Table.Briefing: China

Auto-Joint-Ventures + Filmindustrie + Überalterung + Xiaomi + Bernd Lange + Doris Fischer

  • Das Netzwerk der Auto-Joint-Ventures in China
  • Chinas Kinomarkt überflügelt Hollywood
  • Die Überalterung bedroht Chinas Wachstum
  • Xiaomi plant Europazentrale in Düsseldorf
  • Bernd Lange: Peking – ein Partner mit Pflichten
  • Im Portrait: Doris Fischer
Liebe Leserin, lieber Leser,

einst galt der Joint-Venture-Zwang den westlichen Autokonzernen als lästiges Übel beim Markteintritt in China. Mittlerweile ist daraus ein dichtes Netzwerk an Partnern gewachsen. Christiane Kühl hat die Verästelungen sortiert und schreibt auf, wer mit wem an welchen Standorten kooperiert und produziert – und wer das jetzt noch plant.

Welche Produktionen boomen im milliardenschweren chinesischen Kinomarkt und was tun die amerikanischen Produzenten, um Marktbeschränkungen und die Pekinger Zensur zu umgehen? Jörn Petring und Gregor Koppenburg analysieren das Riesengeschäft mit Filmen und werfen einen Blick auf den Geschmack der Kinogänger.

Die beiden Pekinger Korrespondenten gehen außerdem einem gesellschaftlichen Phänomen nach, das die Staatsführung in Peking schon lange besorgt: Es geht um die Überalterung. Die einstige Ein-Kind-Politik hat tiefe Spuren bei den Chinesen hinterlassen und das Streben nach Wohlstand beschleunigt die negative Entwicklung: Es werden zu wenig Chinesen geboren.

Wir möchten Ihnen heute auch einen journalistischen Leckerbissen zum Lesen empfehlen. Die Kollegen des Wall Street Journal haben die wahren Gründe für die plötzliche Absage des Börsengangs von Ant Financial im letzten Herbst aufgedeckt. Ihre Recherche zeigt: Mehreren Pekinger Parteiquellen zufolge hätten die falschen Leute von dem Mega-Börsengang profitiert – nämlich politische Gegner von Xi Jinping. Und das hat die ohnehin misstrauischen Behörden endgültig zum Handeln veranlasst.

Ihre
Antje Sirleschtov
Bild von Antje  Sirleschtov

Presseschau

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Virtual control: the agenda behind China’s new digital currency FT
Myanmar protesters accuse China of backing coup plotters FT
Western media ‘desperate’ to doubt WHO findings they don’t like GLOBAL TIMES
Chinas Pläne für einen neuen Megastaudamm schüren Ängste vor einem Wasserkrieg mit Indien HANDELSBLATT
Kolumne: “Der Westen hat zwei Chinastrategien – beide sind falsch” SPIEGEL
“In Washington herrscht Frustration” – US-Präsident Biden enttäuscht von Europas Haltung zu China HANDELSBLATT
China: Sechs Tote bei Feuer in Goldmine SPIEGEL
Sprachdaten landen in China: Neue Datenschutzbedenken gegen Clubhouse DER STANDARD

Analyse

Das Netzwerk der Auto-Joint-Ventures

Ab 2022 fällt in China einer der Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik aus den 1990er Jahren: Der so genannte Auto-Joint-Venture-Zwang. Bisher dürfen Ausländer dabei maximal 50 Prozent der Anteile halten – und maximal zwei Joint Ventures betreiben. Beides fällt 2022 weg – für Elektroautos und Plug-in Hybride gilt es schon ab 2018 nicht mehr.

Doch es ist unwahrscheinlich, dass sich das Geflecht an Joint Ventures, das die Investitionen ausländischer Autobauer in China über die Jahre gebildet haben, kurzfristig auflöst. Die chinesischen Partner auszukaufen, würde die internationalen Firmen Milliarden kosten – und das Einverständnis der jeweiligen Partner voraussetzen. Dies sind zumeist große Staatskonzerne. “Dementsprechend müssen die ausländischen Partner neben den Verhandlungen mit den chinesischen Partnern auch mit den zuständigen chinesischen Regierungsbehörden verhandeln”, schrieb Mark Schaub, Managing Partner der Kanzlei King, Wood & Mallesons. Das Interesse an einem Ausstieg aus den erfolgreichen Joint Ventures dürfte für die chinesische Seite gering sein.

Das Ziel der seit 1994 geltenden Joint-Venture-Regel war es, lokalen Autokonzernen direkten Zugang zu Technologie und Expertise der ausländischen Autofirmen zu ermöglichen. Doch bislang waren es die internationalen Marken der Partner, mit denen die Staatsfirmen ihr Geld verdienten. Beim Aufbau eigener Marken – eines der Ziele der Joint-Venture-Politik – haben die meisten bislang nur mäßigen Erfolg.

Für die Ausländer – Volkswagen, BMW, Daimler, Audi, General Motors, PSA, Fiat-Chrysler, Toyota, Honda und andere – ist China auch in dem existierenden Regelwerk zu einem ihrer größten Absatzmärkte aufgestiegen. GM und VW verkaufen in China mehr Autos als auf dem jeweiligen Heimatmarkt. Bei VW waren es 2020 zum Beispiel trotz eines coronabedingten Minus 3,85 Millionen Autos. Der Marktanteil der verschiedenen VW-Konzernmarken in China lag 2020 bei 19,3 Prozent.

Schon 1985 hatten die Wolfsburger ihr erstes Joint Venture mit Chinas größtem Autobauer Shanghai Automotive (SAIC) gegründet, an dem beide 50 Prozent halten. Der dort anfangs gefertigte Santana wurde zum jahrelangen Dauerbrenner, seither kamen viele andere Modelle auch anderer Konzernmarken hinzu. 1991 folgte die Gründung des zweiten VW-Joint-Ventures mit First Automobile Works (FAW) in Changchun. Daran hält VW bis heute nur 40 Prozent. Bei FAW-VW laufen bis heute auch die Autos der Marke Audi vom Band.

Auto-Joint-Venture: Wer mit wem?

Doch niemand hat seinen Partner in China exklusiv. VW-Partner SAIC betreibt auch ein großes Joint Venture mit GM – und dazu ein Dreier-Joint-Venture mit GM und Wuling, das sehr erfolgreich mit einfachen Modellen des Massensegmentes ist. General Motors ist seit Jahren der größte Konkurrent von VW um die Krone des Marktführers.

Daimler betreibt seit 2005 ein Joint Venture in Peking mit Beijing Automotive (BAIC) namens Beijing Benz Automotive Co., Ltd. (BBAC), an dem die Stuttgarter 49 Prozent halten. Außerdem gründete Daimler 2011 mit BYD ein Joint Venture für Elektroautos: Shenzhen BYD Daimler New Technology (BDNT), wo ein E-Modell namens Denza vom Band läuft. BMW war kurz vor Daimler mit dem 2003 gegründeten Joint Venture BMW Brilliance Automotive Ltd. im nordostchinesischen Shenyang in die lokale Fertigung eingestiegen. Brilliance und BMW halten je die Hälfte der Anteile. Anders als die anderen deutschen Firmen teilte BMW bereits 2018 mit, Interesse an einer Erhöhung dieser Anteile auf 75 Prozent zu haben. Seither ist Brilliance in Turbulenzen geraten, da sein größter Anteilseigner kurz vor der Pleite stehen soll. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters erwägt VW-Partner FAW, Brilliance zu übernehmen.

Mit der Übernahme von Brilliance würde FAW das Joint Venture erben und damit die Zahl seiner Joint-Venture-Partner auf drei erhöhen. Denn FAW betreibt neben jenen mit VW zwei weitere Joint Ventures mit Toyota in Tianjin und Chengdu. Toyota indes hat ein weiteres Joint Venture mit Guangzhou Auto (GAC) in Guangzhou. GAC führt derweil noch zwei Gemeinschaftsunternehmen mit Fiat-Chrysler in Changsha und mit Honda in Guangzhou. Honda wiederum arbeitet zusätzlich mit dem Konzern Dongfeng in Wuhan zusammen, der neben Honda auch mit PSA und Nissan verbandelt ist. Ford und Mazda besitzen je ein Joint Venture mit Changan Auto in Chongqing. Changan betreibt ein weiteres in Shenzhen mit PSA. BAIC kooperiert neben Daimler auch mit Hyundai – in einem Unternehmen, das unter anderem praktisch alle Taxis in der Hauptstadt produziert.

Neue Partnerschaften im E-Segment

Und nun sind durch die Elektromobilität weitere Partnerschaften hinzugekommen – und das, obwohl dies seit 2018 gar nicht mehr nötig gewesen wäre. Einzig Tesla baute seine Autofabrik in Shanghai allein auf und verkauft seit einem Jahr seine dort vom Band laufenden Elektroautos.
Schon 2017 hatte VW mit Jianghuai Automotive (JAC) in Hefei in der zentralchinesischen Provinz Anhui ein Elektro-Joint-Venture gegründet. Seit September 2019 laufen dort Stromer der Marke Sol vom Band. Ende 2020 erhöhte VW seine Anteile mithilfe einer Kapitalerhöhung von 50 auf 75 Prozent und benannte die Firma von JAC Volkswagen in Volkswagen (Anhui) Automotive um.

