rund zehn Monate lang war der höchste diplomatische Posten Deutschlands in China vakant. Nun gibt es wieder eine Vertreterin in Peking: Botschafterin Patricia Flor hat am Freitag ihre Akkreditierungspapiere im Außenministerium überreicht. Auf den sozialen Medien präsentierte sich die Diplomatin in einem Vorstellungsvideo erstmals auf Mandarin und Englisch. Welche Themen Flor anpacken möchte, lesen Sie heute in unseren News. Eines ist bereits klar: Die 60-Jährige tritt ihren neuen Job in politisch hoch angespannten Zeiten an – geopolitisch, aber auch in der Volksrepublik selbst.
Denn im Herbst stellt sich die Führung beim Parteitag der KPCh neu auf. Die heiße Phase ist aber schon jetzt. Denn die Entscheidungen darüber, wer welchen Posten bekommt, seien bis zum Parteitag längst getroffen, betont der Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider im Gespräch mit Michael Radunski. Sandschneider erklärt, welche Probleme Xi Jinping vor dem großen Polit-Happening hat und welche Ziele er verfolgt: “Xi ist der große Moderator, nicht der große Alleinherrscher.” Auch der wachsende Unmut in der Bevölkerung ob der anhaltend strengen Corona-Maßnahmen geht Sandschneider zufolge an Xi nicht problemlos vorbei.
Der harte Corona-Lockdown in Shanghai ist indes nicht unbeteiligt daran, dass der chinesische Hersteller BYD mittlerweile an Tesla vorbeigezogen ist. BYD baut den Großteil seiner Fahrzeuge im südchinesischen Shenzhen, das weniger von Corona-Maßnahmen betroffen war als Shanghai, wo Tesla sitzt. Das ist aber nicht der einzige Grund für das Überholmanöver aus Shenzhen, wie unser Autorenteam in China schreibt: Auch technologisch habe BYD gut aufgeholt.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche!
Herr Sandschneider, warten Sie schon gespannt auf den Herbst?
Nein. Warum sollte ich?
Der große Parteitag der KP China steht an.
Das stimmt. Aber wenn im Herbst der Parteitag zusammenkommt, dann ist alles schon entschieden. Jetzt ist die spannende Zeit, jetzt werden die Entscheidungen getroffen. In Zhongnanhai, in Beidaihe oder wo immer sich die Herren zusammensetzen. Was im Herbst stattfindet, ist pure Akklamation.
Und was hören Sie?
Ich höre von Gerüchten, dass der Parteitag vielleicht vorgezogen werden soll. Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht.
Wenn er nun vorgezogen würde, wäre das gut oder schlecht für Xi Jinping?
Das wäre gut für Xi, ökonomisch und politisch. Ökonomisch, weil aktuell die wirtschaftlichen Folgen der vielen Lockdowns noch nicht voll auf die Wirtschaft durchschlagen. Die aktuellen Wirtschaftszahlen sind derzeit noch besser als sie im Herbst sein werden und…
… und Sie glauben, dass Chinas Führung im Herbst auch schlechte Daten veröffentlichen würde?
Nein, mit Sicherheit nicht. Schlecht ist relativ. Alle veröffentlichten Wirtschaftsdaten waren, sind und werden immer politisch gelenkt sein. Darauf kann man nichts geben. Wenn Xi glaubt, eine Fünf vor dem Komma zu brauchen, wird er sie auch bekommen. Aber durch die strikte Corona-Politik hat der Druck der Realität auf die Führung in Peking enorm zugenommen.
Und politisch?
Politisch wäre ein vorgezogener Parteitag gut für Xi, weil das bedeuten würde, dass der Regierungswechsel relativ reibungslos vollzogen würde.
Welcher Regierungswechsel? Xi Jinping hat sich doch schon im Vorfeld eine dritte Amtszeit als Präsident gesichert, was seit Deng Xiaoping verfassungsmäßig untersagt war.
Das stimmt. An Xis dritter Amtszeit besteht kaum Zweifel. Alles andere käme einer Revolution gleich. Aber die große Frage ist, ob es ihm gelingen wird, seine Vertrauten in Führungspositionen zu bringen, so wie er das braucht. Das wird schwierig, und deshalb glaube ich auch nicht an einen frühen Parteitag.
Sie zweifeln, dass Xi als starker Mann an der Spitze seine Vertrauten in Position bringen wird?
Tja, in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation, in Anbetracht der großen Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung über den Umgang mit der Corona-Pandemie ist das alles andere als sicher. Sie müssen sehen, viele seiner Vertrauten werden in den Ruhestand gehen, angefangen von Liu He über Yang Jiechi bis hin zu Li Keqiang. Aber Xi braucht wieder ein Netzwerk um sich herum, dass ihn dann auch trägt.
Dabei wird Xi gerne als fast schon allmächtiger Führer Chinas dargestellt.
Das ist eine Fehleinschätzung, die vor allem im Westen gerne vorgenommen wird. Egal wer an der Spitze der KP steht, muss viele unterschiedliche Fraktionen, Clans, Gruppierungen ausbalancieren. Die Alt-Kommunisten, die Reformer und wen es da nicht alles gibt. Sie mögen in den vergangenen Jahren vielleicht weniger sichtbar gewesen sein, es gibt es aber dennoch weiterhin. Xi ist der große Moderator, nicht der große Alleinherrscher.
Aber wir hören und sehen doch fast täglich lautstarke Solidaritätsbekundungen aus den Provinzen. Sie alle schwören Xi Jinping die Treue und geloben Unterstützung.
Das ist das übliche Spiel. Ich bin mir nicht sicher, ob da Solidarität demonstriert oder doch eher geheuchelt wird. Sicher ist allerdings: Das ist reine Show, die kurz vor einem Parteitag dazugehört.
Läuft also alles wie immer?
Nicht unbedingt. Die Probleme sind groß und gleichzeitig gibt es eine Teillähmung der Kommunistischen Partei, vor allem auf der mittleren und unteren Ebene. Dort warten alle ab, was oben passiert. Keiner wagt, seinen Kopf herauszustrecken. Der Letzte, der das gewagt hat, war Bo Xilai…
… und der sitzt seitdem hinter Gittern. Also wer ist denn Xi nun: Anfangs glaubte man in ihm einen großen Reformer zu erkennen. Doch dann folgten eine fortschreitende Abschottung des Landes, eine Ideologisierung und Re-Nationalisierung.
Das ist alles richtig. Aber ich kann bei all dem kein Streben nach Allmacht erkennen. Alles, was Xi Jinping in seiner Verantwortung getan hat – auch die Rückschritte und Einengungen der Bewegung wie auch der thematischen Spielräume – all das sehe ich als klares Indiz für seine Risikowahrnehmung in der chinesischen Gesellschaft. Das, was in den Jahren 2000 bis 2012 in China passiert ist, war ihm offensichtlich zu liberal und auch zu gefährlich.
