Table.Briefing: China

Expats verlassen China + Autonomes Fahren + EU-China-Gipfel ohne Ergebnis

  • Exodus der Expats aus China
  • Shenzhen übernimmt Vorreiterrolle bei Mobilität
  • Unverständnis zwischen Xi und von der Leyen
  • Shanghai häufigster Zielhafen für deutsche Güter
  • Peking senkt Zölle auf Papierwaren aus Neuseeland
  • Hongkongs Carrie Lam hört auf
  • Chinas Außenminister spricht mit ukrainischem Amtskollegen
  • Taiwanesische Militär testet neue Raketen
  • Autoshow in Peking abgesagt
  • Im Portrait: Die angeklagte Journalistin Cheng Lei
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Grenzen der “Null-Covid”-Politik zeigt sich seit gut einer Woche in der Millionen-Metropole Shanghai. Die Situation spitzt sich immer weiter zu, in den Quarantänezentren drängen sich die Infizierten dicht an dicht. Die Lebensmittelverteilung verläuft unregelmäßig. So wichtig die Eindämmung der Pandemie ist, so deutlich dort treten gerade organisatorische Schwächen zutage. Für die KP ist das keine gute Nachricht. Wer den Anspruch hat, der Natur zum Wohle der Bürger die Stirn zu bieten, muss auch die Versorgung sicherstellen.

Die Nebenwirkungen der Null-Covid-Strategie sind inzwischen auch Teil der vielen Gründe für Ausländer, China den Rücken zu kehren. Marcel Grzanna hat mit Arbeitnehmern vor Ort und mit Rückkehrern gesprochen. Die Gesellschaft in China wird tendenziell intoleranter, nationalistischer und arroganter. Das Lebensumfeld ist insgesamt schwieriger. Kein Wunder, dass ein Exodus der Expats eingesetzt hat. Die Pandemie ist allerdings nicht die Ursache des Trends, sondern beschleunigt ihn nur.

Unterdessen ist Shenzhen dabei, als erste Stadt der Welt, seine Hauptstraßen für autonom fahrende Autos freizugeben. Rund 4.000 Unternehmen in China sind mit dem automatisierten Fahrsektor verbunden, 20 Prozent davon sind in Shenzhen ansässig. Frank Sieren zeigt, wie es der High-Tech-Metropole im Süden Chinas gelingt, den Verkehr ohne Fahrer in den Alltag zu überführen.

Ob bei AutoX, DeepRoute oder Baidu – die Testläufe der chinesischen Anbieter sind bereits weit fortgeschritten. Und auch auf Seiten der Verwaltung wird mit Hochdruck gearbeitet. Denn mag nun zwar Trunkenheit am Steuer wegfallen, so müssen doch die Regeln für Cybersicherheit und Datenschutz angepasst werden. Sieren ist überzeugt: Shenzhens Pläne könnten als Blaupause für das ganze Land dienen.

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Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Analyse

China wird für Expats unattraktiv

Shanghai ist im Zuge des Lockdowns abgeschnitten - Expats in China machen die rigiden Strukturen des Systems immer mehr zu schaffen.

Mit dem Ende des China-Kapitels in seinem Leben setzte bei Niklas die Erleichterung ein. “Ich bin wirklich froh, dass ich raus bin. Jetzt spüre ich, wie viel Energie diese Zeit tatsächlich gekostet hat”, sagt der Niederländer, der nach 17 Jahren in der Volksrepublik vor zwei Wochen seine Zelte in Shanghai abgebrochen hat.

“Als Ausländer in China zu leben ist inzwischen so, als wenn du die ganze Zeit auf rohen Eiern läufst. Überall lauern Konfrontationen nach dem Muster: Wir gegen euch“, sagt Niklas, der nicht mit vollem Namen zitiert werden möchte. Fast zwei Jahrzehnte lang arbeitete der 48-Jährige in China für internationale Firmen im Bereich Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR). In Shanghai habe er zu Beginn des Jahrhunderts die “goldenen Jahre” erlebt. Wie er sagt, war es vergleichsweise liberal und kosmopolitisch. Damit ist es vorbei.

“Die vergangenen Jahre unter Xi Jinping haben alles verändert“, sagt er. Zunehmend seien Alltagssituationen in politische Diskussionen mit Chinesen:innen gemündet, die der Niederländer nicht führen wollte. Immer wieder wurde er genötigt, zum Verhältnis Chinas zu Europa oder dem Rest der Welt Stellung zu beziehen. “Dabei bin ich ständig mit den gleichen Argumenten konfrontiert worden, ohne Differenzierung aus einer extrem nationalistischen Position”, erzählt Niklas. Kritik an der Volksrepublik sei in solchen Diskussionen immer weniger akzeptiert worden. Das Land entwickle sich zu einer “perfekt abgeschirmten Gesellschaft”.

Wachsender Nationalismus, totalitäre Züge, höhere Steuern und eine zermürbende Null-Covid-Strategie – für viele Staatsangehörige großer Industrienationen hat die Volksrepublik China ihren Zauber als Land der unbegrenzten Möglichkeiten verloren. Zahlreiche Alteingesessene kehren dem Land den Rücken und deutlich weniger Ausländer:innen entscheiden sich für einen langfristigen Aufenthalt.

“Vieles ist aus der Balance geraten”

Tatsächlich haben ausländische Firmen inzwischen Mühe, Leute zu finden, die in der Volksrepublik leben wollen. Die EU-Handelskammer stellt einen massiven Rückgang der Anzahl ausländischer Angestellter fest. Und in Hongkong, wo die örtliche Regierung die Entdemokratisierung extrem beschleunigt hat, schließen viele ausländische Firmen ihre Niederlassungen.

“China ist für Leute in meinem Alter einfach nicht mehr attraktiv”, sagt Stefan Sack, zwischen 2013 und 2016 Vizepräsident der Europäischen Handelskammer in Shanghai. Der 54-Jährige kehrte vor wenigen Monaten nach 16 Jahren in China nach Hamburg zurück. “Vieles ist aus der Balance geraten. Die Gehälter chinesischer Kollegen:innen sind kontinuierlich stark angestiegen, meins aber nicht. Und die anstehende deutliche Erhöhung der Einkommenssteuer für Ausländer verringert die Bezüge”, sagt Sack.

Immer mehr Expats wenden China den Rücken zu.

Der frühere Unternehmensberater sieht auch positive Entwicklungen. In der chinesischen Wirtschaft seien die “wilden Jahre” vorbei. Der Staat habe durch Regulierungen deutlich mehr Ordnung geschaffen. Doch Sack nimmt eine fortschreitende Erosion gesellschaftlicher Pluralität wahr. Die Meinungsvielfalt reduziere sich und komme einer “Gleichschaltung” nah.

Ähnliche Beobachtungen macht der Schotte Cameron Wilson. Im Gegensatz zu anderen, die China verlassen haben, lebt der 47-Jährige mit seiner chinesischen Familie weiterhin in Shanghai. Doch er gibt zu, dass seine Frustration enorm gewachsen ist. Jegliche Kritik am Gastgeberland werde heutzutage als das Resultat von Fake-News umgedeutet, die westliche Medien in die Welt setzten. Der Bewegungsspielraum für die Zivilgesellschaft sei dramatisch beschnitten.

Shanghai heißt Ausländer nicht mehr willkommen

Als Beispiel nennt Wilson den Profifußball. Fans dürfen nach einem Sieg nicht mehr vor dem Stadion in Gruppen stehen und gemeinsam feiern. Den Anhängern von Shanghai Shenhua ist es sogar verboten, Stoff-Schildkröten gegen den Erzrivalen Beijing Guo’an ins Stadion mitzunehmen. Die Shanghaier bezeichnen den Hauptstadtklub verächtlich als Schildkröten. Die Behörden entschieden: Die Stofftiere seien unzivilisiert.

Solch kleinliche Einschränkungen wirken belastend. “Wenn Shanghai eine internationale Metropole sein möchte, dann muss es auch ein Minimum an internationalen Standards erfüllen wie Diversität und Inklusion. Aber die Stadt entfernt sich immer weiter davon“, sagt Wilson. Als Ausländer einen Job als Ortskraft zu bekommen, werde immer schwieriger.

All das bleibt nicht ohne Wirkung. “Ich habe mich einfach nicht mehr willkommen gefühlt”, sagt Vuk Dragovic. Der Serbe lebte bis vor wenigen Wochen in Shanghai, wo er als selbstständiger Industriedesigner für internationale Kunden arbeitete. Ein Schlüsselmoment für ihn und seine Frau sei es gewesen, als die Polizei vor seiner Wohnungstür stand und unangemeldet eine Urinprobe verlangte, um ihn auf Drogenkonsum zu testen.

Es kam auch vor, dass er im Künstlerviertel Tianzifang nach seinen Ausweispapieren gefragt und seine Aufenthaltserlaubnis geprüft wurde. “Das habe ich in all den Jahren zuvor nie erlebt”, sagt Dragovic, der nach elf Jahren in der Volksrepublik jetzt in Berlin einen Neuanfang unternimmt. Vor allem nach Ausbruch des Handelskriegs zwischen China und den USA unter Präsident Donald Trump habe er eine wachsende Ablehnung der lokalen Bevölkerung gegen ihn wahrgenommen. Er erlebte, dass Chinesen es vermieden, den gleichen Fahrstuhl wie er zu benutzen.

Auch Europas Ruf sei ramponiert, hat der Niederländer Niklas festgestellt. “Ich habe eine regelrechte Verachtung für Europa gespürt. Wir seien schläfrig, langweilig und chaotisch.” Die zugespitzte Berichterstattung chinesischer Medien über gewalttätige Demonstrationen oder Ausschreitungen in EU-Staaten hätten das Bild eines düsteren Europas, das nicht mehr Herr der Lage sei, weiter verstärkt.

Wachsende Sorge wegen des Konflikts um Taiwan

Der Trend zur Entfremdung zwischen lokaler und westlich geprägter Bevölkerung wird durch die unterschiedliche Positionierung Chinas und des Westens im Ukraine-Krieg noch angeheizt. “Es wäre Chinas Zeit, sich auf globaler Bühne Glaubwürdigkeit und Respekt zu verschaffen, nach dem das Land sich so sehnt. Stattdessen werden Verschwörungstheorien als Grundlage für die eigene Politik genutzt”, sagt Wilson. In der Konsequenz werde Chinas externe Kommunikation immer aggressiver.

Der frühere Kammer-Vizepräsident Stefan Sack sieht in den politischen Tendenzen einen guten Grund, das Land zu verlassen. Er fürchtet eine chinesische Invasion Taiwans binnen der kommenden fünf Jahre. “Wenn es so weit kommen sollte, dann würde ich als Staatsbürger eines Nato-Mitgliedes nicht mehr in China sein wollen, als Amerikaner schon gar nicht”, sagt Sack.