Im Sommer 2018 unterschrieben BMW und das chinesische Unternehmen Great Wall Motor den Vertrag für ein 50-50-Joint-Venture namens Spotlight Automotive zur Produktion des elektrischen Mini in der Küstenstadt Zhangjiagang. Im Dezember 2019 begann der Bau einer Fabrik, in der voraussichtlich ab 2022 Autos produziert werden.

Anfang 2020 dann gründete Daimler in der Hafenstadt Ningbo ein Gemeinschaftsunternehmen zur Produktion von E-Smart-Modellen mit Geely. Ab 2022 soll das Joint Venture Autos produzieren; bis dahin läuft der Smart noch in zwei Werken in Europa vom Band. Audi gab im Oktober 2020 ein eigenes Joint Venture mit FAW bekannt, mit dem die Ingolstädter ab 2024 Elektroautos in Changchun produzieren wollen. Audi hält demnach 60 Prozent an dem Unternehmen.

Ebenfalls 2020 ging ein Joint Venture von Toyota und BYD an den Start, mit dem die Partner gemeinsam Elektroautos und Batterien entwickeln wollen. Das Thema Gemeinschaftsunternehmen ist also noch lange nicht erledigt – nur ist es bald eben freiwillig.

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Chinas Kinomarkt überflügelt Hollywood

Normalerweise ist die beliebte Einkaufsmeile im Pekinger Stadtteil Sanlitun während der Neujahrsferien mehr oder weniger verwaist. Doch dieses Jahr ist das anders. Denn viele Chinesen sind der Bitte der Regierung gefolgt, als Corona-Vorsichtsmaßnahme nicht in ihre Heimatprovinzen zu reisen.

Um sich über die wegfallenden Familienfeiern hinwegzutrösten, zieht es stattdessen viele Menschen in die Kinos. Wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete, schnellte der Verkauf von Kinokarten am vergangenen Wochenende stark in die Höhe. Zwar wird in chinesischen Kinos immer noch die Körpertemperatur gemessen, beim Betreten muss die Gesundheitsapp vorgezeigt werden und zum Nachbarn muss ein Kinosessel Abstand gehalten werden. Dennoch wurden über das lange Neujahrswochenende 230 Millionen Karten verkauft – ein Plus von 34 Prozent im Vergleich zu 2019, vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie. Der große Hit zum Fest ist der Film Detective Chinatown 3, eine überdrehte Komödie mit knalligen Farben und viel Slapstick. Bereits zwei Tage nach dem Release hat die chinesische Produktion umgerechnet rund 400 Millionen Dollar eingespielt. Der höchste Wert, den je ein Film zum Auftakt in einem einzelnen Land geschafft hat.

Topquote für Detective Chinatown 3

Es ist ein willkommener Neustart für die chinesische Filmindustrie nach einem beinahe katastrophalen Jahr 2020. Nur 550 Millionen Tickets wurden im Corona-Jahr insgesamt verkauft während es im im Vorjahr noch 1,7 Milliarden waren. Doch verglichen mit den meisten Konkurrenten im Westen sind chinesische Kinos deutlich besser durch die Krise gekommen. Bereits im Frühsommer, als China die Pandemie unter Kpntrolle gebacht hatte, durften die Kinos wieder öffnen. So konnte zum Beispiel der heimische Historienfilm The Eight Hundred umgerechnet etwa 460 Millionen Dollar in die Kinokassen spülen, die Dramödie My people, My Homeland schnitt mit 420 Millionen Dollar nicht viel schlechter ab. Solche Zahlen sorgten dafür, dass China 2020 die USA beim Gesamtumsatz des Kinomarktes erstmals übertroffen hat.

Für ausländische Filme war es jedoch ein schlechtes Jahr. Laut der Financial Times lag der Anteil von US-Produktionen 2020 nur noch bei 16 Prozent, während es 2019 noch 36 Prozent waren. Diese ungewöhnliche starke Einbruch hängt zwar damit zusammen, dass viele Starttermine von Hollywood-Blockbustern wegen Corona international verschoben wurden. Der Trend, dass US-Filme in China an Bedeutung verlieren, ist allerdings schon seit längerem zu beobachten.

“Die starken Ticketverkäufe zeigen nur minimale Auswirkungen durch pandemiebezogene Einschränkungen und bestätigen unsere Ansicht, dass die Qualität der Inhalte zum Haupttreiber an den chinesischen Kinokassen geworden ist”, zitiert die South China Morning Post eine Recherche von JP Morgan.

Zensur: Die Tricks der Ausländer

Dass der Anteil ausländischer Produktionen niedrig ist, liegt allerdings auch an Beschränkungen, die ausländischen Filmen auferlegt werden. Die für ausländische Filme lukrativste Art, am chinesischen Markt in Erscheinung zu treten, ist die der Einnahmenteilung. Dabei erhält die ausländische Seite 25 Prozent der Einnahmen, die chinesische 75 Prozent. Unter diesen Konditionen dürfen pro Jahr allerdings nur 34 ausländische Produktionen erscheinen. Diese Zahl lag 1994 noch bei 10 Filmen und ist seitdem bis 2012 in zwei Schritten auf 34 erhöht worden. Als Alternative können Studios Filme auch für einen Festbetrag an chinesische Partner verkaufen, wobei dann 100 Prozent der Gewinne auf der chinesischen Seite bleiben. In allen Fällen schlagen dann noch die Zensur-Behörden zu. Sexuell suggestive Inhalte sind nicht erlaubt, genauso wie chinesische Figuren keine Bösewichte sein dürfen. US-Filmemacher tun deshalb alles, um erstens an Pekings strengen Zensoren vorbeizukommen und zweitens mit chinesische Star-Besetzungen, Drehorten und Product placement das Publikum anzuziehen.

Als 2016 der zweite Teil von Roland Emmerichs Independence Day in die Kinos kam, waren es plötzlich nicht mehr allein die Amerikaner, die die Alien-Invasion abwehrten. Auch die Chinesen kämpften um das Überleben der Menschheit und schickten die beliebte chinesische Schauspielerin Angelababy als eine der Hauptrollen in die Schlacht. Auch fügten die Filmemacher Szenen zwischen ihr und ihrem Vater ein, bei denen sie ausschließlich Chinesisch sprachen. Liam Hemsworth, der den Helden auf US-Seite spielte, nutzte auf der Mondbasis beim Chat mit seiner Freundin nicht etwa Skype oder Facebook sondern den prominent in Szene gesetzten chinesischen Chat-Dienst QQ, der sich zumindest in dieser Version der Zukunft gegen die westliche Internet-Konkurrenz durchgesetzt hat. In The Martian springen die Chinesen den Amerikanern zur Seite und bieten ihre gewaltige Weltraumrakete an, um den gestrandete Raumfahrer Matt Damon vom Roten Planeten zu retten.

Chinesische Filme liegen im Trend

Trotz der sichtlichen Bemühungen Hollywoods, Schritt zu halten, gelingt es Chinas Filmemachern auf ihrem Heimatmarkt immer häufiger, die US-Konkurrenz weit hinter sich zu lassen.

So haben es US-Produktionen, die noch bis vor einigen Jahren dominant waren, immer schwerer, einen Platz in den Top 10 der Filme mit dem höchsten Jahresumsatz zu ergattern. Unter den zehn umsatzstärksten Filmen in China aller Zeiten findet sich mit Avengers Endgame sogar nur eine einzige ausländische Produktion. Die Top Drei bilden vor allem neuere chinesische Produktionen wie The Wandering Earth, der Animationsfilm Ne Zha und Wolf Warrior II – der chinesische Film mit den höchsten Einnahmen aller Zeiten. Diese Filme haben außerdem gemeinsam, dass sie nur einen kleinen Teil der Einnahmen im Ausland erzielen müssen – die Größe des chinesischen Marktes macht es möglich. The Wandering Earth, der insgesamt fast 700 Millionen Dollar einspielte, machte 690 Millionen davon auf dem heimischen Markt. Bei Ne Zha sieht es ähnlich aus. Der Film generierte nur nur etwa sieben von 720 Millionen Dollar außerhalb Chinas. Am klarsten ist der Trend beim Spitzenreiter Wolf Warrior II, der von 870 Millionen Dollar Gesamteinnahmen nur sechs Millionen im Rest der Welt eingespielte.

