich entschied, das Große und Ganze zu kritisieren. Sein offener Brief war der Beginn eines Martyriums. Es dauerte Monate, ehe Yu Wensheng aus der sogenannten Residential Surveillance at a Designated Location (RSDL) in die formelle Haft überführt wurde. RSDL ist ein Rechtsmittel in der Grauzone, das die Polizei anwendet, um Menschen monatelang wegzusperren. Es autorisiert die Behörden, weder die Familien der Betroffen über Ort und Dauer der Ingewahrsamnahme zu informieren, noch einen rechtlichen Beistand gewähren zu müssen.
Im April 2018 erhielt Ehefrau Xu ein Schreiben, das von ihrem Mann unterschrieben war. Darin setzte er den Anwalt ab, der sich in ihrem Auftrag für ihn eingesetzt hatte. Er wolle auch auf von ihr organisierten Rechtsbeistand verzichten, hieß es in dem Papier. Yu wusste offenbar, dass er zu seiner Unterschrift unter ein solches Dokument gezwungen würde. In einer weitsichtig vorbereiteten Videonachricht hatte er betont, dass er in der Haft nicht freiwillig seinen Anwalt absetzen würde. In späteren Gesprächen mit seiner Frau klagte er darüber, dass er seinen Pflichtverteidiger teilweise länger als ein Jahr nicht zu Gesicht bekommen hatte.
Knapp ein Jahr nach seinem offenen Brief zeichneten ihn die Bundesrepublik und Frankreich mit dem Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit aus. Die Auszeichnung bewahrte Yu nicht vor einer Verurteilung. Im Mai 2019 wurde er in Xuzhou heimlich vor Gericht gestellt. Ohne Kenntnis der Außenwelt und ohne Anwalt machte ihm das chinesische Volksgericht den Prozess. Aber erst ein Jahr später gab das Gericht ein Urteil bekannt: vier Jahre Haft.
Anfang vergangenen Jahres verschaffte die Martin-Ennals-Stiftung dem Fall noch einmal verstärkte Aufmerksamkeit. Yu war einer von drei Preisträger:innen, die mit dem jährlich vergebenen Martin-Ennals-Award ausgezeichnet wurden. Der Namensgeber der Stiftung war Generalsekretär von Amnesty International in den 1970er-Jahren. Doch auch Appelle der Europäischen Union und von Menschenrechtsorganisationen an die chinesische Regierung zur Freilassung des Anwalts versandeten.
China war fest entschlossen, Yu Wensheng die komplette Dauer der Strafe absitzen zu lassen. In Gesprächen mit seiner Frau erzählte er von der Folter, die er durchlitt. Stundenlang musste er auf einem Metallstuhl sitzen, bis ihn Muskelkrämpfe marterten. Er magerte ab, weil ihm die Nahrung reduziert wurde. Im Sommer sperrte man ihn in nicht-klimatisierte Zellen ein, in denen es so warm wurde, dass er ohnmächtig wurde. Es kam vor, dass Mithäftlinge ohne erkennbaren Grund auf ihn einprügelten. In der Folge erlitt er Nervenleiden in der Hand und im Gesicht. Er, der Rechtshänder, kann Stifte und Essstäbchen heute nur noch mit links halten.
Am 1. März ist Yu Wensheng aus der Haft in Nanjing entlassen worden. Er reiste umgehend nach Peking zu seiner Familie. Seine Gefangenschaft ist vorerst beendet. Seine gesellschaftliche Ächtung ist es nicht. Als Anwalt arbeiten darf Yu nicht mehr. Seine Lizenz wurde ihm schon vor Jahren entzogen. Marcel Grzanna
China macht seit Jahren die westlichen Demokratien madig und versucht auch hierzulande, den Keim des Zweifels an unserem politischen System zu säen. Mehr noch etikettiert sich die Volksrepublik selbst als Vertreterin der wahren Demokratie. Über alle Kanäle posaunt sie ihre vermeintliche Paraderolle in die Welt. Verstärkt auf dem Balkan, wo chinesische Investoren zunehmend lokale Medien übernehmen und den Ton der Berichterstattung ins Absurde drehen.
