seit dem russischen Angriff auf die Ukraine führt China auf dem diplomatischen Parkett einen atemberaubenden Balanceakt auf. Doch die Unzufriedenheit mit Peking wächst von Tag zu Tag. Nun hat Außenminister Wang Yi am Rande des Nationalen Volkskongress in Peking endlich klare Worte gefunden – doch vielen im Westen werden sie nicht gefallen. Wang stellte vor der versammelten Presse klar, auf wessen Seite China in diesem Konflikt steht: Russland.
Dabei gibt es viele Gründe, warum ausgerechnet China als Vermittler prädestiniert wäre, wie in unserer Analyse deutlich wird. Aber: Dafür müsste China seinem eigenen Anspruch gerecht werden, nämlich auf internationaler Ebene ein verantwortungsvoller Akteur zu sein.
Auch in unserem zweiten Stück geht es um Chinas Einfluss, genauer gesagt um den Bereich Technologie. Im Gespräch mit Marcel Grzanna erklärt die langjährige China-Autorin Didi Kirsten Tatlow, auf welch unterschiedlichen Wegen die Volksrepublik technologisches Wissen aus dem Westen abzieht. Bemerkenswert: Nicht alle der 32 Methoden Chinas sind illegal. Man könne allerdings sehr gut erkennen, welche Technologien in China besonders begehrt sind. Tatlows Warnung ist jedenfalls eindeutig – und geht uns alle an: Es ist höchste Zeit, dass wir erkennen, wie sehr dadurch unsere offenen Gesellschaftsmodelle in Gefahr geraten.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Frau Tatlow, über 30 Jahre haben wir relativ emotionslos dabei zugeschaut, wie Technologie aus Deutschland nach China abfließt. Weshalb sollte uns das Thema jetzt mehr berühren?
China und die Welt haben sich verändert. Peking tritt heute sehr entschieden auf und hat begonnen, seine autoritären politischen Werte zu exportieren. Gemeinsam mit Russland will China die Weltordnung zu seinen Gunsten verändern. Nicht einmal der Ukraine-Krieg bingt diese Allianz ins Wanken, wie wir jetzt sehen.
Was hat das mit Technologie zu tun?
Der Export der politischen Werte findet vor allem auch über die Wirtschaft und den Cyberspace statt. China verwendet Kommunikations- und Hochtechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie oder Halbleiter in immer neuen Anwendungen und Produkten. In China tragen sie zur Perfektionierung eines totalitären Staates bei, aber diese Produkte fließen auch in unsere Mitte zurück. Wir sollten also sehr genau überlegen, wie sehr wir mit unseren Innovationen diese Entwicklung fördern wollen.
Weshalb sollten wir uns vor diesen Produkten sorgen?
Wir sollten uns im Klaren sein, dass wir Technologie aus China langfristig nicht kontrollieren können. Nehmen Sie das Beispiel Huawei. Wenn das Betriebssystem des Herstellers ein Update benötigt, kommt das aus der Volksrepublik auf das Mobiltelefon. Untersuchungen in Australien haben ergeben, dass diese Updates erhebliche Sicherheitslücken aufweisen.
Die hat Facebook auch.
Chinas Privatwirtschaft muss laut Gesetz eng mit der Partei zusammenarbeiten. Und wir haben, anders als in den USA, von außen keinerlei Chance, diesen Zusammenhängen durch Journalismus, Rechtsstaatlichkeit oder zivilgesellschaftliches Engagement auf die Spur zu kommen. Hinter all diesen chinesischen Produkten steht also ein diktatorisches System, dem wir uns, langsam aber sicher, technologisch auszuliefern drohen.
Welchen Einfluss soll das auf unsere Gesellschaft haben?
Auf vielen Ebenen. Das fängt an bei Anwendungen wie TikTok, die viele junge Menschen in Deutschland nutzen und die von Peking überwacht ist. Es gibt Studien, die zeigen, dass TikTok Inhalte nach politischen Interessen der chinesischen Regierung zensiert. Auch taugen solche Apps, um subtile und damit hocheffektive Propaganda-Botschaften unter das Volk zu bringen.
Niemand muss sich TikTok herunterladen.
Nein. Aber wenn Smart-City-Konzepte mit chinesischer Technologie in der Welt implementiert werden, dann muss es einen engen Austausch zwischen dem Anbieter und der jeweiligen Verwaltung geben. Die muss dem chinesischen Unternehmen Zugang zu ihren administrativen Prozessen gewähren. Dass wir uns dadurch verwundbar und auf Dauer von chinesischer Software sowie in der Folge auch von chinesischer Hardware abhängig machen, sollte jedem klar sein.
Wo steckt die Gefahr?
Technologie ist nicht wertefrei. Mit der Technologie aus China und unserer wachsenden Abhängigkeit davon sollen sich auch unsere Werte verändern und damit unser Verhalten. Unsere Werte haben wir aber jahrzehntelang aufgebaut. Nicht nur ideologisch. Wir haben Abermilliarden in unser Bildungssystem investiert, auch um unsere demokratische Grundordnung zu stützen.
In Ihrem Buch “China’s Quest for Foreign Technology – Beyond Espionage” haben sie 32 Methoden identifiziert, mit denen die Volksrepublik in Deutschland und anderswo Technologie absaugt. Nur zwölf Methoden klassifizieren sie dabei als legal.
Diese legalen Methoden fangen bei Forschungsvereinbarungen an und reichen bis zu Kapitaleinlagen über Investmentfirmen. Das Problem dabei ist, dass wir meistens gar nicht so genau hinschauen, wer dahinter steckt, und wir erkennen deshalb das Muster nicht. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Nuctech, die über Verzweigungen der China National Nuclear Corporation gehört, heute einer der größten Ausrüster von Cargo- und Fahrzeug-Scannern an europäischen Häfen, Flughäfen und Nato-Grenzen in 26 EU-Mitgliedsstaaten ist? Diese Firma ist in der Lage, hochsensible persönliche, militärische oder Frachtdaten zu sammeln.
Alles legal. Bleiben 20 illegale oder halb-illegale Methoden.
Das sind Vertragsbrüche, Spionage oder auch Patentverstöße. Oder sie bewegen sich in einer Grauzone. Dazu gehört beispielsweise die Verpflichtung von Chinesen, die aus dem Ausland zurückkehren, ihr Wissen mit dem Staat zu teilen. Auch jene Chinesen, die nicht zurückgehen, werden über zahllose Vereinigungen des Parteisystems, die der Einheitsfront zuarbeiten, an ihre moralischen Verpflichtungen erinnert. Unternehmen oder Forscher dürfen die Interessen des Vaterlandes nicht vergessen.
Manche Firmen loben aber, dass ihre Patente in China inzwischen besser geschützt werden.
