Table.Briefing: China

Exklusiv-Interview Botschafterin Flor + Audi und Nio im Clinch + Litauen sucht Alternativen

  • Deutschlands neue Vertreterin in Peking gibt erstes Interview
  • Audi-Klage überschattet Nio-Launch
  • Litauen sucht Lösungen für Handelsblockade 
  • China mahnt bei Null-Covid zu Geduld
  • Musk-Vorschlag empört Taipeh und entzückt Peking
  • USA beschränken Halbleiter-Exporte 
  • VW-Software: Eine Milliarde Euro für Joint-Venture
  • Im Portrait: Ioana Kraft vertritt in Shanghai die Interessen europäischer Firmen
Liebe Leserin, lieber Leser,

Deutschland und China begehen heute 50 Jahre diplomatischer Beziehungen. 50 Jahre mussten auch ins Land ziehen, bis Deutschland in Peking erstmals durch eine Botschafterin vertreten wird. Patricia Flor ist die erste Frau auf dem Posten und zeigt von den ersten Tagen an einen etwas anderen Ansatz für das Amt als ihre Vorgänger: Sie setzt auf mehr Öffentlichkeit, einen feministischen Ansatz der Außenpolitik – und auch mehr Konfrontation gegenüber der Führung ihres Gastlandes.

Über ihren Start in Peking berichtet sie im Interview mit China.Table: “Ich habe sofort sehr viele meiner Botschafter-Kolleginnen und Kollegen getroffen, was sehr interessant war. Die Botschafter aus hiesigen Ländern, also Indonesien, Malaysia, Singapur, Südkorea haben ihren eigenen Blick auf Dinge. Das war für mich sehr wertvoll”, so Flor.

Keinen schönen Willkommensgruß gab es indes an anderer Stelle. Kurz vor dem Marktstart der chinesischen E-Autos von Nio in Deutschland hat Konkurrent Audi das China-Start-up wegen Markenrechtsverletzung verklagt. Den Ingolstädtern sind die Modellbezeichnungen ES6 und ES8 zu nahe an jenen der eigenen Sportmodelle S6 und S8. 

Abgesehen davon, dass Zahlen-Buchstaben-Kombinationen bei der Bezeichnung von Automodellen absolut üblich sind, wie Christian Domke Seidel in seinem Text analysiert – auf gerade einmal 150.000 Euro hat das Landgericht den Streitwert festgesetzt. Kleinlich, mag man meinen. Doch darum scheint es Audi nicht zu gehen. Vielmehr erweckt das Vorgehen einen Verdacht. Will der deutsche Autobauer den potenziellen Konkurrenten aus Fernost gleich zu Beginn eins auszuwischen? Um den Start des chinesischen Newcomers zu überschatten, reicht es allemal.

Überschattet – um es untertrieben gelinde auszudrücken – sind auch die Handelsbeziehungen zwischen Litauen und China. Seit fast einem Jahr blockiert die Volksrepublik die Einfuhren aus dem baltischen EU-Staat. Allerdings nicht komplett, um den Beweissammlern für die WTO-Beschwerde die Suche zu erschweren. Litauens Unternehmen suchten deshalb nach anderen Lösungen, um ihre Waren zu platzieren, erklärt uns Ričardas Sartatavičius vom litauischen Industriellenverband. Hoffnung macht den Litauern das sogenannte Anti-coercion-Instrument der EU. Denn dieses soll genau solche Situationen der wirtschaftlichen Erpressung verhindern. Die Arbeit daran läuft in Brüssel und Straßburg.

Heute erreicht Sie die letzte Ausgabe von Trade. Unser Team arbeitet an einer noch tiefergehenden Version zu Handelsthemen und kommt in Zukunft auf Sie zu.

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Interview

“Über Twitter können wir zensierte Inhalte lancieren”

Patricia Flor, deutsche Botschafterin in Peking, China ist auch auf Twitter aktiv.
Patricia Flor, deutsche Botschafterin in Peking

Ihr Lieblingsrestaurant mit den besten Jiaozi hat Patricia Flor in Peking noch nicht gefunden – für kulinarische Erkundungen blieb in den ersten zwei Monaten der neuen deutschen Botschafterin in Peking kaum Zeit. Vor gut drei Monaten hat die 60-Jährige ihren neuen Posten angetreten. “Ich habe sofort sehr viele meiner Botschafter-Kolleginnen und Kollegen getroffen, was sehr interessant war. Die Botschafter aus hiesigen Ländern, also Indonesien, Malaysia, Singapur, Südkorea haben ihren eigenen Blick auf Dinge. Das war für mich sehr wertvoll.” 

Flors Ernennung zur Botschafterin erfolgte unter besonderen Umständen. Die gebürtige Nürnbergerin folgte auf Jan Hecker, der im vergangenen Jahr nach nur wenigen Wochen im Amt überraschend verstorben war. Flors Amtsantritt verlief zudem alles andere als regulär. Wegen der immer noch begrenzten Einreisemöglichkeiten flog die Botschafterin mit einem Charterflug der Auslandshandelskammer nach China. Bevor sie ihre Akkreditierung einreichen konnte, saß sie in ihrer Residenz in Quarantäne.

Mit ihr als erster Frau auf dem höchsten repräsentativen Posten Deutschlands in der Volksrepublik haben sich bereits einige Dinge geändert. Die Botschafterin ist aktiv auf Twitter und in chinesischen sozialen Netzwerken unterwegs. Sie kommentiert und teilt auch kritische Inhalte. In Peking hat sie bereits die deutsche Schule besucht, sich mit dem DAAD und chinesischen Alumni getroffen.

“Erläutern, weshalb sich in Deutschland die Dinge ändern”

Frau Botschafterin, Sie sind die erste deutsche Vertreterin in China, die sehr aktiv Fotos auf Weibo und Twitter teilt. Warum?

Die deutsche Botschaft war schon vorher auf Weibo, WeChat und auf Toutiao unterwegs und hatte dort bereits rund 800.000 Follower. Insofern war das jetzt kein Neubeginn. Neu ist Twitter, ein Social-Media-Account, der eben auch persönlich mit mir verbunden ist. Ich habe bereits in Japan festgestellt, dass man mit Twitter ein großes Publikum erreicht. 

Soziale Medien als Sprachrohre für diplomatische Kommunikation?

Aus meiner Sicht sind wir in China in einem Land, wo es nicht ganz einfach ist, ein breites Publikum mit allen Themen anzusprechen. Deshalb war es mir sehr wichtig, dass wir auch Twitter nutzen. Natürlich setzt das für chinesische Nutzer voraus, dass sie sich über ein VPN zuschalten. Und wir erreichen so auch im Ausland und weltweit viele Menschen über diesen Kanal. Über Twitter können wir auch Inhalte lancieren, die aus den chinesischen Netzwerken relativ schnell verschwinden, weil sie von der Zensur blockiert werden.

Gibt es denn eine Öffentlichkeitsstrategie mit Ihnen als Botschafterin?

Strategische Kommunikation ist in Zeiten von Desinformation wichtiger denn je. Zum einen haben wir ein Interesse daran, die deutsche Außenpolitik in die Öffentlichkeit zu tragen. Zum anderen wollen wir erklären, was in Deutschland im Moment passiert. “Zeitenwende” als Begriff sagt hier in China ja zum Beispiel erst mal niemandem etwas. Das heißt, man muss erläutern, weshalb sich für uns in Deutschland viele Dinge geändert haben – durch Corona, Unterbrechung der Lieferketten, aber eben auch durch den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine. 

Gibt es ein Ziel hinter der Kommunikation in den sozialen Netzwerken?

Wir wollen unsere Positionen, Werte, Prinzipien und Interessen vermitteln. Und deshalb teile ich auch Inhalte, wie zum Beispiel den Bericht der ehemaligen UN-Kommissarin für Menschenrechte zu Xinjiang, oder zu anderen Menschenrechtsthemen. Auch Themen wie Gleichstellung, Gender, Nichtdiskriminierung, Diversität sind für uns wichtig und wollen wir auch aktiv hier in die gesellschaftliche Diskussion hineingeben. Was für uns auch wichtig ist: globale Themen. Stichwort Klimakrise. Wir haben auf unseren Kanälen jeden Freitag einen Beitrag zur Klimakrise. Denn ich persönlich finde, dass hier in China das Bewusstsein für das Thema noch nicht ausreichend ausgeprägt ist.

Sie haben bereits die deutschen Auslandskorrespondenten, Wirtschaftsvertreter und den DAAD getroffen. Es waren aber auch chinesische Menschenrechtsaktivisten dabei, und Sie haben Fotos davon geteilt. Wollten Sie damit ein Zeichen setzen, gleich zum Beginn Ihrer Amtszeit?

Natürlich. Mir war es wichtig zu kommunizieren, dass dies ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist. Wir suchen den Kontakt und das Zusammentreffen mit allen Vertreterinnen und Vertretern Chinas. Natürlich auch mit den offiziellen Vertreterinnen und Vertretern, mit der Regierung, mit dem Außenministerium und anderen Ministerien, aber auch mit Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten in China. Das ist wichtig. In dem genannten Fall ging es um Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger im wörtlichen Sinne, nämlich um Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die sich vor Gerichten hier für Menschenrechte eingesetzt haben. Ich glaube, es ist ganz wichtig, hier zu zeigen: Wir sind mit diesen Vertreterinnen und Vertretern Chinas solidarisch. Wir suchen und pflegen den Kontakt mit ihnen und werden das auch weiter tun. Kurz, Deutschland steht zu seinen Werten und Prinzipien, auch wenn das nicht immer leicht ist.

Sie waren vor Ihrem jetzigen Posten im EU-Dienst in Japan. Wie unterscheidet sich denn die EU-Diplomatie gegenüber der deutschen China-Strategie im Moment?

Aus meiner Sicht sind das zwei Seiten derselben Medaille. Die EU hat 2019 eine Strategie zu China angenommen, in der bereits der Dreiklang festgehalten wurde: China als Partner, aber auch als Wettbewerber und als systemischer Rivale. Dazu kommt natürlich der Rahmen des EU-Binnenmarktes und der EU-Menschenrechtspolitik. Die deutsche Strategie ist eingebettet in diesen EU-Rahmen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir gemeinsam stärker sind. Vor allem da, wo wir auch als EU eine gemeinsame Sprache sprechen – Deutschland, alle anderen Mitgliedsstaaten und die EU zusammen, so werden wir auch immer Gehör finden. Wir sollten außerdem das Gewicht des europäischen Marktes nicht unterschätzen. Die Wirtschaftsbeziehungen haben doch einen ganz großen Anteil an unserem Verhältnis zu China.

Wird dieser Dreiklang denn so auch in der deutschen Strategie auftauchen? Und wann können wir mit der China-Strategie aus Berlin rechnen?

