Table.Briefing: China

Energiesektor im Umbruch + Flüssigsalzreaktor + HNA: Fall und Wiederaufstieg

  • Energieplan gegen Stromausfälle und Abschaltungen
  • Flüssigsalzreaktor soll sichere, saubere Energie liefern
  • Die Chancen von HNA nach der Zerschlagung
  • IOC: Keine ausländischen Besucher für Winterspiele in Peking
  • Bundesregierung lässt Xiaomi-Handy untersuchen
  • CATL kauft Millenial Lithium
  • Geely will Smartphones herstellen
  • Tesla Shanghai überwindet Chip-Mangel
  • Peking blockiert Taiwans CPTPP-Antrag
  • Seidenstraßen-Länder sind bei China hoch verschuldet
  • Annette Schavan: “Europa sollte Tacheles reden”
  • Personalrotation bei Morgan Stanley in Asien
Liebe Leserin, lieber Leser,

Wir beschäftigen uns heute intensiv mit den drängenden Problemen der chinesischen Energiewirtschaft – und möglichen Lösungen. In vielen Regionen gehen derzeit die Lichter aus und stehen die Bänder still, weil die Kohlestromproduktion an Klima-Grenzen stößt. Christiane Kühl hat dazu den neuen Bericht der Internationalen Energieagentur durchgearbeitet. Er entwirft einen Stufenplan zum Kohleausstieg bei Wahrung der Energiesicherheit. Außerdem sehen wir uns die Chancen und Risiken einer neuen Reaktortechnik an. Der Schmelzsalzreaktor verbrennt preiswertes Thorium und soll besonders sicher sein. China setzt große Hoffnungen auf einen experimentellen Meiler am Rande der Wüste Gobi.

Schon 2017 warnte Chinas Regierung vor “irrationalen Auslandsinvestitionen” der eigenen Konzerne. Adressat war damals auch die Tourismusgruppe HNA. Sie hatte allein in Deutschland den Flughafen Hahn übernommen und sich an der Deutschen Bank beteiligt. Inzwischen hat die Irrationalität in die Insolvenz geführt. Doch damit ist die HNA-Story nicht zu Ende, analysiert Frank Sieren. Das Konglomerat ist zerschlagen, doch die einzelnen Geschäftsbereiche wirken zum Teil durchaus überlebensfähig. Das gilt insbesondere für die Fluglinie Hainan Airlines, die viel Anerkennung für guten Service und Sicherheit einheimst.

Schon die Olympischen Spiele in Tokio wirkten wegen der fehlenden Zuschauer etwas traurig. Die Corona-Lage zwingt nun Peking dazu, bei den Winterspielen im Februar zumindest auf Gäste aus dem Ausland zu verzichten; nur Einheimische dürfen in den Stadien zusehen. Jedes andere Vorgehen stände im Widerspruch zu den strengen Einreiseregeln der vergangenen anderthalb Jahre und wäre kaum vermittelbar. Alle Vergleiche mit dem fröhlichen Sommerfest von 2008 haben sich damit endgültig erledigt.

Im Portrait blicken wir auf Annette Schavan, einst Bildungsministerin, jetzt Co-Vorsitzende des deutsch-chinesischen Dialogforums. Der Dialog ohne persönliche Treffen sei derzeit allerdings “wie Schwimmen ohne Wasser”, erklärt die profilierte Politikerin.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Fahrplan zur Klimaneutralität

Die Schlagzeilen in China drehen sich derzeit um Rationierung von Strom, Produktionsstopps und Stromausfälle. Die Probleme sind Teil der von Peking angeschobenen Energiewende, bei der sich offenbar noch einiges zurecht ruckeln muss. Wie der Übergang zur bis 2060 anvisierten Klimaneutralität gelingen kann, loteten jetzt Experten der Internationalen Energie-Agentaur (IEA) gemeinsam mit chinesischen Forschenden aus.

Auf den horrenden Anstieg fossiler Energieträger der letzten Dekaden müsse nun ein ebensolcher Anstieg erneuerbarer Energien für die wachsende Stromerzeugung folgen, sagte IEA-Generaldirektor Fatih Birol am Mittwoch bei der Präsentation des Fahrplans zur Energiewende in China. Die Regierung will den Gipfel der Emissionen 2030 erreichen und bis 2060 klimaneutral werden, was in China “30/60-Ziel” genannt wird.

Die Welt drängt Peking zu einem noch schnelleren Vorgehen, was die IEA für durchaus möglich hält. “China hat die Fähigkeit, die wirtschaftlichen Mittel und das politische Können, um den Höhepunkt früher zu erreichen – etwa in den mittleren 2020er-Jahren”, sagte Birol.

China ist der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen, und der Energiesektor ist für 90 Prozent dieser Emissionen verantwortlich. Dazu gehört auch der Stromverbrauch energiefressender Schwerindustriebranchen wie Stahl, Zement oder Chemie. Die drei emittieren rund ein Drittel der chinesischen Treibhausgase. Die Volksrepublik produziert mehr als die Hälfte des weltweiten Stahls und Zements. “Die Provinz Hebei allein trug 2020 ganze 13 Prozent zur globalen Stahlproduktion bei”, sagte Timur Gül, Leiter der IEA-Abteilung für Energietechnologiepolitik und verantwortlicher Autor des Berichts. “Die Treibhausgas-Emissionen allein aus den Stahl- und Zementwerken Chinas sind höher als die gesamten Emissionen der EU.” Es sind Zahlen wie diese, die verdeutlichen, welche immense Rolle China beim Klimaschutz spielt.

Auch deshalb widmete die IEA – die bereits 2020 einen globalen Fahrplan vorgestellt hatte – dem riesigen Land ihren ersten Landes-Fahrplan. “China allein kann nicht die Weltwirtschaft dekarbonisieren. Aber wenn es seine Ziele erfüllt, würde China die globalen Emissionen auf das Niveau der frühen 2000er-Jahre drücken”, sagte Gül. Wenn sonst alle Emissionen auf dem heutigen Niveau bleiben, wohlgemerkt.

IEA: Solar ab 2045 die Nummer eins im Energiemix

Im IEA-Szenario für die versprochenen Zusagen (Announced Pledges Scenario oder APS) wird ab 2045 die Fotovoltaik Nummer eins im Energiemix sein. Bis 2060 wird demnach die Nachfrage nach:

  • Kohle um 80 Prozent,
  • nach Öl um 60 Prozent und
  • nach Erdgas um 45 Prozent

gesunken sein. Effizienzsteigerungen, neue Materialien und die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CCS) werden laut Gül einiges voranbringen. CCS, direkte CO2-Speicherung und negative Emissionen durch Bio-Energie könnten dann ab 2060 die letzten Emissionen neutralisieren, die etwa durch Schwerindustrie und Langstrecken-Frachttransporte entstehen. Für die Hälfte der Emissionsminderungen nach 2030 werde China auf Technologien setzen müssen, die noch nicht existieren, sagte Gül. Investitionen in Forschung und Innovation sind daher zwingend.

Generell erfordert die Energiewende gewaltige Investitionen. Unter dem APS erwartet die IEA 2030 Investitionen von 640 Milliarden US-Dollar – zehn Prozent mehr als die Jahresinvestitionen heute. Das klingt machbar. Doch nach 2030 sollen die Emissionen sinken; der weitere Fortschritt wird schwieriger und teurer. Für 2060 erwartet die IEA 900 Milliarden US-Dollar, 60 Prozent mehr als heute. Der größte Anteil dieser Investitionen entfällt auf Veränderungen im Stromsektor und im Transport.

Weltweit ist klar, dass durch die Elektrifizierung der Mobilität und ganzer Industriesektoren der Anteil des Stroms am Energiemix deutlich zunehmen wird. Auch deshalb muss der Ausbau erneuerbarer Energien auch in China stark beschleunigt werden. Für das IEA-Szenario eines beschleunigten Übergangs muss alles noch schneller gehen – man schrieb es auf, um Peking ein wenig zu ermutigen, denn die IEA hält auch einen früheren Emissions-Höhepunkt für realistisch.

Stromkrise verdeutlicht Schwierigkeiten der Transformation

Die aktuellen Probleme bei der Stromversorgung aber zeigen bereits, wie schwierig ein solcher Übergang ist – technologisch und politisch. In mehreren Regionen Chinas mussten Fabriken aufgrund strikter Stromverbrauchsziele die Produktion unterbrechen, anderswo erstreckten sich Rationierungen sogar auf Privathaushalte (China.Table berichtete). Entlang der Küste fiel mehrfach der Strom aus. China rief daher die Provinzregierungen am Mittwoch hastig dazu auf, die Versorgung von Kraftwerken mit Kohle erst einmal zu sichern. Es müsse garantiert werden, dass der Brennstoff im Falle eines Mangels rechtzeitig an die Kraftwerke gelange, teilte die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) mit. Es sollten “alle Anstrengungen” unternommen werden, um den Transport von Kohle zur Stromerzeugung und zum Heizen sicherzustellen.

Kritiker der Energiewende gaben der Unbeständigkeit erneuerbarer Energien die Schuld an dem plötzlichen Strommangel. “Es gibt viele Stimmen, manche sind gegen die Klimaneutralität”, sagte Chai Qimin vom Klimawandel-Institut des Umweltministeriums. Gutes Management beim Übergang zur Klimaneutralität sei daher ein zentrales Thema. Demnächst werde China eine eigene Klimagesetzgebung auf den Weg bringen, kündigte Chai an. Es gehe um Regeln, Marktmechanismen und das sogenannte Klima-Mainstreaming. Damit sollen die Ziele in allen Bereichen verankert werden. Viele verschiedene Sektoren müssten miteinander kooperieren, so Chai.

Diskutiert werden in China neben dem Geld viele Dinge, die auch bei uns eine Rolle spielen: Die Balance zwischen kurzfristigen und langfristigen Interessen, Laufzeiten von Fabriken und Kraftwerken oder Arbeitsplätze. Das wird bei der IEA-Präsentation deutlich.

Klimaschutz-Debatte auch in China

Insgesamt werde es durch die Energiewende in China einen Nettozuwachs an Arbeitsplätzen geben, erwartet Gül. “Aber Jobs im Kohleabbau oder in der Kohlewäsche gehen verloren, was ganze Gemeinden stark treffen kann. Neue Jobs werden nicht unbedingt dort entstehen, wo Arbeitsplätze verloren gehen.” Das sei eine Herausforderung, mit der China sich befassen müsse.

Die Kohleprovinz Shanxi entwickelt laut Gül bereits Programme, um die Anpassung an die neue Energiewelt zu unterstützen. Pan Jiahua, Klima-Experte der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, sieht auch Vorteile der Transformation. Die fossil geprägte Industrie sei kapitalintensiv, viel Arbeit erfolge mechanisch. Bei der Umstellung etwa auf Solarenergie “gibt es in jedem Abschnitt der Produktionskette Jobs”, und das von den Menschen dort künftig verdiente Geld fließe in den Konsum und stärke damit die Wirtschaft.

Eine zentrale Frage in China ist: Was tun mit der bestehenden Infrastruktur an Fabriken und Kraftwerken? Nach Prognosen der IEA werden viele von ihnen vor dem Ende der wirtschaftlich sinnvollen Laufzeiten heruntergefahren werden müssen. “Unser Inventar ist ziemlich jung, vieles wurde in den letzten zehn bis zwanzig Jahren gebaut”, sagte Zhang Qiang, Professor an der Peking Tsinghua-Universität. Daraus ergeben sich Restlaufzeiten von rund 30 Jahren. Die Transformation “müsse graduell ablaufen von dem leichteren hin zum schwierigeren Teil.” Ältere Kapazitäten in Gebieten mit sensibler Umwelt müssten früher vom Netz gehen, etwa in der Jing-Jin-Ji-Region um Peking, die seit vielen Jahren unter Wasserknappheit und schmutziger Luft leidet.

Auch warnt Zhang: “Wir müssen hektische und blinde Investitionen in Industrien mit hohem Verbrauch zügeln.” China habe zwar zugesagt, im Ausland keine Kohlekraftwerke mehr zu bauen. “Doch mit der Zeit müssen wir definitiv auch aufhören, sie in China zu bauen.” Vielleicht weiß China ja bis zum Klimagipfel in Glasgow, wann es damit soweit ist.

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Tests eines Flüssigsalzreaktors laufen an

In China steht ein neuartiger Atommeiler kurz vor dem Testbetrieb: ein sogenannter Flüssigsalzreaktor. Hinter dem exotischen Namen verbirgt sich ein Typ von Reaktor, der mit dem Element Thorium betrieben wird und eine Reihe von Vorteilen gegenüber herkömmlichen Atommeilern bieten soll. Die Anlage im Industriepark Hongshagang im Kreis Minqin 民勤县 nördlich der Stadt Wuwei soll chinesischen Medienberichten zufolge in diesen Tagen ersten Strom erzeugen. Die örtlichen Behörden haben jedenfalls eine Inbetriebnahme im September in Aussicht gestellt.

