Table.Briefing: China

Alleingang ins Metaverse + Peng Shuai: Wut über den Mut

  • China steckt Claims im Metaverse ab
  • Peng Shuai: Wütende Reaktion auf Tennis-Absage
  • China bestellt japanischen Botschafter ein
  • Pentagon warnt vor Hyperschall-Waffen
  • Twitter löscht Konten
  • Termine der kommenden Woche
  • Johnny Erling zu Liedern auf Xi Jinping
Liebe Leserin, lieber Leser,

das Leben verlagert sich mehr und mehr in den virtuellen Raum. Was vor wenigen Jahren noch wie Science-Fiction wirkte, ist längst Alltag. Die Sache hat jetzt einen Namen: die Welten aus reiner Information heißen zusammen das “Metaverse“. Je dichter und verschränkter sie werden, desto mehr Wirtschaftsaktivität verlagert sich dorthin. Wir bezahlen bereits viel Geld für immer immaterielle Güter. Künftig wird wohl ein immer größerer Teil der Wertschöpfung abgekoppelt von der herkömmlichen Realität stattfinden.

Um dieses Geld geht es auch Unternehmen wie dem Facebook und Tencent. Sie wollen ihre Ansprüche im Metaverse noch in dessen Gründungszeit abstecken. Der Facebook-Konzern hat sich aus gutem Grund gerade in Meta umbenannt hat und dem Trend damit viel Aufmerksamkeit beschert. Tencent baut rund um Wechat derweil munter sein eigenes Metaverse auf. Ihr Verhalten ähnelt den ersten Siedlern und Unternehmen auf einem neuen Kontinent. China ist, wen wundert es, ganz vorne mit dabei. Was die Volksrepublik in klassischen Branchen als späte Industrienation schmerzhaft lernen musste, wendet sie nun besonders agil an, um diesmal den Takt anzugeben.

Chinesische Firmen liefern daher nicht nur die physische Technik für das Metaverse, was an sich schon ein dickes Geschäft ist. Der Staat verhilft auch seinen Dienstleistern und Softwarefirmen zu einem Vorsprung, indem er die eigenen Spieler vor US-Konkurrenz abschirmt und zugleich Normen mit globalem Anspruch setzt, wie Fabian Peltsch analysiert.

Doch die Modernität und Agilität in den Technik-Branchen hat eben kein Gegenstück in den politischen Strukturen des Landes. Der grobschlächtige Umgang mit den Vorwürfen der Tennisspielerin Peng Shuai gegen einen hohen Kader zeigt das ebenso wie der zunehmende Personenkult um Xi.

Unsere zweite Analyse beschäftigt sich mit der nervösen Reaktion des Staates auf die Absage von Tennis-Tournieren durch internationale Veranstalter. Auch die künftige deutsche Außenministerin hat schließlich schon die Worte “Olympische Spiele” und “Peng Shuai” in einem Satz miteinander verknüpft.

Johnny Erling hört derweil genau hin, wenn Loblieder auf Xi Jinping gesungen werden. Als Teil des immer groteskeren Personenkults wird derzeit immer häufiger die Ballade vom Fluß Liangjiahe aufgeführt, die Xis Heldentaten als Jugendlicher verherrlicht. Doch Erling registriert in der Partei auch zunehmenden Unmut über die Fokussierung auf eine einzelne Person.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Metaverse in China: Schöne neue Welt

Obwohl Facebook in China nach wie vor verboten ist, schlug Mark Zuckerbergs Ankündigung, sein Unternehmen in “Meta” umzubenennen und sich fortan der Entwicklung eines sogenannten Metaverse zu widmen, auch in der Volksrepublik hohe Wellen. Nur einen Tag nach der Namensänderung ließ sich der chinesische Suchmaschinenanbieter Baidu am 29. Oktober die Marke “metaapp” sichern. Der chinesische Gaming-Gigant NetEase und der E-Commerce-Riese Alibaba preschten ebenfalls vor, um bei “metaversen” Geschäftsmodellen zumindest dem Namen nach früh mitzumischen – etwa mit einem nicht näher definierten “Ali Metaverse”. Laut Bloomberg Intelligence könnte die Metaverse-Branche bis 2024 einen Wert von 800 Milliarden US-Dollar erreichen. Und nach Prognosen von PricewaterhouseCoopers (PwC) bis zum Jahr 2030 sogar 1,54 Billionen US-Dollar schwer sein.