Die Strategie wird gerade in Berlin unter Federführung des Auswärtigen Amtes erarbeitet. Zu den Inhalten oder auch zum Zeitpunkt kann ich derzeit noch nichts sagen. Aber wie die Ministerin bereits gesagt hat: China hat sich in den letzten Jahren verändert, daher muss sich auch unser Umgang mit China verändern.

Sie sind in 50 Jahren diplomatischen Beziehungen die erste deutsche Botschafterin in Peking. Was machen Sie anders als Frau?

Grundsätzlich ist es für mich immer wichtig gewesen, dass ich auch öffentlich sehr sichtbar bin. Warum? Die erste deutsche Botschafterin oder die erste Frau auf einem Posten hat immer auch eine Symbolkraft. Man ist Rollenvorbild für viele Frauen in dem jeweiligen Land. Das finde ich sehr wichtig, weil man damit Frauen ermutigt, auch solche Ämter anzustreben. Das ist kein reines Frauenthema, sondern es ist ein Querschnittsthema. 

Inwiefern?

Es geht nicht darum, sich nur mit Fragen zu beschäftigen, zu denen speziell Frauen einen Bezug haben. Sondern darum, dass man zum Beispiel die Frage stellt, wie viele Frauen in den Vorständen der chinesischen Unternehmen sind, im Politbüro sitzen oder eine herausragende öffentliche Stellung haben. Das hilft, die gesellschaftliche Diskussion zu Fragen der Gleichstellung in dem jeweiligen Gastland anzureichern und auch zu fördern. Gleichzeitig aber gilt: Ob Mann oder Frau, als Botschafter oder Botschafterin hat man bestimmte Aufgaben und daran ändert sich natürlich durch das Geschlecht nichts. Auch wenn jeder Botschafter oder jede Botschafterin das Amt natürlich mit seiner eigenen oder ihrer eigenen Persönlichkeit prägt.

“Es ist ja nicht so, dass man nie Klartext redet.”

Sie sehen sich selbst als eine Vertreterin einer feministischen Außenpolitik. Der Begriff wurde auch schon von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verwendet. Warum ist eine feministische Außenpolitik derzeit so wichtig?

Wenn Frauen nicht aktiv beteiligt sind, beispielsweise an Friedensverhandlungen, an Überlegungen darüber, wie Sozialsysteme angepasst werden oder wie die Energiekrise abgefedert werden kann, dann blenden wir die Interessen und Bedürfnisse von 50 Prozent der Bevölkerung komplett aus. Wir wissen aber gleichzeitig, dass gerade Frauen die Hauptbetroffenen sind von Konflikten und von Krieg – dies kann man derzeit in der Ukraine sehen – und dass Friedensabkommen länger halten, wenn Frauen daran beteiligt waren. Deshalb braucht es eine feministische Außenpolitik.

Wie sieht das konkret aus?

In allen Themenbereichen, an welchen wir als Botschaft arbeiten, stellen wir uns die Fragen: Sind hier die Rechte aller, einschließlich der Frauen, aber auch anderer gesellschaftlicher Gruppen, gewahrt? Wie werden sie beteiligt? Sind sie repräsentiert in den Prozessen, um die es hier geht? Bekommen sie auch Ressourcen? Es gibt sehr interessante Studien, die nachgewiesen haben, dass diverse Teams – mit Männern und Frauen, mit Alt und Jung – bessere Ergebnisse bringen. Wenn wir das nicht nutzen, verlieren wir auch im Wirtschaftsleben, in der Forschung und in der Wissenschaft – und bei uns im Auswärtigen Amt. 

Mit Diversität sieht es in der chinesischen Führungsriege ja eher mau aus. Wie ist denn die feministische Außenpolitik von Deutschland in China gestaltet? Und was muss dafür auch geändert werden?

In China wurde vor einigen Jahren ein neues Gesetz gegen häusliche Gewalt angenommen. Seit 30 Jahren gibt es auch ein Gesetz zum Schutz von Frauenrechten. Aber wenn man sich andere grundlegende Dokumente ansieht, wie den 14. Fünfjahresplan, dann fällt auf, dort gibt es keine konkreten Frauen- oder gleichstellungsbezogenen Ziele und Indikatoren. Die Frage, wie Gesetze umgesetzt werden und wie die gesellschaftliche Realität aussieht, stellt sich auch hier in China – wie in so vielen anderen Ländern. Auch wir in Deutschland und Europa waren ja vor einiger Zeit noch nicht so weit wie heute, und es bleibt auch bei uns noch einiges zu tun. 

Was fällt Ihnen zum Thema Frauenrechte in China besonders auf? 

Es gibt sehr traditionelle Rollenbilder in Fragen wie “Wer kümmert sich um die Kinder, wer ist für die Familie zuständig, wer nimmt Elternzeit?” Diese Rollenbilder sind hier noch sehr ausgeprägt. Und es gibt nach wie vor Tabuthemen. Ich werde mich bemühen, diese Themen hier aufzunehmen und den Erfahrungsaustausch mit Frauen in Deutschland und in Europa anzuregen. Denn wir haben ja Instrumente entwickelt, gesetzliche, aber auch andere Vorgaben, mit denen wir die Gleichstellung in der Praxis vorangebracht haben. Und vielleicht würde ein solcher Erfahrungsaustausch ja auch durchaus Anregungen bieten für dieses Land.

Sie blicken mittlerweile auf eine lange Diplomatinnen-Karriere zurück. Sie haben aber auch noch eine Vergangenheit als Journalistin. Gibt es bei Ihnen nicht manchmal die Momente, wo man eben einfach ganz journalistisch nicht um den heißen Brei herumreden und ganz undiplomatisch direkt sagen will, was Sache ist?

Genau das ist der Job von Diplomatinnen und Diplomaten. Es ist ja nicht so, dass man nie Klartext redet. Sondern das Entscheidende ist, dass man als Diplomatin, als Diplomat eben weiß, wann muss ich diplomatisch, vorsichtig oder höflich formulieren und wann ist der Moment, in dem ich Klartext reden kann. Natürlich ist der Unterschied zum Journalismus, dass man eher selten in der Öffentlichkeit Klartext redet. Jedenfalls dann nicht, wenn man weiß, dass man damit eben die andere Seite in einer Weise verletzt, die dann auch die bilateralen Beziehungen beeinträchtigt. 

Also nach Außen dann doch lieber die Samthandschuhe?

Für mich als Diplomatin ist immer das Ziel, etwas zu erreichen. Ich war bereits in akuten Konflikten unterwegs, wo es auch darum ging, humanitäre Hilfe an einen umkämpften Ort zu bringen. Wenn diese nur über Kommunikation hinter verschlossenen Türen bewegt werden kann, dann würde ich auf klare Worte verzichten und nicht öffentlich darüber sprechen. Als Diplomatin muss man genau abwägen, wie man mit dem Instrument der Sprache umgeht – denn das ist unsere stärkste Waffe.

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Analyse

Nio auf dem Ku’damm, Audi beim Anwalt

Ab Freitag auch in Deutschland erhältlich: E-Autos der chinesischen Marke Nio. Audi klagt gegen Nio wegen der Verletzung von Markenrechten.
Ab Freitag auch in Deutschland erhältlich: E-Autos der chinesischen Marke Nio.

Am Freitag soll es losgehen. Dann können deutsche Kunden den Nio ET7 kaufen, eine Elektro-Limousine. William Li, der Gründer der Marke, wird für das Start-Event auf dem Kurfürstendamm in Berlin erwartet. Dort steht eines der hiesigen Nio-Häuser. Für den Milliardär ist das die letzte Station einer Deutschlandtour. Hamburg und München wird er dann schon hinter sich haben. Schon an der edlen Ku’damm-Lage der Präsentation in Berlin lässt sich ablesen, von welchen Marken die Kunden zu Nio abwandern sollen: von Mercedes, BMW und Audi.

Audi hat mit der neuen Konkurrenz allerdings ein Problem. Das liegt an deren SUV – dem Nio ES6 und dem ES8. Der deutsche Hersteller hat Modelle mit den Namen S6 und S8 auf Markt und sieht in Europa seine Markenrechte verletzt. Deshalb hat Audi gegen Nio geklagt. Auch, wenn es die SUV von Nio derzeit noch gar nicht zu kaufen gibt. Der nächste Verhandlungstermin ist am 6. Dezember. 

Der Streitwert beträgt lediglich 150.000 Euro

Auf den ersten Blick geht es dabei um nicht viel. Medienberichten zufolge wurde der Streitwert vom Landgericht vorläufig auf 150.000 Euro festgesetzt. “Das ist nicht besonders hoch angesichts der Tatsache, dass es bei Audi um eine weltweit bekannte Automarke geht”, sagt Christian Solmecke im Gespräch mit  Table.Media. Er ist Rechtsanwalt bei der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, Buchautor und Geschäftsführer des Kanzleisoftware-Herstellers Legalvisio. Grundsätzlich würden im Markenrecht eher sehr hohe Gegenstandswerte festgelegt. 

Das Treffen von Audi und Nio vor Gericht sei allerdings nicht der erste Versuch, die Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu schaffen, so Solmecke. “Einer Klage vorausgeht – so auch in diesem Fall – meist eine Abmahnung mit der Aufforderung, die Markennutzung zu unterlassen und eine entsprechende, vorformulierte Unterlassungserklärung abzugeben.” Nio habe entweder nicht darauf reagiert oder sich geweigert, darauf einzugehen. 

Bei Nio sieht man das anders. Zwar will sich die Marke – genau wie Audi – nicht zum laufenden Verfahren äußern, das “E” im Namen sei aber das wichtige Unterscheidungsmerkmal, so der chinesische Hersteller. Das scheint Audi nicht zu reichen. “In diesem Fall geht es Audi zunächst um die Vermeidung einer möglichen Verwechslungsgefahr, weswegen auch eine Unterlassungsklage eingereicht wurde. Daher müsse Nio seine Autos im Falle eines Sieges von Audi umbenennen“, so Solmecke. Aber auch einen Schadensersatz mache Audi geltend, so der Rechtsanwalt. 

Dass die Automodelle der Streithähne völlig unterschiedlich aussehen, ist dagegen vor Gericht nicht entscheidend. “Die unterschiedliche Form der Autos dürfte hier eine geringere Rolle spielen. Denn primär geht es hier um den Vergleich der beiden Wortmarken, die möglicherweise leicht zu verwechseln sind.” Ein Kunde, der den Namen “ES6” oder “ES8” liest, könnte also glauben, dass es sich dabei um ein Fahrzeug aus dem Hause Audi handeln könnte. Und weiter: “Nach ständiger Rechtsprechung entscheiden drei Kriterien darüber, ob Verwechslungsgefahr gegeben ist: neben der Zeichenähnlichkeit auch die Produktähnlichkeit und der Bekanntheitsgrad der älteren Marke.”