Und so albern und dreist Chinas Anspruch klingen mag, so wenig spiegelt er sich auch in der Realität wider. Der Fall des Anwalts Yu Wensheng, den wir heute im Porträt vorstellen, ist ein Paradebeispiel dafür, wie weit die Volksrepublik in Wahrheit von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entfernt ist.
Apropos Entfernung. Die Säule der Schande stand bis vor wenigen Monaten noch auf dem Campus der Hongkong Universität. Sie erinnerte dort an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989. Das “demokratische” China konnte ihre unmittelbare Nähe jedoch nicht ertragen und ließ sie abbauen. Jetzt steht sie in Budapest. Dass eine Erinnerungskultur ein wichtiger Bestandteil einer freien Gesellschaft ist, müssen Pekings “Demokraten” erst noch lernen.
Das deutsche Konsulat in Hongkong sieht den anstehenden Corona-Massentests in der Metropole mit großer Sorge entgegen. Generalkonsulin Stefanie Seedig wandte sich am Dienstag in einem dreiseitigen Schreiben, das China.Table vorliegt, an alle deutschen Bürger:innen in der Stadt. “Liebe Landsleute, es stehen uns harte Wochen in Hongkong bevor. Unklare Massentests, Quarantäneeinrichtungen, die an Lager erinnern, Maskenpflicht beim Joggen, die Ausreise von Freunden, abgesperrte Spielplätze. […] Wir werden alle viel Disziplin und Geduld brauchen”, schrieb Seedig.
Das Konsulat fürchtet vor allem “eine Trennung von minderjährigen Kindern von ihren Eltern in Quarantäne oder Isolation.” Die Bundesregierung habe diese Sorge in Gesprächen mit der Regierung in Peking vor wenigen Tagen zum Ausdruck gebracht, heißt es. Anlass sind die angekündigten Massentests (China.Table berichtete), die wegen der drastisch steigenden Infektionszahlen in Kürze beginnen sollen.
In den vergangenen beiden Tagen waren zusammen fast 70.000 Neuinfektionen in der Stadt registriert worden, nachdem Hongkong zuvor mehr als zwei Jahre kaum von der Pandemie betroffen war. Alle Bewohner:innen der Stadt sollen deshalb innerhalb weniger Wochen dreimal getestet werden. Bislang ist die genaue Handhabe unklar, wenn Kinder positiv, deren Eltern aber negativ getestet werden. Die Krankenhäuser sollen im Einzelfall entscheiden.
Um die Wirksamkeit der Testkampagne zu erhöhen, steht ein möglicher Lockdown der Stadt von neun Tagen Länge zur Diskussion. Zurzeit gelten lediglich strenge Abstandsregelungen und starke Einschränkungen für den Bewegungsradius von Ungeimpften. Allerdings dürfen die Menschen weiterhin regulär zur Arbeit gehen. Auch die Börse ist weiterhin geöffnet. Internationale Schulen befinden sich im Distanzunterricht.
Laut Statista lebten im Jahr 2020 in Hongkong rund 2.000 Bundesbürger unter den knapp 7,5 Millionen Einwohnern. Eine der Deutschen, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Hongkonger Universität, die anonym bleiben möchte, kritisiert die Politik der Behörden. “Nach zwei Jahren erfolgreicher Pandemiebekämpfung sieht sich die Hongkonger Regierung vor vielen selbstverschuldeten Herausforderungen. Die Bevölkerung wurde zu lange in Sicherheit gewogen und die Impfbereitschaft, besonders von Älteren war zu gering. Nun steht das Gesundheitswesen vor dem Kollaps”, sagt sie gegenüber China.Table. Es herrscht allgemein großes Misstrauen gegenüber den Behörden, die seit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes politischen Dissens sogar auf kleinster Ebene hart bestrafen.