Das mag der Fall sein, wenn es um Design geht oder Technologien, die nichts mit den zentralen Wirtschaftssektoren zu tun haben. In anderen Bereichen sieht das anders aus. Erst vor wenigen Tagen hat die EU bei der Welthandelsorganisation Klage eingereicht, weil sie die Schlüsseltechnologien europäischer Unternehmen nicht ausreichend geschützt sieht im Land.
China droht mit hohen Geldstrafen, wenn europäische Firmen bei Verstößen gegen deren Patente in Drittländern ihr Recht suchen.
Auf diese Art und Weise werden Firmen genötigt, sich mit Lizenzgebühren abspeisen zu lassen, während sich chinesische Mitbewerber ihre Technologie zu nutzen machen. Japan wird deshalb ab 2023 die übliche Patentveröffentlichung nach 18 Monaten in bestimmten Sektoren verbieten und Ausfallzahlungen an die betroffenen japanischen Unternehmen leisten.
Chinesische Investitionen in Deutschland haben in den vergangenen Jahren nachgelassen. Das sieht nicht nach großem Appetit auf deutsche Technologie aus?
Nach dem Kuka-Verkauf 2016 ist die deutsche Politik sensibler geworden und hat die Barrieren höher gezogen. Auch die wachsende Skepsis in Deutschland mahnt China zur Zurückhaltung. Aber Investitionen sind ja auch nur ein kleiner Teil des Technologie-Abflusses. Längst streckt China verstärkt seine Hände nach unseren Talenten aus. Das sind Leute mit bester Expertise, denen viel Geld gezahlt und fast alles an Forschung ermöglicht wird, was sie sich wünschen.
Wo sollten wir die Grenze ziehen bei Investitionen und Kooperationen aus und mit China?
Eine Leitlinie bieten uns die Fünfjahrespläne der chinesischen Regierung. Alles, was dort als Schlüsseltechnologien für bestimmte Sektoren aufgelistet ist, interessiert China in Deutschland besonders. Hier gilt es, allerhöchste Vorsicht walten zu lassen.
Eine größere Abschirmung würde nicht überall in Deutschland auf Gegenliebe stoßen. Manche Forscher und Unternehmen könnten das als Angriff auf ihre eigenen Interessen verstehen.
Das liegt auch daran, dass die existierende Gefahr einfach noch nicht klar genug kommuniziert wird. Unser Verhältnis zu China war in den vergangenen 20 Jahren davon geprägt, besonders nett zu sein und auch mal wegzuschauen. Aber wenn wir so handeln, werden wir hochgradig manipulierbar. Da stellt sich auch die Frage, ob dieses Wegschauen eigentlich respektvoll ist. Denn es bedeutet ja auch, dass wir China immer noch nicht ernst genug nehmen. Das sollten wir aber, denn das dortige System ist eine gewaltige Herausforderung für unsere offenen Gesellschaften.
Als Chinas Außenminister Wang Yi am Montag vor die Presse tritt, ist die Spannung groß. In Peking tagt der Nationale Volkskongress, es ist einer jener seltenen Momente im Jahr, in denen Chinas Führung an die Öffentlichkeit geht und ihre Pläne, Ziele und Vorhaben für das anstehende Jahr präsentiert (China.Table berichtete). Eine gute Gelegenheit für klare Worte.
Und die sind in der Außenpolitik derzeit auch dringend nötig: International wächst mit jedem Tag die Unzufriedenheit über das Verhalten von China im Russland-Ukraine-Konflikt (China.Table berichtete). Denn seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vollführt China einen nahezu atemberaubenden Balanceakt: Einerseits betont man das Festhalten an der Souveränität und Territorialität der Ukraine; andererseits scheut Peking davor zurück, den russischen Angriff zu verurteilen, der just diese Souveränität und Territorialität in Stücke reißt.
Doch an diesem Montagnachmittag ist es soweit, Wang Yi spricht in Peking Klartext – doch seine Worte fallen anders aus, als viele im Westen es sich erhofft haben. Auf die Frage, ob China endlich seinen Einfluss auf Russland nutzen werde, um den Kämpfen in der Ukraine ein Ende zu setzen, erwidert Wang: “Egal wie bedrohlich die internationale Lage aus sein mag, China und Russland werden ihre strategische Entschlossenheit aufrechterhalten und die umfassende kooperative Partnerschaft in der neuen Ära vorantreiben.”
Um Chinas Haltung zu verstehen, muss man genau hinhören: Worte wie Krieg, Invasion oder Überfall nimmt der Außenminister nicht in den Mund. Stattdessen spricht er von einem “Ukraine-Problem” oder der “Situation in der Ukraine”. Jene “Situation” habe “komplexe Ursachen”, vor allem müssten die “legitimen Sicherheitsbedürfnisse aller Parteien” beachtet werden. Aus chinesischer Sicht ist damit vor allem Russland gemeint.
Es ist ein Offenbarungseid, den Chinas Außenminister zu Wochenbeginn abliefert. Aus Sicht der Führung in Peking profitierten nicht nur China und Russland von der engen Freundschaft dieser beiden Staaten, sondern im Grund die ganze Menschheit. “Die chinesisch-russische Zusammenarbeit trägt zu Frieden, Stabilität und Entwicklung in der Welt bei.” Chinas Freundschaft zu Russland sei “felsenfest” und “eine der bedeutendsten bilateralen Beziehungen der Welt”. Mit diesen Worten sollte so manche Illusion im Westen endgültig zurechtgerückt sein.
Doch Wang übt durchaus auch Kritik – und zwar vor allem an den USA. Amerika verharre noch immer in der Mentalität des Kalten Krieges, schüre Konfrontationen und verursache Spaltung und Instabilität. So auch im Indopazifik, wo die US-Regierung derzeit versuche, eine neue “Version der Nato zu etablieren, um das US-geführte Hegemonie-System aufrechtzuerhalten”.
Mit Blick auf das menschliche Leid in der Ukraine fordert Wang, humanitäre Fragen dürften nicht “politisiert” werden. Vielmehr sollten die Kriegsparteien einen sicheren Zugang für humanitäre Hilfe gewährleisten. Auch das Rote Kreuz China werde Wang zufolge Hilfspakete in die Ukraine schicken.
Doch China bleibt sich auch an diesem Montag treu. Bei aller Treue zu Moskau will Peking nicht sein ganzes politisches Gewicht auf Putin setzen. Denn so eindeutig Wangs Ausführungen auch klingen, in China gibt es durchaus auch Kritik an Pekings Nähe zu Moskau. In einem offenen Brief verurteilten zuletzt Professoren der fünf renommiertesten Universitäten in China die völkerrechtswidrige Aggression Russlands und forderten ein Ende des Krieges in der Ukraine.