Dennoch: Um mit den ganz großen US-Franchises wie Avengers (weltweite Einnahmen 2,8 Milliarden Dollar) mithalten zu können, ist es noch ein weiter Weg. Doch der Heimatmarkt wächst rasant. Gregor Koppenburg / Jörn Petring

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  • Zensur

Die Überalterung bedroht Chinas Wachstum

China bekommt die Auswirkungen seiner jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik immer deutlicher zu spüren. Laut Daten des Ministeriums für öffentliche Sicherheit wurden 2020 15 Prozent weniger Neugeborene gemeldet. Die Anzahl der Anmeldungen sei von 11,79 auf 10,04 Millionen gefallen. Die Daten zeigen noch nicht das komplette Bild. So wiesen Experten darauf hin, dass die berichtete Zahl der neu beantragten Wohnortregistrierungen (Hukou) nicht alle Geburten abbilden, da einige Familien sich mit dieser Registrierung Zeit ließen. Zuverlässige Daten wird es erst im April geben, wenn das Statistikamt die offiziellen Geburtenzahlen für 2020 vorlegen will. 

Klar jedoch ist, dass die neuen Daten einen Trend unterstreichen, der bereits seit längerer Zeit zu beobachten ist. So hatte die Aufhebung der seit 1979 geltenden Ein-Kind-Politik 2016 nur im ersten Jahr zu einem leichten Anstieg der Geburten geführt, seither sind sie jedes Jahr weiter gefallen.

Der Pekinger Wirtschaftsprofessor Liang Jianzhang, der sich die jüngsten Daten genauer angesehen hat, weist daraufhin, dass einige Städte und Regionen sogar einen Rückgang von mehr als 25 Prozent bei den Hukou-Anmeldungen verzeichnet hätten. “Wenn die Geburtenrate nicht deutlich erhöht werden kann, wird der Rückgang kein schnelles Ende finden”, so der Forscher.  

“Alarmierendes Ausmaß”

Selbst in der parteinahen Zeitung Global Times werden nun Experten zitiert, die sich wegen der Entwicklung Sorgen machen. “Die niedrige Geburtenrate hat ein alarmierendes Ausmaß erreicht, aber es ist keine Überraschung”, sagte Professor Mu Guangzong vom Institut für Bevölkerungsforschung an der Universität Peking dem Blatt. 

1979 hatte die Regierung in Peking die Ein-Kind-Politik eingeführt, um das Bevölkerungswachstum einzudämmen und weitere Hungersnöte, wie sie das Land in den Jahren zuvor immer wieder erlebt hatte, zu verhindern. Forscher gehen davon aus, dass durch die Ein-Kind-Regelung tatsächlich bis zu 400 Millionen Chinesen weniger geboren wurden. Allerdings altert die Bevölkerung dafür rasant.

In Peking kämpft man seit jeher mit dieser politischen Divergenz. Einerseits braucht man mehr junge Menschen, aber ein zu großes Volk verursacht ebenso Probleme. Doch immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die seit Jahrzehnten wichtigste Reform der Bevölkerungspolitik falsch angegangen wurde. Peking hat zu spät begriffen, dass eine einfache Lockerung der Ein-Kind-Politik der Überalterung nicht entgegenwirken kann. 

Denn bei der Entscheidung, ob man als junges Paar Nachwuchs in die Welt setzen soll oder nicht, spielen in China längst die gleichen Faktoren eine Rolle wie in Europa: Die Karriere ist für junge Chinesen so wichtig wie noch nie, sodass kaum Zeit bleibt, ein Kind groß zu ziehen. Hinzu kommt: Die bisher strikte Geburtenkontrolle und hohe Strafgelder für das verbotene zweite Kind haben vielen Chinesen ganz einfach die Lust zur Großfamilie genommen.

Veränderte Einstellung von Frauen

Die Schriftstellerin und Journalistin Zhang Lijia, beschrieb kürzlich, wie sich sich die Einstellungen chinesischer Frauen geändert habe. Insbesondere bei immer mehr in Großstädten lebenden und gut ausgebildeten Frauen würde Ehe und Elternschaft nicht mehr als “notwendige Passagen im Leben oder als wesentliche Bestandteile eines glücklichen Lebens” betrachtet: “Sie sind selbstbewusst genug, um dem Druck ihrer Eltern zu widerstehen, Kinder zu zeugen”. Auch die Gesellschaft sei toleranter geworden, meint Zhang

Was zu tun ist, beschrieb bereits kurz nach dem Ende der Ein-Kind-Politik der Demografie-Experte Wang Feng in einem Interview. “Die Reform der Ein-Kind-Politik hätte noch viel weiter gehen müssen, als einfach das bestehende Gesetz zu lockern”, so Wang. Weitere Anreize müssten her, um noch mehr Familien vom Kinderkriegen zu überzeugen.

Finanzielle Erleichterungen im Bildungsbereich und zusätzliche Kitaplätze wären ein Anfang. Und auch die Bürokratie müsse dringend abgebaut werdenFünf Jahre nach dieser Warnung hat die Regierung hier noch immer einen weiten Weg vor sich, was auch bei Ökonomen zunehmend Sorgen auslöst.

Ökonomen: Risiken für die Altersvorsorge

Die alternde Bevölkerung und die sinkende Geburtenrate seien eines der “größten Risiken” in China, zitiert die Hongkonger Zeitung South China Morning Post Ren Zheping, den Chefökonom der Evergrande-Gruppe. Der erhoffte Babyboom infolge der Einführung der Zwei-Kind-Politik sei ausgeblieben. Die damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme würden immer spürbarer. 

So fragen sich Ökonomen auch, wer in einer so rapide alternden Gesellschaft wie in China, in der es in Rekordzeit immer weniger arbeitsfähige Menschen geben wird, die Renten für die Alten finanzieren soll. Bereits 2019 warnte eine Studie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, dass dem staatlichen Pensionsfonds bei anhaltender Geburtenknappheit im Jahr 2035 das Geld ausgehen könnte. 

Ähnlich wie schon heute in Deutschland werden auch Chinesen künftig selbst deutlich mehr für ihre Altersvorsorge zur Seite legen müssen. Gleichzeitig müssen sich Hunderte Millionen Einzelkinder in Zukunft alleine um ihre greisen Eltern kümmern. Gregor Koppenburg/Jörn Petring 

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News

Xiaomi plant Europazentrale in Düsseldorf

Der chinesische Smartphone- und Elektronikhersteller Xiaomi will sein Geschäft in Europa weiter ausbauen. Deutschland spielt dabei eine besondere Rolle: “Wir werden unsere Europazentrale in Düsseldorf errichten”, sagte Xiaomi-Deutschlandchef Alan Chen Li im Gespräch mit dem Handelsblatt. Dort sollen dem Manager zufolge mehrere Hundert Mitarbeiter in Bereichen wie Logistik, Finanzen, Service und Marketing tätig sein. Für den Standort spreche die zentrale Lage in Europa, heißt es weiter in dem Bericht. Ein genauer Zeitplan für den Aufbau sei wegen der Corona-Pandemie jedoch schwer absehbar.

Im dritten Quartal 2020 machte Xiaomi erstmals in seiner zehnjährigen Geschichte mehr als die Hälfte seines Umsatzes (55 Prozent) außerhalb Chinas. Der Hersteller war sehr lange einer der großen Gewinner des US-Embargos gegen chinesische Konkurrenten – denn viele Huawei-Nutzer wechselten zu einem Xiaomi-Handy. Tech-Gigant Huawei, der gerade auf dem besten Weg war, sich beim Smartphone-Absatz an die Weltspitze zu setzen, wurde von US-Sanktionen schwer getroffen.

Xiaomi drittwichtigste Smartphone-Marke in Deutschland

In Europa – dem größten Überseemarkt von Huawei – gingen die Lieferungen im dritten Quartal 2020 um 25 Prozent zurück. Währenddessen stiegen sie bei Xiaomi um 88 Prozent. Ende 2020 schob sich Xiaomi zum ersten Mal an Apple vorbei auf Platz drei der Weltrangliste, hinter Samsung und Huawei. Auch in Deutschland ist Xiaomi mittlerweile als drittwichtigste Smartphone-Marke etabliert.

Alan Chen Li erklärte im Handelsblatt-Interview, dass er Xiaomi nicht als Nutznießer der Probleme seines Konkurrenten sieht: “Wir konnten unsere Kunden mit guten Produkten überzeugen”. Allerdings ist auch Xiaomi beim Streit zwischen Washington und Peking nicht außen vor geblieben. Im Januar stufte das US-Verteidigungsministerium Xiaomi als Militärfirma ein und forderte US-Investoren auf, Anteile abzugeben. Seither brodelt ein Rechtsstreit, zu dem sich der Manager nicht äußern wollte. ari

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Standpunkt

China als Partner mit Pflichten

Von Bernd Lange
Bernd Lange spricht über die EU-Handelsstrategie, nach der China als Partner mit Pflichten gesehen wird

Angesichts der großen Herausforderungen, nicht zuletzt derjenigen durch die Coronavirus-Pandemie, ist es mehr als notwendig, unsere handelspolitische Strategie zu überdenken. Denn es ist völlig klar: Die alte Vorstellung, Handelspolitik sei das Schmierfett der wirtschaftlichen Entwicklung ist längst überholt ist. Das gilt auch für den Ansatz nach David Ricardo, dass man nur die Handelsbarrieren niederreißen müsse und dann würden die komparativen Vorteile Wachstum und Wohlstand bringen. Heute geht es um den Klimawandel, um Arbeitnehmerrechte, um Reichtumsverteilung und um die Nachhaltigkeitsziele der UN. Die Handelspolitik der EU ist ein kraftvolles Mittel, europäische Interessen wirksam werden zu lassen

Deswegen brauchen wir strategische Leitlinien für die nächsten zehn Jahre. Man kann sicherlich den drei zentralen Leitlinien der EU-Kommission zustimmen: A) Handelspolitik muss einen Beitrag zum Wiederaufbau nach der Corona-Krise und zur Transformation in Richtung des “Green Deal” leisten. B) Handelspolitik muss die Globalisierung fairer und nachhaltiger gestalten, und C) Handelspolitik muss mit dazu beitragen, die Europäische Union entsprechend ihren Werten handlungsfähig zu machen. 