“Wir kommen nicht nach Festlandchina und nicht in irgendein anderes Ausland, ohne wochenlange, zermürbende und teure Hotelquarantäne. Viele Menschen konnten ihre Familien seit zwei Jahren nicht sehen, auch nicht ihre Familien auf dem Festland. Daher kommt es besonders in den letzten Wochen verstärkt zu langfristigen Ausreisen“, sagt die Forscherin. Zudem wurden immer wieder Flugverbote ausgesprochen.
Das deutsche Konsulat hat sich deswegen auf eine möglicherweise steigende Zahl deutscher Ausreisewilliger eingestellt. “Uns ist aufgefallen, dass Sie unsere Dienstleistungen jetzt verstärkt brauchen, um ihre Papiere in Ordnung zu bringen und sich für eine eventuelle Ausreise vorzubereiten”, schreibt Seedig. Für den Zeitraum der Massentests sei zudem ein zusätzlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet worden.
Die Zustände seien nicht mehr hinnehmbar, klagten in den vergangenen Tagen eine Reihe von ausländischen Diplomaten. Der EU-Gesandte in Hongkong, Thomas Gnocchi, teilte Regierungschefin Carrie Lam in einem Brief mit, dass im vergangenen Jahr bereits zehn Prozent der Europäer:innen die Stadt verlassen hätten. Vor allem wegen der Unsicherheiten, die die Coronavirus-Maßnahmen ausgelöst haben. In dem Brief hieß es demnach auch, dass zudem bereits einige europäische Unternehmen der Stadt den Rücken gekehrt hätten. Er forderte die Regierung auf, die derzeitigen Schulschließungen und Isolationsanforderungen zu überdenken und die Standards der Weltgesundheitsorganisation zur Isolierung von Covid-19-Patienten zu befolgen.
Aus der Volksrepublik China kommen inzwischen Warnungen, dass das lokale Gesundheitssystem der Stadt bald überlastet sein könnte. Laut einem Vertreter von Chinas Nationaler Gesundheitskommission stünden 9.000 medizinische Mitarbeiter bereit, um bei der Durchführung der Tests in Hongkong zu helfen.
Überlastet sind Krankenhäuser vor allem, weil sich jeder Infizierte in Behandlung begeben muss, egal ob mit oder ohne Symptomen. Wer infiziert ist, soll im Krankenhaus oder in Quarantänezentren isoliert werden. Einfach in der eigenen Wohnung bleiben, ist laut der Regeln in Hongkong nicht möglich. Eilig entstehen nun Containerstädte, in denen die Infizierten untergebracht werden. Die Stadtregierung hatte schon vergangene Woche 20.000 Hotelbetten reserviert, um Infizierte dort in Quarantäne zu isolieren (China.Table berichtete).
Auch der französische Generalkonsul Alexandre Giorgini veröffentlichte vergangene Woche einen Brief an die Staatsangehörigen seines Landes in Hongkong, in dem er schrieb, dass die Regierung trotz großer Expat-Gemeinschaften vor Ort das Konsulat nicht zu den neuen Maßnahmen konsultiert habe. “Die angekündigten Maßnahmen wirken sich tiefgreifend auf das Leben aller aus, mit einem zu zahlenden Preis, der seit zwei Jahren nicht aufgehört hat zu steigen”, schrieb er weiter. Giorgini sagte, dass sich das Konsulat zwar für die Verteidigung der Interessen französischer Staatsangehöriger einsetzt, die Situation in Hongkong jedoch für mehrere Monate kritisch bleiben würde.
Der niederländische Generalkonsul Arjen van den Berg richtete sich ebenfalls an die Hongkonger Regierung und warnte, dass eine Reihe niederländischer Einwohner erwägen, die Stadt zu verlassen, da ihre Arbeitgeber beschlossen hätten, umzuziehen. Es sei enttäuschend, dass in Hongkong “alles weiter eingesperrt ist, ohne unmittelbare Aussicht auf eine Wiedereröffnung”. Die kanadische Generalkonsulin Rachael Bedlington teilte derweil mit, dass die neuen Maßnahmen der Regierung “die Angst” vieler Kanadier in Hongkong verschärft hätten.