Auch Feng Yujun, Direktor des Zentrums für russische und zentralasiatische Studien an der Fudan-Universität in Shanghai, warnt: Russland versuche die Konfrontation zwischen China und den USA auszunutzen, um seine eigenen Ziele zu erreichen. China müsse aufpassen, denn einige Länder verfolgten in der aktuellen Krise ausschließlich ihre eigenen geopolitischen Ziele, sagte der Wissenschaftler im Interview mit dem chinesischen TV-Sender Phoenix.
Und so lässt auch Wang am Montag in Peking ein kleines Hintertürchen für China offen. Auf die Frage, ob Peking denn bereit sei, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, antwortete Wang: Chinas Staatspräsident Xi Jinping habe schon am 25. Februar mit Wladimir Putin telefoniert. In diesem Telefonat habe Xi seinen Wunsch ausgedrückt, dass Russland und die Ukraine so schnell wie möglich Friedensgespräche führen sollten. Putin habe positiv darauf reagiert – und seither hätten denn auch schon zwei Gesprächsrunden zwischen der Ukraine und Russland stattgefunden. Nun hoffe man, dass in der bevorstehenden dritten Gesprächsrunde weitere Fortschritte erzielt würden.
China sei jedenfalls vorbereitet, auch weiterhin eine konstruktive Rolle zu spielen, um einen Dialog für Frieden zu ermöglichen. Man werde weiter mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um eine Vermittlung zu ermöglichen. Details nannte der Minister aber nicht.
Zuletzt hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba gesagt, China habe seiner Regierung gegenüber ein Interesse signalisiert, “diesen Krieg zu stoppen”. Kuleba ist überzeugt: “Die chinesische Diplomatie hat ausreichende Instrumente, um einen Unterschied zu machen, und wir setzen darauf, dass ihre Bemühungen erfolgreich sein werden.”
Und auch in Europa ist man davon überzeugt. So sprach sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ebenfalls für eine Vermittlung Pekings aus (China.Table berichtete). “Es gibt keine Alternative”, sagte er der spanischen Zeitung El Mundo am Wochenende. Weder die Europäer noch die USA kommen Borrell zufolge derzeit als Vermittler infrage. “Es muss China sein.”
In der Tat wäre China prädestiniert dafür, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln – und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen ist China der wichtigste Partner Russlands – wirtschaftlich wie politisch. Xi und Putin bezeichnen sich als Freunde, die Partnerschaft zwischen beiden Länder kenne “keine Grenzen”.
Gleichzeitig ist aber auch die Ukraine ein wichtiger Partner Chinas. Seit 2020 ist das Land Mitglied der chinesischen “Belt-and-Road”-Initiative. Auch liefert es große Mengen an Getreide und Mais nach China. Zudem versorgt die Ukraine China mit wichtigen Rüstungsgütern wie Gasturbinen-Motoren für Lenkwaffenzerstörer oder mit Technologie für Luftkissenlandungsboote (China.Table berichtete).
Und zu guter Letzt ist es auch Chinas eigener Anspruch, als verantwortungsvoller Akteur in der internationalen Politik wahrgenommen zu werden. Folgt man allerdings Wang Yis Ausführungen in Peking, dann scheint China dazu noch nicht bereit.
Die westlichen Sanktionen gegen Russland nach dem Angriff des Landes auf die Ukraine haben auch die chinesischen Behörden auf den Plan gerufen. Die Devisenbehörde SAFE (State Administration of Foreign Exchange) in China habe Banken nach deren möglicher Belastung durch die Russland-Ukraine-Krise gefragt, sagten mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Dabei sei es um Geschäfte mit russischen Geldhäusern und den Umgang mit Risiken gegangen, sagten mit dem Vorgang vertraute Personen.
Thema sei auch eine mögliche Ausweitung von Sanktionen auch auf Banken in der Volksrepublik und Vorbereitungen auf solche Szenarien gewesen. Die SAFE wollte sich nicht äußern. Russische Unternehmen versuchen derzeit, wegen der Sanktionen auf chinesische Bankkonten auszuweichen. Westliche Regierungen schotten die russische Wirtschaft angesichts der Invasion in die Ukraine vom globalen Finanzsystem ab. rtr
Das chinesische Staatsfernsehen bleibt dem Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) weiterhin eine Erklärung für seine Zensur schuldig. Während der Liveübertragung der Eröffnungsfeier der Paralympics am vergangenen Freitag in Peking hatte CCTV auf die sonst übliche Simultanübersetzung der Eröffnungsrede des IPC-Präsidenten Andrew Parsons weitgehend verzichtet. Parsons hatte darin unter anderem die Invasion der Ukraine durch Russland scharf verurteilt.
Die allermeisten Fernsehzuschauer in der Volksrepublik dürften den Inhalt der Rede nicht verstanden haben. Nur ein kleiner Anteil der Bevölkerung spricht ausreichend gut Englisch. Zudem wurde Parsons Stimme von CCTV leiser geschaltet, als der darauf hinwies, dass der Olympische Friede während der Olympischen und Paralympischen Spiele einst durch eine UN-Resolution beschlossen worden ist. Die Simultanübersetzung begrenzte sich derweil auf die lobenden Worte Parsons über die Gastgeber.
Das IPC hat übers Wochenende eine Anfrage an CCTV gestellt und um Aufklärung gebeten. Bislang hat sich das staatliche TV-Netzwerk noch nicht geäußert. Die Regierung in Peking verzichtet auf eine klare Positionierung in dem Konflikt, sondern verwendet wachsweiche Floskeln, die Raum zur Interpretation lassen. grz
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in China steigt rasant an. Wie die zuständigen Behörden am Montag mitteilten, wurde zu Wochenbeginn die höchste Zahl an Neuinfektionen seit rund zwei Jahren gemeldet. Demnach wurden in Festland-China mehr als 500 neue Fälle registriert. Zuvor war es Peking gelungen, durch großflächige Lockdowns von mehreren Millionenstädten, strikte Kontrollen und Massentest, die Zahl der Infektionen auf nahezu Null zu drücken. Noch immer sind Chinas Grenzen weitestgehend geschlossen. Dennoch gebe es derzeit Ausbrüche in mehr als einem Dutzend Städten, wie die Gesundheitsbehörden am Montag mitteilten.
Inzwischen ist laut Experten absehbar, dass die von Peking verordnete “Null Covid”-Strategie, die monatelang keine oder kaum Neuinfektionen zur Folge hatte, nicht mehr überall verfängt. Zudem werden zunehmend Zweifel an der Wirksamkeit der chinesischen Corona-Impfstoffe laut.