Noch handelt es sich um ein Experiment mit geringer Leistung. Falls sich das Konzept bewährt, könnte das Land Flüssigsalzreaktoren auch in Serie bauen. China kann schließlich jede Energiequelle brauchen, die sich aktivieren lässt. Selbst bei schnellem Ausbau von Wind und Sonne bleibt angesichts des schnell ansteigenden Stromverbrauchs eine Versorgungslücke. Dabei sinkt bisher nicht einmal die Zahl der Kohlekraftwerke. Bis zum Endpunkt der Aufgabe fossiler Brennstoffe 2060 bleibt so gesehen nicht viel Zeit, weitere Alternativen aufzutun. Auf den Flüssigsalzreaktor setzen die Ingenieure hier wegen einer Reihe von Besonderheiten große Hoffnung:

  • Die Flüssigsalzreaktoren sind aus Sicht der Ingenieure sicherer vor Unfällen als die bisher gebräuchlichen Modelle. Eine klassische Kernschmelze ist bei diesem Typ jedenfalls unmöglich.
  • Der Brennstoff Thorium ist etwa viermal häufiger in der Erde zu finden als Uran. Es ist daher billiger.
  • Da keine äußere Kühlung nötig ist, muss ein Flüssigsalzreaktor nicht an einem Fluss oder einer Küste stehen. Er eignet sich damit zum Betrieb an Inlandsstandorten – auch in Wüsten, wo kaum Menschen wohnen.
  • Es fällt weniger Müll an.

Fluor-Salz bei 500 Grad Celsius

In einem Flüssigsalzreaktor gibt es keine Brennelemente. Stattdessen zirkuliert der Brennstoff in einem Kreislauf durch den Reaktorkern. Das Binde- und Transportmittel dafür ist ein Salz. Das Wort Salz ist hier im Sinne der Chemiker zu verstehen; es handelt sich also nicht um Speisesalz, aber um eine die Chemikalie mit einem ähnlichen Aufbau. In China kommt eine Fluorverbindung zum Einsatz. Diese hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als Speisesalz. Eine typische Temperatur für das Reaktormedium im Betrieb liegt bei über 500 Grad Celsius. Das Salz ist bei dieser Temperatur so flüssig wie Wasser.

Als Brennstoff wird dem geschmolzenen Salz das Thorium zugefügt. Das Thorium selbst ist nicht zur Kernspaltung fähig. Mit Neutronen beschossen, zerfällt es aber zu Uran, das von selbst weiter zerfällt und dabei neue Neutronen freisetzt. Diese können wiederum Thorium-Atome zerschießen. Dieser Vorgang setzt sich fort. So wird das Thorium nach und nach in Uran aufgespalten, das wiederum unter weiterem Neutronenbeschuss in weitere radioaktive Isotope zerfällt. Bei der Uranspaltung wird die Energie frei, die das Ziel der ganzen Mühe ist.

Ein typischer Flüssigsalzreaktor ist nur im eigentlichen Reaktorkern mit der nötigen Moderatorsubstanz versehen, die nötig ist, um eine Kettenreaktion auszulösen. Jeder Kernreaktor braucht diesen Moderator, der die frei werdenden Neutronen bei der Kernspaltung bremst. Denn zu schnelle Neutronen flitzen an den zu spaltenden Atomkernen vorbei, nur gebremste Neutronen eigenen sich für die Kernspaltung. Beim Zerfall entstehen Neutronen, die zu schnell sind, um eine Kettenreaktion zu ermöglichen. Jeder Reaktor enthält daher einen Moderator; auch herkömmliche Typen wie der Druckwasserreaktor.

Die Mixtur aus geschmolzenem Salz und Thorium wird nun durch den Kern gepumpt. Die Reaktion läuft immer an den Stellen an, wo der Moderator wirkt. Die Substanz wird heiß. Außerhalb des Kerns gibt sie die Hitze an Dampferzeuger und Turbinen ab, die Strom erzeugen. Die Abkühlung erfolgt durch eine Kühlanlage, die mit selbst erzeugtem Strom betrieben wird. Daher ist auch ein Standort ohne Fluss oder Meer in der Nähe geeignet.

Der Brennstoff ist bereits geschmolzen: Kernschmelze unmöglich

So ein Reaktor ist dennoch nicht auf Stromversorgung und das Funktionieren technischer Systeme angewiesen, um einen Unfall zu verhindern. Zur Kühlung des umlaufenden Reaktormediums dient ein riesiger Block aus gefrorenem Salz. Wenn die Salz-Thorium-Mischung hier durchfließt, kühlt das Eis sie gerade so weit herunter, dass sie für den nächsten Durchlauf bereit ist. Auch wenn alle Pumpen ausfallen, kühlt das Eis die Flüssigkeit weiter und taut dabei auf. Eine “Kernschmelze” ist derweil unmöglich – schließlich ist das Reaktormaterial bereits geschmolzen. Ein Aufheizen auf den Punkt, wo das Salz verdampft und explosiven Druck aufbaut, gilt als rechnerisch unmöglich.

Wie beim Kugelhaufen-Hochtemperaturreaktor liegt diesem chinesischen Entwurf eine ältere Idee zugrunde, die in Europa beziehungsweise Amerika verworfen wurde. In den Sechzigerjahren hatten die USA bereits einen Salzmeiler im Testbetrieb. Damals war noch Uran der Brennstoff, nicht Thorium. Die Idee wurde jedoch nicht in den kommerziellen Einsatz überführt. Denn den Vorteilen steht eben eine Reihe von Nachteilen gegenüber:

  • Es ist nicht einfach, eine mehrere Hundert Grad heiße Flüssigkeit mit Pumpen umzuwälzen. Die Ingenieure in China mussten sich zahlreiche neue Lösungen ausdenken.
  • Es gibt zwar erhebliche Erfahrung mit all den verschiedenen wassergekühlten Reaktortypen, aber Salz ist hier Neuland. Neue Verfahren bringen auch neue Probleme und Risiken, die sich hier erst in der Praxis zeigen müssen.
  • Vom Versuchskraftwerk bis zum Bau eines funktionierenden Serienmodells sind erhebliche Investitionen und viel Zeit nötig.

In den USA erschien die Salz-Thorium-Technik seinerzeit zu teuer, das Land setzte stattdessen auf schnelle Brüter, die eine höhere Ausbeute von Uranbrennstoff versprachen.

Weitere Nachteile verschiedener Typen von Flüssigsalzreaktoren hängen von der genauen technischen Ausführung ab. Eines ist aber sicher: Chinas Reaktor wird zu einem “Prüfstand, von dem man viel lernen wird”, wie Charles Forsberg, Experte für Nukleartechnik am renommierten US-Uni Massachusetts Institute of Technology (MIT) der Wissenschaftszeitschrift Nature sagt.

Auch in Deutschland gab es Gedankenspiele rund um geschmolzenes Salz und Thorium. Doch im Vergleich zu Siede- und Druckwasserreaktoren erschien der Aufbau selbst den Physikern in den 1970er-Jahren als zu kompliziert. Rudolf Schulten, Professor für Reaktortechnik in Aachen, nannte den “Schmelzsalzreaktor” einen “Greuel”. Schulten bevorzugte das übersichtlichere Konzept eines Kugelhaufenreaktors, der schließlich in Hamm-Uentrop gebaut wurde.

Nicht perfekt, aber möglicherweise sehr nützlich

Doch die Lage ist heute eine andere als damals. Energie ist generell teurer geworden, sodass hohe Kosten für den Kraftwerksentwurf eine geringere Rolle spielen. Damals herrschte die Vorstellung vor, Kernkraftwerke zu einer günstigen Massentechnik zu machen. Nach Tschernobyl und Fukushima, die beide nur aus Kostenerwägungen in ihren jeweiligen unsicheren Bauformen betrieben wurden, gilt ein höherer Preis für mehr Sicherheit als gutes Geschäft. Auch der Blick auf die Uranvorkommen ist heute in Hinblick auf den enorm steigenden Strombedarf einer wachsenden, hochgradig technisierten Menschheit ein anderer. China erreicht den Punkt der Klimawende zudem als Wachstumsland. Deutschland kann eher auf Einsparungen setzen.

Der Flüssigsalzreaktor ist jedoch nicht die perfekte Lösung für alle Energieprobleme, als die ihn seine Fans darstellen. Er teilt stattdessen eine Reihe von bekannten Problemen mit allen Atommeilern:

  • Der Brennstoff ist hoch radioaktiv. Lecks, Terroranschläge, Naturkatastrophen oder völlig unvorhergesehene Störfälle führen genauso zu Verseuchung wie bei allen anderen Reaktortypen.
  • Entgegen oft wiederholten Behauptungen lässt sich auch aus den Uranisotopen, die im Flüssigsalzreaktor entstehen, Material für Waffen gewinnen. Es sind bloß weitere Zwischenschritte nötig und ist teurer.
  • Es entsteht zwar weniger Atommüll, weil der Reaktor den Brennstoff bis auf konzentrierte Reste aussaugt. Aber es bleibt im Massenbetrieb eben doch ein Abfall übrig. Diesen Nachteil wird die Kernkraft immer gegenüber erneuerbaren Energiequellen haben.
  • Die abgebrannten Brennstoffe, also die Isotope am Ende der Zerfallskette, sind aus dem Salz nur mit besonderer Technik wieder herauszubekommen. Es müssen neue Aufbereitungsanlagen speziell für den neuen Reaktortyp her.

Alle diese Argumente werden Chinas Kerntechnikbehörden abgewogen haben. Angesichts einer massiven Versorgungslücke beim Ausstieg aus der Kohle prüfen sie aber derzeit ganz verschiedene neue Wege zur Stromerzeugung und sind dabei für viele Ideen offen. Es ist durchaus nicht sicher, dass der Schmelzsalzreaktor das Rennen macht. Er könnte aber auf jeden Fall eine Technik für die westchinesischen Wüstenregionen sein, in denen Kühlung durch Fluss- oder Meerwasser nicht möglich ist.

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HNA: Aufstieg, Fall – und Wiederaufstieg?

HNA in Insolvenz-Fall geht in die nächste Runde
Beteiligungen im Zwielicht: HNA-Logo am Terminalgebäude des Flughafens Hahn

Zwei Top-Manager der HNA Group – der Gründer und ehemalige Vorsitzende Chen Feng sowie der ehemalige Geschäftsführer Adam Tan Xiangdong – wurden am vergangenen Freitag von der chinesischen Polizei festgenommen (China.Table berichtete). Die Verhaftung aufgrund “nicht näher erläuterter Verbrechen” folgt nur eine Woche auf die Ankündigung, dass das HNA-Konglomerat nach seiner Insolvenzrestrukturierung in vier separate Unternehmen zerlegt werden soll. Auf Basis eines am 18. September vorgestellten Umstrukturierungsplan wird jede Einheit nun unabhängig in den Bereichen Luftfahrt, Flughafenbetrieb, Finanzen und Gewerbe agieren.

Alle bestehenden Aktionäre, einschließlich des größten Aktionärs, der Hainan Cihang Charity Foundation, werden nach der Umgestaltung keine Anteile mehr an dem Unternehmen halten. “Die Beteiligung bestehender Aktionäre wird vernichtet, eine Praxis, die den Marktregeln und den gesetzlichen Verpflichtungen der Insolvenzrestrukturierung folgt”, erklärt Gu Gang, Vorstandsvorsitzender und Leiter des Arbeitsausschusses, der nun für die Entflechtung der Geschäfte der Gruppe verantwortlich ist. “Es ist die Verantwortung, die die Aktionäre tragen müssen und das Ergebnis des rücksichtslosen Wachstums eines Privatunternehmens.”

Um den Umbau zu unterstützen, erhält HNA Investitionen in Höhe von 38 Milliarden Yuan (sechs Milliarden US-Dollar) von verschiedenen Geldgebern. Etwa 25 Milliarden Yuan gehen an das Flaggschiff Hainan Airlines, um den Cashflow wieder aufzufüllen. Anfang dieses Monats wurde die staatlich kontrollierte Liaoning Fangda Group Industrial Co. ein strategischer Investor. Ein weiteres staatliches Unternehmen, Hainan Development Holdings Co. Ltd., kündigte Anfang dieses Monats ebenfalls Pläne an, sich an der Flughafeneinheit der HNA zu beteiligen.

Die Restrukturierung sei durch die Verhaftung der beiden Manager nicht gefährdet, teilte die HNA Group in einer Erklärung auf ihrem offiziellen WeChat-Konto mit: “Die HNA Group und ihre Mitgliedsunternehmen arbeiten stabil und geordnet. Die Insolvenzrestrukturierung des Unternehmens verläuft reibungslos und seine Produktion und sein Betrieb werden nicht beeinträchtigt.” Das politische Ziel ist also klar: Machtübernahme, Umstrukturierung, ohne die aussichtsreichen marktwirtschaftlichen Geschäftsmodelle zu beschädigen.

Elf Unternehmen des Mischkonzerns haben am zu Wochenbeginn eine Gläubigerversammlung abgehalten. Im Rahmen des dabei vorgelegten Plans werden die elf Gesellschaften als Gruppe reorganisiert. Die meisten Verbindlichkeiten werden über Debt-to-Equity-Swaps bedient, also den Tausch von Schulden in Firmenanteile. Kleinst-Gläubiger, deren Ansprüche nicht mehr als 15.465 US-Dollar betragen, werden vollständig ausbezahlt. Alle Schulden, die diesen Betrag übersteigen, werden teilweise von HNA und anderen Parteien und teilweise in Aktien von Hainan Airlines beglichen. 