Die Welle der diplomatischen Entrüstung dürfte Regierungschefin Carrie Lam zwar zur Kenntnis genommen haben. Jedoch sehen Beobachter keine Chance, dass Hongkong von seinen strikten Maßnahmen abrücken wird. Denn dort müssen die Behörden inzwischen den Vorgaben Pekings folgen. Es heißt, Präsident Xi Jinping habe wegen der explodierenden Fallzahlen in Hongkong bereits die Geduld verloren. Nun strömen täglich mehr chinesische Experten und Helfer der Zentralregierung nach Hongkong und ins benachbarte Shenzhen, um wieder “Ordnung” herzustellen. Fabian Peltsch/Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Die “Pillar of Shame” des dänischen Bildhauers Jens Galschiøt hat eine neue Heimat gefunden. Die drei Meter hohe Skulptur wurde am Mittwoch zwischen der “Free Hong Kong Road” und der “Uyghur Martyrs Road” in Budapest aufgestellt.
Um den Ort für die Statue tobt seit Wochen ein politischer Kampf: Zunächst hatte Ungarns Präsident Victor Orbán angekündigt, an dieser Stelle eine von China unterstützte Universität zu errichten. Daraufhin kam es zu Protesten. Anschließend beschloss die Stadtverwaltung von Budapest, die Straßen um den geplanten Standort umzubenennen. Sollte die Universität also tatsächlich gebaut werden, würde sie zwischen den Straßen “Free Hong Kong Road” und “Uyghur Martyrs Road” und dem “Dalai Lama Square” liegen. Und seit dem gestrigen Mittwoch in Sichtweite der “Säule der Schande”.
Inzwischen wurden außerdem mehr als 200.000 Unterschriften gesammelt, um ein Referendum über den Bau zu erreichen (China.Table berichtete). Das umstrittene Projekt mit der Fudan-Universität in Shanghai machte die Beziehungen zwischen China und Ungarn zuletzt auch zum Wahlkampfthema (China.Table berichtete).
Die drei Meter hohe Skulptur von Galschiøt erinnert an eines der dunkelsten Kapitel der chinesischen Geschichte: die blutige Niederschlagung der Proteste im Juni 1989. Gut 24 Jahre stand sie auf dem Gelände der Universität Hongkong. Dort musste die “Säule der Schande” im Januar verschwinden (China.Table berichtete). Das wurde damit begründet, dass die Existenz der Skulptur gegen das nationale Sicherheitsgesetz verstoße. Das im Juli 2020 in Kraft getretene Gesetz erlaubt es den Behörden, gegen alle Aktivitäten vorzugehen, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen.
In Budapest wird die Statue aus Hongkong gleichen Text auf dem Sockel tragen wie ihre Pendants in Mexiko und Brasilien: “The old can not kill the young forever”. Laut Jens Galschiøt sollen die Worte nicht nur daran erinnern, was auf chinesischen Befehl hin in Hongkong mit der Statue geschah. Auch Russlands Krieg in der Ukraine verleihe seiner Arbeit wieder traurige Aktualität. Putin stehe für die Vergangenheit, hofft Galschiøt. rad
Während die Nachrichten über Angriffe auf die Ukraine in Europa seit Donnerstagmorgen die Schlagzeilen beherrschten, waren Chinas Staatsmedien zunächst noch zögerlich in der Berichterstattung. Zum Donnerstagabend hin aber gehörte der Konflikt neben anderen Themen dann auch zu den Aufmachern beim Auslandssender CGTN, der Nachrichtenagentur Xinhua und dem Staatsfernsehen CCTV. Allerdings war der Umfang jedoch geringer als in westlichen Medien. Die Staatsmedien gaben vor allem die Aussagen von Außenminister Wang Yi wieder.