Hinzukommt die dramatische Situation in Hongkong (China.Table berichtete). Die dortigen Infektionszahlen sind in der Pekinger Statistik nicht erfasst. In der Sonderverwaltungszone gerät die Lage zunehmend außer Kontrolle: Die Infektionszahlen steigen rasant, die Krankenhäuser stehen vor dem Kollaps. Als Reaktion verhängen auch die Hongkonger Behörden immer drastischere Maßnahmen. Allerdings sind in Hongkong weniger als die Hälfte der Bevölkerung zweimal gegen das Coronavirus geimpft. rad
Heute lacht Angela Stanzel über ihren Irrtum: Mao Zedong ist Gott. Als sie noch ein Kind war, hatte sie das einen Moment lang geglaubt. Auf einer Chinareise mit der Familie blickte sie staunend an einer gigantischen Statue des “Großen Vorsitzenden” empor. Die schiere Größe des Denkmals nahm sie gefangen. Also fragte sie ihre Eltern: Ist das Gott? Doch die lachten nur und klärten den Irrtum auf.
Heute ist es Angela Stanzel, die andere aufklärt, wenn es um Fragen und Einschätzungen zu China geht. Die Wissenschaftlerin von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin zählt zu den renommiertesten China-Expertinnen in Deutschland. Wie kaum eine andere verbindet die 41-Jährige ihre akademische Ausbildung der Sinologie mit der Lebenserfahrung, die sie im Reich der Mitte gesammelt hat.
Geboren wird sie in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Ihre Mutter ist Taiwanerin, ihr Vater deutscher Diplomat. Regelmäßig bereist die Familie die Heimat der Mutter. Von 1985 bis 1987 leben die Stanzels im Jemen, wo Vater Volker Stanzel an der deutschen Botschaft arbeitet. Im Jahr 1990 wird er Kommunikationschef an der Botschaft in Peking, die vierköpfige Familie zieht erneut aus Bonn weg.
Damals ist Angela zehn Jahre alt. China ist in Aufruhr. Nur ein Jahr zuvor hat das chinesische Militär die studentische Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen. Angela bekommt von den Spannungen im Land nur wenig mit. Sie besucht in der Hauptstadt eine deutsche Schule, Kontakt zu Einheimischen hat sie selten. “Ein Jahr nach dem Tiananmen-Massaker haben wir dort als Ausländer in einer Bubble gelebt”, erzählt sie. Dennoch fühlt sie sich in China wohl und kehrt 1993 nur widerwillig mit der Familie nach Bonn zurück. “Ich war damals rebellisch und wütend auf meine Eltern, weil sie mich einfach überall mithin geschleppt haben.”
Noch in Teenagertagen zieht sie von zu Hause aus. In Berlin macht sie ihr Abitur, kellnert eine Weile und beschließt dann, Sinologie zu studieren. “Ich hatte die Chinesisch-Kenntnisse meiner Kindheit schon wieder verloren und dachte, ich kenne die chinesischen Wurzeln in mir nicht gut genug.”
Dann, im Jahr 2004, zieht es sie erneut nach Peking. “Eigentlich wollte ich nur für ein Sprachjahr dorthin, aber irgendwie sind aus dem einen Jahr sechs Jahre geworden. Zwei bis drei Jahre brauche man, um vollständig in das dortige Leben einzutauchen”, sagt sie. Sie arbeitet für eine deutsche Eventagentur und organisiert für die deutsche Botschaft Veranstaltungen im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008. “Ich habe es genossen, mir dort etwas aufzubauen.” Vom Leben in einer Bubble kann keine Rede mehr sein. Nur für die Magisterprüfung reist sie später einmal kurz nach Deutschland.
Erst für ihre Doktorarbeit über chinesisch-pakistanische Beziehungen kommt sie 2009 ganz nach Europa zurück. Aber sesshaft wird sie noch nicht. Als Asien-Expertin verschiedener Think-Tanks in Berlin und Brüssel reist sie zunächst viel in Europa umher, bis sie Anfang 2020 bei der SWP zu arbeiten beginnt. “Ich wollte den deutschen Arbeitsalltag kennenlernen. Und ich sehnte mich nach Beständigkeit”, sagt sie.
Heute scheint China so weit weg wie selten in ihrem Leben. “Ich befürchte, dort zukünftig nicht mehr hinzukommen.” Dabei würde sie ihrer dreijährigen Tochter das Land gerne bald zeigen. “Als kritische Wissenschaftlerin begibt man sich in China in Gefahr. Man kann dort willkürlich festgesetzt werden, etwa wenn ein Exempel statuiert werden soll.” Als Beispiel nennt sie Michael Kovrig. Die Inhaftierung und Verurteilung des Kanadiers wegen vermeintlicher Spionage gilt als Vergeltung für die zeitweilige Festnahme einer chinesischen Huawei-Managerin in Vancouver. Kovrig forschte als Nordostasien-Experte für die Nichtregierungsorganisation International Crisis Group.
Stanzel kritisiert China mitunter in deutlichen Worten. Die Menschenrechtslage aktuell sei so prekär wie nie zuvor. Zudem wirft sie dem Land geopolitischen Provokationen vor. “Peking ist Urheber von Konflikten mit seinen Nachbarn, wie etwa im chinesisch-indischen Grenzgebiet, im Ost- und Südchinesischen Meer oder durch seine Bedrohung Taiwans. Das Potenzial einer Eskalation ist seit der Machtübernahme Xi Jinpings auffällig gestiegen”, schreibt sie im Magazin Internationale Politik.
Mit Xis Amtsantritt im Jahr 2013 habe sich auch die Stimmung im Land gewandelt. “Sein Nationalismus verankert sich zunehmend in der Bevölkerung”, sagt Stanzel. Europäer würden nun häufiger diskriminiert als früher. Nicht immer hielten Pekinger Taxis für Ausländer an. “Viele Chinesen sehen nur noch ein Land mit ihnen auf Augenhöhe: die USA.” Andreas Schulte
David Chu steigt bei dem chinesischen Risikoinvestor Qiming Venture Capital als Partner ein. Qiming verwaltet 6,2 Milliarden Dollar an Investorengeld.
Joe Sery, der frühere Besitzer des US-Unternehmens Tungsten Heavy Powder & Parts, wurde verhaftet. Die Firma soll Waffenteile illegal nach China geliefert haben.