Da es sich um zwei Autos handele, sei die allgemeine Produktähnlichkeit grundsätzlich gegeben. Dazu kommt, dass Audi sehr bekannt ist. Also dürfte die Zeichenähnlichkeit ausschlaggebend für die gerichtliche Entscheidung werden, analysiert Solmecke.

Doch es gibt noch einen weiteren Punkt. “Eine Markenrechtsverletzung ist umso wahrscheinlicher, je höher die sogenannte Unterscheidungskraft der klägerischen Marke ist”, sagt Solmecke. Und hier hat Audi ein Problem. Denn Zahlen-Buchstaben-Kombinationen sind in der Autobranche absolut üblich. “In diesem Fall würde ich sagen, dass die Unterscheidungskraft von ‘S6 und S8’ eher schwach ausgeprägt ist, was es Audi erschweren könnte, hier Erfolg zu haben”, vermutet Solmecke. Grundsätzlich würde es sich aber um eine Einzelfallentscheidung handeln, was eine Prognose schwer mache.

Dudenhöffer sieht Audi moralisch im Unrecht

Doch die Klage hat natürlich nicht nur eine juristische, sondern auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Eine, die sich am Freitag auf dem Ku’damm weiter entfalten wird. Denn die chinesischen Autobauer drängen derzeit mit Macht nach Europa. Mit Volvo sammelt deren chinesischer Besitzer Geely seit über zehn Jahren Erfahrungen in der EU. Deren Schwestermarke Polestar ist rein chinesisch und seit zwei Jahren erhältlich.

Auch die Marke London Taxi ist in chinesischer Hand. Aiways ist in Deutschland bereits erhältlich, Xpeng und BYD werden mittelfristig folgen. Die deutsche Mietwagenfirma Sixt setzt sogar im großen Stil auf BYD (China.Table berichtete).

Die Expansion auf den Heimatkontinent des Automobils entspricht auch dem Willen der kommunistischen Führung. Laut dem 14. Fünfjahresplan sollen im Jahr 2025 die beiden führenden Elektroautobauer der Volksrepublik zehn Prozent ihrer Neuwagen im Ausland absetzen.

Warum auch nicht? Europäische Hersteller verdienen seit rund zwanzig Jahren gutes Geld in der Volksrepublik. Wegen der mittlerweile abgeschafften Joint-Venture-Verpflichtung sind sie in China eng mit der dortigen Industrie verzahnt. Die Globalisierung geht nun in die andere Richtung.

Die deutschen Hersteller sind zudem in den vergangenen Jahrzehnten immer chinesischer geworden. Zwanzig Prozent von Daimler befinden sich in chinesischer Hand – zehn Prozent gehören dem Staatsbetrieb Beijing Automotive Group (BAIC). Li Shufu, der Gründer von Geely, besitzt weitere zehn Prozent. Volkswagen wiederum beschäftigt in China mehr als 100.000 Mitarbeiter.

In dieser Gemengelage sieht Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor vom Center Automotive Research (CAR), die Klage von Audi gegen Nio eher kritisch. Die Klage stoße in der Branche nicht überall auf Verständnis, sagte er dem Handelsblatt. Das Vorgehen Audis sei kontraproduktiv und würde für ein schlechtes Klima sorgen. “Die Verwechslungsgefahr bei einem SUV und einer Limousine ist doch ziemlich gering”, schließt er. 

  • Autoindustrie

Litauens Unternehmen suchen Alternativen

Vor gut einem Jahr nahm ein bisher beispielloser Handelsstreit zwischen einem EU-Staat und China seinen Lauf. Stein des Anstoßes: die Einrichtung eines “Taiwanbüros” in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Peking verhängte darauf Sanktionen gegen Litauen. Die Europäische Union hat mittlerweile eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht – die Lage für den baltischen EU-Staat hat sich aber kaum verbessert: “Generell steht die gesamte Produktion. Die Exporte von Litauen nach China wurden eingestellt. Nur in Einzelfällen schaffen es Produkte litauischer Firmen auf den chinesischen Markt – meistens sind das Technologieunternehmen”, sagt der Generaldirektor des litauischen Industrieverbands, Ričardas Sartatavičius, China.Table.

Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem baltischen Land und der Volksrepublik verlief stufenweise und gipfelte letztendlich darin, dass Litauen ganz aus dem Zollsystem Chinas verschwand und die diplomatischen Beziehungen herabgestuft wurden (China.Table berichtete). Wenige Tage nach dem Zoll-Eklat Anfang Dezember erschien das EU-Land zwar wieder als Auswahl-Option im chinesischen System. “Aber das ändert nichts an der Situation”, sagt Sartatavičius. Die Unternehmen könnten Erklärungen ausfüllen, erhielten dann aber keine Bestätigung.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Getränke-Branche: So seien Container mit Getränken wie Bier von China nach Litauen zurückgeschickt worden, weil die Zollerklärungen nicht akzeptiert worden seien. Der Verband wisse nicht, wie groß der Schaden für die litauische Getränke-Industrie bisher sei. “Aber wenn der chinesische Markt dafür vollständig geschlossen wird, könnten die Unternehmen zwei bis fünf Millionen Euro an Einnahmen im Jahr verlieren. Auf staatlicher litauischer Ebene ist das ein kleiner Geldbetrag, aber für Unternehmen ist das viel.”

China verschleiert sein Vorgehen

Im Frühjahr dieses Jahres wurde überraschend wieder etwas mehr Ware durch den Zoll gelassen – für den Sommer sank die Zahl dann wieder. Im September sind die Einfuhren aus Litauen in die Volksrepublik laut chinesischer Zollangaben um 91,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen. Betroffen seien Metall- und Holzprodukte, die zuvor zu den Top-5-Exportwaren des baltischen Staats gehörten. Die Ausfuhren seien “vollständig vernichtet”, so Sartatavičius. Auch Hightech-Laser und Torf-Exporte gehören zu den betroffenen Produkten.

Litauens Exporte nach China hatten im Dezember 2021 einen nahezu vollständigen Einbruch erlitten. Lediglich Waren im Wert von rund 3,35 Millionen Euro schafften es in dem Monat durch den chinesischen Zoll, wie Sartatavičius erklärt. Ein massiver Rückgang im Vergleich zum Vorjahr: Da seien es Waren im Wert von 38 Millionen Euro gewesen. Auch im November 2021 lief der Handel noch. Litauen exportierte Waren im Wert von gut 37 Millionen Euro in die Volksrepublik. Im selben Monat hatte das taiwanesische Handelsbüro in Vilnius eröffnet.

Dass China einige Waren ins Land tröpfeln lässt, scheint Verschleierungstaktik – so werden die Beweise für die EU-Beschwerde bei der WTO weniger eindeutig. Aber auch die Litauer sind findig. Dazu werde beispielsweise auf Häfen im lettischen Riga oder im polnischen Danzig ausgewichen. Für Importe aus der Volksrepublik wird ebenfalls “getrickst” und als Entladehafen Riga angegeben. Die lettische Hauptstadt ist mit Lkw-Transport gut an Nord-Litauen angebunden. “Die Unternehmen suchen natürlich nach verschiedenen Lösungen”, sagt Sartatavičius.

Entscheidung bei WTO wird dauern

China hatte im vergangenen Jahr Druck auf Unternehmen aus anderen EU-Staaten ausgeübt, die mit litauischen Zulieferern arbeiteten oder selbst in Litauen produzierten. Auch hier scheint die Lage weiterhin schwierig. Gesprächsanfragen an betroffene Unternehmen wie den Reifenhersteller Continental wurden abgelehnt. Die litauischen Unternehmen hoffen nun auf einen Erfolg bei der WTO, wie Sartatavičius berichtet.

Auch wenn das noch dauern könnte. “Wir rechnen nicht mit einer baldigen Entscheidung. Das kann ein paar Jahre dauern.” Der direkte Nutzen für litauische Unternehmen stehe zudem noch in den Sternen: “Gemäß den WTO-Entscheidungen gibt es weder eine Verpflichtung, die entstandenen Verluste zu kompensieren, noch eine Garantie dafür, dass die Probleme nicht wieder vorkommen.”

EU-Ausschuss will Möglichkeit der schnellen Abwehr

Hoffnungsvoll blickt man in Richtung Brüssel: Auf EU-Ebene wird derzeit über ein neues Instrumentarium diskutiert, um auf solche Praktiken künftig besser antworten zu können. Die EU-Kommission hatte Ende 2021 ihren Vorschlag (China.Table berichtete) für das sogenannte Anti-Coercion-Instrument vorgestellt. Derzeit arbeiten Europaparlament und der Rat der Mitgliedsstaaten daran, ihre Änderungswünsche zu formulieren. Der Trilog zwischen den EU-Institutionen soll in den kommenden Wochen beginnen, um die finale Fassung der Verordnung festzulegen.

Der Handelsausschuss soll am kommenden Montag die Position des Europaparlaments festzurren. Die Abgeordneten wollen den Kommissionsvorschlag an einigen Stellen verschärfen, wie die von Berichterstatter Bernd Lange zusammengetragenen Änderungswünsche zeigen, die Europe.Table vorliegen. So soll schon die Androhung von Zwangsmaßnahmen durch Drittstaaten ausreichen, damit die Kommission tätig werden kann. Zudem soll sie weiterreichende Maßnahmen verhängen können, um den entstandenen Schaden in einem EU-Land zu kompensieren.

Zu dem vorgesehenen Arsenal zählt etwa, dass die EU Waren aus China oder anderen aggressiv auftretenden Ländern mit höheren Zöllen belegen kann oder deren Unternehmen von öffentlichen Aufträgen in der EU ausschließen. Die Kommission will sich hier weitgehende Entscheidungsbefugnisse einräumen. Das Europaparlament drängt aber auf weiterreichende Informationspflichten der Behörde. Die Mitgliedsstaaten fordern im Rat überdies mehr Mitsprache bei der Verhängung der Gegenmaßnahmen. Mitarbeit: Till Hoppe

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News

Null-Covid: China mahnt zur Geduld

China mahnt wenige Tage vor dem Parteitag der KP zu Geduld mit seiner strikten Null-Covid-Politik. Die Zahl der lokalen Corona-Fälle ist zuletzt auf den höchsten Stand seit August gestiegen und der Druck auf die Behörden, Ausbrüche so schnell wie möglich zu stoppen, hat in den vergangenen Wochen mit dem Auftauchen der Omikron-Untervarianten BF.7 und BA.5.1.7 wieder zugenommen.

