Table.Briefing: China

Die 1.000-Kilometer-Batterie + Vorsicht bei Forschungskooperation

  • Batterien von CATL: Der Wettlauf um die 1000-km-Marke
  • Im Interview: Almuth Wietholtz-Eisert von der Leibniz-Gemeinschaft
  • Tesla in Shanghai überwindet Chip-Mangel
  • CATL erwirbt Lithium Millenial
  • VW errichtet Batteriefabrik in Anhui
  • Evergrande kippt Börsengang der E-Auto-Sparte
  • Goldman Sachs rechnet mit weniger Wachstum
  • Geely will Smartphones herstellen
  • Personalien: Neuer VW-Produktstratege für NEV-Bereich
  • IW-Ökonom Jürgen Matthes: Unternehmen fordern robustere Handelspolitik
Liebe Leserin, lieber Leser,

bei der Fahrleistung von Lithium-Ionen-Batterien ist noch einiges möglich. Das beweist derzeit CATL aus Ningde. Eine Reichweite von über 1.000 Kilometern strebt der Weltmarktführer mit neuer Batterietechnik an und setzt auf mehrere Optionen. Christiane Kühl analysiert, mit welchen technischen und geschäftlichen Kniffen sich CATL an die Spitze setzen will.

Die Werkbank der Welt – das ist China zwar auch weiterhin. Doch längst strebt die Volksrepublik auch bei E-Autos, Chips und weiteren High-Tech Branchen die Führerschaft an. Die Förderung von Innovationen, Forschung und Wissenschaft stehen in Peking daher hoch auf der Agenda, wie zuletzt Staats- und Parteichef Xi Jinping in einer Rede noch mal betont hat. Deutsche Wissenschaftler sollten aber nicht die gleichen Fehler machen wie Ingenieure und Unternehmenslenker, warnt nun Almuth Wietholtz-Eisert von der Leibniz-Gesellschaft im Interview. Sie plädiert zwar dafür, auch in der Forschung weiter mit China zu kooperieren. Diese Zusammenarbeit dürfe aber nicht zu einseitigem Technologietransfer führen. Bei der Forschungsförderung könne Europa hingegen von China jede Menge lernen.

Im Standpunkt schildert Ökonom Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), welche Rolle staatliche Subventionen und Eingriffe beim wirtschaftlichen Aufstieg Chinas gespielt haben. Laut einer IW-Befragung plädieren viele deutsche Unternehmen nun für eine robuste Handelspolitik gegenüber China. Doch wie sollte diese aussehen? Lesen Sie selbst.

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

Der Wettlauf um die 1000-km-Marke

Wer bricht zuerst die Schallmauer einer Batteriereichweite von 1000 Kilometern? Gleich mehrere chinesische Firmen nehmen am Wettlauf um das Erreichen des Meilensteins teil. Die Contemporary Amperex Technology Co. Limited, kurz CATL, Chinas größter Hersteller von Lithium-Ionen-Akkus, ist dabei so ziemlich auf allen Gebieten aktiv, um ihren Spitzenplatz in der Branche zu verteidigen.

Vergangene Woche unterzeichnete das Unternehmen mit der Shanghaier Stadtregierung ein Rahmenabkommen zum Bau einer neuen Gigafabrik für Elektroauto-Batterien, ganz in der Nähe vom dortigen Werk des US-E-Autobauers Tesla. Kurz zuvor hatte CATL eine Natrium-Ionen-Batterie präsentiert, die ohne Lithium, Kobalt und Nickel auskommt, allesamt Rohstoffe, die zusehends knapper werden. CATL ist der erste große Hersteller, der diese Technologie vorstellte (China.Table berichtete). Bis 2023 soll die Lieferkette stehen.

Die Energiedichte der neuen Natrium-Ionen-Batterien sei zwar noch niedriger als bei herkömmlichen Batterien, sagte Huang Qisen, stellvertretender Leiter des CATL-Forschungszentrums. Aber sie funktioniere auch bei kaltem Wetter und für Schnellladeverfahren. Die drei aktuellen Stoffmischungen bei Elektroauto-Batterien sind Nickel-Kobalt-Aluminium (NCA), Nickel-Kobalt-Mangan (NCM) und Lithium-Eisenphosphat (LFP).

Weniger Platzbedarf: Strukturelle Autobatterien

Auch bei sogenannten strukturellen Autobatterien ist CATL aktiv: Dabei geht es um eine “Cell-to-Pack” (CTP)-Technologie sowie – in einem weiteren Schritt zur Integration von Batterie und Karosserie – einen “Cell-to Chassis” (CTC)-Ansatz. Bei CTP werden Batteriezellen direkt ins Batterie-Gehäuse eingesetzt, ohne sie zuvor in Modulen anzuordnen. CTC verzichtet sogar auf das Gehäuse selbst: Die Batteriezellen werden direkt ins Chassis integriert. Das schafft mehr Platz für mehr Zellen bei gleichem Bauvolumen, weil Module und Packs nicht mehr nötig sind. Mehr Zellen erhöhen die Reichweite. Heute dagegen sitzen die Batterien noch in “sperrigen und schweren Gehäusen im Unterboden” der Stromer, schreibt das Fachmagazin Auto-Motor-Sport.

CATL bietet CTP-Batterien bereits seit 2019 an. Sie werden etwa im Tesla Model 3 sowie in Elektroautos des Start-ups Nio eingebaut. Schon dieser Batterietyp ermöglicht nach einem Bericht des Fachmagazins CNEVpost.com eine um 15 bis 20 Prozent größere Effizienz in der Raumnutzung und benötigt 40 Prozent weniger Bauteile.

Die noch platzsparendere CTC-Variante will CATL bis 2025 auf den Markt bringen. Damit könne eine Reichweite für Elektroautos von über 800 Kilometer pro Batterieladung erreicht werden, sagte der CATL-Vorsitzende Zeng Yuqun vor einem Jahr auf einer Industrie-Konferenz in Wuhan. Im Januar kündigte Xiang Yanhuo, Präsident der CATL-Abteilung Passenger Vehicle Solutions (PVS) an, bis 2028 eine noch weiter entwickelte, intelligente CTC-Variante präsentieren zu wollen. Spätestens dann könnten die 1000 Kilometer Reichweite geknackt werden.

Auch der private chinesische Autobauer BYD hat eine eigene Batterie in CTP-Technologie entwickelt, die es unter dem chinesischen Namen “Doupian”-Batterie vermarktet – was auf Deutsch soviel wie “Klingenbatterie” bedeutet (englisch “Blade Battery”). Die Batterie heißt so, weil sie flacher und länglicher ist als herkömmliche quadratische Batterien. BYD setzt diese Modelle aus traditionellem Lithium-Eisenphosphat (LFP) in seine E-Limousine Han ein. Damit hat das Fahrzeug laut BYD eine Reichweite von über 600 Kilometern.

CATL und BYD mit strukturellen Batterien am Markt

Im April 2021 kündigte BYD zudem an, alle künftigen E-Modelle mit der Blade-Batterie auszustatten. Das Unternehmen betonte, dass sie sich bei Bruch-, Druck- oder Brandtests als besonders sicher erwiesen habe. Die Technologie werde “Spontanverbrennungen in Elektrofahrzeugen ein Ende setzen”, sagte BYD-Gründer Wang Chuanfu. Der Platzbedarf der Batterie-Installation sei zudem um 50 Prozent geringer als bei einer vergleichbaren herkömmlichen Batterie, hieß es.

BYD will die Blade-Batterien auch an andere Hersteller verkaufen. Unter anderem sollen der koreanische Autobauer Hyundai und Tesla interessiert sein. Die chinesische Website cls.cn berichtete Anfang August, dass die Lieferung der Batterie an Tesla im zweiten Quartal 2022 beginnen soll. Dies wurde bislang nicht bestätigt – würde aber nach den Worten des Auto-China-Experten Michael Dunne einen “Turbo-Glaubwürdigkeits-Booster” für BYD bedeuten. Tesla entwickelt derweil in den USA auch eigene CTP-Batterien.

Feststoffbatterien für mehr Sicherheit

Eine weitere Alternative für die Zukunft sind sogenannte Feststoffbatterien, deren Elektroden und Elektrolyt aus festem anorganischem Material bestehen. Dies gilt als zuverlässiger, effizienter und sicherer als die herkömmlichen flüssigen oder Polymer-Gel-Elektrolyte der aktuellen Batterien. Flüssige Elektrolyte mit organischen Bestandteilen sind brandgefährlich – die Technologie könnte also eine der großen Sorgen der Elektrobranche lindern.

CATL forscht auch an Lithium-Metall-Feststoffbatterien, wie PVS-Präsident Xiang im Januar sagte. Das Unternehmen will diese Technologie bis 2030 zur Serienreife bringen. Mit 400 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) sollen die CATL-Feststoffbatterien rund die doppelte Energiedichte aktueller Akkus erreichen – und eine Reichweite von 1000 Kilometern in greifbare Nähe bringen.

Feststoffbatterien will unter anderem Nio nutzen. Das Start-up hat nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen eine 150-kWh-Festkörperbatterie mit 360 Wh/kg Energiedichte in ein Auto eingebaut: in das jüngste Modell im Portfolio, die E-Limousine ET7. Damit werde der ET7 mehr als 1000 km Reichweite schaffen, kündigte Nio an. Wer der Lieferant ist, teilte Nio bislang aber nicht mit – doch Spekulationen ranken sich vor allem um CATL.

Viele der großen Pläne sind noch Zukunftsmusik. Vielleicht wird nicht alles davon am Ende funktionieren. Doch es zeigt, dass China bei dem Thema aufs Tempo drückt und die entscheidenden Firmen an substantiellen Innovationen arbeiten.

