Table.Briefing: China

ILO-Abkommen + Lieferkettengesetze

  • Chinas Absichten hinter den Konventionen gegen Zwangsarbeit
  • Lieferkettengesetze: Wie sauber sind Waren aus Xinjiang?
  • Prozess gegen Demokratie-Aktivisten verschoben
  • FCC Hongkong verzichtet auf Preisvergabe
  • Weibo veröffentlicht Standort seiner Nutzer
  • Fall Peng Shuai: Tennis-Weltverband spielt weiter nicht in China
  • Im Portrait: Rinchen Kyi – Tibetische Lehrerin wieder frei
Liebe Leserin, lieber Leser,

schwierig dürfte es für deutsche Unternehmen in der Volksrepublik werden, wenn im nächsten Jahr das sogenannte Sorgfaltspflichtengesetz in Kraft tritt. Sie werden nach deutschem Recht dazu verdonnert, ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltverschmutzung abzuklopfen. Wer nicht nachweisen kann, alles dafür getan zu haben, um nachhaltig und ethisch aufgestellt zu sein, riskiert hohe Geldstrafen und eines Tages vielleicht sogar Schadensersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern und ihren Familien.

Wir haben mit Experten über die praktische Umsetzung des Gesetzes gesprochen. Doch wie soll man überprüfen, ob einzelne Komponenten wirklich ethisch sauber sind? Im Fokus steht wenig überraschend die Region Xinjiang, deren Name schon zum Synonym für Menschenrechtsverletzungen geworden ist, vor allem auch für Zwangsarbeit.

Welche Bedeutung hat es also in diesem Zusammenhang, dass die chinesische Regierung kürzlich zwei Konventionen der International Labour Organization ratifiziert hat? Mit der Anerkennung sagt Peking faktisch zu, alles dafür zu tun, Zwangsarbeit in Xinjiang zu verhindern. Doch wie glaubhaft soll das sein, wenn die chinesische Regierung seit Jahren einfach so tut, als wenn es überhaupt keinen Anlass dafür gebe, Zwangsarbeit in Xinjiang zu vermuten? Unter diesen Umständen dürfte sich – Konventionen hier oder her – für Betroffene in der Region zunächst einmal kaum etwas an ihrer misslichen Lage ändern.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Zwangsarbeits-Abkommen soll gut Wetter bei der EU machen

China hat in der vergangenen Woche zwei Konventionen der Internationalen Arbeitsagentur (ILO) gegen Zwangsarbeit ratifiziert (China.Table berichtete). Der Schritt kam überraschend – seit Jahrzehnten wird mit der Volksrepublik über Zugeständnisse in dem Bereich verhandelt. Denn es handelt sich dabei um zwei altehrwürdige ILO-Übereinkommen:

Die ILO gehört zu den Vereinten Nationen (UN). Sie besteht schon seit 1919, ist also über hundert Jahre alt. Sie arbeitet darauf hin, den sozialen Rahmen für Arbeiter zu verbessern. Dafür setzt sie vor allem Regeln und Normen. Die Übereinkommen über Zwangsarbeit gehören daher zu den Grundpfeilern ihrer Projekte. Sie ächten “jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat”. Bis zur vergangenen Woche hat China seine Unterschrift verweigert. Kein Wunder in einem Land, das erst 2013 seine Arbeitslager formal geschlossen hat, nur um wenig später in Xinjiang neue zu eröffnen.

Echte Verbesserungen für die Arbeiter vor Ort erwarten Beobachter auch nun jedoch nicht. Der Schritt sei eine “diplomatische Entscheidung” gewesen, die zu keinen bedeutenden Veränderungen führen werde, sagte Aidan Chau von der Nichtregierungsorganisation China Labour Bulletin gegenüber China.Table. Die in Hongkong sitzende Organisation setzt sich für Arbeitnehmerrechte in der Volksrepublik ein.

Die Erfahrung zeige, dass China zwar viele Abkommen unterschreibt, die Praxis im Land sich aber nur unwesentlich verändert. So hat China auch das Übereinkommen über Sicherheit im Bauwesen von 1988 ratifiziert, so Chau. “Wir beobachten aber weiterhin, dass Arbeitsunfälle auf Baustellen wie beispielsweise Kran-Einstürze in China weit verbreitet sind.” Große Fortschritte bei den Interessen und Rechten der Arbeiter könne es nur durch Tarifverhandlungen geben, so Chau. Unabhängige Gewerkschaften gibt es in China aber nicht. Andere Formen von Arbeitnehmerorganisationen sind in China ebenfalls schwach aufgestellt.

Die ILO hat auch kaum Möglichkeiten, die Anwendung der Konventionen zu überprüfen. China weist den Vorwurf der Zwangsarbeit – vor allem in der Region Xinjiang – zurück. Vor-Ort-Untersuchungen durch unabhängige Experten wird Peking kaum zustimmen.

China will Bachelet bessere Bilanz vorlegen

Ganz zufällig ist der Zeitpunkt der Ratifizierung nicht gewählt. Im Mai steht erstmals ein Besuch der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, in China an – auch in der Region Xinjiang. Mit der Ratifizierung wolle China nun signalisieren, dass der Schutz der Arbeitnehmerrechte ernst genommen wird, sagte Surya Deva, Rechtsprofessor an der Macquarie University in Australien, der Zeitung South China Morning Post.

Deva zufolge ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die ILO-Konventionen vor Ort die Abschaffung der Zwangsarbeit bewirkt. Peking mache den Schritt aus Kalkül: “um die Beziehungen zur EU angesichts der zunehmenden Kluft mit den USA wegen der russischen Invasion in die Ukraine zu verbessern und zu versuchen, CAI wiederzubeleben”. Dass die Volksrepublik die ILO-Konventionen nicht ratifizieren wollte, war bislang einer der Hauptkritikpunkte an dem Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und China (CAI).

Dieser Kritikpunkt ist zwar ausgeräumt, aber das allein reicht eben nicht. CAI liegt seit mehr als einem Jahr auf Eis. Ausschlaggebend waren im März 2021 gegenseitige Sanktionen. Brüssel hatte diese wegen Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren gegen mehrere führende Beamte in Xinjiang verhängt. Peking reagierte mit Strafmaßnahmen unter anderem gegen EU-Abgeordnete.

Brüssel: Keine Aussicht auf Fortschritt bei CAI

Könnte die Zustimmung zu den Abkommen nun Bewegung in das CAI-Patt bringen? Eher nein. “Die Ratifizierung der ILO-Konventionen ist zwar eine große Geste Pekings gegenüber Brüssel, beseitigt aber nicht die Haupthindernisse für die CAI-Ratifizierung”, sagt Merics-Analyst Grzegorz Stec. CAI bleibe wegen ganz anderer Hindernisse weiterhin blockiert: wegen der gegenseitigen Sanktionen und des Handelsstreits um Litauen. “Keines dieser Probleme dürfte auf absehbare Zeit gelöst werden, auch im Kontext der politischen Spannungen um die Ausrichtung Pekings mit Moskau”, so Stec.

Peking scheine sich gegenüber der EU in einem “Schadensbegrenzungsmodus” zu befinden. Der EU-China-Gipfel lief nicht sonderlich gut (China.Table berichtete). Auch die ILO-Abkommen helfen Stec zufolge derzeit nicht viel. Der Fokus der EU-China-Beziehungen verschiebe sich vermehrt in Richtung “systemische Rivalität”. Für die Führung in Peking könnte es schwierig werden, die Beziehung zu Brüssel zu verbessern, erklärt Stec.