Die Aktien von Hainan Airlines stiegen nach Bekanntgabe der Umstrukturierungs-Updates am Montag um bis zu fünf Prozent – ihr für den Tag zulässiges Höchstniveau. Die Investoren honorieren die Umstrukturierung. Seit Mai hat sich der Wert der Aktie fast verdoppelt. Es fehlt aber noch ein Drittel des Wertes, um auf das Plateau zu kommen, auf dem sich der Kurs zwischen 2016 und 2018 bewegt hat. Die Verbindlichkeiten von Hainan Airlines, für die das Unternehmen Zinsen zahlen muss, belaufen sich dann nach der Restrukturierung auf 60 Milliarden Yuan (7,9 Milliarden Euro) bei Assets von 170 Milliarden (22,5 Milliarden). Also ein Schuldenstand, der für ein Unternehmen grundsätzlich kein Problem sein sollte.

Das große Problem ist dagegen: Es ist noch nicht klar, wann die Airline nach der Coronakrise wieder normal fliegen kann. Die Aufsichtsbehörden gehen davon aus, dass alle chinesischen Airlines erst Mitte nächsten Jahres ihren internationalen Flugbetrieb aufnehmen können. So lange werden weiterhin hohe Verluste eingefahren. Dabei ist die Fluglinie ein Schmuckstück der chinesischen Unternehmenswelt. Auch 2021 gehört Hainan Airlines in dem renommierten britischen Skytrax-Ranking mit einem Platz 9 (2019 Platz 8) weiterhin zu den zehn besten Fluggesellschaften der Welt, wo sie sich bereits seit 2017 befindet. Die einzige westliche Airline, die es in diesem Jahr in den Top 10 geschafft hat, ist Air France auf Platz 10. Lufthansa ist hingegen auf Platz 13 abgerutscht.  

Niedergang eines Imperiums

Die Verhaftung der beiden Manager markiert das Schlusskapitel eines Unternehmens, das wie kein anderes Chinas wirtschaftliche Hinwendung zur Welt verkörperte. Mit nur einer Handvoll Flugzeugen und einem Grundkapital von zehn Millionen Yuan (1,5 Millionen US-Dollar) flog die Airline in den Anfangstagen in den frühen 90er-Jahren vor allem russische Touristen in Richtung Hainan, der einzigen tropischen Insel Chinas. Einer der frühen Unterstützer war der amerikanische Finanzier George Soros. Er investierte 1995 erstmals 25 Millionen US-Dollar. Ein Coup für die kleine regionale Airline und vielleicht mit ein Grund, warum sie sich den Höhenflug zutraute.

In den folgenden drei Jahrzehnten entwickelte sich HNA von einer regionalen Fluggesellschaft zu einem der größten Privatunternehmen Chinas. Es gehörte einer Stiftung in New York, was Peking sehr störte. Ein Großteil des durch Bankkredite angetrieben Wachstums fand nach 2010 statt. Chen wollte HNA unbedingt in die Liste der Fortune-100-Unternehmen bringen. Bis 2017 war der Konzern immerhin bis auf den 170. Platz geklettert. Bis Ende 2017 war das Vermögen des Unternehmens auf 1,23 Billionen Yuan (190 Milliarden US-Dollar) gestiegen.

Die Gesamtverschuldung betrug da jedoch schon 740 Milliarden Yuan (115 Milliarden US-Dollar). Investiert war das Geld unter anderem in Beteiligungen an der Deutschen Bank, Hilton Hotels und Resorts auf der ganzen Welt sowie Landparzellen auf dem ehemaligen Flughafen Kai Tak in Hongkong. Mit dem Einbruch des bis dahin profitablen Flugbetriebs während der Covid-19-Epidemie geriet das Konglomerat, an dem zu Spitzenzeiten bis zu 410.000 Arbeitsplätze hingen, jedoch endgültig ins Schlingern. Um den Schuldenberg abzubauen, hatte HNA auch auf Druck aus Peking bereits ab 2018 Vermögenswerte wie das Flughafendienstleistungsunternehmen Swissport und den US-Elektronikhändler Ingram Micro veräußert. 

Vetternwirtschaft und Korruption

Einzelheiten zu den mutmaßlichen Verbrechen, die die beiden Führungskräfte begangen haben sollen, wurden von der Polizei nicht bekannt gegeben. Laut dem chinesischen Wirtschaftsmagazin Caixin sollen der im Sommer 2018 bei einem Sturz von einer Mauer verunglückte Gründer Wang Jian in großem Umfang Vetternwirtschaft betrieben haben. Wang und mehrere andere leitende Angestellte sollen Firmen besessen haben, die von Familienmitgliedern kontrolliert wurden. Diese Firmen erhielten dann offenbar Aufträge aus dem Konzern.

So waren Chens und Wangs Brüder an Luftfahrtmaterialgeschäften beteiligt, die Lieferverträge mit HNA unterhielten. In den behördlichen Unterlagen von HNA wurden diese Verflechtungen nie vollständig offengelegt. Bereits Anfang des Jahres hatte das börsennotierte Unternehmen erklärt, dass “Anteilseigner und andere zugehörige Parteien” 62 Milliarden Yuan, umgerechnet knapp acht Milliarden Euro, veruntreut hätten. Zusätzlich seien Kreditgarantien in Höhe von 47 Milliarden, umgerechnet sechs Milliarden Euro, auf “nicht rechtskonforme Weise” vergeben worden.

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Olympische Winterspiele ohne Fans aus dem Ausland

Fans aus dem Ausland können die Sportlerinnen und Sportler bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking nicht anfeuern: Tickets für die Winterspiele werden nur an Zuschauer vom chinesischen Festland verkauft, wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Mittwoch mitteilte. Ungeimpfte Athleten müssen demnach 21 Tage vor den Spielen in Quarantäne. Die Organisatoren der Spiele in Peking hatten der Mitteilung zufolge den Exekutivrat des IOC über die Grundsätze im Rahmen der Corona-Maßnahmen informiert, um “sichere und erfolgreiche Olympische und Paralympische Winterspiele wie geplant” durchzuführen.

Das IOC begrüßte die Entscheidung, chinesische Zuschauer zuzulassen, nachdem die Olympischen Sommerspiele in Tokio in diesem Jahr vor leeren Rängen stattfinden mussten. Gleichzeitig habe man Verständnis für die Enttäuschung internationaler Fans, die nicht teilnehmen könnten, so das Komitee. Dass Zuschauer in die Stadien dürften, werde “das Wachstum des Wintersports in China fördern” und eine positive Atmosphäre in die Austragungsorte bringen, so das IOC.

Die Organisation der Spiele in Peking sehe vor, dass alle vollständig geimpften Teilnehmer sofort nach ihrer Ankunft in ein sogenanntes “geschlossenes Managementsystem” eintreten, in dem sie sich frei bewegen können. Für die geimpften Teilnehmenden fällt demnach keine Quarantäne an. Das geschlossene System soll dem IOC zufolge alle spielbezogenen Bereiche wie die Stadien sowie Unterkünfte, Verpflegungsbereiche und die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie abdecken, erklärte das IOC. Alle Beteiligten sollen zudem täglich getestet werden. ari

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Unter Verdacht: BSI untersucht Xiaomi-Mobilgerät

Nach den Untersuchungen der litauischen Cyberabwehr vor Sicherheitslücken und eingebauten Zensurfunktionen in chinesischen Mobiltelefonen hat nun auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Prüfung eingeleitet. Das BSI führe derzeit eine technische Untersuchung eines Xiaomi-Mobilfunkgerätes durch, bestätigte die Behörde. Um welches Modell es sich genau handelte, gab das BSI nicht bekannt.

Bei der Untersuchung der litauischen Cybersicherheitsbehörde NCSC war ein Xiaomi-Smartphone aufgefallen, bei dem eine Software im Hintergrund lief, die aus Sicht der chinesischen Staats- und Parteiführung kritische Begriffe wie Demokratiebewegung zensierte. In dem Bericht wurden drei konkrete Smartphone-Modelle analysiert: Das Huawei P40 5G, das Xiaomi Mi 10T 5G sowie das OnePlus 8T 5G. Die schwersten Vorwürfe richtete das litauische Cybersicherheits-Zentrum gegen Xiaomi (China.Table berichtete).

Sollte die Untersuchung durch das BSI die Erkenntnisse der litauischen Kollegen stützen, könnte dies den derzeitigen Marktführer in Europa in große Probleme stürzen. Xiaomi hatte von den Debatten um Huawei und den US-Sanktionen gegen den chinesischen Konzern profitiert. 

Nach der Debatte um einen möglichen Ausschluss von Huawei und ZTE vom Aufbau europäischer 5G-Netze könnten nun auch die Endgeräte mit durch die Hersteller angepassten Android-Versionen in den Fokus der Debatte geraten. Xiaomi selbst hat nach eigenen Angaben eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben. fst

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CATL kauft Millenial Lithium

Mit dem Wandel weg vom Verbrennungsmotor und hin zum Elektromotor steigt auch die Nachfrage nach Lithium. Nun konnte Chinas größter Batteriehersteller CATL sich ein besonders begehrtes Abbaugebiet sichern. Für 377 Millionen kanadische Dollar (rund 250 Millionen Euro) übernimmt das chinesische Unternehmen das kanadische Bergbauunternehmen Millennial Lithium. Das entspricht einem Preis von 3,85 kanadischen Dollar pro Aktie.

Das Unternehmen hat sich damit im Bieterwettstreit mit Ganfeng Lithium durchgesetzt. Ganfeng hatte im Juli 3,60 Dollar je Aktie geboten, zog sich aber vor Kurzem aus dem Wettsteit zurück. Die Übernahme garantiere CATL eine langfristige Versorgung mit Lithium, teilte das Unternehmen mit. Der Batteriehersteller beliefert unter anderem Tesla und Volkswagen mit Lithium für Batterien, die bei E-Fahrzeugen zum Einsatz kommen. flee

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Geely will Smartphones herstellen

Der Gründer des chinesischen Autobauers Geely, Li Shufu, will ins Smartphonegeschäft einsteigen. Laut einem Memo, das Reuters vorliegt, wollen Li und andere Investoren in das Vorhaben rund 1,5 Milliarden US-Dollar investieren. Bereits 2023 soll das neu gegründete Unternehmen Xingji Shidai das erste Premium-Smartphone auf den Markt bringen und schon im ersten Jahr drei Millionen Geräte verkaufen. Firmensitz soll Wuhan sein.

Lis Firmengruppe wäre damit der erste Fahrzeughersteller, der auch Smartphones anbietet. “Es gibt eine enge Verbindung von Technologien innerhalb intelligenter Fahrzeug-Cockpits und Smartphone-Softwaretechnologien”, sagte Li. Umgekehrt haben Telekommunikationsunternehmen wie Xiaomi und Huawei angekündigt, künftig mehr auf das Autogeschäft zu setzen (China.Table berichtete). Li ist bekannt für seine waghalsigen Investitionen. Zuletzt hatte Li in den Velocopter, einem Flugtaxi investiert (China.Table berichtete). niw

  • Autoindustrie

Tesla Shanghai überwindet Chip-Mangel

Die neue Tesla-Großfabrik in Shanghai wird von Januar bis Ende September rund 300.000 Autos hergestellt haben. Das berichtet das Fachmagazin Automotive News. Die Zahl gilt als hoch und liegt bereits auf Augenhöhe mit dem Ausstoß großer Daimler-Werke wie dem in Bremen und dem in Peking. Damit scheint das Unternehmen Wege gefunden zu haben, mit dem globalen Mangel an Mikrochips umzugehen. Autos von Tesla sind besonders digital und benötigen leistungsfähige Prozessoren. Am Standort Shanghai produziert das Unternehmen auch für den Export unter anderem nach Deutschland. Das Unternehmen stellt hier das Model 3 und das Model Y her. fin

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Peking blockiert Taiwans CPTPP-Antrag

Peking will Taiwans Bestreben, dem transpazifischen Handelsabkommen CPTPP beizutreten, einen Riegel vorschieben. “Taiwans Beitritt zu einer regionalen Wirtschaftskooperation muss auf dem Ein-China-Prinzip basieren. Nach einem solchen Prinzip ist Chinas Taiwan der WTO mit einer angemessenen Vereinbarung beigetreten”, sagte die Sprecherin des chinesischen Büros für Taiwan-Angelegenheiten, Zhu Fenglian, am Mittwoch, als sie nach Taiwans jüngstem Antrag zum pazifischen Handelsbündnis Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) gefragt wurde.

Das Beitrittsgesuch aus Taipei kommt nur wenige Tage, nachdem Peking selbst einen Antrag auf Mitgliedschaft übermittelt hat (China.Table berichtet). Das CPTPP wurde 2018 als Antwort auf den Austritt der USA aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP ins Leben gerufen und basiert ursprünglich auf der Idee, auf China Druck auszuüben. Die bisherigen Mitgliedsländer wie Japan und Australien sind daher auch tendenziell dagegen, China aufzunehmen. Umgekehrt wird Taiwans Bestreben von Japan unterstützt (China.Table berichtete).