Hauchdünnes Graphen für schnelleres Ladetempo

Neben den Plänen der Batterie-Platzhirsche wie CATL und BYD gibt es auch exotischere Projekte. Im Winter verkündete der Staatskonzern Guangzhou Auto (GAC), er habe eine mit hauchdünnem Graphen ausgestattete Super-Schnellladebatterie entwickelt, die nun in Fahrzeugen getestet werde. Das Konzernmodell Aion V – das erste Fahrzeug, das mit der Batterie ausgestattet wird, soll in wenigen Wochen in Serie gehen.

Graphen besteht aus nur einer Lage von Kohlenstoffatomen und gilt als das dünnste Material der Welt. Aufgrund der hervorragenden Leitfähigkeit und der speziellen 3D-Struktur dieses Materials kann ein Auto mit der neuen GAC-Batterie nach Angaben des Unternehmens innerhalb von nur acht Minuten auf 80 Prozent der Batterie-Kapazität aufgeladen werden. Das wäre dann kaum noch länger als ein normaler Tankstellenbesuch mit dem Verbrenner.

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Interview

“Was in der Wirtschaft passiert ist, darf in der Wissenschaft nicht passieren”

Almuth Wietholtz-Eisert Leibnitz Gemeinschaft Wissenschaft über Wissenschaft und Wirtschaft

Almuth Wietholtz-Eisert ist bei der Leibniz-Gemeinschaft für China-Kooperationen zuständig

Frau Wietholtz-Eisert, Staatspräsident Xi Jinping lässt an seinen Zielen keinen Zweifel aufkommen: China soll wieder zur Weltmacht werden – nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch in der Wissenschaft, Ihrem persönliche Spezialgebiet. Gelingt das?

China ist bereits eine ernstzunehmende wissenschaftliche Großmacht. Dies lässt sich an entsprechenden bibliometrischen Daten, also an Publikationsoutput und Patentanmeldungen und an den dynamischen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen differenziert ablesen. Die Verlautbarungen des Nationalen Volkskongresses vom März dieses Jahres und der aktuelle 14. Fünfjahresplan lassen keinen Zweifel daran, dass die Kommunistische Partei Chinas unter Xi Jinping die globale Innovations- und Hightech-Führerschaft Chinas bis spätestens 2049 anstrebt. In einzelnen Forschungsbereichen liegt China bereits an vorderer Stelle.

Sie sagen “in einzelnen Forschungsbereichen”. Wo genau?

Den Anfang machen gerade Elektrotechnik, Materialforschung, Unterbereiche der Chemie und der Physik wie Quantenforschung sowie Teilbereiche der Informations- und Kommunikationstechnologien. Im aktuellen Fünfjahresplan werden zudem zukünftige Fokusbereiche für die Forschung identifiziert, darunter 5G-Anwendungen, künstliche Intelligenz, Gentechnik und Biotechnologie, Neurowissenschaften, neue Materialien für Luft- und Raumfahrt, Spezialrobotik, neue Energietechnologien und smarte Fahrzeugantriebe. Seit Kurzem investiert China außerdem verstärkt in Grundlagenforschung – ein Zeichen für eine “reife” Wissenschaftsnation.

Was steckt hinter dieser klaren Fokussierung?

Die chinesische Führung erkannte schon früh, dass es für den Übergang ihrer Wirtschaft von der reinen Fertigung in die Entwicklung erforderlich sein würde, sich auf Technologien auszurichten, in denen entweder der Vorsprung des Westens noch nicht gefestigt ist oder die sich zuweilen disruptiv, also in Sprüngen, entwickeln – etwa Solarzellen, Elektromobilität, Quantenforschung. In Technologiefeldern, in welchen andere Nationen bereits auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen können, hat es China noch schwer, wie das bekannte Beispiel der Halbleiterproduktion zeigt. Hier will die Volksrepublik sich aus der Abhängigkeit von anderen Staaten, vor allem von den USA, befreien, denn diese schwächt bisher Chinas Position in Konflikten wie dem Handelsstreit.

Viele Forscher loben es, dass in China Wissenschaft und Forschung derart umfangreich gefördert wird. Auch deutsche Wissenschaftler. Was stört Sie daran?

Grundsätzlich ist es gut, dass Wissenschaft und Forschung gefördert werden – für das eigene Land und auch für Kooperationspartner, sofern alle nach ähnlichen Spielregeln forschen und zusammenarbeiten. Sobald Forschung jedoch von einer Großmacht mit klarem Hegemonialanspruch für deren politischen Machterhalt instrumentalisiert wird, stillschweigend ihren militärischen, wirtschaftlichen oder repressiven Zwecken dient, klar anderen ethischen Standards unterliegt oder auf einen nicht abgesprochenen, einseitigen Technologieabfluss zielt, dürfen internationale Kooperationspartner vor den möglichen Konsequenzen nicht die Augen verschließen.

Was ist der Unterschied zu Deutschland?

Bei uns sind Wissenschaft und Forschung nach dem Grundgesetz frei – aber sie sind weder per se “unschuldig” noch frei von Verantwortung, und sie dürfen auch nicht unbedarft sein oder so tun. Im Gegenteil, der Wissenschaft kommt im brodelnden Systemkonflikt eine Schlüsselrolle zu. Für die einzelne Forscherin, den einzelnen Forscher wird eine Zusammenarbeit dadurch leider erschwert.

Klingt ziemlich abstrakt. Wie sieht das in der Realität aus?

Zweierlei Dinge sind zu unterscheiden: Zum einen gibt es – im engeren Sinne problematische – natur- und technikwissenschaftliche Kooperationen mit Dual-Use-Potenzial, also möglicher militärischer Verwendung der Forschungsergebnisse. Um eine solche möglichst auszuschließen, greift das Exportkontroll- und Sanktionsrecht mit entsprechenden Güter- und Sanktionslisten. Schwierig bis undurchschaubar wird es allerdings in vermeintlich harmlosen Kooperationsprojekten. Gesichtserkennung mithilfe künstlicher Intelligenz zur gesellschaftlichen Überwachung ist ein altbekanntes Beispiel für missbräuchliche Forschungskooperation.

Hier scheint das Problem offensichtlich. Aber Sie warnen ja auch in so vermeintlich harmlosen Bereichen wie der Umweltforschung.

Ja. Denn ist allen Beteiligten klar, dass zum Beispiel ozeanografische oder hydrografische Forschungsergebnisse, für die gemeinsam der Meeresboden kartiert wird, Meeresströmungen und Salinität gemessen oder Hochleistungssonare entwickelt werden, für militärische U-Boot-Operationen zweckentfremdet werden können? Vieles davon kann die klassische Exportkontrolle gar nicht einfangen – hier gilt es, rasch neue Formate des unbürokratischen, fachlichen Austauschs zwischen der Fachcommunity und staatlichen Stellen zu etablieren. Damit haben wir jedoch die viel grundsätzlichere Frage nach dem Wettbewerb um wirtschaftliche und technologische Überlegenheit noch gar nicht angesprochen.

Aber ist es denn verwerflich, dass ein Staat von seiner Förderung auch profitieren will?

Natürlich nicht. Im Gegenteil ist es faszinierend, wie klug und breit die Kommunistische Partei in Bildung, Forschung und Talententwicklung investiert, dabei aus eigenen Fehlern lernt und in kurzer Zeit, aber eben mit langem, strategischem Atem, zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern große technologische Erfolge erzielt – auch in der Umsetzung. Hier sollten wir vorurteilsfrei und ohne jede Arroganz genauer hinschauen und unsererseits von China lernen, wo wir können und wo immer dies für uns angemessen ist.

Aber?

Aber Peking bedient sich eben auch unlauterer Maßnahmen wie des staatlich großangelegten, erzwungenen Technologietransfers, gezielter Cyberangriffe, der weltweiten unsichtbaren Kooptation und finanziellen Begünstigung von Gleichgesonnenen durch die sogenannte chinesische Einheitsfront und der gezielten Platzierung von Forschenden der Volksbefreiungsarmee in internationalen Wissenschaftseinrichtungen – während das eigene Militär über die seit Langem verfolgte offizielle Strategie der “zivil-militärischen Fusion” technologisch hochgerüstet wird.

Nach Planwirtschaft nun also Planwissenschaft?

In China unterwirft die KP die Wissenschaft eben Staatszielen. Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft, Recht, Politik und Militär werden in China zusammen gedacht und mittels Bestenauslese und mit sehr langem Atem strategisch und vorausschauend geführt. Das funktioniert selbst in der Forschung besser als viele im Westen es wahrhaben wollen, deren Herz zu Recht für die Wissenschaftsfreiheit schlägt. Wissenschaftspolitisch und strategisch spielen wir mit unseren Kurzzeitzyklen weder auf Augenhöhe, noch forschen wir unter den gleichen Rahmenbedingungen und nach denselben Spielregeln – unabhängig davon, dass chinesische Kolleginnen und Kollegen fachlich und persönlich hoch geschätzt sind.  

Das klingt jetzt sehr nach: “Böses, schlimmes China”.

Nein, gar nicht. Denn zunächst sollten wir uns einmal in Bescheidenheit üben und unsererseits von Chinas Aufstieg lernen. Eine Frischzellenkur täte der deutschen bzw. europäischen Forschung und Forschungsadministration sehr gut, Stichwort mangelnde Innovationsfähigkeit und Überbürokratisierung. Auch ohne China müssen wir auf allen Ebenen besser werden – und es steigert nicht eben unsere Zukunftsfähigkeit, wenn 52 Prozent der Drittklässler in meiner Wahlheimat Berlin funktionale Analphabeten sind, wenn ich mir diese Randbemerkung erlauben darf.

Okay. Und dann? Schluss mit jeglicher Zusammenarbeit mit China?

Nein. Aber deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen Kosten und Nutzen einer Kooperation mit chinesischen Partnern nüchtern abwägen. Zu den Kosten gehört eben auch Risikomanagement hinsichtlich Technologieabfluss, finanziellen Abhängigkeiten, Wertschöpfungsketten und Informationssicherheit. Wenn wir – sei es nun aus Idealismus, eigener Unkenntnis, Bequemlichkeit oder wissenschaftsmerkantilem Opportunismus heraus – unser Wissen offenlegen, die andere Seite dies jedoch nicht im gleichen Umfang tut, dann führt das zu einem Ungleichgewicht.