Sorgfaltspflicht in Lieferketten muss verbindlich sein

Zur Umsetzung der Leitlinien gilt es den Werkzeugkasten der europäischen Handelspolitik zu überprüfen. Dabei liegt es auf der Hand, dass einige Instrumente modernisiert werden und andere neu geschaffen werden müssen. So werden im Bereich der WTO sicherlich neue Impulse im Bereich der Digitalisierung oder der Nachhaltigkeit notwendig. Auch zur Förderung einer klimaneutralen Entwicklung brauchen wir zum Beispiel einen neuen Grenz-Ausgleichsmechanismus. Eine faire Gestaltung der Globalisierung wird nicht ohne eine verbindliche Sorgfaltspflicht in Lieferketten gehen. Über die konkreten Instrumente werden wir sicherlich mit der EU-Kommission intensiv und wahrscheinlich auch kontrovers diskutieren.

Basierend auf der Definition der eigenen Interessen und Strategie gestaltet sich natürlich auch das Verhältnis zu unseren Handelspartnern in der multipolaren Welt. Insbesondere kommt hier natürlich der seit einigen Tagen größte Handelspartner der EU in den Blick, China. China hat ohne Zweifel eine große wirtschaftliche Dynamik entfaltet und ist gerade jetzt ein stabilisierender wirtschaftlicher Faktor. Aber es steht auch außer Zweifel, dass China mit seinem staatskapitalistischen System in der globalisierten Welt anders ökonomisch und geopolitisch auftritt, als wir Europäer es als angemessen sehen würden. Insofern ergeben sich aus den drei Leitlinien natürlich auch unterschiedliche Handlungsstränge gegenüber China, die dann in eine Gesamtstrategie münden. 

Im Bereich des Wiederaufbaus und der Transformation gibt es Möglichkeiten mit China zusammenzuarbeiten. Hier geht der Blick in Richtung WTO, wo neue Regeln für den digitalen Handel und für klimafreundlichen Handel notwendig sind. Aber auch in unserem bilateralen Beziehungen sind Verständigung über Regeln zum Schutz gegen erzwungenen Technologietransfer, zum Verhalten von Staatsunternehmen, zur Transparenz von Beihilfen uvm. hilfreich. Nach der Verpflichtung zur Klimaneutralität sind auch gemeinsame Projekte zum Klimaschutz vorstellbar. 

Im Bereich der fairen und nachhaltigen Gestaltung der Globalisierung zeigen sich aber deutliche Unterschiede. So gehört die Ratifizierung und die entsprechende Umsetzung und Kontrolle der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation in den Mindestbestand eines angemessenen Handelns. Dies ist verbindlich zu vereinbaren. Auch Unternehmen haben mit einem europäischen Lieferkettengesetz zur Umsetzung mitzuwirken. Ebenso kann ich mir nicht einen Marktzugang für Produkte, die eindeutig aus Produktionsprozessen mit Zwangsarbeit entstanden sind, vorstellen.

Handelsstrategie sieht Handelspolitik als kräftiges Mittel

Im Bereich der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union werden wir uns sicherlich die Frage lauterer und unlauterer Subventionen von chinesischen Unternehmen auf den europäischen Markt ansehen und eine Gesetzgebung auf den Weg  bringen. In diesem Zusammenhang hoffe ich, dass wir in den nächsten Monaten das internationale Beschaffungsinstrument endlich verabschieden können. Der FDI-Screening-Mechanismus zur Überwachung der Übernahme von bestimmten Unternehmen, Infrastruktur oder Technologie, die ein Risiko für die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung werden könnten, wird weiterentwickelt. Die Stärkung der Durchsetzungsmöglichkeiten von Vereinbarungen gehört ebenso dazu.

Handelspolitik ist zwar ein kräftiges Mittel der Gestaltung, aber sie sollte in ein umfassendes Konzept eingebunden sein, wozu eine aktive Diplomatie hinsichtlich zum Beispiel der Vorgänge in Hongkong dazugehört oder auch die Anwendung des neuen Mechanismus über Sanktionen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen. 

Bernd Lange ist seit Juli 2014 Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament. Der SPD-Politiker aus Niedersachsen war von 1994 bis 2004 Europaabgeordneter, zwischen 2005 und 2009 leitete er die Abteilung “Wirtschaft, Umwelt und Europa” beim DGB-Bezirk Niedersachsen-Bremen-Sachsen/Anhalt. Seit 2009 sitzt er wieder im EU-Parlament. Seit 2019 ist er auch Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Fair Trade.

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  • IAO
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  • WTO
  • Zwangsarbeit

Portrait

Doris Fischer

Doris Fischer - Professorin für China Economics and Business am Institut für Sinologie der Universität Würzburg
Professorin für China Economics and Business am Institut für Sinologie der Universität Würzburg

Aus reiner Neugier hatte sich Doris Fischer einst nach dem Abitur an der Universität Hamburg für Sinologie und Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben. Sie kannte keinen Chinesen beim Namen und wusste nicht, ob ihr der Studiengang überhaupt gefällt. “Nach zwei Wochen war ich davon gefesselt”, sagt sie. Seit mittlerweile rund 30 Jahren beschäftigt sich die 55-Jährige mit Chinas Wirtschafts- und Industriepolitik, seit 2012 tut sie dies als Professorin für China Economics and Business am Institut für Sinologie der Universität Würzburg.

Aktuell forscht sie vor allem zu Chinas Industriepolitik für die Energiewende unter Xi Jinping sowie zum chinesische Sozialkredit-System. Für letzteres bestehe derzeit großes Interesse in der Öffentlichkeit: “Medial wurde das Thema sehr gehypt.” Ein dreijähriges Forschungsprojekt soll nun grundsätzlich klären, wie das Sozialpunktesystem funktioniert, welche wirtschaftliche Logik dahintersteckt und welche Auswirkungen das System letztlich auch auf deutsche Unternehmen haben könnte.

Doris Fischer Begeisterung für China wird schnell klar

Dass Doris Fischer für China brennt, wird schnell klar: Sie redet schnell und ist voller Energie. Als problematisch nimmt sie die mangelnde China-Kompetenz in Deutschland wahr. Es sei in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden, sich eine unabhängige Meinung über das Land zu bilden. “Seit dem amerikanisch-chinesischen Handelskrieg ist eine gewaltige Propagandaschlacht im Gange“, sagt sie. Die hiesige Berichterstattung sei dabei häufig geprägt durch US-Medien.

Doris Fischer wundert sich auch über die “German Angst” gegenüber der chinesischen Führung und einer, wie sie es nennt, “Chinatechnophobie”. “Der Westen zeigt gerne mit dem Finger auf Chinas Regime und vergisst dabei, dass auch unser System seine Mängel hat”, sagt sie. Das sei eine bequeme, letztlich aber wirkungslose Haltung. “Wir können China nicht einfach demokratisieren.” Man müsse vielmehr den Dialog aufrechterhalten und dabei Grenzen aufzeigen, damit sich das Land an internationale Regeln hält. “Dafür muss man aber zuerst das System verstehen.”

Sozialpunktesystem als Beispiel für die eigenen Regeln

Exemplarisch hierfür sei die Debatte über das Sozialpunktesystem. Natürlich könne dieses missbräuchlich verwendet werden, das gehöre kritisiert. Vorher müsse man aber erst untersuchen, wie das System genau funktioniert, sagt Doris Fischer. Denn nur wer informiert und auf Augenhöhe mit der chinesischen Führung diskutiere, werde ernst genommen.

So habe China eine völlig andere Tradition des gegenseitigen Vertrauens und sozialer Kontrolle, welche aus europäischer Sicht undenkbar erscheint. Während im Westen der Rechtsstaat und Gesetze dafür sorgten, dass sich die Gesellschaft an Regeln hält, entstehe in China Vertrauen traditionell über Netzwerke und Beziehungen, so Doris Fischer. Im Rahmen des Sozialpunktesystems wird dabei öffentlich gemacht, ob jemand vertrauenswürdig sei: Etwa mit schwarzen Listen für Gesetzesbrecher und Auszeichnungen für jene, die sich besonders vorbildlich verhalten.