Elisabeth Liu ist Amerikanerin und lebt seit über anderthalb Jahrzehnten in Shanghai. Sie ist Mutter von vier Kindern. Ihr Ehemann kommt aus Singapur. Ihr ursprünglicher Plan war es, in fünf Jahren in ihre Heimat Texas zurückkehren. Jetzt will sie die Volksrepublik noch in diesem Jahr verlassen. Ein Grund auch hier: die Sorge vor einem Krieg mit Taiwan.

Die kompromisslose Coronavirus-Politik in Shanghai tat jetzt ihr Übriges. Seit Wochen macht sie ihrem Unverständnis für die Art und Weise des Gesundheits-Managements mit Galgenhumor über Sozialmedien Luft. Kürzlich postete sie eine Sprachnachricht ihres Mannes, der “gute Nachrichten” meldete. Ihm sei es gelungen, ein paar Tomaten, sechs Karotten und zwei Brokkoli aufzutreiben. Liu: “Ganz ehrlich, ich hoffe, dass ich das hier alles vergessen werde und einfach mit meinem Leben weitermachen kann.”

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Shenzhen wird Stadt des autonomen Fahrens

Shenzhen soll Stadt des autonomen Fahrens werden.
Bald ohne Fahrer? Shenzhen will seine Hauptstraßen für autonom fahrende Autos öffnen.

Die Vision einer Stadt der Zukunft mit selbst fahrenden Autos an jeder Straßenkreuzung nimmt in Shenzhen Gestalt an. Die Tech-Metropole an der Grenze zu Hongkong soll weltweit zum ersten urbanen Großraum werden, in dem sämtliche Hauptverkehrsadern inklusive Autobahnen ohne Einschränkungen für autonome Fahrzeuge offen sind. Zwei von drei Entwurfsprüfungen habe das neue Regelwerk für die Verwaltung intelligenter, vernetzter Fahrzeuge bereits durchlaufen, heißt es seitens der städtischen Behörden. Die dritte und finale Prüfung erfolge im August.

Das Projekt erfährt politische Unterstützung von höchsten Stellen. Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und das Handelsministerium der Volksrepublik hatten Ende Januar Richtlinien zur Umsetzung veröffentlicht und damit das gesamtstaatliche Interesse an dem Piloten in der Megacity unterstrichen. Schon im Vorjahr ebnete das Ministerium für Staatssicherheit mit Anpassungen der Gesetze zur Verkehrssicherheit den Weg für eine weitreichende Nutzung aller Straßen durch autonome Fahrzeuge.

Dass die Sonderwirtschaftszone Shenzhen mit ihren rund 17 Millionen Einwohnern zum Pionier neuer Mobilität wird, ist nicht verwunderlich. Schon andere technologische Entwicklungen aus der Stadt wie Elektroautos, 5G-Datenübertragung oder kommerzielle Drohnen haben im Rest des Landes Schule gemacht und gingen von dort um die Welt.

Seit Deng Xiaopings Reformen Ende der Siebzigerjahre hat sich Shenzhen zu einer der wohlhabendsten Städte Chinas entwickelt. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 29 Jahren und ist damit zusammen mit Mumbai in Indien die Metropole mit der jüngsten Bevölkerung weltweit. Auch deshalb sieht die Regierung in der Tech-Metropole das perfekte Testfeld für autonomes Fahren.

In China existieren heute rund 4.000 Unternehmen, die mit dem automatisierten Fahrsektor verbunden sind, 20 Prozent davon sind in Shenzhen ansässig. Dazu zählt AutoX, das in der Entwicklung autonomer Fahrzeug weltweit ganz weit vorne mitfährt (China.Table berichtete). Im Dezember 2020 hatte das Start-up in einem Vorort von Shenzhen einen der bislang größten Testläufe für unbemannte Fahrzeuge durchgeführt. Das von Alibaba gestützte Unternehmen schickte eine Flotte von 25 Robotaxis ohne Sicherheitsfahrer in den Verkehr (China.Table berichtete).

Schon etliche Testläufe

Auch andere Unternehmen wie das erst zwei Jahre alte Start-up DeepRoute.ai haben in Shenzhen bereits die Erlaubnis erhalten, ihre Fahrzeuge in kleinem Rahmen zu testen. Im vergangenen September sammelte DeepRoute in einer Serie-B-Runde 300 Millionen US-Dollar von Investoren wie Alibaba und dem chinesischen Autohersteller Geely ein. Die Robotaxi-Flotten von DeepRoute wurden gemeinsam mit dem staatlichen Unternehmen Dongfeng Motor entwickelt.

Das chinesische Technologieunternehmen Baidu hat ebenfalls einen selbst fahrenden Taxidienst in der Innenstadt von Shenzhen getestet. Dafür hat der Tech-Gigant, der als Suchmaschinenanbieter begann, 50 Abhol- und Bringstationen eingerichtet, von denen selbst fahrenden Taxis laut einem Bericht staatlicher Medien über die Smartphone-App Apollo Go gerufen werden können. Sicherheitsfahrer sind dabei aber weiterhin mit an Bord. 

Wer genug Testläufe besteht und beim Verwaltungsbüro für öffentliche Sicherheit und Verkehr registriert ist, kann damit offiziell auf die Straße. Derzeit müssen autonome Fahrzeuge auf einer vom Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) herausgegebenen Liste von Herstellern und Produkten aufgeführt sein und bestimmte nationale Normen erfüllen, bevor sie grünes Licht erhalten. Einen nationalen Standard für intelligente vernetzte autonome Fahrzeuge gibt es noch nicht.

Bereits im vergangenen Sommer hatte die Stadtregierung erklärt, eigens Nummernschilder für autonome Fahrzeuge herausgeben zu wollen. Laut Angaben des Shenzhen Transport Bureau habe man bereits 145 Kilometer Straßen für automatisierte Fahrtests geöffnet und 93 Lizenzen ausgestellt, darunter 23 für fahrerlose Tests mit Passagieren für die Stufen 4 und 5, die ohne Fahrer auskommen.

Wer trägt die Verantwortung bei einem Unfall?

Im März vergangenen Jahres veröffentlichte die Stadtregierung einen Entwurf über die Verwaltung und kommerzielle Nutzung intelligenter und vernetzter Fahrzeuge, der zur Blaupause für das ganze Land werden könnte. Demnach erkennen die geplanten Verordnungen in Shenzhen auch die Ergebnisse von Straßentests aus anderen Provinzen und Städten in China an. Dies beschleunigt die Implementierung eines kommerziellen autonomen Fahrbetriebs erheblich.

In den Verordnungsentwürfen für Shenzhen werden unter anderem auch Vorschläge zum Umgang mit Unfällen und der gesetzlichen Haftung eingekreist. Dort heißt es unter anderem, dass bei Verkehrsverstößen oder Unfällen mit autonomen Fahrzeugen, die Verantwortung beim Entwickler des automatisierten Fahrsystems liege. Eine Frage, die unklar bleibt, ist die genaue Bedeutung des Begriffs “Entwickler” – bezieht sich dieser Begriff auf den Lieferanten des automatisierten Fahrsystems? Falls dies zutrifft, bedeutet dies, dass Automobilhersteller, die selbst keine automatisierten Fahrsysteme entwickelt haben, nicht haftbar gemacht werden können.

Die Verordnungsentwürfe enthalten auch ein Kapitel, das speziell die Cybersicherheit und den Datenschutz für autonome Fahrzeuge regelt. In einer vernetzten Welt stellen Cyberangriffe und Störungen des Verkehrssystems ein enormes Risiko dar. Darüber hinaus wird der Einsatz autonomer Fahrzeuge die Sammlung und Speicherung personenbezogener Daten massiv erhöhen.

Unternehmen, die mit autonomen Fahrzeugen zu tun haben, müssen deshalb ein Bewertungs- und Verwaltungssystem für Cybersicherheit einrichten, um Internetdaten vor Leaks und Diebstahl abzusichern. Die illegale Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten soll streng geahndet werden. Dies gilt auch für die illegale Erhebung von Daten, die die nationale Sicherheit betreffen, heißt es in dem Entwurf.

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China und EU bleiben auf Distanz

Der China-EU-Gipfel am Freitag, den 1. April blieb ohne neue Fortschritte.

Schon 15 Minuten nach dem Treffen von Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping mit den EU-Vertretern hatte die chinesische Seite bereits die erste Mitteilung mit Zitaten veröffentlicht: Die Volksrepublik hoffe, dass Europa ein eigenständiges China-Verständnis formuliert, eine eigenständige China-Politik aufrechterhält und gemeinsam stabile China-EU-Beziehungen vorantreibt, hieß es darin. Xi sprach über die Corona-Pandemie und globale wirtschaftliche Herausforderungen. Die “Ukraine-Krise” wurde erst am Ende der Mitteilung erwähnt.

Die frühe Veröffentlichung des Statements überraschte kaum. Sie zeigte, was eigentlich schon vor dem 23. EU-China-Gipfel am Freitag klar war. Die chinesische Führung wird sich nicht viel in ihrer Position bewegen. Das gilt vor allem bei dem für Brüssel mit brennender Priorität besprochenem Thema des Ukraine-Kriegs. Die Europäische Union wollte bei dem virtuellen Gipfeltreffen erneut Druck auf Peking wegen Chinas umstrittener Rückendeckung für Russland aufbauen – mit mäßigem Erfolg.

Das Gespräch sei “freimütig” gewesen, hieß es von der EU-Seite nach dem Video-Telefonat mit Xi. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel fanden nach eigenen Angaben deutliche Worte und warnten China vor der Unterstützung Moskaus. “Kein europäischer Bürger würde es verstehen, wenn es irgendeine Unterstützung für Russlands Fähigkeit geben würde, Krieg zu führen”, sagte die Kommissionspräsidentin nach den Gesprächen. “Das würde China hier in Europa einen großen Reputationsschaden zufügen.” Das Land trage auch als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat eine besondere Verantwortung, betonte von der Leyen.

Erwartung an China: Sanktionen zumindest nicht behindern

Indirekt drohte die EU-Kommissionschefin Peking auch Konsequenzen: “Es ist klar, dass der russische Einmarsch in die Ukraine nicht nur ein entscheidender Moment für unseren Kontinent, sondern auch für unser Verhältnis zum Rest der Welt ist.” EU-Ratspräsident Michel ergänzte: “Wir haben China aufgefordert, einen Beitrag zum Ende des Krieges in der Ukraine zu leisten.” China könne den Völkerrechtsverstoß Russlands nicht ignorieren.