Ungleichgewicht hört sich nicht sonderlich gefährlich an. Oder an was denken Sie?

Kurzfristig nicht, aber es lohnt ein Blick auf andere Bereiche, um zu erkennen, welche Folgen das haben kann. Das lehren uns ganz klar die Erfahrungen aus der Wirtschaft, wo mittels Joint-Venture-Zwang jahrelang der Wissensabfluss für den schnellen Euro forciert und eben auch hingenommen wurde. Irgendwann werden die Chinesen analog zur Wirtschaft auch unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Tür zuschlagen, das steht für mich außer Frage. Die Frage ist, wie man mit dieser Aussicht heute umgeht.

Ist das den deutschen Wissenschaftlern nicht bewusst?

In der Wissenschaft findet derzeit tatsächlich eine gewisse Sensibilisierung statt, aber vor allem beschränkt auf den Bereich der Dual-Use-Güter und entsprechender Compliance-Fragen. Überspitzt ausgedrückt ließen sich die traditionellen Reaktionen aus der Wissenschaft einer von vier Kategorien zuordnen: Relativismus, Idealismus, Eskapismus oder Fatalismus, die ich in meinem Aufsatz “Dornröschen schlägt die Augen auf” beschrieben habe.

Doch immer mehr Forscherinnen und Forscher werden heute hellhörig und stellen fest: Mit den beschriebenen Standardreaktionen kommen wir im Umgang mit China nicht weiter. Statt die Flinte voreilig ins Korn zu werfen, müssen wir uns differenzierter und auch informierter mit diesem Land, seinen Plänen und Strategien auseinandersetzen, um auf dieser Grundlage informierte Entscheidungen über eine etwaige Kooperation zu treffen. Doch als allererstes müssen wir unsere eigenen langfristigen Interessen, Ziele und Strategien deutlich artikulieren und selbst besser werden.

Das mag alles stimmen, aber Wissenschaft ist ja keine Einbahnstraße. Deutsche Forscher haben bei ihren Aufenthalten in China doch auch Zugriff auf dortige Daten und Forschungsergebnisse.

Nein, eben nicht. Die Chinesen ziehen mit neuen Regelungen wie dem Cyber-Security-Gesetz, dem Datensicherheitsgesetz, dem Anti-Sanktionsgesetz oder der zuletzt immer häufiger angewandten Extraterritorial-Klausel des National Security Law vor ihrem Wissen und ihren Daten eine wahre juristische Schutzmauer hoch. Das lässt mich doch sehr am guten Willen Pekings zweifeln. Von der Zensur und der vorauseilenden Selbstzensur auch westlicher Forscherinnen und Forscher und Fachzeitschriften ganz zu schweigen.

Nach dieser spannenden Fehleranalyse drängt sich vor allem eine Frage auf: Wie soll die deutsche Wissenschaft reagieren?

Erstens: Die föderale, korporatistische Struktur in Deutschland begünstigt auch hier das altbekannte Schwarze-Peter-Spiel der Verantwortungsverschleierung. Jede einzelne Stelle sollte sich deshalb dieser Herausforderung in all ihren Konsequenzen und Komplexitäten stellen und nichts beschönigen. Ein Beispiel: Wissenschaft ist nicht gleich Wirtschaft. In der Wissenschaft lässt sich redlicherweise nicht analog zur Wirtschaft mit einer Konsumentenrente über billiger produzierte Waren oder mit eigenen Absatzmärkten argumentieren.

Zweitens brauchen wir eine klare und langfristig ausgerichtete politische Positionierung, am besten auf europäischer Ebene, an der entlang Wissenschaft und Verwaltung arbeiten können, ohne zwischen der Skylla der persönlichen Haftbarkeit und den Sirenen wissenschaftsmerkantilistisch ausgenutzter Forschungsfreiheit zu navigieren.

Und drittens?

Drittens – eigentlich erstens – brauchen wir die besagte Frischzellenkur im Dienste der wissenschaftlichen Leistungs- und Innovationsfähigkeit. Und viertens brauchen wir unbürokratische, wissenschaftsadäquate und risikoangemessene Wege, um gemeinsam sinnvolle rote Linien zu ziehen. Die Betonung liegt hier auf unbürokratisch. Ein “Weiter so” wäre unverantwortlich. Was in der Wirtschaft passiert ist, darf in der Wissenschaft nicht passieren.

Almuth Wietholtz-Eisert ist Wissenschaftliche Referentin für Internationales im Präsidialstab der Leibniz-Gemeinschaft und dort unter anderem für den Bereich China-Kooperationen verantwortlich. In der Leibniz-Gemeinschaft sind 96 Forschungseinrichtungen vernetzt. Sie verbindet Fachrichtungen von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften bis zu Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Sie ist Teil der Allianz der Wissenschaftsorganisationen.

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News

Tesla Shanghai überwindet Chip-Mangel

Die neue Tesla-Großfabrik in Shanghai wird von Januar bis Ende September rund 300.000 Autos hergestellt haben. Das berichtet das Fachmagazin Automotive News. Die Zahl gilt als hoch und liegt bereits auf Augenhöhe mit dem Ausstoß großer Daimler-Werke wie dem in Bremen und dem in Peking. Damit scheint das Unternehmen Wege gefunden zu haben, mit dem globalen Mangel an Mikrochips umzugehen. Autos von Tesla sind besonders digital und benötigen leistungsfähige Prozessoren. Am Standort Shanghai produziert das Unternehmen auch für den Export unter anderem nach Deutschland. Das Unternehmen stellt hier das Model 3 und das Model Y her. fin

  • Autoindustrie

CATL kauft Millenial Lithium

Mit dem Wandel weg vom Verbrennungsmotor und hin zum Elektromotor steigt auch die Nachfrage nach Lithium. Nun konnte Chinas größter Batteriehersteller CATL sich ein besonders begehrtes Abbaugebiet sichern. Für 377 Millionen kanadische Dollar (rund 250 Millionen Euro) übernimmt das chinesische Unternehmen das kanadische Bergbauunternehmen Millennial Lithium. Das entspricht einem Preis von 3,85 kanadischen Dollar pro Aktie.

Das Unternehmen hat sich damit im Bieterwettstreit mit Ganfeng Lithium durchgesetzt. Ganfeng hatte im Juli 3,60 Dollar je Aktie geboten, zog sich aber vor Kurzem aus dem Wettsteit zurück. Die Übernahme garantiere CATL eine langfristige Versorgung mit Lithium, teilte das Unternehmen mit. Der Batteriehersteller beliefert unter anderem Tesla und Volkswagen mit Lithium für Batterien, die bei E-Fahrzeugen zum Einsatz kommen. flee

  • Autoindustrie

VW baut Batterie-Fabrik in Anhui

VW will am Standort in Hefei eine neue Fabrik für Batteriesysteme bauen. Das erste Mal wird das Unternehmen Alleineigentümer eines Werks für Batteriesysteme. Das gab der Konzern am Donnerstag bekannt. Die Produktion von jährlich 150.000 bis 180.000 Batteriesystemen soll demnach in der zweiten Jahreshälfte 2023 beginnen. Die neue Fabrik soll neben der Produktionsanlage des Unternehmens in Anhui entstehen. Bis 2025 sind Investitionen in Höhe von 140 Millionen Euro vorgesehen.

Es sei wichtig, “Schlüsselkomponenten wie Batteriesysteme in die eigene Wertschöpfungskette zu verankern“, sagte Stephan Wöllenstein, CEO Volkswagen Group China. Bis 2030 soll der Anteil von Autos mit alternativen Antrieben – also batterieelektrischen, Brennstoffzellen- oder Plug-In-Hybrid-Antriebe – an den Verkäufen in China auf 40 Prozent steigen, so Wöllenstein weiter. nib

  • Autoindustrie

Evergrande stoppt E-Auto-Börsengang

Der schwer angeschlagene chinesische Immobilienkonzern Evergrande hat die Pläne für einen Börsengang seiner Elektroautotochter Evergrande New Energy Vehicle (NEV) in Shanghai gestoppt. Der Aktienkurs von Evergrande NEV fiel daraufhin am Montag an der Börse in Hongkong zeitweise um rund zehn Prozent.

Ein strategisches Investment oder ein Verkauf von Vermögensbeständen seien notwendig, um Mitarbeiter und Zulieferer zu bezahlen sowie die Massenproduktion aufrechtzuerhalten. Anleger fürchten nun offenbar eine Insolvenz der Elektroauto-Tochter, die wiederum zum Kollaps des Immobilienriesen führen könnte.

Es gebe “keine Garantie”, dass Evergrande NEV seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen werde, warnte der Automobilhersteller zu Wochenbeginn. Sein Aktienkurs in Hongkong ist seit Jahresbeginn um 80 Prozent gefallen. Am Sonntag hatte Evergrande NEV dann mitgeteilt, die finanziellen Schwierigkeiten des Mutterkonzerns hätten auch “nachteilige Auswirkungen” auf die geplante Massenproduktion von Elektroautos. Man stehe vor einem Liquiditätsengpass. Ohne eine Kapitalspritze stehe die Produktion von E-Autos vor einer ungewissen Zukunft, teilte das Unternehmen mit. Evergrande NEV wollte seine E-Autos auch in Deutschland verkaufen.

Der Mutterkonzern Evergrande beschäftigt seit Wochen die Finanzmärkte. Der Immobilienriese hat in den vergangenen Jahren einen riesigen Schuldenberg angehäuft. Die Verbindlichkeiten sollen sich inzwischen auf über 300 Milliarden US-Dollar belaufen. Nun ist der Konzern in Zahlungsverzug geraten gegenüber Banken, Anleihegläubigern sowie Kunden und Mitarbeitern.

