Table.Briefing: China

Interview Stefan Liebich + Pekinger Mietpreisbremse

  • Stefan Liebich zur China-Politik der Linken
  • Peking deckelt Mietpreise für bezahlbare Wohnungen
  • Evergrande-Chef Xu versucht Vertrauen wieder herzustellen
  • Baidu plant eigenes Roboter-Lkw
  • IfW Kiel: Containerstaus trübt weltweiten Handel
  • China liegt bei Innovationen hinter Schweden und USA
  • Xi vor der UN: China fördert keine Kohleprojekte mehr im Ausland
  • Im Potrait: Nora Sausmikat zu Chinas Rolle in der Welt
Liebe Leserin, lieber Leser,

in seiner gestrigen Videobotschaft an die UN-Vollversammlung hat Chinas Staatspräsident Xi Jinping daran erinnert, dass Demokratie ein Wert ist, der auf der ganzen Welt geteilt wird. Es ist ein klassisches Beispiel dafür, wie autokratische Systeme kontinuierlich versuchen, zentrale Begriffe der Definition für liberale Staaten für sich selbst zu besetzen. Ihre Absicht ist es, uns zu verwirren, damit die Grenzen unserer Wahrnehmung verwischen.

Vielleicht hat die Linkspartei auch deshalb ein gespaltenes Verhältnis zur Volksrepublik China. Einige ältere Mitglieder ihrer Bundestagsfraktion freuen sich über den steilen Aufstieg eines Landes, das irgendwann einmal als sozialistisch galt. Andere wiederum können die staatskapitalistische Diktatur nicht ausstehen. Unter diesen Bedingungen tut sich die Fraktion schwer, eine gemeinsame Position zu formulieren, wie ihr früherer außenpolitischer Sprecher Stefan Liebich im Interview mit Felix Lee einräumt.

Nun sind wir in demokratischen Staaten zwar zurecht stolz auf unsere öffentliche Meinungsvielfalt. Nur leider ist sie im politischen Umgang mit der Volksrepublik ein folgenschweres Dilemma. Denn eine der Stärken des chinesischen Regimes ist es, die Zerrissenheit im Ausland zu ihren Gunsten zu nutzen. Überall dort, wo die andere Seite uneins ist, stößt die Kommunistische Partei Chinas in diese Lücken, um die Wahrnehmung ihres Handelns und die Bedingungen der Zusammenarbeit selbst zu gestalten. Solange sich zwei streiten, freuen sich die Chinesen. In der EU kann man davon ein Lied singen – sogar im Kanon.

Vielleicht ändern einige Linke ihre negative Haltung gegenüber der Volksrepublik ja auch wieder. Immerhin tritt die zweitgrößte Volkswirtschaft jetzt auf die Mietpreisbremse, wie unsere Autoren aus Peking zu berichten wissen. Und davon können die Linken in Berlin doch ihrerseits ein Liedchen singen. Na gut, ein Klagelied.

Einen guten Start in den Tag wünscht Ihnen

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

“Merkels Kurs war nicht der schlechteste”

Stefan Liebich China
Stefan Liebich, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag

Herr Liebich, als stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe sind Sie mehrfach in China gewesen und waren angetan von der dortigen Entwicklung. Hätten Sie erwartet, dass Chinas Führung wieder so rigoros gegen Freiheitsrechte vorgeht wie zu Maos Zeiten?

Ich war wie viele Andere fasziniert von der Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstandsgewinns. Ich fand es auch erwartbar, dass eine solche Entwicklung einhergeht mit einer selbstbewussteren Rolle auf der internationalen Bühne. Womit ich aber nicht gerechnet habe, ist, wie sehr sich die autoritären Tendenzen nach innen verstärken würden. Die Aufhebung der Amtszeitbegrenzung von Staatschef Xi Jinping halte ich für eine bedrohliche Entwicklung. Es gab ja gute Gründe, nach den Erfahrungen mit Mao die Amtszeitbegrenzung einzuführen.

China ist kapitalistischer als Deutschland. Offiziell wird die Volksrepublik noch immer von einer Partei regiert, die sich als kommunistisch bezeichnet. Wie sehen Sie das Land?

Meines Erachtens beschreibt Staatskapitalismus das System in China besser. Wir sehen dort den Kapitalismus im schlechten Sinne, zugleich fehlt dort die bürgerliche Demokratie – also das Schlechte aus zwei Welten. Trotzdem gibt es in China auch Kommunisten im positiven Sinne, also Menschen, die für Armutsbekämpfung und Gerechtigkeit eintreten. Die KP in China würde ich aber nicht als kommunistisch beschreiben. Das scheint mir dann doch nur eine Art Marke zu sein.

Zu Russland positioniert sich Ihre Partei recht eindeutig. Wie wird in Ihrer Partei über China diskutiert?

Es gibt keine einhellige Positionierung. Wir haben noch einige ältere Mitglieder, die sagen: Wie schön, dass immerhin ein großes Land von der alten sozialistischen Welt übrig geblieben ist. Und es ist auch noch so stark, dass es den Westen übertrifft. Es gibt aber auch jene, die übertrieben antichinesisch sind. Die meisten Leute bei uns schauen auf China so wie ich: Sie sehen ein Land, in dem bestimmte Freiheiten, die uns wichtig sind und für die wir uns einsetzen, massiv eingeschränkt werden. Als im vergangenen Jahr in Leipzig der EU-China Gipfel geplant war, hatte unser Jugendverband den Gegengipfel mitorganisiert.

Wäre eine eindeutige Positionierung nicht erstrebenswert?

Als außenpolitischer Sprecher habe ich versucht, unsere Position zu China in eine Richtung zu lenken wie eigentlich bei allen Ländern: Wir sind nicht für oder gegen ein Land, sondern wir beurteilen politische Entwicklungen. Wir sind nicht auf der Seite der Milliardäre und Oligarchen, sondern auf der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter. Es gibt Dinge, da hat China eine gute Rolle gespielt, etwa als es sich früh gegen Interventionismus auf globaler Ebene gewendet hat. Aber es gibt Punkte, wo China massive Kritik verdient: im Umgang mit Hongkong und Xinjiang, aber auch, wenn es die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Den Haag im Konflikt um das Südchinesische Meer nicht anerkennt.


Anders als bei anderen Parteien scheint China in Ihrer Partei keinen hohen Stellenwert zu haben.

Die Fokussierung auf Russland ist bei uns noch immer stärker ausgeprägt. Die meisten in meiner Partei haben aber verstanden, dass China auf der globalen Bühne inzwischen wichtiger ist. Eine Bemerkung zu den anderen Parteien: Bei den Grünen ist die menschenrechtliche Sicht auf China traditionell sehr stark und das ist auch okay. Auf EU-Ebene jedoch Reden halten über den wachsenden Einfluss Chinas und dann dabei zuschauen, wie mit grüner Regierungsbeteiligung weitere Infrastruktur an China verkauft wird – das ist dann aber auch inkonsequent.

Worüber ich mich ebenfalls ärgere: Bei der Euro-Krise wurde Griechenland ungeheuer unter Druck gesetzt, Staatsbesitz zu privatisieren, dann aber waren die Tränen in Deutschland groß, als das chinesische Staatsunternehmen Cosco den Hafen von Piräus kaufte. Ich glaube, wir befinden uns alle in einer Phase der Neujustierung. Die Definition, China sowohl als Wettbewerber als auch als Partner und systemischen Rivalen zu betrachten, trifft es meines Erachtens ganz gut.

Was davon steht für Sie im Vordergrund?

Wir dürfen bei unseren Positionen zur Verteidigung von Menschenrechten keine Abstriche machen. Wir dürfen uns auch nicht einschüchtern lassen – auch nicht, wenn China mit wirtschaftlichen Konsequenzen droht. Ich bin allerdings vehement dagegen, in die alten unsinnigen antikommunistischen Reflexe zu verfallen. Es gibt Punkte, wo wir weltweit mit allen – auch mit monarchisch regierten Königreichen und Diktaturen – zusammenarbeiten müssen, nicht zuletzt beim Kampf gegen den Klimawandel.

Mich nervt dieses doppelte Maß: Als die EU im Frühjahr Sanktionen gegen China verhängte, fand ich den Anlass durchaus nachvollziehbar. Zugleich stellte sich aber die Frage, warum wir keine Sanktionen etwa gegen Saudi-Arabien erheben. Wir müssen sehr darauf achten, die Menschenrechtsfrage nicht zum Vehikel zur Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen zu machen und ihre Durchsetzung dadurch einer Beliebigkeit anheimzustellen.

Ich bin ein Verfechter der friedlichen Koexistenz. Wir haben es nicht in der Hand, das chinesische System zu verändern, schon gar nicht militärisch. Vielmehr müssen wir auf globaler Ebene Regeln verabreden, an die sich unterschiedliche Systeme ohne Ausnahme zu halten haben.


Hongkongs Autonomiestatus war den Menschen nach der Rückgabe von Großbritannien an China völkerrechtlich zugesichert worden. Peking hat diese Vereinbarung gebrochen. Wie sollte man Ihres Erachtens nun mit einem Land umgehen, das sich an Vereinbarungen nicht hält?

Das Völkerrecht wird immer dann herangezogen, wenn es gerade passt. Als die Türkei völkerrechtswidrig in Syrien eingefallen ist, um dort die Kurden zu bekämpfen, sind die Waffenlieferungen an die Türkei ohne Zögern weitergegangen. Bei Russland gab es völlig zu Recht breite internationale Kritik an der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Und auch bei Hongkong finde ich die Kritik berechtigt.