Öffentlich äußerte sich die EU-Führung klarer zu den Erwartungen an China wegen der Sanktionen gegen Russland: “Wir erwarten nicht, dass China unsere Sanktionen gegen Russland unterstützt, aber wir erwarten, dass es sie nicht behindert!”, betonten von der Leyen und Michel mit denselben Worten. EU-Beamten zufolge sei Xi auch ans Herz gelegt worden, mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen.

Nach der schnellen ersten Mitteilung der chinesischen Seite dauerte es am Freitag einige Zeit, bis ein zweites Statement veröffentlicht wurde. In diesem ging Xi näher auf die Ukraine ein – und schob erneut dem Westen die Schuld an dem Konflikt zu: Er warnte davor, “Öl ins Feuer zu gießen und die Spannungen anzuheizen”. Die Grundursache der Ukraine-Krise seien “regionale Sicherheitsspannungen in Europa, die sich über Jahre aufgebaut haben”, so Xi. “In diesem Zeitalter sollten globale Sicherheitsrahmen nicht mehr auf einer Mentalität des Kalten Krieges aufgebaut sein.”

Washington enttäuscht von Gipfel

Vor allem mit der zweiten Mitteilung wurde klar: Den Gipfelteilnehmern ist es nicht gelungen, sich bei der Reaktion auf die Ukraine-Invasion anzunähern. “Systemische Rivalität ist eine neue Realität”, schlussfolgert die Direktorin des Asia-Programms am Thinktank ECFR, Janka Oertel, zu dem Treffen. “Es gab wenig Einigkeit zwischen den beiden Seiten und das Gespräch war weit davon entfernt, ‘business as usual’ zu sein.” Stattdessen gab es einen “Austausch gegensätzlicher Ansichten”. Beim Standpunkt zu den Strafmaßnahmen gegen Moskau habe Brüssel aber deutliche Worte gefunden, so Oertel. “Wenn China das verhängte Sanktionsregime offen untergräbt, wird das Konsequenzen haben. Das könnte jetzt nicht klarer sein.”

Diese Botschaft hatten die G7-, Nato- und EU-Staaten bereits unisono beim Gipfelmarathon vor eineinhalb Wochen (China.Table berichtete) in Richtung Peking entsandt. Washington hatte ein genaues Auge auf das Treffen am Freitag. “In Washington hat man das Gefühl, dass die USA und die EU sich in ihrer Einschätzung der Herausforderung China derzeit so nahe kommen wie nie zuvor”, meint Außenpolitik-Experte Noah Barkin vom Berliner Büro des German Marshall Fund (GMF).

Der Gipfel am Freitag habe dieses Gefühl noch bestärkt, so Barkin. Auf beiden Seiten des Atlantiks nehme man die Annäherung Chinas und Russlands als Bedrohung war. Als sich Putin und Xi im Februar der unbegrenzten Kooperation versichert haben, habe das die Wahrnehmung nachhaltig verschoben. “Das war auch die Botschaft des Gipfels”, so Barkin. “Unklar ist aber noch, ob die Zeitenwende, die Olaf Scholz ausgerufen hat, einen geopolitischen Wendepunkt markiert oder ob sie nur für Russland gilt.” Die USA hoffen nun auf Signale aus Berlin, dass die Neubewertung in Berlin auch China betrifft.

Keine Fortschritte bei Handelsthemen

Von der Leyen und Michel sprachen am Freitagvormittag auch mit Premier Li Keqiang. China sei grundsätzlich gegen “die Teilung in Blöcke und Parteinahmen”, so Li. Die Volksrepublik wolle mit der EU und der Welt zusammenarbeiten, sagte der Premier. Allerdings werde sich sein Land “auf seine eigene Art” für den Frieden einsetzen.

Im Gespräch mit Li habe man deutlich gemacht, dass eine Reihe von Differenzen angegangen werden müssten, betonte die EU-Seite. Als Beispiele nannte von der Leyen bei der anschließenden Pressekonferenz die von Peking verhängten Sanktionen gegen Mitglieder des EU-Parlaments, den eingeschränkten Zugang europäischer Unternehmen zum chinesischen Markt, Menschenrechtsfragen und die Handelsblockade Chinas gegen Litauen (China.Table berichtete). Konkrete Fortschritte bei der Beilegung dieser Differenzen gab es nicht.

Dabei habe China gerade im Dreieck EU-China-USA gerade ein Interesse daran, Brüssel positiv zu stimmen und damit eine engere Bindung an die USA zu vermeiden, sagt Thomas des Garets Geddes, Research Fellow beim deutschen Thinktank Merics: “Die USA sind seit langem Chinas am meisten gefürchteter und verachteter Gegner, nicht die EU.” Deshalb würden viele Analysten Chinas einräumen, dass die EU innerhalb des Dreiecks derzeit in einer relativ günstigen Position sei, so der Experte. “Es würde mich nicht überraschen, wenn China bereit wäre, einiges für die EU zu tun, damit sie nicht zu sehr in Richtung USA abdriftet.” Die Volksrepublik sei interessiert an der Neutralität oder strategischen Autonomie der EU, so des Garets Geddes. “Das wäre für China extrem wichtig.” Mitarbeit: Christiane Kühl

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News

Shanghai wichtigster Hafen für deutschen Containerverkehr

China ist 2021 Deutschlands wichtigster Partner im Containerverkehr gewesen. Das meldete das Statistische Bundesamt am Montag. Demnach machte im vergangenen Jahr der Handel mit den Häfen der Volksrepublik gut ein Fünftel (20,7 Prozent) des Containerumschlags deutscher Seehäfen aus. Umgerechnet waren das 3,1 Millionen TEU (Twenty-foot-Equivalent-Unit). Auf Platz zwei folgen die Vereinigten Staaten mit einem Anteil von gut einem Zehntel (10,1 Prozent oder 1,5 Millionen TEU) des gesamten Umschlags. An dritter Stelle folgt die Russische Föderation – damals noch nicht mit Sanktionen infolge des Angriffs auf die Ukraine belegt.

Unter den zehn wichtigsten ausländischen Partnerhäfen im Containerverkehr befanden sich im Jahr 2021 gleich vier chinesische Häfen. Der mit Abstand wichtigste Anlaufpunkt war Shanghai mit einem Umschlag von 968.000 TEU. Weitere wichtige Häfen im chinesisch-deutschen Containerverkehr waren Ningbo (467.000 TEU), Shenzhen (432.000 TEU) und Qingdao (350.000 TEU). Die wichtigsten nicht-chinesischen Häfen für den Containeraustausch mit Deutschland waren 2021 Singapur (483.000 TEU), New York (463.000 TEU) und Sankt Petersburg (460.000 TEU). 

Insgesamt lag der Containerumschlag der deutschen Seehäfen im Jahr 2021 bei 14,8 Millionen TEU und damit 5,9 Prozent höher als im Jahr 2020, aber 1,5 Prozent unter dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019. rad

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Hongkongs Carrie Lam hört Ende Juni auf

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam wird nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren.
Carrie Lam nach der Verkündung ihres Ausstiegs aus der Politik

Hongkong steht vor einem Personalwechsel an der Spitze der Stadt. Die amtierende Regierungschefin Carrie Lam hat angekündigt, bei der Wahl am 8. Mai nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren zu wollen. Damit wird die 64-Jährige Ende Juni nach 42 Jahren aus dem Staatsdienst ausscheiden. Die chinesische Regierung habe sie bereits im Vorfeld über ihren Entschluss, der laut Lam familiäre Gründe habe, informiert. In Peking habe man mit Verständnis reagiert und die Entscheidung respektiert.

Lams fünfjährige Amtszeit war geprägt von enormen politischen Spannungen in der Metropole, in deren Verlauf die Bürgerrechte stark beschnitten wurden. Mit der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes 2020 verantwortet Lam eine Zäsur in der jüngeren Geschichte der Stadt. Das Gesetz bot der Regierung die rechtliche Grundlage einer politischen Säuberung, der Dutzende Führungspersönlichkeiten der parlamentarischen und zivilgesellschaftlichen Opposition zum Opfer fielen (China.Table berichtete).

Bereits 2019 hatten Hongkongs Sicherheitskräfte unter Lams Führung mit voller Härte auf Massenproteste gegen die Einführung eines Auslieferungsgesetzes reagiert. Deren Vorgehen hatte damals Empörung und Proteste in aller Welt provoziert. Reporter ohne Grenzen setzte Lam später auf die Liste der größten Feinde der Pressefreiheit. Lam hatte zwar stets den hohen Grad der Unabhängigkeit der Hongkonger Regierung von der Pekinger Zentralregierung betont. Vor wenigen Monaten bekam diese Darstellung jedoch öffentlich Risse, als Chinas Staatschef Xi Jinping persönlich in das Corona-Krisenmanagement der Stadt eingriff.

Der im Exil lebende, pro-demokratische Hongkonger Ex-Parlamentarier Nathan Law forderte die britische Regierung auf, Carrie Lam ein Aufenthaltsrecht zu verwehren. Lam hatte in der Vergangenheit angekündigt, sich möglicherweise in Großbritannien zur Ruhe setzen zu wollen. grz

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Wang spricht sich für Frieden in Ukraine-Frage aus

Chinas Außenminister Wang Yi hat am Montag in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba seine Solidarität mit den zivilen Opfern im Ukraine-Krieg ausgedrückt. Kuleba verbreitete den Inhalt des Gesprächs über Twitter, noch ehe das chinesische Außenministerium eine Meldung dazu veröffentlicht hatte.

Später am Tag veröffentlichte auch China eine Stellungnahme zu dem Telefonat. Darin heißt es, Kuleba habe China als Land gelobt, welches eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des Friedens spiele. Die Ukraine hoffe demnach, dass China weiterhin eine wichtige Rolle beim Waffenstillstand und Krieg spielen werde. Wang Yi wiederum soll demnach gesagt haben, dass Chinas grundsätzliche Haltung in der Ukraine-Frage bestehe darin, für Frieden zu sorgen und Gespräche zu fördern. China verfolge in der Ukraine-Frage kein geopolitisches Eigeninteresse und werde keine Dinge tun, die Öl ins Feuer gießen. Von einer Solidaritätsbekundung – wie sie Kuleba erwähnte – war in der chinesischen Mitteilung nicht die Rede.