Auch vom EU-Handelskommissar kam eine klare Absage an Fortschritte bei der Anwendung des CAI wegen der Ratifizierung der ILO-Konvention. Die EU messe der ILO zwar große Bedeutung bei und begrüße den Schritt. Aber solange die Sanktionen gegen EU-Parlamentarier in Kraft seien, werde CAI nicht wiederbelebt.

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  • Handel
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  • Xinjiang

Sorgfalt in der Lieferkette: Brennpunkt Xinjiang

Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle. Das geplante Lieferkettengesetz soll Produkte aus Zwangsarbeit begrenzen.
Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle.

Bei Pacifico Renewables Yield (PRY) gibt man sich keinen Illusionen hin. Die Firma mit Sitz in Grünwald bei München kauft und betreibt Solar- und Windparks in ganz Europa. Projekte, in die sie investiert, müssen hohen sozialen und ökologischen Standards entsprechen. Zur Finanzierung gibt die Firma grüne Anleihen heraus oder beschafft sich Kredite bei Nachhaltigkeitsbanken mit strengsten Maßstäben.

Doch wenn es um China und Nachhaltigkeit geht, vor allem in der Solarbranche, weiß Geschäftsführer Martin Siddiqui sehr genau, dass es keine Gewissheiten gibt. “Der Großteil der Komponenten kommt aus China, und dort gibt es Zulieferer, die mit fossiler Energie produzieren, oder deren Produkte durch Zwangsarbeit hergestellt werden”, sagt Siddiqui. Man arbeite so gut es ginge daran, Unternehmen entlang der Lieferketten weiter und präziser zurückzuverfolgen und zu prüfen, sagt der 37-Jährige. Eine Garantie könne er aber nicht abgeben, ob alle verbauten Module in den Parks seines Unternehmens zu einhundert Prozent nachhaltig hergestellt wurden.

Garantien will nicht einmal die Politik erzwingen, wenn im kommenden Jahr das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz in Kraft tritt. Gemeinhin als Lieferkettengesetz bezeichnet, soll es Produkte, aber auch Dienstleistungen deutscher Unternehmen nachhaltiger machen. Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Umweltverschmutzung – all das soll ab 2023 so weit wie möglich aus der Wertschöpfung verbannt werden, wenn deutsche Firmen beteiligt sind.

Jetzt fragen sich Unternehmen, die Solarmodule, Elektrokomponenten, Baumwolle oder Tomaten aus Xinjiang beziehen, wie es ihnen gelingen soll, ihre Lieferketten aufzuräumen. Die nordwestchinesische Autonome Region gilt als Synonym für die Verletzung von Menschenrechten. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO der Vereinten Nationen spricht von einem “weit verbreiteten und systematischen” Zwangsarbeitsprogramm. Betroffen: vornehmlich Uiguren, aber auch türkische und andere muslimische Minderheiten.

Wenn jemand betrügen will, wird er Mittel und Wege finden.”

Doch manche Branchen sind so abhängig von Lieferungen aus Xinjiang, dass es für sie unmöglich ist, innerhalb weniger Jahre ihren Bedarf aus anderen Quellen zu decken. Ein Fünftel der globalen Baumwolle kommt von dort, keine Region der Welt pflanzt und erntet mehr Tomaten für den Weltmarkt, und auch die Photovoltaik-Industrie verlässt sich weitgehend auf Module aus China.

Was nun? “Verlässlich nachzuweisen, dass in einem der Risikoprodukte keine Zwangsarbeit steckt, ist nahezu unmöglich”, sagt Joachim Trebeck von der Kölner Anwaltskanzlei Trebeck & von Broich. Der Arbeitsrechtler hält das Gesetz dennoch für sinnvoll, weil Deutschland als “interessanter Markt seine Einflussnahme auf andere Länder” bündele. Doch Trebeck sagt auch: “Wenn ein Zulieferer betrügen will, dann wird er auch Mittel und Wege finden.”

Für die Solarpark-Betreiber von PRY ist das noch kein Grund, nervös zu werden. Das Lieferkettengesetz zielt zunächst nur auf die großen Akteure mit 3.000 Mitarbeitern aufwärts. 2024 wird die Geltung auf alle Firmen ab 1.000 Mitarbeitern erweitert. Erst wenn auch die Europäische Union ein europaweites Lieferkettengesetz implementiert, rückt der Rechtsrahmen an den Mittelstand heran. Der aktuell diskutierte Vorschlag für die EU-Richtlinie in den Risikosektoren Textil, Landwirtschaft und Bergbau liegt bei 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Doch bis dahin vergehen wohl noch vier, vielleicht fünf Jahre.

Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige - das Lieferkettengesetz soll für mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette sorgen.
Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige.

Zudem gilt die Bemühenspflicht, die besagt, dass Unternehmen die Verhinderung von Verstößen nicht garantieren müssen. “Wohl aber müssen sie alles Erforderliche tun, um ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen. Nur so vermeiden sie eine Strafe”, sagt Christoph Schork von der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, der seit zweieinhalb Jahren Klienten auf die Einführung des Lieferkettengesetzes vorbereitet. “Das bedeutet aber auch, dass ein Unternehmen unter Umständen an die Zulieferer zweiten, dritten oder vierten Grades heranmuss, wenn es konkrete Hinweise auf Zwangsarbeit gibt”, so Schork.

Es gibt keine Best-Practice-Lösung

Eine Mammutaufgabe. Je größer ein Unternehmen, desto breiter knüpft sich sein Netzwerk. Mehrere Tausend unmittelbare Zulieferer sind bei riesigen Konzerne mit Hunderttausenden Mitarbeitern keine Ausnahme, sondern die Regel. Die mühsame Kleinarbeit beginnt mit einer gründlichen Risikoanalyse. Jedes Risiko muss intern bewertet und seiner Dringlichkeit nach angegangen werden. Ganz oben auf den Listen: Zulieferer aus Xinjiang.

Das Gesetz setzt eine “substanziierende Kenntnis” voraus, ehe sich die Verantwortung der Unternehmen auch auf den mittelbaren Zulieferer in der Lieferkette erstreckt. Sprich: Es müssen ernstzunehmende und nachprüfbare Hinweise vorliegen auf Risiken für Verstöße. “Bei dem Thema Uiguren kann niemand sagen, er hätte davon nichts gewusst”, sagt Schork. Doch es wird andere Fälle geben, bei denen die Verdachtsmomente weniger offenbar sind und Firmen dazu verleitet sein könnten, Unkenntnis vorzugaukeln.

Anwalt Schork glaubt jedoch nicht, dass sich das Vortäuschen von Unwissenheit langfristig auszahlen wird. “Die Angst vor einem Imageschaden, der aus solcher Ignoranz entstehen kann, dürfte die meisten Firmen davon abhalten.” Zudem hätten die Unternehmen erkannt, dass sie von echter Nachhaltigkeit profitieren können, weil sie dem gesellschaftlichen Zeitgeist folgten. Einige seien bereits entsprechend fortgeschritten in ihren Vorbereitungen.

Vorerst sind aber auch Experten noch ratlos, was die konkrete Ausgestaltung angeht. “Zurzeit blicken wir alle noch in die Blackbox. Es gibt einfach keine Best-Practice-Lösung“, sagt Schork. Auch glaubt er, das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft werde unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes “keine Welle der Sanktionen in Gang setzen”. Die Behörde mit Sitz in der Niederlausitz müsse sich zunächst sortieren. Werden Verstöße jedoch geahndet, kann sie Bußgelder bis zu acht Millionen Euro verhängen.