Gemeinsam kommen die CPTPP-Mitglieder auf 13 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Mit China im Abkommen würde sich dieser Wert auf fast 28 Prozent erhöhen. Auch Großbritannien ist an einem Beitritt interessiert, um die Folgen des Brexits abzumildern. niw

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Studie: BRI-Länder höher verschuldet als von China gemeldet

Chinas Belt and Road Initiative (BRI) hat bei Dutzenden von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen “versteckte Schulden” in Höhe von insgesamt 385 Milliarden US-Dollar verursacht. Im Zusammenhang mit BRI-Projekten wurden die finanziellen Verbindlichkeiten vieler Länder seit Jahren systematisch unterbewertet und haben zu steigenden “versteckten Schulden” oder nicht offengelegten Verbindlichkeiten geführt, zu deren Zahlung Regierungen möglicherweise verpflichtet sind. Dies ergab eine neue Untersuchung von AidData, einem Forschungsinstitut am College of William & Mary in den USA. “Wir haben herausgefunden, dass die Schuldenlast gegenüber China wesentlich höher ist, als das Forschungsinstituten, Ratingagenturen oder zwischenstaatlichen Organisationen mit Überwachungsaufgaben bisher bekannt war”, so die Autoren der Studie.

AidData hat dafür die Entwicklungsprojekte von 95 Geberländern und -organisationen seit 1945 zusammengeführt und dabei festgestellt, dass China seit Beginn dieses Jahrhunderts massiv bei Finanzierungen von Entwicklungsprojekten aufgeholt und die USA und andere westliche Nationen mittlerweile klar überholt hat. Mehr als 40 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC) haben nach Schätzungen von AidData inzwischen ein Schuldenengagement gegenüber China von mehr als zehn Prozent ihres nationalen Bruttoinlandsprodukts. Und die durchschnittliche Regierung meldet ihre Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber China um fast sechs Prozent des BIP niedriger, so die Forscher.

Die Forscher warnen vor allem vor Intransparenz der Verpflichtungen. “Diese Schulden erscheinen größtenteils nicht in den Staatsbilanzen der Entwicklungsländer. Entscheidend ist, dass die meisten von ihnen von expliziten oder impliziten Formen des Haftungsschutzes der Regierung des Gastlandes profitieren. Das verwischt im Grunde die Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Verschuldung”, sagte Brad Parks, Executive Director des AidData-Teams, der Financial Times. niw

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Presseschau

Abortion pledge adds to scepticism over women’s rights in China THE GUARDIAN
Hong Kong’s ‘BBC’ ordered to support China national security INDEPENDENT
Beijing Olympics to Limit Spectators to Those in Mainland China BLOOMBERG
Evergrande sells $1.5bn bank stake to state-owned enterprise FT (PAY)
China’s new aircraft carrier underlines need for the Aukus pact THE GUARDIAN
US-China business: the necessary reinvention of Huawei FT (PAY)
China’s top health authority eyes COVID-19 booster policies for key groups GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
Kohleversorgung gefährdet: China versucht Energie-Krise abzuwenden N-TV
Nie wieder Hunger in China: Was der Staat dafür tut, dass alle genug zu essen haben RND
Abtreibungen in China: “Da sollte sich der Staat nicht einmischen” FAZ

Portrait

Annette Schavan: “Europa sollte Tacheles reden”

Annette Schavan, seit 2019 Co-Vorsitzende des deutsch-chinesischen Dialogforums.
Annette Schavan, seit 2019 Co-Vorsitzende des deutsch-chinesischen Dialogforums.

Annette Schavan hat gerade keinen einfachen Job: Sie ist Vorsitzende des deutsch-chinesischen Dialogforums – in einer Zeit, in der es eigentlich kaum noch Dialog gibt. Zuletzt tagte das Plenum, mit seinen 16 Mitgliedern auf deutscher und 16 auf chinesischer Seite, in der ostchinesischen Hafenstadt Qingdao. Das ist inzwischen zwei Jahre her. Heute beschränkt sich der Austausch auf Telefonate. “Das ist ein bisschen wie Schwimmen ohne Wasser”, klagt Schavan von Ulm aus, wo sie lebt.

Jetzt, 16 Jahre nachdem sie das erste Mal in China war, ballen sich die Konfliktthemen: die Menschenrechtsverstöße an muslimischen Minderheiten wie den Uiguren, die Taiwan-Frage, das gestoppte Investitionsabkommen CAI, die wechselseitigen Sanktionen. Die Pandemie hat die diplomatische Krise noch einmal verschärft. Wie es jetzt weitergehen soll? Der Dialog müsse über wirtschaftliche Interessen hinausgehen, die Beziehungen nicht bei Zahlen enden. “Europa sollte selbstbewusst auftreten und Tacheles reden”, rät Schavan.

Annette Schavan als Bildungsministerin erstmals in China

Annette Schavan selbst beschäftigt sich erst seit ihrer Zeit als Politikerin mit China. Nach dem Abitur studiert sie zunächst Erziehungswissenschaften, Philosophie und katholische Theologie in Düsseldorf. Ihr Studium schließt sie direkt mit einer rund 350 Seiten langen Dissertation ab. Da ist Schavan gerade einmal 25 Jahre alt. Anschließend macht sie in der CDU Karriere. Mit 32 wird sie Geschäftsführerin der Frauen-Union und 1995 in Baden-Württemberg als Kultusministerin vereidigt. Zehn Jahre später ist sie Bundesbildungsministerin.

Diplomatische Krisen mit China hat sie in dieser Zeit bereits miterlebt, etwa im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 in Peking. Damals demonstrieren buddhistische Mönche im tibetischen Lhasa für die Unabhängigkeit ihres Landes, es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, mindestens 80 Menschen sterben. Und Schavan? Als erste deutsche Ministerin reist sie während der Tibet-Krise durch China. “Tacheles redet sie damals nicht. Das Wort “Menschenrechte“, das lässt sich in einem älteren Medienbericht nachlesen, kommt ihr vor der Presse jedenfalls nicht über die Lippen.

Zeugin eines rasanten Aufstiegs

Stattdessen geht es um die Wissenschaftsbeziehungen beider Länder. “Die habe ich immer priorisiert”, sagt Schavan rückblickend. Forschung und Entwicklung, neue Hochschulkooperationen, eine bessere Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung, das waren die bestimmenden Themen ihrer China-Reisen. “Damals hieß es, das Land hat große Pläne, aber eine ernstzunehmende Konkurrenz für Europa oder die USA werde es nicht. China würde die nötige Innovationskraft dafür fehlen“, erinnert sich Annette Schavan. Sie erlebt das anders. 2006 besucht sie eine Forschungsfabrik an der Tongji-Universität in Shanghai. Es geht um Elektrobatterien. Vier Jahre später rollt sie im E-Bus über das Expo-Gelände der Weltausstellung in Shanghai.

Vor Ort bewundert sie, mit welcher Konsequenz und mit welchem Selbstbewusstsein technologische Entscheidungen vorangetrieben werden und erlebt ein großes Interesse an den deutschen Exzellenzinitiativen. Zu ihrem späteren chinesischen Amtskollegen, dem Wissenschaftsminister Wan Gang, pflegt sie schnell ein gutes Verhältnis, man ist per Du. Den früheren Entwicklungschef von Audi bezeichnet sie als einen “echten Brückenbauer”. Nach den offiziellen Terminen geht sie in Kunstgalerien, schaut sich expressive Arbeiten an, die so gar nicht in ihr Bild von den zurückhaltenden und disziplinierten Chinesen passen wollen. “Das war ein Versuch, zu verstehen, was die chinesischen Eliten jenseits des Politsprechs beeinflusst”, sagt sie.

Gastprofessur in Shanghai

Bei einer ihrer Dienstreisen in Südafrika erfährt sie, dass die Heinrich-Heine-Universität ein Verfahren wegen ihrer Dissertation eingeleitet hat. Der Fall Schavan spaltet die Wissenschaftsgemeinschaft in jene, die sie laut unterstützen – und in jene, die sie laut beschimpfen. Schließlich erkennt ihr die Uni Düsseldorf den “Dr. phil.” ab. Schavan wehrt sich und zieht vor das Düsseldorfer Verwaltungsgericht. Ihre Klage wird abgewiesen, sie tritt zurück. Merkel würdigt Schavan damals als “die anerkannteste und profiliertestes Bildungspolitikerin unseres Landes”. In einem Kommentar zum Rücktritt heißt es, sie sei eine “unprätentiöse” Politikerin gewesen, eine “ohne viel Tamtam”.

Danach zieht Schavan sich zurück. Sie übernimmt eine Gastprofessur an der Shanghai International Studies University. Schließlich tauscht sie Bildungs- mit Religionspolitik und wird für vier Jahre Botschafterin am Heiligen Stuhl im Vatikan. China bleibt unterdessen jedoch ebenfalls eines ihrer Themen. In Schavans Zeit als Botschafterin fällt das neue Abkommen zwischen China und dem Vatikan. Bis dahin hatte der Vatikan die chinesischen Bischöfe nur teilweise anerkannt. Denn diese waren durchweg von der Partei ausgesucht und nicht vom Heiligen Stuhl ernannt.

Schavan verteidigt den Vorstoß von damals: “Religionsfreiheit ist kein Nischenthema. Trotzdem können dem Vatikan die Millionen Christen, die in China leben, nicht egal sein.” Sie selbst befürwortet die innerkirchliche Graswurzelbewegung “Maria 2.0”, kritisiert die langsame Aufklärung der Missbrauchsskandale und plädiert für einen “liberalen Katholizismus”. Von religiösem Liberalismus ist das autoritär regierte China derweil weit entfernt. Die Partei will über das Denken bestimmen und duldet keine Lehre, die ihr die Macht streitig machen könnte.

Mehr China- und Deutschland-Kompetenz statt entkoppeln

Schavan erinnert sich noch an eine andere Zeit. An eine, in der es mehr als 50 Dialogforen mit China gegeben hat. “Damals herrschte Aufbruchstimmung. Alle hofften, das Land öffne sich”, sagt sie. Noch immer telefoniert sie regelmäßig mit ihrem früheren Amtskollegen Wan Gang – er ist inzwischen Co-Vorsitzender des Dialogforums auf chinesischer Seite und stellvertretender Vorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes. Gemeinsam wollen sie den Austausch intensivieren: Sie wollen eine Junge Akademie sowie eine Kooperation zwischen einer deutschen und einer chinesischen Fernuniversität für eine gemeinsame Open University aufbauen.

“Wissenschaft ist die Diplomatie des Vertrauens”, erklärt Annette Schavan. So sei 1959 bereits eine Delegation der Max-Planck-Gesellschaft nach Israel gefahren, als deutsche Politiker dort noch nicht willkommen waren. Nach Deutschland kommt aus China erst einmal keiner: Die Regierungskonsultationen im April fanden, coronabedingt, per Video statt (China.Table berichtete). Eigentlich sollte das Dialogforum in Stuttgart nachgeholt werden. Wann das sein wird, weiß allerdings noch keiner. Pauline Schinkels

  • Geopolitik

Personalien

Gokul Laroia (55) wird alleiniger CEO von Morgan Stanley im asiatisch-pazifischen Raum. Laroia fing 1995 in Indien bei Morgan Stanley an und arbeitete für die Bank seitdem in Mumbai, New York und Singapur sowie in Hongkong, wo er den Großteil seiner Karriere verbrachte. Er ist nicht nur Co-CEO für die Region, sondern auch Co-Head of Global Equities. Er ist einer der wenigen leitenden Führungskräfte, die Unternehmen in den Bereichen Investmentbanking, Aktien- und Vermögensverwaltung in mehreren asiatischen Märkten geleitet haben. Morgan Stanley Asia erzielte im Jahr 2020 einen Rekordumsatz von 6,75 Milliarden US-Dollar – ein Anstieg von 32 Prozent gegenüber 2019.

Wei Sun Christianson (65), bisher CEO von Morgan Stanley China, wird Ende dieses Jahres aus der Bank ausscheiden, nachdem er fast zwei Jahrzehnte dort gearbeitet hat. Christianson ist eine der einflussreichsten asiatischen Frauen im globalen Finanzwesen und war maßgeblich daran beteiligt, der in New York ansässigen Bank beim Durchbruch auf dem chinesischen Markt zu helfen. So hat sie Morgan Stanley während der Finanzkrise 2008 zu einer Investition des chinesischen Staatsfonds China Investment Corp. in Höhe von über fünf Milliarden Dollar verholfen. Sie ist seit 2006 China-CEO von Morgan Stanley und seit 2011 Co-CEO für Asien-Pazifik. In Peking geboren, ging sie in den 1980er-Jahren zum Studium in die USA und schloss ihr Studium am Amherst College 1985 mit Auszeichnung ab.