Ob die Zentralregierung den Konzern retten wird, ist noch offen. Experten vermuten allerdings, Peking wolle an Evergrande ein Exempel statuieren (China.Table berichtete). Große Firmen sollen sich nicht darauf verlassen können, dass sie too-big-to-fail sind – also zu groß, um in Konkurs gehen zu können. Der Staat wolle mehr soziale Marktwirtschaft wagen und verfolge drei Ziele: Banken und Immobilienentwickler sollen ihre Risiken selbst tragen; Wohnungen müssen bezahlbar bleiben; und sie müssen eine stabile Wertanlage darstellen. Evergrande-Verwaltungsratschef Xu Jiayin hatte zuletzt versichert, man werde seine Verpflichtungen gegenüber Immobilienbesitzern, Anlegern, Partnerfirmen und Banken erfüllen (China.Table berichtete). rad

  • Autoindustrie

Goldman und Citi erwarten weniger Wachstum

Die Investmentbank Goldman Sachs hat ihre Wachstumsprognose für China für das laufende Jahr von 8,2 auf 7,8 Prozent gesenkt, wie Reuters berichtet. Als Ursachen werden die Energieknappheit (China.Table berichtete) und Produktionskürzungen in der Industrie angegeben. Die Stromversorgungskrise hat Unternehmen in mehreren Landesteilen zur Drosselung der Produktion veranlasst. Goldman Sachs geht davon aus, dass bis zu 44 Prozent der chinesischen Industrie davon betroffen sind, was sich merklich auf das Wirtschaftswachstum auswirken wird. Zuletzt hatte auch der japanische Autobauer Toyota berichtet, von den Stromengpässen in China betroffen zu sein.

Der US-Bank Citi zufolge, wird das Wachstum auch in 2022 geringer ausfallen. Die Bank prognostiziert nun nur noch ein Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 4,9 Prozent. Zuvor war sie noch von 5,5 Prozent ausgegangen. Als Ursache wird die Schuldenkrise des Immobilienentwicklers Evergrande angegeben, die sich auf weitere Wirtschaftszweige auswirken und somit das Wachstum drücke werde. nib

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Geely will Smartphones herstellen

Der Gründer des chinesischen Autobauers Geely, Li Shufu, will ins Smartphonegeschäft einsteigen. Laut einem Memo, das Reuters vorliegt, wollen Li und andere Investoren in das Vorhaben rund 1,5 Milliarden US-Dollar investieren. Bereits 2023 soll das neu gegründete Unternehmen Xingji Shidai das erste Premium-Smartphone auf den Markt bringen und schon im ersten Jahr drei Millionen Geräte verkaufen. Firmensitz soll Wuhan sein.

Lis Firmengruppe wäre damit der erste Fahrzeughersteller, der auch Smartphones anbietet. “Es gibt eine enge Verbindung von Technologien innerhalb intelligenter Fahrzeug-Cockpits und Smartphone-Softwaretechnologien”, sagte Li. Umgekehrt haben Telekommunikationsunternehmen wie Xiaomi und Huawei angekündigt, künftig mehr auf das Autogeschäft zu setzen (China.Table berichtete). Li ist bekannt für seine waghalsigen Investitionen. Zuletzt hatte Li in den Velocopter, einem Flugtaxi investiert (China.Table berichtete). niw

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Standpunkt

Deutsche Unternehmen befürworten “robustere” Maßnahmen gegenüber China

Von Jürgen Matthes
Ökonom Jürgen Matthes vom IW Köln über Konkurrenzdruck aus China
Ökonom Jürgen Matthes vom IW Köln

Europas Unternehmen sehen sich einem zunehmenden Konkurrenzdruck aus China ausgesetzt. Schon ein Blick auf die Entwicklung der Anteile am Exportmarkt seit der Jahrtausendwende illustriert Chinas enormen Exporterfolg: Es hat seinen Anteil an den Weltexporten von Waren und Dienstleistungen von rund drei Prozent im Jahr 2000 auf fast elf Prozent im Jahr 2019 immens erhöht, vor allem in der ersten Dekade. Parallel dazu gingen schon in den 2000er-Jahren die Weltexportanteile anderer großer Industriestaaten deutlich zurück.

Empirische Studien, die sich überwiegend auf die Zeit vor 2010 beziehen, deuten darauf hin, dass sich in dieser Zeit chinesische und deutsche Exporte überwiegend komplementär und nicht substitutiv zueinander verhielten, sich die Konkurrenzintensität durch China aus deutscher Sicht also in engen Grenzen hielt. Mit Blick auf die Zukunft stellt sich aber die Frage, ob China nicht immer stärker in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Die Strategie Made in China 2025 setzt sich dies zumindest zum Ziel. In diesem Fall könnten in der laufenden Dekade auch die Weltmarktanteile Deutschlands deutlich stärker als bislang unter Druck geraten.

Ein Blick auf die Entwicklung der Marktanteile Chinas und Deutschlands an den EU-Importen zwischen 2000 und 2019 belegt in der Tat, dass China mit seinen Exporten immer mehr in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Dabei zeigt sich, dass Chinas Anteile auch hier sehr deutlich stiegen, Deutschlands Anteile waren dagegen seit 2005 rückläufig. Bei anspruchsvollen industriellen Produktgruppen, in denen Deutschland stärker spezialisiert ist, ist der Gegensatz noch ausgeprägter als im Warenhandel insgesamt. Zudem haben sich die chinesischen Exporte sehr deutlich in Richtung der anspruchsvollen Industriewaren verschoben.

Konkurrenzdruck wird immer relevanter

Vor diesem Hintergrund wurden deutsche Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen im Spätherbst 2020 im Rahmen des IW-Zukunftspanels befragt, wie stark sie die Konkurrenz durch China bereits spüren, welche Ursachen sie dahinter vermuten und wie sie einer robusteren Handelspolitik der EU gegenüber China gegenüberstehen. Die Ergebnisse sprechen eine recht deutliche Sprache.

So wird die Relevanz des Konkurrenzdrucks durch China in den nächsten fünf Jahren von deutschen Industrie-Unternehmen sogar deutlich höher eingeschätzt als die Relevanz des Protektionismus. Ein knappes Drittel der Firmen misst der Konkurrenz durch chinesische Unternehmen einen eher hoher oder sehr hohen Stellwert bei. Bei Firmen, die nach China exportieren, beträgt dieser Anteil sogar über 42 Prozent.

Zugleich werden chinesische Konkurrenten zwar als leistungsfähig und innovativ eingeschätzt. Doch die Zustimmung zur Relevanz von Wettbewerbsverzerrungen ist noch deutlich größer. So stimmten der Frage, ob Subventionen der chinesischen Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen, rund 71 Prozent der deutschen Firmen zu, die einen sehr hohen Konkurrenzdruck aus China spüren. Nur gut 42 Prozent dieser Unternehmen sehen ihre chinesische Konkurrenz als leistungsfähig und innovativ an.

Wettbewerbsverzerrung wird deutlich wahrgenommen

Die befragten Unternehmen messen einer robusteren Handelspolitik gegenüber chinesischen Wettbewerbsverzerrungen in den kommenden Jahren zudem einen hohen Stellenwert bei. Zum Beispiel halten über 60 Prozent der befragten Firmen mit einem hohen Exportanteil ein robusteres Vorgehen gegenüber China für sehr bzw. für eher wichtig. Bemerkenswert ist, dass die Zustimmungsraten auch bei Firmen mit Export nach oder Produktion in China ähnlich hoch oder noch etwas höher sind, obwohl diese Unternehmen vermutlich Gegenmaßnahmen Chinas fürchten müssen.

Unter Firmen, die einen sehr hohen Konkurrenzdruck durch chinesische Unternehmen verspüren, befürworten sogar mehr als zwei von drei Unternehmen mit Nachdruck eine robustere Politikausrichtung. Sie sind offenbar überzeugt, dass dies nötig ist, um den Wettbewerbsverzerrungen durch chinesische Staatssubventionen entgegenzuwirken, die von diesen Firmen wie aufgezeigt sehr deutlich wahrgenommen werden.

Das Antwortverhalten der deutschen Unternehmen kann damit als dringender Appell an die europäische und deutsche Wirtschaftspolitik interpretiert werden, Maßnahmen zu ergreifen, um faire Wettbewerbsbedingungen (“level playing field”) zu gewährleisten.

Dieser Beitrag gehört in den Kontext der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Am Donnerstag, 30.09.2021, diskutieren Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft und Dietmar Baetge, Professor an der TH Wildau, im Rahmen dieses Formats über das Thema “Chinas Konkurrenz für Europas Unternehmen: Fairer Wettbewerb oder unerlaubte Subventionierung?” China.Table ist Medienpartner der Veranstaltungsreihe.

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Personalien

Francesco Blandino ist zukünftig für die Produktstrategie im NEV-Bereich bei Volkswagen China verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Produktmarketing. Zuvor war Blandino drei Jahre bei Volkswagen China als “Sales und Marketing Coordinator” tätig.

Anngret Schulte in den Bäumen hat bei BMW in München die Verantwortung für Konzerninvestitionen in China übernommen. Sie hatte vorher eine Leitungsposition im Bereich Kundendienst.

Frank Ueltzhöffer ist bei Bosch in Suzhou Vice President of Engineering geworden. Zuvor war er bei der Schwesterfirma BSH im benachbarten Nanjing Senior Director Global Electronics and Drive.

Michael Perschke ist neuer CEO und Vorstand bei der Quantron AG. Quantron ist ein Systemanbieter von batterie- und wasserstoffbetriebener E-Mobilität für Nutzfahrzeuge wie Lkw, Busse und Transporter und hatte jüngst über einen Aktienaustausch mit Ev Dynamics seine globale Präsenz ausgebaut. Ev Dynamics, ehemals als China Dynamics bekannt, ist Anbieter von integrierten Antriebs- und Logistiklösungen und verfügt über eine Produktionsstätte in Chongqing sowie ein Vertriebsnetz in China, Hongkong, im asiatisch-pazifischen Raum und in Südamerika. Im August kündigten beide an, gemeinsam BEV- und FCEV- Fahrzeuge auf den Markt bringen zu wollen.