Auf den großen Social-Media-Kanälen Weibo, Weixin und Douyin indes war der Krieg in der Ukraine Thema Nummer Eins. Eine Weibo-Themenseite, die den neuesten Entwicklungen in der Ukraine gewidmet ist, verzeichnete innerhalb weniger Stunden mehr als 2,5 Milliarden Aufrufe und 360.000 Kommentare.
Dort trendete sogar ein eigener Begriff, der beschreibt, dass man sich nicht auf die Arbeit konzentrieren kann, weil die Nachrichten aus der Ukraine so beunruhigend sind: wū xīn gōngzuò 乌心工作 – ein Wortspiel aus “Ukraine 乌克兰 Wūkèlán und wúxīn gōngzuò 无心工作: Nicht in der Stimmung sein, zu arbeiten.
In Kommentaren wurden die Ereignisse in Europa auch mit Taiwan und den Diaoyu-Inseln in Verbindung gebracht. Ein besonders drastisches Meme, das auf Weibo geteilt wurde, zeigte ein Schwein mit der Aufschrift “Ukraine” in einem Schlachttrog. Ein weiteres Schwein, über dem “Taiwan” steht, muss dem blutigen Treiben über ein Mäuerchen hinweg zusehen. Das Meme sollte die Botschaft übertragen, dass Taiwan als nächstes seinem Schicksal geweiht ist.
Andere Nutzer betonten, dass Krieg zu nichts führe und plädierten für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Auf WeChat Moments ging der Post eines Studenten mit dem User-Namen Tángyīshuǐ 唐一水 viral. Dieser schrieb: “所有支持战争的都是傻逼” – “Jeder, der Krieg unterstützt, ist ein ‘shabi’”. “Shabi”(傻逼) ist eines der derbsten Schimpfworte der chinesischen Sprache. Der Student schrieb weiter: “Das ist das Jahr 2020, nicht 1914. Wir sollten heute den Preis des Krieges kennen.” Jeder, der jetzt auf dem Sofa sitze, sein Wifi genieße, Früchte esse und den Krieg feiere, sollte sich bewusst sein, dass dieser Wohlstand auf Jahren des Friedens gewachsen sei, so der Autor.
Für Aufsehen vor allem in den westlichen Medien sorgte eine versehentlich veröffentlichte Anweisung an chinesische Medien zur Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt: Horizon News, eine Untergruppe von Beijing News, die der Kommunistischen Partei Chinas gehört, veröffentlichte laut Washington Post bereits am Dienstag “Anweisungen” zur Berichterstattung über die eskalierende Lage in der Ukraine auf ihrer Weibo-Seite. In dem Beitrag erklärte Horizon News, dass Inhalte, die Russland negativ darstellten, nicht veröffentlicht werden sollen. Auch eine pro-westliche Darstellung der Ereignisse sollte demnach vermieden werden. fpe
Das EU-Parlament warnt vor zunehmenden Desinformationskampagnen aus China. Um dem Problem beizukommen, fordert das Parlament ein EU-Sanktionssystem. Vor allem im Westbalkan sei die Desinformation aus Fernost “viel diffiziler” geworden, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Viola von Cramon-Taubadel am Mittwoch. In der Region kauften chinesische Herausgeber Zeitungen oder gründeten eigene Publikationen, womit eine China-kritische Berichterstattung im Westbalkan immer schwieriger werde. Der Sonderausschuss für ausländische Einflussnahme des Europaparlaments (INGE) pocht deshalb nun unter anderem auf die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten.
Die Akteure können davon ausgehen, dass ihre Kampagnen gegen die EU keine Konsequenzen nach sich ziehen werden, merkt der INGE-Ausschuss in seinem ersten Bericht an. Der Grund: Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben “derzeit keine besondere Sanktionsregelung” im Hinblick auf solche Desinformationskampagnen. Über den Bericht wird kommende Woche im Europaparlament debattiert und abgestimmt. Wie entsprechende Sanktionen aussehen könnten, nennt der Bericht nicht. In dem Text wird zudem eine enge Überprüfung der Konfuzius-Institute in Europa gefordert.