Das Telefonat erfolgte einen Tag nach der Entdeckung mehrerer Hundert Leichen in einem Kiewer Vorort. Die Ukraine beschuldigt Russland, für Kriegsverbrechen verantwortlich zu sein. China hingegen vermeidet es seit Kriegsausbruch, sich klar auf eine Seite zu stellen (China.Table berichtete). Kuleba und Wang seien sich zudem einig gewesen, dass ein Ende des Krieges den gemeinsamen Interessen wie Frieden, Sicherheit der globalen Nahrungsmittelversorgung und internationalem Handel zugutekommen würde.

Zuvor hatte Wang mit dem ungarischen Außenminister Péter Szijjarto telefoniert und dessen Regierung zum abermaligen Gewinn der Parlamentswahl gratuliert. Der Wahlsieg der Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán dürfte in chinesischem Interesse sein. Die Volksrepublik hat seit Orbáns Machtübernahme ihren Einfluss in dem EU-Mitgliedsstaat deutlich erhöht. grz

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Taiwan testet neue Anti-Panzer-Raketen

Das taiwanesische Militär hat neue Raketen getestet. Medienberichten zufolge bei Trainingseinheiten vergangene Woche Javelin-Raketen zum Einsatz gekommen. Es handelt sich hierbei um in den USA hergestellte Anti-Panzer-Raketen. Man wolle ihre Wirksamkeit für die Abwehr potenzieller Angriffe vom chinesischen Festland testen, berichtet die Zeitung South China Morning Post (SCMP) am Montag. Die als “Panzerkiller” bezeichneten Raketen werden derzeit von der Ukraine eingesetzt, um russische Panzer zu zerstören.

Die FGM-148 Javelin ist ein tragbares Panzerabwehr-Raketensystem. Ihr Sprengkopf ist in der Lage, moderne Panzer zu zerstören, indem sie das Fahrzeug von oben trifft, wo die Panzerung am anfälligsten ist. Die Javelin kann aber auch verwendet werden, um Gebäude, Hubschrauber und Ziele anzugreifen, die sich unter Hindernissen befinden oder die zu nahe sind, um einen Überkopfangriff zu versuchen.

Taiwans Streitkräfte verfügen dem Bericht zufolge über etwa 1.000 solcher Raketen für den Einsatz in der Armee und dem Marinekorps. 400 weitere sollen in diesem Jahr noch aus den USA geliefert werden. Zudem habe man 250 Stinger-Raketen bestellt. Sie sollen bis 2026 geliefert werden. Auch dieser Raketentyp hat sich im Kampf der Ukraine gegen den russischen Angriff bewährt.

Die taiwanesische Regierung beobachtet den Krieg in der Ukraine genau. “Die Lehre, die wir aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine ziehen können, ist, dass die Ukraine trotz ihrer militärischen Nachteile immer noch in der Lage ist, die Eigenheiten ihres Schlachtfelds und ihrer asymmetrischen Fähigkeiten zu nutzen, um einen riesigen Feind wie Russland abzuwehren”, zitiert SCMP den taiwanesische Verteidigungsminister Chiu Kuo-Cheng. rad

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Automesse in Peking abgesagt

China sagt die für Ende April geplante Autoshow in Peking ab. Ein neues Datum nannte der Veranstalter nicht. Dieses werde zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Die Entwicklung der Corona-Pandemie werde genau beobachtet.

Chinas größte Handelsmasse ist ebenfalls von Covid betroffen. Die Canton Fair in Guangzhou steht in diesem Monat nur im Netz für Anbieter und Käufer offen. Die Firmen stellen ihre Produkte vom 15. bis zum 24. April in Streaming-Events vor. Vor der Pandemie konnten sich Kaufinteressenten in den riesigen Messehallen selbst ein Bild von Aussehen und Qualität der Waren machen.

Kritiker finden, dass der Sinn einer Handelsmesse durch das Online-Format unterlaufen wird – schließlich gibt es reichlich Plattformen für die Online-Vorstellung von Produkten, die ganzjährig verfügbar sind. China will derzeit vor allem die Verbreitung von Omikron im Inland verhindern. Eine große Messe mit über 180.000 Besuchern gilt da als kontraproduktiv. Die Kanton-Messe findet zweimal jährlich statt. fin/rtr

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Portrait

Cheng Lei – Australische Journalistin vor Gericht

Ein Bild aus besseren Zeiten: Cheng Lei in ihrer aktiven Phase als Wirtschaftsmoderatorin bei CCTV - sie wurde nun vor Gericht schuldig gesprochen.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Cheng Lei in ihrer aktiven Phase als Wirtschaftsmoderatorin bei CCTV

Drei Stunden benötigte das Pekinger Gericht am Donnerstag, um den Fall Cheng Lei mit der Angeklagten persönlich zu erörtern. Drei Stunden genügten der chinesischen Rechtssprechung, um den schweren Vorwurf der Weitergabe von Staatsgeheimnissen abschließend bewerten zu können. Der winzig kurze Zeitraum steht im Widerspruch zu der langen Ungewissheit, in der die zweifache Mutter zuvor gehalten wurde. Denn die chinesische Justiz hatte sich viel Zeit genommen, ehe sie ihr am Donnerstag den Prozess machte.

Vor 19 Monaten wurde die Australierin mit chinesischen Wurzeln in Gewahrsam genommen. Ein knappes halbes Jahr lang war ihr Aufenthaltsort unbekannt. Ebenso wusste niemand, warum sie überhaupt verhaftet worden war. Das war nach chinesischem Gesetz legal: Die Polizei kann Verdächtige bis zu sechs Monate unter RSDL (Residential Surveillance at a Designated Location) setzen. Während dieser Zeit muss sie ihr weder einen Anwalt gewähren, noch irgendjemanden über ihren Aufenthaltsort informieren.

Erst im August 2020 teilten chinesische Behörden den australischen Kollegen:innen mit, dass Cheng Lei formal verhaftet und des Geheimnisverrats beschuldigt wurde. Der Fall schlug hohe Wellen. Nicht nur in der internationalen Gemeinschaft in Peking, wo sie als alleinerziehende Mutter bereitwillig private Tipps gab, welche Kindergärten für ausländische Familien am besten infrage kommen, sondern auch in weiten Teilen Chinas, Australien und großen Teil des politischen Westens.

Als Spionin am Pranger der Sozialmedien

Cheng hatte acht Jahre lang für Chinas staatlichen Auslandssender CGTN gearbeitet. Dem dortigen Publikum war sie als Moderatorin von Nachrichtensendungen bekannt. Sie machte nie einen Hehl daraus, dass sie die liberale Geisteshaltung demokratischer Systeme wertschätzte. Als “Global Alumni” trat sie einst in einem Werbevideo für den Universitäts-Standort Australien auf, das sich an junge Chinesen:innen richtete. Australiens Bildungssystem “bringt dir nicht bei, einfach nur Anweisungen zu befolgen, sondern es erlaubt dir die Freiheit, dir deine eigenen Gedanken zu machen”, sagte sie darin.

Solche eigenen Gedanken formulierte sie auch bis zuletzt während ihrer Zeit bei CGTN. Als australische Staatsbürgerin, die mit ihren Eltern als Neunjährige aus China nach Down Under ausgewandert war, ließ sie es sich nicht nehmen, im Internet Kritik an Staatspräsident Xi Jinping zu äußern oder an der frühen Corona-Politik der chinesischen Regierung. Ob diese Äußerungen mit ihrer späteren Ingewahrsamnahme zu tun hatten, ist nicht sicher.

Staatliche chinesische Medien halten sich zwar in ihrer Berichterstattung streng an öffentliche Verlautbarungen durch die Regierung. Dennoch drangen Informationen über Sozialmedien an die Öffentlichkeit. Vor rund einem Jahr nahm sich eine Nutzerin bei Wechat des Falles an, die unter dem Namen “Kleine, süße Pekinger Melone” erstaunliches Detailwissen über Cheng Leis Privatleben sowie die Vorwürfe gegen sie preisgab.

Über dem Eintrag stand: “Wie wurde die berühmte CCTV-Moderatorin Cheng Lei, die ihr Mutterland verriet, zu einer australischen Spionin?” Und weiter unten hieß es: “China hat dir alles gegeben, aber du kommst als Werkzeug des Feindes.” Es folgten binnen kurzer Zeit weitere Posts in Sozialmedien von anderen Konten mit Pseudonymen zu dem Fall, alle mit dem gleichen Tenor. Später tauchte ein Video auf: “Spionage-CCTV-Moderatorin Cheng Lei: 20 Jahre lang hat sie sich im Staatsfernsehen versteckt und Staatsgeheimnisse gestohlen. Jetzt spricht sie schamlos von Ungerechtigkeiten.”

Dass solche Veröffentlichungen in derart hochrangigen staatlichen Angelegenheiten zufällig sind, scheint in einem derart stark kontrollierten Überwachungsstaat nahezu ausgeschlossen. “Diese Posts werden von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit geschrieben, um den öffentlichen Ton vorzugeben”, sagte Feng Chongyi von der University of Technology Sydney dem australischen Rundfunk ABC. Feng war vor vier Jahren während eines Besuchs in China eine Woche lang selbst inhaftiert worden.

Botschafter wurde Einlass in Gerichtssaal verwehrt

Nach Cheng Leis formeller Verhaftung war es australischen Diplomaten einmal monatlich erlaubt, sich mit ihr über Videotelefonate auszutauschen. Die Themen allerdings wurden von chinesischer Seite ausgewählt. Australiens Botschafter Graham Fletcher wurde am Donnerstag zudem der Einlass in den Gerichtssaal verwehrt. Die australische Regierung hatte im Vorfeld des Prozesses um ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit gebeten.

Die größten Leidtragenden des Falls sind aber wohl die beiden zwölf- und zehnjährigen Kinder der 46-Jährigen. Die Mutter hatte das Mädchen und den Jungen kurz vor ihrem Verschwinden nach Melbourne zur Großmutter gebracht. Cheng Lei hatte wegen des Coronavirus-Ausbruchs in China kurzfristig entschieden, die beiden außer Landes zu schaffen. Seit mehr als anderthalb Jahren haben sie ihre Mutter nicht mehr gesehen.