Ich habe allerdings klargestellt, dass ich niemanden unterstütze, der die vergangenen Zeiten als Kolonie rosarot malt. Unter britischer Administration konnte die Bevölkerung in Hongkong ihre Regierung nicht frei wählen. Durch das Versprechen, ein Land zwei Systeme, hat man den Hongkongern Hoffnungen gemacht, die jetzt nicht erfüllt werden. Für sie sind die jüngsten Entwicklungen ein krasser Rückschritt. Ich bin dafür, dass wir den oppositionellen Kräften unsere Unterstützung geben.


In den USA ist von Decoupling die Rede, also sich wirtschaftlich von China lösen. Die Bundesregierung ist kein Fan davon. Die deutschen Geschäfte in China laufen zu gut.

Es war ein Fehler, sich in zu starke Abhängigkeiten von China zu begeben. Das haben wir alle zu Beginn der Pandemie schmerzhaft gemerkt. Es ist der Preis des globalen Kapitalismus, wenn man immer da kauft, wo am günstigsten produziert wird. Und plötzlich hatten wir ein Riesenproblem, weil Europa keine eigenen Masken mehr herstellen konnte. Wir sollten schon darauf achten, dass Dinge, die einem wichtig sind, auch autark hergestellt werden können.

Decoupling im Sinne von jeder macht seins, halte ich in dieser Welt weder für möglich, noch für sinnvoll. Dass man sich aber als Firma in eine Situation begibt, wo man abhängig ist von dem, was die chinesische Führung sagt, ist natürlich falsch. Wenn VW auf Druck der Regierung das Social-Scoring-System einführt, fragt man sich schon, was das Reden über universelle Werte praktisch bedeutet.

Wie stehen Sie zu Sanktionen?

Zum Thema Sanktionen hat unsere Partei keine konsistente Position. Wir sind uns aber einig, dass es nicht sinnvoll ist, mit militärischen Mitteln etwas erreichen zu wollen. Jetzt wendet sich die NATO verstärkt China zu, das ist nicht nur vom Namen des Militärbündnisses her völlig falsch. Schon dass die Bundeswehr jetzt eine Fregatte ins Südchinesische Meer schickte, ist völliger Kokolores. Wenn krasses Fehlverhalten individuell und klar zuzuordnen ist, kann ich mir konkrete Sanktionen vorstellen. Wirtschaftssanktionen, die die gesamte Bevölkerung treffen, halte ich für falsch.

Die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel hat im Umgang mit China genau das getan, nämlich auf Dialog und weniger Konfrontation gesetzt. War ihre China-Politik der richtige Umgang?

Ich finde schon. Ich habe Sie auf einigen China-Reisen begleiten können. Sie wusste genau die kritischen Punkte anzusprechen und hat das auch getan. Merkel ist sicherlich nicht jemand, die sich mit einem Transparent auf den Platz des Himmlischen Friedens stellt. Aber sie weiß, in welcher Runde man was und wie gesichtswahrend anspricht. Und da hat sie sich dann auch klar positioniert. Das Problem ist eher, dass die EU zu keiner gemeinsamen Sprache findet …

… weil Merkel eine konfrontative China-Kritik blockiert.

Sie hat versucht, die EU auf einen gemeinsamen Kurs zu verpflichten. Bei der Frage der Menschenrechte sind die EU-Länder in völlig verschiedene Richtungen gelaufen, und da fand ich Merkels Kurs nicht den schlechtesten. Allerdings fand ich die Vereinbarung des EU-China-Investitionsabkommens CAI kurz vor der Wahl des US-Präsidenten nicht klug. Jetzt liegt das Abkommen auf Eis; hängen geblieben ist aber, dass es der EU egal ist, was in Hongkong, Xinjiang und Taiwan passiert. Hauptsache der Yuan rollt.

Stefan Liebich, 49, ist seit 2009 Bundestagsabgeordneter der Linken und stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe. Bis zum vergangenen Jahr war Liebich zudem außenpolitischen Sprecher seiner Fraktion. Für den neuen Bundestag hat er nicht mehr kandidiert. 

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Mietpreisbremse soll Wohnen erschwinglicher machen

Für Mieter in China gibt es gute Nachrichten. Die Regierung will dem Wachstum explodierender Mietpreise Grenzen setzen und gleichzeitig die Rechte von Mietern stärken. Künftig sollen der Preismechanismus des Marktes vollständig außer Kraft gesetzt werden und die Mieten laut Plan pro Jahr nicht mehr als fünf Prozent steigen dürfen (China.Table berichtete).

Chinas Vize-Wohnungsbauminister Ni Hong begründet die Notwendigkeit der Mietpreisbremse damit, dass sich die Begebenheiten auf dem chinesischen Immobilienmarkt geändert hätten. Anders als etwa in Deutschland war und ist es in China üblich, schon in sehr jungen Jahren eine eigene Wohnung zu kaufen. In jüngster Vergangenheit haben die Preise aber ein so hohes Niveau erreicht, dass Kaufen für viele junge Leute nicht mehr finanzierbar ist.

Im südchinesischen Shenzhen beispielsweise muss ein Angestellter heutzutage das 43,5-fache des durchschnittlichen Monatslohns in der Stadt auf den Tisch legen, um sich ein Apartment leisten zu können. Entsprechend gewachsen ist die Nachfrage nach Mietwohnungen und damit auch deren Preise. Laut Ni mieten in den Großstädten mittlerweile 70 Prozent der neu Zugezogenen und jungen Leute eine Wohnung, statt sie zu kaufen.

“Neue Stadtbewohner und junge Menschen haben erst seit relativ kurzer Zeit gearbeitet und verfügen über ein geringes Einkommen, sodass ihre Kapazität, eine Wohnung zu kaufen oder die Miete zu zahlen, zu gering ist”, sagte Ni bei der Vorstellung der Mietdeckelungspläne. Das neue Regelwerk soll dazu führen, dass Mieten künftig langsamer steigen.

Mieten gilt nicht mehr als verpönt

Mieten galt lange als verpönt, da das eigene Apartment in China als ein noch größeres Statussymbol als das eigene Auto und zudem als Basis für die Altersvorsorge gilt. Doch die rasante Preisentwicklung der vergangenen Jahre macht den Traum von der eigenen Immobilie für zunehmend viele Menschen unerschwinglich, und das Mieten wird für viele zur einzigen Alternative.

Wer vor drei Jahrzehnten in Peking die Chance nutzte und wenige Hundert Yuan pro Quadratmeter in ein Apartment investierte, hat dagegen ein Vermögen gemacht. Natürlich ist über die Jahre auch das Leben viel teurer geworden – die Rendite kann sich trotzdem sehen lassen: Denn heute liegt der Durchschnittspreis einer Wohnung im Zentrum von Peking bei über 100.000 Yuan (etwa 12.800 Euro) pro Quadratmeter. Außerhalb des Zentrums müssen immerhin rund 50.000 Yuan gezahlt werden. Ähnlich sieht es in anderen Großstädten aus.

Seit Jahren hat die Regierung auf dem Immobilienmarkt mit zwei Problemen zu kämpfen: Die Kaufpreise sind unaufhaltsam gestiegen und die Normalverdiener in den Städten dadurch immer weiter in die Außenbezirke gedrängt worden. Das zweite Problem: In Erwartung hoher Einnahmen hat die Bauindustrie fleißig Kredite aufgenommen. Doch weil die Immobilienfirmen in einigen Regionen ihre überteuerten Häuser nur schlecht loswerden, bleiben ihnen die Einnahmen aus. Auch die massive Schieflage des zweitgrößten chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande, den 300 Milliarden US-Dollar Schulden drücken, gehen zum Teil auf diese Fehlkalkulation zurück (China.Table berichtete).

Evergrande droht die Pleite

Peking hat den Konzernen “drei rote Linien” aufgezeigt. So darf das Verhältnis von Verbindlichkeiten zu Vermögenswerten nicht mehr als 70 Prozent betragen. Hinzu kommt, dass der Nettoverschuldungsgrad nicht bei mehr als 100 Prozent liegen soll. Die dritte von der Regierung gezogene rote Linie betrifft das Verhältnis von liquiden Mitteln zu kurzfristigen Verbindlichkeiten der Unternehmen, die über dem Faktor 1 liegen muss. Bereits im April dieses Jahres konnte Evergrande keine der drei Auflagen mehr einhalten und erhielt daraufhin keinen Zugang mehr zu neuen Krediten. Nun droht die Pleite.

In Staatsmedien ist von einer “umfassenden Säuberung des Immobilienmarktes” die Rede. So soll vielerorts mit strengeren Regeln bei der Kreditvergabe erreicht werden, dass Wohnungen nicht mehr im gleichen Ausmaß wie bisher zur Spekulation gekauft werden. Beispielsweise ist die Anzahl der Wohnungen, die eine Person offiziell besitzen darf, limitiert. Auch die Zinsen für Immobilienkredite wurden zeitweise erhöht. Das Angebot an bezahlbarem Wohnraum soll “effektiv gefördert” und das Angebot an “erschwinglichen Mietwohnungen vergrößert” werden, heißt es im Fünfjahresplan. Es müsse darauf bestanden werden, “dass Häuser zum Wohnen und nicht zum Spekulieren genutzt werden.” 