  • Banken

Dessert

Rechtzeitig zum Nationalfeiertag am 1. Oktober dürfen die Blumendekorationen wie hier auf dem Tiananmen-Platz nicht fehlen. Die Farbe der Blumen ist selbstverständlich symbolisch bedeutsam. Rot steht für Glück und Freude und gelb steht für Macht. So ist gelb lange eine Farbe gewesen, die nur von Kaisern in China getragen werden durften. Jetzt schmückt sich die KP damit.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Energieplan gegen Stromausfälle und Abschaltungen
    • Flüssigsalzreaktor soll sichere, saubere Energie liefern
    • Die Chancen von HNA nach der Zerschlagung
    • IOC: Keine ausländischen Besucher für Winterspiele in Peking
    • Bundesregierung lässt Xiaomi-Handy untersuchen
    • CATL kauft Millenial Lithium
    • Geely will Smartphones herstellen
    • Tesla Shanghai überwindet Chip-Mangel
    • Peking blockiert Taiwans CPTPP-Antrag
    • Seidenstraßen-Länder sind bei China hoch verschuldet
    • Annette Schavan: “Europa sollte Tacheles reden”
    • Personalrotation bei Morgan Stanley in Asien
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Wir beschäftigen uns heute intensiv mit den drängenden Problemen der chinesischen Energiewirtschaft – und möglichen Lösungen. In vielen Regionen gehen derzeit die Lichter aus und stehen die Bänder still, weil die Kohlestromproduktion an Klima-Grenzen stößt. Christiane Kühl hat dazu den neuen Bericht der Internationalen Energieagentur durchgearbeitet. Er entwirft einen Stufenplan zum Kohleausstieg bei Wahrung der Energiesicherheit. Außerdem sehen wir uns die Chancen und Risiken einer neuen Reaktortechnik an. Der Schmelzsalzreaktor verbrennt preiswertes Thorium und soll besonders sicher sein. China setzt große Hoffnungen auf einen experimentellen Meiler am Rande der Wüste Gobi.

    Schon 2017 warnte Chinas Regierung vor “irrationalen Auslandsinvestitionen” der eigenen Konzerne. Adressat war damals auch die Tourismusgruppe HNA. Sie hatte allein in Deutschland den Flughafen Hahn übernommen und sich an der Deutschen Bank beteiligt. Inzwischen hat die Irrationalität in die Insolvenz geführt. Doch damit ist die HNA-Story nicht zu Ende, analysiert Frank Sieren. Das Konglomerat ist zerschlagen, doch die einzelnen Geschäftsbereiche wirken zum Teil durchaus überlebensfähig. Das gilt insbesondere für die Fluglinie Hainan Airlines, die viel Anerkennung für guten Service und Sicherheit einheimst.

    Schon die Olympischen Spiele in Tokio wirkten wegen der fehlenden Zuschauer etwas traurig. Die Corona-Lage zwingt nun Peking dazu, bei den Winterspielen im Februar zumindest auf Gäste aus dem Ausland zu verzichten; nur Einheimische dürfen in den Stadien zusehen. Jedes andere Vorgehen stände im Widerspruch zu den strengen Einreiseregeln der vergangenen anderthalb Jahre und wäre kaum vermittelbar. Alle Vergleiche mit dem fröhlichen Sommerfest von 2008 haben sich damit endgültig erledigt.

    Im Portrait blicken wir auf Annette Schavan, einst Bildungsministerin, jetzt Co-Vorsitzende des deutsch-chinesischen Dialogforums. Der Dialog ohne persönliche Treffen sei derzeit allerdings “wie Schwimmen ohne Wasser”, erklärt die profilierte Politikerin.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Fahrplan zur Klimaneutralität

    Die Schlagzeilen in China drehen sich derzeit um Rationierung von Strom, Produktionsstopps und Stromausfälle. Die Probleme sind Teil der von Peking angeschobenen Energiewende, bei der sich offenbar noch einiges zurecht ruckeln muss. Wie der Übergang zur bis 2060 anvisierten Klimaneutralität gelingen kann, loteten jetzt Experten der Internationalen Energie-Agentaur (IEA) gemeinsam mit chinesischen Forschenden aus.

    Auf den horrenden Anstieg fossiler Energieträger der letzten Dekaden müsse nun ein ebensolcher Anstieg erneuerbarer Energien für die wachsende Stromerzeugung folgen, sagte IEA-Generaldirektor Fatih Birol am Mittwoch bei der Präsentation des Fahrplans zur Energiewende in China. Die Regierung will den Gipfel der Emissionen 2030 erreichen und bis 2060 klimaneutral werden, was in China “30/60-Ziel” genannt wird.

    Die Welt drängt Peking zu einem noch schnelleren Vorgehen, was die IEA für durchaus möglich hält. “China hat die Fähigkeit, die wirtschaftlichen Mittel und das politische Können, um den Höhepunkt früher zu erreichen – etwa in den mittleren 2020er-Jahren”, sagte Birol.

    China ist der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen, und der Energiesektor ist für 90 Prozent dieser Emissionen verantwortlich. Dazu gehört auch der Stromverbrauch energiefressender Schwerindustriebranchen wie Stahl, Zement oder Chemie. Die drei emittieren rund ein Drittel der chinesischen Treibhausgase. Die Volksrepublik produziert mehr als die Hälfte des weltweiten Stahls und Zements. “Die Provinz Hebei allein trug 2020 ganze 13 Prozent zur globalen Stahlproduktion bei”, sagte Timur Gül, Leiter der IEA-Abteilung für Energietechnologiepolitik und verantwortlicher Autor des Berichts. “Die Treibhausgas-Emissionen allein aus den Stahl- und Zementwerken Chinas sind höher als die gesamten Emissionen der EU.” Es sind Zahlen wie diese, die verdeutlichen, welche immense Rolle China beim Klimaschutz spielt.

    Auch deshalb widmete die IEA – die bereits 2020 einen globalen Fahrplan vorgestellt hatte – dem riesigen Land ihren ersten Landes-Fahrplan. “China allein kann nicht die Weltwirtschaft dekarbonisieren. Aber wenn es seine Ziele erfüllt, würde China die globalen Emissionen auf das Niveau der frühen 2000er-Jahre drücken”, sagte Gül. Wenn sonst alle Emissionen auf dem heutigen Niveau bleiben, wohlgemerkt.

    IEA: Solar ab 2045 die Nummer eins im Energiemix

    Im IEA-Szenario für die versprochenen Zusagen (Announced Pledges Scenario oder APS) wird ab 2045 die Fotovoltaik Nummer eins im Energiemix sein. Bis 2060 wird demnach die Nachfrage nach:

    • Kohle um 80 Prozent,
    • nach Öl um 60 Prozent und
    • nach Erdgas um 45 Prozent

    gesunken sein. Effizienzsteigerungen, neue Materialien und die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CCS) werden laut Gül einiges voranbringen. CCS, direkte CO2-Speicherung und negative Emissionen durch Bio-Energie könnten dann ab 2060 die letzten Emissionen neutralisieren, die etwa durch Schwerindustrie und Langstrecken-Frachttransporte entstehen. Für die Hälfte der Emissionsminderungen nach 2030 werde China auf Technologien setzen müssen, die noch nicht existieren, sagte Gül. Investitionen in Forschung und Innovation sind daher zwingend.

    Generell erfordert die Energiewende gewaltige Investitionen. Unter dem APS erwartet die IEA 2030 Investitionen von 640 Milliarden US-Dollar – zehn Prozent mehr als die Jahresinvestitionen heute. Das klingt machbar. Doch nach 2030 sollen die Emissionen sinken; der weitere Fortschritt wird schwieriger und teurer. Für 2060 erwartet die IEA 900 Milliarden US-Dollar, 60 Prozent mehr als heute. Der größte Anteil dieser Investitionen entfällt auf Veränderungen im Stromsektor und im Transport.

    Weltweit ist klar, dass durch die Elektrifizierung der Mobilität und ganzer Industriesektoren der Anteil des Stroms am Energiemix deutlich zunehmen wird. Auch deshalb muss der Ausbau erneuerbarer Energien auch in China stark beschleunigt werden. Für das IEA-Szenario eines beschleunigten Übergangs muss alles noch schneller gehen – man schrieb es auf, um Peking ein wenig zu ermutigen, denn die IEA hält auch einen früheren Emissions-Höhepunkt für realistisch.

    Stromkrise verdeutlicht Schwierigkeiten der Transformation

    Die aktuellen Probleme bei der Stromversorgung aber zeigen bereits, wie schwierig ein solcher Übergang ist – technologisch und politisch. In mehreren Regionen Chinas mussten Fabriken aufgrund strikter Stromverbrauchsziele die Produktion unterbrechen, anderswo erstreckten sich Rationierungen sogar auf Privathaushalte (China.Table berichtete). Entlang der Küste fiel mehrfach der Strom aus. China rief daher die Provinzregierungen am Mittwoch hastig dazu auf, die Versorgung von Kraftwerken mit Kohle erst einmal zu sichern. Es müsse garantiert werden, dass der Brennstoff im Falle eines Mangels rechtzeitig an die Kraftwerke gelange, teilte die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) mit. Es sollten “alle Anstrengungen” unternommen werden, um den Transport von Kohle zur Stromerzeugung und zum Heizen sicherzustellen.

    Kritiker der Energiewende gaben der Unbeständigkeit erneuerbarer Energien die Schuld an dem plötzlichen Strommangel. “Es gibt viele Stimmen, manche sind gegen die Klimaneutralität”, sagte Chai Qimin vom Klimawandel-Institut des Umweltministeriums. Gutes Management beim Übergang zur Klimaneutralität sei daher ein zentrales Thema. Demnächst werde China eine eigene Klimagesetzgebung auf den Weg bringen, kündigte Chai an. Es gehe um Regeln, Marktmechanismen und das sogenannte Klima-Mainstreaming. Damit sollen die Ziele in allen Bereichen verankert werden. Viele verschiedene Sektoren müssten miteinander kooperieren, so Chai.

    Diskutiert werden in China neben dem Geld viele Dinge, die auch bei uns eine Rolle spielen: Die Balance zwischen kurzfristigen und langfristigen Interessen, Laufzeiten von Fabriken und Kraftwerken oder Arbeitsplätze. Das wird bei der IEA-Präsentation deutlich.

    Klimaschutz-Debatte auch in China

    Insgesamt werde es durch die Energiewende in China einen Nettozuwachs an Arbeitsplätzen geben, erwartet Gül. “Aber Jobs im Kohleabbau oder in der Kohlewäsche gehen verloren, was ganze Gemeinden stark treffen kann. Neue Jobs werden nicht unbedingt dort entstehen, wo Arbeitsplätze verloren gehen.” Das sei eine Herausforderung, mit der China sich befassen müsse.

    Die Kohleprovinz Shanxi entwickelt laut Gül bereits Programme, um die Anpassung an die neue Energiewelt zu unterstützen. Pan Jiahua, Klima-Experte der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, sieht auch Vorteile der Transformation. Die fossil geprägte Industrie sei kapitalintensiv, viel Arbeit erfolge mechanisch. Bei der Umstellung etwa auf Solarenergie “gibt es in jedem Abschnitt der Produktionskette Jobs”, und das von den Menschen dort künftig verdiente Geld fließe in den Konsum und stärke damit die Wirtschaft.

    Eine zentrale Frage in China ist: Was tun mit der bestehenden Infrastruktur an Fabriken und Kraftwerken? Nach Prognosen der IEA werden viele von ihnen vor dem Ende der wirtschaftlich sinnvollen Laufzeiten heruntergefahren werden müssen. “Unser Inventar ist ziemlich jung, vieles wurde in den letzten zehn bis zwanzig Jahren gebaut”, sagte Zhang Qiang, Professor an der Peking Tsinghua-Universität. Daraus ergeben sich Restlaufzeiten von rund 30 Jahren. Die Transformation “müsse graduell ablaufen von dem leichteren hin zum schwierigeren Teil.” Ältere Kapazitäten in Gebieten mit sensibler Umwelt müssten früher vom Netz gehen, etwa in der Jing-Jin-Ji-Region um Peking, die seit vielen Jahren unter Wasserknappheit und schmutziger Luft leidet.

    Auch warnt Zhang: “Wir müssen hektische und blinde Investitionen in Industrien mit hohem Verbrauch zügeln.” China habe zwar zugesagt, im Ausland keine Kohlekraftwerke mehr zu bauen. “Doch mit der Zeit müssen wir definitiv auch aufhören, sie in China zu bauen.” Vielleicht weiß China ja bis zum Klimagipfel in Glasgow, wann es damit soweit ist.

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    Tests eines Flüssigsalzreaktors laufen an

    In China steht ein neuartiger Atommeiler kurz vor dem Testbetrieb: ein sogenannter Flüssigsalzreaktor. Hinter dem exotischen Namen verbirgt sich ein Typ von Reaktor, der mit dem Element Thorium betrieben wird und eine Reihe von Vorteilen gegenüber herkömmlichen Atommeilern bieten soll. Die Anlage im Industriepark Hongshagang im Kreis Minqin 民勤县 nördlich der Stadt Wuwei soll chinesischen Medienberichten zufolge in diesen Tagen ersten Strom erzeugen. Die örtlichen Behörden haben jedenfalls eine Inbetriebnahme im September in Aussicht gestellt.