Inwiefern?
Ein Schlüsselmoment war sicherlich der Verlust des Informationsmonopols durch soziale Medien. Das war einst das zentrale Herrschaftselement der KP – und das war ihnen in den Jahren 2007 durch das iPhone bis 2012 verloren gegangen. Doch seither tut man alles Mögliche, um diese Kontrolle wiederzuerlangen. Ja, sie sogar noch durch Technologie zu stärken.
Sie meinen das harte Vorgehen gegen Tech-Konzerne?
Ja, auch. Sehen Sie, Xi Jinping macht das ja nicht, weil er denkt, dass chinesische Tech-Konzerne zu gut sind oder zu viel Geld verdienen. Er geht auch nicht wegen persönlicher Abneigung gegen quatschende Unternehmer wie Jack Ma vor. Alle das sieht Xi als gefährlich an. Kontrollverlust ist für ihn die schlimmste Befürchtung.
Im Ernst, gefährlich für die Volksrepublik China?
Nein, gefährlich für den Machterhalt der Kommunistischen Partei. Das ist die zentrale Größe. Die Kommunistische Partei Chinas steht immer über dem Land. Wir im Westen machen diesen Fehler immer wieder: Wir sehen in Chinas Politikern immer die Regierungsbeamten, aber das ist gar nicht so wichtig. Entscheidend sind ihre Parteifunktionen. Xi Jinping ist natürlich der Staatspräsident Chinas, aber das wichtigste Amt ist seine Rolle als Vorsitzender der zentralen Militärkommission. Xi geht es vor allem um Stabilität und Machterhalt.
Das schließt sich der Kreis: Deng Xiaoping wollte durch die Amtszeitbegrenzung für den Präsidenten für Stabilität sorgen, damit Exzesse wie unter Mao verhindert werden. Das hat Xi nun abgeschafft, der Parteitag wird seiner dritten Amtszeit zustimmen.
Ja, aber erlauben Sie mir den Hinweis: Wenn sie von Stabilität sprechen – auch für uns im globalen Maßstab – mache ich mir keine Sorgen um China, sondern viel mehr um die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir werden im November bei den Midterms zittern. Und wir werden erst recht 2024 zittern, wenn zu befürchten steht, dass Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen wird. Dann ist der große Unsicherheitsfaktor in der internationalen Politik nicht Peking, sondern Washington. Gemessen an der Situation in den USA erscheint China paradoxerweise fast wie ein Hort der Stabilität.
Eberhard Sandschneider war von 1998 bis 2020 Professor für Politik Chinas und internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin. Von 2003 bis 2016 war er zudem Otto-Wolff-Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Inzwischen ist er Partner bei der Beratungsfirma “Berlin Global Advisors”.
Tesla hatte in den vergangenen Monaten in China mit deutlichen Problemen zu kämpfen. Weil die Fabrik in Shanghai vom großen Lockdown betroffen war, verkaufte der US-Autobauer laut Schätzungen 80.000 bis 100.000 Autos weniger als eigentlich geplant.
Dies war auch der maßgebliche Grund dafür, dass der Konzern von Elon Musk bei seinen weltweiten Verkäufen erstmals seit drei Jahren wieder hinter den chinesischen Elektro-Platzhirschen BYD zurückgefallen ist. Während Tesla in der ersten Jahreshälfte weltweit 564.000 Autos absetzte, konnte der Shenzhener Konzern 641.000 Fahrzeuge verkaufen – das sind 300 Prozent mehr als im Vorjahresvergleich.
Ganz gerecht ist der Vergleich von Tesla und BYD freilich nicht. Denn während Tesla ausschließlich Premium-Elektroautos produziert, handelt es sich bei rund der Hälfte der von BYD produzierten Fahrzeuge noch um Plug-in-Hybride. Die haben neben einer großen Batterie auch einen Verbrennungsmotor. Hinzu kommt geografisches Glück. BYD baut den Großteil seiner Fahrzeuge im südchinesischen Shenzhen, das weniger von harten Corona-Maßnahmen betroffen war als Shanghai.
Unter Autoexperten gibt es dennoch kaum Zweifel, dass BYD seine steile Erfolgsgeschichte fortsetzen wird und auch außerhalb Chinas sowohl für Tesla als auch für die deutschen Premium-Hersteller in Zukunft die wohl größte Herausforderung darstellen wird. US-Investor Warren Buffett hatte anscheinend den richtigen Riecher, als er sich bereits 2008 mit acht Prozent an BYD beteiligte. Der Aktienkurs des an der Hongkonger Börse gelisteten Unternehmens hat sich seitdem mehr als verzwanzigfacht. Erst Ende Juni markierten die Papiere ein neues Allzeithoch.
Mitte der 1990er Jahre vom ehemaligen Universitätsprofessor Wang Chuanfu gegründet, begann BYD als Hersteller von wiederaufladbaren Batterien, bevor es Anfang der 2000er-Jahre in die Automobilindustrie expandierte. Davon, dass BYD seine eigenen Batterien herstellt und viel in Forschung investiert hat, profitiert das Unternehmen immer spürbarer.
“BYD hat sich in den letzten fünf Jahren deutlich weiterentwickelt und nach oben positioniert”, so der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Die Fahrzeuge seien modern, “state of the art” und damit auch deutliche Wettbewerber für die deutschen Premium-Hersteller in China.
Ein wesentlicher Punkt sei das große Batterie-Knowhow von BYD, das etwa in der sogenannten Blade-Batterie zum Ausdruck komme. Dabei handelt es sich um großformatige prismatische Zellen, die deutlich höhere Energiedichten auf gleichem Volumen erlauben. “BYD bildet hier die Spitze der Entwicklung ab”, sagt Dudenhöffer.
Auch bei der Batterie-Integration ins Fahrzeug sei BYD sehr innovativ und nutze bereits die sogenannte Cell-to-Chassis-Technik. Hierbei werden die Batterien direkt mit dem Fahrgestell verbunden, womit das Gewicht des Autos reduziert werden kann (China.Table berichtete). Cell-to-Chassis macht zwar auch Tesla – BYD sei hier aber Mercedes und BMW deutlich voraus.
Die steigenden Verkaufszahlen, so Dudenhöffer, seien daher keine Eintagsfliege. “BYD wird bald auch in Europa auf sich aufmerksam machen”, schlussfolgert der Autoexperte, der aber auch anderen chinesischen Herstellern gute Chancen einräumt. SAIC, FAW, XPeng, Nio, Geely, Lynck & Co, Polestar zeigten, wie stark die Chinesen sind und sich Stück für Stück in den westlichen Automärkten nach oben entwickelten. “Wir kommen in die Phase, in der die Teslas von China lernen”, ist Dudenhöffer überzeugt.