Auch das ist nicht völlig neu. Doris Fischer liefert dazu eine Anekdote aus ihrer eigenen Zeit in China. Erstmals besuchte sie das Land in den 80er-Jahren, zwei Jahre studierte sie in Wuhan. 1994 forschte sie als Doktorandin an der Pekinger Volksuniversität. “Im Eingangsbereich meines Studentenwohnheims hingen Listen, auf denen stand, welche Schüler fleißig waren und welche öfter zu spät kamen.” Das Sozialkredit-System verfolge ein ähnliches Ziel, einfach mit digitaler Technik.

Seit ihren ersten Aufenthalten in China besucht sie das Land jedes Jahr für mehrere Wochen. Die menschliche und kulturelle Vielfalt begeistert sie noch immer. “China bietet mir eine unendliche Quelle an wissenschaftlichen Fragen.” Das Land sei unglaublich dynamisch und stelle sie immer wieder vor neue Herausforderungen. “Das hält mich geistig jung.” Adrian Meyer

  • China Strategie 2022
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  • Sozialkredit-System
  • Wirtschaft

Dessert

Der Buchladen Songpo in Shaoyang in der Provinz Hunan begeistert mit ausgefallenem Innendesign.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
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    Kolumne: “Der Westen hat zwei Chinastrategien – beide sind falsch” SPIEGEL
    “In Washington herrscht Frustration” – US-Präsident Biden enttäuscht von Europas Haltung zu China HANDELSBLATT
    China: Sechs Tote bei Feuer in Goldmine SPIEGEL
    Sprachdaten landen in China: Neue Datenschutzbedenken gegen Clubhouse DER STANDARD

    Analyse

    Das Netzwerk der Auto-Joint-Ventures

    Ab 2022 fällt in China einer der Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik aus den 1990er Jahren: Der so genannte Auto-Joint-Venture-Zwang. Bisher dürfen Ausländer dabei maximal 50 Prozent der Anteile halten – und maximal zwei Joint Ventures betreiben. Beides fällt 2022 weg – für Elektroautos und Plug-in Hybride gilt es schon ab 2018 nicht mehr.

    Doch es ist unwahrscheinlich, dass sich das Geflecht an Joint Ventures, das die Investitionen ausländischer Autobauer in China über die Jahre gebildet haben, kurzfristig auflöst. Die chinesischen Partner auszukaufen, würde die internationalen Firmen Milliarden kosten – und das Einverständnis der jeweiligen Partner voraussetzen. Dies sind zumeist große Staatskonzerne. “Dementsprechend müssen die ausländischen Partner neben den Verhandlungen mit den chinesischen Partnern auch mit den zuständigen chinesischen Regierungsbehörden verhandeln”, schrieb Mark Schaub, Managing Partner der Kanzlei King, Wood & Mallesons. Das Interesse an einem Ausstieg aus den erfolgreichen Joint Ventures dürfte für die chinesische Seite gering sein.

    Das Ziel der seit 1994 geltenden Joint-Venture-Regel war es, lokalen Autokonzernen direkten Zugang zu Technologie und Expertise der ausländischen Autofirmen zu ermöglichen. Doch bislang waren es die internationalen Marken der Partner, mit denen die Staatsfirmen ihr Geld verdienten. Beim Aufbau eigener Marken – eines der Ziele der Joint-Venture-Politik – haben die meisten bislang nur mäßigen Erfolg.

    Für die Ausländer – Volkswagen, BMW, Daimler, Audi, General Motors, PSA, Fiat-Chrysler, Toyota, Honda und andere – ist China auch in dem existierenden Regelwerk zu einem ihrer größten Absatzmärkte aufgestiegen. GM und VW verkaufen in China mehr Autos als auf dem jeweiligen Heimatmarkt. Bei VW waren es 2020 zum Beispiel trotz eines coronabedingten Minus 3,85 Millionen Autos. Der Marktanteil der verschiedenen VW-Konzernmarken in China lag 2020 bei 19,3 Prozent.

    Schon 1985 hatten die Wolfsburger ihr erstes Joint Venture mit Chinas größtem Autobauer Shanghai Automotive (SAIC) gegründet, an dem beide 50 Prozent halten. Der dort anfangs gefertigte Santana wurde zum jahrelangen Dauerbrenner, seither kamen viele andere Modelle auch anderer Konzernmarken hinzu. 1991 folgte die Gründung des zweiten VW-Joint-Ventures mit First Automobile Works (FAW) in Changchun. Daran hält VW bis heute nur 40 Prozent. Bei FAW-VW laufen bis heute auch die Autos der Marke Audi vom Band.

    Auto-Joint-Venture: Wer mit wem?

    Doch niemand hat seinen Partner in China exklusiv. VW-Partner SAIC betreibt auch ein großes Joint Venture mit GM – und dazu ein Dreier-Joint-Venture mit GM und Wuling, das sehr erfolgreich mit einfachen Modellen des Massensegmentes ist. General Motors ist seit Jahren der größte Konkurrent von VW um die Krone des Marktführers.

    Daimler betreibt seit 2005 ein Joint Venture in Peking mit Beijing Automotive (BAIC) namens Beijing Benz Automotive Co., Ltd. (BBAC), an dem die Stuttgarter 49 Prozent halten. Außerdem gründete Daimler 2011 mit BYD ein Joint Venture für Elektroautos: Shenzhen BYD Daimler New Technology (BDNT), wo ein E-Modell namens Denza vom Band läuft. BMW war kurz vor Daimler mit dem 2003 gegründeten Joint Venture BMW Brilliance Automotive Ltd. im nordostchinesischen Shenyang in die lokale Fertigung eingestiegen. Brilliance und BMW halten je die Hälfte der Anteile. Anders als die anderen deutschen Firmen teilte BMW bereits 2018 mit, Interesse an einer Erhöhung dieser Anteile auf 75 Prozent zu haben. Seither ist Brilliance in Turbulenzen geraten, da sein größter Anteilseigner kurz vor der Pleite stehen soll. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters erwägt VW-Partner FAW, Brilliance zu übernehmen.

    Mit der Übernahme von Brilliance würde FAW das Joint Venture erben und damit die Zahl seiner Joint-Venture-Partner auf drei erhöhen. Denn FAW betreibt neben jenen mit VW zwei weitere Joint Ventures mit Toyota in Tianjin und Chengdu. Toyota indes hat ein weiteres Joint Venture mit Guangzhou Auto (GAC) in Guangzhou. GAC führt derweil noch zwei Gemeinschaftsunternehmen mit Fiat-Chrysler in Changsha und mit Honda in Guangzhou. Honda wiederum arbeitet zusätzlich mit dem Konzern Dongfeng in Wuhan zusammen, der neben Honda auch mit PSA und Nissan verbandelt ist. Ford und Mazda besitzen je ein Joint Venture mit Changan Auto in Chongqing. Changan betreibt ein weiteres in Shenzhen mit PSA. BAIC kooperiert neben Daimler auch mit Hyundai – in einem Unternehmen, das unter anderem praktisch alle Taxis in der Hauptstadt produziert.

    Neue Partnerschaften im E-Segment

    Und nun sind durch die Elektromobilität weitere Partnerschaften hinzugekommen – und das, obwohl dies seit 2018 gar nicht mehr nötig gewesen wäre. Einzig Tesla baute seine Autofabrik in Shanghai allein auf und verkauft seit einem Jahr seine dort vom Band laufenden Elektroautos.
    Schon 2017 hatte VW mit Jianghuai Automotive (JAC) in Hefei in der zentralchinesischen Provinz Anhui ein Elektro-Joint-Venture gegründet. Seit September 2019 laufen dort Stromer der Marke Sol vom Band. Ende 2020 erhöhte VW seine Anteile mithilfe einer Kapitalerhöhung von 50 auf 75 Prozent und benannte die Firma von JAC Volkswagen in Volkswagen (Anhui) Automotive um.

    Im Sommer 2018 unterschrieben BMW und das chinesische Unternehmen Great Wall Motor den Vertrag für ein 50-50-Joint-Venture namens Spotlight Automotive zur Produktion des elektrischen Mini in der Küstenstadt Zhangjiagang. Im Dezember 2019 begann der Bau einer Fabrik, in der voraussichtlich ab 2022 Autos produziert werden.

    Anfang 2020 dann gründete Daimler in der Hafenstadt Ningbo ein Gemeinschaftsunternehmen zur Produktion von E-Smart-Modellen mit Geely. Ab 2022 soll das Joint Venture Autos produzieren; bis dahin läuft der Smart noch in zwei Werken in Europa vom Band. Audi gab im Oktober 2020 ein eigenes Joint Venture mit FAW bekannt, mit dem die Ingolstädter ab 2024 Elektroautos in Changchun produzieren wollen. Audi hält demnach 60 Prozent an dem Unternehmen.