Schlimmstenfalls könnte sich dieser Zustand dauerhaft fortsetzen, wenn die Richter eine lebenslange Haftstrafe aussprechen. Möglich ist das, als wahrscheinlich gilt es dennoch nicht. Üblich sind bei solchen Anklagen Haftstrafen von fünf bis zehn Jahren Dauer. Ein möglicher Schuldspruch und das Strafmaß werden zu einem späteren Zeitpunkt von der chinesischen Justiz verkündet. Üblicherweise hat sie es dabei weniger eilig als bei der Verhandlung selbst. Marcel Grzanna

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China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Exodus der Expats aus China
    • Shenzhen übernimmt Vorreiterrolle bei Mobilität
    • Unverständnis zwischen Xi und von der Leyen
    • Shanghai häufigster Zielhafen für deutsche Güter
    • Peking senkt Zölle auf Papierwaren aus Neuseeland
    • Hongkongs Carrie Lam hört auf
    • Chinas Außenminister spricht mit ukrainischem Amtskollegen
    • Taiwanesische Militär testet neue Raketen
    • Autoshow in Peking abgesagt
    • Im Portrait: Die angeklagte Journalistin Cheng Lei
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Grenzen der “Null-Covid”-Politik zeigt sich seit gut einer Woche in der Millionen-Metropole Shanghai. Die Situation spitzt sich immer weiter zu, in den Quarantänezentren drängen sich die Infizierten dicht an dicht. Die Lebensmittelverteilung verläuft unregelmäßig. So wichtig die Eindämmung der Pandemie ist, so deutlich dort treten gerade organisatorische Schwächen zutage. Für die KP ist das keine gute Nachricht. Wer den Anspruch hat, der Natur zum Wohle der Bürger die Stirn zu bieten, muss auch die Versorgung sicherstellen.

    Die Nebenwirkungen der Null-Covid-Strategie sind inzwischen auch Teil der vielen Gründe für Ausländer, China den Rücken zu kehren. Marcel Grzanna hat mit Arbeitnehmern vor Ort und mit Rückkehrern gesprochen. Die Gesellschaft in China wird tendenziell intoleranter, nationalistischer und arroganter. Das Lebensumfeld ist insgesamt schwieriger. Kein Wunder, dass ein Exodus der Expats eingesetzt hat. Die Pandemie ist allerdings nicht die Ursache des Trends, sondern beschleunigt ihn nur.

    Unterdessen ist Shenzhen dabei, als erste Stadt der Welt, seine Hauptstraßen für autonom fahrende Autos freizugeben. Rund 4.000 Unternehmen in China sind mit dem automatisierten Fahrsektor verbunden, 20 Prozent davon sind in Shenzhen ansässig. Frank Sieren zeigt, wie es der High-Tech-Metropole im Süden Chinas gelingt, den Verkehr ohne Fahrer in den Alltag zu überführen.

    Ob bei AutoX, DeepRoute oder Baidu – die Testläufe der chinesischen Anbieter sind bereits weit fortgeschritten. Und auch auf Seiten der Verwaltung wird mit Hochdruck gearbeitet. Denn mag nun zwar Trunkenheit am Steuer wegfallen, so müssen doch die Regeln für Cybersicherheit und Datenschutz angepasst werden. Sieren ist überzeugt: Shenzhens Pläne könnten als Blaupause für das ganze Land dienen.

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    Amelie Richter
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    Analyse

    China wird für Expats unattraktiv

    Shanghai ist im Zuge des Lockdowns abgeschnitten - Expats in China machen die rigiden Strukturen des Systems immer mehr zu schaffen.

    Mit dem Ende des China-Kapitels in seinem Leben setzte bei Niklas die Erleichterung ein. “Ich bin wirklich froh, dass ich raus bin. Jetzt spüre ich, wie viel Energie diese Zeit tatsächlich gekostet hat”, sagt der Niederländer, der nach 17 Jahren in der Volksrepublik vor zwei Wochen seine Zelte in Shanghai abgebrochen hat.

    “Als Ausländer in China zu leben ist inzwischen so, als wenn du die ganze Zeit auf rohen Eiern läufst. Überall lauern Konfrontationen nach dem Muster: Wir gegen euch“, sagt Niklas, der nicht mit vollem Namen zitiert werden möchte. Fast zwei Jahrzehnte lang arbeitete der 48-Jährige in China für internationale Firmen im Bereich Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR). In Shanghai habe er zu Beginn des Jahrhunderts die “goldenen Jahre” erlebt. Wie er sagt, war es vergleichsweise liberal und kosmopolitisch. Damit ist es vorbei.

    “Die vergangenen Jahre unter Xi Jinping haben alles verändert“, sagt er. Zunehmend seien Alltagssituationen in politische Diskussionen mit Chinesen:innen gemündet, die der Niederländer nicht führen wollte. Immer wieder wurde er genötigt, zum Verhältnis Chinas zu Europa oder dem Rest der Welt Stellung zu beziehen. “Dabei bin ich ständig mit den gleichen Argumenten konfrontiert worden, ohne Differenzierung aus einer extrem nationalistischen Position”, erzählt Niklas. Kritik an der Volksrepublik sei in solchen Diskussionen immer weniger akzeptiert worden. Das Land entwickle sich zu einer “perfekt abgeschirmten Gesellschaft”.

    Wachsender Nationalismus, totalitäre Züge, höhere Steuern und eine zermürbende Null-Covid-Strategie – für viele Staatsangehörige großer Industrienationen hat die Volksrepublik China ihren Zauber als Land der unbegrenzten Möglichkeiten verloren. Zahlreiche Alteingesessene kehren dem Land den Rücken und deutlich weniger Ausländer:innen entscheiden sich für einen langfristigen Aufenthalt.

    “Vieles ist aus der Balance geraten”

    Tatsächlich haben ausländische Firmen inzwischen Mühe, Leute zu finden, die in der Volksrepublik leben wollen. Die EU-Handelskammer stellt einen massiven Rückgang der Anzahl ausländischer Angestellter fest. Und in Hongkong, wo die örtliche Regierung die Entdemokratisierung extrem beschleunigt hat, schließen viele ausländische Firmen ihre Niederlassungen.

    “China ist für Leute in meinem Alter einfach nicht mehr attraktiv”, sagt Stefan Sack, zwischen 2013 und 2016 Vizepräsident der Europäischen Handelskammer in Shanghai. Der 54-Jährige kehrte vor wenigen Monaten nach 16 Jahren in China nach Hamburg zurück. “Vieles ist aus der Balance geraten. Die Gehälter chinesischer Kollegen:innen sind kontinuierlich stark angestiegen, meins aber nicht. Und die anstehende deutliche Erhöhung der Einkommenssteuer für Ausländer verringert die Bezüge”, sagt Sack.

    Immer mehr Expats wenden China den Rücken zu.

    Der frühere Unternehmensberater sieht auch positive Entwicklungen. In der chinesischen Wirtschaft seien die “wilden Jahre” vorbei. Der Staat habe durch Regulierungen deutlich mehr Ordnung geschaffen. Doch Sack nimmt eine fortschreitende Erosion gesellschaftlicher Pluralität wahr. Die Meinungsvielfalt reduziere sich und komme einer “Gleichschaltung” nah.

    Ähnliche Beobachtungen macht der Schotte Cameron Wilson. Im Gegensatz zu anderen, die China verlassen haben, lebt der 47-Jährige mit seiner chinesischen Familie weiterhin in Shanghai. Doch er gibt zu, dass seine Frustration enorm gewachsen ist. Jegliche Kritik am Gastgeberland werde heutzutage als das Resultat von Fake-News umgedeutet, die westliche Medien in die Welt setzten. Der Bewegungsspielraum für die Zivilgesellschaft sei dramatisch beschnitten.

    Shanghai heißt Ausländer nicht mehr willkommen

    Als Beispiel nennt Wilson den Profifußball. Fans dürfen nach einem Sieg nicht mehr vor dem Stadion in Gruppen stehen und gemeinsam feiern. Den Anhängern von Shanghai Shenhua ist es sogar verboten, Stoff-Schildkröten gegen den Erzrivalen Beijing Guo’an ins Stadion mitzunehmen. Die Shanghaier bezeichnen den Hauptstadtklub verächtlich als Schildkröten. Die Behörden entschieden: Die Stofftiere seien unzivilisiert.

    Solch kleinliche Einschränkungen wirken belastend. “Wenn Shanghai eine internationale Metropole sein möchte, dann muss es auch ein Minimum an internationalen Standards erfüllen wie Diversität und Inklusion. Aber die Stadt entfernt sich immer weiter davon“, sagt Wilson. Als Ausländer einen Job als Ortskraft zu bekommen, werde immer schwieriger.

    All das bleibt nicht ohne Wirkung. “Ich habe mich einfach nicht mehr willkommen gefühlt”, sagt Vuk Dragovic. Der Serbe lebte bis vor wenigen Wochen in Shanghai, wo er als selbstständiger Industriedesigner für internationale Kunden arbeitete. Ein Schlüsselmoment für ihn und seine Frau sei es gewesen, als die Polizei vor seiner Wohnungstür stand und unangemeldet eine Urinprobe verlangte, um ihn auf Drogenkonsum zu testen.

    Es kam auch vor, dass er im Künstlerviertel Tianzifang nach seinen Ausweispapieren gefragt und seine Aufenthaltserlaubnis geprüft wurde. “Das habe ich in all den Jahren zuvor nie erlebt”, sagt Dragovic, der nach elf Jahren in der Volksrepublik jetzt in Berlin einen Neuanfang unternimmt. Vor allem nach Ausbruch des Handelskriegs zwischen China und den USA unter Präsident Donald Trump habe er eine wachsende Ablehnung der lokalen Bevölkerung gegen ihn wahrgenommen. Er erlebte, dass Chinesen es vermieden, den gleichen Fahrstuhl wie er zu benutzen.

    Auch Europas Ruf sei ramponiert, hat der Niederländer Niklas festgestellt. “Ich habe eine regelrechte Verachtung für Europa gespürt. Wir seien schläfrig, langweilig und chaotisch.” Die zugespitzte Berichterstattung chinesischer Medien über gewalttätige Demonstrationen oder Ausschreitungen in EU-Staaten hätten das Bild eines düsteren Europas, das nicht mehr Herr der Lage sei, weiter verstärkt.

    Wachsende Sorge wegen des Konflikts um Taiwan

    Der Trend zur Entfremdung zwischen lokaler und westlich geprägter Bevölkerung wird durch die unterschiedliche Positionierung Chinas und des Westens im Ukraine-Krieg noch angeheizt. “Es wäre Chinas Zeit, sich auf globaler Bühne Glaubwürdigkeit und Respekt zu verschaffen, nach dem das Land sich so sehnt. Stattdessen werden Verschwörungstheorien als Grundlage für die eigene Politik genutzt”, sagt Wilson. In der Konsequenz werde Chinas externe Kommunikation immer aggressiver.

    Der frühere Kammer-Vizepräsident Stefan Sack sieht in den politischen Tendenzen einen guten Grund, das Land zu verlassen. Er fürchtet eine chinesische Invasion Taiwans binnen der kommenden fünf Jahre. “Wenn es so weit kommen sollte, dann würde ich als Staatsbürger eines Nato-Mitgliedes nicht mehr in China sein wollen, als Amerikaner schon gar nicht”, sagt Sack.