BYD verkauft bereits heute Elektrobusse in Europa, Japan und Indien und unternimmt Schritte, um auch PKW in Europa, Australien, Lateinamerika und den Philippinen auf den Markt zu bringen. Erst Anfang des Monats unterzeichneten die Chinesen einen Vertrag mit dem niederländischen Autohändler Louwman. Auch in Südostasien prüft BYD derzeit seine Möglichkeiten. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Deutschlands höchster diplomatischer Posten in China ist wieder besetzt: Botschafterin Patricia Flor überreichte am Freitag ihre Akkreditierungspapiere in Peking, wie sie auf Twitter mitteilte. “In Zeiten der grundlegenden Veränderung brauchen wir, Deutschland, die EU und China, einen klaren Blick darauf, was wir gemeinsam erreichen können”, sagte Flor in einem Vorstellungsvideo. Darin schlug sie auch kritische Töne an. “Wir sind uns in einigen Kernfragen nicht einig, zum Beispiel in unserer Auslegung der Menschenrechte und in unserer Haltung zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine”, so die ehemalige EU-Diplomatin.
Gleichzeitig gebe es jedoch Herausforderungen, die nur gemeinsam bewältigt werden könnten. Flor nannte hier den Klimawandel und die globale Ernährungskrise. Mit der sich noch in Arbeit befindlichen China-Strategie Deutschlands im Hinterkopf werde sie daran arbeiten, Wege zu finden, “um uns auf eine neue Grundlage unserer künftigen Beziehungen zu einigen, basierend auf Gegenseitigkeit“, sagte Flor.
Die 60-Jährige war zuvor seit Mitte 2018 Botschafterin der Europäischen Union in Japan und im Rahmen des Auswärtigen Dienstes auf verschiedenen Posten in deutschen Botschaften und Vertretungen tätig. Flor folgt auf Jan Hecker, der im September unerwartet verstarb (China.Table berichtete). Die Botschaft in Peking gehört zu den wichtigsten deutschen Auslandsvertretungen neben Washington und Paris. Nach Heckers Tod kurz vor der Bundestagswahl galt als ausgemacht, dass die alte Regierung nicht sofort einen Ersatz benennt, sondern die Nachfolge-Regierung über die Top-Personalie entscheiden lässt. Mit Flor ist der höchste Posten in der deutschen Botschaft in Peking erstmals mit einer Frau besetzt. ari
Chinas Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal ist hinter den ohnehin schon pessimistischen Erwartungen zurückgeblieben. Wie das Pekinger Statistikamt am Freitag berichtete, legte die Wirtschaft im Vorjahresvergleich lediglich noch um 0,4 Prozent zu. Vorhergesagt hatten Analysten im Durchschnitt ein Wachstum zwischen einem und 1,4 Prozent.
Verglichen mit dem ersten Quartal schrumpfte die Wirtschaft sogar um 2,6 Prozent. Ein so niedriges Wachstum gab es in China zuletzt nur während des ersten Ausbruchs der Corona-Pandemie im Jahr 2020.
Die schwachen Daten verdeutlichen, wie stark die Corona-Lockdowns in Shanghai und anderen Metropolen der Wirtschaft geschadet haben. Auch bei deutschen Wirtschaftsvertretern lösten die schwachen Daten neue Rufe nach einer Lockerung der Corona-Maßnahmen aus. “Die Quartalswachstumszahlen spiegeln deutlich die negativen Effekte der chinesischen Null-Corona-Politik auf die Wirtschaft wider”, sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China (AHK). Die neuen Daten hätten gezeigt, dass Nachfrage, Produktion und Lieferketten fast zum Erliegen kamen.
Peking steht nun vor der schwierigen Aufgabe, die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte anzukurbeln. Gleichzeitig will es aber nicht von seinen Corona-Maßnahmen abrücken. Jeder neue Ausbruch könnte die wackelige Konjunktur noch weiter aus der Bahn werfen. Auch droht der zuletzt erstarkte Export als Wachstumsstütze wegzufallen, sollte sich die Konjunktur auf für China wichtigen Märkten wie der EU und den USA weiter abkühlen.
Es zeichnet sich ab, dass Peking vor allem auf neue Schulden und Infrastruktur-Investitionen setzen wird, um der Wirtschaft neuen Schwung zu verleihen (China.Table berichtete). Ökonomen bezweifeln jedoch, dass selbst mit solch massiven Maßnahmen das bisher angestrebte Wachstumsziel von 5,5 Prozent noch erreicht werden kann. jpt
Die Immobilienpreise sind in China im Juni weiter gesunken. Es ist der zehnte Monat mit abnehmenden Preisen in Folge, wie Daten des Nationalen Statistikamts zeigen. Auch die Verkäufe von Eigenheimen gingen im Vorjahresvergleich zurück, wie Bloomberg berichtet. Sie liegen schon seit zwölf Monaten im Minus.
Chinas Immobilien-Sektor befindet sich in einer ernsten Krise. Zahlreiche große Immobilienentwickler wie Evergrande oder Shimao sind hoch verschuldet. Bei Fremdwährungs-Anleihen mussten die Unternehmen schon mehrmals um Zahlungsaufschub bitten. Auch bei chinesischen Gläubigern scheint die Geduld mittlerweile am Ende. Jüngst wurde bekannt, dass lokale Gläubiger erstmals einen Zahlungsaufschub für eine Evergrande-Anleihe abgelehnt haben. Diese Entwicklung könnte zu einem Onshore-Zahlungsausfall führen, so Bloomberg. Das Unternehmen bemüht sich demnach weiterhin um Zahlungsaufschub. Im Dezember vergangenen Jahres war Evergrande schon mit der Zahlung von Dollar-Anleihen in Verzug geraten.