Schon Kaiser Qianlong 乾隆帝 reiste nur zu gerne an den “Schlanken Westsee” (瘦西湖) in Yangzhou. Am Ufer sitzend erfreute er sich an seinem Erfolg beim Angeln. Inzwischen zählt der See zu Chinas AAAAA-Touristenattraktionen. Mehr A geht nicht. Ein kurzer Blick genügt, um zu wissen, warum.
seit dem russischen Angriff auf die Ukraine führt China auf dem diplomatischen Parkett einen atemberaubenden Balanceakt auf. Doch die Unzufriedenheit mit Peking wächst von Tag zu Tag. Nun hat Außenminister Wang Yi am Rande des Nationalen Volkskongress in Peking endlich klare Worte gefunden – doch vielen im Westen werden sie nicht gefallen. Wang stellte vor der versammelten Presse klar, auf wessen Seite China in diesem Konflikt steht: Russland.
Dabei gibt es viele Gründe, warum ausgerechnet China als Vermittler prädestiniert wäre, wie in unserer Analyse deutlich wird. Aber: Dafür müsste China seinem eigenen Anspruch gerecht werden, nämlich auf internationaler Ebene ein verantwortungsvoller Akteur zu sein.
Auch in unserem zweiten Stück geht es um Chinas Einfluss, genauer gesagt um den Bereich Technologie. Im Gespräch mit Marcel Grzanna erklärt die langjährige China-Autorin Didi Kirsten Tatlow, auf welch unterschiedlichen Wegen die Volksrepublik technologisches Wissen aus dem Westen abzieht. Bemerkenswert: Nicht alle der 32 Methoden Chinas sind illegal. Man könne allerdings sehr gut erkennen, welche Technologien in China besonders begehrt sind. Tatlows Warnung ist jedenfalls eindeutig – und geht uns alle an: Es ist höchste Zeit, dass wir erkennen, wie sehr dadurch unsere offenen Gesellschaftsmodelle in Gefahr geraten.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Frau Tatlow, über 30 Jahre haben wir relativ emotionslos dabei zugeschaut, wie Technologie aus Deutschland nach China abfließt. Weshalb sollte uns das Thema jetzt mehr berühren?
China und die Welt haben sich verändert. Peking tritt heute sehr entschieden auf und hat begonnen, seine autoritären politischen Werte zu exportieren. Gemeinsam mit Russland will China die Weltordnung zu seinen Gunsten verändern. Nicht einmal der Ukraine-Krieg bingt diese Allianz ins Wanken, wie wir jetzt sehen.
Was hat das mit Technologie zu tun?
Der Export der politischen Werte findet vor allem auch über die Wirtschaft und den Cyberspace statt. China verwendet Kommunikations- und Hochtechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie oder Halbleiter in immer neuen Anwendungen und Produkten. In China tragen sie zur Perfektionierung eines totalitären Staates bei, aber diese Produkte fließen auch in unsere Mitte zurück. Wir sollten also sehr genau überlegen, wie sehr wir mit unseren Innovationen diese Entwicklung fördern wollen.
Weshalb sollten wir uns vor diesen Produkten sorgen?
Wir sollten uns im Klaren sein, dass wir Technologie aus China langfristig nicht kontrollieren können. Nehmen Sie das Beispiel Huawei. Wenn das Betriebssystem des Herstellers ein Update benötigt, kommt das aus der Volksrepublik auf das Mobiltelefon. Untersuchungen in Australien haben ergeben, dass diese Updates erhebliche Sicherheitslücken aufweisen.
Die hat Facebook auch.
Chinas Privatwirtschaft muss laut Gesetz eng mit der Partei zusammenarbeiten. Und wir haben, anders als in den USA, von außen keinerlei Chance, diesen Zusammenhängen durch Journalismus, Rechtsstaatlichkeit oder zivilgesellschaftliches Engagement auf die Spur zu kommen. Hinter all diesen chinesischen Produkten steht also ein diktatorisches System, dem wir uns, langsam aber sicher, technologisch auszuliefern drohen.
Welchen Einfluss soll das auf unsere Gesellschaft haben?
Auf vielen Ebenen. Das fängt an bei Anwendungen wie TikTok, die viele junge Menschen in Deutschland nutzen und die von Peking überwacht ist. Es gibt Studien, die zeigen, dass TikTok Inhalte nach politischen Interessen der chinesischen Regierung zensiert. Auch taugen solche Apps, um subtile und damit hocheffektive Propaganda-Botschaften unter das Volk zu bringen.
Niemand muss sich TikTok herunterladen.
Nein. Aber wenn Smart-City-Konzepte mit chinesischer Technologie in der Welt implementiert werden, dann muss es einen engen Austausch zwischen dem Anbieter und der jeweiligen Verwaltung geben. Die muss dem chinesischen Unternehmen Zugang zu ihren administrativen Prozessen gewähren. Dass wir uns dadurch verwundbar und auf Dauer von chinesischer Software sowie in der Folge auch von chinesischer Hardware abhängig machen, sollte jedem klar sein.
Wo steckt die Gefahr?
Technologie ist nicht wertefrei. Mit der Technologie aus China und unserer wachsenden Abhängigkeit davon sollen sich auch unsere Werte verändern und damit unser Verhalten. Unsere Werte haben wir aber jahrzehntelang aufgebaut. Nicht nur ideologisch. Wir haben Abermilliarden in unser Bildungssystem investiert, auch um unsere demokratische Grundordnung zu stützen.
In Ihrem Buch “China’s Quest for Foreign Technology – Beyond Espionage” haben sie 32 Methoden identifiziert, mit denen die Volksrepublik in Deutschland und anderswo Technologie absaugt. Nur zwölf Methoden klassifizieren sie dabei als legal.
Diese legalen Methoden fangen bei Forschungsvereinbarungen an und reichen bis zu Kapitaleinlagen über Investmentfirmen. Das Problem dabei ist, dass wir meistens gar nicht so genau hinschauen, wer dahinter steckt, und wir erkennen deshalb das Muster nicht. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Nuctech, die über Verzweigungen der China National Nuclear Corporation gehört, heute einer der größten Ausrüster von Cargo- und Fahrzeug-Scannern an europäischen Häfen, Flughäfen und Nato-Grenzen in 26 EU-Mitgliedsstaaten ist? Diese Firma ist in der Lage, hochsensible persönliche, militärische oder Frachtdaten zu sammeln.
Alles legal. Bleiben 20 illegale oder halb-illegale Methoden.
Das sind Vertragsbrüche, Spionage oder auch Patentverstöße. Oder sie bewegen sich in einer Grauzone. Dazu gehört beispielsweise die Verpflichtung von Chinesen, die aus dem Ausland zurückkehren, ihr Wissen mit dem Staat zu teilen. Auch jene Chinesen, die nicht zurückgehen, werden über zahllose Vereinigungen des Parteisystems, die der Einheitsfront zuarbeiten, an ihre moralischen Verpflichtungen erinnert. Unternehmen oder Forscher dürfen die Interessen des Vaterlandes nicht vergessen.
Manche Firmen loben aber, dass ihre Patente in China inzwischen besser geschützt werden.