Immobilienplattformen im Visier

In den vergangenen Monaten haben chinesische Großstädte auch zahlreiche  Maßnahmen verkündet, um die Rechte von Mietern besser zu schützen. Dazu gehört auch ein Verbot für Vermieter, Kautionen in Höhe von mehr als einer Monatsmiete zu verlangen. Die Behörden gelobten auch, gegen missbräuchliche Praktiken von Immobilienfirmen und Online-Immobilienplattformen vorzugehen, etwa gegen unverhältnismäßig hohe Vermittlungsgebühren für Mieter.

Das Eingreifen der Regierung macht sich bereits nach wenigen Wochen bemerkbar. Wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter Analysten ergab, wird sich das Wachstum der Eigenheimpreise in China in diesem Jahr voraussichtlich stärker verlangsamen, als ursprünglich erwartet worden war. Gerechnet wird aktuell nur noch mit einem durchschnittlichen Preisanstieg um 3,5 Prozent, nachdem Beobachter im Juni noch von einem Anstieg von 4,9 Prozent im Gesamtjahr ausgegangen waren. Joern Petring/Greogor Koppenburg 

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News

Evergrande will “dunkelste Stunde” hinter sich lassen

Nachdem der Aktienkurs des südchinesischen Immobilienentwicklers Evergrande auch am Dienstag deutlich eingebrochen war, hat Xu Jiayin (China.Table berichtete), Verwaltungsratschef des von der Zahlungsunfähigkeit bedrohten Immobilienriesen, in einem Brief an seine Mitarbeiter Zuversicht verbreitet. Es sei sicher, dass das Unternehmen “seine dunkelste Stunde” hinter sich lassen werde, schrieb Xu, dessen kantonesischer Name Hui Ka Yuan lautet. Lokale Medien hatten am Dienstag darüber berichtet.

Zugleich versprach er, das Unternehmen werde Immobilienprojekte wie versprochen beenden und seiner Verantwortung gegenüber Käufern, Investoren und Banken nachkommen. Ein Sprecher von Evergrande, Chinas zweitgrößtem Immobilienentwickler, bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters den Inhalt des Briefes.

Bereits im Juni war das Unternehmen mit Anleihen-Zinszahlungen in Verzug geraten. Erst Anfang des Monats hatte Evergrande vor neuen Liquiditäts- und Ausfallrisiken gewarnt (China.Table berichtete). Evergrande hat einen Schuldenberg von über 300 Milliarden US-Dollar angehäuft und jüngst angekündigt, Investoren seiner Vermögensverwaltungsprodukte mit Immobilien auszahlen zu wollen.

Die Aktie des einstigen Vorzeigeunternehmens ist seit Jahresbeginn um mehr als 84 Prozent eingebrochen und hatte zu Wochenbeginn auf die Stimmung der Anleger an den Börsen in New York, Frankfurt, Hongkong und Tokio gedrückt. niw

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Baidu bringt Roboter-LKW auf den Markt

Der chinesische Internetkonzern Baidu weitet seine Ambitionen in der Elektromobilität aus. Das Unternehmen, das Chinas gleichnamige und größte Internet-Suchmaschine betreibt, hat die Serienproduktion eines vollelektrischen LKW angekündigt. 2023 soll der sogenannte “Roboter-LKW” Xingtu auf den Markt kommen. Das Fahrzeug wird zunächst mit dem Automatisierungsgrad Level 3 ausgestattet sein, der später auf Level 4 erhöht werden soll. Level 3 ermöglicht autonomes Fahren in Staus oder auf Autobahnen. Sein System führt Vorgänge wie Blinken, Spurwechsel oder Spurhalten selbständig durch, ohne dass der Fahrer das System ständig überwachen muss.

Baidu hat den Xingtu in einem Gemeinschaftsunternehmen namens DeepWay zusammen mit dem chinesischen Finanzdienstleister Lionbridge entwickelt. Attraktiv für Kunden soll ihn neben seiner fortgeschrittenen Selbstfahrtechnologie auch das Akkuwechsel-System machen, mit dem die Batterie des Fahrzeugs binnen weniger Minuten ausgetauscht und auf mögliche lange Ladezeiten verzichtet werden kann.

Baidu arbeitet schon seit 2013 an der Selbstfahrtechnologie Apollo, die vornehmlich in Elektroautos zum Einsatz kommen soll. Im März gründete das Unternehmen ein Joint Venture mit dem privaten Autobauer Geely, das sich auf die Entwicklung und Produktion von E-Autos spezialisiert und im kommenden Jahr sein erstes Modell auf den Markt bringen möchte (China.Table berichtete). grz

  • Autoindustrie

IfW Kiel: Warenhandel stagniert durch Hafenstaus

Die Schließung der Häfen Ningbo-Zhoushan und Yantian in China machen sich für den globalen Handel negativ bemerkbar. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) schätzt mit seinem Kiel Trade Indicator für 75 Länder weltweit die Handelsflüsse und hat aktuell berechnet, dass anhaltende Staus vor den Containerfrachthäfen zu einer Stagnation des internationalen Warenverkehrs führen (China.Table berichtete).

“Die Terminal-Schließungen in China hinterlassen ihre Spuren und dämpfen den Warenaustausch. Eine nachhaltige Entspannung der Lage zeichnet sich nicht ab, das trübt die Aussichten für den internationalen Handel. Dies dürfte sich über steigende Preise und anhaltende Engpässe bei bestimmten Waren bemerkbar machen, auch im Weihnachtsgeschäft”, sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator. “Weihnachten fällt nicht aus, aber gerade bei Produkten aus China und Asien sind fehlende Lieferungen oder höhere Preise zu befürchten”, warnt Stamer weiter.

Während Chinas Exporte im September laut dem Kiel Trade Indicator nominal und saisonbereinigt zwar ein Plus von 6,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat verzeichnen, stagnieren der Export aus Deutschland und der Welthandel. Auch die Exporte der EU sind nicht über das Niveau des Vormonats hinauskommen (-0,1 Prozent), die Importe liegen etwas im Plus (+0,7 Prozent). Für die USA weist der Kiel Trade Indicator in beide Handelsrichtungen leicht negative Bilanzen aus (Exporte: -0,5 Prozent; Importe: -0,7 Prozent).

Das Frachtvolumen im Roten Meer – der wichtigsten See-Handelsroute zwischen China und Europa – liegt gegenwärtig 14 Prozent niedriger als unter normalen Umständen zu erwarten wäre, warnt das IfW. niw

  • Handel
  • IfW
  • Schifffahrt

Technologie-Patente: China weltweit auf Rang zwölf

Trotz Ambitionen auf die Technologie-Führerschaft im 21. Jahrhundert zählt die Volksrepublik China nicht zu den Top Ten der innovativsten Volkswirtschaften in diesem Bereich. Im jährlichen Global Innovation Index der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) hat sich China zwar um zwei Plätze verbessert, rangiert aber aktuell immer noch nur auf Rang zwölf. Die ersten vier Plätze belegen die Schweiz, Schweden sowie die USA und Großbritannien.

Das WIPO-Ranking bewertet die technologische Innovationskraft von 132 Ländern. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Patentanmeldungen bei der WIPO trotz der Corona-Krise um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Südkorea als Nummer fünf und Singapur auf Platz acht rangieren in Asien noch vor der Volksrepublik. Vietnam, Thailand und den Philippinen bescheinigt die WIPO wegen deren großer Fortschritte derweil das Potenzial. “die globale Innovationslandschaft für immer zu verändern.”

In Schlüsselindustrien muss die Welt dennoch mit China rechnen. Zahlen des Cyber Creative Institute in Tokio schreiben dem Land 40 Prozent aller weltweiten Patentanmeldungen im Zusammenhang mit der künftigen 6G-Technologie im Mobilfunk zu (China.Table berichtete). 6G soll zehnmal schneller sein als die 5G-Technologie und etwa ab dem Jahr 2030 kommerziell genutzt werden können. grz

  • 6G
  • Patente
  • Technologie
  • WIPO

Xi: Keine Kohleprojekte mehr im Ausland

Staats- und Parteichef Xi Jinping sicherte bei seiner Videobotschaft bei der 76. UN-Vollversammlung gestern zu, dass sein Land keine Kohleprojekte mehr im Ausland finanzieren will, um den weltweiten Klimawandel einzudämmen.

Vor der Rede war die Ankündigung bei der Global Times, dem Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, eine der Top 5 Nachrichten. Ursprünglich beabsichtigte Xi, sich vertreten zu lassen, verkündete dann aber doch die Positionen der Volksrepublik in einer aufgezeichneten Videoansprache.

China hatte bei der UN-Vollversammlung im vergangenen Jahr erstmals ein Zieldatum für Klimaneutralität gesetzt. “Wir streben einen Wendepunkt bei den CO2-Emissionen vor 2030 und Kohlenstoff-Neutralität vor 2060 an”, so hatte Xi im vergangenen Jahr in seiner Videobotschaft angekündigt und sich damit hinter das Pariser Klimaschutzabkommen gestellt. niw

  • Geopolitik
  • Klima
  • Xi Jinping

Presseschau

Xi’s army: from ‘hiding and biding’ to building China’s dream THE GUARDIAN
Biden to tell UN he doesn’t want new Cold War with China INDEPENDENT
China: Is Evergrande too big to fail? BBC
China Tech Crackdown Is India’s Gain, Venture Investor Says BLOOMBERG
Plateau-stationed border troops celebrate Mid-Autumn Festival, remembering duty GLOBAL TIMES (STAATSMEDIUM)
Weltmacht: Lässt Peking sich einbinden? FAZ (PAY)
China wird Mitinhaber eines Hamburger Hafenterminals WELT
Mögliche Spur nach China: Mutmaßlicher Hackerangriff bremst Opposition gegen Orbán aus SUEDDEUTSCHE (PAY)
Alibaba: Die nächsten Tiefpunkte DER AKTIONÄR
Mit Aukus baut Joe Biden an seiner Allianz-Struktur – Peking reagiert mit einer wirtschaftspolitischen Offensive NZZ (PAY)

Portrait

Nora Sausmikat – ein Leben für Chinas Zivilgesellschaft

Nora Sausmikat, Leiterin China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald e.V.
Nora Sausmikat, Leiterin China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald e.V.