Vergangene Woche wurde zudem bekannt, dass Immobilienkäufer zunehmend die Zahlung ihrer Hypothekenraten aussetzen (China.Table berichtete). In China ist es gängige Praxis, Wohnungen schon vor Baubeginn zu kaufen. Landesweit halten Baufirmen die Zeitpläne für Bauprojekte allerdings nicht ein. Wohnungskäufer zahlen dadurch monatliche Raten, ohne ihre Wohnungen beziehen zu können. nib
Chinas Behörden haben zwei Pläne für nachhaltige Städte veröffentlicht. Mit dem “14. Fünfjahresplan für eine Urbanisierung neuen Typs” und einem Implementierungsplan zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes im städtischen und ländlichen Bausektor sollen die Städte und der Bausektor nachhaltiger werden, wie die Beratungsfirma Trivium China berichtet. Der Fünfjahresplan sieht unter anderem eine:
Der Implementierungsplan sieht bis zum Jahr 2025 folgende Ziele vor:
Die fast zeitgleiche Publikation dieser Pläne deutet laut Trivium darauf hin, dass sich Peking mehr Anstrengungen im Bereich nachhaltiger Städte und einem weniger CO2-intensiven Bausektor wünscht. nib
In China mehren sich Medienberichten zufolge die Hinweise auf einen anstehenden Erstflug des bisher geheimgehaltenen Tarnkappen-Bombers “Xian H-20”. Der Chef der Flugtestsparte des staatlichen chinesischen Luftfahrtkonzerns Avic gab kürzlich auf einer Kundgebung bekannt, dass “ein wesentliches Flugzeug mit entscheidender strategischer und historischer Bedeutung” in Kürze seinen ersten Testflug absolvieren solle. Wie die staatliche Zeitung Global News berichtet, forderte Heping in diesem Zusammenhang alle an dem Testprogramm beteiligten Mitarbeiter auf, “sich der äußersten Wichtigkeit bewusst zu sein, diese Mission erfolgreich abzuschließen.” Um welches Flugzeug es konkret ging, blieb bei der Ankündigung jedoch unklar. Angesichts der hochtragenden Worte wird in den Medien nun spekuliert, dass es sich beim Testflug um den Stealth Bomber “Xian H-20” handeln muss.
Über das Flugzeug ist bisher nicht viel bekannt. Für die strategische Ausrichtung der chinesischen Luftwaffe wäre der neue Bomber eine echte Zäsur, bisher haben nur die USA einen eigenen flugbereiten Tarnkappenbomber entwickelt. Schätzungen von Analysten zufolge soll die Xian H-20 zwischen 8.500 und 12.000 Kilometer weit fliegen können und der strategischen Bomberflotte Chinas damit zum ersten Mal “wirklich interkontinentale” Angriffskapazität verleihen. ari
Ihre Karriere als China-Expertin beginnt mit einem Kung-Fu-Kurs. Da ist Antonia Hmaidi gerade einmal fünfzehn Jahre alt, aber schon Abiturientin in Schwäbisch-Hall. Die Hochbegabte hat vier Klassen übersprungen. Studieren will sie noch nicht. Denn trotz der rasanten Schullaufbahn hat sie erst einmal genug von Zahlen und Buchstaben. “Ich bin ein Abenteurertyp”, sagt die 29-Jährige auch heute.
Kampfsport betreibt sie schon seit ihrer frühen Kindheit. Dann reizt es sie, nach der Schule für drei Monate eine Kung-Fu-Schule in China zu besuchen. Die örtliche Bürgerstiftung und Unternehmen helfen bei der Finanzierung. Als sie zurückkommt, nimmt sie in Bochum ihr Studium ostasiatischer Wirtschaft und Politik auf. “Ich bin kein glühender Anhänger der chinesischen Kultur”, sagt sie. “Aber die wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge interessieren mich seit meinem ersten Chinabesuch in der Kung-Fu-Schule.”
In Bochum macht sie ihren Bachelor, studiert ein Jahr in Peking und absolviert ihren Master in Internationalen Beziehungen in Genf samt Studienaufenthalt in Neu-Delhi. Die Erfahrungen im Ausland genießt sie. Peking empfindet sie als aufregend. “Man hatte den Eindruck, das Land öffne sich.” Doch das hat sich nicht bewahrheitet. “Damals durften Chinesen noch von der offiziellen Parteilinie abweichen. Das findet man heute kaum mehr”, sagt Hmaidi.
Sie forscht nach ihrer akademischen Karriere, unter anderem für die Bertelsmann Stiftung und lehrt an der Uni Duisburg-Essen. Ein Schwerpunkt: Chinas repressive Sozialkredit-Systeme. Dass Chinas Regierung auch gegenüber Ausländern Druck ausübt, muss sie 2018 erfahren. Im Rahmen eines Vortrags vor dem Chaos Computer Club (CCC) kritisiert sie das Vorgehen der Regierung gegen die Minderheit der Uiguren. “Bekannte aus dem Kultusministerium haben mir anschließend zu verstehen gegeben, dass ich nun besser nicht mehr nach China einreise”, erzählt sie. “Das hat mich überrascht. Ich dachte, ich sei zu unwichtig.”
Seither hat sich Ihre Arbeit verändert. “Meine Forschungen sind ausschließlich datengetrieben”, sagt sie. Der Austausch mit Kollegen in China ist zu riskant. Selbst per Videokonferenz geht nichts. “Ich wüsste nie, ob mein Gesprächspartner die Wahrheit sagt, und wenn er es tut, bringt er sich damit womöglich in Gefahr. Das will ich nicht verantworten”, sagt sie.
Seit Juni dieses Jahres ist Hmaidi in Berlin am Mercator Institut für China-Studien (Merics) angestellt. Hier beschäftigt sie sich unter anderem mit Chinas Streben nach technischer Eigenständigkeit, vor allem mit der Halbleiterproduktion des Landes. “Halbleiter sind ein Schlüssel zur Macht, zum Beispiel wegen ihrer Verwendung in Waffensystemen”, sagt sie.
Sie erforscht zudem Chinas Desinformations- und Hacking-Kampagnen. Das nötige technische Know-how hat sie sich selbst beigebracht. Seit Jahren ist sie Mitglied im CCC. Sie kann Server aufsetzen, Datenbanken installieren und programmieren.
Mit ihrer neuen Stelle verknüpft sie nach ihren vielen Reisen nun Sesshaftigkeit. Sie will in Berlin bleiben. “Das ist jetzt erstmal meine Heimat.” Andreas Schulte
Yao Lin ist als Vorsitzender der Aluminum Corp. of China (Chinalco) zurückgetreten. Der 57-Jährige stand drei Jahre an der Spitze des größten staatlichen Aluminiumherstellers des Landes. Laut dem Wirtschaftsportal Caixin wird Yao wahrscheinlich eine wichtige Position an anderer Stelle einnehmen. Details wurden nicht genannt.
Florian Müller ist neuer Wirtschaftskorrespondent für China bei der Süddeutschen Zeitung. Müller arbeitete davor unter anderem für die Nachrichtenagentur AFP.