    Elisabeth Liu ist Amerikanerin und lebt seit über anderthalb Jahrzehnten in Shanghai. Sie ist Mutter von vier Kindern. Ihr Ehemann kommt aus Singapur. Ihr ursprünglicher Plan war es, in fünf Jahren in ihre Heimat Texas zurückkehren. Jetzt will sie die Volksrepublik noch in diesem Jahr verlassen. Ein Grund auch hier: die Sorge vor einem Krieg mit Taiwan.

    Die kompromisslose Coronavirus-Politik in Shanghai tat jetzt ihr Übriges. Seit Wochen macht sie ihrem Unverständnis für die Art und Weise des Gesundheits-Managements mit Galgenhumor über Sozialmedien Luft. Kürzlich postete sie eine Sprachnachricht ihres Mannes, der “gute Nachrichten” meldete. Ihm sei es gelungen, ein paar Tomaten, sechs Karotten und zwei Brokkoli aufzutreiben. Liu: “Ganz ehrlich, ich hoffe, dass ich das hier alles vergessen werde und einfach mit meinem Leben weitermachen kann.”

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    Shenzhen wird Stadt des autonomen Fahrens

    Shenzhen soll Stadt des autonomen Fahrens werden.
    Bald ohne Fahrer? Shenzhen will seine Hauptstraßen für autonom fahrende Autos öffnen.

    Die Vision einer Stadt der Zukunft mit selbst fahrenden Autos an jeder Straßenkreuzung nimmt in Shenzhen Gestalt an. Die Tech-Metropole an der Grenze zu Hongkong soll weltweit zum ersten urbanen Großraum werden, in dem sämtliche Hauptverkehrsadern inklusive Autobahnen ohne Einschränkungen für autonome Fahrzeuge offen sind. Zwei von drei Entwurfsprüfungen habe das neue Regelwerk für die Verwaltung intelligenter, vernetzter Fahrzeuge bereits durchlaufen, heißt es seitens der städtischen Behörden. Die dritte und finale Prüfung erfolge im August.

    Das Projekt erfährt politische Unterstützung von höchsten Stellen. Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und das Handelsministerium der Volksrepublik hatten Ende Januar Richtlinien zur Umsetzung veröffentlicht und damit das gesamtstaatliche Interesse an dem Piloten in der Megacity unterstrichen. Schon im Vorjahr ebnete das Ministerium für Staatssicherheit mit Anpassungen der Gesetze zur Verkehrssicherheit den Weg für eine weitreichende Nutzung aller Straßen durch autonome Fahrzeuge.

    Dass die Sonderwirtschaftszone Shenzhen mit ihren rund 17 Millionen Einwohnern zum Pionier neuer Mobilität wird, ist nicht verwunderlich. Schon andere technologische Entwicklungen aus der Stadt wie Elektroautos, 5G-Datenübertragung oder kommerzielle Drohnen haben im Rest des Landes Schule gemacht und gingen von dort um die Welt.

    Seit Deng Xiaopings Reformen Ende der Siebzigerjahre hat sich Shenzhen zu einer der wohlhabendsten Städte Chinas entwickelt. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 29 Jahren und ist damit zusammen mit Mumbai in Indien die Metropole mit der jüngsten Bevölkerung weltweit. Auch deshalb sieht die Regierung in der Tech-Metropole das perfekte Testfeld für autonomes Fahren.

    In China existieren heute rund 4.000 Unternehmen, die mit dem automatisierten Fahrsektor verbunden sind, 20 Prozent davon sind in Shenzhen ansässig. Dazu zählt AutoX, das in der Entwicklung autonomer Fahrzeug weltweit ganz weit vorne mitfährt (China.Table berichtete). Im Dezember 2020 hatte das Start-up in einem Vorort von Shenzhen einen der bislang größten Testläufe für unbemannte Fahrzeuge durchgeführt. Das von Alibaba gestützte Unternehmen schickte eine Flotte von 25 Robotaxis ohne Sicherheitsfahrer in den Verkehr (China.Table berichtete).

    Schon etliche Testläufe

    Auch andere Unternehmen wie das erst zwei Jahre alte Start-up DeepRoute.ai haben in Shenzhen bereits die Erlaubnis erhalten, ihre Fahrzeuge in kleinem Rahmen zu testen. Im vergangenen September sammelte DeepRoute in einer Serie-B-Runde 300 Millionen US-Dollar von Investoren wie Alibaba und dem chinesischen Autohersteller Geely ein. Die Robotaxi-Flotten von DeepRoute wurden gemeinsam mit dem staatlichen Unternehmen Dongfeng Motor entwickelt.

    Das chinesische Technologieunternehmen Baidu hat ebenfalls einen selbst fahrenden Taxidienst in der Innenstadt von Shenzhen getestet. Dafür hat der Tech-Gigant, der als Suchmaschinenanbieter begann, 50 Abhol- und Bringstationen eingerichtet, von denen selbst fahrenden Taxis laut einem Bericht staatlicher Medien über die Smartphone-App Apollo Go gerufen werden können. Sicherheitsfahrer sind dabei aber weiterhin mit an Bord. 

    Wer genug Testläufe besteht und beim Verwaltungsbüro für öffentliche Sicherheit und Verkehr registriert ist, kann damit offiziell auf die Straße. Derzeit müssen autonome Fahrzeuge auf einer vom Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) herausgegebenen Liste von Herstellern und Produkten aufgeführt sein und bestimmte nationale Normen erfüllen, bevor sie grünes Licht erhalten. Einen nationalen Standard für intelligente vernetzte autonome Fahrzeuge gibt es noch nicht.

    Bereits im vergangenen Sommer hatte die Stadtregierung erklärt, eigens Nummernschilder für autonome Fahrzeuge herausgeben zu wollen. Laut Angaben des Shenzhen Transport Bureau habe man bereits 145 Kilometer Straßen für automatisierte Fahrtests geöffnet und 93 Lizenzen ausgestellt, darunter 23 für fahrerlose Tests mit Passagieren für die Stufen 4 und 5, die ohne Fahrer auskommen.

    Wer trägt die Verantwortung bei einem Unfall?

    Im März vergangenen Jahres veröffentlichte die Stadtregierung einen Entwurf über die Verwaltung und kommerzielle Nutzung intelligenter und vernetzter Fahrzeuge, der zur Blaupause für das ganze Land werden könnte. Demnach erkennen die geplanten Verordnungen in Shenzhen auch die Ergebnisse von Straßentests aus anderen Provinzen und Städten in China an. Dies beschleunigt die Implementierung eines kommerziellen autonomen Fahrbetriebs erheblich.

    In den Verordnungsentwürfen für Shenzhen werden unter anderem auch Vorschläge zum Umgang mit Unfällen und der gesetzlichen Haftung eingekreist. Dort heißt es unter anderem, dass bei Verkehrsverstößen oder Unfällen mit autonomen Fahrzeugen, die Verantwortung beim Entwickler des automatisierten Fahrsystems liege. Eine Frage, die unklar bleibt, ist die genaue Bedeutung des Begriffs “Entwickler” – bezieht sich dieser Begriff auf den Lieferanten des automatisierten Fahrsystems? Falls dies zutrifft, bedeutet dies, dass Automobilhersteller, die selbst keine automatisierten Fahrsysteme entwickelt haben, nicht haftbar gemacht werden können.

    Die Verordnungsentwürfe enthalten auch ein Kapitel, das speziell die Cybersicherheit und den Datenschutz für autonome Fahrzeuge regelt. In einer vernetzten Welt stellen Cyberangriffe und Störungen des Verkehrssystems ein enormes Risiko dar. Darüber hinaus wird der Einsatz autonomer Fahrzeuge die Sammlung und Speicherung personenbezogener Daten massiv erhöhen.

    Unternehmen, die mit autonomen Fahrzeugen zu tun haben, müssen deshalb ein Bewertungs- und Verwaltungssystem für Cybersicherheit einrichten, um Internetdaten vor Leaks und Diebstahl abzusichern. Die illegale Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten soll streng geahndet werden. Dies gilt auch für die illegale Erhebung von Daten, die die nationale Sicherheit betreffen, heißt es in dem Entwurf.

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    China und EU bleiben auf Distanz

    Der China-EU-Gipfel am Freitag, den 1. April blieb ohne neue Fortschritte.

    Schon 15 Minuten nach dem Treffen von Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping mit den EU-Vertretern hatte die chinesische Seite bereits die erste Mitteilung mit Zitaten veröffentlicht: Die Volksrepublik hoffe, dass Europa ein eigenständiges China-Verständnis formuliert, eine eigenständige China-Politik aufrechterhält und gemeinsam stabile China-EU-Beziehungen vorantreibt, hieß es darin. Xi sprach über die Corona-Pandemie und globale wirtschaftliche Herausforderungen. Die “Ukraine-Krise” wurde erst am Ende der Mitteilung erwähnt.

    Die frühe Veröffentlichung des Statements überraschte kaum. Sie zeigte, was eigentlich schon vor dem 23. EU-China-Gipfel am Freitag klar war. Die chinesische Führung wird sich nicht viel in ihrer Position bewegen. Das gilt vor allem bei dem für Brüssel mit brennender Priorität besprochenem Thema des Ukraine-Kriegs. Die Europäische Union wollte bei dem virtuellen Gipfeltreffen erneut Druck auf Peking wegen Chinas umstrittener Rückendeckung für Russland aufbauen – mit mäßigem Erfolg.

    Das Gespräch sei “freimütig” gewesen, hieß es von der EU-Seite nach dem Video-Telefonat mit Xi. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel fanden nach eigenen Angaben deutliche Worte und warnten China vor der Unterstützung Moskaus. “Kein europäischer Bürger würde es verstehen, wenn es irgendeine Unterstützung für Russlands Fähigkeit geben würde, Krieg zu führen”, sagte die Kommissionspräsidentin nach den Gesprächen. “Das würde China hier in Europa einen großen Reputationsschaden zufügen.” Das Land trage auch als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat eine besondere Verantwortung, betonte von der Leyen.

    Erwartung an China: Sanktionen zumindest nicht behindern

    Indirekt drohte die EU-Kommissionschefin Peking auch Konsequenzen: “Es ist klar, dass der russische Einmarsch in die Ukraine nicht nur ein entscheidender Moment für unseren Kontinent, sondern auch für unser Verhältnis zum Rest der Welt ist.” EU-Ratspräsident Michel ergänzte: “Wir haben China aufgefordert, einen Beitrag zum Ende des Krieges in der Ukraine zu leisten.” China könne den Völkerrechtsverstoß Russlands nicht ignorieren.