Als Nora Sausmikat Ende der Achtziger Jahre im alten Teehaustheater von Chengdu auf der Bühne steht, berichten Zeitungen und Fernsehen über die junge Europäerin, die Chinesische Oper beherrscht. Sie hat lange für diesen Moment trainiert. Sausmikat trägt einen riesigen, bunten Kopfschmuck und ein traditionelles Kostüm, führt Kopfstimme und Akrobatik auf. “Ich habe mich gefühlt wie ein kleiner Star”, sagt sie.

In Chengdu verbringt die Sinologie-Studentin ab 1988 einen zunächst unbeschwerten Auslandsaufenthalt, unterrichtet junge Chinesen in Englisch, entdeckt köstliche Lebensmittel auf dem Markt hinter der Sichuan-Universität. China und seine Kultur, vor allem aber seine Menschen mit ihrer großen Gastfreundschaft wachsen ihr schnell ans Herz. Sie erlebt politische Diskussionen mit chinesischen und ausländischen Intellektuellen, wähnt sich in einer anscheinend offenen Kultur. “Es herrschte Aufbruchsstimmung”, sagt Sausmikat.

Die Erlebnisse von 1989 waren prägend

Der Juni 1989 verändert alles. Hunderttausende oft junge Menschen demonstrieren im Frühjahr in vielen chinesischen Städten für Demokratie, auch in Chengdu. In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni eskaliert die Lage in Peking. Panzerkolonnen rollen an, das chinesische Militär schlägt die aufkeimende Demokratiebewegung brutal nieder. Wie viele Menschen sterben, ist bis heute unklar – einige Quellen sprechen von Tausenden Toten. Auch in Chengdu erlebt Nora Sausmikat auf der Straße, dass Panzer rollen und Tränengas die Sicht vernebelt.

Das Tiananmen-Massaker versetzt das Land in Schockstarre – und verändert das Studentenleben von einem Tag auf den anderen. “Die meisten anderen Studierenden verließen das Wohnheim, brachten sich in Sicherheit”, sagt Sausmikat. Nur sie und eine Australierin bleiben zunächst zurück, Freunde und Lehrkräfte der Universität verschwinden in Polizeigewahrsam.

Schließlich zieht sich auch Sausmikat ins 2000 Kilometer entfernte Xiamen zu einem Freund zurück. Sie erlebt ein Land in Angst und Aufruhr. An einem Bahnhof wird sie Zeugin einer öffentlichen Auspeitschung. In den Zügen will niemand über die vergangenen Ereignisse sprechen – die Regierung gibt das Narrativ vor, die Gewalt sei von den Demonstrierenden ausgegangen. Während Nora Sausmikat noch in China ist, fällt in Berlin die Mauer. Die Zeitung China Daily berichtet darüber in einer Randnotiz auf der letzten Seite.

Aufbau des China-Programms der Stiftung Asienhaus

Geprägt von den Erlebnissen, widmet sich Nora Sausmikat bald vermehrt politischer Forschung. “Themen wie Partizipation und Meinungsbildung haben mich nie mehr losgelassen”, sagt sie. Die chinesische Zivilgesellschaft prägt seitdem ihren Lebensweg. Sie schreibt ihre Doktorarbeit über Erinnerungskultur chinesischer Generationen und verbringt mehrere lange Forschungsaufenthalte in China. Heute leitet Sausmikat den China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald mit Sitz im westfälischen Sassenberg.

Der Weg dorthin führt sie zunächst aber über Köln, wo sie ab 2008 am Aufbau des China-Programms der Stiftung Asienhaus intensiv beteiligt ist. Sie entwickelt ein Austauschprogramm zwischen europäischen und chinesischen NGOs. “Wir wollten Schranken abbauen, Vertrautheit durch persönliche Begegnungen schaffen und langfristige Partnerschaften aufbauen.” Ein Ziel sei zudem gewesen, in Deutschland ein differenzierteres Bild von China und seiner vielfältigen Gesellschaft zu vermitteln. “Rund um die Olympischen Spiele in Peking 2008 war die Berichterstattung sehr einseitig negativ”, findet sie.

Auch weil sie ab den 2000er-Jahren eine erneute Öffnung der chinesischen Gesellschaft erlebt hatte, geduldet von einer Regierung, die – viele Jahre nach 1989 – wieder mehr Austausch und Pluralismus zuließ. Damals lernte sie zahlreiche Chinesinnen und Chinesen kennen, die sie bewunderte, weil sie “auch mit Widrigkeiten immer kreativ” umgingen.

NGOs müssen Slogans der Partei herunterbeten

2013 tritt Staatspräsident Xi Jinping sein Amt an. Zum zweiten Mal nach 1989 wird Sausmikat mit einem radikalen Wendepunkt im Kurs der chinesischen Regierung konfrontiert. Dieser kommt allerdings schleichender daher. Xi habe nach und nach einen totalitären Personenkult etabliert, der Austausch mit chinesischen NGOs sei immer schwieriger geworden, sagt Sausmikat. Heute gebe die Regierung genau vor, über welche Themen gesprochen werden dürfe. Es sei kein Problem, sich etwa über technische Lösungen zum Klimaschutz auszutauschen. “Doch alles, was sich um Menschenrechte dreht, ist tabu.”

2019 endet das Austauschprogramm der Stiftung, auch weil Fördergelder auslaufen. “Es war für mich aber auch zunehmend schwer, dahinter zu stehen”, sagt Sausmikat. Die chinesischen Partner konnten nicht mehr frei reden, immer mehr einschränkende Bedingungen mussten unterschrieben werden. NGOs müssten heute die Slogans der Partei herunterbeten. “Es ist kaum noch möglich, ein Austauschprogramm so zu gestalten, dass es für alle Beteiligten ungefährlich ist.”

Urgewald folgt der Spur des Geldes

Sausmikat beginnt 2019 ihre neue Tätigkeit bei Urgewald, verfolgt nun einen anderen Ansatz: Der Dialog innerhalb eines offiziellen Programms ist gezielter politischer Arbeit gewichen. “Ich wollte mich nicht mehr mit Kompromissen zufriedengeben.” Urgewald setzt sich mit Chinas Rolle in der Welt auseinander ­- und seiner Finanzwirtschaft. “Wir folgen der Spur des Geldes”, sagt Sausmikat. Schließlich sei kein großes Bauprojekt, das Menschenrechte missachte – wie bei Zwangsumsiedlungen -, ohne Geldgeber möglich.

Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht etwa die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) mit Sitz in Peking. “Wir prüfen, welche menschenrechtlichen und ökologischen Folgen die von der AIIB finanzierten Projekte haben.” Da die multilaterale Bank auch deutsches Steuergeld erhalte, sei dies ein effizienter Hebel, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern. “Wir machen Druck auf Investoren, Banken und die Politik.” Zudem sei man Anlaufstelle für chinesische Kleinbauern oder Klimaschützer.

Ihr Blick auf China hat sich geändert: “Lange habe ich gegen zu einseitig negative Berichterstattung angekämpft. Leider ist die Realität heute so, dass man eher Gefahr läuft, Menschenrechtsverletzungen zu übersehen.” Jan Wittenbrink

  • AIIB
  • Menschenrechte
  • NGO
  • Nora Sausmikat
  • Tiananmen-Massaker
  • Zivilgesellschaft

Personalien

Jean Liu, Präsidentin des Fahrdienstvermittlers Didi Chuxing hat laut Reuters ihren Rückzug aus dem Unternehmen angekündigt. Liu studierte Informationstechnologie, erst an der Peking-Universität, dann in Harvard. Als Analystin arbeitete sie zwölf Jahre bei Goldman Sachs in Hongkong, bevor sie 2014 zu Didi Chuxing wechselte.

Jennifer Chua ist neue CEO des Reise-Fintech-Unternehmens Smooth Xperience in Singapur. Chua hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Reisebranche. Zuvor war sie Vice President für Asienpazifik bei Clicktripz, einem Reisetechnologieunternehmen. Während ihrer beruflichen Laufbahn hatte Chua verschiedene leitende Positionen bei Skyscanner, Hotel.de, Travelocity, Parkroyal Hotels and Resorts und Amadeus GDS Singapore inne.