EU-Lieferkettengesetz ermöglicht auch Schadenersatzklagen

Entscheidende Unterstützung für die Unternehmen erhofft sich die Politik von Whistleblowern. Deutsche Firmen müssen niederschwellige Kanäle einrichten, über die Beschwerden aus aller Welt zu Verstößen gegen Arbeits- oder Menschenrechte abgesetzt werden können. Auch müssen die Firmen ihre Zulieferer nachdrücklich dazu auffordern, über die Existenz dieser Kanäle auch deren eigenen Zulieferer aufzuklären. “Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Denkbar sind Fragebögen, Audits, Schulungen – jede angemessene Maßnahme dient der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen und sorgt für größere Sicherheit”, so Schork.

Den deutschen Unternehmen bietet die Einführung des Gesetzes einen Vorgeschmack auf die noch schärfere EU-Richtlinie in einigen Jahren. Sobald die EU die Norm setzt, drohen den Firmen nicht nur Bußgelder, sondern Schadenersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern oder deren Familien in Millionenhöhe. Dann müssen deutsche Firmen für die arbeitsrechtlichen Defizite bei ihren Zulieferern möglicherweise tief in die Tasche greifen, wenn sie nicht frühzeitig und konsequent gegen Risiken von Verstößen vorgehen.

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News

Prozess gegen Demokratie-Aktivisten verschoben

Ein großer Gerichtsfall gegen 47 Hongkonger Demokratie-Aktivisten wurde auf Anfang Juni verschoben. Das gaben die Behörden am Donnerstag bekannt. Die Aktivisten werden unter Berufung auf das Nationale Sicherheitsgesetz angeklagt. Viele der Angeklagten befinden sich laut Reuters seit Februar letzten Jahres in Untersuchungshaft. Dazu zählt beispielsweise der bekannte Aktivist Joshua Wong. Nur 13 der Aktivist:innen wurden gegen Kaution freigelassen.

Die 47 Personen wurden demnach wegen “Verschwörung zur Subversion” verhaftet. Sie hatten an einer inoffiziellen, nicht bindenden und unabhängig organisierten Vorwahl im Jahr 2020 teilgenommen, um Kandidaten für die inzwischen verschobenen Kommunalwahlen auszuwählen.

Esther Toh, Richterin am Obersten Gerichtshof, sagte am Dienstag in einer Erklärung, dass die verfahrenstechnischen Entwicklungen in dem Fall darauf hindeuten, dass es “eine lange Verzögerung bis zum Prozess geben wird“. Das Nationale Sicherheitsgesetz wurde Hongkong im Jahr 2020 durch China auferlegt. nib

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Rücktritte nach Absage des Human Rights Press Award in Hongkong

Der Klub der Auslandskorrespondenten (FCC) in Hongkong hat die Vergabe seines alljährlichen Human Rights Press Award abgesagt. FCC-Präsident Keith Richburg begründete in einer Stellungnahme die Entscheidung mit der Sorge, der Klub könnte ungewollt gegen Gesetze verstoßen. Die offizielle Ehrung sollte am kommenden Samstag stattfinden. Der Hongkonger Human Rights Press Award wird seit 1996 vergeben und gilt als einer der renommiertesten und wichtigsten Journalistenpreise in Asien.

Zu den Preisträgern hätte in diesem Jahr mehrere Beiträge des Onlineportals Stand News gehört, das im Dezember vergangenen Jahres seine Redaktion geschlossen hatte. Mitglieder der Geschäftsführung und der Redaktion von Stand News waren zuvor auf Grundlage des Nationalen Sicherheitsgesetzes wegen der Veröffentlichung von “staatsgefährdenden” Beiträgen verhaftet worden. Zuletzt wurde der bekannte Radiomoderator Allan Au verhaftet (China.Table berichtete). Er hatte als Kolumnist mehrere Beiträge für Stand News verfasst.

Die Entscheidung des FCC-Vorstands provozierte eine Reihe von Rücktritten von Mitgliedern des Komitees für Pressefreiheit. So reagierte unter anderem die Chefin des Hongkong-Büros der amerikanischen Zeitung Washington Post, Shibani Mahtani, mit Unverständnis auf die Absage und beendete ihr Mandat. “Als frühere Preisträgerin des Awards und Jurymitglied empfinde ich tiefstes Bedauern über diese Entscheidung und stehe nicht hinter ihr”, schrieb Mahtani auf Twitter. Insgesamt seien acht Komitee-Mitglieder zurückgetreten, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

“Es ist ein Sinnbild für die Selbstzensur, zu der sich viele Institutionen im heutigen Hongkong gezwungen sehen”, schreibt Mahtani weiter. Die Entscheidung des Vorstandes zeige deutlich, wie das Sicherheitsgesetz die Bedingungen in der Stadt verändert habe. Mit dem Rückzug dränge sich die Frage auf, ob der FCC seiner Rolle als Verteidiger der Pressefreiheit in Hongkong weiterhin gerecht werde. Das Nationale Sicherheitsgesetz war 2020 eingeführt worden und wurde von den Behörden als Basis für eine politische Säuberung der Stadt genutzt. grz

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Weibo veröffentlicht Standort seiner Nutzer

Der Kurznachrichtendienst Weibo will künftig den Standort seiner Nutzer veröffentlichen. Laut einem Post des Unternehmens sollen “böswillige Desinformation und das automatisierte Stehlen von Webinhalten reduziert werden und die Authentizität und Transparenz der verbreiteten Inhalte sichergestellt werden”.

Weibo begründet den Schritt damit, dass es “sich immer dafür eingesetzt hat, eine gesunde und geordnete Diskussionsatmosphäre aufrechtzuerhalten und die Rechte und Interessen der Benutzer zu schützen, um schnell echte und effektive Informationen zu erhalten”. Bereits im vergangenen Monat hatten andere Plattformen wie die Nachrichtenseite Jinri Toutiao, die Videoportale Douyin und Kuaishou und die Lifestyle-Plattform Xiaohongshu damit begonnen, die Standorte ihrer Nutzer sichtbar zu machen. Experten sehen dies als Signal, dass in den sozialen Netzwerken die Stimmung auf Parteilinie gebracht werden soll. Peking war im vergangenen Jahr vermehrt gegen große Technologiefirmen und deren Soziale-Medien-Plattformen mit harten Strafen vorgegangen. Vor allem die Unterhaltungsbranche sollte unter Kontrolle gebracht werden (China.Table berichtete).

Weibo kündigte im vergangenen Monat an, die IP-Standort-Funktion einzuführen, nachdem es im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland vermehrt zu Desinformationen auf der Plattform gekommen sei.

Weibo zählt monatlich über 570 Millionen aktive Nutzer. Ab sofort, so die Ankündigung am Donnerstag, wird die IP-Adresse der Nutzer auf ihren Kontoseiten und wenn sie Kommentare abgeben, angezeigt und kann nicht mehr deaktiviert werden. Für Weibo-Nutzer in China werden die Provinz oder Gemeinde als ihr Standort angezeigt. Für Nutzer aus dem Ausland wird das Land der IP-Adresse angezeigt. niw

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Fall Peng Shuai: Weiterhin keine Tennis-Turniere in China

Die Women’s Tennis Association (WTA) möchte weiterhin keine Damen-Turniere in China stattfinden lassen. In einem Podcast-Interview erklärte WTA-Boss Steve Simon, dass der Fall um die chinesische Top-Tennispielerin Peng Shuai noch immer nicht befriedigend aufgeklärt sei, und man deshalb weiter von Sportveranstaltungen in China Abstand nehmen will.