Das mag der Fall sein, wenn es um Design geht oder Technologien, die nichts mit den zentralen Wirtschaftssektoren zu tun haben. In anderen Bereichen sieht das anders aus. Erst vor wenigen Tagen hat die EU bei der Welthandelsorganisation Klage eingereicht, weil sie die Schlüsseltechnologien europäischer Unternehmen nicht ausreichend geschützt sieht im Land.
China droht mit hohen Geldstrafen, wenn europäische Firmen bei Verstößen gegen deren Patente in Drittländern ihr Recht suchen.
Auf diese Art und Weise werden Firmen genötigt, sich mit Lizenzgebühren abspeisen zu lassen, während sich chinesische Mitbewerber ihre Technologie zu nutzen machen. Japan wird deshalb ab 2023 die übliche Patentveröffentlichung nach 18 Monaten in bestimmten Sektoren verbieten und Ausfallzahlungen an die betroffenen japanischen Unternehmen leisten.
Chinesische Investitionen in Deutschland haben in den vergangenen Jahren nachgelassen. Das sieht nicht nach großem Appetit auf deutsche Technologie aus?
Nach dem Kuka-Verkauf 2016 ist die deutsche Politik sensibler geworden und hat die Barrieren höher gezogen. Auch die wachsende Skepsis in Deutschland mahnt China zur Zurückhaltung. Aber Investitionen sind ja auch nur ein kleiner Teil des Technologie-Abflusses. Längst streckt China verstärkt seine Hände nach unseren Talenten aus. Das sind Leute mit bester Expertise, denen viel Geld gezahlt und fast alles an Forschung ermöglicht wird, was sie sich wünschen.
Wo sollten wir die Grenze ziehen bei Investitionen und Kooperationen aus und mit China?
Eine Leitlinie bieten uns die Fünfjahrespläne der chinesischen Regierung. Alles, was dort als Schlüsseltechnologien für bestimmte Sektoren aufgelistet ist, interessiert China in Deutschland besonders. Hier gilt es, allerhöchste Vorsicht walten zu lassen.
Eine größere Abschirmung würde nicht überall in Deutschland auf Gegenliebe stoßen. Manche Forscher und Unternehmen könnten das als Angriff auf ihre eigenen Interessen verstehen.
Das liegt auch daran, dass die existierende Gefahr einfach noch nicht klar genug kommuniziert wird. Unser Verhältnis zu China war in den vergangenen 20 Jahren davon geprägt, besonders nett zu sein und auch mal wegzuschauen. Aber wenn wir so handeln, werden wir hochgradig manipulierbar. Da stellt sich auch die Frage, ob dieses Wegschauen eigentlich respektvoll ist. Denn es bedeutet ja auch, dass wir China immer noch nicht ernst genug nehmen. Das sollten wir aber, denn das dortige System ist eine gewaltige Herausforderung für unsere offenen Gesellschaften.
Als Chinas Außenminister Wang Yi am Montag vor die Presse tritt, ist die Spannung groß. In Peking tagt der Nationale Volkskongress, es ist einer jener seltenen Momente im Jahr, in denen Chinas Führung an die Öffentlichkeit geht und ihre Pläne, Ziele und Vorhaben für das anstehende Jahr präsentiert (China.Table berichtete). Eine gute Gelegenheit für klare Worte.
Und die sind in der Außenpolitik derzeit auch dringend nötig: International wächst mit jedem Tag die Unzufriedenheit über das Verhalten von China im Russland-Ukraine-Konflikt (China.Table berichtete). Denn seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vollführt China einen nahezu atemberaubenden Balanceakt: Einerseits betont man das Festhalten an der Souveränität und Territorialität der Ukraine; andererseits scheut Peking davor zurück, den russischen Angriff zu verurteilen, der just diese Souveränität und Territorialität in Stücke reißt.
Doch an diesem Montagnachmittag ist es soweit, Wang Yi spricht in Peking Klartext – doch seine Worte fallen anders aus, als viele im Westen es sich erhofft haben. Auf die Frage, ob China endlich seinen Einfluss auf Russland nutzen werde, um den Kämpfen in der Ukraine ein Ende zu setzen, erwidert Wang: “Egal wie bedrohlich die internationale Lage aus sein mag, China und Russland werden ihre strategische Entschlossenheit aufrechterhalten und die umfassende kooperative Partnerschaft in der neuen Ära vorantreiben.”
Um Chinas Haltung zu verstehen, muss man genau hinhören: Worte wie Krieg, Invasion oder Überfall nimmt der Außenminister nicht in den Mund. Stattdessen spricht er von einem “Ukraine-Problem” oder der “Situation in der Ukraine”. Jene “Situation” habe “komplexe Ursachen”, vor allem müssten die “legitimen Sicherheitsbedürfnisse aller Parteien” beachtet werden. Aus chinesischer Sicht ist damit vor allem Russland gemeint.
Es ist ein Offenbarungseid, den Chinas Außenminister zu Wochenbeginn abliefert. Aus Sicht der Führung in Peking profitierten nicht nur China und Russland von der engen Freundschaft dieser beiden Staaten, sondern im Grund die ganze Menschheit. “Die chinesisch-russische Zusammenarbeit trägt zu Frieden, Stabilität und Entwicklung in der Welt bei.” Chinas Freundschaft zu Russland sei “felsenfest” und “eine der bedeutendsten bilateralen Beziehungen der Welt”. Mit diesen Worten sollte so manche Illusion im Westen endgültig zurechtgerückt sein.
Doch Wang übt durchaus auch Kritik – und zwar vor allem an den USA. Amerika verharre noch immer in der Mentalität des Kalten Krieges, schüre Konfrontationen und verursache Spaltung und Instabilität. So auch im Indopazifik, wo die US-Regierung derzeit versuche, eine neue “Version der Nato zu etablieren, um das US-geführte Hegemonie-System aufrechtzuerhalten”.
Mit Blick auf das menschliche Leid in der Ukraine fordert Wang, humanitäre Fragen dürften nicht “politisiert” werden. Vielmehr sollten die Kriegsparteien einen sicheren Zugang für humanitäre Hilfe gewährleisten. Auch das Rote Kreuz China werde Wang zufolge Hilfspakete in die Ukraine schicken.
Doch China bleibt sich auch an diesem Montag treu. Bei aller Treue zu Moskau will Peking nicht sein ganzes politisches Gewicht auf Putin setzen. Denn so eindeutig Wangs Ausführungen auch klingen, in China gibt es durchaus auch Kritik an Pekings Nähe zu Moskau. In einem offenen Brief verurteilten zuletzt Professoren der fünf renommiertesten Universitäten in China die völkerrechtswidrige Aggression Russlands und forderten ein Ende des Krieges in der Ukraine.