Dessert

Zum Mondfest-Feiertag gehört auch das richtige Outfit. Diese Damen in einem Pekinger Park haben sich an ihrem freien Tag als Mondgöttin Cháng’é (嫦娥) verkleidet. Laut der chinesischen Mythologie lebt die Mondgöttin – nun ja – auf dem Mond eben, übrigens ständig begleitet vom Jadehasen (玉兔, yùtù). Die beiden Charaktere sind übrigens auch Namensgeber der chinesischen Mondmission. Cháng’é ist der Name der Raumsonde, yùtù der des Mondrovers.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Stefan Liebich zur China-Politik der Linken
    • Peking deckelt Mietpreise für bezahlbare Wohnungen
    • Evergrande-Chef Xu versucht Vertrauen wieder herzustellen
    • Baidu plant eigenes Roboter-Lkw
    • IfW Kiel: Containerstaus trübt weltweiten Handel
    • China liegt bei Innovationen hinter Schweden und USA
    • Xi vor der UN: China fördert keine Kohleprojekte mehr im Ausland
    • Im Potrait: Nora Sausmikat zu Chinas Rolle in der Welt
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in seiner gestrigen Videobotschaft an die UN-Vollversammlung hat Chinas Staatspräsident Xi Jinping daran erinnert, dass Demokratie ein Wert ist, der auf der ganzen Welt geteilt wird. Es ist ein klassisches Beispiel dafür, wie autokratische Systeme kontinuierlich versuchen, zentrale Begriffe der Definition für liberale Staaten für sich selbst zu besetzen. Ihre Absicht ist es, uns zu verwirren, damit die Grenzen unserer Wahrnehmung verwischen.

    Vielleicht hat die Linkspartei auch deshalb ein gespaltenes Verhältnis zur Volksrepublik China. Einige ältere Mitglieder ihrer Bundestagsfraktion freuen sich über den steilen Aufstieg eines Landes, das irgendwann einmal als sozialistisch galt. Andere wiederum können die staatskapitalistische Diktatur nicht ausstehen. Unter diesen Bedingungen tut sich die Fraktion schwer, eine gemeinsame Position zu formulieren, wie ihr früherer außenpolitischer Sprecher Stefan Liebich im Interview mit Felix Lee einräumt.

    Nun sind wir in demokratischen Staaten zwar zurecht stolz auf unsere öffentliche Meinungsvielfalt. Nur leider ist sie im politischen Umgang mit der Volksrepublik ein folgenschweres Dilemma. Denn eine der Stärken des chinesischen Regimes ist es, die Zerrissenheit im Ausland zu ihren Gunsten zu nutzen. Überall dort, wo die andere Seite uneins ist, stößt die Kommunistische Partei Chinas in diese Lücken, um die Wahrnehmung ihres Handelns und die Bedingungen der Zusammenarbeit selbst zu gestalten. Solange sich zwei streiten, freuen sich die Chinesen. In der EU kann man davon ein Lied singen – sogar im Kanon.

    Vielleicht ändern einige Linke ihre negative Haltung gegenüber der Volksrepublik ja auch wieder. Immerhin tritt die zweitgrößte Volkswirtschaft jetzt auf die Mietpreisbremse, wie unsere Autoren aus Peking zu berichten wissen. Und davon können die Linken in Berlin doch ihrerseits ein Liedchen singen. Na gut, ein Klagelied.

    Einen guten Start in den Tag wünscht Ihnen

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    “Merkels Kurs war nicht der schlechteste”

    Stefan Liebich China
    Stefan Liebich, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag

    Herr Liebich, als stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe sind Sie mehrfach in China gewesen und waren angetan von der dortigen Entwicklung. Hätten Sie erwartet, dass Chinas Führung wieder so rigoros gegen Freiheitsrechte vorgeht wie zu Maos Zeiten?

    Ich war wie viele Andere fasziniert von der Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstandsgewinns. Ich fand es auch erwartbar, dass eine solche Entwicklung einhergeht mit einer selbstbewussteren Rolle auf der internationalen Bühne. Womit ich aber nicht gerechnet habe, ist, wie sehr sich die autoritären Tendenzen nach innen verstärken würden. Die Aufhebung der Amtszeitbegrenzung von Staatschef Xi Jinping halte ich für eine bedrohliche Entwicklung. Es gab ja gute Gründe, nach den Erfahrungen mit Mao die Amtszeitbegrenzung einzuführen.

    China ist kapitalistischer als Deutschland. Offiziell wird die Volksrepublik noch immer von einer Partei regiert, die sich als kommunistisch bezeichnet. Wie sehen Sie das Land?

    Meines Erachtens beschreibt Staatskapitalismus das System in China besser. Wir sehen dort den Kapitalismus im schlechten Sinne, zugleich fehlt dort die bürgerliche Demokratie – also das Schlechte aus zwei Welten. Trotzdem gibt es in China auch Kommunisten im positiven Sinne, also Menschen, die für Armutsbekämpfung und Gerechtigkeit eintreten. Die KP in China würde ich aber nicht als kommunistisch beschreiben. Das scheint mir dann doch nur eine Art Marke zu sein.

    Zu Russland positioniert sich Ihre Partei recht eindeutig. Wie wird in Ihrer Partei über China diskutiert?

    Es gibt keine einhellige Positionierung. Wir haben noch einige ältere Mitglieder, die sagen: Wie schön, dass immerhin ein großes Land von der alten sozialistischen Welt übrig geblieben ist. Und es ist auch noch so stark, dass es den Westen übertrifft. Es gibt aber auch jene, die übertrieben antichinesisch sind. Die meisten Leute bei uns schauen auf China so wie ich: Sie sehen ein Land, in dem bestimmte Freiheiten, die uns wichtig sind und für die wir uns einsetzen, massiv eingeschränkt werden. Als im vergangenen Jahr in Leipzig der EU-China Gipfel geplant war, hatte unser Jugendverband den Gegengipfel mitorganisiert.

    Wäre eine eindeutige Positionierung nicht erstrebenswert?

    Als außenpolitischer Sprecher habe ich versucht, unsere Position zu China in eine Richtung zu lenken wie eigentlich bei allen Ländern: Wir sind nicht für oder gegen ein Land, sondern wir beurteilen politische Entwicklungen. Wir sind nicht auf der Seite der Milliardäre und Oligarchen, sondern auf der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter. Es gibt Dinge, da hat China eine gute Rolle gespielt, etwa als es sich früh gegen Interventionismus auf globaler Ebene gewendet hat. Aber es gibt Punkte, wo China massive Kritik verdient: im Umgang mit Hongkong und Xinjiang, aber auch, wenn es die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Den Haag im Konflikt um das Südchinesische Meer nicht anerkennt.


    Anders als bei anderen Parteien scheint China in Ihrer Partei keinen hohen Stellenwert zu haben.

    Die Fokussierung auf Russland ist bei uns noch immer stärker ausgeprägt. Die meisten in meiner Partei haben aber verstanden, dass China auf der globalen Bühne inzwischen wichtiger ist. Eine Bemerkung zu den anderen Parteien: Bei den Grünen ist die menschenrechtliche Sicht auf China traditionell sehr stark und das ist auch okay. Auf EU-Ebene jedoch Reden halten über den wachsenden Einfluss Chinas und dann dabei zuschauen, wie mit grüner Regierungsbeteiligung weitere Infrastruktur an China verkauft wird – das ist dann aber auch inkonsequent.

    Worüber ich mich ebenfalls ärgere: Bei der Euro-Krise wurde Griechenland ungeheuer unter Druck gesetzt, Staatsbesitz zu privatisieren, dann aber waren die Tränen in Deutschland groß, als das chinesische Staatsunternehmen Cosco den Hafen von Piräus kaufte. Ich glaube, wir befinden uns alle in einer Phase der Neujustierung. Die Definition, China sowohl als Wettbewerber als auch als Partner und systemischen Rivalen zu betrachten, trifft es meines Erachtens ganz gut.

    Was davon steht für Sie im Vordergrund?

    Wir dürfen bei unseren Positionen zur Verteidigung von Menschenrechten keine Abstriche machen. Wir dürfen uns auch nicht einschüchtern lassen – auch nicht, wenn China mit wirtschaftlichen Konsequenzen droht. Ich bin allerdings vehement dagegen, in die alten unsinnigen antikommunistischen Reflexe zu verfallen. Es gibt Punkte, wo wir weltweit mit allen – auch mit monarchisch regierten Königreichen und Diktaturen – zusammenarbeiten müssen, nicht zuletzt beim Kampf gegen den Klimawandel.

    Mich nervt dieses doppelte Maß: Als die EU im Frühjahr Sanktionen gegen China verhängte, fand ich den Anlass durchaus nachvollziehbar. Zugleich stellte sich aber die Frage, warum wir keine Sanktionen etwa gegen Saudi-Arabien erheben. Wir müssen sehr darauf achten, die Menschenrechtsfrage nicht zum Vehikel zur Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen zu machen und ihre Durchsetzung dadurch einer Beliebigkeit anheimzustellen.

    Ich bin ein Verfechter der friedlichen Koexistenz. Wir haben es nicht in der Hand, das chinesische System zu verändern, schon gar nicht militärisch. Vielmehr müssen wir auf globaler Ebene Regeln verabreden, an die sich unterschiedliche Systeme ohne Ausnahme zu halten haben.


    Hongkongs Autonomiestatus war den Menschen nach der Rückgabe von Großbritannien an China völkerrechtlich zugesichert worden. Peking hat diese Vereinbarung gebrochen. Wie sollte man Ihres Erachtens nun mit einem Land umgehen, das sich an Vereinbarungen nicht hält?

    Das Völkerrecht wird immer dann herangezogen, wenn es gerade passt. Als die Türkei völkerrechtswidrig in Syrien eingefallen ist, um dort die Kurden zu bekämpfen, sind die Waffenlieferungen an die Türkei ohne Zögern weitergegangen. Bei Russland gab es völlig zu Recht breite internationale Kritik an der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Und auch bei Hongkong finde ich die Kritik berechtigt.