Peng hatte Anfang November 2021 auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo eine Beziehung mit dem früheren Vizepremierminister Zhang Gaoli öffentlich gemacht (China.Table berichtete). Dort warf sie dem mächtigen Politiker, der bis 2017 als Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros zum innersten Machtzirkel der Kommunistischen Partei gehörte, unter anderem vor, sie zum Sex gezwungen zu haben. Nachdem der Post von der Zensur gelöscht wurde und Peng plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwunden war, setzte der Frauen-Tennisverband WTA seine Turniere in China aus Protest aus.

“Wir ziehen uns nicht komplett aus China zurück. Wir haben unsere Geschäftsbeziehungen dorthin aktuell aufgehoben und wir werden das so halten, bis wir eine Lösung gefunden haben“, sagte WTA-Boss Simon. Er hoffe jedoch, 2023 zurück zu sein, wenn es bis dahin eine Lösung gegeben hat, “mit der Peng sich wohlfühlt, mit der die chinesische Regierung leben kann und mit der auch wir einverstanden sind”.

Für den WTA bedeutet China einen der größten Wachstumsmärkte weltweit. In der letzten Saison vor Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2019 veranstaltete WTA neun Turniere mit Preisgeldern von mehr als 30 Millionen US-Dollar in China. 2021 sollten die WTA Finals im südchinesischen Shenzhen stattfinden, wurden aufgrund der Corona-Pandemie jedoch nach Mexiko verlegt. fpe

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Portrait

Rinchen Kyi – Heimkehr nach UN-Anfrage

Rinchen Kyi wurde nach 8 Monaten wieder freigelassen.
Freilassung nach acht Monaten: Die tibetische Lehrerin Rinchen Kyi

Der mysteriöse Fall der verschwundenen tibetischen Lehrerin Rinchen Kyi hat anscheinend ein glückliches Ende gefunden. Die Mutter einer 13-jährigen Tochter ist am Sonntagabend in Begleitung von Polizeibeamten nach Hause zurückgekehrt. Kyi war am 1. August vergangenen Jahres gegen ihren Willen von der Polizei in ein Krankenhaus gebracht worden und nur zwei Tage danach für acht Monate verschwunden.

Der Vorwurf lautete Anstiftung zum Separatismus. Doch bis heute haben die chinesischen Behörden der Familie nicht schlüssig dargelegt, was genau der Gesetzesverstoß von Rinchen Kyi gewesen sein soll, noch informierten sie über den Aufenthaltsort oder Gesundheitszustand der Frau.

Bereits Mitte Februar hatten deshalb UN-Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission an die chinesische Vertretung in Genf eine Anfrage formuliert, in der sie um Aufklärung unter anderem im Fall Kyi baten. Sechs Wochen dauerte es, bis das Schreiben der Sonderberichterstatter laut Statuten in der vergangenen Woche schließlich öffentlich gemacht werden durfte. Nur wenige Tage später kehrte Kyi nach Hause zurück.

Verschwinden Rinchen Kyis: Verbindung zu Schul-Schließung

Relativ sicher hing ihr Verschwinden mit der Schließung einer Mittelschule im Verwaltungsbezirk Darlak in der Provinz Qinghai zusammen, wie die Menschenrechtsorganisation Tibet Watch mit Sitz in London herausfand. Die private Einrichtung, die einst gegründet wurde, um Kindern von mittellosen Familien und Waisen den Zugang zu formeller Bildung zu ermöglichen, hatte auf Anweisung der Behörden wenige Wochen zuvor den Unterricht nach mehr als 22 Jahren einstellen müssen. Eine schlüssige Erklärung dafür gab es damals nicht. Die Schule war im Besitz sämtlicher notwendiger Dokumente und “stand im Einklang mit der chinesischen Verfassung”, wie einer ihrer Mitbegründer betonte.

Anonyme Quellen vor Ort, die im Austausch mit Tibet Watch stehen, vermuten deshalb politische Gründe hinter der Schul-Schließung. Im Laufe der Jahre hatte sich die Schule unter tibetischen Bauern und Nomaden offenbar einen erstklassigen Ruf erarbeitet. Anfänglich als Grundschule eröffnet, durfte sie seit 2008 als Mittelschule operieren. Unterrichtet wurde in erster Linie auf Tibetisch. Kulturell-religiöse Elemente in der Erziehung wurden mit Wissen der Behörden geduldet. Ehemalige Studenten sollen Arbeitsplätze bei der Verwaltung bekommen haben, seien Unternehmer oder buddhistische Mönche oder Nonnen geworden.

Zwei weitere Tibeter nach Veruteilungen verschwunden

Offenbar war den Behörden jüngst nun doch ein Dorn im Auge, dass Mönche in der Schule ausgebildet wurden. Dies müsse in Klöstern geschehen, hatten sie den Betreibern gegenüber begründet. Zumal die chinesischen Behörden die Kontrolle über buddhistische Klöster seit den Unruhen in Tibet im Jahr 2008 drastisch erhöht haben. Überwachungskameras und Polizeistationen in unmittelbarer Nähe der Klöster sollen das Aufflackern neuer Widerstände im Keim ersticken.

Doch eine Begründung, weshalb die Mittelschule deshalb komplett geschlossen wurde, blieb den Betreibern verwehrt. Nach Angaben der Familie der später verschleppten Lehrerin Kyi habe das Vorgehen der Behörden die Frau dazu veranlasst, kaum noch Nahrung zu sich zu nehmen. Am 1. August vergangenen Jahres wurde Kyi deshalb in Gewahrsam genommen. Die chinesische Polizei beschuldigte sie der “Anstiftung zum Separatismus”, weil die Verweigerung des Essens als Hungerstreik gemäß Artikel 103 des chinesischen Strafrechts ein Verbrechen gegen die Staatssicherheit sei. Bei einer Verurteilung drohen bis zu zehn Jahren Haft. Doch zu einem Prozess kam es nicht. Nicht einmal zu einer formellen Verhaftung, die nach chinesischem Recht normalerweise sechs Monate nach Inhaftierung ausgesprochen werden muss.

Kyi sei am 1. August gegen ihren Willen in ein Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Xining gebracht worden. Zwei Tage später hätten ihr die Ärzte diagnostiziert, gesund zu sein, berichtet Tibet Watch. Daraufhin sei die Familie, die nach Xining gereist war, von Sicherheitsbeamten informiert worden, sie könne die Lehrerin sehen. Das Zeitfenster, um im Krankenhaus einzutreffen, begrenzten die Beamten auf wenige Minuten, sodass die Familie schließlich zu spät kam.

Bis zum Wiedersehen benötigte es dann acht lange Monate und eine formelle Anfrage im Auftrag der UN-Menschenrechtskommission. In dem Schreiben hatten die Sonderberichterstatter auch nach den Schicksalen zweier anderer, bereits zu Haftstrafen verurteilten Tibeter, gebeten. Der 50-jährige Schriftsteller Lobsang Lhundup wurde 2019 wegen “öffentlicher Unruhestiftung” verhaftet und zwei Jahre später in einem geheimen Prozess zu vier Jahren Haft verurteilt. Bis heute weiß die Familie nichts über seinen Aufenthaltsort. Lobsang ist Verfasser zweier Bücher mit den Titeln “Die Kunst des passiven Widerstands” und “Unter Lebensgefahr geäußerte Worte”.