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Sieben Jahre nach Baubeginn ist ein Teilabschnitt der Bar-Boljare-Autobahn in Montenegro eröffnet worden. Der 41 Kilometer lange Abschnitt Smokovac-Matesevo ist Teil der Neuen Seidenstraße. Die Schnellstraße ist in dem kleinen Staat südlich von Kroatien äußerst umstritten: Montenegro hatte für das Bauprojekt Geld von China geliehen. NGOs fordern nun von der Regierung die Offenlegung der Kosten und werfen den Verantwortlichen Korruption vor.
rund zehn Monate lang war der höchste diplomatische Posten Deutschlands in China vakant. Nun gibt es wieder eine Vertreterin in Peking: Botschafterin Patricia Flor hat am Freitag ihre Akkreditierungspapiere im Außenministerium überreicht. Auf den sozialen Medien präsentierte sich die Diplomatin in einem Vorstellungsvideo erstmals auf Mandarin und Englisch. Welche Themen Flor anpacken möchte, lesen Sie heute in unseren News. Eines ist bereits klar: Die 60-Jährige tritt ihren neuen Job in politisch hoch angespannten Zeiten an – geopolitisch, aber auch in der Volksrepublik selbst.
Denn im Herbst stellt sich die Führung beim Parteitag der KPCh neu auf. Die heiße Phase ist aber schon jetzt. Denn die Entscheidungen darüber, wer welchen Posten bekommt, seien bis zum Parteitag längst getroffen, betont der Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider im Gespräch mit Michael Radunski. Sandschneider erklärt, welche Probleme Xi Jinping vor dem großen Polit-Happening hat und welche Ziele er verfolgt: “Xi ist der große Moderator, nicht der große Alleinherrscher.” Auch der wachsende Unmut in der Bevölkerung ob der anhaltend strengen Corona-Maßnahmen geht Sandschneider zufolge an Xi nicht problemlos vorbei.
Der harte Corona-Lockdown in Shanghai ist indes nicht unbeteiligt daran, dass der chinesische Hersteller BYD mittlerweile an Tesla vorbeigezogen ist. BYD baut den Großteil seiner Fahrzeuge im südchinesischen Shenzhen, das weniger von Corona-Maßnahmen betroffen war als Shanghai, wo Tesla sitzt. Das ist aber nicht der einzige Grund für das Überholmanöver aus Shenzhen, wie unser Autorenteam in China schreibt: Auch technologisch habe BYD gut aufgeholt.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche!
Herr Sandschneider, warten Sie schon gespannt auf den Herbst?
Nein. Warum sollte ich?
Der große Parteitag der KP China steht an.
Das stimmt. Aber wenn im Herbst der Parteitag zusammenkommt, dann ist alles schon entschieden. Jetzt ist die spannende Zeit, jetzt werden die Entscheidungen getroffen. In Zhongnanhai, in Beidaihe oder wo immer sich die Herren zusammensetzen. Was im Herbst stattfindet, ist pure Akklamation.
Und was hören Sie?
Ich höre von Gerüchten, dass der Parteitag vielleicht vorgezogen werden soll. Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht.
Wenn er nun vorgezogen würde, wäre das gut oder schlecht für Xi Jinping?
Das wäre gut für Xi, ökonomisch und politisch. Ökonomisch, weil aktuell die wirtschaftlichen Folgen der vielen Lockdowns noch nicht voll auf die Wirtschaft durchschlagen. Die aktuellen Wirtschaftszahlen sind derzeit noch besser als sie im Herbst sein werden und…
… und Sie glauben, dass Chinas Führung im Herbst auch schlechte Daten veröffentlichen würde?
Nein, mit Sicherheit nicht. Schlecht ist relativ. Alle veröffentlichten Wirtschaftsdaten waren, sind und werden immer politisch gelenkt sein. Darauf kann man nichts geben. Wenn Xi glaubt, eine Fünf vor dem Komma zu brauchen, wird er sie auch bekommen. Aber durch die strikte Corona-Politik hat der Druck der Realität auf die Führung in Peking enorm zugenommen.
Und politisch?
Politisch wäre ein vorgezogener Parteitag gut für Xi, weil das bedeuten würde, dass der Regierungswechsel relativ reibungslos vollzogen würde.
Welcher Regierungswechsel? Xi Jinping hat sich doch schon im Vorfeld eine dritte Amtszeit als Präsident gesichert, was seit Deng Xiaoping verfassungsmäßig untersagt war.
Das stimmt. An Xis dritter Amtszeit besteht kaum Zweifel. Alles andere käme einer Revolution gleich. Aber die große Frage ist, ob es ihm gelingen wird, seine Vertrauten in Führungspositionen zu bringen, so wie er das braucht. Das wird schwierig, und deshalb glaube ich auch nicht an einen frühen Parteitag.
Sie zweifeln, dass Xi als starker Mann an der Spitze seine Vertrauten in Position bringen wird?
Tja, in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation, in Anbetracht der großen Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung über den Umgang mit der Corona-Pandemie ist das alles andere als sicher. Sie müssen sehen, viele seiner Vertrauten werden in den Ruhestand gehen, angefangen von Liu He über Yang Jiechi bis hin zu Li Keqiang. Aber Xi braucht wieder ein Netzwerk um sich herum, dass ihn dann auch trägt.
Dabei wird Xi gerne als fast schon allmächtiger Führer Chinas dargestellt.
Das ist eine Fehleinschätzung, die vor allem im Westen gerne vorgenommen wird. Egal wer an der Spitze der KP steht, muss viele unterschiedliche Fraktionen, Clans, Gruppierungen ausbalancieren. Die Alt-Kommunisten, die Reformer und wen es da nicht alles gibt. Sie mögen in den vergangenen Jahren vielleicht weniger sichtbar gewesen sein, es gibt es aber dennoch weiterhin. Xi ist der große Moderator, nicht der große Alleinherrscher.
Aber wir hören und sehen doch fast täglich lautstarke Solidaritätsbekundungen aus den Provinzen. Sie alle schwören Xi Jinping die Treue und geloben Unterstützung.
Das ist das übliche Spiel. Ich bin mir nicht sicher, ob da Solidarität demonstriert oder doch eher geheuchelt wird. Sicher ist allerdings: Das ist reine Show, die kurz vor einem Parteitag dazugehört.
Läuft also alles wie immer?
Nicht unbedingt. Die Probleme sind groß und gleichzeitig gibt es eine Teillähmung der Kommunistischen Partei, vor allem auf der mittleren und unteren Ebene. Dort warten alle ab, was oben passiert. Keiner wagt, seinen Kopf herauszustrecken. Der Letzte, der das gewagt hat, war Bo Xilai…
… und der sitzt seitdem hinter Gittern. Also wer ist denn Xi nun: Anfangs glaubte man in ihm einen großen Reformer zu erkennen. Doch dann folgten eine fortschreitende Abschottung des Landes, eine Ideologisierung und Re-Nationalisierung.
Das ist alles richtig. Aber ich kann bei all dem kein Streben nach Allmacht erkennen. Alles, was Xi Jinping in seiner Verantwortung getan hat – auch die Rückschritte und Einengungen der Bewegung wie auch der thematischen Spielräume – all das sehe ich als klares Indiz für seine Risikowahrnehmung in der chinesischen Gesellschaft. Das, was in den Jahren 2000 bis 2012 in China passiert ist, war ihm offensichtlich zu liberal und auch zu gefährlich.