Ne-Hyun Choi ist neuer Vice President CBS Strategy, Processes and Customer Experience bei BMW in München. Zuvor füllte er die Position des General Manager, Strategy and Business Development für die Region China bei BMW

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • IW-Ökonom Jürgen Matthes: Unternehmen fordern robustere Handelspolitik
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    bei der Fahrleistung von Lithium-Ionen-Batterien ist noch einiges möglich. Das beweist derzeit CATL aus Ningde. Eine Reichweite von über 1.000 Kilometern strebt der Weltmarktführer mit neuer Batterietechnik an und setzt auf mehrere Optionen. Christiane Kühl analysiert, mit welchen technischen und geschäftlichen Kniffen sich CATL an die Spitze setzen will.

    Die Werkbank der Welt – das ist China zwar auch weiterhin. Doch längst strebt die Volksrepublik auch bei E-Autos, Chips und weiteren High-Tech Branchen die Führerschaft an. Die Förderung von Innovationen, Forschung und Wissenschaft stehen in Peking daher hoch auf der Agenda, wie zuletzt Staats- und Parteichef Xi Jinping in einer Rede noch mal betont hat. Deutsche Wissenschaftler sollten aber nicht die gleichen Fehler machen wie Ingenieure und Unternehmenslenker, warnt nun Almuth Wietholtz-Eisert von der Leibniz-Gesellschaft im Interview. Sie plädiert zwar dafür, auch in der Forschung weiter mit China zu kooperieren. Diese Zusammenarbeit dürfe aber nicht zu einseitigem Technologietransfer führen. Bei der Forschungsförderung könne Europa hingegen von China jede Menge lernen.

    Im Standpunkt schildert Ökonom Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), welche Rolle staatliche Subventionen und Eingriffe beim wirtschaftlichen Aufstieg Chinas gespielt haben. Laut einer IW-Befragung plädieren viele deutsche Unternehmen nun für eine robuste Handelspolitik gegenüber China. Doch wie sollte diese aussehen? Lesen Sie selbst.

    Ihr
    Felix Lee
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    Analyse

    Der Wettlauf um die 1000-km-Marke

    Wer bricht zuerst die Schallmauer einer Batteriereichweite von 1000 Kilometern? Gleich mehrere chinesische Firmen nehmen am Wettlauf um das Erreichen des Meilensteins teil. Die Contemporary Amperex Technology Co. Limited, kurz CATL, Chinas größter Hersteller von Lithium-Ionen-Akkus, ist dabei so ziemlich auf allen Gebieten aktiv, um ihren Spitzenplatz in der Branche zu verteidigen.

    Vergangene Woche unterzeichnete das Unternehmen mit der Shanghaier Stadtregierung ein Rahmenabkommen zum Bau einer neuen Gigafabrik für Elektroauto-Batterien, ganz in der Nähe vom dortigen Werk des US-E-Autobauers Tesla. Kurz zuvor hatte CATL eine Natrium-Ionen-Batterie präsentiert, die ohne Lithium, Kobalt und Nickel auskommt, allesamt Rohstoffe, die zusehends knapper werden. CATL ist der erste große Hersteller, der diese Technologie vorstellte (China.Table berichtete). Bis 2023 soll die Lieferkette stehen.

    Die Energiedichte der neuen Natrium-Ionen-Batterien sei zwar noch niedriger als bei herkömmlichen Batterien, sagte Huang Qisen, stellvertretender Leiter des CATL-Forschungszentrums. Aber sie funktioniere auch bei kaltem Wetter und für Schnellladeverfahren. Die drei aktuellen Stoffmischungen bei Elektroauto-Batterien sind Nickel-Kobalt-Aluminium (NCA), Nickel-Kobalt-Mangan (NCM) und Lithium-Eisenphosphat (LFP).

    Weniger Platzbedarf: Strukturelle Autobatterien

    Auch bei sogenannten strukturellen Autobatterien ist CATL aktiv: Dabei geht es um eine “Cell-to-Pack” (CTP)-Technologie sowie – in einem weiteren Schritt zur Integration von Batterie und Karosserie – einen “Cell-to Chassis” (CTC)-Ansatz. Bei CTP werden Batteriezellen direkt ins Batterie-Gehäuse eingesetzt, ohne sie zuvor in Modulen anzuordnen. CTC verzichtet sogar auf das Gehäuse selbst: Die Batteriezellen werden direkt ins Chassis integriert. Das schafft mehr Platz für mehr Zellen bei gleichem Bauvolumen, weil Module und Packs nicht mehr nötig sind. Mehr Zellen erhöhen die Reichweite. Heute dagegen sitzen die Batterien noch in “sperrigen und schweren Gehäusen im Unterboden” der Stromer, schreibt das Fachmagazin Auto-Motor-Sport.

    CATL bietet CTP-Batterien bereits seit 2019 an. Sie werden etwa im Tesla Model 3 sowie in Elektroautos des Start-ups Nio eingebaut. Schon dieser Batterietyp ermöglicht nach einem Bericht des Fachmagazins CNEVpost.com eine um 15 bis 20 Prozent größere Effizienz in der Raumnutzung und benötigt 40 Prozent weniger Bauteile.

    Die noch platzsparendere CTC-Variante will CATL bis 2025 auf den Markt bringen. Damit könne eine Reichweite für Elektroautos von über 800 Kilometer pro Batterieladung erreicht werden, sagte der CATL-Vorsitzende Zeng Yuqun vor einem Jahr auf einer Industrie-Konferenz in Wuhan. Im Januar kündigte Xiang Yanhuo, Präsident der CATL-Abteilung Passenger Vehicle Solutions (PVS) an, bis 2028 eine noch weiter entwickelte, intelligente CTC-Variante präsentieren zu wollen. Spätestens dann könnten die 1000 Kilometer Reichweite geknackt werden.

    Auch der private chinesische Autobauer BYD hat eine eigene Batterie in CTP-Technologie entwickelt, die es unter dem chinesischen Namen “Doupian”-Batterie vermarktet – was auf Deutsch soviel wie “Klingenbatterie” bedeutet (englisch “Blade Battery”). Die Batterie heißt so, weil sie flacher und länglicher ist als herkömmliche quadratische Batterien. BYD setzt diese Modelle aus traditionellem Lithium-Eisenphosphat (LFP) in seine E-Limousine Han ein. Damit hat das Fahrzeug laut BYD eine Reichweite von über 600 Kilometern.

    CATL und BYD mit strukturellen Batterien am Markt

    Im April 2021 kündigte BYD zudem an, alle künftigen E-Modelle mit der Blade-Batterie auszustatten. Das Unternehmen betonte, dass sie sich bei Bruch-, Druck- oder Brandtests als besonders sicher erwiesen habe. Die Technologie werde “Spontanverbrennungen in Elektrofahrzeugen ein Ende setzen”, sagte BYD-Gründer Wang Chuanfu. Der Platzbedarf der Batterie-Installation sei zudem um 50 Prozent geringer als bei einer vergleichbaren herkömmlichen Batterie, hieß es.

    BYD will die Blade-Batterien auch an andere Hersteller verkaufen. Unter anderem sollen der koreanische Autobauer Hyundai und Tesla interessiert sein. Die chinesische Website cls.cn berichtete Anfang August, dass die Lieferung der Batterie an Tesla im zweiten Quartal 2022 beginnen soll. Dies wurde bislang nicht bestätigt – würde aber nach den Worten des Auto-China-Experten Michael Dunne einen “Turbo-Glaubwürdigkeits-Booster” für BYD bedeuten. Tesla entwickelt derweil in den USA auch eigene CTP-Batterien.

    Feststoffbatterien für mehr Sicherheit

    Eine weitere Alternative für die Zukunft sind sogenannte Feststoffbatterien, deren Elektroden und Elektrolyt aus festem anorganischem Material bestehen. Dies gilt als zuverlässiger, effizienter und sicherer als die herkömmlichen flüssigen oder Polymer-Gel-Elektrolyte der aktuellen Batterien. Flüssige Elektrolyte mit organischen Bestandteilen sind brandgefährlich – die Technologie könnte also eine der großen Sorgen der Elektrobranche lindern.

    CATL forscht auch an Lithium-Metall-Feststoffbatterien, wie PVS-Präsident Xiang im Januar sagte. Das Unternehmen will diese Technologie bis 2030 zur Serienreife bringen. Mit 400 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) sollen die CATL-Feststoffbatterien rund die doppelte Energiedichte aktueller Akkus erreichen – und eine Reichweite von 1000 Kilometern in greifbare Nähe bringen.

    Feststoffbatterien will unter anderem Nio nutzen. Das Start-up hat nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen eine 150-kWh-Festkörperbatterie mit 360 Wh/kg Energiedichte in ein Auto eingebaut: in das jüngste Modell im Portfolio, die E-Limousine ET7. Damit werde der ET7 mehr als 1000 km Reichweite schaffen, kündigte Nio an. Wer der Lieferant ist, teilte Nio bislang aber nicht mit – doch Spekulationen ranken sich vor allem um CATL.

    Viele der großen Pläne sind noch Zukunftsmusik. Vielleicht wird nicht alles davon am Ende funktionieren. Doch es zeigt, dass China bei dem Thema aufs Tempo drückt und die entscheidenden Firmen an substantiellen Innovationen arbeiten.

    Hauchdünnes Graphen für schnelleres Ladetempo

    Neben den Plänen der Batterie-Platzhirsche wie CATL und BYD gibt es auch exotischere Projekte. Im Winter verkündete der Staatskonzern Guangzhou Auto (GAC), er habe eine mit hauchdünnem Graphen ausgestattete Super-Schnellladebatterie entwickelt, die nun in Fahrzeugen getestet werde. Das Konzernmodell Aion V – das erste Fahrzeug, das mit der Batterie ausgestattet wird, soll in wenigen Wochen in Serie gehen.