    Ebenfalls 2020 ging ein Joint Venture von Toyota und BYD an den Start, mit dem die Partner gemeinsam Elektroautos und Batterien entwickeln wollen. Das Thema Gemeinschaftsunternehmen ist also noch lange nicht erledigt – nur ist es bald eben freiwillig.

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    Chinas Kinomarkt überflügelt Hollywood

    Normalerweise ist die beliebte Einkaufsmeile im Pekinger Stadtteil Sanlitun während der Neujahrsferien mehr oder weniger verwaist. Doch dieses Jahr ist das anders. Denn viele Chinesen sind der Bitte der Regierung gefolgt, als Corona-Vorsichtsmaßnahme nicht in ihre Heimatprovinzen zu reisen.

    Um sich über die wegfallenden Familienfeiern hinwegzutrösten, zieht es stattdessen viele Menschen in die Kinos. Wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete, schnellte der Verkauf von Kinokarten am vergangenen Wochenende stark in die Höhe. Zwar wird in chinesischen Kinos immer noch die Körpertemperatur gemessen, beim Betreten muss die Gesundheitsapp vorgezeigt werden und zum Nachbarn muss ein Kinosessel Abstand gehalten werden. Dennoch wurden über das lange Neujahrswochenende 230 Millionen Karten verkauft – ein Plus von 34 Prozent im Vergleich zu 2019, vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie. Der große Hit zum Fest ist der Film Detective Chinatown 3, eine überdrehte Komödie mit knalligen Farben und viel Slapstick. Bereits zwei Tage nach dem Release hat die chinesische Produktion umgerechnet rund 400 Millionen Dollar eingespielt. Der höchste Wert, den je ein Film zum Auftakt in einem einzelnen Land geschafft hat.

    Topquote für Detective Chinatown 3

    Es ist ein willkommener Neustart für die chinesische Filmindustrie nach einem beinahe katastrophalen Jahr 2020. Nur 550 Millionen Tickets wurden im Corona-Jahr insgesamt verkauft während es im im Vorjahr noch 1,7 Milliarden waren. Doch verglichen mit den meisten Konkurrenten im Westen sind chinesische Kinos deutlich besser durch die Krise gekommen. Bereits im Frühsommer, als China die Pandemie unter Kpntrolle gebacht hatte, durften die Kinos wieder öffnen. So konnte zum Beispiel der heimische Historienfilm The Eight Hundred umgerechnet etwa 460 Millionen Dollar in die Kinokassen spülen, die Dramödie My people, My Homeland schnitt mit 420 Millionen Dollar nicht viel schlechter ab. Solche Zahlen sorgten dafür, dass China 2020 die USA beim Gesamtumsatz des Kinomarktes erstmals übertroffen hat.

    Für ausländische Filme war es jedoch ein schlechtes Jahr. Laut der Financial Times lag der Anteil von US-Produktionen 2020 nur noch bei 16 Prozent, während es 2019 noch 36 Prozent waren. Diese ungewöhnliche starke Einbruch hängt zwar damit zusammen, dass viele Starttermine von Hollywood-Blockbustern wegen Corona international verschoben wurden. Der Trend, dass US-Filme in China an Bedeutung verlieren, ist allerdings schon seit längerem zu beobachten.

    “Die starken Ticketverkäufe zeigen nur minimale Auswirkungen durch pandemiebezogene Einschränkungen und bestätigen unsere Ansicht, dass die Qualität der Inhalte zum Haupttreiber an den chinesischen Kinokassen geworden ist”, zitiert die South China Morning Post eine Recherche von JP Morgan.

    Zensur: Die Tricks der Ausländer

    Dass der Anteil ausländischer Produktionen niedrig ist, liegt allerdings auch an Beschränkungen, die ausländischen Filmen auferlegt werden. Die für ausländische Filme lukrativste Art, am chinesischen Markt in Erscheinung zu treten, ist die der Einnahmenteilung. Dabei erhält die ausländische Seite 25 Prozent der Einnahmen, die chinesische 75 Prozent. Unter diesen Konditionen dürfen pro Jahr allerdings nur 34 ausländische Produktionen erscheinen. Diese Zahl lag 1994 noch bei 10 Filmen und ist seitdem bis 2012 in zwei Schritten auf 34 erhöht worden. Als Alternative können Studios Filme auch für einen Festbetrag an chinesische Partner verkaufen, wobei dann 100 Prozent der Gewinne auf der chinesischen Seite bleiben. In allen Fällen schlagen dann noch die Zensur-Behörden zu. Sexuell suggestive Inhalte sind nicht erlaubt, genauso wie chinesische Figuren keine Bösewichte sein dürfen. US-Filmemacher tun deshalb alles, um erstens an Pekings strengen Zensoren vorbeizukommen und zweitens mit chinesische Star-Besetzungen, Drehorten und Product placement das Publikum anzuziehen.

    Als 2016 der zweite Teil von Roland Emmerichs Independence Day in die Kinos kam, waren es plötzlich nicht mehr allein die Amerikaner, die die Alien-Invasion abwehrten. Auch die Chinesen kämpften um das Überleben der Menschheit und schickten die beliebte chinesische Schauspielerin Angelababy als eine der Hauptrollen in die Schlacht. Auch fügten die Filmemacher Szenen zwischen ihr und ihrem Vater ein, bei denen sie ausschließlich Chinesisch sprachen. Liam Hemsworth, der den Helden auf US-Seite spielte, nutzte auf der Mondbasis beim Chat mit seiner Freundin nicht etwa Skype oder Facebook sondern den prominent in Szene gesetzten chinesischen Chat-Dienst QQ, der sich zumindest in dieser Version der Zukunft gegen die westliche Internet-Konkurrenz durchgesetzt hat. In The Martian springen die Chinesen den Amerikanern zur Seite und bieten ihre gewaltige Weltraumrakete an, um den gestrandete Raumfahrer Matt Damon vom Roten Planeten zu retten.

    Chinesische Filme liegen im Trend

    Trotz der sichtlichen Bemühungen Hollywoods, Schritt zu halten, gelingt es Chinas Filmemachern auf ihrem Heimatmarkt immer häufiger, die US-Konkurrenz weit hinter sich zu lassen.

    So haben es US-Produktionen, die noch bis vor einigen Jahren dominant waren, immer schwerer, einen Platz in den Top 10 der Filme mit dem höchsten Jahresumsatz zu ergattern. Unter den zehn umsatzstärksten Filmen in China aller Zeiten findet sich mit Avengers Endgame sogar nur eine einzige ausländische Produktion. Die Top Drei bilden vor allem neuere chinesische Produktionen wie The Wandering Earth, der Animationsfilm Ne Zha und Wolf Warrior II – der chinesische Film mit den höchsten Einnahmen aller Zeiten. Diese Filme haben außerdem gemeinsam, dass sie nur einen kleinen Teil der Einnahmen im Ausland erzielen müssen – die Größe des chinesischen Marktes macht es möglich. The Wandering Earth, der insgesamt fast 700 Millionen Dollar einspielte, machte 690 Millionen davon auf dem heimischen Markt. Bei Ne Zha sieht es ähnlich aus. Der Film generierte nur nur etwa sieben von 720 Millionen Dollar außerhalb Chinas. Am klarsten ist der Trend beim Spitzenreiter Wolf Warrior II, der von 870 Millionen Dollar Gesamteinnahmen nur sechs Millionen im Rest der Welt eingespielte.

    Dennoch: Um mit den ganz großen US-Franchises wie Avengers (weltweite Einnahmen 2,8 Milliarden Dollar) mithalten zu können, ist es noch ein weiter Weg. Doch der Heimatmarkt wächst rasant. Gregor Koppenburg / Jörn Petring

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    Die Überalterung bedroht Chinas Wachstum

    China bekommt die Auswirkungen seiner jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik immer deutlicher zu spüren. Laut Daten des Ministeriums für öffentliche Sicherheit wurden 2020 15 Prozent weniger Neugeborene gemeldet. Die Anzahl der Anmeldungen sei von 11,79 auf 10,04 Millionen gefallen. Die Daten zeigen noch nicht das komplette Bild. So wiesen Experten darauf hin, dass die berichtete Zahl der neu beantragten Wohnortregistrierungen (Hukou) nicht alle Geburten abbilden, da einige Familien sich mit dieser Registrierung Zeit ließen. Zuverlässige Daten wird es erst im April geben, wenn das Statistikamt die offiziellen Geburtenzahlen für 2020 vorlegen will. 

    Klar jedoch ist, dass die neuen Daten einen Trend unterstreichen, der bereits seit längerer Zeit zu beobachten ist. So hatte die Aufhebung der seit 1979 geltenden Ein-Kind-Politik 2016 nur im ersten Jahr zu einem leichten Anstieg der Geburten geführt, seither sind sie jedes Jahr weiter gefallen.

    Der Pekinger Wirtschaftsprofessor Liang Jianzhang, der sich die jüngsten Daten genauer angesehen hat, weist daraufhin, dass einige Städte und Regionen sogar einen Rückgang von mehr als 25 Prozent bei den Hukou-Anmeldungen verzeichnet hätten. “Wenn die Geburtenrate nicht deutlich erhöht werden kann, wird der Rückgang kein schnelles Ende finden”, so der Forscher.  