    Öffentlich äußerte sich die EU-Führung klarer zu den Erwartungen an China wegen der Sanktionen gegen Russland: “Wir erwarten nicht, dass China unsere Sanktionen gegen Russland unterstützt, aber wir erwarten, dass es sie nicht behindert!”, betonten von der Leyen und Michel mit denselben Worten. EU-Beamten zufolge sei Xi auch ans Herz gelegt worden, mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen.

    Nach der schnellen ersten Mitteilung der chinesischen Seite dauerte es am Freitag einige Zeit, bis ein zweites Statement veröffentlicht wurde. In diesem ging Xi näher auf die Ukraine ein – und schob erneut dem Westen die Schuld an dem Konflikt zu: Er warnte davor, “Öl ins Feuer zu gießen und die Spannungen anzuheizen”. Die Grundursache der Ukraine-Krise seien “regionale Sicherheitsspannungen in Europa, die sich über Jahre aufgebaut haben”, so Xi. “In diesem Zeitalter sollten globale Sicherheitsrahmen nicht mehr auf einer Mentalität des Kalten Krieges aufgebaut sein.”

    Washington enttäuscht von Gipfel

    Vor allem mit der zweiten Mitteilung wurde klar: Den Gipfelteilnehmern ist es nicht gelungen, sich bei der Reaktion auf die Ukraine-Invasion anzunähern. “Systemische Rivalität ist eine neue Realität”, schlussfolgert die Direktorin des Asia-Programms am Thinktank ECFR, Janka Oertel, zu dem Treffen. “Es gab wenig Einigkeit zwischen den beiden Seiten und das Gespräch war weit davon entfernt, ‘business as usual’ zu sein.” Stattdessen gab es einen “Austausch gegensätzlicher Ansichten”. Beim Standpunkt zu den Strafmaßnahmen gegen Moskau habe Brüssel aber deutliche Worte gefunden, so Oertel. “Wenn China das verhängte Sanktionsregime offen untergräbt, wird das Konsequenzen haben. Das könnte jetzt nicht klarer sein.”

    Diese Botschaft hatten die G7-, Nato- und EU-Staaten bereits unisono beim Gipfelmarathon vor eineinhalb Wochen (China.Table berichtete) in Richtung Peking entsandt. Washington hatte ein genaues Auge auf das Treffen am Freitag. “In Washington hat man das Gefühl, dass die USA und die EU sich in ihrer Einschätzung der Herausforderung China derzeit so nahe kommen wie nie zuvor”, meint Außenpolitik-Experte Noah Barkin vom Berliner Büro des German Marshall Fund (GMF).

    Der Gipfel am Freitag habe dieses Gefühl noch bestärkt, so Barkin. Auf beiden Seiten des Atlantiks nehme man die Annäherung Chinas und Russlands als Bedrohung war. Als sich Putin und Xi im Februar der unbegrenzten Kooperation versichert haben, habe das die Wahrnehmung nachhaltig verschoben. “Das war auch die Botschaft des Gipfels”, so Barkin. “Unklar ist aber noch, ob die Zeitenwende, die Olaf Scholz ausgerufen hat, einen geopolitischen Wendepunkt markiert oder ob sie nur für Russland gilt.” Die USA hoffen nun auf Signale aus Berlin, dass die Neubewertung in Berlin auch China betrifft.

    Keine Fortschritte bei Handelsthemen

    Von der Leyen und Michel sprachen am Freitagvormittag auch mit Premier Li Keqiang. China sei grundsätzlich gegen “die Teilung in Blöcke und Parteinahmen”, so Li. Die Volksrepublik wolle mit der EU und der Welt zusammenarbeiten, sagte der Premier. Allerdings werde sich sein Land “auf seine eigene Art” für den Frieden einsetzen.

    Im Gespräch mit Li habe man deutlich gemacht, dass eine Reihe von Differenzen angegangen werden müssten, betonte die EU-Seite. Als Beispiele nannte von der Leyen bei der anschließenden Pressekonferenz die von Peking verhängten Sanktionen gegen Mitglieder des EU-Parlaments, den eingeschränkten Zugang europäischer Unternehmen zum chinesischen Markt, Menschenrechtsfragen und die Handelsblockade Chinas gegen Litauen (China.Table berichtete). Konkrete Fortschritte bei der Beilegung dieser Differenzen gab es nicht.

    Dabei habe China gerade im Dreieck EU-China-USA gerade ein Interesse daran, Brüssel positiv zu stimmen und damit eine engere Bindung an die USA zu vermeiden, sagt Thomas des Garets Geddes, Research Fellow beim deutschen Thinktank Merics: “Die USA sind seit langem Chinas am meisten gefürchteter und verachteter Gegner, nicht die EU.” Deshalb würden viele Analysten Chinas einräumen, dass die EU innerhalb des Dreiecks derzeit in einer relativ günstigen Position sei, so der Experte. “Es würde mich nicht überraschen, wenn China bereit wäre, einiges für die EU zu tun, damit sie nicht zu sehr in Richtung USA abdriftet.” Die Volksrepublik sei interessiert an der Neutralität oder strategischen Autonomie der EU, so des Garets Geddes. “Das wäre für China extrem wichtig.” Mitarbeit: Christiane Kühl

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    Shanghai wichtigster Hafen für deutschen Containerverkehr

    China ist 2021 Deutschlands wichtigster Partner im Containerverkehr gewesen. Das meldete das Statistische Bundesamt am Montag. Demnach machte im vergangenen Jahr der Handel mit den Häfen der Volksrepublik gut ein Fünftel (20,7 Prozent) des Containerumschlags deutscher Seehäfen aus. Umgerechnet waren das 3,1 Millionen TEU (Twenty-foot-Equivalent-Unit). Auf Platz zwei folgen die Vereinigten Staaten mit einem Anteil von gut einem Zehntel (10,1 Prozent oder 1,5 Millionen TEU) des gesamten Umschlags. An dritter Stelle folgt die Russische Föderation – damals noch nicht mit Sanktionen infolge des Angriffs auf die Ukraine belegt.

    Unter den zehn wichtigsten ausländischen Partnerhäfen im Containerverkehr befanden sich im Jahr 2021 gleich vier chinesische Häfen. Der mit Abstand wichtigste Anlaufpunkt war Shanghai mit einem Umschlag von 968.000 TEU. Weitere wichtige Häfen im chinesisch-deutschen Containerverkehr waren Ningbo (467.000 TEU), Shenzhen (432.000 TEU) und Qingdao (350.000 TEU). Die wichtigsten nicht-chinesischen Häfen für den Containeraustausch mit Deutschland waren 2021 Singapur (483.000 TEU), New York (463.000 TEU) und Sankt Petersburg (460.000 TEU). 

    Insgesamt lag der Containerumschlag der deutschen Seehäfen im Jahr 2021 bei 14,8 Millionen TEU und damit 5,9 Prozent höher als im Jahr 2020, aber 1,5 Prozent unter dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019. rad

    • Deutschland
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    Hongkongs Carrie Lam hört Ende Juni auf

    Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam wird nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren.
    Carrie Lam nach der Verkündung ihres Ausstiegs aus der Politik

    Hongkong steht vor einem Personalwechsel an der Spitze der Stadt. Die amtierende Regierungschefin Carrie Lam hat angekündigt, bei der Wahl am 8. Mai nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren zu wollen. Damit wird die 64-Jährige Ende Juni nach 42 Jahren aus dem Staatsdienst ausscheiden. Die chinesische Regierung habe sie bereits im Vorfeld über ihren Entschluss, der laut Lam familiäre Gründe habe, informiert. In Peking habe man mit Verständnis reagiert und die Entscheidung respektiert.

    Lams fünfjährige Amtszeit war geprägt von enormen politischen Spannungen in der Metropole, in deren Verlauf die Bürgerrechte stark beschnitten wurden. Mit der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes 2020 verantwortet Lam eine Zäsur in der jüngeren Geschichte der Stadt. Das Gesetz bot der Regierung die rechtliche Grundlage einer politischen Säuberung, der Dutzende Führungspersönlichkeiten der parlamentarischen und zivilgesellschaftlichen Opposition zum Opfer fielen (China.Table berichtete).

    Bereits 2019 hatten Hongkongs Sicherheitskräfte unter Lams Führung mit voller Härte auf Massenproteste gegen die Einführung eines Auslieferungsgesetzes reagiert. Deren Vorgehen hatte damals Empörung und Proteste in aller Welt provoziert. Reporter ohne Grenzen setzte Lam später auf die Liste der größten Feinde der Pressefreiheit. Lam hatte zwar stets den hohen Grad der Unabhängigkeit der Hongkonger Regierung von der Pekinger Zentralregierung betont. Vor wenigen Monaten bekam diese Darstellung jedoch öffentlich Risse, als Chinas Staatschef Xi Jinping persönlich in das Corona-Krisenmanagement der Stadt eingriff.

    Der im Exil lebende, pro-demokratische Hongkonger Ex-Parlamentarier Nathan Law forderte die britische Regierung auf, Carrie Lam ein Aufenthaltsrecht zu verwehren. Lam hatte in der Vergangenheit angekündigt, sich möglicherweise in Großbritannien zur Ruhe setzen zu wollen. grz

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    Wang spricht sich für Frieden in Ukraine-Frage aus

    Chinas Außenminister Wang Yi hat am Montag in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba seine Solidarität mit den zivilen Opfern im Ukraine-Krieg ausgedrückt. Kuleba verbreitete den Inhalt des Gesprächs über Twitter, noch ehe das chinesische Außenministerium eine Meldung dazu veröffentlicht hatte.

    Später am Tag veröffentlichte auch China eine Stellungnahme zu dem Telefonat. Darin heißt es, Kuleba habe China als Land gelobt, welches eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des Friedens spiele. Die Ukraine hoffe demnach, dass China weiterhin eine wichtige Rolle beim Waffenstillstand und Krieg spielen werde. Wang Yi wiederum soll demnach gesagt haben, dass Chinas grundsätzliche Haltung in der Ukraine-Frage bestehe darin, für Frieden zu sorgen und Gespräche zu fördern. China verfolge in der Ukraine-Frage kein geopolitisches Eigeninteresse und werde keine Dinge tun, die Öl ins Feuer gießen. Von einer Solidaritätsbekundung – wie sie Kuleba erwähnte – war in der chinesischen Mitteilung nicht die Rede.