    Noch handelt es sich um ein Experiment mit geringer Leistung. Falls sich das Konzept bewährt, könnte das Land Flüssigsalzreaktoren auch in Serie bauen. China kann schließlich jede Energiequelle brauchen, die sich aktivieren lässt. Selbst bei schnellem Ausbau von Wind und Sonne bleibt angesichts des schnell ansteigenden Stromverbrauchs eine Versorgungslücke. Dabei sinkt bisher nicht einmal die Zahl der Kohlekraftwerke. Bis zum Endpunkt der Aufgabe fossiler Brennstoffe 2060 bleibt so gesehen nicht viel Zeit, weitere Alternativen aufzutun. Auf den Flüssigsalzreaktor setzen die Ingenieure hier wegen einer Reihe von Besonderheiten große Hoffnung:

    • Die Flüssigsalzreaktoren sind aus Sicht der Ingenieure sicherer vor Unfällen als die bisher gebräuchlichen Modelle. Eine klassische Kernschmelze ist bei diesem Typ jedenfalls unmöglich.
    • Der Brennstoff Thorium ist etwa viermal häufiger in der Erde zu finden als Uran. Es ist daher billiger.
    • Da keine äußere Kühlung nötig ist, muss ein Flüssigsalzreaktor nicht an einem Fluss oder einer Küste stehen. Er eignet sich damit zum Betrieb an Inlandsstandorten – auch in Wüsten, wo kaum Menschen wohnen.
    • Es fällt weniger Müll an.

    Fluor-Salz bei 500 Grad Celsius

    In einem Flüssigsalzreaktor gibt es keine Brennelemente. Stattdessen zirkuliert der Brennstoff in einem Kreislauf durch den Reaktorkern. Das Binde- und Transportmittel dafür ist ein Salz. Das Wort Salz ist hier im Sinne der Chemiker zu verstehen; es handelt sich also nicht um Speisesalz, aber um eine die Chemikalie mit einem ähnlichen Aufbau. In China kommt eine Fluorverbindung zum Einsatz. Diese hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als Speisesalz. Eine typische Temperatur für das Reaktormedium im Betrieb liegt bei über 500 Grad Celsius. Das Salz ist bei dieser Temperatur so flüssig wie Wasser.

    Als Brennstoff wird dem geschmolzenen Salz das Thorium zugefügt. Das Thorium selbst ist nicht zur Kernspaltung fähig. Mit Neutronen beschossen, zerfällt es aber zu Uran, das von selbst weiter zerfällt und dabei neue Neutronen freisetzt. Diese können wiederum Thorium-Atome zerschießen. Dieser Vorgang setzt sich fort. So wird das Thorium nach und nach in Uran aufgespalten, das wiederum unter weiterem Neutronenbeschuss in weitere radioaktive Isotope zerfällt. Bei der Uranspaltung wird die Energie frei, die das Ziel der ganzen Mühe ist.

    Ein typischer Flüssigsalzreaktor ist nur im eigentlichen Reaktorkern mit der nötigen Moderatorsubstanz versehen, die nötig ist, um eine Kettenreaktion auszulösen. Jeder Kernreaktor braucht diesen Moderator, der die frei werdenden Neutronen bei der Kernspaltung bremst. Denn zu schnelle Neutronen flitzen an den zu spaltenden Atomkernen vorbei, nur gebremste Neutronen eigenen sich für die Kernspaltung. Beim Zerfall entstehen Neutronen, die zu schnell sind, um eine Kettenreaktion zu ermöglichen. Jeder Reaktor enthält daher einen Moderator; auch herkömmliche Typen wie der Druckwasserreaktor.

    Die Mixtur aus geschmolzenem Salz und Thorium wird nun durch den Kern gepumpt. Die Reaktion läuft immer an den Stellen an, wo der Moderator wirkt. Die Substanz wird heiß. Außerhalb des Kerns gibt sie die Hitze an Dampferzeuger und Turbinen ab, die Strom erzeugen. Die Abkühlung erfolgt durch eine Kühlanlage, die mit selbst erzeugtem Strom betrieben wird. Daher ist auch ein Standort ohne Fluss oder Meer in der Nähe geeignet.

    Der Brennstoff ist bereits geschmolzen: Kernschmelze unmöglich

    So ein Reaktor ist dennoch nicht auf Stromversorgung und das Funktionieren technischer Systeme angewiesen, um einen Unfall zu verhindern. Zur Kühlung des umlaufenden Reaktormediums dient ein riesiger Block aus gefrorenem Salz. Wenn die Salz-Thorium-Mischung hier durchfließt, kühlt das Eis sie gerade so weit herunter, dass sie für den nächsten Durchlauf bereit ist. Auch wenn alle Pumpen ausfallen, kühlt das Eis die Flüssigkeit weiter und taut dabei auf. Eine “Kernschmelze” ist derweil unmöglich – schließlich ist das Reaktormaterial bereits geschmolzen. Ein Aufheizen auf den Punkt, wo das Salz verdampft und explosiven Druck aufbaut, gilt als rechnerisch unmöglich.

    Wie beim Kugelhaufen-Hochtemperaturreaktor liegt diesem chinesischen Entwurf eine ältere Idee zugrunde, die in Europa beziehungsweise Amerika verworfen wurde. In den Sechzigerjahren hatten die USA bereits einen Salzmeiler im Testbetrieb. Damals war noch Uran der Brennstoff, nicht Thorium. Die Idee wurde jedoch nicht in den kommerziellen Einsatz überführt. Denn den Vorteilen steht eben eine Reihe von Nachteilen gegenüber:

    • Es ist nicht einfach, eine mehrere Hundert Grad heiße Flüssigkeit mit Pumpen umzuwälzen. Die Ingenieure in China mussten sich zahlreiche neue Lösungen ausdenken.
    • Es gibt zwar erhebliche Erfahrung mit all den verschiedenen wassergekühlten Reaktortypen, aber Salz ist hier Neuland. Neue Verfahren bringen auch neue Probleme und Risiken, die sich hier erst in der Praxis zeigen müssen.
    • Vom Versuchskraftwerk bis zum Bau eines funktionierenden Serienmodells sind erhebliche Investitionen und viel Zeit nötig.

    In den USA erschien die Salz-Thorium-Technik seinerzeit zu teuer, das Land setzte stattdessen auf schnelle Brüter, die eine höhere Ausbeute von Uranbrennstoff versprachen.

    Weitere Nachteile verschiedener Typen von Flüssigsalzreaktoren hängen von der genauen technischen Ausführung ab. Eines ist aber sicher: Chinas Reaktor wird zu einem “Prüfstand, von dem man viel lernen wird”, wie Charles Forsberg, Experte für Nukleartechnik am renommierten US-Uni Massachusetts Institute of Technology (MIT) der Wissenschaftszeitschrift Nature sagt.

    Auch in Deutschland gab es Gedankenspiele rund um geschmolzenes Salz und Thorium. Doch im Vergleich zu Siede- und Druckwasserreaktoren erschien der Aufbau selbst den Physikern in den 1970er-Jahren als zu kompliziert. Rudolf Schulten, Professor für Reaktortechnik in Aachen, nannte den “Schmelzsalzreaktor” einen “Greuel”. Schulten bevorzugte das übersichtlichere Konzept eines Kugelhaufenreaktors, der schließlich in Hamm-Uentrop gebaut wurde.

    Nicht perfekt, aber möglicherweise sehr nützlich

    Doch die Lage ist heute eine andere als damals. Energie ist generell teurer geworden, sodass hohe Kosten für den Kraftwerksentwurf eine geringere Rolle spielen. Damals herrschte die Vorstellung vor, Kernkraftwerke zu einer günstigen Massentechnik zu machen. Nach Tschernobyl und Fukushima, die beide nur aus Kostenerwägungen in ihren jeweiligen unsicheren Bauformen betrieben wurden, gilt ein höherer Preis für mehr Sicherheit als gutes Geschäft. Auch der Blick auf die Uranvorkommen ist heute in Hinblick auf den enorm steigenden Strombedarf einer wachsenden, hochgradig technisierten Menschheit ein anderer. China erreicht den Punkt der Klimawende zudem als Wachstumsland. Deutschland kann eher auf Einsparungen setzen.

    Der Flüssigsalzreaktor ist jedoch nicht die perfekte Lösung für alle Energieprobleme, als die ihn seine Fans darstellen. Er teilt stattdessen eine Reihe von bekannten Problemen mit allen Atommeilern:

    • Der Brennstoff ist hoch radioaktiv. Lecks, Terroranschläge, Naturkatastrophen oder völlig unvorhergesehene Störfälle führen genauso zu Verseuchung wie bei allen anderen Reaktortypen.
    • Entgegen oft wiederholten Behauptungen lässt sich auch aus den Uranisotopen, die im Flüssigsalzreaktor entstehen, Material für Waffen gewinnen. Es sind bloß weitere Zwischenschritte nötig und ist teurer.
    • Es entsteht zwar weniger Atommüll, weil der Reaktor den Brennstoff bis auf konzentrierte Reste aussaugt. Aber es bleibt im Massenbetrieb eben doch ein Abfall übrig. Diesen Nachteil wird die Kernkraft immer gegenüber erneuerbaren Energiequellen haben.
    • Die abgebrannten Brennstoffe, also die Isotope am Ende der Zerfallskette, sind aus dem Salz nur mit besonderer Technik wieder herauszubekommen. Es müssen neue Aufbereitungsanlagen speziell für den neuen Reaktortyp her.

    Alle diese Argumente werden Chinas Kerntechnikbehörden abgewogen haben. Angesichts einer massiven Versorgungslücke beim Ausstieg aus der Kohle prüfen sie aber derzeit ganz verschiedene neue Wege zur Stromerzeugung und sind dabei für viele Ideen offen. Es ist durchaus nicht sicher, dass der Schmelzsalzreaktor das Rennen macht. Er könnte aber auf jeden Fall eine Technik für die westchinesischen Wüstenregionen sein, in denen Kühlung durch Fluss- oder Meerwasser nicht möglich ist.

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    • MIT

    HNA: Aufstieg, Fall – und Wiederaufstieg?

    HNA in Insolvenz-Fall geht in die nächste Runde
    Beteiligungen im Zwielicht: HNA-Logo am Terminalgebäude des Flughafens Hahn

    Zwei Top-Manager der HNA Group – der Gründer und ehemalige Vorsitzende Chen Feng sowie der ehemalige Geschäftsführer Adam Tan Xiangdong – wurden am vergangenen Freitag von der chinesischen Polizei festgenommen (China.Table berichtete). Die Verhaftung aufgrund “nicht näher erläuterter Verbrechen” folgt nur eine Woche auf die Ankündigung, dass das HNA-Konglomerat nach seiner Insolvenzrestrukturierung in vier separate Unternehmen zerlegt werden soll. Auf Basis eines am 18. September vorgestellten Umstrukturierungsplan wird jede Einheit nun unabhängig in den Bereichen Luftfahrt, Flughafenbetrieb, Finanzen und Gewerbe agieren.

    Alle bestehenden Aktionäre, einschließlich des größten Aktionärs, der Hainan Cihang Charity Foundation, werden nach der Umgestaltung keine Anteile mehr an dem Unternehmen halten. “Die Beteiligung bestehender Aktionäre wird vernichtet, eine Praxis, die den Marktregeln und den gesetzlichen Verpflichtungen der Insolvenzrestrukturierung folgt”, erklärt Gu Gang, Vorstandsvorsitzender und Leiter des Arbeitsausschusses, der nun für die Entflechtung der Geschäfte der Gruppe verantwortlich ist. “Es ist die Verantwortung, die die Aktionäre tragen müssen und das Ergebnis des rücksichtslosen Wachstums eines Privatunternehmens.”

    Um den Umbau zu unterstützen, erhält HNA Investitionen in Höhe von 38 Milliarden Yuan (sechs Milliarden US-Dollar) von verschiedenen Geldgebern. Etwa 25 Milliarden Yuan gehen an das Flaggschiff Hainan Airlines, um den Cashflow wieder aufzufüllen. Anfang dieses Monats wurde die staatlich kontrollierte Liaoning Fangda Group Industrial Co. ein strategischer Investor. Ein weiteres staatliches Unternehmen, Hainan Development Holdings Co. Ltd., kündigte Anfang dieses Monats ebenfalls Pläne an, sich an der Flughafeneinheit der HNA zu beteiligen.

    Die Restrukturierung sei durch die Verhaftung der beiden Manager nicht gefährdet, teilte die HNA Group in einer Erklärung auf ihrem offiziellen WeChat-Konto mit: “Die HNA Group und ihre Mitgliedsunternehmen arbeiten stabil und geordnet. Die Insolvenzrestrukturierung des Unternehmens verläuft reibungslos und seine Produktion und sein Betrieb werden nicht beeinträchtigt.” Das politische Ziel ist also klar: Machtübernahme, Umstrukturierung, ohne die aussichtsreichen marktwirtschaftlichen Geschäftsmodelle zu beschädigen.

    Elf Unternehmen des Mischkonzerns haben am zu Wochenbeginn eine Gläubigerversammlung abgehalten. Im Rahmen des dabei vorgelegten Plans werden die elf Gesellschaften als Gruppe reorganisiert. Die meisten Verbindlichkeiten werden über Debt-to-Equity-Swaps bedient, also den Tausch von Schulden in Firmenanteile. Kleinst-Gläubiger, deren Ansprüche nicht mehr als 15.465 US-Dollar betragen, werden vollständig ausbezahlt. Alle Schulden, die diesen Betrag übersteigen, werden teilweise von HNA und anderen Parteien und teilweise in Aktien von Hainan Airlines beglichen. 