Neues Zuhause für die Menschheit

All das erstaunt angesichts der Tatsache, dass niemand im Detail erklären kann, was das Metaverse (chinesisch Yuánjiè 元界 ) eigentlich ist. Der Begriff selbst stammt aus dem 1992 erschienenen Science-Fiction-Roman “Snow Crash”. Dort beschreibt der US-Schriftsteller Neal Stephenson eine virtuelle Realität ähnlich der Matrix, in der Menschen als Avatare ein eskapistisches Zweitleben führen. “Das Metaverse hat seine eigene Wirtschaft. Firmen und Individuen können investieren, kaufen, verkaufen und für Arbeit innerhalb des Metaverse bezahlt werden”, schreibt der Tech-Investor Matthew Ball in seinem Essay “The Metaverse: What It Is, Where to Find it, Who Will Build It, and Fortnite”.

Mark Zuckerberg, der den Text seinen Mitarbeitern als Pflichtlektüre empfiehlt, sieht im Metaversum vor allem einen “Nachfolger des mobilen Internets”, das man nicht mehr nur über Bildschirme konsumiert, sondern in dem man tatsächlich als Person präsent ist. Ein Szenario wäre etwa, dass ein User in der realen Welt ein Kleidungsstück kauft, und der Avatar im Metaversum erhält ein virtuelles Äquivalent dazu, das er dann in den verschiedensten digitalen Räumen tragen kann. Einzelne Internet-Plattformen wie Facebook oder Weibo sind dann nicht mehr voneinander abgekapselt, sondern gehen in einem riesigen, von Cloud-Servern getragenen digitalen Raum auf. Das Metaverse sei “noch nicht da, aber wir haben bereits ein paar fundamentale Bausteine”, erläutert der Facebook-Gründer in einem anderthalbstündigen Keynote-Video. Dazu gehören etwa Live-Streams, soziale Netzwerke und Computerspiele, die schon jetzt eine Schnittstelle zwischen digitaler und echter Welt bilden.

Mit chinesischem Equipment in die virtuelle Welt

In der Zukunft sollen etwa Virtual-Reality-Brillen den Zugang zum Metaverse ermöglichen. Spätestens hier kommen chinesische Firmen ins Spiel. Laut dem amerikanischen Beratungsunternehmen IDC wird Chinas Markt für Virtual-Reality-Anwendungen (VR) in den nächsten fünf Jahren um 68 Prozent wachsen. Das 2014 von Facebook aufgekaufte Startup Oculus ist mit einem globalen Marktanteil von zwei Dritteln zwar noch der weltweit führende Hersteller von VR-Headsets, die chinesischen Firmen DPVR und Pico folgen jedoch auf dem Fuße. Pico aus Peking wurde erst im August von Bytedance für umgerechnet rund 1,4 Milliarden US-Dollar übernommen. Die Tiktok-Mutter will sich laut eigenen Angaben in den nächsten Jahren verstärkt auf die Entwicklung “konsum-orientierter VR-Geräte” konzentrieren.