    Ich habe allerdings klargestellt, dass ich niemanden unterstütze, der die vergangenen Zeiten als Kolonie rosarot malt. Unter britischer Administration konnte die Bevölkerung in Hongkong ihre Regierung nicht frei wählen. Durch das Versprechen, ein Land zwei Systeme, hat man den Hongkongern Hoffnungen gemacht, die jetzt nicht erfüllt werden. Für sie sind die jüngsten Entwicklungen ein krasser Rückschritt. Ich bin dafür, dass wir den oppositionellen Kräften unsere Unterstützung geben.


    In den USA ist von Decoupling die Rede, also sich wirtschaftlich von China lösen. Die Bundesregierung ist kein Fan davon. Die deutschen Geschäfte in China laufen zu gut.

    Es war ein Fehler, sich in zu starke Abhängigkeiten von China zu begeben. Das haben wir alle zu Beginn der Pandemie schmerzhaft gemerkt. Es ist der Preis des globalen Kapitalismus, wenn man immer da kauft, wo am günstigsten produziert wird. Und plötzlich hatten wir ein Riesenproblem, weil Europa keine eigenen Masken mehr herstellen konnte. Wir sollten schon darauf achten, dass Dinge, die einem wichtig sind, auch autark hergestellt werden können.

    Decoupling im Sinne von jeder macht seins, halte ich in dieser Welt weder für möglich, noch für sinnvoll. Dass man sich aber als Firma in eine Situation begibt, wo man abhängig ist von dem, was die chinesische Führung sagt, ist natürlich falsch. Wenn VW auf Druck der Regierung das Social-Scoring-System einführt, fragt man sich schon, was das Reden über universelle Werte praktisch bedeutet.

    Wie stehen Sie zu Sanktionen?

    Zum Thema Sanktionen hat unsere Partei keine konsistente Position. Wir sind uns aber einig, dass es nicht sinnvoll ist, mit militärischen Mitteln etwas erreichen zu wollen. Jetzt wendet sich die NATO verstärkt China zu, das ist nicht nur vom Namen des Militärbündnisses her völlig falsch. Schon dass die Bundeswehr jetzt eine Fregatte ins Südchinesische Meer schickte, ist völliger Kokolores. Wenn krasses Fehlverhalten individuell und klar zuzuordnen ist, kann ich mir konkrete Sanktionen vorstellen. Wirtschaftssanktionen, die die gesamte Bevölkerung treffen, halte ich für falsch.

    Die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel hat im Umgang mit China genau das getan, nämlich auf Dialog und weniger Konfrontation gesetzt. War ihre China-Politik der richtige Umgang?

    Ich finde schon. Ich habe Sie auf einigen China-Reisen begleiten können. Sie wusste genau die kritischen Punkte anzusprechen und hat das auch getan. Merkel ist sicherlich nicht jemand, die sich mit einem Transparent auf den Platz des Himmlischen Friedens stellt. Aber sie weiß, in welcher Runde man was und wie gesichtswahrend anspricht. Und da hat sie sich dann auch klar positioniert. Das Problem ist eher, dass die EU zu keiner gemeinsamen Sprache findet …

    … weil Merkel eine konfrontative China-Kritik blockiert.

    Sie hat versucht, die EU auf einen gemeinsamen Kurs zu verpflichten. Bei der Frage der Menschenrechte sind die EU-Länder in völlig verschiedene Richtungen gelaufen, und da fand ich Merkels Kurs nicht den schlechtesten. Allerdings fand ich die Vereinbarung des EU-China-Investitionsabkommens CAI kurz vor der Wahl des US-Präsidenten nicht klug. Jetzt liegt das Abkommen auf Eis; hängen geblieben ist aber, dass es der EU egal ist, was in Hongkong, Xinjiang und Taiwan passiert. Hauptsache der Yuan rollt.

    Stefan Liebich, 49, ist seit 2009 Bundestagsabgeordneter der Linken und stellvertretender Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe. Bis zum vergangenen Jahr war Liebich zudem außenpolitischen Sprecher seiner Fraktion. Für den neuen Bundestag hat er nicht mehr kandidiert. 

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    Mietpreisbremse soll Wohnen erschwinglicher machen

    Für Mieter in China gibt es gute Nachrichten. Die Regierung will dem Wachstum explodierender Mietpreise Grenzen setzen und gleichzeitig die Rechte von Mietern stärken. Künftig sollen der Preismechanismus des Marktes vollständig außer Kraft gesetzt werden und die Mieten laut Plan pro Jahr nicht mehr als fünf Prozent steigen dürfen (China.Table berichtete).

    Chinas Vize-Wohnungsbauminister Ni Hong begründet die Notwendigkeit der Mietpreisbremse damit, dass sich die Begebenheiten auf dem chinesischen Immobilienmarkt geändert hätten. Anders als etwa in Deutschland war und ist es in China üblich, schon in sehr jungen Jahren eine eigene Wohnung zu kaufen. In jüngster Vergangenheit haben die Preise aber ein so hohes Niveau erreicht, dass Kaufen für viele junge Leute nicht mehr finanzierbar ist.

    Im südchinesischen Shenzhen beispielsweise muss ein Angestellter heutzutage das 43,5-fache des durchschnittlichen Monatslohns in der Stadt auf den Tisch legen, um sich ein Apartment leisten zu können. Entsprechend gewachsen ist die Nachfrage nach Mietwohnungen und damit auch deren Preise. Laut Ni mieten in den Großstädten mittlerweile 70 Prozent der neu Zugezogenen und jungen Leute eine Wohnung, statt sie zu kaufen.

    “Neue Stadtbewohner und junge Menschen haben erst seit relativ kurzer Zeit gearbeitet und verfügen über ein geringes Einkommen, sodass ihre Kapazität, eine Wohnung zu kaufen oder die Miete zu zahlen, zu gering ist”, sagte Ni bei der Vorstellung der Mietdeckelungspläne. Das neue Regelwerk soll dazu führen, dass Mieten künftig langsamer steigen.

    Mieten gilt nicht mehr als verpönt

    Mieten galt lange als verpönt, da das eigene Apartment in China als ein noch größeres Statussymbol als das eigene Auto und zudem als Basis für die Altersvorsorge gilt. Doch die rasante Preisentwicklung der vergangenen Jahre macht den Traum von der eigenen Immobilie für zunehmend viele Menschen unerschwinglich, und das Mieten wird für viele zur einzigen Alternative.

    Wer vor drei Jahrzehnten in Peking die Chance nutzte und wenige Hundert Yuan pro Quadratmeter in ein Apartment investierte, hat dagegen ein Vermögen gemacht. Natürlich ist über die Jahre auch das Leben viel teurer geworden – die Rendite kann sich trotzdem sehen lassen: Denn heute liegt der Durchschnittspreis einer Wohnung im Zentrum von Peking bei über 100.000 Yuan (etwa 12.800 Euro) pro Quadratmeter. Außerhalb des Zentrums müssen immerhin rund 50.000 Yuan gezahlt werden. Ähnlich sieht es in anderen Großstädten aus.

    Seit Jahren hat die Regierung auf dem Immobilienmarkt mit zwei Problemen zu kämpfen: Die Kaufpreise sind unaufhaltsam gestiegen und die Normalverdiener in den Städten dadurch immer weiter in die Außenbezirke gedrängt worden. Das zweite Problem: In Erwartung hoher Einnahmen hat die Bauindustrie fleißig Kredite aufgenommen. Doch weil die Immobilienfirmen in einigen Regionen ihre überteuerten Häuser nur schlecht loswerden, bleiben ihnen die Einnahmen aus. Auch die massive Schieflage des zweitgrößten chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande, den 300 Milliarden US-Dollar Schulden drücken, gehen zum Teil auf diese Fehlkalkulation zurück (China.Table berichtete).

    Evergrande droht die Pleite

    Peking hat den Konzernen “drei rote Linien” aufgezeigt. So darf das Verhältnis von Verbindlichkeiten zu Vermögenswerten nicht mehr als 70 Prozent betragen. Hinzu kommt, dass der Nettoverschuldungsgrad nicht bei mehr als 100 Prozent liegen soll. Die dritte von der Regierung gezogene rote Linie betrifft das Verhältnis von liquiden Mitteln zu kurzfristigen Verbindlichkeiten der Unternehmen, die über dem Faktor 1 liegen muss. Bereits im April dieses Jahres konnte Evergrande keine der drei Auflagen mehr einhalten und erhielt daraufhin keinen Zugang mehr zu neuen Krediten. Nun droht die Pleite.

    In Staatsmedien ist von einer “umfassenden Säuberung des Immobilienmarktes” die Rede. So soll vielerorts mit strengeren Regeln bei der Kreditvergabe erreicht werden, dass Wohnungen nicht mehr im gleichen Ausmaß wie bisher zur Spekulation gekauft werden. Beispielsweise ist die Anzahl der Wohnungen, die eine Person offiziell besitzen darf, limitiert. Auch die Zinsen für Immobilienkredite wurden zeitweise erhöht. Das Angebot an bezahlbarem Wohnraum soll “effektiv gefördert” und das Angebot an “erschwinglichen Mietwohnungen vergrößert” werden, heißt es im Fünfjahresplan. Es müsse darauf bestanden werden, “dass Häuser zum Wohnen und nicht zum Spekulieren genutzt werden.” 