Inwiefern?
Ein Schlüsselmoment war sicherlich der Verlust des Informationsmonopols durch soziale Medien. Das war einst das zentrale Herrschaftselement der KP – und das war ihnen in den Jahren 2007 durch das iPhone bis 2012 verloren gegangen. Doch seither tut man alles Mögliche, um diese Kontrolle wiederzuerlangen. Ja, sie sogar noch durch Technologie zu stärken.
Sie meinen das harte Vorgehen gegen Tech-Konzerne?
Ja, auch. Sehen Sie, Xi Jinping macht das ja nicht, weil er denkt, dass chinesische Tech-Konzerne zu gut sind oder zu viel Geld verdienen. Er geht auch nicht wegen persönlicher Abneigung gegen quatschende Unternehmer wie Jack Ma vor. Alle das sieht Xi als gefährlich an. Kontrollverlust ist für ihn die schlimmste Befürchtung.
Im Ernst, gefährlich für die Volksrepublik China?
Nein, gefährlich für den Machterhalt der Kommunistischen Partei. Das ist die zentrale Größe. Die Kommunistische Partei Chinas steht immer über dem Land. Wir im Westen machen diesen Fehler immer wieder: Wir sehen in Chinas Politikern immer die Regierungsbeamten, aber das ist gar nicht so wichtig. Entscheidend sind ihre Parteifunktionen. Xi Jinping ist natürlich der Staatspräsident Chinas, aber das wichtigste Amt ist seine Rolle als Vorsitzender der zentralen Militärkommission. Xi geht es vor allem um Stabilität und Machterhalt.
Das schließt sich der Kreis: Deng Xiaoping wollte durch die Amtszeitbegrenzung für den Präsidenten für Stabilität sorgen, damit Exzesse wie unter Mao verhindert werden. Das hat Xi nun abgeschafft, der Parteitag wird seiner dritten Amtszeit zustimmen.
Ja, aber erlauben Sie mir den Hinweis: Wenn sie von Stabilität sprechen – auch für uns im globalen Maßstab – mache ich mir keine Sorgen um China, sondern viel mehr um die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir werden im November bei den Midterms zittern. Und wir werden erst recht 2024 zittern, wenn zu befürchten steht, dass Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen wird. Dann ist der große Unsicherheitsfaktor in der internationalen Politik nicht Peking, sondern Washington. Gemessen an der Situation in den USA erscheint China paradoxerweise fast wie ein Hort der Stabilität.
Eberhard Sandschneider war von 1998 bis 2020 Professor für Politik Chinas und internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin. Von 2003 bis 2016 war er zudem Otto-Wolff-Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Inzwischen ist er Partner bei der Beratungsfirma “Berlin Global Advisors”.
Tesla hatte in den vergangenen Monaten in China mit deutlichen Problemen zu kämpfen. Weil die Fabrik in Shanghai vom großen Lockdown betroffen war, verkaufte der US-Autobauer laut Schätzungen 80.000 bis 100.000 Autos weniger als eigentlich geplant.
Dies war auch der maßgebliche Grund dafür, dass der Konzern von Elon Musk bei seinen weltweiten Verkäufen erstmals seit drei Jahren wieder hinter den chinesischen Elektro-Platzhirschen BYD zurückgefallen ist. Während Tesla in der ersten Jahreshälfte weltweit 564.000 Autos absetzte, konnte der Shenzhener Konzern 641.000 Fahrzeuge verkaufen – das sind 300 Prozent mehr als im Vorjahresvergleich.
Ganz gerecht ist der Vergleich von Tesla und BYD freilich nicht. Denn während Tesla ausschließlich Premium-Elektroautos produziert, handelt es sich bei rund der Hälfte der von BYD produzierten Fahrzeuge noch um Plug-in-Hybride. Die haben neben einer großen Batterie auch einen Verbrennungsmotor. Hinzu kommt geografisches Glück. BYD baut den Großteil seiner Fahrzeuge im südchinesischen Shenzhen, das weniger von harten Corona-Maßnahmen betroffen war als Shanghai.
Unter Autoexperten gibt es dennoch kaum Zweifel, dass BYD seine steile Erfolgsgeschichte fortsetzen wird und auch außerhalb Chinas sowohl für Tesla als auch für die deutschen Premium-Hersteller in Zukunft die wohl größte Herausforderung darstellen wird. US-Investor Warren Buffett hatte anscheinend den richtigen Riecher, als er sich bereits 2008 mit acht Prozent an BYD beteiligte. Der Aktienkurs des an der Hongkonger Börse gelisteten Unternehmens hat sich seitdem mehr als verzwanzigfacht. Erst Ende Juni markierten die Papiere ein neues Allzeithoch.
Mitte der 1990er Jahre vom ehemaligen Universitätsprofessor Wang Chuanfu gegründet, begann BYD als Hersteller von wiederaufladbaren Batterien, bevor es Anfang der 2000er-Jahre in die Automobilindustrie expandierte. Davon, dass BYD seine eigenen Batterien herstellt und viel in Forschung investiert hat, profitiert das Unternehmen immer spürbarer.
“BYD hat sich in den letzten fünf Jahren deutlich weiterentwickelt und nach oben positioniert”, so der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Die Fahrzeuge seien modern, “state of the art” und damit auch deutliche Wettbewerber für die deutschen Premium-Hersteller in China.
Ein wesentlicher Punkt sei das große Batterie-Knowhow von BYD, das etwa in der sogenannten Blade-Batterie zum Ausdruck komme. Dabei handelt es sich um großformatige prismatische Zellen, die deutlich höhere Energiedichten auf gleichem Volumen erlauben. “BYD bildet hier die Spitze der Entwicklung ab”, sagt Dudenhöffer.
Auch bei der Batterie-Integration ins Fahrzeug sei BYD sehr innovativ und nutze bereits die sogenannte Cell-to-Chassis-Technik. Hierbei werden die Batterien direkt mit dem Fahrgestell verbunden, womit das Gewicht des Autos reduziert werden kann (China.Table berichtete). Cell-to-Chassis macht zwar auch Tesla – BYD sei hier aber Mercedes und BMW deutlich voraus.
Die steigenden Verkaufszahlen, so Dudenhöffer, seien daher keine Eintagsfliege. “BYD wird bald auch in Europa auf sich aufmerksam machen”, schlussfolgert der Autoexperte, der aber auch anderen chinesischen Herstellern gute Chancen einräumt. SAIC, FAW, XPeng, Nio, Geely, Lynck & Co, Polestar zeigten, wie stark die Chinesen sind und sich Stück für Stück in den westlichen Automärkten nach oben entwickelten. “Wir kommen in die Phase, in der die Teslas von China lernen”, ist Dudenhöffer überzeugt.