Der 38-jährige Musiker und Sänger Lhundrup Dhrakpa kritisierte in seinen Liedern die Propaganda des chinesischen Regimes und forderte die Bewahrung tibetischer Identität und Tradition. Er wurde 2019 verhaftet, weil er ein regierungskritisches Lied namens “Black Hat” öffentlich vorgetragen hatte. 2020 wurde er zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Auch sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Marcel Grzanna

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  • Polizeistationen
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China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Chinas Absichten hinter den Konventionen gegen Zwangsarbeit
    • Lieferkettengesetze: Wie sauber sind Waren aus Xinjiang?
    • Prozess gegen Demokratie-Aktivisten verschoben
    • FCC Hongkong verzichtet auf Preisvergabe
    • Weibo veröffentlicht Standort seiner Nutzer
    • Fall Peng Shuai: Tennis-Weltverband spielt weiter nicht in China
    • Im Portrait: Rinchen Kyi – Tibetische Lehrerin wieder frei
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    schwierig dürfte es für deutsche Unternehmen in der Volksrepublik werden, wenn im nächsten Jahr das sogenannte Sorgfaltspflichtengesetz in Kraft tritt. Sie werden nach deutschem Recht dazu verdonnert, ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltverschmutzung abzuklopfen. Wer nicht nachweisen kann, alles dafür getan zu haben, um nachhaltig und ethisch aufgestellt zu sein, riskiert hohe Geldstrafen und eines Tages vielleicht sogar Schadensersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern und ihren Familien.

    Wir haben mit Experten über die praktische Umsetzung des Gesetzes gesprochen. Doch wie soll man überprüfen, ob einzelne Komponenten wirklich ethisch sauber sind? Im Fokus steht wenig überraschend die Region Xinjiang, deren Name schon zum Synonym für Menschenrechtsverletzungen geworden ist, vor allem auch für Zwangsarbeit.

    Welche Bedeutung hat es also in diesem Zusammenhang, dass die chinesische Regierung kürzlich zwei Konventionen der International Labour Organization ratifiziert hat? Mit der Anerkennung sagt Peking faktisch zu, alles dafür zu tun, Zwangsarbeit in Xinjiang zu verhindern. Doch wie glaubhaft soll das sein, wenn die chinesische Regierung seit Jahren einfach so tut, als wenn es überhaupt keinen Anlass dafür gebe, Zwangsarbeit in Xinjiang zu vermuten? Unter diesen Umständen dürfte sich – Konventionen hier oder her – für Betroffene in der Region zunächst einmal kaum etwas an ihrer misslichen Lage ändern.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    Zwangsarbeits-Abkommen soll gut Wetter bei der EU machen

    China hat in der vergangenen Woche zwei Konventionen der Internationalen Arbeitsagentur (ILO) gegen Zwangsarbeit ratifiziert (China.Table berichtete). Der Schritt kam überraschend – seit Jahrzehnten wird mit der Volksrepublik über Zugeständnisse in dem Bereich verhandelt. Denn es handelt sich dabei um zwei altehrwürdige ILO-Übereinkommen:

    Die ILO gehört zu den Vereinten Nationen (UN). Sie besteht schon seit 1919, ist also über hundert Jahre alt. Sie arbeitet darauf hin, den sozialen Rahmen für Arbeiter zu verbessern. Dafür setzt sie vor allem Regeln und Normen. Die Übereinkommen über Zwangsarbeit gehören daher zu den Grundpfeilern ihrer Projekte. Sie ächten “jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat”. Bis zur vergangenen Woche hat China seine Unterschrift verweigert. Kein Wunder in einem Land, das erst 2013 seine Arbeitslager formal geschlossen hat, nur um wenig später in Xinjiang neue zu eröffnen.

    Echte Verbesserungen für die Arbeiter vor Ort erwarten Beobachter auch nun jedoch nicht. Der Schritt sei eine “diplomatische Entscheidung” gewesen, die zu keinen bedeutenden Veränderungen führen werde, sagte Aidan Chau von der Nichtregierungsorganisation China Labour Bulletin gegenüber China.Table. Die in Hongkong sitzende Organisation setzt sich für Arbeitnehmerrechte in der Volksrepublik ein.

    Die Erfahrung zeige, dass China zwar viele Abkommen unterschreibt, die Praxis im Land sich aber nur unwesentlich verändert. So hat China auch das Übereinkommen über Sicherheit im Bauwesen von 1988 ratifiziert, so Chau. “Wir beobachten aber weiterhin, dass Arbeitsunfälle auf Baustellen wie beispielsweise Kran-Einstürze in China weit verbreitet sind.” Große Fortschritte bei den Interessen und Rechten der Arbeiter könne es nur durch Tarifverhandlungen geben, so Chau. Unabhängige Gewerkschaften gibt es in China aber nicht. Andere Formen von Arbeitnehmerorganisationen sind in China ebenfalls schwach aufgestellt.

    Die ILO hat auch kaum Möglichkeiten, die Anwendung der Konventionen zu überprüfen. China weist den Vorwurf der Zwangsarbeit – vor allem in der Region Xinjiang – zurück. Vor-Ort-Untersuchungen durch unabhängige Experten wird Peking kaum zustimmen.

    China will Bachelet bessere Bilanz vorlegen

    Ganz zufällig ist der Zeitpunkt der Ratifizierung nicht gewählt. Im Mai steht erstmals ein Besuch der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, in China an – auch in der Region Xinjiang. Mit der Ratifizierung wolle China nun signalisieren, dass der Schutz der Arbeitnehmerrechte ernst genommen wird, sagte Surya Deva, Rechtsprofessor an der Macquarie University in Australien, der Zeitung South China Morning Post.

    Deva zufolge ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die ILO-Konventionen vor Ort die Abschaffung der Zwangsarbeit bewirkt. Peking mache den Schritt aus Kalkül: “um die Beziehungen zur EU angesichts der zunehmenden Kluft mit den USA wegen der russischen Invasion in die Ukraine zu verbessern und zu versuchen, CAI wiederzubeleben”. Dass die Volksrepublik die ILO-Konventionen nicht ratifizieren wollte, war bislang einer der Hauptkritikpunkte an dem Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und China (CAI).

    Dieser Kritikpunkt ist zwar ausgeräumt, aber das allein reicht eben nicht. CAI liegt seit mehr als einem Jahr auf Eis. Ausschlaggebend waren im März 2021 gegenseitige Sanktionen. Brüssel hatte diese wegen Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren gegen mehrere führende Beamte in Xinjiang verhängt. Peking reagierte mit Strafmaßnahmen unter anderem gegen EU-Abgeordnete.

    Brüssel: Keine Aussicht auf Fortschritt bei CAI

    Könnte die Zustimmung zu den Abkommen nun Bewegung in das CAI-Patt bringen? Eher nein. “Die Ratifizierung der ILO-Konventionen ist zwar eine große Geste Pekings gegenüber Brüssel, beseitigt aber nicht die Haupthindernisse für die CAI-Ratifizierung”, sagt Merics-Analyst Grzegorz Stec. CAI bleibe wegen ganz anderer Hindernisse weiterhin blockiert: wegen der gegenseitigen Sanktionen und des Handelsstreits um Litauen. “Keines dieser Probleme dürfte auf absehbare Zeit gelöst werden, auch im Kontext der politischen Spannungen um die Ausrichtung Pekings mit Moskau”, so Stec.

    Peking scheine sich gegenüber der EU in einem “Schadensbegrenzungsmodus” zu befinden. Der EU-China-Gipfel lief nicht sonderlich gut (China.Table berichtete). Auch die ILO-Abkommen helfen Stec zufolge derzeit nicht viel. Der Fokus der EU-China-Beziehungen verschiebe sich vermehrt in Richtung “systemische Rivalität”. Für die Führung in Peking könnte es schwierig werden, die Beziehung zu Brüssel zu verbessern, erklärt Stec.

    Auch vom EU-Handelskommissar kam eine klare Absage an Fortschritte bei der Anwendung des CAI wegen der Ratifizierung der ILO-Konvention. Die EU messe der ILO zwar große Bedeutung bei und begrüße den Schritt. Aber solange die Sanktionen gegen EU-Parlamentarier in Kraft seien, werde CAI nicht wiederbelebt.