    Immobilienplattformen im Visier

    In den vergangenen Monaten haben chinesische Großstädte auch zahlreiche  Maßnahmen verkündet, um die Rechte von Mietern besser zu schützen. Dazu gehört auch ein Verbot für Vermieter, Kautionen in Höhe von mehr als einer Monatsmiete zu verlangen. Die Behörden gelobten auch, gegen missbräuchliche Praktiken von Immobilienfirmen und Online-Immobilienplattformen vorzugehen, etwa gegen unverhältnismäßig hohe Vermittlungsgebühren für Mieter.

    Das Eingreifen der Regierung macht sich bereits nach wenigen Wochen bemerkbar. Wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter Analysten ergab, wird sich das Wachstum der Eigenheimpreise in China in diesem Jahr voraussichtlich stärker verlangsamen, als ursprünglich erwartet worden war. Gerechnet wird aktuell nur noch mit einem durchschnittlichen Preisanstieg um 3,5 Prozent, nachdem Beobachter im Juni noch von einem Anstieg von 4,9 Prozent im Gesamtjahr ausgegangen waren. Joern Petring/Greogor Koppenburg 

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    News

    Evergrande will “dunkelste Stunde” hinter sich lassen

    Nachdem der Aktienkurs des südchinesischen Immobilienentwicklers Evergrande auch am Dienstag deutlich eingebrochen war, hat Xu Jiayin (China.Table berichtete), Verwaltungsratschef des von der Zahlungsunfähigkeit bedrohten Immobilienriesen, in einem Brief an seine Mitarbeiter Zuversicht verbreitet. Es sei sicher, dass das Unternehmen “seine dunkelste Stunde” hinter sich lassen werde, schrieb Xu, dessen kantonesischer Name Hui Ka Yuan lautet. Lokale Medien hatten am Dienstag darüber berichtet.

    Zugleich versprach er, das Unternehmen werde Immobilienprojekte wie versprochen beenden und seiner Verantwortung gegenüber Käufern, Investoren und Banken nachkommen. Ein Sprecher von Evergrande, Chinas zweitgrößtem Immobilienentwickler, bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters den Inhalt des Briefes.

    Bereits im Juni war das Unternehmen mit Anleihen-Zinszahlungen in Verzug geraten. Erst Anfang des Monats hatte Evergrande vor neuen Liquiditäts- und Ausfallrisiken gewarnt (China.Table berichtete). Evergrande hat einen Schuldenberg von über 300 Milliarden US-Dollar angehäuft und jüngst angekündigt, Investoren seiner Vermögensverwaltungsprodukte mit Immobilien auszahlen zu wollen.

    Die Aktie des einstigen Vorzeigeunternehmens ist seit Jahresbeginn um mehr als 84 Prozent eingebrochen und hatte zu Wochenbeginn auf die Stimmung der Anleger an den Börsen in New York, Frankfurt, Hongkong und Tokio gedrückt. niw

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    Baidu bringt Roboter-LKW auf den Markt

    Der chinesische Internetkonzern Baidu weitet seine Ambitionen in der Elektromobilität aus. Das Unternehmen, das Chinas gleichnamige und größte Internet-Suchmaschine betreibt, hat die Serienproduktion eines vollelektrischen LKW angekündigt. 2023 soll der sogenannte “Roboter-LKW” Xingtu auf den Markt kommen. Das Fahrzeug wird zunächst mit dem Automatisierungsgrad Level 3 ausgestattet sein, der später auf Level 4 erhöht werden soll. Level 3 ermöglicht autonomes Fahren in Staus oder auf Autobahnen. Sein System führt Vorgänge wie Blinken, Spurwechsel oder Spurhalten selbständig durch, ohne dass der Fahrer das System ständig überwachen muss.

    Baidu hat den Xingtu in einem Gemeinschaftsunternehmen namens DeepWay zusammen mit dem chinesischen Finanzdienstleister Lionbridge entwickelt. Attraktiv für Kunden soll ihn neben seiner fortgeschrittenen Selbstfahrtechnologie auch das Akkuwechsel-System machen, mit dem die Batterie des Fahrzeugs binnen weniger Minuten ausgetauscht und auf mögliche lange Ladezeiten verzichtet werden kann.

    Baidu arbeitet schon seit 2013 an der Selbstfahrtechnologie Apollo, die vornehmlich in Elektroautos zum Einsatz kommen soll. Im März gründete das Unternehmen ein Joint Venture mit dem privaten Autobauer Geely, das sich auf die Entwicklung und Produktion von E-Autos spezialisiert und im kommenden Jahr sein erstes Modell auf den Markt bringen möchte (China.Table berichtete). grz

    • Autoindustrie

    IfW Kiel: Warenhandel stagniert durch Hafenstaus

    Die Schließung der Häfen Ningbo-Zhoushan und Yantian in China machen sich für den globalen Handel negativ bemerkbar. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) schätzt mit seinem Kiel Trade Indicator für 75 Länder weltweit die Handelsflüsse und hat aktuell berechnet, dass anhaltende Staus vor den Containerfrachthäfen zu einer Stagnation des internationalen Warenverkehrs führen (China.Table berichtete).

    “Die Terminal-Schließungen in China hinterlassen ihre Spuren und dämpfen den Warenaustausch. Eine nachhaltige Entspannung der Lage zeichnet sich nicht ab, das trübt die Aussichten für den internationalen Handel. Dies dürfte sich über steigende Preise und anhaltende Engpässe bei bestimmten Waren bemerkbar machen, auch im Weihnachtsgeschäft”, sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator. “Weihnachten fällt nicht aus, aber gerade bei Produkten aus China und Asien sind fehlende Lieferungen oder höhere Preise zu befürchten”, warnt Stamer weiter.

    Während Chinas Exporte im September laut dem Kiel Trade Indicator nominal und saisonbereinigt zwar ein Plus von 6,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat verzeichnen, stagnieren der Export aus Deutschland und der Welthandel. Auch die Exporte der EU sind nicht über das Niveau des Vormonats hinauskommen (-0,1 Prozent), die Importe liegen etwas im Plus (+0,7 Prozent). Für die USA weist der Kiel Trade Indicator in beide Handelsrichtungen leicht negative Bilanzen aus (Exporte: -0,5 Prozent; Importe: -0,7 Prozent).

    Das Frachtvolumen im Roten Meer – der wichtigsten See-Handelsroute zwischen China und Europa – liegt gegenwärtig 14 Prozent niedriger als unter normalen Umständen zu erwarten wäre, warnt das IfW. niw

    • Handel
    • IfW
    • Schifffahrt

    Technologie-Patente: China weltweit auf Rang zwölf

    Trotz Ambitionen auf die Technologie-Führerschaft im 21. Jahrhundert zählt die Volksrepublik China nicht zu den Top Ten der innovativsten Volkswirtschaften in diesem Bereich. Im jährlichen Global Innovation Index der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) hat sich China zwar um zwei Plätze verbessert, rangiert aber aktuell immer noch nur auf Rang zwölf. Die ersten vier Plätze belegen die Schweiz, Schweden sowie die USA und Großbritannien.

    Das WIPO-Ranking bewertet die technologische Innovationskraft von 132 Ländern. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Patentanmeldungen bei der WIPO trotz der Corona-Krise um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Südkorea als Nummer fünf und Singapur auf Platz acht rangieren in Asien noch vor der Volksrepublik. Vietnam, Thailand und den Philippinen bescheinigt die WIPO wegen deren großer Fortschritte derweil das Potenzial. “die globale Innovationslandschaft für immer zu verändern.”

    In Schlüsselindustrien muss die Welt dennoch mit China rechnen. Zahlen des Cyber Creative Institute in Tokio schreiben dem Land 40 Prozent aller weltweiten Patentanmeldungen im Zusammenhang mit der künftigen 6G-Technologie im Mobilfunk zu (China.Table berichtete). 6G soll zehnmal schneller sein als die 5G-Technologie und etwa ab dem Jahr 2030 kommerziell genutzt werden können. grz

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    Xi: Keine Kohleprojekte mehr im Ausland

    Staats- und Parteichef Xi Jinping sicherte bei seiner Videobotschaft bei der 76. UN-Vollversammlung gestern zu, dass sein Land keine Kohleprojekte mehr im Ausland finanzieren will, um den weltweiten Klimawandel einzudämmen.

    Vor der Rede war die Ankündigung bei der Global Times, dem Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, eine der Top 5 Nachrichten. Ursprünglich beabsichtigte Xi, sich vertreten zu lassen, verkündete dann aber doch die Positionen der Volksrepublik in einer aufgezeichneten Videoansprache.

    China hatte bei der UN-Vollversammlung im vergangenen Jahr erstmals ein Zieldatum für Klimaneutralität gesetzt. “Wir streben einen Wendepunkt bei den CO2-Emissionen vor 2030 und Kohlenstoff-Neutralität vor 2060 an”, so hatte Xi im vergangenen Jahr in seiner Videobotschaft angekündigt und sich damit hinter das Pariser Klimaschutzabkommen gestellt. niw

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    Presseschau

    Xi’s army: from ‘hiding and biding’ to building China’s dream THE GUARDIAN
    Biden to tell UN he doesn’t want new Cold War with China INDEPENDENT
    China: Is Evergrande too big to fail? BBC
    China Tech Crackdown Is India’s Gain, Venture Investor Says BLOOMBERG
    Plateau-stationed border troops celebrate Mid-Autumn Festival, remembering duty GLOBAL TIMES (STAATSMEDIUM)
    Weltmacht: Lässt Peking sich einbinden? FAZ (PAY)
    China wird Mitinhaber eines Hamburger Hafenterminals WELT
    Mögliche Spur nach China: Mutmaßlicher Hackerangriff bremst Opposition gegen Orbán aus SUEDDEUTSCHE (PAY)
    Alibaba: Die nächsten Tiefpunkte DER AKTIONÄR
    Mit Aukus baut Joe Biden an seiner Allianz-Struktur – Peking reagiert mit einer wirtschaftspolitischen Offensive NZZ (PAY)

    Portrait

    Nora Sausmikat – ein Leben für Chinas Zivilgesellschaft

    Nora Sausmikat, Leiterin China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald e.V.
    Nora Sausmikat, Leiterin China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald e.V.