“Die Übertragung und die Pathogenität haben sich nicht abgeschwächt, und es stellt immer noch eine relativ große Gefahr für ältere Menschen und Menschen mit Grunderkrankungen dar“, hieß es in einem Kommentar des Parteiorgans Volkszeitung. “Aus diesem Grund müssen wir weiter wachsam gegenüber der Ausbreitung der Epidemie sein, unser Vertrauen und unsere Geduld in die Seuchenprävention und -bekämpfung in unserem Land stärken.” In der jüngeren Vergangenheit hatte die chinesische Parteiführung die Bevölkerung auf eine langfristige Null-Covid-Normalität aus Lockdowns, Massentests und geschlossenen Grenzen eingestellt (China.Table berichtete).

Tausende von BF.7-Fällen wurden seit dem 1. Oktober aus der Inneren Mongolei gemeldet, was die Region zu Chinas neuestem Covid-Epizentrum macht und zu örtlichen Abriegelungen führte. In den Stadtbezirken Putuo und Changning der Wirtschaftsmetropole Shanghai wurden am Montag Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen gesperrt. In der westlichen Region Xinjiang war ein Ausreiseverbot verhängt worden, nachdem die Zahl der Fälle immer weiter gestiegen war. Gestrandeten Touristen wurde von den Behörden vorübergehend Arbeit als Elektriker, Köche oder Handwerker angeboten. In Yining wurden im vergangenen Monat Menschen in Gewahrsam genommen, die in sozialen Medien kritische Kommentare zum Lockdown in Xinjiang gepostet hatten (China.Table berichtete). mw

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Musk empört mit Taiwan-Vorschlag

Tesla-Chef Elon Musk: Taiwan-Vorschlag stößt auf große Kritik
Tesla-Chef Elon Musk

Elon Musk sorgt wieder für Aufregung. Nach seinen umstrittenen Vorschlägen zum Ende des Ukraine-Krieges hat der US-Milliardär zu Wochenbeginn mit Ideen zur Lösung des Taiwan-Konflikts für neuen Wirbel gesorgt. Die Regierung in Taipeh nannte am Montag Musks Idee, aus Taiwan eine “Sonderverwaltungszone” unter chinesischer Herrschaft zu machen, “inakzeptabel”.

Aus solchen Vorschlägen sprächen die Geschäftsinteressen des Tesla-Chefs in China. Der kollektive Wille des Volkes in Taiwan würde von Musk hingegen komplett ignoriert, sagte ein Sprecher des Rates für die Beziehungen zu Festlandchina (MAC) in Taipeh. Musk hatte zuvor seine Ideen in einem Interview mit der britischen Zeitung “Financial Times” geäußert. In dem Interview hatte Musk einen Konflikt um Taiwan unausweichlich genannt und seine Sorge gezeigt, dass die Weltwirtschaft einen schweren Schlag erleiden würde. 

Ganz anders wurde das Interview hingegen in China aufgenommen. Die Regierung in Peking begrüßte den Vorschlag, der auf einer Linie mit ihrem Lösungsansatz “ein Land, zwei Systeme” liege. Ein Sprecher stellte Taiwan “ein hohes Maß an Autonomie” in Aussicht, sollte sich die Insel als “Sonderverwaltungszone” in die Volksrepublik eingliedern. rad

  • Autoindustrie

USA verschärfen Chip-Beschränkungen

Die US-Regierung weitet die Handelsinstrumente, die sie gegen Huawei erprobt hat, auf alle chinesischen Technikfirmen aus. Am Freitag hat das Handelsministerium in Washington neue Regeln erlassen, die US-Technikfirmen daran hindern, fortschrittliche Mikrochips oder Anlagen für deren Herstellung an chinesische Kunden zu verkaufen. Ausnahmen gelten für Kunden mit besonderen Lizenzen. Das Ziel ist Presse-Briefings der US-Regierung und Analysten zufolge, die technologischen und militärischen Fortschritte Chinas ausbremsen. Die neuen Regeln könnten nach Einschätzung von Experten die chinesische Chipindustrie um Jahre zurückwerfen.

Nach den alten Regeln durften Hersteller von Maschinen zur Chipherstellung ihre chinesischen Kunden immer noch weitreichend beliefern. Mit der Verschärfung vom Freitag können Unternehmen wie Applied Materials aus Kalifornien nur noch sehr eingeschränkt mit China Geschäfte machen. Weitere Firmen, die sich ihre Abnehmer nun genau aussuchen müssen, sind KLA-Tencor, das Ausrüstung zur Qualitätskontrolle von Platinen und Chips herstellt, oder Lam Research, das Ätzanlagen produziert. Auch Chiphersteller wie AMD und Nvidia sind von den US-Direktiven betroffen.

Der US-Verband der Halbleiterhersteller begrüßte die Ankündigung erwartungsgemäß, denn die Regierung schafft so erhebliche Nachteile für die asiatische Konkurrenz. Die neuen Regeln werden die Innovationen der USA “vor Chinas räuberischen Aktionen schützen”, hieß es in einer Mitteilung des Verbands. fin/rtr

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  • USA

Insider: VW investiert eine Milliarde Euro in Software-Sparte

Um den Aufbau seiner Software-Sparte in China zu beschleunigen, will VW laut Insidern mehr als eine Milliarde Euro in ein Joint-Venture mit einem chinesischen Partner investieren. Das berichtet eine mit den Vorgängen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Um welches chinesische Unternehmen es sich handelt, soll demnach in der kommenden Woche bekannt gegeben werden. Volkswagen lehnte eine Stellungnahme bislang ab.

Mit einer Veröffentlichung der Pläne erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen würde Volkswagen einen Konflikt mit seinen staatlichen Anteilseignern umgehen. Ansonsten hätten die Grünen, die im Fall einer Regierungsbeteiligung auf eine stärkere Rolle der Menschenrechte im China-Geschäft dringen, das Thema zu Wahlkampfzwecken nutzen können. Niedersachsen verfügt über zwei Aufsichtsratsmandate bei VW, die derzeit von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) besetzt werden. rtr

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Heads

Ioana Kraft – Wegbereiterin in Shanghai

Ioana Kraft ist General Manager der EU-Handelskammer in Shanghai.
Ioana Kraft ist General Manager der EU-Handelskammer in Shanghai.

Ioana Kraft gehörte 2003 auf eine Weise zu den China-Pionieren, deren Bedeutung sich erst im Rückblick erschließt. Sie wurde seinerzeit bei ihrer ersten Ankunft in Shanghai von weißen Gestalten in Ganzkörper-Schutzanzügen empfangen. Damals wütete das erste ursprüngliche SARS (noch ohne “-CoV-2”) in China. “Ich wusste nicht, dass dieses Bild 20 Jahre später unser Leben so prägen würde”, sagt Kraft. Die Da Bai stehen heute ikonisch für die Lockdowns in Shanghai und anderswo. Als Phänomen sind sie jedoch nicht neu, wie Kraft von damals weiß.

Geboren in Rumänien, aufgewachsen in Deutschland und Algerien, heimisch geworden in China. So in etwa lässt sich der Lebensweg von Ioana Kraft in aller Kürze zusammenfassen. Die Juristin leitet seit 2009 das regionale Büro der European Union Chamber of Commerce in Shanghai.

Nach ihrem Jurastudium arbeitete Kraft zunächst am Lehrstuhl für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung in Düsseldorf. Im Jahr 2003 flatterte dann das Angebot herein, für eine Anwaltskanzlei in Shanghai tätig zu werden. Sie zögerte keinen Moment, stellte sich ihre Ankunft in ihrer neuen Heimat aber gewiss anders vor. Doch auch SARS ging vorüber und ein normales Shanghai-Leben begann – eine Wende, die sie sich heute wieder herbeiwünscht.

Shanghai muss Vertrauen wiedergewinnen

Einmal in Shanghai angekommen, führte sie der Weg 2004 zur EU-Handelskammer, wo sie 2009 zur Leiterin des Shanghai-Büros aufstieg. “Was mich fasziniert hat, war die Neugierde der Chinesen auf alles Neue. Es war eine Aufbruchstimmung, wie ich sie noch nie erlebt hatte”, erinnert sich Kraft an jene Zeit, als sie China und speziell die Metropole Shanghai nach und nach für sich entdeckte.

Die EU-Kammer baut ihre Arbeit so ähnlich auf wie etwa die deutschen Auslandshandelskammern, nur mit den Interessen der gesamten Union im Blick. “Wir haben gute Kontakte zu den lokalen Regierungsbehörden und bringen die Probleme und Empfehlungen unserer Mitglieder in regelmäßigen Dialogen vor”, erklärt Kraft.

Dabei müsse die Kammer stets einen konstruktiven Ton anschlagen, damit Empfehlungen auch wirklich in die Tat umgesetzt würden. Die Grenzen für das Shanghai-Büro beginnen dort, wo politische Themen nationale Belange betreffen und entsprechend in Peking behandelt werden.

Unerwarteter Gemeinschaftssinn in Covid-Zeiten

Wie so viele andere Europäerinnen und Europäer, die aktuell in China tätig sind, berichtet auch sie von den akuten Problemen. “Nicht nur der Ukraine-Krieg, sondern auch Chinas anhaltende Null-Covid-Politik und Themen wie mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und die Ausübung von Handelszwang auf einzelne Mitgliedsstaaten werden die Beziehungen weiter belasten”, glaubt Kraft.

Allerdings habe die jüngere Vergangenheit auch gezeigt, dass trotz wachsender Meinungsverschiedenheiten auf politischer Ebene der Dialog auf technischer Ebene weiterhin Früchte trägt. Dies betreffe beispielsweise den Bereich der Finanzdienstleistungen sowie die Umsetzung des EU-China-Abkommens zum Schutz der geografischen Angaben (GI). Auch die beidseitige Verpflichtung gehört dazu, Kommunikationsmechanismen zu kritischen Rohstoffen aufzubauen.

Allerdings bleiben nicht zuletzt wegen der strikten Zero-Covid-Politik große Hürden bestehen. Für Kraft, die einst bei ihrer Ankunft von Chinesen in Schutzanzügen begrüßt wurde, hat sich seit Ausbruch der Pandemie auch ihr Bild von Shanghai verändert. “Teil dessen, was mich fasziniert hat, sind leider in den letzten Monaten mit den Covid-Restriktionen verloren gegangen.” Die Stadt sei lethargisch geworden, beobachtet sie.