    “Alarmierendes Ausmaß”

    Selbst in der parteinahen Zeitung Global Times werden nun Experten zitiert, die sich wegen der Entwicklung Sorgen machen. “Die niedrige Geburtenrate hat ein alarmierendes Ausmaß erreicht, aber es ist keine Überraschung”, sagte Professor Mu Guangzong vom Institut für Bevölkerungsforschung an der Universität Peking dem Blatt. 

    1979 hatte die Regierung in Peking die Ein-Kind-Politik eingeführt, um das Bevölkerungswachstum einzudämmen und weitere Hungersnöte, wie sie das Land in den Jahren zuvor immer wieder erlebt hatte, zu verhindern. Forscher gehen davon aus, dass durch die Ein-Kind-Regelung tatsächlich bis zu 400 Millionen Chinesen weniger geboren wurden. Allerdings altert die Bevölkerung dafür rasant.

    In Peking kämpft man seit jeher mit dieser politischen Divergenz. Einerseits braucht man mehr junge Menschen, aber ein zu großes Volk verursacht ebenso Probleme. Doch immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die seit Jahrzehnten wichtigste Reform der Bevölkerungspolitik falsch angegangen wurde. Peking hat zu spät begriffen, dass eine einfache Lockerung der Ein-Kind-Politik der Überalterung nicht entgegenwirken kann. 

    Denn bei der Entscheidung, ob man als junges Paar Nachwuchs in die Welt setzen soll oder nicht, spielen in China längst die gleichen Faktoren eine Rolle wie in Europa: Die Karriere ist für junge Chinesen so wichtig wie noch nie, sodass kaum Zeit bleibt, ein Kind groß zu ziehen. Hinzu kommt: Die bisher strikte Geburtenkontrolle und hohe Strafgelder für das verbotene zweite Kind haben vielen Chinesen ganz einfach die Lust zur Großfamilie genommen.

    Veränderte Einstellung von Frauen

    Die Schriftstellerin und Journalistin Zhang Lijia, beschrieb kürzlich, wie sich sich die Einstellungen chinesischer Frauen geändert habe. Insbesondere bei immer mehr in Großstädten lebenden und gut ausgebildeten Frauen würde Ehe und Elternschaft nicht mehr als “notwendige Passagen im Leben oder als wesentliche Bestandteile eines glücklichen Lebens” betrachtet: “Sie sind selbstbewusst genug, um dem Druck ihrer Eltern zu widerstehen, Kinder zu zeugen”. Auch die Gesellschaft sei toleranter geworden, meint Zhang

    Was zu tun ist, beschrieb bereits kurz nach dem Ende der Ein-Kind-Politik der Demografie-Experte Wang Feng in einem Interview. “Die Reform der Ein-Kind-Politik hätte noch viel weiter gehen müssen, als einfach das bestehende Gesetz zu lockern”, so Wang. Weitere Anreize müssten her, um noch mehr Familien vom Kinderkriegen zu überzeugen.

    Finanzielle Erleichterungen im Bildungsbereich und zusätzliche Kitaplätze wären ein Anfang. Und auch die Bürokratie müsse dringend abgebaut werdenFünf Jahre nach dieser Warnung hat die Regierung hier noch immer einen weiten Weg vor sich, was auch bei Ökonomen zunehmend Sorgen auslöst.

    Ökonomen: Risiken für die Altersvorsorge

    Die alternde Bevölkerung und die sinkende Geburtenrate seien eines der “größten Risiken” in China, zitiert die Hongkonger Zeitung South China Morning Post Ren Zheping, den Chefökonom der Evergrande-Gruppe. Der erhoffte Babyboom infolge der Einführung der Zwei-Kind-Politik sei ausgeblieben. Die damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme würden immer spürbarer. 

    So fragen sich Ökonomen auch, wer in einer so rapide alternden Gesellschaft wie in China, in der es in Rekordzeit immer weniger arbeitsfähige Menschen geben wird, die Renten für die Alten finanzieren soll. Bereits 2019 warnte eine Studie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, dass dem staatlichen Pensionsfonds bei anhaltender Geburtenknappheit im Jahr 2035 das Geld ausgehen könnte. 

    Ähnlich wie schon heute in Deutschland werden auch Chinesen künftig selbst deutlich mehr für ihre Altersvorsorge zur Seite legen müssen. Gleichzeitig müssen sich Hunderte Millionen Einzelkinder in Zukunft alleine um ihre greisen Eltern kümmern. Gregor Koppenburg/Jörn Petring 

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    News

    Xiaomi plant Europazentrale in Düsseldorf

    Der chinesische Smartphone- und Elektronikhersteller Xiaomi will sein Geschäft in Europa weiter ausbauen. Deutschland spielt dabei eine besondere Rolle: “Wir werden unsere Europazentrale in Düsseldorf errichten”, sagte Xiaomi-Deutschlandchef Alan Chen Li im Gespräch mit dem Handelsblatt. Dort sollen dem Manager zufolge mehrere Hundert Mitarbeiter in Bereichen wie Logistik, Finanzen, Service und Marketing tätig sein. Für den Standort spreche die zentrale Lage in Europa, heißt es weiter in dem Bericht. Ein genauer Zeitplan für den Aufbau sei wegen der Corona-Pandemie jedoch schwer absehbar.

    Im dritten Quartal 2020 machte Xiaomi erstmals in seiner zehnjährigen Geschichte mehr als die Hälfte seines Umsatzes (55 Prozent) außerhalb Chinas. Der Hersteller war sehr lange einer der großen Gewinner des US-Embargos gegen chinesische Konkurrenten – denn viele Huawei-Nutzer wechselten zu einem Xiaomi-Handy. Tech-Gigant Huawei, der gerade auf dem besten Weg war, sich beim Smartphone-Absatz an die Weltspitze zu setzen, wurde von US-Sanktionen schwer getroffen.

    Xiaomi drittwichtigste Smartphone-Marke in Deutschland

    In Europa – dem größten Überseemarkt von Huawei – gingen die Lieferungen im dritten Quartal 2020 um 25 Prozent zurück. Währenddessen stiegen sie bei Xiaomi um 88 Prozent. Ende 2020 schob sich Xiaomi zum ersten Mal an Apple vorbei auf Platz drei der Weltrangliste, hinter Samsung und Huawei. Auch in Deutschland ist Xiaomi mittlerweile als drittwichtigste Smartphone-Marke etabliert.

    Alan Chen Li erklärte im Handelsblatt-Interview, dass er Xiaomi nicht als Nutznießer der Probleme seines Konkurrenten sieht: “Wir konnten unsere Kunden mit guten Produkten überzeugen”. Allerdings ist auch Xiaomi beim Streit zwischen Washington und Peking nicht außen vor geblieben. Im Januar stufte das US-Verteidigungsministerium Xiaomi als Militärfirma ein und forderte US-Investoren auf, Anteile abzugeben. Seither brodelt ein Rechtsstreit, zu dem sich der Manager nicht äußern wollte. ari

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    Standpunkt

    China als Partner mit Pflichten

    Von Bernd Lange
    Bernd Lange spricht über die EU-Handelsstrategie, nach der China als Partner mit Pflichten gesehen wird

    Angesichts der großen Herausforderungen, nicht zuletzt derjenigen durch die Coronavirus-Pandemie, ist es mehr als notwendig, unsere handelspolitische Strategie zu überdenken. Denn es ist völlig klar: Die alte Vorstellung, Handelspolitik sei das Schmierfett der wirtschaftlichen Entwicklung ist längst überholt ist. Das gilt auch für den Ansatz nach David Ricardo, dass man nur die Handelsbarrieren niederreißen müsse und dann würden die komparativen Vorteile Wachstum und Wohlstand bringen. Heute geht es um den Klimawandel, um Arbeitnehmerrechte, um Reichtumsverteilung und um die Nachhaltigkeitsziele der UN. Die Handelspolitik der EU ist ein kraftvolles Mittel, europäische Interessen wirksam werden zu lassen

    Deswegen brauchen wir strategische Leitlinien für die nächsten zehn Jahre. Man kann sicherlich den drei zentralen Leitlinien der EU-Kommission zustimmen: A) Handelspolitik muss einen Beitrag zum Wiederaufbau nach der Corona-Krise und zur Transformation in Richtung des “Green Deal” leisten. B) Handelspolitik muss die Globalisierung fairer und nachhaltiger gestalten, und C) Handelspolitik muss mit dazu beitragen, die Europäische Union entsprechend ihren Werten handlungsfähig zu machen. 