Eine Zwischenstufe zwischen echter und virtueller Welt bilden die sogenannten Augmented-Reality-Anwendungen (AR). Das können Brillen oder Windschutzscheiben sein, auf denen wie im Film “Terminator” Zusatz-Informationen ausgespielt werden, von der Außentemperatur bis hin zu persönlichen Informationen über das Gegenüber. Auch im Bereich AR hat China vielversprechende Player wie Nreal im Feld. Im September hat das 2017 gegründete Pekinger Unternehmen in einer C-Finanzierungsrunde über 100 Millionen US-Dollar eingesammelt und kommt nun auf eine Bewertung von rund 700 Millionen US-Dollar. Die AR-Brille des Unternehmens wirkt bereits wie eine coole Sonnenbrille. In naher Zukunft könnten die Geräte auf die Größe von Kontaktlinsen zusammenschrumpfen. IDC prognostiziert, dass der globale AR-Markt, der dieses Jahr voraussichtlich 30,7 Milliarden US-Dollar erreicht, bereits 2024 300 Milliarden US-Dollar wert sein wird.

5G und Gaming sind die Säulen des Metaversums

Dass sich VR-Brillen bislang nicht durchsetzten konnten, lag nicht nur an ihrer Klobigkeit, sondern auch an der sogenannten “motion sickness”, einer Art Seekrankheit, die dadurch ausgelöst wird, dass sich das eigene Körperempfinden nicht mit der programmierten Welt deckt. Auf vielen VR-Präsentationen wurden in der Vergangenheit deshalb zur Brille auch gleich noch Kotztüten gereicht.

Der 5G-Mobilfunkstandard soll dieses Problem lösen. Die schnellen Datenübertragungsraten machen die VR-Erfahrung ruckelfreier und immersiver: Das Gefühl des Eintauchens wird im besten Fall so überzeugend, dass die simulierte Umgebung als real empfunden wird. China hat sich vorgenommen, in den nächsten fünf Jahren eine 5G-Durchdringung von 56 Prozent zu erreichen. Laut einer Schätzung von Ericsson gab es in der Volksrepublik Ende 2020 rund 175 Millionen 5G-Nutzer. Gemessen an den weltweiten Nutzerzahlen von 220 Millionen entspricht das einem Anteil von 80 Prozent.

Immersive 3D-Welten mit eigener Währung existieren bereits in Computerspielen wie “Fortnite” und “Roblox”. Deswegen gehen Marktbeobachter davon aus, dass die Grundsteine des Metaverse im Gaming-Bereich gelegt werden. Als weltweit größtes Videospielunternehmen nach Umsatz dominiert Tencent diesen Sektor schon jetzt. Der Tech-Gigant aus Shenzhen besitzt Anteile an den größten Spiele-Publishern der Welt, darunter dem Fortnite-Entwickler Epic Games, Activision Blizzard, Ubisoft, Roblox sowie dem Online-Konzertveranstalter Wave. “Alles, was die virtuelle Welt realer und die reale Welt reicher an virtuellen Erfahrungen macht, kann Teil des Metaversums werden”, erklärt Tencent-Chef Pony Ma die Metaverse-Strategie seines Unternehmens. Das sind zwar schwammige Worte, doch ganz real ist die Tatsache, dass Tencent mit der Universal-App Wechat bereits über eine Art Proto-Metaversum verfügt. Die rund 1,24 Milliarden Nutzer des Dienstes können auf Wechat chatten, einkaufen und via Livestreams Konzerte oder Arztpraxen besuchen. Diese Funktionen lassen sich nahtlos in einem Digitaluniversum verknüpfen.

Virtuelle Idole sind leichter zu kontrollieren

Ein wichtiger Meilenstein, um in einem Metaversum eine eigene Ökonomie zu errichten, sind die sogenannten NFT – Non-Fungible Tokens: Wer so einen “nicht austauschbaren Token” erwirbt, kauft ein digitales Objekt, das kann Kunst sein, Sammelkarten, Waffen innerhalb eines Computerspiels oder auch virtuelles Land. Ende November wurde ein virtuelles Grundstück im Metaverse-Spiel Axie Infinity für Kryptowährung im Wert von 2,5 Millionen US-Dollar verkauft. Die Besitzrechte eines NFT sind auf der Blockchain gespeichert und damit einzigartig, authentifiziert und fälschungssicher. In digitalen Welten können NFT so zur grundlegenden Eigentumsform werden. 2020 wurden weltweit bereits 55 Milliarden US-Dollar für virtuelle Güter ausgegeben.