    • Arbeitnehmerrechte
    • Handel
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    • Menschenrechte
    • Xinjiang

    Sorgfalt in der Lieferkette: Brennpunkt Xinjiang

    Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle. Das geplante Lieferkettengesetz soll Produkte aus Zwangsarbeit begrenzen.
    Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle.

    Bei Pacifico Renewables Yield (PRY) gibt man sich keinen Illusionen hin. Die Firma mit Sitz in Grünwald bei München kauft und betreibt Solar- und Windparks in ganz Europa. Projekte, in die sie investiert, müssen hohen sozialen und ökologischen Standards entsprechen. Zur Finanzierung gibt die Firma grüne Anleihen heraus oder beschafft sich Kredite bei Nachhaltigkeitsbanken mit strengsten Maßstäben.

    Doch wenn es um China und Nachhaltigkeit geht, vor allem in der Solarbranche, weiß Geschäftsführer Martin Siddiqui sehr genau, dass es keine Gewissheiten gibt. “Der Großteil der Komponenten kommt aus China, und dort gibt es Zulieferer, die mit fossiler Energie produzieren, oder deren Produkte durch Zwangsarbeit hergestellt werden”, sagt Siddiqui. Man arbeite so gut es ginge daran, Unternehmen entlang der Lieferketten weiter und präziser zurückzuverfolgen und zu prüfen, sagt der 37-Jährige. Eine Garantie könne er aber nicht abgeben, ob alle verbauten Module in den Parks seines Unternehmens zu einhundert Prozent nachhaltig hergestellt wurden.

    Garantien will nicht einmal die Politik erzwingen, wenn im kommenden Jahr das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz in Kraft tritt. Gemeinhin als Lieferkettengesetz bezeichnet, soll es Produkte, aber auch Dienstleistungen deutscher Unternehmen nachhaltiger machen. Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Umweltverschmutzung – all das soll ab 2023 so weit wie möglich aus der Wertschöpfung verbannt werden, wenn deutsche Firmen beteiligt sind.

    Jetzt fragen sich Unternehmen, die Solarmodule, Elektrokomponenten, Baumwolle oder Tomaten aus Xinjiang beziehen, wie es ihnen gelingen soll, ihre Lieferketten aufzuräumen. Die nordwestchinesische Autonome Region gilt als Synonym für die Verletzung von Menschenrechten. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO der Vereinten Nationen spricht von einem “weit verbreiteten und systematischen” Zwangsarbeitsprogramm. Betroffen: vornehmlich Uiguren, aber auch türkische und andere muslimische Minderheiten.

    Wenn jemand betrügen will, wird er Mittel und Wege finden.”

    Doch manche Branchen sind so abhängig von Lieferungen aus Xinjiang, dass es für sie unmöglich ist, innerhalb weniger Jahre ihren Bedarf aus anderen Quellen zu decken. Ein Fünftel der globalen Baumwolle kommt von dort, keine Region der Welt pflanzt und erntet mehr Tomaten für den Weltmarkt, und auch die Photovoltaik-Industrie verlässt sich weitgehend auf Module aus China.

    Was nun? “Verlässlich nachzuweisen, dass in einem der Risikoprodukte keine Zwangsarbeit steckt, ist nahezu unmöglich”, sagt Joachim Trebeck von der Kölner Anwaltskanzlei Trebeck & von Broich. Der Arbeitsrechtler hält das Gesetz dennoch für sinnvoll, weil Deutschland als “interessanter Markt seine Einflussnahme auf andere Länder” bündele. Doch Trebeck sagt auch: “Wenn ein Zulieferer betrügen will, dann wird er auch Mittel und Wege finden.”

    Für die Solarpark-Betreiber von PRY ist das noch kein Grund, nervös zu werden. Das Lieferkettengesetz zielt zunächst nur auf die großen Akteure mit 3.000 Mitarbeitern aufwärts. 2024 wird die Geltung auf alle Firmen ab 1.000 Mitarbeitern erweitert. Erst wenn auch die Europäische Union ein europaweites Lieferkettengesetz implementiert, rückt der Rechtsrahmen an den Mittelstand heran. Der aktuell diskutierte Vorschlag für die EU-Richtlinie in den Risikosektoren Textil, Landwirtschaft und Bergbau liegt bei 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Doch bis dahin vergehen wohl noch vier, vielleicht fünf Jahre.

    Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige - das Lieferkettengesetz soll für mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette sorgen.
    Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige.

    Zudem gilt die Bemühenspflicht, die besagt, dass Unternehmen die Verhinderung von Verstößen nicht garantieren müssen. “Wohl aber müssen sie alles Erforderliche tun, um ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen. Nur so vermeiden sie eine Strafe”, sagt Christoph Schork von der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, der seit zweieinhalb Jahren Klienten auf die Einführung des Lieferkettengesetzes vorbereitet. “Das bedeutet aber auch, dass ein Unternehmen unter Umständen an die Zulieferer zweiten, dritten oder vierten Grades heranmuss, wenn es konkrete Hinweise auf Zwangsarbeit gibt”, so Schork.

    Es gibt keine Best-Practice-Lösung

    Eine Mammutaufgabe. Je größer ein Unternehmen, desto breiter knüpft sich sein Netzwerk. Mehrere Tausend unmittelbare Zulieferer sind bei riesigen Konzerne mit Hunderttausenden Mitarbeitern keine Ausnahme, sondern die Regel. Die mühsame Kleinarbeit beginnt mit einer gründlichen Risikoanalyse. Jedes Risiko muss intern bewertet und seiner Dringlichkeit nach angegangen werden. Ganz oben auf den Listen: Zulieferer aus Xinjiang.

    Das Gesetz setzt eine “substanziierende Kenntnis” voraus, ehe sich die Verantwortung der Unternehmen auch auf den mittelbaren Zulieferer in der Lieferkette erstreckt. Sprich: Es müssen ernstzunehmende und nachprüfbare Hinweise vorliegen auf Risiken für Verstöße. “Bei dem Thema Uiguren kann niemand sagen, er hätte davon nichts gewusst”, sagt Schork. Doch es wird andere Fälle geben, bei denen die Verdachtsmomente weniger offenbar sind und Firmen dazu verleitet sein könnten, Unkenntnis vorzugaukeln.

    Anwalt Schork glaubt jedoch nicht, dass sich das Vortäuschen von Unwissenheit langfristig auszahlen wird. “Die Angst vor einem Imageschaden, der aus solcher Ignoranz entstehen kann, dürfte die meisten Firmen davon abhalten.” Zudem hätten die Unternehmen erkannt, dass sie von echter Nachhaltigkeit profitieren können, weil sie dem gesellschaftlichen Zeitgeist folgten. Einige seien bereits entsprechend fortgeschritten in ihren Vorbereitungen.

    Vorerst sind aber auch Experten noch ratlos, was die konkrete Ausgestaltung angeht. “Zurzeit blicken wir alle noch in die Blackbox. Es gibt einfach keine Best-Practice-Lösung“, sagt Schork. Auch glaubt er, das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft werde unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes “keine Welle der Sanktionen in Gang setzen”. Die Behörde mit Sitz in der Niederlausitz müsse sich zunächst sortieren. Werden Verstöße jedoch geahndet, kann sie Bußgelder bis zu acht Millionen Euro verhängen.