    Das Telefonat erfolgte einen Tag nach der Entdeckung mehrerer Hundert Leichen in einem Kiewer Vorort. Die Ukraine beschuldigt Russland, für Kriegsverbrechen verantwortlich zu sein. China hingegen vermeidet es seit Kriegsausbruch, sich klar auf eine Seite zu stellen (China.Table berichtete). Kuleba und Wang seien sich zudem einig gewesen, dass ein Ende des Krieges den gemeinsamen Interessen wie Frieden, Sicherheit der globalen Nahrungsmittelversorgung und internationalem Handel zugutekommen würde.

    Zuvor hatte Wang mit dem ungarischen Außenminister Péter Szijjarto telefoniert und dessen Regierung zum abermaligen Gewinn der Parlamentswahl gratuliert. Der Wahlsieg der Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán dürfte in chinesischem Interesse sein. Die Volksrepublik hat seit Orbáns Machtübernahme ihren Einfluss in dem EU-Mitgliedsstaat deutlich erhöht. grz

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    Taiwan testet neue Anti-Panzer-Raketen

    Das taiwanesische Militär hat neue Raketen getestet. Medienberichten zufolge bei Trainingseinheiten vergangene Woche Javelin-Raketen zum Einsatz gekommen. Es handelt sich hierbei um in den USA hergestellte Anti-Panzer-Raketen. Man wolle ihre Wirksamkeit für die Abwehr potenzieller Angriffe vom chinesischen Festland testen, berichtet die Zeitung South China Morning Post (SCMP) am Montag. Die als “Panzerkiller” bezeichneten Raketen werden derzeit von der Ukraine eingesetzt, um russische Panzer zu zerstören.

    Die FGM-148 Javelin ist ein tragbares Panzerabwehr-Raketensystem. Ihr Sprengkopf ist in der Lage, moderne Panzer zu zerstören, indem sie das Fahrzeug von oben trifft, wo die Panzerung am anfälligsten ist. Die Javelin kann aber auch verwendet werden, um Gebäude, Hubschrauber und Ziele anzugreifen, die sich unter Hindernissen befinden oder die zu nahe sind, um einen Überkopfangriff zu versuchen.

    Taiwans Streitkräfte verfügen dem Bericht zufolge über etwa 1.000 solcher Raketen für den Einsatz in der Armee und dem Marinekorps. 400 weitere sollen in diesem Jahr noch aus den USA geliefert werden. Zudem habe man 250 Stinger-Raketen bestellt. Sie sollen bis 2026 geliefert werden. Auch dieser Raketentyp hat sich im Kampf der Ukraine gegen den russischen Angriff bewährt.

    Die taiwanesische Regierung beobachtet den Krieg in der Ukraine genau. “Die Lehre, die wir aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine ziehen können, ist, dass die Ukraine trotz ihrer militärischen Nachteile immer noch in der Lage ist, die Eigenheiten ihres Schlachtfelds und ihrer asymmetrischen Fähigkeiten zu nutzen, um einen riesigen Feind wie Russland abzuwehren”, zitiert SCMP den taiwanesische Verteidigungsminister Chiu Kuo-Cheng. rad

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    Automesse in Peking abgesagt

    China sagt die für Ende April geplante Autoshow in Peking ab. Ein neues Datum nannte der Veranstalter nicht. Dieses werde zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Die Entwicklung der Corona-Pandemie werde genau beobachtet.

    Chinas größte Handelsmasse ist ebenfalls von Covid betroffen. Die Canton Fair in Guangzhou steht in diesem Monat nur im Netz für Anbieter und Käufer offen. Die Firmen stellen ihre Produkte vom 15. bis zum 24. April in Streaming-Events vor. Vor der Pandemie konnten sich Kaufinteressenten in den riesigen Messehallen selbst ein Bild von Aussehen und Qualität der Waren machen.

    Kritiker finden, dass der Sinn einer Handelsmesse durch das Online-Format unterlaufen wird – schließlich gibt es reichlich Plattformen für die Online-Vorstellung von Produkten, die ganzjährig verfügbar sind. China will derzeit vor allem die Verbreitung von Omikron im Inland verhindern. Eine große Messe mit über 180.000 Besuchern gilt da als kontraproduktiv. Die Kanton-Messe findet zweimal jährlich statt. fin/rtr

    • Autoindustrie

    Portrait

    Cheng Lei – Australische Journalistin vor Gericht

    Ein Bild aus besseren Zeiten: Cheng Lei in ihrer aktiven Phase als Wirtschaftsmoderatorin bei CCTV - sie wurde nun vor Gericht schuldig gesprochen.
    Ein Bild aus besseren Zeiten: Cheng Lei in ihrer aktiven Phase als Wirtschaftsmoderatorin bei CCTV

    Drei Stunden benötigte das Pekinger Gericht am Donnerstag, um den Fall Cheng Lei mit der Angeklagten persönlich zu erörtern. Drei Stunden genügten der chinesischen Rechtssprechung, um den schweren Vorwurf der Weitergabe von Staatsgeheimnissen abschließend bewerten zu können. Der winzig kurze Zeitraum steht im Widerspruch zu der langen Ungewissheit, in der die zweifache Mutter zuvor gehalten wurde. Denn die chinesische Justiz hatte sich viel Zeit genommen, ehe sie ihr am Donnerstag den Prozess machte.

    Vor 19 Monaten wurde die Australierin mit chinesischen Wurzeln in Gewahrsam genommen. Ein knappes halbes Jahr lang war ihr Aufenthaltsort unbekannt. Ebenso wusste niemand, warum sie überhaupt verhaftet worden war. Das war nach chinesischem Gesetz legal: Die Polizei kann Verdächtige bis zu sechs Monate unter RSDL (Residential Surveillance at a Designated Location) setzen. Während dieser Zeit muss sie ihr weder einen Anwalt gewähren, noch irgendjemanden über ihren Aufenthaltsort informieren.

    Erst im August 2020 teilten chinesische Behörden den australischen Kollegen:innen mit, dass Cheng Lei formal verhaftet und des Geheimnisverrats beschuldigt wurde. Der Fall schlug hohe Wellen. Nicht nur in der internationalen Gemeinschaft in Peking, wo sie als alleinerziehende Mutter bereitwillig private Tipps gab, welche Kindergärten für ausländische Familien am besten infrage kommen, sondern auch in weiten Teilen Chinas, Australien und großen Teil des politischen Westens.

    Als Spionin am Pranger der Sozialmedien

    Cheng hatte acht Jahre lang für Chinas staatlichen Auslandssender CGTN gearbeitet. Dem dortigen Publikum war sie als Moderatorin von Nachrichtensendungen bekannt. Sie machte nie einen Hehl daraus, dass sie die liberale Geisteshaltung demokratischer Systeme wertschätzte. Als “Global Alumni” trat sie einst in einem Werbevideo für den Universitäts-Standort Australien auf, das sich an junge Chinesen:innen richtete. Australiens Bildungssystem “bringt dir nicht bei, einfach nur Anweisungen zu befolgen, sondern es erlaubt dir die Freiheit, dir deine eigenen Gedanken zu machen”, sagte sie darin.

    Solche eigenen Gedanken formulierte sie auch bis zuletzt während ihrer Zeit bei CGTN. Als australische Staatsbürgerin, die mit ihren Eltern als Neunjährige aus China nach Down Under ausgewandert war, ließ sie es sich nicht nehmen, im Internet Kritik an Staatspräsident Xi Jinping zu äußern oder an der frühen Corona-Politik der chinesischen Regierung. Ob diese Äußerungen mit ihrer späteren Ingewahrsamnahme zu tun hatten, ist nicht sicher.

    Staatliche chinesische Medien halten sich zwar in ihrer Berichterstattung streng an öffentliche Verlautbarungen durch die Regierung. Dennoch drangen Informationen über Sozialmedien an die Öffentlichkeit. Vor rund einem Jahr nahm sich eine Nutzerin bei Wechat des Falles an, die unter dem Namen “Kleine, süße Pekinger Melone” erstaunliches Detailwissen über Cheng Leis Privatleben sowie die Vorwürfe gegen sie preisgab.

    Über dem Eintrag stand: “Wie wurde die berühmte CCTV-Moderatorin Cheng Lei, die ihr Mutterland verriet, zu einer australischen Spionin?” Und weiter unten hieß es: “China hat dir alles gegeben, aber du kommst als Werkzeug des Feindes.” Es folgten binnen kurzer Zeit weitere Posts in Sozialmedien von anderen Konten mit Pseudonymen zu dem Fall, alle mit dem gleichen Tenor. Später tauchte ein Video auf: “Spionage-CCTV-Moderatorin Cheng Lei: 20 Jahre lang hat sie sich im Staatsfernsehen versteckt und Staatsgeheimnisse gestohlen. Jetzt spricht sie schamlos von Ungerechtigkeiten.”

    Dass solche Veröffentlichungen in derart hochrangigen staatlichen Angelegenheiten zufällig sind, scheint in einem derart stark kontrollierten Überwachungsstaat nahezu ausgeschlossen. “Diese Posts werden von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit geschrieben, um den öffentlichen Ton vorzugeben”, sagte Feng Chongyi von der University of Technology Sydney dem australischen Rundfunk ABC. Feng war vor vier Jahren während eines Besuchs in China eine Woche lang selbst inhaftiert worden.

    Botschafter wurde Einlass in Gerichtssaal verwehrt

    Nach Cheng Leis formeller Verhaftung war es australischen Diplomaten einmal monatlich erlaubt, sich mit ihr über Videotelefonate auszutauschen. Die Themen allerdings wurden von chinesischer Seite ausgewählt. Australiens Botschafter Graham Fletcher wurde am Donnerstag zudem der Einlass in den Gerichtssaal verwehrt. Die australische Regierung hatte im Vorfeld des Prozesses um ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit gebeten.

    Die größten Leidtragenden des Falls sind aber wohl die beiden zwölf- und zehnjährigen Kinder der 46-Jährigen. Die Mutter hatte das Mädchen und den Jungen kurz vor ihrem Verschwinden nach Melbourne zur Großmutter gebracht. Cheng Lei hatte wegen des Coronavirus-Ausbruchs in China kurzfristig entschieden, die beiden außer Landes zu schaffen. Seit mehr als anderthalb Jahren haben sie ihre Mutter nicht mehr gesehen.

    Schlimmstenfalls könnte sich dieser Zustand dauerhaft fortsetzen, wenn die Richter eine lebenslange Haftstrafe aussprechen. Möglich ist das, als wahrscheinlich gilt es dennoch nicht. Üblich sind bei solchen Anklagen Haftstrafen von fünf bis zehn Jahren Dauer. Ein möglicher Schuldspruch und das Strafmaß werden zu einem späteren Zeitpunkt von der chinesischen Justiz verkündet. Üblicherweise hat sie es dabei weniger eilig als bei der Verhandlung selbst. Marcel Grzanna

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