BYD verkauft bereits heute Elektrobusse in Europa, Japan und Indien und unternimmt Schritte, um auch PKW in Europa, Australien, Lateinamerika und den Philippinen auf den Markt zu bringen. Erst Anfang des Monats unterzeichneten die Chinesen einen Vertrag mit dem niederländischen Autohändler Louwman. Auch in Südostasien prüft BYD derzeit seine Möglichkeiten. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Deutschlands höchster diplomatischer Posten in China ist wieder besetzt: Botschafterin Patricia Flor überreichte am Freitag ihre Akkreditierungspapiere in Peking, wie sie auf Twitter mitteilte. “In Zeiten der grundlegenden Veränderung brauchen wir, Deutschland, die EU und China, einen klaren Blick darauf, was wir gemeinsam erreichen können”, sagte Flor in einem Vorstellungsvideo. Darin schlug sie auch kritische Töne an. “Wir sind uns in einigen Kernfragen nicht einig, zum Beispiel in unserer Auslegung der Menschenrechte und in unserer Haltung zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine”, so die ehemalige EU-Diplomatin.
Gleichzeitig gebe es jedoch Herausforderungen, die nur gemeinsam bewältigt werden könnten. Flor nannte hier den Klimawandel und die globale Ernährungskrise. Mit der sich noch in Arbeit befindlichen China-Strategie Deutschlands im Hinterkopf werde sie daran arbeiten, Wege zu finden, “um uns auf eine neue Grundlage unserer künftigen Beziehungen zu einigen, basierend auf Gegenseitigkeit“, sagte Flor.
Die 60-Jährige war zuvor seit Mitte 2018 Botschafterin der Europäischen Union in Japan und im Rahmen des Auswärtigen Dienstes auf verschiedenen Posten in deutschen Botschaften und Vertretungen tätig. Flor folgt auf Jan Hecker, der im September unerwartet verstarb (China.Table berichtete). Die Botschaft in Peking gehört zu den wichtigsten deutschen Auslandsvertretungen neben Washington und Paris. Nach Heckers Tod kurz vor der Bundestagswahl galt als ausgemacht, dass die alte Regierung nicht sofort einen Ersatz benennt, sondern die Nachfolge-Regierung über die Top-Personalie entscheiden lässt. Mit Flor ist der höchste Posten in der deutschen Botschaft in Peking erstmals mit einer Frau besetzt. ari
Chinas Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal ist hinter den ohnehin schon pessimistischen Erwartungen zurückgeblieben. Wie das Pekinger Statistikamt am Freitag berichtete, legte die Wirtschaft im Vorjahresvergleich lediglich noch um 0,4 Prozent zu. Vorhergesagt hatten Analysten im Durchschnitt ein Wachstum zwischen einem und 1,4 Prozent.
Verglichen mit dem ersten Quartal schrumpfte die Wirtschaft sogar um 2,6 Prozent. Ein so niedriges Wachstum gab es in China zuletzt nur während des ersten Ausbruchs der Corona-Pandemie im Jahr 2020.
Die schwachen Daten verdeutlichen, wie stark die Corona-Lockdowns in Shanghai und anderen Metropolen der Wirtschaft geschadet haben. Auch bei deutschen Wirtschaftsvertretern lösten die schwachen Daten neue Rufe nach einer Lockerung der Corona-Maßnahmen aus. “Die Quartalswachstumszahlen spiegeln deutlich die negativen Effekte der chinesischen Null-Corona-Politik auf die Wirtschaft wider”, sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China (AHK). Die neuen Daten hätten gezeigt, dass Nachfrage, Produktion und Lieferketten fast zum Erliegen kamen.
Peking steht nun vor der schwierigen Aufgabe, die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte anzukurbeln. Gleichzeitig will es aber nicht von seinen Corona-Maßnahmen abrücken. Jeder neue Ausbruch könnte die wackelige Konjunktur noch weiter aus der Bahn werfen. Auch droht der zuletzt erstarkte Export als Wachstumsstütze wegzufallen, sollte sich die Konjunktur auf für China wichtigen Märkten wie der EU und den USA weiter abkühlen.
Es zeichnet sich ab, dass Peking vor allem auf neue Schulden und Infrastruktur-Investitionen setzen wird, um der Wirtschaft neuen Schwung zu verleihen (China.Table berichtete). Ökonomen bezweifeln jedoch, dass selbst mit solch massiven Maßnahmen das bisher angestrebte Wachstumsziel von 5,5 Prozent noch erreicht werden kann. jpt
Die Immobilienpreise sind in China im Juni weiter gesunken. Es ist der zehnte Monat mit abnehmenden Preisen in Folge, wie Daten des Nationalen Statistikamts zeigen. Auch die Verkäufe von Eigenheimen gingen im Vorjahresvergleich zurück, wie Bloomberg berichtet. Sie liegen schon seit zwölf Monaten im Minus.
Chinas Immobilien-Sektor befindet sich in einer ernsten Krise. Zahlreiche große Immobilienentwickler wie Evergrande oder Shimao sind hoch verschuldet. Bei Fremdwährungs-Anleihen mussten die Unternehmen schon mehrmals um Zahlungsaufschub bitten. Auch bei chinesischen Gläubigern scheint die Geduld mittlerweile am Ende. Jüngst wurde bekannt, dass lokale Gläubiger erstmals einen Zahlungsaufschub für eine Evergrande-Anleihe abgelehnt haben. Diese Entwicklung könnte zu einem Onshore-Zahlungsausfall führen, so Bloomberg. Das Unternehmen bemüht sich demnach weiterhin um Zahlungsaufschub. Im Dezember vergangenen Jahres war Evergrande schon mit der Zahlung von Dollar-Anleihen in Verzug geraten.