    Graphen besteht aus nur einer Lage von Kohlenstoffatomen und gilt als das dünnste Material der Welt. Aufgrund der hervorragenden Leitfähigkeit und der speziellen 3D-Struktur dieses Materials kann ein Auto mit der neuen GAC-Batterie nach Angaben des Unternehmens innerhalb von nur acht Minuten auf 80 Prozent der Batterie-Kapazität aufgeladen werden. Das wäre dann kaum noch länger als ein normaler Tankstellenbesuch mit dem Verbrenner.

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    Interview

    “Was in der Wirtschaft passiert ist, darf in der Wissenschaft nicht passieren”

    Almuth Wietholtz-Eisert Leibnitz Gemeinschaft Wissenschaft über Wissenschaft und Wirtschaft

    Almuth Wietholtz-Eisert ist bei der Leibniz-Gemeinschaft für China-Kooperationen zuständig

    Frau Wietholtz-Eisert, Staatspräsident Xi Jinping lässt an seinen Zielen keinen Zweifel aufkommen: China soll wieder zur Weltmacht werden – nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch in der Wissenschaft, Ihrem persönliche Spezialgebiet. Gelingt das?

    China ist bereits eine ernstzunehmende wissenschaftliche Großmacht. Dies lässt sich an entsprechenden bibliometrischen Daten, also an Publikationsoutput und Patentanmeldungen und an den dynamischen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen differenziert ablesen. Die Verlautbarungen des Nationalen Volkskongresses vom März dieses Jahres und der aktuelle 14. Fünfjahresplan lassen keinen Zweifel daran, dass die Kommunistische Partei Chinas unter Xi Jinping die globale Innovations- und Hightech-Führerschaft Chinas bis spätestens 2049 anstrebt. In einzelnen Forschungsbereichen liegt China bereits an vorderer Stelle.

    Sie sagen “in einzelnen Forschungsbereichen”. Wo genau?

    Den Anfang machen gerade Elektrotechnik, Materialforschung, Unterbereiche der Chemie und der Physik wie Quantenforschung sowie Teilbereiche der Informations- und Kommunikationstechnologien. Im aktuellen Fünfjahresplan werden zudem zukünftige Fokusbereiche für die Forschung identifiziert, darunter 5G-Anwendungen, künstliche Intelligenz, Gentechnik und Biotechnologie, Neurowissenschaften, neue Materialien für Luft- und Raumfahrt, Spezialrobotik, neue Energietechnologien und smarte Fahrzeugantriebe. Seit Kurzem investiert China außerdem verstärkt in Grundlagenforschung – ein Zeichen für eine “reife” Wissenschaftsnation.

    Was steckt hinter dieser klaren Fokussierung?

    Die chinesische Führung erkannte schon früh, dass es für den Übergang ihrer Wirtschaft von der reinen Fertigung in die Entwicklung erforderlich sein würde, sich auf Technologien auszurichten, in denen entweder der Vorsprung des Westens noch nicht gefestigt ist oder die sich zuweilen disruptiv, also in Sprüngen, entwickeln – etwa Solarzellen, Elektromobilität, Quantenforschung. In Technologiefeldern, in welchen andere Nationen bereits auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen können, hat es China noch schwer, wie das bekannte Beispiel der Halbleiterproduktion zeigt. Hier will die Volksrepublik sich aus der Abhängigkeit von anderen Staaten, vor allem von den USA, befreien, denn diese schwächt bisher Chinas Position in Konflikten wie dem Handelsstreit.

    Viele Forscher loben es, dass in China Wissenschaft und Forschung derart umfangreich gefördert wird. Auch deutsche Wissenschaftler. Was stört Sie daran?

    Grundsätzlich ist es gut, dass Wissenschaft und Forschung gefördert werden – für das eigene Land und auch für Kooperationspartner, sofern alle nach ähnlichen Spielregeln forschen und zusammenarbeiten. Sobald Forschung jedoch von einer Großmacht mit klarem Hegemonialanspruch für deren politischen Machterhalt instrumentalisiert wird, stillschweigend ihren militärischen, wirtschaftlichen oder repressiven Zwecken dient, klar anderen ethischen Standards unterliegt oder auf einen nicht abgesprochenen, einseitigen Technologieabfluss zielt, dürfen internationale Kooperationspartner vor den möglichen Konsequenzen nicht die Augen verschließen.

    Was ist der Unterschied zu Deutschland?

    Bei uns sind Wissenschaft und Forschung nach dem Grundgesetz frei – aber sie sind weder per se “unschuldig” noch frei von Verantwortung, und sie dürfen auch nicht unbedarft sein oder so tun. Im Gegenteil, der Wissenschaft kommt im brodelnden Systemkonflikt eine Schlüsselrolle zu. Für die einzelne Forscherin, den einzelnen Forscher wird eine Zusammenarbeit dadurch leider erschwert.

    Klingt ziemlich abstrakt. Wie sieht das in der Realität aus?

    Zweierlei Dinge sind zu unterscheiden: Zum einen gibt es – im engeren Sinne problematische – natur- und technikwissenschaftliche Kooperationen mit Dual-Use-Potenzial, also möglicher militärischer Verwendung der Forschungsergebnisse. Um eine solche möglichst auszuschließen, greift das Exportkontroll- und Sanktionsrecht mit entsprechenden Güter- und Sanktionslisten. Schwierig bis undurchschaubar wird es allerdings in vermeintlich harmlosen Kooperationsprojekten. Gesichtserkennung mithilfe künstlicher Intelligenz zur gesellschaftlichen Überwachung ist ein altbekanntes Beispiel für missbräuchliche Forschungskooperation.

    Hier scheint das Problem offensichtlich. Aber Sie warnen ja auch in so vermeintlich harmlosen Bereichen wie der Umweltforschung.

    Ja. Denn ist allen Beteiligten klar, dass zum Beispiel ozeanografische oder hydrografische Forschungsergebnisse, für die gemeinsam der Meeresboden kartiert wird, Meeresströmungen und Salinität gemessen oder Hochleistungssonare entwickelt werden, für militärische U-Boot-Operationen zweckentfremdet werden können? Vieles davon kann die klassische Exportkontrolle gar nicht einfangen – hier gilt es, rasch neue Formate des unbürokratischen, fachlichen Austauschs zwischen der Fachcommunity und staatlichen Stellen zu etablieren. Damit haben wir jedoch die viel grundsätzlichere Frage nach dem Wettbewerb um wirtschaftliche und technologische Überlegenheit noch gar nicht angesprochen.

    Aber ist es denn verwerflich, dass ein Staat von seiner Förderung auch profitieren will?

    Natürlich nicht. Im Gegenteil ist es faszinierend, wie klug und breit die Kommunistische Partei in Bildung, Forschung und Talententwicklung investiert, dabei aus eigenen Fehlern lernt und in kurzer Zeit, aber eben mit langem, strategischem Atem, zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern große technologische Erfolge erzielt – auch in der Umsetzung. Hier sollten wir vorurteilsfrei und ohne jede Arroganz genauer hinschauen und unsererseits von China lernen, wo wir können und wo immer dies für uns angemessen ist.

    Aber?

    Aber Peking bedient sich eben auch unlauterer Maßnahmen wie des staatlich großangelegten, erzwungenen Technologietransfers, gezielter Cyberangriffe, der weltweiten unsichtbaren Kooptation und finanziellen Begünstigung von Gleichgesonnenen durch die sogenannte chinesische Einheitsfront und der gezielten Platzierung von Forschenden der Volksbefreiungsarmee in internationalen Wissenschaftseinrichtungen – während das eigene Militär über die seit Langem verfolgte offizielle Strategie der “zivil-militärischen Fusion” technologisch hochgerüstet wird.

    Nach Planwirtschaft nun also Planwissenschaft?

    In China unterwirft die KP die Wissenschaft eben Staatszielen. Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft, Recht, Politik und Militär werden in China zusammen gedacht und mittels Bestenauslese und mit sehr langem Atem strategisch und vorausschauend geführt. Das funktioniert selbst in der Forschung besser als viele im Westen es wahrhaben wollen, deren Herz zu Recht für die Wissenschaftsfreiheit schlägt. Wissenschaftspolitisch und strategisch spielen wir mit unseren Kurzzeitzyklen weder auf Augenhöhe, noch forschen wir unter den gleichen Rahmenbedingungen und nach denselben Spielregeln – unabhängig davon, dass chinesische Kolleginnen und Kollegen fachlich und persönlich hoch geschätzt sind.  

    Das klingt jetzt sehr nach: “Böses, schlimmes China”.

    Nein, gar nicht. Denn zunächst sollten wir uns einmal in Bescheidenheit üben und unsererseits von Chinas Aufstieg lernen. Eine Frischzellenkur täte der deutschen bzw. europäischen Forschung und Forschungsadministration sehr gut, Stichwort mangelnde Innovationsfähigkeit und Überbürokratisierung. Auch ohne China müssen wir auf allen Ebenen besser werden – und es steigert nicht eben unsere Zukunftsfähigkeit, wenn 52 Prozent der Drittklässler in meiner Wahlheimat Berlin funktionale Analphabeten sind, wenn ich mir diese Randbemerkung erlauben darf.

    Okay. Und dann? Schluss mit jeglicher Zusammenarbeit mit China?

    Nein. Aber deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen Kosten und Nutzen einer Kooperation mit chinesischen Partnern nüchtern abwägen. Zu den Kosten gehört eben auch Risikomanagement hinsichtlich Technologieabfluss, finanziellen Abhängigkeiten, Wertschöpfungsketten und Informationssicherheit. Wenn wir – sei es nun aus Idealismus, eigener Unkenntnis, Bequemlichkeit oder wissenschaftsmerkantilem Opportunismus heraus – unser Wissen offenlegen, die andere Seite dies jedoch nicht im gleichen Umfang tut, dann führt das zu einem Ungleichgewicht.

    Ungleichgewicht hört sich nicht sonderlich gefährlich an. Oder an was denken Sie?