    Als Nora Sausmikat Ende der Achtziger Jahre im alten Teehaustheater von Chengdu auf der Bühne steht, berichten Zeitungen und Fernsehen über die junge Europäerin, die Chinesische Oper beherrscht. Sie hat lange für diesen Moment trainiert. Sausmikat trägt einen riesigen, bunten Kopfschmuck und ein traditionelles Kostüm, führt Kopfstimme und Akrobatik auf. “Ich habe mich gefühlt wie ein kleiner Star”, sagt sie.

    In Chengdu verbringt die Sinologie-Studentin ab 1988 einen zunächst unbeschwerten Auslandsaufenthalt, unterrichtet junge Chinesen in Englisch, entdeckt köstliche Lebensmittel auf dem Markt hinter der Sichuan-Universität. China und seine Kultur, vor allem aber seine Menschen mit ihrer großen Gastfreundschaft wachsen ihr schnell ans Herz. Sie erlebt politische Diskussionen mit chinesischen und ausländischen Intellektuellen, wähnt sich in einer anscheinend offenen Kultur. “Es herrschte Aufbruchsstimmung”, sagt Sausmikat.

    Die Erlebnisse von 1989 waren prägend

    Der Juni 1989 verändert alles. Hunderttausende oft junge Menschen demonstrieren im Frühjahr in vielen chinesischen Städten für Demokratie, auch in Chengdu. In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni eskaliert die Lage in Peking. Panzerkolonnen rollen an, das chinesische Militär schlägt die aufkeimende Demokratiebewegung brutal nieder. Wie viele Menschen sterben, ist bis heute unklar – einige Quellen sprechen von Tausenden Toten. Auch in Chengdu erlebt Nora Sausmikat auf der Straße, dass Panzer rollen und Tränengas die Sicht vernebelt.

    Das Tiananmen-Massaker versetzt das Land in Schockstarre – und verändert das Studentenleben von einem Tag auf den anderen. “Die meisten anderen Studierenden verließen das Wohnheim, brachten sich in Sicherheit”, sagt Sausmikat. Nur sie und eine Australierin bleiben zunächst zurück, Freunde und Lehrkräfte der Universität verschwinden in Polizeigewahrsam.

    Schließlich zieht sich auch Sausmikat ins 2000 Kilometer entfernte Xiamen zu einem Freund zurück. Sie erlebt ein Land in Angst und Aufruhr. An einem Bahnhof wird sie Zeugin einer öffentlichen Auspeitschung. In den Zügen will niemand über die vergangenen Ereignisse sprechen – die Regierung gibt das Narrativ vor, die Gewalt sei von den Demonstrierenden ausgegangen. Während Nora Sausmikat noch in China ist, fällt in Berlin die Mauer. Die Zeitung China Daily berichtet darüber in einer Randnotiz auf der letzten Seite.

    Aufbau des China-Programms der Stiftung Asienhaus

    Geprägt von den Erlebnissen, widmet sich Nora Sausmikat bald vermehrt politischer Forschung. “Themen wie Partizipation und Meinungsbildung haben mich nie mehr losgelassen”, sagt sie. Die chinesische Zivilgesellschaft prägt seitdem ihren Lebensweg. Sie schreibt ihre Doktorarbeit über Erinnerungskultur chinesischer Generationen und verbringt mehrere lange Forschungsaufenthalte in China. Heute leitet Sausmikat den China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald mit Sitz im westfälischen Sassenberg.

    Der Weg dorthin führt sie zunächst aber über Köln, wo sie ab 2008 am Aufbau des China-Programms der Stiftung Asienhaus intensiv beteiligt ist. Sie entwickelt ein Austauschprogramm zwischen europäischen und chinesischen NGOs. “Wir wollten Schranken abbauen, Vertrautheit durch persönliche Begegnungen schaffen und langfristige Partnerschaften aufbauen.” Ein Ziel sei zudem gewesen, in Deutschland ein differenzierteres Bild von China und seiner vielfältigen Gesellschaft zu vermitteln. “Rund um die Olympischen Spiele in Peking 2008 war die Berichterstattung sehr einseitig negativ”, findet sie.

    Auch weil sie ab den 2000er-Jahren eine erneute Öffnung der chinesischen Gesellschaft erlebt hatte, geduldet von einer Regierung, die – viele Jahre nach 1989 – wieder mehr Austausch und Pluralismus zuließ. Damals lernte sie zahlreiche Chinesinnen und Chinesen kennen, die sie bewunderte, weil sie “auch mit Widrigkeiten immer kreativ” umgingen.

    NGOs müssen Slogans der Partei herunterbeten

    2013 tritt Staatspräsident Xi Jinping sein Amt an. Zum zweiten Mal nach 1989 wird Sausmikat mit einem radikalen Wendepunkt im Kurs der chinesischen Regierung konfrontiert. Dieser kommt allerdings schleichender daher. Xi habe nach und nach einen totalitären Personenkult etabliert, der Austausch mit chinesischen NGOs sei immer schwieriger geworden, sagt Sausmikat. Heute gebe die Regierung genau vor, über welche Themen gesprochen werden dürfe. Es sei kein Problem, sich etwa über technische Lösungen zum Klimaschutz auszutauschen. “Doch alles, was sich um Menschenrechte dreht, ist tabu.”

    2019 endet das Austauschprogramm der Stiftung, auch weil Fördergelder auslaufen. “Es war für mich aber auch zunehmend schwer, dahinter zu stehen”, sagt Sausmikat. Die chinesischen Partner konnten nicht mehr frei reden, immer mehr einschränkende Bedingungen mussten unterschrieben werden. NGOs müssten heute die Slogans der Partei herunterbeten. “Es ist kaum noch möglich, ein Austauschprogramm so zu gestalten, dass es für alle Beteiligten ungefährlich ist.”

    Urgewald folgt der Spur des Geldes

    Sausmikat beginnt 2019 ihre neue Tätigkeit bei Urgewald, verfolgt nun einen anderen Ansatz: Der Dialog innerhalb eines offiziellen Programms ist gezielter politischer Arbeit gewichen. “Ich wollte mich nicht mehr mit Kompromissen zufriedengeben.” Urgewald setzt sich mit Chinas Rolle in der Welt auseinander ­- und seiner Finanzwirtschaft. “Wir folgen der Spur des Geldes”, sagt Sausmikat. Schließlich sei kein großes Bauprojekt, das Menschenrechte missachte – wie bei Zwangsumsiedlungen -, ohne Geldgeber möglich.

    Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht etwa die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) mit Sitz in Peking. “Wir prüfen, welche menschenrechtlichen und ökologischen Folgen die von der AIIB finanzierten Projekte haben.” Da die multilaterale Bank auch deutsches Steuergeld erhalte, sei dies ein effizienter Hebel, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern. “Wir machen Druck auf Investoren, Banken und die Politik.” Zudem sei man Anlaufstelle für chinesische Kleinbauern oder Klimaschützer.

    Ihr Blick auf China hat sich geändert: “Lange habe ich gegen zu einseitig negative Berichterstattung angekämpft. Leider ist die Realität heute so, dass man eher Gefahr läuft, Menschenrechtsverletzungen zu übersehen.” Jan Wittenbrink

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    Personalien

    Jean Liu, Präsidentin des Fahrdienstvermittlers Didi Chuxing hat laut Reuters ihren Rückzug aus dem Unternehmen angekündigt. Liu studierte Informationstechnologie, erst an der Peking-Universität, dann in Harvard. Als Analystin arbeitete sie zwölf Jahre bei Goldman Sachs in Hongkong, bevor sie 2014 zu Didi Chuxing wechselte.

    Jennifer Chua ist neue CEO des Reise-Fintech-Unternehmens Smooth Xperience in Singapur. Chua hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Reisebranche. Zuvor war sie Vice President für Asienpazifik bei Clicktripz, einem Reisetechnologieunternehmen. Während ihrer beruflichen Laufbahn hatte Chua verschiedene leitende Positionen bei Skyscanner, Hotel.de, Travelocity, Parkroyal Hotels and Resorts und Amadeus GDS Singapore inne.

    Dessert

    Zum Mondfest-Feiertag gehört auch das richtige Outfit. Diese Damen in einem Pekinger Park haben sich an ihrem freien Tag als Mondgöttin Cháng’é (嫦娥) verkleidet. Laut der chinesischen Mythologie lebt die Mondgöttin – nun ja – auf dem Mond eben, übrigens ständig begleitet vom Jadehasen (玉兔, yùtù). Die beiden Charaktere sind übrigens auch Namensgeber der chinesischen Mondmission. Cháng’é ist der Name der Raumsonde, yùtù der des Mondrovers.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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