    Die Aktien von Hainan Airlines stiegen nach Bekanntgabe der Umstrukturierungs-Updates am Montag um bis zu fünf Prozent – ihr für den Tag zulässiges Höchstniveau. Die Investoren honorieren die Umstrukturierung. Seit Mai hat sich der Wert der Aktie fast verdoppelt. Es fehlt aber noch ein Drittel des Wertes, um auf das Plateau zu kommen, auf dem sich der Kurs zwischen 2016 und 2018 bewegt hat. Die Verbindlichkeiten von Hainan Airlines, für die das Unternehmen Zinsen zahlen muss, belaufen sich dann nach der Restrukturierung auf 60 Milliarden Yuan (7,9 Milliarden Euro) bei Assets von 170 Milliarden (22,5 Milliarden). Also ein Schuldenstand, der für ein Unternehmen grundsätzlich kein Problem sein sollte.

    Das große Problem ist dagegen: Es ist noch nicht klar, wann die Airline nach der Coronakrise wieder normal fliegen kann. Die Aufsichtsbehörden gehen davon aus, dass alle chinesischen Airlines erst Mitte nächsten Jahres ihren internationalen Flugbetrieb aufnehmen können. So lange werden weiterhin hohe Verluste eingefahren. Dabei ist die Fluglinie ein Schmuckstück der chinesischen Unternehmenswelt. Auch 2021 gehört Hainan Airlines in dem renommierten britischen Skytrax-Ranking mit einem Platz 9 (2019 Platz 8) weiterhin zu den zehn besten Fluggesellschaften der Welt, wo sie sich bereits seit 2017 befindet. Die einzige westliche Airline, die es in diesem Jahr in den Top 10 geschafft hat, ist Air France auf Platz 10. Lufthansa ist hingegen auf Platz 13 abgerutscht.  

    Niedergang eines Imperiums

    Die Verhaftung der beiden Manager markiert das Schlusskapitel eines Unternehmens, das wie kein anderes Chinas wirtschaftliche Hinwendung zur Welt verkörperte. Mit nur einer Handvoll Flugzeugen und einem Grundkapital von zehn Millionen Yuan (1,5 Millionen US-Dollar) flog die Airline in den Anfangstagen in den frühen 90er-Jahren vor allem russische Touristen in Richtung Hainan, der einzigen tropischen Insel Chinas. Einer der frühen Unterstützer war der amerikanische Finanzier George Soros. Er investierte 1995 erstmals 25 Millionen US-Dollar. Ein Coup für die kleine regionale Airline und vielleicht mit ein Grund, warum sie sich den Höhenflug zutraute.

    In den folgenden drei Jahrzehnten entwickelte sich HNA von einer regionalen Fluggesellschaft zu einem der größten Privatunternehmen Chinas. Es gehörte einer Stiftung in New York, was Peking sehr störte. Ein Großteil des durch Bankkredite angetrieben Wachstums fand nach 2010 statt. Chen wollte HNA unbedingt in die Liste der Fortune-100-Unternehmen bringen. Bis 2017 war der Konzern immerhin bis auf den 170. Platz geklettert. Bis Ende 2017 war das Vermögen des Unternehmens auf 1,23 Billionen Yuan (190 Milliarden US-Dollar) gestiegen.

    Die Gesamtverschuldung betrug da jedoch schon 740 Milliarden Yuan (115 Milliarden US-Dollar). Investiert war das Geld unter anderem in Beteiligungen an der Deutschen Bank, Hilton Hotels und Resorts auf der ganzen Welt sowie Landparzellen auf dem ehemaligen Flughafen Kai Tak in Hongkong. Mit dem Einbruch des bis dahin profitablen Flugbetriebs während der Covid-19-Epidemie geriet das Konglomerat, an dem zu Spitzenzeiten bis zu 410.000 Arbeitsplätze hingen, jedoch endgültig ins Schlingern. Um den Schuldenberg abzubauen, hatte HNA auch auf Druck aus Peking bereits ab 2018 Vermögenswerte wie das Flughafendienstleistungsunternehmen Swissport und den US-Elektronikhändler Ingram Micro veräußert. 

    Vetternwirtschaft und Korruption

    Einzelheiten zu den mutmaßlichen Verbrechen, die die beiden Führungskräfte begangen haben sollen, wurden von der Polizei nicht bekannt gegeben. Laut dem chinesischen Wirtschaftsmagazin Caixin sollen der im Sommer 2018 bei einem Sturz von einer Mauer verunglückte Gründer Wang Jian in großem Umfang Vetternwirtschaft betrieben haben. Wang und mehrere andere leitende Angestellte sollen Firmen besessen haben, die von Familienmitgliedern kontrolliert wurden. Diese Firmen erhielten dann offenbar Aufträge aus dem Konzern.

    So waren Chens und Wangs Brüder an Luftfahrtmaterialgeschäften beteiligt, die Lieferverträge mit HNA unterhielten. In den behördlichen Unterlagen von HNA wurden diese Verflechtungen nie vollständig offengelegt. Bereits Anfang des Jahres hatte das börsennotierte Unternehmen erklärt, dass “Anteilseigner und andere zugehörige Parteien” 62 Milliarden Yuan, umgerechnet knapp acht Milliarden Euro, veruntreut hätten. Zusätzlich seien Kreditgarantien in Höhe von 47 Milliarden, umgerechnet sechs Milliarden Euro, auf “nicht rechtskonforme Weise” vergeben worden.

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    Olympische Winterspiele ohne Fans aus dem Ausland

    Fans aus dem Ausland können die Sportlerinnen und Sportler bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking nicht anfeuern: Tickets für die Winterspiele werden nur an Zuschauer vom chinesischen Festland verkauft, wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Mittwoch mitteilte. Ungeimpfte Athleten müssen demnach 21 Tage vor den Spielen in Quarantäne. Die Organisatoren der Spiele in Peking hatten der Mitteilung zufolge den Exekutivrat des IOC über die Grundsätze im Rahmen der Corona-Maßnahmen informiert, um “sichere und erfolgreiche Olympische und Paralympische Winterspiele wie geplant” durchzuführen.

    Das IOC begrüßte die Entscheidung, chinesische Zuschauer zuzulassen, nachdem die Olympischen Sommerspiele in Tokio in diesem Jahr vor leeren Rängen stattfinden mussten. Gleichzeitig habe man Verständnis für die Enttäuschung internationaler Fans, die nicht teilnehmen könnten, so das Komitee. Dass Zuschauer in die Stadien dürften, werde “das Wachstum des Wintersports in China fördern” und eine positive Atmosphäre in die Austragungsorte bringen, so das IOC.

    Die Organisation der Spiele in Peking sehe vor, dass alle vollständig geimpften Teilnehmer sofort nach ihrer Ankunft in ein sogenanntes “geschlossenes Managementsystem” eintreten, in dem sie sich frei bewegen können. Für die geimpften Teilnehmenden fällt demnach keine Quarantäne an. Das geschlossene System soll dem IOC zufolge alle spielbezogenen Bereiche wie die Stadien sowie Unterkünfte, Verpflegungsbereiche und die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie abdecken, erklärte das IOC. Alle Beteiligten sollen zudem täglich getestet werden. ari

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    Unter Verdacht: BSI untersucht Xiaomi-Mobilgerät

    Nach den Untersuchungen der litauischen Cyberabwehr vor Sicherheitslücken und eingebauten Zensurfunktionen in chinesischen Mobiltelefonen hat nun auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Prüfung eingeleitet. Das BSI führe derzeit eine technische Untersuchung eines Xiaomi-Mobilfunkgerätes durch, bestätigte die Behörde. Um welches Modell es sich genau handelte, gab das BSI nicht bekannt.

    Bei der Untersuchung der litauischen Cybersicherheitsbehörde NCSC war ein Xiaomi-Smartphone aufgefallen, bei dem eine Software im Hintergrund lief, die aus Sicht der chinesischen Staats- und Parteiführung kritische Begriffe wie Demokratiebewegung zensierte. In dem Bericht wurden drei konkrete Smartphone-Modelle analysiert: Das Huawei P40 5G, das Xiaomi Mi 10T 5G sowie das OnePlus 8T 5G. Die schwersten Vorwürfe richtete das litauische Cybersicherheits-Zentrum gegen Xiaomi (China.Table berichtete).

    Sollte die Untersuchung durch das BSI die Erkenntnisse der litauischen Kollegen stützen, könnte dies den derzeitigen Marktführer in Europa in große Probleme stürzen. Xiaomi hatte von den Debatten um Huawei und den US-Sanktionen gegen den chinesischen Konzern profitiert. 

    Nach der Debatte um einen möglichen Ausschluss von Huawei und ZTE vom Aufbau europäischer 5G-Netze könnten nun auch die Endgeräte mit durch die Hersteller angepassten Android-Versionen in den Fokus der Debatte geraten. Xiaomi selbst hat nach eigenen Angaben eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben. fst

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    CATL kauft Millenial Lithium

    Mit dem Wandel weg vom Verbrennungsmotor und hin zum Elektromotor steigt auch die Nachfrage nach Lithium. Nun konnte Chinas größter Batteriehersteller CATL sich ein besonders begehrtes Abbaugebiet sichern. Für 377 Millionen kanadische Dollar (rund 250 Millionen Euro) übernimmt das chinesische Unternehmen das kanadische Bergbauunternehmen Millennial Lithium. Das entspricht einem Preis von 3,85 kanadischen Dollar pro Aktie.

    Das Unternehmen hat sich damit im Bieterwettstreit mit Ganfeng Lithium durchgesetzt. Ganfeng hatte im Juli 3,60 Dollar je Aktie geboten, zog sich aber vor Kurzem aus dem Wettsteit zurück. Die Übernahme garantiere CATL eine langfristige Versorgung mit Lithium, teilte das Unternehmen mit. Der Batteriehersteller beliefert unter anderem Tesla und Volkswagen mit Lithium für Batterien, die bei E-Fahrzeugen zum Einsatz kommen. flee

    • Autoindustrie

    Geely will Smartphones herstellen

    Der Gründer des chinesischen Autobauers Geely, Li Shufu, will ins Smartphonegeschäft einsteigen. Laut einem Memo, das Reuters vorliegt, wollen Li und andere Investoren in das Vorhaben rund 1,5 Milliarden US-Dollar investieren. Bereits 2023 soll das neu gegründete Unternehmen Xingji Shidai das erste Premium-Smartphone auf den Markt bringen und schon im ersten Jahr drei Millionen Geräte verkaufen. Firmensitz soll Wuhan sein.

    Lis Firmengruppe wäre damit der erste Fahrzeughersteller, der auch Smartphones anbietet. “Es gibt eine enge Verbindung von Technologien innerhalb intelligenter Fahrzeug-Cockpits und Smartphone-Softwaretechnologien”, sagte Li. Umgekehrt haben Telekommunikationsunternehmen wie Xiaomi und Huawei angekündigt, künftig mehr auf das Autogeschäft zu setzen (China.Table berichtete). Li ist bekannt für seine waghalsigen Investitionen. Zuletzt hatte Li in den Velocopter, einem Flugtaxi investiert (China.Table berichtete). niw

    • Autoindustrie

    Tesla Shanghai überwindet Chip-Mangel

    Die neue Tesla-Großfabrik in Shanghai wird von Januar bis Ende September rund 300.000 Autos hergestellt haben. Das berichtet das Fachmagazin Automotive News. Die Zahl gilt als hoch und liegt bereits auf Augenhöhe mit dem Ausstoß großer Daimler-Werke wie dem in Bremen und dem in Peking. Damit scheint das Unternehmen Wege gefunden zu haben, mit dem globalen Mangel an Mikrochips umzugehen. Autos von Tesla sind besonders digital und benötigen leistungsfähige Prozessoren. Am Standort Shanghai produziert das Unternehmen auch für den Export unter anderem nach Deutschland. Das Unternehmen stellt hier das Model 3 und das Model Y her. fin

    • Autoindustrie

    Peking blockiert Taiwans CPTPP-Antrag

    Peking will Taiwans Bestreben, dem transpazifischen Handelsabkommen CPTPP beizutreten, einen Riegel vorschieben. “Taiwans Beitritt zu einer regionalen Wirtschaftskooperation muss auf dem Ein-China-Prinzip basieren. Nach einem solchen Prinzip ist Chinas Taiwan der WTO mit einer angemessenen Vereinbarung beigetreten”, sagte die Sprecherin des chinesischen Büros für Taiwan-Angelegenheiten, Zhu Fenglian, am Mittwoch, als sie nach Taiwans jüngstem Antrag zum pazifischen Handelsbündnis Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) gefragt wurde.

    Das Beitrittsgesuch aus Taipei kommt nur wenige Tage, nachdem Peking selbst einen Antrag auf Mitgliedschaft übermittelt hat (China.Table berichtet). Das CPTPP wurde 2018 als Antwort auf den Austritt der USA aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP ins Leben gerufen und basiert ursprünglich auf der Idee, auf China Druck auszuüben. Die bisherigen Mitgliedsländer wie Japan und Australien sind daher auch tendenziell dagegen, China aufzunehmen. Umgekehrt wird Taiwans Bestreben von Japan unterstützt (China.Table berichtete).