    Kurzfristig nicht, aber es lohnt ein Blick auf andere Bereiche, um zu erkennen, welche Folgen das haben kann. Das lehren uns ganz klar die Erfahrungen aus der Wirtschaft, wo mittels Joint-Venture-Zwang jahrelang der Wissensabfluss für den schnellen Euro forciert und eben auch hingenommen wurde. Irgendwann werden die Chinesen analog zur Wirtschaft auch unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Tür zuschlagen, das steht für mich außer Frage. Die Frage ist, wie man mit dieser Aussicht heute umgeht.

    Ist das den deutschen Wissenschaftlern nicht bewusst?

    In der Wissenschaft findet derzeit tatsächlich eine gewisse Sensibilisierung statt, aber vor allem beschränkt auf den Bereich der Dual-Use-Güter und entsprechender Compliance-Fragen. Überspitzt ausgedrückt ließen sich die traditionellen Reaktionen aus der Wissenschaft einer von vier Kategorien zuordnen: Relativismus, Idealismus, Eskapismus oder Fatalismus, die ich in meinem Aufsatz “Dornröschen schlägt die Augen auf” beschrieben habe.

    Doch immer mehr Forscherinnen und Forscher werden heute hellhörig und stellen fest: Mit den beschriebenen Standardreaktionen kommen wir im Umgang mit China nicht weiter. Statt die Flinte voreilig ins Korn zu werfen, müssen wir uns differenzierter und auch informierter mit diesem Land, seinen Plänen und Strategien auseinandersetzen, um auf dieser Grundlage informierte Entscheidungen über eine etwaige Kooperation zu treffen. Doch als allererstes müssen wir unsere eigenen langfristigen Interessen, Ziele und Strategien deutlich artikulieren und selbst besser werden.

    Das mag alles stimmen, aber Wissenschaft ist ja keine Einbahnstraße. Deutsche Forscher haben bei ihren Aufenthalten in China doch auch Zugriff auf dortige Daten und Forschungsergebnisse.

    Nein, eben nicht. Die Chinesen ziehen mit neuen Regelungen wie dem Cyber-Security-Gesetz, dem Datensicherheitsgesetz, dem Anti-Sanktionsgesetz oder der zuletzt immer häufiger angewandten Extraterritorial-Klausel des National Security Law vor ihrem Wissen und ihren Daten eine wahre juristische Schutzmauer hoch. Das lässt mich doch sehr am guten Willen Pekings zweifeln. Von der Zensur und der vorauseilenden Selbstzensur auch westlicher Forscherinnen und Forscher und Fachzeitschriften ganz zu schweigen.

    Nach dieser spannenden Fehleranalyse drängt sich vor allem eine Frage auf: Wie soll die deutsche Wissenschaft reagieren?

    Erstens: Die föderale, korporatistische Struktur in Deutschland begünstigt auch hier das altbekannte Schwarze-Peter-Spiel der Verantwortungsverschleierung. Jede einzelne Stelle sollte sich deshalb dieser Herausforderung in all ihren Konsequenzen und Komplexitäten stellen und nichts beschönigen. Ein Beispiel: Wissenschaft ist nicht gleich Wirtschaft. In der Wissenschaft lässt sich redlicherweise nicht analog zur Wirtschaft mit einer Konsumentenrente über billiger produzierte Waren oder mit eigenen Absatzmärkten argumentieren.

    Zweitens brauchen wir eine klare und langfristig ausgerichtete politische Positionierung, am besten auf europäischer Ebene, an der entlang Wissenschaft und Verwaltung arbeiten können, ohne zwischen der Skylla der persönlichen Haftbarkeit und den Sirenen wissenschaftsmerkantilistisch ausgenutzter Forschungsfreiheit zu navigieren.

    Und drittens?

    Drittens – eigentlich erstens – brauchen wir die besagte Frischzellenkur im Dienste der wissenschaftlichen Leistungs- und Innovationsfähigkeit. Und viertens brauchen wir unbürokratische, wissenschaftsadäquate und risikoangemessene Wege, um gemeinsam sinnvolle rote Linien zu ziehen. Die Betonung liegt hier auf unbürokratisch. Ein “Weiter so” wäre unverantwortlich. Was in der Wirtschaft passiert ist, darf in der Wissenschaft nicht passieren.

    Almuth Wietholtz-Eisert ist Wissenschaftliche Referentin für Internationales im Präsidialstab der Leibniz-Gemeinschaft und dort unter anderem für den Bereich China-Kooperationen verantwortlich. In der Leibniz-Gemeinschaft sind 96 Forschungseinrichtungen vernetzt. Sie verbindet Fachrichtungen von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften bis zu Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Sie ist Teil der Allianz der Wissenschaftsorganisationen.

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    News

    Tesla Shanghai überwindet Chip-Mangel

    Die neue Tesla-Großfabrik in Shanghai wird von Januar bis Ende September rund 300.000 Autos hergestellt haben. Das berichtet das Fachmagazin Automotive News. Die Zahl gilt als hoch und liegt bereits auf Augenhöhe mit dem Ausstoß großer Daimler-Werke wie dem in Bremen und dem in Peking. Damit scheint das Unternehmen Wege gefunden zu haben, mit dem globalen Mangel an Mikrochips umzugehen. Autos von Tesla sind besonders digital und benötigen leistungsfähige Prozessoren. Am Standort Shanghai produziert das Unternehmen auch für den Export unter anderem nach Deutschland. Das Unternehmen stellt hier das Model 3 und das Model Y her. fin

    • Autoindustrie

    CATL kauft Millenial Lithium

    Mit dem Wandel weg vom Verbrennungsmotor und hin zum Elektromotor steigt auch die Nachfrage nach Lithium. Nun konnte Chinas größter Batteriehersteller CATL sich ein besonders begehrtes Abbaugebiet sichern. Für 377 Millionen kanadische Dollar (rund 250 Millionen Euro) übernimmt das chinesische Unternehmen das kanadische Bergbauunternehmen Millennial Lithium. Das entspricht einem Preis von 3,85 kanadischen Dollar pro Aktie.

    Das Unternehmen hat sich damit im Bieterwettstreit mit Ganfeng Lithium durchgesetzt. Ganfeng hatte im Juli 3,60 Dollar je Aktie geboten, zog sich aber vor Kurzem aus dem Wettsteit zurück. Die Übernahme garantiere CATL eine langfristige Versorgung mit Lithium, teilte das Unternehmen mit. Der Batteriehersteller beliefert unter anderem Tesla und Volkswagen mit Lithium für Batterien, die bei E-Fahrzeugen zum Einsatz kommen. flee

    • Autoindustrie

    VW baut Batterie-Fabrik in Anhui

    VW will am Standort in Hefei eine neue Fabrik für Batteriesysteme bauen. Das erste Mal wird das Unternehmen Alleineigentümer eines Werks für Batteriesysteme. Das gab der Konzern am Donnerstag bekannt. Die Produktion von jährlich 150.000 bis 180.000 Batteriesystemen soll demnach in der zweiten Jahreshälfte 2023 beginnen. Die neue Fabrik soll neben der Produktionsanlage des Unternehmens in Anhui entstehen. Bis 2025 sind Investitionen in Höhe von 140 Millionen Euro vorgesehen.

    Es sei wichtig, “Schlüsselkomponenten wie Batteriesysteme in die eigene Wertschöpfungskette zu verankern“, sagte Stephan Wöllenstein, CEO Volkswagen Group China. Bis 2030 soll der Anteil von Autos mit alternativen Antrieben – also batterieelektrischen, Brennstoffzellen- oder Plug-In-Hybrid-Antriebe – an den Verkäufen in China auf 40 Prozent steigen, so Wöllenstein weiter. nib

    • Autoindustrie

    Evergrande stoppt E-Auto-Börsengang

    Der schwer angeschlagene chinesische Immobilienkonzern Evergrande hat die Pläne für einen Börsengang seiner Elektroautotochter Evergrande New Energy Vehicle (NEV) in Shanghai gestoppt. Der Aktienkurs von Evergrande NEV fiel daraufhin am Montag an der Börse in Hongkong zeitweise um rund zehn Prozent.

    Ein strategisches Investment oder ein Verkauf von Vermögensbeständen seien notwendig, um Mitarbeiter und Zulieferer zu bezahlen sowie die Massenproduktion aufrechtzuerhalten. Anleger fürchten nun offenbar eine Insolvenz der Elektroauto-Tochter, die wiederum zum Kollaps des Immobilienriesen führen könnte.

    Es gebe “keine Garantie”, dass Evergrande NEV seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen werde, warnte der Automobilhersteller zu Wochenbeginn. Sein Aktienkurs in Hongkong ist seit Jahresbeginn um 80 Prozent gefallen. Am Sonntag hatte Evergrande NEV dann mitgeteilt, die finanziellen Schwierigkeiten des Mutterkonzerns hätten auch “nachteilige Auswirkungen” auf die geplante Massenproduktion von Elektroautos. Man stehe vor einem Liquiditätsengpass. Ohne eine Kapitalspritze stehe die Produktion von E-Autos vor einer ungewissen Zukunft, teilte das Unternehmen mit. Evergrande NEV wollte seine E-Autos auch in Deutschland verkaufen.

    Der Mutterkonzern Evergrande beschäftigt seit Wochen die Finanzmärkte. Der Immobilienriese hat in den vergangenen Jahren einen riesigen Schuldenberg angehäuft. Die Verbindlichkeiten sollen sich inzwischen auf über 300 Milliarden US-Dollar belaufen. Nun ist der Konzern in Zahlungsverzug geraten gegenüber Banken, Anleihegläubigern sowie Kunden und Mitarbeitern.