    EU-Lieferkettengesetz ermöglicht auch Schadenersatzklagen

    Entscheidende Unterstützung für die Unternehmen erhofft sich die Politik von Whistleblowern. Deutsche Firmen müssen niederschwellige Kanäle einrichten, über die Beschwerden aus aller Welt zu Verstößen gegen Arbeits- oder Menschenrechte abgesetzt werden können. Auch müssen die Firmen ihre Zulieferer nachdrücklich dazu auffordern, über die Existenz dieser Kanäle auch deren eigenen Zulieferer aufzuklären. “Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Denkbar sind Fragebögen, Audits, Schulungen – jede angemessene Maßnahme dient der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen und sorgt für größere Sicherheit”, so Schork.

    Den deutschen Unternehmen bietet die Einführung des Gesetzes einen Vorgeschmack auf die noch schärfere EU-Richtlinie in einigen Jahren. Sobald die EU die Norm setzt, drohen den Firmen nicht nur Bußgelder, sondern Schadenersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern oder deren Familien in Millionenhöhe. Dann müssen deutsche Firmen für die arbeitsrechtlichen Defizite bei ihren Zulieferern möglicherweise tief in die Tasche greifen, wenn sie nicht frühzeitig und konsequent gegen Risiken von Verstößen vorgehen.

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    Prozess gegen Demokratie-Aktivisten verschoben

    Ein großer Gerichtsfall gegen 47 Hongkonger Demokratie-Aktivisten wurde auf Anfang Juni verschoben. Das gaben die Behörden am Donnerstag bekannt. Die Aktivisten werden unter Berufung auf das Nationale Sicherheitsgesetz angeklagt. Viele der Angeklagten befinden sich laut Reuters seit Februar letzten Jahres in Untersuchungshaft. Dazu zählt beispielsweise der bekannte Aktivist Joshua Wong. Nur 13 der Aktivist:innen wurden gegen Kaution freigelassen.

    Die 47 Personen wurden demnach wegen “Verschwörung zur Subversion” verhaftet. Sie hatten an einer inoffiziellen, nicht bindenden und unabhängig organisierten Vorwahl im Jahr 2020 teilgenommen, um Kandidaten für die inzwischen verschobenen Kommunalwahlen auszuwählen.

    Esther Toh, Richterin am Obersten Gerichtshof, sagte am Dienstag in einer Erklärung, dass die verfahrenstechnischen Entwicklungen in dem Fall darauf hindeuten, dass es “eine lange Verzögerung bis zum Prozess geben wird“. Das Nationale Sicherheitsgesetz wurde Hongkong im Jahr 2020 durch China auferlegt. nib

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    Rücktritte nach Absage des Human Rights Press Award in Hongkong

    Der Klub der Auslandskorrespondenten (FCC) in Hongkong hat die Vergabe seines alljährlichen Human Rights Press Award abgesagt. FCC-Präsident Keith Richburg begründete in einer Stellungnahme die Entscheidung mit der Sorge, der Klub könnte ungewollt gegen Gesetze verstoßen. Die offizielle Ehrung sollte am kommenden Samstag stattfinden. Der Hongkonger Human Rights Press Award wird seit 1996 vergeben und gilt als einer der renommiertesten und wichtigsten Journalistenpreise in Asien.

    Zu den Preisträgern hätte in diesem Jahr mehrere Beiträge des Onlineportals Stand News gehört, das im Dezember vergangenen Jahres seine Redaktion geschlossen hatte. Mitglieder der Geschäftsführung und der Redaktion von Stand News waren zuvor auf Grundlage des Nationalen Sicherheitsgesetzes wegen der Veröffentlichung von “staatsgefährdenden” Beiträgen verhaftet worden. Zuletzt wurde der bekannte Radiomoderator Allan Au verhaftet (China.Table berichtete). Er hatte als Kolumnist mehrere Beiträge für Stand News verfasst.

    Die Entscheidung des FCC-Vorstands provozierte eine Reihe von Rücktritten von Mitgliedern des Komitees für Pressefreiheit. So reagierte unter anderem die Chefin des Hongkong-Büros der amerikanischen Zeitung Washington Post, Shibani Mahtani, mit Unverständnis auf die Absage und beendete ihr Mandat. “Als frühere Preisträgerin des Awards und Jurymitglied empfinde ich tiefstes Bedauern über diese Entscheidung und stehe nicht hinter ihr”, schrieb Mahtani auf Twitter. Insgesamt seien acht Komitee-Mitglieder zurückgetreten, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

    “Es ist ein Sinnbild für die Selbstzensur, zu der sich viele Institutionen im heutigen Hongkong gezwungen sehen”, schreibt Mahtani weiter. Die Entscheidung des Vorstandes zeige deutlich, wie das Sicherheitsgesetz die Bedingungen in der Stadt verändert habe. Mit dem Rückzug dränge sich die Frage auf, ob der FCC seiner Rolle als Verteidiger der Pressefreiheit in Hongkong weiterhin gerecht werde. Das Nationale Sicherheitsgesetz war 2020 eingeführt worden und wurde von den Behörden als Basis für eine politische Säuberung der Stadt genutzt. grz

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    Weibo veröffentlicht Standort seiner Nutzer

    Der Kurznachrichtendienst Weibo will künftig den Standort seiner Nutzer veröffentlichen. Laut einem Post des Unternehmens sollen “böswillige Desinformation und das automatisierte Stehlen von Webinhalten reduziert werden und die Authentizität und Transparenz der verbreiteten Inhalte sichergestellt werden”.

    Weibo begründet den Schritt damit, dass es “sich immer dafür eingesetzt hat, eine gesunde und geordnete Diskussionsatmosphäre aufrechtzuerhalten und die Rechte und Interessen der Benutzer zu schützen, um schnell echte und effektive Informationen zu erhalten”. Bereits im vergangenen Monat hatten andere Plattformen wie die Nachrichtenseite Jinri Toutiao, die Videoportale Douyin und Kuaishou und die Lifestyle-Plattform Xiaohongshu damit begonnen, die Standorte ihrer Nutzer sichtbar zu machen. Experten sehen dies als Signal, dass in den sozialen Netzwerken die Stimmung auf Parteilinie gebracht werden soll. Peking war im vergangenen Jahr vermehrt gegen große Technologiefirmen und deren Soziale-Medien-Plattformen mit harten Strafen vorgegangen. Vor allem die Unterhaltungsbranche sollte unter Kontrolle gebracht werden (China.Table berichtete).

    Weibo kündigte im vergangenen Monat an, die IP-Standort-Funktion einzuführen, nachdem es im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland vermehrt zu Desinformationen auf der Plattform gekommen sei.

    Weibo zählt monatlich über 570 Millionen aktive Nutzer. Ab sofort, so die Ankündigung am Donnerstag, wird die IP-Adresse der Nutzer auf ihren Kontoseiten und wenn sie Kommentare abgeben, angezeigt und kann nicht mehr deaktiviert werden. Für Weibo-Nutzer in China werden die Provinz oder Gemeinde als ihr Standort angezeigt. Für Nutzer aus dem Ausland wird das Land der IP-Adresse angezeigt. niw

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    Fall Peng Shuai: Weiterhin keine Tennis-Turniere in China

    Die Women’s Tennis Association (WTA) möchte weiterhin keine Damen-Turniere in China stattfinden lassen. In einem Podcast-Interview erklärte WTA-Boss Steve Simon, dass der Fall um die chinesische Top-Tennispielerin Peng Shuai noch immer nicht befriedigend aufgeklärt sei, und man deshalb weiter von Sportveranstaltungen in China Abstand nehmen will.