    Sorgfaltspflicht in Lieferketten muss verbindlich sein

    Zur Umsetzung der Leitlinien gilt es den Werkzeugkasten der europäischen Handelspolitik zu überprüfen. Dabei liegt es auf der Hand, dass einige Instrumente modernisiert werden und andere neu geschaffen werden müssen. So werden im Bereich der WTO sicherlich neue Impulse im Bereich der Digitalisierung oder der Nachhaltigkeit notwendig. Auch zur Förderung einer klimaneutralen Entwicklung brauchen wir zum Beispiel einen neuen Grenz-Ausgleichsmechanismus. Eine faire Gestaltung der Globalisierung wird nicht ohne eine verbindliche Sorgfaltspflicht in Lieferketten gehen. Über die konkreten Instrumente werden wir sicherlich mit der EU-Kommission intensiv und wahrscheinlich auch kontrovers diskutieren.

    Basierend auf der Definition der eigenen Interessen und Strategie gestaltet sich natürlich auch das Verhältnis zu unseren Handelspartnern in der multipolaren Welt. Insbesondere kommt hier natürlich der seit einigen Tagen größte Handelspartner der EU in den Blick, China. China hat ohne Zweifel eine große wirtschaftliche Dynamik entfaltet und ist gerade jetzt ein stabilisierender wirtschaftlicher Faktor. Aber es steht auch außer Zweifel, dass China mit seinem staatskapitalistischen System in der globalisierten Welt anders ökonomisch und geopolitisch auftritt, als wir Europäer es als angemessen sehen würden. Insofern ergeben sich aus den drei Leitlinien natürlich auch unterschiedliche Handlungsstränge gegenüber China, die dann in eine Gesamtstrategie münden. 

    Im Bereich des Wiederaufbaus und der Transformation gibt es Möglichkeiten mit China zusammenzuarbeiten. Hier geht der Blick in Richtung WTO, wo neue Regeln für den digitalen Handel und für klimafreundlichen Handel notwendig sind. Aber auch in unserem bilateralen Beziehungen sind Verständigung über Regeln zum Schutz gegen erzwungenen Technologietransfer, zum Verhalten von Staatsunternehmen, zur Transparenz von Beihilfen uvm. hilfreich. Nach der Verpflichtung zur Klimaneutralität sind auch gemeinsame Projekte zum Klimaschutz vorstellbar. 

    Im Bereich der fairen und nachhaltigen Gestaltung der Globalisierung zeigen sich aber deutliche Unterschiede. So gehört die Ratifizierung und die entsprechende Umsetzung und Kontrolle der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation in den Mindestbestand eines angemessenen Handelns. Dies ist verbindlich zu vereinbaren. Auch Unternehmen haben mit einem europäischen Lieferkettengesetz zur Umsetzung mitzuwirken. Ebenso kann ich mir nicht einen Marktzugang für Produkte, die eindeutig aus Produktionsprozessen mit Zwangsarbeit entstanden sind, vorstellen.

    Handelsstrategie sieht Handelspolitik als kräftiges Mittel

    Im Bereich der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union werden wir uns sicherlich die Frage lauterer und unlauterer Subventionen von chinesischen Unternehmen auf den europäischen Markt ansehen und eine Gesetzgebung auf den Weg  bringen. In diesem Zusammenhang hoffe ich, dass wir in den nächsten Monaten das internationale Beschaffungsinstrument endlich verabschieden können. Der FDI-Screening-Mechanismus zur Überwachung der Übernahme von bestimmten Unternehmen, Infrastruktur oder Technologie, die ein Risiko für die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung werden könnten, wird weiterentwickelt. Die Stärkung der Durchsetzungsmöglichkeiten von Vereinbarungen gehört ebenso dazu.

    Handelspolitik ist zwar ein kräftiges Mittel der Gestaltung, aber sie sollte in ein umfassendes Konzept eingebunden sein, wozu eine aktive Diplomatie hinsichtlich zum Beispiel der Vorgänge in Hongkong dazugehört oder auch die Anwendung des neuen Mechanismus über Sanktionen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen. 

    Bernd Lange ist seit Juli 2014 Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament. Der SPD-Politiker aus Niedersachsen war von 1994 bis 2004 Europaabgeordneter, zwischen 2005 und 2009 leitete er die Abteilung “Wirtschaft, Umwelt und Europa” beim DGB-Bezirk Niedersachsen-Bremen-Sachsen/Anhalt. Seit 2009 sitzt er wieder im EU-Parlament. Seit 2019 ist er auch Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Fair Trade.

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    Portrait

    Doris Fischer

    Doris Fischer - Professorin für China Economics and Business am Institut für Sinologie der Universität Würzburg
    Professorin für China Economics and Business am Institut für Sinologie der Universität Würzburg

    Aus reiner Neugier hatte sich Doris Fischer einst nach dem Abitur an der Universität Hamburg für Sinologie und Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben. Sie kannte keinen Chinesen beim Namen und wusste nicht, ob ihr der Studiengang überhaupt gefällt. “Nach zwei Wochen war ich davon gefesselt”, sagt sie. Seit mittlerweile rund 30 Jahren beschäftigt sich die 55-Jährige mit Chinas Wirtschafts- und Industriepolitik, seit 2012 tut sie dies als Professorin für China Economics and Business am Institut für Sinologie der Universität Würzburg.

    Aktuell forscht sie vor allem zu Chinas Industriepolitik für die Energiewende unter Xi Jinping sowie zum chinesische Sozialkredit-System. Für letzteres bestehe derzeit großes Interesse in der Öffentlichkeit: “Medial wurde das Thema sehr gehypt.” Ein dreijähriges Forschungsprojekt soll nun grundsätzlich klären, wie das Sozialpunktesystem funktioniert, welche wirtschaftliche Logik dahintersteckt und welche Auswirkungen das System letztlich auch auf deutsche Unternehmen haben könnte.

    Doris Fischer Begeisterung für China wird schnell klar

    Dass Doris Fischer für China brennt, wird schnell klar: Sie redet schnell und ist voller Energie. Als problematisch nimmt sie die mangelnde China-Kompetenz in Deutschland wahr. Es sei in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden, sich eine unabhängige Meinung über das Land zu bilden. “Seit dem amerikanisch-chinesischen Handelskrieg ist eine gewaltige Propagandaschlacht im Gange“, sagt sie. Die hiesige Berichterstattung sei dabei häufig geprägt durch US-Medien.

    Doris Fischer wundert sich auch über die “German Angst” gegenüber der chinesischen Führung und einer, wie sie es nennt, “Chinatechnophobie”. “Der Westen zeigt gerne mit dem Finger auf Chinas Regime und vergisst dabei, dass auch unser System seine Mängel hat”, sagt sie. Das sei eine bequeme, letztlich aber wirkungslose Haltung. “Wir können China nicht einfach demokratisieren.” Man müsse vielmehr den Dialog aufrechterhalten und dabei Grenzen aufzeigen, damit sich das Land an internationale Regeln hält. “Dafür muss man aber zuerst das System verstehen.”

    Sozialpunktesystem als Beispiel für die eigenen Regeln

    Exemplarisch hierfür sei die Debatte über das Sozialpunktesystem. Natürlich könne dieses missbräuchlich verwendet werden, das gehöre kritisiert. Vorher müsse man aber erst untersuchen, wie das System genau funktioniert, sagt Doris Fischer. Denn nur wer informiert und auf Augenhöhe mit der chinesischen Führung diskutiere, werde ernst genommen.

    So habe China eine völlig andere Tradition des gegenseitigen Vertrauens und sozialer Kontrolle, welche aus europäischer Sicht undenkbar erscheint. Während im Westen der Rechtsstaat und Gesetze dafür sorgten, dass sich die Gesellschaft an Regeln hält, entstehe in China Vertrauen traditionell über Netzwerke und Beziehungen, so Doris Fischer. Im Rahmen des Sozialpunktesystems wird dabei öffentlich gemacht, ob jemand vertrauenswürdig sei: Etwa mit schwarzen Listen für Gesetzesbrecher und Auszeichnungen für jene, die sich besonders vorbildlich verhalten.

    Auch das ist nicht völlig neu. Doris Fischer liefert dazu eine Anekdote aus ihrer eigenen Zeit in China. Erstmals besuchte sie das Land in den 80er-Jahren, zwei Jahre studierte sie in Wuhan. 1994 forschte sie als Doktorandin an der Pekinger Volksuniversität. “Im Eingangsbereich meines Studentenwohnheims hingen Listen, auf denen stand, welche Schüler fleißig waren und welche öfter zu spät kamen.” Das Sozialkredit-System verfolge ein ähnliches Ziel, einfach mit digitaler Technik.

    Seit ihren ersten Aufenthalten in China besucht sie das Land jedes Jahr für mehrere Wochen. Die menschliche und kulturelle Vielfalt begeistert sie noch immer. “China bietet mir eine unendliche Quelle an wissenschaftlichen Fragen.” Das Land sei unglaublich dynamisch und stelle sie immer wieder vor neue Herausforderungen. “Das hält mich geistig jung.” Adrian Meyer

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    Dessert

    Der Buchladen Songpo in Shaoyang in der Provinz Hunan begeistert mit ausgefallenem Innendesign.

    China.Table Redaktion

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