Andererseits verhalten sich die sonst so distanziert wirkenden Großstädter fürsorglicher und würden nun stärker auf den Zusammenhalt in der Nachbarschaft achten. “Einen solchen Zusammenhalt haben viele nicht erwartet”, sagt Kraft. Auch nach fast 20 Jahren ist die große Metropole immer noch für Überraschungen gut. Constantin Eckner

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China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Deutschlands neue Vertreterin in Peking gibt erstes Interview
    • Audi-Klage überschattet Nio-Launch
    • Litauen sucht Lösungen für Handelsblockade 
    • China mahnt bei Null-Covid zu Geduld
    • Musk-Vorschlag empört Taipeh und entzückt Peking
    • USA beschränken Halbleiter-Exporte 
    • VW-Software: Eine Milliarde Euro für Joint-Venture
    • Im Portrait: Ioana Kraft vertritt in Shanghai die Interessen europäischer Firmen
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Deutschland und China begehen heute 50 Jahre diplomatischer Beziehungen. 50 Jahre mussten auch ins Land ziehen, bis Deutschland in Peking erstmals durch eine Botschafterin vertreten wird. Patricia Flor ist die erste Frau auf dem Posten und zeigt von den ersten Tagen an einen etwas anderen Ansatz für das Amt als ihre Vorgänger: Sie setzt auf mehr Öffentlichkeit, einen feministischen Ansatz der Außenpolitik – und auch mehr Konfrontation gegenüber der Führung ihres Gastlandes.

    Über ihren Start in Peking berichtet sie im Interview mit China.Table: “Ich habe sofort sehr viele meiner Botschafter-Kolleginnen und Kollegen getroffen, was sehr interessant war. Die Botschafter aus hiesigen Ländern, also Indonesien, Malaysia, Singapur, Südkorea haben ihren eigenen Blick auf Dinge. Das war für mich sehr wertvoll”, so Flor.

    Keinen schönen Willkommensgruß gab es indes an anderer Stelle. Kurz vor dem Marktstart der chinesischen E-Autos von Nio in Deutschland hat Konkurrent Audi das China-Start-up wegen Markenrechtsverletzung verklagt. Den Ingolstädtern sind die Modellbezeichnungen ES6 und ES8 zu nahe an jenen der eigenen Sportmodelle S6 und S8. 

    Abgesehen davon, dass Zahlen-Buchstaben-Kombinationen bei der Bezeichnung von Automodellen absolut üblich sind, wie Christian Domke Seidel in seinem Text analysiert – auf gerade einmal 150.000 Euro hat das Landgericht den Streitwert festgesetzt. Kleinlich, mag man meinen. Doch darum scheint es Audi nicht zu gehen. Vielmehr erweckt das Vorgehen einen Verdacht. Will der deutsche Autobauer den potenziellen Konkurrenten aus Fernost gleich zu Beginn eins auszuwischen? Um den Start des chinesischen Newcomers zu überschatten, reicht es allemal.

    Überschattet – um es untertrieben gelinde auszudrücken – sind auch die Handelsbeziehungen zwischen Litauen und China. Seit fast einem Jahr blockiert die Volksrepublik die Einfuhren aus dem baltischen EU-Staat. Allerdings nicht komplett, um den Beweissammlern für die WTO-Beschwerde die Suche zu erschweren. Litauens Unternehmen suchten deshalb nach anderen Lösungen, um ihre Waren zu platzieren, erklärt uns Ričardas Sartatavičius vom litauischen Industriellenverband. Hoffnung macht den Litauern das sogenannte Anti-coercion-Instrument der EU. Denn dieses soll genau solche Situationen der wirtschaftlichen Erpressung verhindern. Die Arbeit daran läuft in Brüssel und Straßburg.

    Heute erreicht Sie die letzte Ausgabe von Trade. Unser Team arbeitet an einer noch tiefergehenden Version zu Handelsthemen und kommt in Zukunft auf Sie zu.

    Ihre
    Amelie Richter
    Bild von Amelie  Richter

    Interview

    “Über Twitter können wir zensierte Inhalte lancieren”

    Patricia Flor, deutsche Botschafterin in Peking, China ist auch auf Twitter aktiv.
    Patricia Flor, deutsche Botschafterin in Peking

    Ihr Lieblingsrestaurant mit den besten Jiaozi hat Patricia Flor in Peking noch nicht gefunden – für kulinarische Erkundungen blieb in den ersten zwei Monaten der neuen deutschen Botschafterin in Peking kaum Zeit. Vor gut drei Monaten hat die 60-Jährige ihren neuen Posten angetreten. “Ich habe sofort sehr viele meiner Botschafter-Kolleginnen und Kollegen getroffen, was sehr interessant war. Die Botschafter aus hiesigen Ländern, also Indonesien, Malaysia, Singapur, Südkorea haben ihren eigenen Blick auf Dinge. Das war für mich sehr wertvoll.” 

    Flors Ernennung zur Botschafterin erfolgte unter besonderen Umständen. Die gebürtige Nürnbergerin folgte auf Jan Hecker, der im vergangenen Jahr nach nur wenigen Wochen im Amt überraschend verstorben war. Flors Amtsantritt verlief zudem alles andere als regulär. Wegen der immer noch begrenzten Einreisemöglichkeiten flog die Botschafterin mit einem Charterflug der Auslandshandelskammer nach China. Bevor sie ihre Akkreditierung einreichen konnte, saß sie in ihrer Residenz in Quarantäne.

    Mit ihr als erster Frau auf dem höchsten repräsentativen Posten Deutschlands in der Volksrepublik haben sich bereits einige Dinge geändert. Die Botschafterin ist aktiv auf Twitter und in chinesischen sozialen Netzwerken unterwegs. Sie kommentiert und teilt auch kritische Inhalte. In Peking hat sie bereits die deutsche Schule besucht, sich mit dem DAAD und chinesischen Alumni getroffen.

    “Erläutern, weshalb sich in Deutschland die Dinge ändern”

    Frau Botschafterin, Sie sind die erste deutsche Vertreterin in China, die sehr aktiv Fotos auf Weibo und Twitter teilt. Warum?

    Die deutsche Botschaft war schon vorher auf Weibo, WeChat und auf Toutiao unterwegs und hatte dort bereits rund 800.000 Follower. Insofern war das jetzt kein Neubeginn. Neu ist Twitter, ein Social-Media-Account, der eben auch persönlich mit mir verbunden ist. Ich habe bereits in Japan festgestellt, dass man mit Twitter ein großes Publikum erreicht. 

    Soziale Medien als Sprachrohre für diplomatische Kommunikation?

    Aus meiner Sicht sind wir in China in einem Land, wo es nicht ganz einfach ist, ein breites Publikum mit allen Themen anzusprechen. Deshalb war es mir sehr wichtig, dass wir auch Twitter nutzen. Natürlich setzt das für chinesische Nutzer voraus, dass sie sich über ein VPN zuschalten. Und wir erreichen so auch im Ausland und weltweit viele Menschen über diesen Kanal. Über Twitter können wir auch Inhalte lancieren, die aus den chinesischen Netzwerken relativ schnell verschwinden, weil sie von der Zensur blockiert werden.

    Gibt es denn eine Öffentlichkeitsstrategie mit Ihnen als Botschafterin?

    Strategische Kommunikation ist in Zeiten von Desinformation wichtiger denn je. Zum einen haben wir ein Interesse daran, die deutsche Außenpolitik in die Öffentlichkeit zu tragen. Zum anderen wollen wir erklären, was in Deutschland im Moment passiert. “Zeitenwende” als Begriff sagt hier in China ja zum Beispiel erst mal niemandem etwas. Das heißt, man muss erläutern, weshalb sich für uns in Deutschland viele Dinge geändert haben – durch Corona, Unterbrechung der Lieferketten, aber eben auch durch den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine. 

    Gibt es ein Ziel hinter der Kommunikation in den sozialen Netzwerken?

    Wir wollen unsere Positionen, Werte, Prinzipien und Interessen vermitteln. Und deshalb teile ich auch Inhalte, wie zum Beispiel den Bericht der ehemaligen UN-Kommissarin für Menschenrechte zu Xinjiang, oder zu anderen Menschenrechtsthemen. Auch Themen wie Gleichstellung, Gender, Nichtdiskriminierung, Diversität sind für uns wichtig und wollen wir auch aktiv hier in die gesellschaftliche Diskussion hineingeben. Was für uns auch wichtig ist: globale Themen. Stichwort Klimakrise. Wir haben auf unseren Kanälen jeden Freitag einen Beitrag zur Klimakrise. Denn ich persönlich finde, dass hier in China das Bewusstsein für das Thema noch nicht ausreichend ausgeprägt ist.

    Sie haben bereits die deutschen Auslandskorrespondenten, Wirtschaftsvertreter und den DAAD getroffen. Es waren aber auch chinesische Menschenrechtsaktivisten dabei, und Sie haben Fotos davon geteilt. Wollten Sie damit ein Zeichen setzen, gleich zum Beginn Ihrer Amtszeit?

    Natürlich. Mir war es wichtig zu kommunizieren, dass dies ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist. Wir suchen den Kontakt und das Zusammentreffen mit allen Vertreterinnen und Vertretern Chinas. Natürlich auch mit den offiziellen Vertreterinnen und Vertretern, mit der Regierung, mit dem Außenministerium und anderen Ministerien, aber auch mit Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten in China. Das ist wichtig. In dem genannten Fall ging es um Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger im wörtlichen Sinne, nämlich um Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die sich vor Gerichten hier für Menschenrechte eingesetzt haben. Ich glaube, es ist ganz wichtig, hier zu zeigen: Wir sind mit diesen Vertreterinnen und Vertretern Chinas solidarisch. Wir suchen und pflegen den Kontakt mit ihnen und werden das auch weiter tun. Kurz, Deutschland steht zu seinen Werten und Prinzipien, auch wenn das nicht immer leicht ist.

    Sie waren vor Ihrem jetzigen Posten im EU-Dienst in Japan. Wie unterscheidet sich denn die EU-Diplomatie gegenüber der deutschen China-Strategie im Moment?

    Aus meiner Sicht sind das zwei Seiten derselben Medaille. Die EU hat 2019 eine Strategie zu China angenommen, in der bereits der Dreiklang festgehalten wurde: China als Partner, aber auch als Wettbewerber und als systemischer Rivale. Dazu kommt natürlich der Rahmen des EU-Binnenmarktes und der EU-Menschenrechtspolitik. Die deutsche Strategie ist eingebettet in diesen EU-Rahmen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir gemeinsam stärker sind. Vor allem da, wo wir auch als EU eine gemeinsame Sprache sprechen – Deutschland, alle anderen Mitgliedsstaaten und die EU zusammen, so werden wir auch immer Gehör finden. Wir sollten außerdem das Gewicht des europäischen Marktes nicht unterschätzen. Die Wirtschaftsbeziehungen haben doch einen ganz großen Anteil an unserem Verhältnis zu China.

    Wird dieser Dreiklang denn so auch in der deutschen Strategie auftauchen? Und wann können wir mit der China-Strategie aus Berlin rechnen?