    Ob die Zentralregierung den Konzern retten wird, ist noch offen. Experten vermuten allerdings, Peking wolle an Evergrande ein Exempel statuieren (China.Table berichtete). Große Firmen sollen sich nicht darauf verlassen können, dass sie too-big-to-fail sind – also zu groß, um in Konkurs gehen zu können. Der Staat wolle mehr soziale Marktwirtschaft wagen und verfolge drei Ziele: Banken und Immobilienentwickler sollen ihre Risiken selbst tragen; Wohnungen müssen bezahlbar bleiben; und sie müssen eine stabile Wertanlage darstellen. Evergrande-Verwaltungsratschef Xu Jiayin hatte zuletzt versichert, man werde seine Verpflichtungen gegenüber Immobilienbesitzern, Anlegern, Partnerfirmen und Banken erfüllen (China.Table berichtete). rad

    • Autoindustrie

    Goldman und Citi erwarten weniger Wachstum

    Die Investmentbank Goldman Sachs hat ihre Wachstumsprognose für China für das laufende Jahr von 8,2 auf 7,8 Prozent gesenkt, wie Reuters berichtet. Als Ursachen werden die Energieknappheit (China.Table berichtete) und Produktionskürzungen in der Industrie angegeben. Die Stromversorgungskrise hat Unternehmen in mehreren Landesteilen zur Drosselung der Produktion veranlasst. Goldman Sachs geht davon aus, dass bis zu 44 Prozent der chinesischen Industrie davon betroffen sind, was sich merklich auf das Wirtschaftswachstum auswirken wird. Zuletzt hatte auch der japanische Autobauer Toyota berichtet, von den Stromengpässen in China betroffen zu sein.

    Der US-Bank Citi zufolge, wird das Wachstum auch in 2022 geringer ausfallen. Die Bank prognostiziert nun nur noch ein Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 4,9 Prozent. Zuvor war sie noch von 5,5 Prozent ausgegangen. Als Ursache wird die Schuldenkrise des Immobilienentwicklers Evergrande angegeben, die sich auf weitere Wirtschaftszweige auswirken und somit das Wachstum drücke werde. nib

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    Geely will Smartphones herstellen

    Der Gründer des chinesischen Autobauers Geely, Li Shufu, will ins Smartphonegeschäft einsteigen. Laut einem Memo, das Reuters vorliegt, wollen Li und andere Investoren in das Vorhaben rund 1,5 Milliarden US-Dollar investieren. Bereits 2023 soll das neu gegründete Unternehmen Xingji Shidai das erste Premium-Smartphone auf den Markt bringen und schon im ersten Jahr drei Millionen Geräte verkaufen. Firmensitz soll Wuhan sein.

    Lis Firmengruppe wäre damit der erste Fahrzeughersteller, der auch Smartphones anbietet. “Es gibt eine enge Verbindung von Technologien innerhalb intelligenter Fahrzeug-Cockpits und Smartphone-Softwaretechnologien”, sagte Li. Umgekehrt haben Telekommunikationsunternehmen wie Xiaomi und Huawei angekündigt, künftig mehr auf das Autogeschäft zu setzen (China.Table berichtete). Li ist bekannt für seine waghalsigen Investitionen. Zuletzt hatte Li in den Velocopter, einem Flugtaxi investiert (China.Table berichtete). niw

    • Autoindustrie

    Standpunkt

    Deutsche Unternehmen befürworten “robustere” Maßnahmen gegenüber China

    Von Jürgen Matthes
    Ökonom Jürgen Matthes vom IW Köln über Konkurrenzdruck aus China
    Ökonom Jürgen Matthes vom IW Köln

    Europas Unternehmen sehen sich einem zunehmenden Konkurrenzdruck aus China ausgesetzt. Schon ein Blick auf die Entwicklung der Anteile am Exportmarkt seit der Jahrtausendwende illustriert Chinas enormen Exporterfolg: Es hat seinen Anteil an den Weltexporten von Waren und Dienstleistungen von rund drei Prozent im Jahr 2000 auf fast elf Prozent im Jahr 2019 immens erhöht, vor allem in der ersten Dekade. Parallel dazu gingen schon in den 2000er-Jahren die Weltexportanteile anderer großer Industriestaaten deutlich zurück.

    Empirische Studien, die sich überwiegend auf die Zeit vor 2010 beziehen, deuten darauf hin, dass sich in dieser Zeit chinesische und deutsche Exporte überwiegend komplementär und nicht substitutiv zueinander verhielten, sich die Konkurrenzintensität durch China aus deutscher Sicht also in engen Grenzen hielt. Mit Blick auf die Zukunft stellt sich aber die Frage, ob China nicht immer stärker in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Die Strategie Made in China 2025 setzt sich dies zumindest zum Ziel. In diesem Fall könnten in der laufenden Dekade auch die Weltmarktanteile Deutschlands deutlich stärker als bislang unter Druck geraten.

    Ein Blick auf die Entwicklung der Marktanteile Chinas und Deutschlands an den EU-Importen zwischen 2000 und 2019 belegt in der Tat, dass China mit seinen Exporten immer mehr in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Dabei zeigt sich, dass Chinas Anteile auch hier sehr deutlich stiegen, Deutschlands Anteile waren dagegen seit 2005 rückläufig. Bei anspruchsvollen industriellen Produktgruppen, in denen Deutschland stärker spezialisiert ist, ist der Gegensatz noch ausgeprägter als im Warenhandel insgesamt. Zudem haben sich die chinesischen Exporte sehr deutlich in Richtung der anspruchsvollen Industriewaren verschoben.

    Konkurrenzdruck wird immer relevanter

    Vor diesem Hintergrund wurden deutsche Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen im Spätherbst 2020 im Rahmen des IW-Zukunftspanels befragt, wie stark sie die Konkurrenz durch China bereits spüren, welche Ursachen sie dahinter vermuten und wie sie einer robusteren Handelspolitik der EU gegenüber China gegenüberstehen. Die Ergebnisse sprechen eine recht deutliche Sprache.

    So wird die Relevanz des Konkurrenzdrucks durch China in den nächsten fünf Jahren von deutschen Industrie-Unternehmen sogar deutlich höher eingeschätzt als die Relevanz des Protektionismus. Ein knappes Drittel der Firmen misst der Konkurrenz durch chinesische Unternehmen einen eher hoher oder sehr hohen Stellwert bei. Bei Firmen, die nach China exportieren, beträgt dieser Anteil sogar über 42 Prozent.

    Zugleich werden chinesische Konkurrenten zwar als leistungsfähig und innovativ eingeschätzt. Doch die Zustimmung zur Relevanz von Wettbewerbsverzerrungen ist noch deutlich größer. So stimmten der Frage, ob Subventionen der chinesischen Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen, rund 71 Prozent der deutschen Firmen zu, die einen sehr hohen Konkurrenzdruck aus China spüren. Nur gut 42 Prozent dieser Unternehmen sehen ihre chinesische Konkurrenz als leistungsfähig und innovativ an.

    Wettbewerbsverzerrung wird deutlich wahrgenommen

    Die befragten Unternehmen messen einer robusteren Handelspolitik gegenüber chinesischen Wettbewerbsverzerrungen in den kommenden Jahren zudem einen hohen Stellenwert bei. Zum Beispiel halten über 60 Prozent der befragten Firmen mit einem hohen Exportanteil ein robusteres Vorgehen gegenüber China für sehr bzw. für eher wichtig. Bemerkenswert ist, dass die Zustimmungsraten auch bei Firmen mit Export nach oder Produktion in China ähnlich hoch oder noch etwas höher sind, obwohl diese Unternehmen vermutlich Gegenmaßnahmen Chinas fürchten müssen.

    Unter Firmen, die einen sehr hohen Konkurrenzdruck durch chinesische Unternehmen verspüren, befürworten sogar mehr als zwei von drei Unternehmen mit Nachdruck eine robustere Politikausrichtung. Sie sind offenbar überzeugt, dass dies nötig ist, um den Wettbewerbsverzerrungen durch chinesische Staatssubventionen entgegenzuwirken, die von diesen Firmen wie aufgezeigt sehr deutlich wahrgenommen werden.

    Das Antwortverhalten der deutschen Unternehmen kann damit als dringender Appell an die europäische und deutsche Wirtschaftspolitik interpretiert werden, Maßnahmen zu ergreifen, um faire Wettbewerbsbedingungen (“level playing field”) zu gewährleisten.

    Dieser Beitrag gehört in den Kontext der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Am Donnerstag, 30.09.2021, diskutieren Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft und Dietmar Baetge, Professor an der TH Wildau, im Rahmen dieses Formats über das Thema “Chinas Konkurrenz für Europas Unternehmen: Fairer Wettbewerb oder unerlaubte Subventionierung?” China.Table ist Medienpartner der Veranstaltungsreihe.

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    Personalien

    Francesco Blandino ist zukünftig für die Produktstrategie im NEV-Bereich bei Volkswagen China verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Produktmarketing. Zuvor war Blandino drei Jahre bei Volkswagen China als “Sales und Marketing Coordinator” tätig.

    Anngret Schulte in den Bäumen hat bei BMW in München die Verantwortung für Konzerninvestitionen in China übernommen. Sie hatte vorher eine Leitungsposition im Bereich Kundendienst.

    Frank Ueltzhöffer ist bei Bosch in Suzhou Vice President of Engineering geworden. Zuvor war er bei der Schwesterfirma BSH im benachbarten Nanjing Senior Director Global Electronics and Drive.

    Michael Perschke ist neuer CEO und Vorstand bei der Quantron AG. Quantron ist ein Systemanbieter von batterie- und wasserstoffbetriebener E-Mobilität für Nutzfahrzeuge wie Lkw, Busse und Transporter und hatte jüngst über einen Aktienaustausch mit Ev Dynamics seine globale Präsenz ausgebaut. Ev Dynamics, ehemals als China Dynamics bekannt, ist Anbieter von integrierten Antriebs- und Logistiklösungen und verfügt über eine Produktionsstätte in Chongqing sowie ein Vertriebsnetz in China, Hongkong, im asiatisch-pazifischen Raum und in Südamerika. Im August kündigten beide an, gemeinsam BEV- und FCEV- Fahrzeuge auf den Markt bringen zu wollen.

    Ne-Hyun Choi ist neuer Vice President CBS Strategy, Processes and Customer Experience bei BMW in München. Zuvor füllte er die Position des General Manager, Strategy and Business Development für die Region China bei BMW

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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