Auch Feng Yujun, Direktor des Zentrums für russische und zentralasiatische Studien an der Fudan-Universität in Shanghai, warnt: Russland versuche die Konfrontation zwischen China und den USA auszunutzen, um seine eigenen Ziele zu erreichen. China müsse aufpassen, denn einige Länder verfolgten in der aktuellen Krise ausschließlich ihre eigenen geopolitischen Ziele, sagte der Wissenschaftler im Interview mit dem chinesischen TV-Sender Phoenix.
Und so lässt auch Wang am Montag in Peking ein kleines Hintertürchen für China offen. Auf die Frage, ob Peking denn bereit sei, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, antwortete Wang: Chinas Staatspräsident Xi Jinping habe schon am 25. Februar mit Wladimir Putin telefoniert. In diesem Telefonat habe Xi seinen Wunsch ausgedrückt, dass Russland und die Ukraine so schnell wie möglich Friedensgespräche führen sollten. Putin habe positiv darauf reagiert – und seither hätten denn auch schon zwei Gesprächsrunden zwischen der Ukraine und Russland stattgefunden. Nun hoffe man, dass in der bevorstehenden dritten Gesprächsrunde weitere Fortschritte erzielt würden.
China sei jedenfalls vorbereitet, auch weiterhin eine konstruktive Rolle zu spielen, um einen Dialog für Frieden zu ermöglichen. Man werde weiter mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um eine Vermittlung zu ermöglichen. Details nannte der Minister aber nicht.
Zuletzt hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba gesagt, China habe seiner Regierung gegenüber ein Interesse signalisiert, “diesen Krieg zu stoppen”. Kuleba ist überzeugt: “Die chinesische Diplomatie hat ausreichende Instrumente, um einen Unterschied zu machen, und wir setzen darauf, dass ihre Bemühungen erfolgreich sein werden.”
Und auch in Europa ist man davon überzeugt. So sprach sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ebenfalls für eine Vermittlung Pekings aus (China.Table berichtete). “Es gibt keine Alternative”, sagte er der spanischen Zeitung El Mundo am Wochenende. Weder die Europäer noch die USA kommen Borrell zufolge derzeit als Vermittler infrage. “Es muss China sein.”
In der Tat wäre China prädestiniert dafür, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln – und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen ist China der wichtigste Partner Russlands – wirtschaftlich wie politisch. Xi und Putin bezeichnen sich als Freunde, die Partnerschaft zwischen beiden Länder kenne “keine Grenzen”.
Gleichzeitig ist aber auch die Ukraine ein wichtiger Partner Chinas. Seit 2020 ist das Land Mitglied der chinesischen “Belt-and-Road”-Initiative. Auch liefert es große Mengen an Getreide und Mais nach China. Zudem versorgt die Ukraine China mit wichtigen Rüstungsgütern wie Gasturbinen-Motoren für Lenkwaffenzerstörer oder mit Technologie für Luftkissenlandungsboote (China.Table berichtete).
Und zu guter Letzt ist es auch Chinas eigener Anspruch, als verantwortungsvoller Akteur in der internationalen Politik wahrgenommen zu werden. Folgt man allerdings Wang Yis Ausführungen in Peking, dann scheint China dazu noch nicht bereit.
Die westlichen Sanktionen gegen Russland nach dem Angriff des Landes auf die Ukraine haben auch die chinesischen Behörden auf den Plan gerufen. Die Devisenbehörde SAFE (State Administration of Foreign Exchange) in China habe Banken nach deren möglicher Belastung durch die Russland-Ukraine-Krise gefragt, sagten mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Dabei sei es um Geschäfte mit russischen Geldhäusern und den Umgang mit Risiken gegangen, sagten mit dem Vorgang vertraute Personen.
Thema sei auch eine mögliche Ausweitung von Sanktionen auch auf Banken in der Volksrepublik und Vorbereitungen auf solche Szenarien gewesen. Die SAFE wollte sich nicht äußern. Russische Unternehmen versuchen derzeit, wegen der Sanktionen auf chinesische Bankkonten auszuweichen. Westliche Regierungen schotten die russische Wirtschaft angesichts der Invasion in die Ukraine vom globalen Finanzsystem ab. rtr
Das chinesische Staatsfernsehen bleibt dem Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) weiterhin eine Erklärung für seine Zensur schuldig. Während der Liveübertragung der Eröffnungsfeier der Paralympics am vergangenen Freitag in Peking hatte CCTV auf die sonst übliche Simultanübersetzung der Eröffnungsrede des IPC-Präsidenten Andrew Parsons weitgehend verzichtet. Parsons hatte darin unter anderem die Invasion der Ukraine durch Russland scharf verurteilt.
Die allermeisten Fernsehzuschauer in der Volksrepublik dürften den Inhalt der Rede nicht verstanden haben. Nur ein kleiner Anteil der Bevölkerung spricht ausreichend gut Englisch. Zudem wurde Parsons Stimme von CCTV leiser geschaltet, als der darauf hinwies, dass der Olympische Friede während der Olympischen und Paralympischen Spiele einst durch eine UN-Resolution beschlossen worden ist. Die Simultanübersetzung begrenzte sich derweil auf die lobenden Worte Parsons über die Gastgeber.
Das IPC hat übers Wochenende eine Anfrage an CCTV gestellt und um Aufklärung gebeten. Bislang hat sich das staatliche TV-Netzwerk noch nicht geäußert. Die Regierung in Peking verzichtet auf eine klare Positionierung in dem Konflikt, sondern verwendet wachsweiche Floskeln, die Raum zur Interpretation lassen. grz
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in China steigt rasant an. Wie die zuständigen Behörden am Montag mitteilten, wurde zu Wochenbeginn die höchste Zahl an Neuinfektionen seit rund zwei Jahren gemeldet. Demnach wurden in Festland-China mehr als 500 neue Fälle registriert. Zuvor war es Peking gelungen, durch großflächige Lockdowns von mehreren Millionenstädten, strikte Kontrollen und Massentest, die Zahl der Infektionen auf nahezu Null zu drücken. Noch immer sind Chinas Grenzen weitestgehend geschlossen. Dennoch gebe es derzeit Ausbrüche in mehr als einem Dutzend Städten, wie die Gesundheitsbehörden am Montag mitteilten.
Inzwischen ist laut Experten absehbar, dass die von Peking verordnete “Null Covid”-Strategie, die monatelang keine oder kaum Neuinfektionen zur Folge hatte, nicht mehr überall verfängt. Zudem werden zunehmend Zweifel an der Wirksamkeit der chinesischen Corona-Impfstoffe laut.