    Peng hatte Anfang November 2021 auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo eine Beziehung mit dem früheren Vizepremierminister Zhang Gaoli öffentlich gemacht (China.Table berichtete). Dort warf sie dem mächtigen Politiker, der bis 2017 als Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros zum innersten Machtzirkel der Kommunistischen Partei gehörte, unter anderem vor, sie zum Sex gezwungen zu haben. Nachdem der Post von der Zensur gelöscht wurde und Peng plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwunden war, setzte der Frauen-Tennisverband WTA seine Turniere in China aus Protest aus.

    “Wir ziehen uns nicht komplett aus China zurück. Wir haben unsere Geschäftsbeziehungen dorthin aktuell aufgehoben und wir werden das so halten, bis wir eine Lösung gefunden haben“, sagte WTA-Boss Simon. Er hoffe jedoch, 2023 zurück zu sein, wenn es bis dahin eine Lösung gegeben hat, “mit der Peng sich wohlfühlt, mit der die chinesische Regierung leben kann und mit der auch wir einverstanden sind”.

    Für den WTA bedeutet China einen der größten Wachstumsmärkte weltweit. In der letzten Saison vor Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2019 veranstaltete WTA neun Turniere mit Preisgeldern von mehr als 30 Millionen US-Dollar in China. 2021 sollten die WTA Finals im südchinesischen Shenzhen stattfinden, wurden aufgrund der Corona-Pandemie jedoch nach Mexiko verlegt. fpe

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    Rinchen Kyi – Heimkehr nach UN-Anfrage

    Rinchen Kyi wurde nach 8 Monaten wieder freigelassen.
    Freilassung nach acht Monaten: Die tibetische Lehrerin Rinchen Kyi

    Der mysteriöse Fall der verschwundenen tibetischen Lehrerin Rinchen Kyi hat anscheinend ein glückliches Ende gefunden. Die Mutter einer 13-jährigen Tochter ist am Sonntagabend in Begleitung von Polizeibeamten nach Hause zurückgekehrt. Kyi war am 1. August vergangenen Jahres gegen ihren Willen von der Polizei in ein Krankenhaus gebracht worden und nur zwei Tage danach für acht Monate verschwunden.

    Der Vorwurf lautete Anstiftung zum Separatismus. Doch bis heute haben die chinesischen Behörden der Familie nicht schlüssig dargelegt, was genau der Gesetzesverstoß von Rinchen Kyi gewesen sein soll, noch informierten sie über den Aufenthaltsort oder Gesundheitszustand der Frau.

    Bereits Mitte Februar hatten deshalb UN-Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission an die chinesische Vertretung in Genf eine Anfrage formuliert, in der sie um Aufklärung unter anderem im Fall Kyi baten. Sechs Wochen dauerte es, bis das Schreiben der Sonderberichterstatter laut Statuten in der vergangenen Woche schließlich öffentlich gemacht werden durfte. Nur wenige Tage später kehrte Kyi nach Hause zurück.

    Verschwinden Rinchen Kyis: Verbindung zu Schul-Schließung

    Relativ sicher hing ihr Verschwinden mit der Schließung einer Mittelschule im Verwaltungsbezirk Darlak in der Provinz Qinghai zusammen, wie die Menschenrechtsorganisation Tibet Watch mit Sitz in London herausfand. Die private Einrichtung, die einst gegründet wurde, um Kindern von mittellosen Familien und Waisen den Zugang zu formeller Bildung zu ermöglichen, hatte auf Anweisung der Behörden wenige Wochen zuvor den Unterricht nach mehr als 22 Jahren einstellen müssen. Eine schlüssige Erklärung dafür gab es damals nicht. Die Schule war im Besitz sämtlicher notwendiger Dokumente und “stand im Einklang mit der chinesischen Verfassung”, wie einer ihrer Mitbegründer betonte.

    Anonyme Quellen vor Ort, die im Austausch mit Tibet Watch stehen, vermuten deshalb politische Gründe hinter der Schul-Schließung. Im Laufe der Jahre hatte sich die Schule unter tibetischen Bauern und Nomaden offenbar einen erstklassigen Ruf erarbeitet. Anfänglich als Grundschule eröffnet, durfte sie seit 2008 als Mittelschule operieren. Unterrichtet wurde in erster Linie auf Tibetisch. Kulturell-religiöse Elemente in der Erziehung wurden mit Wissen der Behörden geduldet. Ehemalige Studenten sollen Arbeitsplätze bei der Verwaltung bekommen haben, seien Unternehmer oder buddhistische Mönche oder Nonnen geworden.

    Zwei weitere Tibeter nach Veruteilungen verschwunden

    Offenbar war den Behörden jüngst nun doch ein Dorn im Auge, dass Mönche in der Schule ausgebildet wurden. Dies müsse in Klöstern geschehen, hatten sie den Betreibern gegenüber begründet. Zumal die chinesischen Behörden die Kontrolle über buddhistische Klöster seit den Unruhen in Tibet im Jahr 2008 drastisch erhöht haben. Überwachungskameras und Polizeistationen in unmittelbarer Nähe der Klöster sollen das Aufflackern neuer Widerstände im Keim ersticken.

    Doch eine Begründung, weshalb die Mittelschule deshalb komplett geschlossen wurde, blieb den Betreibern verwehrt. Nach Angaben der Familie der später verschleppten Lehrerin Kyi habe das Vorgehen der Behörden die Frau dazu veranlasst, kaum noch Nahrung zu sich zu nehmen. Am 1. August vergangenen Jahres wurde Kyi deshalb in Gewahrsam genommen. Die chinesische Polizei beschuldigte sie der “Anstiftung zum Separatismus”, weil die Verweigerung des Essens als Hungerstreik gemäß Artikel 103 des chinesischen Strafrechts ein Verbrechen gegen die Staatssicherheit sei. Bei einer Verurteilung drohen bis zu zehn Jahren Haft. Doch zu einem Prozess kam es nicht. Nicht einmal zu einer formellen Verhaftung, die nach chinesischem Recht normalerweise sechs Monate nach Inhaftierung ausgesprochen werden muss.

    Kyi sei am 1. August gegen ihren Willen in ein Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Xining gebracht worden. Zwei Tage später hätten ihr die Ärzte diagnostiziert, gesund zu sein, berichtet Tibet Watch. Daraufhin sei die Familie, die nach Xining gereist war, von Sicherheitsbeamten informiert worden, sie könne die Lehrerin sehen. Das Zeitfenster, um im Krankenhaus einzutreffen, begrenzten die Beamten auf wenige Minuten, sodass die Familie schließlich zu spät kam.

    Bis zum Wiedersehen benötigte es dann acht lange Monate und eine formelle Anfrage im Auftrag der UN-Menschenrechtskommission. In dem Schreiben hatten die Sonderberichterstatter auch nach den Schicksalen zweier anderer, bereits zu Haftstrafen verurteilten Tibeter, gebeten. Der 50-jährige Schriftsteller Lobsang Lhundup wurde 2019 wegen “öffentlicher Unruhestiftung” verhaftet und zwei Jahre später in einem geheimen Prozess zu vier Jahren Haft verurteilt. Bis heute weiß die Familie nichts über seinen Aufenthaltsort. Lobsang ist Verfasser zweier Bücher mit den Titeln “Die Kunst des passiven Widerstands” und “Unter Lebensgefahr geäußerte Worte”.

    Der 38-jährige Musiker und Sänger Lhundrup Dhrakpa kritisierte in seinen Liedern die Propaganda des chinesischen Regimes und forderte die Bewahrung tibetischer Identität und Tradition. Er wurde 2019 verhaftet, weil er ein regierungskritisches Lied namens “Black Hat” öffentlich vorgetragen hatte. 2020 wurde er zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Auch sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Marcel Grzanna

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    China.Table Redaktion

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