Neben den Sanktionsmöglichkeiten wird eine generelle Stärkung der Abwehrfähigkeit gefordert. Entsprechende Taskforces des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) benötigten mehr Kapazität und ein klares Mandat. Dass die EU nicht ausreichend gegen Desinformation aus China ausgestattet ist, ist kein neues Problem (China.Table berichtete). Ein generelles Verbot chinesischer Staatsmedien wie CCTV, China Daily oder Global Times, ähnlich wie derzeit die Abschaltung der russischen Medien RT und Sputnik, lehnt Cramon-Taubadel jedoch ab. Es sei nicht das Ziel, keine Lizenzen mehr zu erteilen, so die Grünen-Politikerin. Die Fälle von Sputnik und RT seinen angesichts des russischen Einmarsches in Ukraine anders zu bewerten. ari
Peking hat wichtige Regierungsbehörden angewiesen, die Energie- und Rohstoffversorgung auch während des russischen Kriegs gegen Ukraine sicherzustellen, wie Bloomberg berichtet. Staatliche Einkäufer sollen demnach mögliche Versorgungslücken bei Rohstoffen wie Öl und Gas, Eisenerz sowie Getreide, die durch den Krieg entstehen könnten, über die internationalen Märkte schließen. Die Ukraine ist ein wichtiger Getreide-Lieferant der Volksrepublik. Die Importe aus der Ukraine machen bei einigen Sorten gut fünf Prozent der chinesischen Produktion aus. Aus Russland bezieht China Öl, Gas und Kohle sowie Industrierohstoffe wie Nickel, Palladium und Aluminium.
Die Sicherstellung der Versorgung hat für China hohe Priorität. Peking ist besorgt über die Auswirkungen, die der Anstieg der weltweiten Rohstoffpreise auf die chinesische Wirtschaft haben wird, gibt Bloomberg Personen wieder, die mit den Vorgängen vertraut sind. Maßnahmen zur Stützung des chinesischen Wachstums könnten durch den kriegsbedingten Anstieg der Rohstoffpreise erschwert werden. Es wird erwartet, dass Peking zum Nationalen Volkskongress am Wochenende weitere Konjunkturmaßnahmen ankündigt.
Chinesische Kraftwerke und Stahlhersteller suchen nach Bloomberg-Informationen derzeit nach Alternativen zu russischer Kohle, nachdem China die Importe aus Russland kurzfristig eingeschränkt hat (China.Table berichtete). Trotz dieser Anweisungen, sich auf dem Weltmarkt nach Alternativen zu russischen Importen umzusehen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking, der chinesisch-russische Handel werde trotz der westlichen Sanktionen gegen Moskau nicht gestört.
Beim Thema Flüssiggas (LNG) verhandeln China, Indien und die EU, um Preissteigerungen für alle Beteiligten zu verhindern. Das geht aus einem neuen Entwurf für die Energie-Kommunikation der Kommission hervor, die nun für den 9. März terminiert ist. nib/ber
Chinas Behörden wollen den Zugang älterer Bürger zur medizinischen Versorgung verbessern. Das geht aus einem jüngst veröffentlichten Fünfjahresplan für die Altenpflege hervor, über den die South China Morning Post berichtet. Der Plan zeige demnach die dringende Notwendigkeit auf, die Gesundheitsdienste für ältere Menschen zu verbessern.
Aufgrund des starken Geburtenrückgangs und geringer Zuwanderung steht China in den kommenden Jahrzehnten vor einer Überalterung der Gesellschaft. Schon heute sind knapp 19 Prozent der Chinesen über 60 Jahre alt – fast 270 Millionen Menschen. Laut der Nationalen Kommission für Gesundheit und Medizin gebe es “immer noch Regionen mit unausgewogener und unzureichender Altenpflege und Altenpflegediensten“, schreibt die SCMP.