Hinzukommt die dramatische Situation in Hongkong (China.Table berichtete). Die dortigen Infektionszahlen sind in der Pekinger Statistik nicht erfasst. In der Sonderverwaltungszone gerät die Lage zunehmend außer Kontrolle: Die Infektionszahlen steigen rasant, die Krankenhäuser stehen vor dem Kollaps. Als Reaktion verhängen auch die Hongkonger Behörden immer drastischere Maßnahmen. Allerdings sind in Hongkong weniger als die Hälfte der Bevölkerung zweimal gegen das Coronavirus geimpft. rad
Heute lacht Angela Stanzel über ihren Irrtum: Mao Zedong ist Gott. Als sie noch ein Kind war, hatte sie das einen Moment lang geglaubt. Auf einer Chinareise mit der Familie blickte sie staunend an einer gigantischen Statue des “Großen Vorsitzenden” empor. Die schiere Größe des Denkmals nahm sie gefangen. Also fragte sie ihre Eltern: Ist das Gott? Doch die lachten nur und klärten den Irrtum auf.
Heute ist es Angela Stanzel, die andere aufklärt, wenn es um Fragen und Einschätzungen zu China geht. Die Wissenschaftlerin von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin zählt zu den renommiertesten China-Expertinnen in Deutschland. Wie kaum eine andere verbindet die 41-Jährige ihre akademische Ausbildung der Sinologie mit der Lebenserfahrung, die sie im Reich der Mitte gesammelt hat.
Geboren wird sie in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Ihre Mutter ist Taiwanerin, ihr Vater deutscher Diplomat. Regelmäßig bereist die Familie die Heimat der Mutter. Von 1985 bis 1987 leben die Stanzels im Jemen, wo Vater Volker Stanzel an der deutschen Botschaft arbeitet. Im Jahr 1990 wird er Kommunikationschef an der Botschaft in Peking, die vierköpfige Familie zieht erneut aus Bonn weg.
Damals ist Angela zehn Jahre alt. China ist in Aufruhr. Nur ein Jahr zuvor hat das chinesische Militär die studentische Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen. Angela bekommt von den Spannungen im Land nur wenig mit. Sie besucht in der Hauptstadt eine deutsche Schule, Kontakt zu Einheimischen hat sie selten. “Ein Jahr nach dem Tiananmen-Massaker haben wir dort als Ausländer in einer Bubble gelebt”, erzählt sie. Dennoch fühlt sie sich in China wohl und kehrt 1993 nur widerwillig mit der Familie nach Bonn zurück. “Ich war damals rebellisch und wütend auf meine Eltern, weil sie mich einfach überall mithin geschleppt haben.”
Noch in Teenagertagen zieht sie von zu Hause aus. In Berlin macht sie ihr Abitur, kellnert eine Weile und beschließt dann, Sinologie zu studieren. “Ich hatte die Chinesisch-Kenntnisse meiner Kindheit schon wieder verloren und dachte, ich kenne die chinesischen Wurzeln in mir nicht gut genug.”
Dann, im Jahr 2004, zieht es sie erneut nach Peking. “Eigentlich wollte ich nur für ein Sprachjahr dorthin, aber irgendwie sind aus dem einen Jahr sechs Jahre geworden. Zwei bis drei Jahre brauche man, um vollständig in das dortige Leben einzutauchen”, sagt sie. Sie arbeitet für eine deutsche Eventagentur und organisiert für die deutsche Botschaft Veranstaltungen im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008. “Ich habe es genossen, mir dort etwas aufzubauen.” Vom Leben in einer Bubble kann keine Rede mehr sein. Nur für die Magisterprüfung reist sie später einmal kurz nach Deutschland.
Erst für ihre Doktorarbeit über chinesisch-pakistanische Beziehungen kommt sie 2009 ganz nach Europa zurück. Aber sesshaft wird sie noch nicht. Als Asien-Expertin verschiedener Think-Tanks in Berlin und Brüssel reist sie zunächst viel in Europa umher, bis sie Anfang 2020 bei der SWP zu arbeiten beginnt. “Ich wollte den deutschen Arbeitsalltag kennenlernen. Und ich sehnte mich nach Beständigkeit”, sagt sie.
Heute scheint China so weit weg wie selten in ihrem Leben. “Ich befürchte, dort zukünftig nicht mehr hinzukommen.” Dabei würde sie ihrer dreijährigen Tochter das Land gerne bald zeigen. “Als kritische Wissenschaftlerin begibt man sich in China in Gefahr. Man kann dort willkürlich festgesetzt werden, etwa wenn ein Exempel statuiert werden soll.” Als Beispiel nennt sie Michael Kovrig. Die Inhaftierung und Verurteilung des Kanadiers wegen vermeintlicher Spionage gilt als Vergeltung für die zeitweilige Festnahme einer chinesischen Huawei-Managerin in Vancouver. Kovrig forschte als Nordostasien-Experte für die Nichtregierungsorganisation International Crisis Group.
Stanzel kritisiert China mitunter in deutlichen Worten. Die Menschenrechtslage aktuell sei so prekär wie nie zuvor. Zudem wirft sie dem Land geopolitischen Provokationen vor. “Peking ist Urheber von Konflikten mit seinen Nachbarn, wie etwa im chinesisch-indischen Grenzgebiet, im Ost- und Südchinesischen Meer oder durch seine Bedrohung Taiwans. Das Potenzial einer Eskalation ist seit der Machtübernahme Xi Jinpings auffällig gestiegen”, schreibt sie im Magazin Internationale Politik.
Mit Xis Amtsantritt im Jahr 2013 habe sich auch die Stimmung im Land gewandelt. “Sein Nationalismus verankert sich zunehmend in der Bevölkerung”, sagt Stanzel. Europäer würden nun häufiger diskriminiert als früher. Nicht immer hielten Pekinger Taxis für Ausländer an. “Viele Chinesen sehen nur noch ein Land mit ihnen auf Augenhöhe: die USA.” Andreas Schulte
David Chu steigt bei dem chinesischen Risikoinvestor Qiming Venture Capital als Partner ein. Qiming verwaltet 6,2 Milliarden Dollar an Investorengeld.
Joe Sery, der frühere Besitzer des US-Unternehmens Tungsten Heavy Powder & Parts, wurde verhaftet. Die Firma soll Waffenteile illegal nach China geliefert haben.
Schon Kaiser Qianlong 乾隆帝 reiste nur zu gerne an den “Schlanken Westsee” (瘦西湖) in Yangzhou. Am Ufer sitzend erfreute er sich an seinem Erfolg beim Angeln. Inzwischen zählt der See zu Chinas AAAAA-Touristenattraktionen. Mehr A geht nicht. Ein kurzer Blick genügt, um zu wissen, warum.