    Die Strategie wird gerade in Berlin unter Federführung des Auswärtigen Amtes erarbeitet. Zu den Inhalten oder auch zum Zeitpunkt kann ich derzeit noch nichts sagen. Aber wie die Ministerin bereits gesagt hat: China hat sich in den letzten Jahren verändert, daher muss sich auch unser Umgang mit China verändern.

    Sie sind in 50 Jahren diplomatischen Beziehungen die erste deutsche Botschafterin in Peking. Was machen Sie anders als Frau?

    Grundsätzlich ist es für mich immer wichtig gewesen, dass ich auch öffentlich sehr sichtbar bin. Warum? Die erste deutsche Botschafterin oder die erste Frau auf einem Posten hat immer auch eine Symbolkraft. Man ist Rollenvorbild für viele Frauen in dem jeweiligen Land. Das finde ich sehr wichtig, weil man damit Frauen ermutigt, auch solche Ämter anzustreben. Das ist kein reines Frauenthema, sondern es ist ein Querschnittsthema. 

    Inwiefern?

    Es geht nicht darum, sich nur mit Fragen zu beschäftigen, zu denen speziell Frauen einen Bezug haben. Sondern darum, dass man zum Beispiel die Frage stellt, wie viele Frauen in den Vorständen der chinesischen Unternehmen sind, im Politbüro sitzen oder eine herausragende öffentliche Stellung haben. Das hilft, die gesellschaftliche Diskussion zu Fragen der Gleichstellung in dem jeweiligen Gastland anzureichern und auch zu fördern. Gleichzeitig aber gilt: Ob Mann oder Frau, als Botschafter oder Botschafterin hat man bestimmte Aufgaben und daran ändert sich natürlich durch das Geschlecht nichts. Auch wenn jeder Botschafter oder jede Botschafterin das Amt natürlich mit seiner eigenen oder ihrer eigenen Persönlichkeit prägt.

    “Es ist ja nicht so, dass man nie Klartext redet.”

    Sie sehen sich selbst als eine Vertreterin einer feministischen Außenpolitik. Der Begriff wurde auch schon von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verwendet. Warum ist eine feministische Außenpolitik derzeit so wichtig?

    Wenn Frauen nicht aktiv beteiligt sind, beispielsweise an Friedensverhandlungen, an Überlegungen darüber, wie Sozialsysteme angepasst werden oder wie die Energiekrise abgefedert werden kann, dann blenden wir die Interessen und Bedürfnisse von 50 Prozent der Bevölkerung komplett aus. Wir wissen aber gleichzeitig, dass gerade Frauen die Hauptbetroffenen sind von Konflikten und von Krieg – dies kann man derzeit in der Ukraine sehen – und dass Friedensabkommen länger halten, wenn Frauen daran beteiligt waren. Deshalb braucht es eine feministische Außenpolitik.

    Wie sieht das konkret aus?

    In allen Themenbereichen, an welchen wir als Botschaft arbeiten, stellen wir uns die Fragen: Sind hier die Rechte aller, einschließlich der Frauen, aber auch anderer gesellschaftlicher Gruppen, gewahrt? Wie werden sie beteiligt? Sind sie repräsentiert in den Prozessen, um die es hier geht? Bekommen sie auch Ressourcen? Es gibt sehr interessante Studien, die nachgewiesen haben, dass diverse Teams – mit Männern und Frauen, mit Alt und Jung – bessere Ergebnisse bringen. Wenn wir das nicht nutzen, verlieren wir auch im Wirtschaftsleben, in der Forschung und in der Wissenschaft – und bei uns im Auswärtigen Amt. 

    Mit Diversität sieht es in der chinesischen Führungsriege ja eher mau aus. Wie ist denn die feministische Außenpolitik von Deutschland in China gestaltet? Und was muss dafür auch geändert werden?

    In China wurde vor einigen Jahren ein neues Gesetz gegen häusliche Gewalt angenommen. Seit 30 Jahren gibt es auch ein Gesetz zum Schutz von Frauenrechten. Aber wenn man sich andere grundlegende Dokumente ansieht, wie den 14. Fünfjahresplan, dann fällt auf, dort gibt es keine konkreten Frauen- oder gleichstellungsbezogenen Ziele und Indikatoren. Die Frage, wie Gesetze umgesetzt werden und wie die gesellschaftliche Realität aussieht, stellt sich auch hier in China – wie in so vielen anderen Ländern. Auch wir in Deutschland und Europa waren ja vor einiger Zeit noch nicht so weit wie heute, und es bleibt auch bei uns noch einiges zu tun. 

    Was fällt Ihnen zum Thema Frauenrechte in China besonders auf? 

    Es gibt sehr traditionelle Rollenbilder in Fragen wie “Wer kümmert sich um die Kinder, wer ist für die Familie zuständig, wer nimmt Elternzeit?” Diese Rollenbilder sind hier noch sehr ausgeprägt. Und es gibt nach wie vor Tabuthemen. Ich werde mich bemühen, diese Themen hier aufzunehmen und den Erfahrungsaustausch mit Frauen in Deutschland und in Europa anzuregen. Denn wir haben ja Instrumente entwickelt, gesetzliche, aber auch andere Vorgaben, mit denen wir die Gleichstellung in der Praxis vorangebracht haben. Und vielleicht würde ein solcher Erfahrungsaustausch ja auch durchaus Anregungen bieten für dieses Land.

    Sie blicken mittlerweile auf eine lange Diplomatinnen-Karriere zurück. Sie haben aber auch noch eine Vergangenheit als Journalistin. Gibt es bei Ihnen nicht manchmal die Momente, wo man eben einfach ganz journalistisch nicht um den heißen Brei herumreden und ganz undiplomatisch direkt sagen will, was Sache ist?

    Genau das ist der Job von Diplomatinnen und Diplomaten. Es ist ja nicht so, dass man nie Klartext redet. Sondern das Entscheidende ist, dass man als Diplomatin, als Diplomat eben weiß, wann muss ich diplomatisch, vorsichtig oder höflich formulieren und wann ist der Moment, in dem ich Klartext reden kann. Natürlich ist der Unterschied zum Journalismus, dass man eher selten in der Öffentlichkeit Klartext redet. Jedenfalls dann nicht, wenn man weiß, dass man damit eben die andere Seite in einer Weise verletzt, die dann auch die bilateralen Beziehungen beeinträchtigt. 

    Also nach Außen dann doch lieber die Samthandschuhe?

    Für mich als Diplomatin ist immer das Ziel, etwas zu erreichen. Ich war bereits in akuten Konflikten unterwegs, wo es auch darum ging, humanitäre Hilfe an einen umkämpften Ort zu bringen. Wenn diese nur über Kommunikation hinter verschlossenen Türen bewegt werden kann, dann würde ich auf klare Worte verzichten und nicht öffentlich darüber sprechen. Als Diplomatin muss man genau abwägen, wie man mit dem Instrument der Sprache umgeht – denn das ist unsere stärkste Waffe.

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    Analyse

    Nio auf dem Ku’damm, Audi beim Anwalt

    Ab Freitag auch in Deutschland erhältlich: E-Autos der chinesischen Marke Nio. Audi klagt gegen Nio wegen der Verletzung von Markenrechten.
    Ab Freitag auch in Deutschland erhältlich: E-Autos der chinesischen Marke Nio.

    Am Freitag soll es losgehen. Dann können deutsche Kunden den Nio ET7 kaufen, eine Elektro-Limousine. William Li, der Gründer der Marke, wird für das Start-Event auf dem Kurfürstendamm in Berlin erwartet. Dort steht eines der hiesigen Nio-Häuser. Für den Milliardär ist das die letzte Station einer Deutschlandtour. Hamburg und München wird er dann schon hinter sich haben. Schon an der edlen Ku’damm-Lage der Präsentation in Berlin lässt sich ablesen, von welchen Marken die Kunden zu Nio abwandern sollen: von Mercedes, BMW und Audi.

    Audi hat mit der neuen Konkurrenz allerdings ein Problem. Das liegt an deren SUV – dem Nio ES6 und dem ES8. Der deutsche Hersteller hat Modelle mit den Namen S6 und S8 auf Markt und sieht in Europa seine Markenrechte verletzt. Deshalb hat Audi gegen Nio geklagt. Auch, wenn es die SUV von Nio derzeit noch gar nicht zu kaufen gibt. Der nächste Verhandlungstermin ist am 6. Dezember. 

    Der Streitwert beträgt lediglich 150.000 Euro

    Auf den ersten Blick geht es dabei um nicht viel. Medienberichten zufolge wurde der Streitwert vom Landgericht vorläufig auf 150.000 Euro festgesetzt. “Das ist nicht besonders hoch angesichts der Tatsache, dass es bei Audi um eine weltweit bekannte Automarke geht”, sagt Christian Solmecke im Gespräch mit  Table.Media. Er ist Rechtsanwalt bei der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, Buchautor und Geschäftsführer des Kanzleisoftware-Herstellers Legalvisio. Grundsätzlich würden im Markenrecht eher sehr hohe Gegenstandswerte festgelegt. 

    Das Treffen von Audi und Nio vor Gericht sei allerdings nicht der erste Versuch, die Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu schaffen, so Solmecke. “Einer Klage vorausgeht – so auch in diesem Fall – meist eine Abmahnung mit der Aufforderung, die Markennutzung zu unterlassen und eine entsprechende, vorformulierte Unterlassungserklärung abzugeben.” Nio habe entweder nicht darauf reagiert oder sich geweigert, darauf einzugehen. 

    Bei Nio sieht man das anders. Zwar will sich die Marke – genau wie Audi – nicht zum laufenden Verfahren äußern, das “E” im Namen sei aber das wichtige Unterscheidungsmerkmal, so der chinesische Hersteller. Das scheint Audi nicht zu reichen. “In diesem Fall geht es Audi zunächst um die Vermeidung einer möglichen Verwechslungsgefahr, weswegen auch eine Unterlassungsklage eingereicht wurde. Daher müsse Nio seine Autos im Falle eines Sieges von Audi umbenennen“, so Solmecke. Aber auch einen Schadensersatz mache Audi geltend, so der Rechtsanwalt. 

    Dass die Automodelle der Streithähne völlig unterschiedlich aussehen, ist dagegen vor Gericht nicht entscheidend. “Die unterschiedliche Form der Autos dürfte hier eine geringere Rolle spielen. Denn primär geht es hier um den Vergleich der beiden Wortmarken, die möglicherweise leicht zu verwechseln sind.” Ein Kunde, der den Namen “ES6” oder “ES8” liest, könnte also glauben, dass es sich dabei um ein Fahrzeug aus dem Hause Audi handeln könnte. Und weiter: “Nach ständiger Rechtsprechung entscheiden drei Kriterien darüber, ob Verwechslungsgefahr gegeben ist: neben der Zeichenähnlichkeit auch die Produktähnlichkeit und der Bekanntheitsgrad der älteren Marke.”