Zudem gebe es einen akuten Mangel an häuslichen Pflegediensten für ältere Menschen und Bürger mit Einschränkungen. Mehr als 80 Prozent der älteren Bürger leiden demnach an mindestens einer chronischen Krankheit. Das Ziel des vorherigen Fünfjahresplans zur Erhöhung der Anzahl der Betten in der Altenpflege wurde demnach weit verfehlt. Auch in China müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen teils lange auf einen Pflegeplatz warten.
Neben einem besseren Zugang zur Altenpflege sieht der Fünfjahresplan die Stärkung von Reha-Dienstleistungen vor, die auf der traditionellen chinesischen Medizin beruhen. Zudem will der Staat vermehrt Altenpflege-Einrichtungen errichten und Personal einstellen. Die lokalen Behörden und die Staatsunternehmen sollen zur Verbesserung der Lage beitragen, so die Behörden. nib
Mehr als vier Jahre ist es her, dass Yu Wensheng dauerhaft in Gewahrsam genommen wurde. Am 19. Januar 2018 stoppte ein gutes Dutzend Polizei- und Zivilbeamte den Anwalt, als der seinen Sohn zu Fuß zur Schule begleitete. Danach dauerte es dreieinhalb Jahre, bis Yu seinen Sohn wiedersah – im Gefängnis in Nanjing.
Der 54-Jährige saß dort ein, nachdem ihn das Mittlere Volksgericht Xuzhou der Provinz Jiangsu schuldig gesprochen hatte. Der Vorwurf: Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt. Yu hatte einen Tag vor seiner Festnahme einen offenen Brief verfasst, in dem er Reformen für die chinesische Verfassung vorschlug. Freie Wahlen hatte er darin gefordert und eine Kontrollinstanz für das Handeln der Kommunistischen Partei, die seit 1949 die Volksrepublik China autoritär regiert.
Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Yu war schließlich kein unbeschriebenes Blatt. Er war den Sicherheitsbehörden schon viele Jahre ein Dorn im Auge. 2014 hatte er die Regenschirmproteste in Hongkong unterstützt. Die Bewegung war eine Reaktion auf die damalige Wahlrechtsform der Stadt, die die demokratische Teilhabe der Bürger:innen bei der Bestimmung ihrer politischen Führer drastisch einschränkte. 99 Tage wurde Yu damals für seine Solidarität weggesperrt.
2015 gab es dafür die nächste Quittung. Als die chinesische Regierung mit der sogenannten 709-Razzia in den Wochen nach dem 15. Juli (7/09/15) mehr als 200 Aktivisten und Anwälte in einer konzertierten Aktion festnahm, war auch Yu Wensheng betroffen. Seine Frau Xu Yan erinnert sich an 20 Männer, die Anfang August des gleichen Jahres vor der Wohnungstür standen und sich schließlich mit einer Kettensäge Einlass verschafften, nachdem Yu Wensheng sich geweigert hatte zu öffnen. Yu blieb diesmal nur 24 Stunden in Haft. Danach kümmerte er sich um die Verteidigung der weiterhin Inhaftierten.
Seinen Mut, sich für Veränderungen in seiner Heimat mit dem übermächtigen und notorisch gnadenlosen Gegner anzulegen, verlor er durch die wiederholten Inhaftierungen nicht. Er vertrat gegenüber dem Staat die Rechte von Landsleuten, deren persönlichen Interessen mit denen des Staates kollidierten – Menschenrechtsaktivisten, Bittsteller, Anwaltskollegen. Yu pochte stets auf die festgeschriebenen Rechte des Volkes.
Ein Jahr später tauchte sein Name erneut prominent auf. Er war Teil einer sechsköpfigen Gruppe, die die Städte Peking und Tianjin sowie die Provinz Hebei wegen der massiven Luftverschmutzung in der Region verklagt hatte. “Schwere Pflichtverletzung”, lautete der Vorwurf. Die Juristen verlangten eine öffentliche Entschuldigung der Verwaltungen und finanzielle Entschädigungen. Der Fall machte weltweit Schlagzeilen. Die Klage wurde jedoch abgeschmettert. Yu blieb eine erneute Haft allerdings erspart.