    Gemeinsam kommen die CPTPP-Mitglieder auf 13 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Mit China im Abkommen würde sich dieser Wert auf fast 28 Prozent erhöhen. Auch Großbritannien ist an einem Beitritt interessiert, um die Folgen des Brexits abzumildern. niw

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    Studie: BRI-Länder höher verschuldet als von China gemeldet

    Chinas Belt and Road Initiative (BRI) hat bei Dutzenden von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen “versteckte Schulden” in Höhe von insgesamt 385 Milliarden US-Dollar verursacht. Im Zusammenhang mit BRI-Projekten wurden die finanziellen Verbindlichkeiten vieler Länder seit Jahren systematisch unterbewertet und haben zu steigenden “versteckten Schulden” oder nicht offengelegten Verbindlichkeiten geführt, zu deren Zahlung Regierungen möglicherweise verpflichtet sind. Dies ergab eine neue Untersuchung von AidData, einem Forschungsinstitut am College of William & Mary in den USA. “Wir haben herausgefunden, dass die Schuldenlast gegenüber China wesentlich höher ist, als das Forschungsinstituten, Ratingagenturen oder zwischenstaatlichen Organisationen mit Überwachungsaufgaben bisher bekannt war”, so die Autoren der Studie.

    AidData hat dafür die Entwicklungsprojekte von 95 Geberländern und -organisationen seit 1945 zusammengeführt und dabei festgestellt, dass China seit Beginn dieses Jahrhunderts massiv bei Finanzierungen von Entwicklungsprojekten aufgeholt und die USA und andere westliche Nationen mittlerweile klar überholt hat. Mehr als 40 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC) haben nach Schätzungen von AidData inzwischen ein Schuldenengagement gegenüber China von mehr als zehn Prozent ihres nationalen Bruttoinlandsprodukts. Und die durchschnittliche Regierung meldet ihre Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber China um fast sechs Prozent des BIP niedriger, so die Forscher.

    Die Forscher warnen vor allem vor Intransparenz der Verpflichtungen. “Diese Schulden erscheinen größtenteils nicht in den Staatsbilanzen der Entwicklungsländer. Entscheidend ist, dass die meisten von ihnen von expliziten oder impliziten Formen des Haftungsschutzes der Regierung des Gastlandes profitieren. Das verwischt im Grunde die Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Verschuldung”, sagte Brad Parks, Executive Director des AidData-Teams, der Financial Times. niw

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    Presseschau

    Abortion pledge adds to scepticism over women’s rights in China THE GUARDIAN
    Hong Kong’s ‘BBC’ ordered to support China national security INDEPENDENT
    Beijing Olympics to Limit Spectators to Those in Mainland China BLOOMBERG
    Evergrande sells $1.5bn bank stake to state-owned enterprise FT (PAY)
    China’s new aircraft carrier underlines need for the Aukus pact THE GUARDIAN
    US-China business: the necessary reinvention of Huawei FT (PAY)
    China’s top health authority eyes COVID-19 booster policies for key groups GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
    Kohleversorgung gefährdet: China versucht Energie-Krise abzuwenden N-TV
    Nie wieder Hunger in China: Was der Staat dafür tut, dass alle genug zu essen haben RND
    Abtreibungen in China: “Da sollte sich der Staat nicht einmischen” FAZ

    Portrait

    Annette Schavan: “Europa sollte Tacheles reden”

    Annette Schavan, seit 2019 Co-Vorsitzende des deutsch-chinesischen Dialogforums.
    Annette Schavan, seit 2019 Co-Vorsitzende des deutsch-chinesischen Dialogforums.

    Annette Schavan hat gerade keinen einfachen Job: Sie ist Vorsitzende des deutsch-chinesischen Dialogforums – in einer Zeit, in der es eigentlich kaum noch Dialog gibt. Zuletzt tagte das Plenum, mit seinen 16 Mitgliedern auf deutscher und 16 auf chinesischer Seite, in der ostchinesischen Hafenstadt Qingdao. Das ist inzwischen zwei Jahre her. Heute beschränkt sich der Austausch auf Telefonate. “Das ist ein bisschen wie Schwimmen ohne Wasser”, klagt Schavan von Ulm aus, wo sie lebt.

    Jetzt, 16 Jahre nachdem sie das erste Mal in China war, ballen sich die Konfliktthemen: die Menschenrechtsverstöße an muslimischen Minderheiten wie den Uiguren, die Taiwan-Frage, das gestoppte Investitionsabkommen CAI, die wechselseitigen Sanktionen. Die Pandemie hat die diplomatische Krise noch einmal verschärft. Wie es jetzt weitergehen soll? Der Dialog müsse über wirtschaftliche Interessen hinausgehen, die Beziehungen nicht bei Zahlen enden. “Europa sollte selbstbewusst auftreten und Tacheles reden”, rät Schavan.

    Annette Schavan als Bildungsministerin erstmals in China

    Annette Schavan selbst beschäftigt sich erst seit ihrer Zeit als Politikerin mit China. Nach dem Abitur studiert sie zunächst Erziehungswissenschaften, Philosophie und katholische Theologie in Düsseldorf. Ihr Studium schließt sie direkt mit einer rund 350 Seiten langen Dissertation ab. Da ist Schavan gerade einmal 25 Jahre alt. Anschließend macht sie in der CDU Karriere. Mit 32 wird sie Geschäftsführerin der Frauen-Union und 1995 in Baden-Württemberg als Kultusministerin vereidigt. Zehn Jahre später ist sie Bundesbildungsministerin.

    Diplomatische Krisen mit China hat sie in dieser Zeit bereits miterlebt, etwa im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 in Peking. Damals demonstrieren buddhistische Mönche im tibetischen Lhasa für die Unabhängigkeit ihres Landes, es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, mindestens 80 Menschen sterben. Und Schavan? Als erste deutsche Ministerin reist sie während der Tibet-Krise durch China. “Tacheles redet sie damals nicht. Das Wort “Menschenrechte“, das lässt sich in einem älteren Medienbericht nachlesen, kommt ihr vor der Presse jedenfalls nicht über die Lippen.

    Zeugin eines rasanten Aufstiegs

    Stattdessen geht es um die Wissenschaftsbeziehungen beider Länder. “Die habe ich immer priorisiert”, sagt Schavan rückblickend. Forschung und Entwicklung, neue Hochschulkooperationen, eine bessere Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung, das waren die bestimmenden Themen ihrer China-Reisen. “Damals hieß es, das Land hat große Pläne, aber eine ernstzunehmende Konkurrenz für Europa oder die USA werde es nicht. China würde die nötige Innovationskraft dafür fehlen“, erinnert sich Annette Schavan. Sie erlebt das anders. 2006 besucht sie eine Forschungsfabrik an der Tongji-Universität in Shanghai. Es geht um Elektrobatterien. Vier Jahre später rollt sie im E-Bus über das Expo-Gelände der Weltausstellung in Shanghai.

    Vor Ort bewundert sie, mit welcher Konsequenz und mit welchem Selbstbewusstsein technologische Entscheidungen vorangetrieben werden und erlebt ein großes Interesse an den deutschen Exzellenzinitiativen. Zu ihrem späteren chinesischen Amtskollegen, dem Wissenschaftsminister Wan Gang, pflegt sie schnell ein gutes Verhältnis, man ist per Du. Den früheren Entwicklungschef von Audi bezeichnet sie als einen “echten Brückenbauer”. Nach den offiziellen Terminen geht sie in Kunstgalerien, schaut sich expressive Arbeiten an, die so gar nicht in ihr Bild von den zurückhaltenden und disziplinierten Chinesen passen wollen. “Das war ein Versuch, zu verstehen, was die chinesischen Eliten jenseits des Politsprechs beeinflusst”, sagt sie.

    Gastprofessur in Shanghai

    Bei einer ihrer Dienstreisen in Südafrika erfährt sie, dass die Heinrich-Heine-Universität ein Verfahren wegen ihrer Dissertation eingeleitet hat. Der Fall Schavan spaltet die Wissenschaftsgemeinschaft in jene, die sie laut unterstützen – und in jene, die sie laut beschimpfen. Schließlich erkennt ihr die Uni Düsseldorf den “Dr. phil.” ab. Schavan wehrt sich und zieht vor das Düsseldorfer Verwaltungsgericht. Ihre Klage wird abgewiesen, sie tritt zurück. Merkel würdigt Schavan damals als “die anerkannteste und profiliertestes Bildungspolitikerin unseres Landes”. In einem Kommentar zum Rücktritt heißt es, sie sei eine “unprätentiöse” Politikerin gewesen, eine “ohne viel Tamtam”.

    Danach zieht Schavan sich zurück. Sie übernimmt eine Gastprofessur an der Shanghai International Studies University. Schließlich tauscht sie Bildungs- mit Religionspolitik und wird für vier Jahre Botschafterin am Heiligen Stuhl im Vatikan. China bleibt unterdessen jedoch ebenfalls eines ihrer Themen. In Schavans Zeit als Botschafterin fällt das neue Abkommen zwischen China und dem Vatikan. Bis dahin hatte der Vatikan die chinesischen Bischöfe nur teilweise anerkannt. Denn diese waren durchweg von der Partei ausgesucht und nicht vom Heiligen Stuhl ernannt.

    Schavan verteidigt den Vorstoß von damals: “Religionsfreiheit ist kein Nischenthema. Trotzdem können dem Vatikan die Millionen Christen, die in China leben, nicht egal sein.” Sie selbst befürwortet die innerkirchliche Graswurzelbewegung “Maria 2.0”, kritisiert die langsame Aufklärung der Missbrauchsskandale und plädiert für einen “liberalen Katholizismus”. Von religiösem Liberalismus ist das autoritär regierte China derweil weit entfernt. Die Partei will über das Denken bestimmen und duldet keine Lehre, die ihr die Macht streitig machen könnte.

    Mehr China- und Deutschland-Kompetenz statt entkoppeln

    Schavan erinnert sich noch an eine andere Zeit. An eine, in der es mehr als 50 Dialogforen mit China gegeben hat. “Damals herrschte Aufbruchstimmung. Alle hofften, das Land öffne sich”, sagt sie. Noch immer telefoniert sie regelmäßig mit ihrem früheren Amtskollegen Wan Gang – er ist inzwischen Co-Vorsitzender des Dialogforums auf chinesischer Seite und stellvertretender Vorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes. Gemeinsam wollen sie den Austausch intensivieren: Sie wollen eine Junge Akademie sowie eine Kooperation zwischen einer deutschen und einer chinesischen Fernuniversität für eine gemeinsame Open University aufbauen.

    “Wissenschaft ist die Diplomatie des Vertrauens”, erklärt Annette Schavan. So sei 1959 bereits eine Delegation der Max-Planck-Gesellschaft nach Israel gefahren, als deutsche Politiker dort noch nicht willkommen waren. Nach Deutschland kommt aus China erst einmal keiner: Die Regierungskonsultationen im April fanden, coronabedingt, per Video statt (China.Table berichtete). Eigentlich sollte das Dialogforum in Stuttgart nachgeholt werden. Wann das sein wird, weiß allerdings noch keiner. Pauline Schinkels

    • Geopolitik

    Personalien

    Gokul Laroia (55) wird alleiniger CEO von Morgan Stanley im asiatisch-pazifischen Raum. Laroia fing 1995 in Indien bei Morgan Stanley an und arbeitete für die Bank seitdem in Mumbai, New York und Singapur sowie in Hongkong, wo er den Großteil seiner Karriere verbrachte. Er ist nicht nur Co-CEO für die Region, sondern auch Co-Head of Global Equities. Er ist einer der wenigen leitenden Führungskräfte, die Unternehmen in den Bereichen Investmentbanking, Aktien- und Vermögensverwaltung in mehreren asiatischen Märkten geleitet haben. Morgan Stanley Asia erzielte im Jahr 2020 einen Rekordumsatz von 6,75 Milliarden US-Dollar – ein Anstieg von 32 Prozent gegenüber 2019.

    Wei Sun Christianson (65), bisher CEO von Morgan Stanley China, wird Ende dieses Jahres aus der Bank ausscheiden, nachdem er fast zwei Jahrzehnte dort gearbeitet hat. Christianson ist eine der einflussreichsten asiatischen Frauen im globalen Finanzwesen und war maßgeblich daran beteiligt, der in New York ansässigen Bank beim Durchbruch auf dem chinesischen Markt zu helfen. So hat sie Morgan Stanley während der Finanzkrise 2008 zu einer Investition des chinesischen Staatsfonds China Investment Corp. in Höhe von über fünf Milliarden Dollar verholfen. Sie ist seit 2006 China-CEO von Morgan Stanley und seit 2011 Co-CEO für Asien-Pazifik. In Peking geboren, ging sie in den 1980er-Jahren zum Studium in die USA und schloss ihr Studium am Amherst College 1985 mit Auszeichnung ab.

    • Banken

    Dessert

    Rechtzeitig zum Nationalfeiertag am 1. Oktober dürfen die Blumendekorationen wie hier auf dem Tiananmen-Platz nicht fehlen. Die Farbe der Blumen ist selbstverständlich symbolisch bedeutsam. Rot steht für Glück und Freude und gelb steht für Macht. So ist gelb lange eine Farbe gewesen, die nur von Kaisern in China getragen werden durften. Jetzt schmückt sich die KP damit.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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