Vergangene Woche wurde zudem bekannt, dass Immobilienkäufer zunehmend die Zahlung ihrer Hypothekenraten aussetzen (China.Table berichtete). In China ist es gängige Praxis, Wohnungen schon vor Baubeginn zu kaufen. Landesweit halten Baufirmen die Zeitpläne für Bauprojekte allerdings nicht ein. Wohnungskäufer zahlen dadurch monatliche Raten, ohne ihre Wohnungen beziehen zu können. nib
Chinas Behörden haben zwei Pläne für nachhaltige Städte veröffentlicht. Mit dem “14. Fünfjahresplan für eine Urbanisierung neuen Typs” und einem Implementierungsplan zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes im städtischen und ländlichen Bausektor sollen die Städte und der Bausektor nachhaltiger werden, wie die Beratungsfirma Trivium China berichtet. Der Fünfjahresplan sieht unter anderem eine:
Der Implementierungsplan sieht bis zum Jahr 2025 folgende Ziele vor:
Die fast zeitgleiche Publikation dieser Pläne deutet laut Trivium darauf hin, dass sich Peking mehr Anstrengungen im Bereich nachhaltiger Städte und einem weniger CO2-intensiven Bausektor wünscht. nib
In China mehren sich Medienberichten zufolge die Hinweise auf einen anstehenden Erstflug des bisher geheimgehaltenen Tarnkappen-Bombers “Xian H-20”. Der Chef der Flugtestsparte des staatlichen chinesischen Luftfahrtkonzerns Avic gab kürzlich auf einer Kundgebung bekannt, dass “ein wesentliches Flugzeug mit entscheidender strategischer und historischer Bedeutung” in Kürze seinen ersten Testflug absolvieren solle. Wie die staatliche Zeitung Global News berichtet, forderte Heping in diesem Zusammenhang alle an dem Testprogramm beteiligten Mitarbeiter auf, “sich der äußersten Wichtigkeit bewusst zu sein, diese Mission erfolgreich abzuschließen.” Um welches Flugzeug es konkret ging, blieb bei der Ankündigung jedoch unklar. Angesichts der hochtragenden Worte wird in den Medien nun spekuliert, dass es sich beim Testflug um den Stealth Bomber “Xian H-20” handeln muss.
Über das Flugzeug ist bisher nicht viel bekannt. Für die strategische Ausrichtung der chinesischen Luftwaffe wäre der neue Bomber eine echte Zäsur, bisher haben nur die USA einen eigenen flugbereiten Tarnkappenbomber entwickelt. Schätzungen von Analysten zufolge soll die Xian H-20 zwischen 8.500 und 12.000 Kilometer weit fliegen können und der strategischen Bomberflotte Chinas damit zum ersten Mal “wirklich interkontinentale” Angriffskapazität verleihen. ari
Ihre Karriere als China-Expertin beginnt mit einem Kung-Fu-Kurs. Da ist Antonia Hmaidi gerade einmal fünfzehn Jahre alt, aber schon Abiturientin in Schwäbisch-Hall. Die Hochbegabte hat vier Klassen übersprungen. Studieren will sie noch nicht. Denn trotz der rasanten Schullaufbahn hat sie erst einmal genug von Zahlen und Buchstaben. “Ich bin ein Abenteurertyp”, sagt die 29-Jährige auch heute.
Kampfsport betreibt sie schon seit ihrer frühen Kindheit. Dann reizt es sie, nach der Schule für drei Monate eine Kung-Fu-Schule in China zu besuchen. Die örtliche Bürgerstiftung und Unternehmen helfen bei der Finanzierung. Als sie zurückkommt, nimmt sie in Bochum ihr Studium ostasiatischer Wirtschaft und Politik auf. “Ich bin kein glühender Anhänger der chinesischen Kultur”, sagt sie. “Aber die wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge interessieren mich seit meinem ersten Chinabesuch in der Kung-Fu-Schule.”
In Bochum macht sie ihren Bachelor, studiert ein Jahr in Peking und absolviert ihren Master in Internationalen Beziehungen in Genf samt Studienaufenthalt in Neu-Delhi. Die Erfahrungen im Ausland genießt sie. Peking empfindet sie als aufregend. “Man hatte den Eindruck, das Land öffne sich.” Doch das hat sich nicht bewahrheitet. “Damals durften Chinesen noch von der offiziellen Parteilinie abweichen. Das findet man heute kaum mehr”, sagt Hmaidi.
Sie forscht nach ihrer akademischen Karriere, unter anderem für die Bertelsmann Stiftung und lehrt an der Uni Duisburg-Essen. Ein Schwerpunkt: Chinas repressive Sozialkredit-Systeme. Dass Chinas Regierung auch gegenüber Ausländern Druck ausübt, muss sie 2018 erfahren. Im Rahmen eines Vortrags vor dem Chaos Computer Club (CCC) kritisiert sie das Vorgehen der Regierung gegen die Minderheit der Uiguren. “Bekannte aus dem Kultusministerium haben mir anschließend zu verstehen gegeben, dass ich nun besser nicht mehr nach China einreise”, erzählt sie. “Das hat mich überrascht. Ich dachte, ich sei zu unwichtig.”
Seither hat sich Ihre Arbeit verändert. “Meine Forschungen sind ausschließlich datengetrieben”, sagt sie. Der Austausch mit Kollegen in China ist zu riskant. Selbst per Videokonferenz geht nichts. “Ich wüsste nie, ob mein Gesprächspartner die Wahrheit sagt, und wenn er es tut, bringt er sich damit womöglich in Gefahr. Das will ich nicht verantworten”, sagt sie.
Seit Juni dieses Jahres ist Hmaidi in Berlin am Mercator Institut für China-Studien (Merics) angestellt. Hier beschäftigt sie sich unter anderem mit Chinas Streben nach technischer Eigenständigkeit, vor allem mit der Halbleiterproduktion des Landes. “Halbleiter sind ein Schlüssel zur Macht, zum Beispiel wegen ihrer Verwendung in Waffensystemen”, sagt sie.
Sie erforscht zudem Chinas Desinformations- und Hacking-Kampagnen. Das nötige technische Know-how hat sie sich selbst beigebracht. Seit Jahren ist sie Mitglied im CCC. Sie kann Server aufsetzen, Datenbanken installieren und programmieren.
Mit ihrer neuen Stelle verknüpft sie nach ihren vielen Reisen nun Sesshaftigkeit. Sie will in Berlin bleiben. “Das ist jetzt erstmal meine Heimat.” Andreas Schulte
Yao Lin ist als Vorsitzender der Aluminum Corp. of China (Chinalco) zurückgetreten. Der 57-Jährige stand drei Jahre an der Spitze des größten staatlichen Aluminiumherstellers des Landes. Laut dem Wirtschaftsportal Caixin wird Yao wahrscheinlich eine wichtige Position an anderer Stelle einnehmen. Details wurden nicht genannt.
Florian Müller ist neuer Wirtschaftskorrespondent für China bei der Süddeutschen Zeitung. Müller arbeitete davor unter anderem für die Nachrichtenagentur AFP.
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Sieben Jahre nach Baubeginn ist ein Teilabschnitt der Bar-Boljare-Autobahn in Montenegro eröffnet worden. Der 41 Kilometer lange Abschnitt Smokovac-Matesevo ist Teil der Neuen Seidenstraße. Die Schnellstraße ist in dem kleinen Staat südlich von Kroatien äußerst umstritten: Montenegro hatte für das Bauprojekt Geld von China geliehen. NGOs fordern nun von der Regierung die Offenlegung der Kosten und werfen den Verantwortlichen Korruption vor.