    Da es sich um zwei Autos handele, sei die allgemeine Produktähnlichkeit grundsätzlich gegeben. Dazu kommt, dass Audi sehr bekannt ist. Also dürfte die Zeichenähnlichkeit ausschlaggebend für die gerichtliche Entscheidung werden, analysiert Solmecke.

    Doch es gibt noch einen weiteren Punkt. “Eine Markenrechtsverletzung ist umso wahrscheinlicher, je höher die sogenannte Unterscheidungskraft der klägerischen Marke ist”, sagt Solmecke. Und hier hat Audi ein Problem. Denn Zahlen-Buchstaben-Kombinationen sind in der Autobranche absolut üblich. “In diesem Fall würde ich sagen, dass die Unterscheidungskraft von ‘S6 und S8’ eher schwach ausgeprägt ist, was es Audi erschweren könnte, hier Erfolg zu haben”, vermutet Solmecke. Grundsätzlich würde es sich aber um eine Einzelfallentscheidung handeln, was eine Prognose schwer mache.

    Dudenhöffer sieht Audi moralisch im Unrecht

    Doch die Klage hat natürlich nicht nur eine juristische, sondern auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Eine, die sich am Freitag auf dem Ku’damm weiter entfalten wird. Denn die chinesischen Autobauer drängen derzeit mit Macht nach Europa. Mit Volvo sammelt deren chinesischer Besitzer Geely seit über zehn Jahren Erfahrungen in der EU. Deren Schwestermarke Polestar ist rein chinesisch und seit zwei Jahren erhältlich.

    Auch die Marke London Taxi ist in chinesischer Hand. Aiways ist in Deutschland bereits erhältlich, Xpeng und BYD werden mittelfristig folgen. Die deutsche Mietwagenfirma Sixt setzt sogar im großen Stil auf BYD (China.Table berichtete).

    Die Expansion auf den Heimatkontinent des Automobils entspricht auch dem Willen der kommunistischen Führung. Laut dem 14. Fünfjahresplan sollen im Jahr 2025 die beiden führenden Elektroautobauer der Volksrepublik zehn Prozent ihrer Neuwagen im Ausland absetzen.

    Warum auch nicht? Europäische Hersteller verdienen seit rund zwanzig Jahren gutes Geld in der Volksrepublik. Wegen der mittlerweile abgeschafften Joint-Venture-Verpflichtung sind sie in China eng mit der dortigen Industrie verzahnt. Die Globalisierung geht nun in die andere Richtung.

    Die deutschen Hersteller sind zudem in den vergangenen Jahrzehnten immer chinesischer geworden. Zwanzig Prozent von Daimler befinden sich in chinesischer Hand – zehn Prozent gehören dem Staatsbetrieb Beijing Automotive Group (BAIC). Li Shufu, der Gründer von Geely, besitzt weitere zehn Prozent. Volkswagen wiederum beschäftigt in China mehr als 100.000 Mitarbeiter.

    In dieser Gemengelage sieht Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor vom Center Automotive Research (CAR), die Klage von Audi gegen Nio eher kritisch. Die Klage stoße in der Branche nicht überall auf Verständnis, sagte er dem Handelsblatt. Das Vorgehen Audis sei kontraproduktiv und würde für ein schlechtes Klima sorgen. “Die Verwechslungsgefahr bei einem SUV und einer Limousine ist doch ziemlich gering”, schließt er. 

    • Autoindustrie

    Litauens Unternehmen suchen Alternativen

    Vor gut einem Jahr nahm ein bisher beispielloser Handelsstreit zwischen einem EU-Staat und China seinen Lauf. Stein des Anstoßes: die Einrichtung eines “Taiwanbüros” in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Peking verhängte darauf Sanktionen gegen Litauen. Die Europäische Union hat mittlerweile eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht – die Lage für den baltischen EU-Staat hat sich aber kaum verbessert: “Generell steht die gesamte Produktion. Die Exporte von Litauen nach China wurden eingestellt. Nur in Einzelfällen schaffen es Produkte litauischer Firmen auf den chinesischen Markt – meistens sind das Technologieunternehmen”, sagt der Generaldirektor des litauischen Industrieverbands, Ričardas Sartatavičius, China.Table.

    Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem baltischen Land und der Volksrepublik verlief stufenweise und gipfelte letztendlich darin, dass Litauen ganz aus dem Zollsystem Chinas verschwand und die diplomatischen Beziehungen herabgestuft wurden (China.Table berichtete). Wenige Tage nach dem Zoll-Eklat Anfang Dezember erschien das EU-Land zwar wieder als Auswahl-Option im chinesischen System. “Aber das ändert nichts an der Situation”, sagt Sartatavičius. Die Unternehmen könnten Erklärungen ausfüllen, erhielten dann aber keine Bestätigung.

    Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Getränke-Branche: So seien Container mit Getränken wie Bier von China nach Litauen zurückgeschickt worden, weil die Zollerklärungen nicht akzeptiert worden seien. Der Verband wisse nicht, wie groß der Schaden für die litauische Getränke-Industrie bisher sei. “Aber wenn der chinesische Markt dafür vollständig geschlossen wird, könnten die Unternehmen zwei bis fünf Millionen Euro an Einnahmen im Jahr verlieren. Auf staatlicher litauischer Ebene ist das ein kleiner Geldbetrag, aber für Unternehmen ist das viel.”

    China verschleiert sein Vorgehen

    Im Frühjahr dieses Jahres wurde überraschend wieder etwas mehr Ware durch den Zoll gelassen – für den Sommer sank die Zahl dann wieder. Im September sind die Einfuhren aus Litauen in die Volksrepublik laut chinesischer Zollangaben um 91,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen. Betroffen seien Metall- und Holzprodukte, die zuvor zu den Top-5-Exportwaren des baltischen Staats gehörten. Die Ausfuhren seien “vollständig vernichtet”, so Sartatavičius. Auch Hightech-Laser und Torf-Exporte gehören zu den betroffenen Produkten.

    Litauens Exporte nach China hatten im Dezember 2021 einen nahezu vollständigen Einbruch erlitten. Lediglich Waren im Wert von rund 3,35 Millionen Euro schafften es in dem Monat durch den chinesischen Zoll, wie Sartatavičius erklärt. Ein massiver Rückgang im Vergleich zum Vorjahr: Da seien es Waren im Wert von 38 Millionen Euro gewesen. Auch im November 2021 lief der Handel noch. Litauen exportierte Waren im Wert von gut 37 Millionen Euro in die Volksrepublik. Im selben Monat hatte das taiwanesische Handelsbüro in Vilnius eröffnet.

    Dass China einige Waren ins Land tröpfeln lässt, scheint Verschleierungstaktik – so werden die Beweise für die EU-Beschwerde bei der WTO weniger eindeutig. Aber auch die Litauer sind findig. Dazu werde beispielsweise auf Häfen im lettischen Riga oder im polnischen Danzig ausgewichen. Für Importe aus der Volksrepublik wird ebenfalls “getrickst” und als Entladehafen Riga angegeben. Die lettische Hauptstadt ist mit Lkw-Transport gut an Nord-Litauen angebunden. “Die Unternehmen suchen natürlich nach verschiedenen Lösungen”, sagt Sartatavičius.

    Entscheidung bei WTO wird dauern

    China hatte im vergangenen Jahr Druck auf Unternehmen aus anderen EU-Staaten ausgeübt, die mit litauischen Zulieferern arbeiteten oder selbst in Litauen produzierten. Auch hier scheint die Lage weiterhin schwierig. Gesprächsanfragen an betroffene Unternehmen wie den Reifenhersteller Continental wurden abgelehnt. Die litauischen Unternehmen hoffen nun auf einen Erfolg bei der WTO, wie Sartatavičius berichtet.

    Auch wenn das noch dauern könnte. “Wir rechnen nicht mit einer baldigen Entscheidung. Das kann ein paar Jahre dauern.” Der direkte Nutzen für litauische Unternehmen stehe zudem noch in den Sternen: “Gemäß den WTO-Entscheidungen gibt es weder eine Verpflichtung, die entstandenen Verluste zu kompensieren, noch eine Garantie dafür, dass die Probleme nicht wieder vorkommen.”

    EU-Ausschuss will Möglichkeit der schnellen Abwehr

    Hoffnungsvoll blickt man in Richtung Brüssel: Auf EU-Ebene wird derzeit über ein neues Instrumentarium diskutiert, um auf solche Praktiken künftig besser antworten zu können. Die EU-Kommission hatte Ende 2021 ihren Vorschlag (China.Table berichtete) für das sogenannte Anti-Coercion-Instrument vorgestellt. Derzeit arbeiten Europaparlament und der Rat der Mitgliedsstaaten daran, ihre Änderungswünsche zu formulieren. Der Trilog zwischen den EU-Institutionen soll in den kommenden Wochen beginnen, um die finale Fassung der Verordnung festzulegen.

    Der Handelsausschuss soll am kommenden Montag die Position des Europaparlaments festzurren. Die Abgeordneten wollen den Kommissionsvorschlag an einigen Stellen verschärfen, wie die von Berichterstatter Bernd Lange zusammengetragenen Änderungswünsche zeigen, die Europe.Table vorliegen. So soll schon die Androhung von Zwangsmaßnahmen durch Drittstaaten ausreichen, damit die Kommission tätig werden kann. Zudem soll sie weiterreichende Maßnahmen verhängen können, um den entstandenen Schaden in einem EU-Land zu kompensieren.

    Zu dem vorgesehenen Arsenal zählt etwa, dass die EU Waren aus China oder anderen aggressiv auftretenden Ländern mit höheren Zöllen belegen kann oder deren Unternehmen von öffentlichen Aufträgen in der EU ausschließen. Die Kommission will sich hier weitgehende Entscheidungsbefugnisse einräumen. Das Europaparlament drängt aber auf weiterreichende Informationspflichten der Behörde. Die Mitgliedsstaaten fordern im Rat überdies mehr Mitsprache bei der Verhängung der Gegenmaßnahmen. Mitarbeit: Till Hoppe

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    News

    Null-Covid: China mahnt zur Geduld

    China mahnt wenige Tage vor dem Parteitag der KP zu Geduld mit seiner strikten Null-Covid-Politik. Die Zahl der lokalen Corona-Fälle ist zuletzt auf den höchsten Stand seit August gestiegen und der Druck auf die Behörden, Ausbrüche so schnell wie möglich zu stoppen, hat in den vergangenen Wochen mit dem Auftauchen der Omikron-Untervarianten BF.7 und BA.5.1.7 wieder zugenommen.