Bis zu jenem Tag, als er sich entschied, das Große und Ganze zu kritisieren. Sein offener Brief war der Beginn eines Martyriums. Es dauerte Monate, ehe Yu Wensheng aus der sogenannten Residential Surveillance at a Designated Location (RSDL) in die formelle Haft überführt wurde. RSDL ist ein Rechtsmittel in der Grauzone, das die Polizei anwendet, um Menschen monatelang wegzusperren. Es autorisiert die Behörden, weder die Familien der Betroffen über Ort und Dauer der Ingewahrsamnahme zu informieren, noch einen rechtlichen Beistand gewähren zu müssen.
Im April 2018 erhielt Ehefrau Xu ein Schreiben, das von ihrem Mann unterschrieben war. Darin setzte er den Anwalt ab, der sich in ihrem Auftrag für ihn eingesetzt hatte. Er wolle auch auf von ihr organisierten Rechtsbeistand verzichten, hieß es in dem Papier. Yu wusste offenbar, dass er zu seiner Unterschrift unter ein solches Dokument gezwungen würde. In einer weitsichtig vorbereiteten Videonachricht hatte er betont, dass er in der Haft nicht freiwillig seinen Anwalt absetzen würde. In späteren Gesprächen mit seiner Frau klagte er darüber, dass er seinen Pflichtverteidiger teilweise länger als ein Jahr nicht zu Gesicht bekommen hatte.
Knapp ein Jahr nach seinem offenen Brief zeichneten ihn die Bundesrepublik und Frankreich mit dem Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit aus. Die Auszeichnung bewahrte Yu nicht vor einer Verurteilung. Im Mai 2019 wurde er in Xuzhou heimlich vor Gericht gestellt. Ohne Kenntnis der Außenwelt und ohne Anwalt machte ihm das chinesische Volksgericht den Prozess. Aber erst ein Jahr später gab das Gericht ein Urteil bekannt: vier Jahre Haft.
Anfang vergangenen Jahres verschaffte die Martin-Ennals-Stiftung dem Fall noch einmal verstärkte Aufmerksamkeit. Yu war einer von drei Preisträger:innen, die mit dem jährlich vergebenen Martin-Ennals-Award ausgezeichnet wurden. Der Namensgeber der Stiftung war Generalsekretär von Amnesty International in den 1970er-Jahren. Doch auch Appelle der Europäischen Union und von Menschenrechtsorganisationen an die chinesische Regierung zur Freilassung des Anwalts versandeten.
China war fest entschlossen, Yu Wensheng die komplette Dauer der Strafe absitzen zu lassen. In Gesprächen mit seiner Frau erzählte er von der Folter, die er durchlitt. Stundenlang musste er auf einem Metallstuhl sitzen, bis ihn Muskelkrämpfe marterten. Er magerte ab, weil ihm die Nahrung reduziert wurde. Im Sommer sperrte man ihn in nicht-klimatisierte Zellen ein, in denen es so warm wurde, dass er ohnmächtig wurde. Es kam vor, dass Mithäftlinge ohne erkennbaren Grund auf ihn einprügelten. In der Folge erlitt er Nervenleiden in der Hand und im Gesicht. Er, der Rechtshänder, kann Stifte und Essstäbchen heute nur noch mit links halten.
Am 1. März ist Yu Wensheng aus der Haft in Nanjing entlassen worden. Er reiste umgehend nach Peking zu seiner Familie. Seine Gefangenschaft ist vorerst beendet. Seine gesellschaftliche Ächtung ist es nicht. Als Anwalt arbeiten darf Yu nicht mehr. Seine Lizenz wurde ihm schon vor Jahren entzogen. Marcel Grzanna