    “Die Übertragung und die Pathogenität haben sich nicht abgeschwächt, und es stellt immer noch eine relativ große Gefahr für ältere Menschen und Menschen mit Grunderkrankungen dar“, hieß es in einem Kommentar des Parteiorgans Volkszeitung. “Aus diesem Grund müssen wir weiter wachsam gegenüber der Ausbreitung der Epidemie sein, unser Vertrauen und unsere Geduld in die Seuchenprävention und -bekämpfung in unserem Land stärken.” In der jüngeren Vergangenheit hatte die chinesische Parteiführung die Bevölkerung auf eine langfristige Null-Covid-Normalität aus Lockdowns, Massentests und geschlossenen Grenzen eingestellt (China.Table berichtete).

    Tausende von BF.7-Fällen wurden seit dem 1. Oktober aus der Inneren Mongolei gemeldet, was die Region zu Chinas neuestem Covid-Epizentrum macht und zu örtlichen Abriegelungen führte. In den Stadtbezirken Putuo und Changning der Wirtschaftsmetropole Shanghai wurden am Montag Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen gesperrt. In der westlichen Region Xinjiang war ein Ausreiseverbot verhängt worden, nachdem die Zahl der Fälle immer weiter gestiegen war. Gestrandeten Touristen wurde von den Behörden vorübergehend Arbeit als Elektriker, Köche oder Handwerker angeboten. In Yining wurden im vergangenen Monat Menschen in Gewahrsam genommen, die in sozialen Medien kritische Kommentare zum Lockdown in Xinjiang gepostet hatten (China.Table berichtete). mw

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    Musk empört mit Taiwan-Vorschlag

    Tesla-Chef Elon Musk: Taiwan-Vorschlag stößt auf große Kritik
    Tesla-Chef Elon Musk

    Elon Musk sorgt wieder für Aufregung. Nach seinen umstrittenen Vorschlägen zum Ende des Ukraine-Krieges hat der US-Milliardär zu Wochenbeginn mit Ideen zur Lösung des Taiwan-Konflikts für neuen Wirbel gesorgt. Die Regierung in Taipeh nannte am Montag Musks Idee, aus Taiwan eine “Sonderverwaltungszone” unter chinesischer Herrschaft zu machen, “inakzeptabel”.

    Aus solchen Vorschlägen sprächen die Geschäftsinteressen des Tesla-Chefs in China. Der kollektive Wille des Volkes in Taiwan würde von Musk hingegen komplett ignoriert, sagte ein Sprecher des Rates für die Beziehungen zu Festlandchina (MAC) in Taipeh. Musk hatte zuvor seine Ideen in einem Interview mit der britischen Zeitung “Financial Times” geäußert. In dem Interview hatte Musk einen Konflikt um Taiwan unausweichlich genannt und seine Sorge gezeigt, dass die Weltwirtschaft einen schweren Schlag erleiden würde. 

    Ganz anders wurde das Interview hingegen in China aufgenommen. Die Regierung in Peking begrüßte den Vorschlag, der auf einer Linie mit ihrem Lösungsansatz “ein Land, zwei Systeme” liege. Ein Sprecher stellte Taiwan “ein hohes Maß an Autonomie” in Aussicht, sollte sich die Insel als “Sonderverwaltungszone” in die Volksrepublik eingliedern. rad

    • Autoindustrie

    USA verschärfen Chip-Beschränkungen

    Die US-Regierung weitet die Handelsinstrumente, die sie gegen Huawei erprobt hat, auf alle chinesischen Technikfirmen aus. Am Freitag hat das Handelsministerium in Washington neue Regeln erlassen, die US-Technikfirmen daran hindern, fortschrittliche Mikrochips oder Anlagen für deren Herstellung an chinesische Kunden zu verkaufen. Ausnahmen gelten für Kunden mit besonderen Lizenzen. Das Ziel ist Presse-Briefings der US-Regierung und Analysten zufolge, die technologischen und militärischen Fortschritte Chinas ausbremsen. Die neuen Regeln könnten nach Einschätzung von Experten die chinesische Chipindustrie um Jahre zurückwerfen.

    Nach den alten Regeln durften Hersteller von Maschinen zur Chipherstellung ihre chinesischen Kunden immer noch weitreichend beliefern. Mit der Verschärfung vom Freitag können Unternehmen wie Applied Materials aus Kalifornien nur noch sehr eingeschränkt mit China Geschäfte machen. Weitere Firmen, die sich ihre Abnehmer nun genau aussuchen müssen, sind KLA-Tencor, das Ausrüstung zur Qualitätskontrolle von Platinen und Chips herstellt, oder Lam Research, das Ätzanlagen produziert. Auch Chiphersteller wie AMD und Nvidia sind von den US-Direktiven betroffen.

    Der US-Verband der Halbleiterhersteller begrüßte die Ankündigung erwartungsgemäß, denn die Regierung schafft so erhebliche Nachteile für die asiatische Konkurrenz. Die neuen Regeln werden die Innovationen der USA “vor Chinas räuberischen Aktionen schützen”, hieß es in einer Mitteilung des Verbands. fin/rtr

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    Insider: VW investiert eine Milliarde Euro in Software-Sparte

    Um den Aufbau seiner Software-Sparte in China zu beschleunigen, will VW laut Insidern mehr als eine Milliarde Euro in ein Joint-Venture mit einem chinesischen Partner investieren. Das berichtet eine mit den Vorgängen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Um welches chinesische Unternehmen es sich handelt, soll demnach in der kommenden Woche bekannt gegeben werden. Volkswagen lehnte eine Stellungnahme bislang ab.

    Mit einer Veröffentlichung der Pläne erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen würde Volkswagen einen Konflikt mit seinen staatlichen Anteilseignern umgehen. Ansonsten hätten die Grünen, die im Fall einer Regierungsbeteiligung auf eine stärkere Rolle der Menschenrechte im China-Geschäft dringen, das Thema zu Wahlkampfzwecken nutzen können. Niedersachsen verfügt über zwei Aufsichtsratsmandate bei VW, die derzeit von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) besetzt werden. rtr

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    Ioana Kraft – Wegbereiterin in Shanghai

    Ioana Kraft ist General Manager der EU-Handelskammer in Shanghai.
    Ioana Kraft ist General Manager der EU-Handelskammer in Shanghai.

    Ioana Kraft gehörte 2003 auf eine Weise zu den China-Pionieren, deren Bedeutung sich erst im Rückblick erschließt. Sie wurde seinerzeit bei ihrer ersten Ankunft in Shanghai von weißen Gestalten in Ganzkörper-Schutzanzügen empfangen. Damals wütete das erste ursprüngliche SARS (noch ohne “-CoV-2”) in China. “Ich wusste nicht, dass dieses Bild 20 Jahre später unser Leben so prägen würde”, sagt Kraft. Die Da Bai stehen heute ikonisch für die Lockdowns in Shanghai und anderswo. Als Phänomen sind sie jedoch nicht neu, wie Kraft von damals weiß.

    Geboren in Rumänien, aufgewachsen in Deutschland und Algerien, heimisch geworden in China. So in etwa lässt sich der Lebensweg von Ioana Kraft in aller Kürze zusammenfassen. Die Juristin leitet seit 2009 das regionale Büro der European Union Chamber of Commerce in Shanghai.

    Nach ihrem Jurastudium arbeitete Kraft zunächst am Lehrstuhl für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung in Düsseldorf. Im Jahr 2003 flatterte dann das Angebot herein, für eine Anwaltskanzlei in Shanghai tätig zu werden. Sie zögerte keinen Moment, stellte sich ihre Ankunft in ihrer neuen Heimat aber gewiss anders vor. Doch auch SARS ging vorüber und ein normales Shanghai-Leben begann – eine Wende, die sie sich heute wieder herbeiwünscht.

    Shanghai muss Vertrauen wiedergewinnen

    Einmal in Shanghai angekommen, führte sie der Weg 2004 zur EU-Handelskammer, wo sie 2009 zur Leiterin des Shanghai-Büros aufstieg. “Was mich fasziniert hat, war die Neugierde der Chinesen auf alles Neue. Es war eine Aufbruchstimmung, wie ich sie noch nie erlebt hatte”, erinnert sich Kraft an jene Zeit, als sie China und speziell die Metropole Shanghai nach und nach für sich entdeckte.

    Die EU-Kammer baut ihre Arbeit so ähnlich auf wie etwa die deutschen Auslandshandelskammern, nur mit den Interessen der gesamten Union im Blick. “Wir haben gute Kontakte zu den lokalen Regierungsbehörden und bringen die Probleme und Empfehlungen unserer Mitglieder in regelmäßigen Dialogen vor”, erklärt Kraft.

    Dabei müsse die Kammer stets einen konstruktiven Ton anschlagen, damit Empfehlungen auch wirklich in die Tat umgesetzt würden. Die Grenzen für das Shanghai-Büro beginnen dort, wo politische Themen nationale Belange betreffen und entsprechend in Peking behandelt werden.

    Unerwarteter Gemeinschaftssinn in Covid-Zeiten

    Wie so viele andere Europäerinnen und Europäer, die aktuell in China tätig sind, berichtet auch sie von den akuten Problemen. “Nicht nur der Ukraine-Krieg, sondern auch Chinas anhaltende Null-Covid-Politik und Themen wie mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und die Ausübung von Handelszwang auf einzelne Mitgliedsstaaten werden die Beziehungen weiter belasten”, glaubt Kraft.

    Allerdings habe die jüngere Vergangenheit auch gezeigt, dass trotz wachsender Meinungsverschiedenheiten auf politischer Ebene der Dialog auf technischer Ebene weiterhin Früchte trägt. Dies betreffe beispielsweise den Bereich der Finanzdienstleistungen sowie die Umsetzung des EU-China-Abkommens zum Schutz der geografischen Angaben (GI). Auch die beidseitige Verpflichtung gehört dazu, Kommunikationsmechanismen zu kritischen Rohstoffen aufzubauen.

    Allerdings bleiben nicht zuletzt wegen der strikten Zero-Covid-Politik große Hürden bestehen. Für Kraft, die einst bei ihrer Ankunft von Chinesen in Schutzanzügen begrüßt wurde, hat sich seit Ausbruch der Pandemie auch ihr Bild von Shanghai verändert. “Teil dessen, was mich fasziniert hat, sind leider in den letzten Monaten mit den Covid-Restriktionen verloren gegangen.” Die Stadt sei lethargisch geworden, beobachtet sie.

    Andererseits verhalten sich die sonst so distanziert wirkenden Großstädter fürsorglicher und würden nun stärker auf den Zusammenhalt in der Nachbarschaft achten. “Einen solchen Zusammenhalt haben viele nicht erwartet”, sagt Kraft. Auch nach fast 20 Jahren ist die große Metropole immer noch für Überraschungen gut. Constantin Eckner

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