Metaverse in China: Die chinesische Influencerin Ayayi
Die virtuelle Influencerin Ayayi präsentiert Chinas erste “Metaverse”-Kunstausstellung

Wie aus einem Metaverse entsprungen wirken die zahlreichen virtuellen Influencer, die in China heute schon Popstar-Status haben. Da wäre zum Beispiel die vom Shanghaier Startup Ranmai Technology programmierte Ayayi. Zum Singles Day am 11. November präsentierte das streng gescheitelte AI-Model eine “Metaverse Art Exhibition” auf Alibabas E-Commerce-Plattform Taobao, auf der globale Marken wie Burberry oder der chinesische E-Auto-Hersteller Xiaopeng NFT-Kunstwerke ausstellten.

Die blauhaarige Luo Tianyi, die 2012 erschaffen wurde und rund 500 Millionen Follower auf Weibo hat, schaffte es in den vergangenen zwei Jahren sogar in die Neujahrsgala des staatlichen Fernsehsenders CCTV, wo sie unter anderem ein traditionelles chinesisches Volkslied zum Besten gab. Virtuelle Prominente sind nicht nur anspruchslose Markenbotschafter, sondern lassen sich auch leichter kontrollieren als Stars wie Kris Wu oder Zhao Wei (China.Table berichtete) Reale Sänger:innen sind eben für Skandale anfällig.

Peking entkoppelt sich auch im Metaversum

Trotz all dieser guten Grundvoraussetzungen reagiert Peking bislang skeptisch auf die Idee eines Metaversums. Im September warnte die staatliche Finanzzeitung Securities Times davor, “blind in ein so illusorisches Konzept wie das Metaverse” zu investieren. Dezentrale Kryptowährungen, die im Metaverse ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen sollen, hat Peking bereits verboten. Auch NFTs haben es in der Volksrepublik nicht leicht. Weil die Regierung sie als Spekulationsobjekt betrachtet, ist der gewinnorientierte Handel mit ihnen verboten. Unternehmen wie Tencent dürfen NFTs in China nur noch als “digitale Sammlerstücke” anbieten und Transaktionen ausschließlich in Renminbi entgegennehmen.

China wird auch im Metaverse einen Alleingang anstreben, der von westlichen Produkten abgekoppelt ist. Im November hat das Land sein erstes “Metaverse-Industriekomitee” gegründet, das von den Staatsbetrieben China Mobile und China Unicom angeführt wird und die Bemühungen um ein chinesisches Metaverse-Konzept koordinieren soll. Wenn die Vision eines globalen Metaverse wirklich wahr werden soll, braucht es jedoch internationale Kooperationen zwischen Regierungen und Unternehmen. Wie bei der E-Mobilität gilt für Peking wohl auch hier das Motto: Wer zuerst kommt, setzt die Standards.

Lesen Sie jetzt auch:

    • Gesellschaft
    • Internet
    • Technologie

    Wut über den Mut der WTA

    Der Fall Peng Shuai ist endgültig in der Weltpolitik angekommen. Am Tag Eins nach der Absage aller Tennisturniere in China durch den Damentennisverband WTA schäumt China. Die Unterstützung für die Turnierabsage der WTA in der Welt ist groß, was auch Peking zur Kenntnis nehmen dürfte. Der Versuch, Pengs Vorwürfe sexueller Nötigung durch Ex-Vizeministerpräsident Zhang Gaoli mit zweifelhaften Methoden aus der Welt zu schaffen, ist krachend gescheitert – vor allem dank der WTA.

    Entsprechend wütend reagierten Regierung und Staatsmedien am Donnerstag auf die Absage der Turniere. China sei strikt gegen Maßnahmen, mit denen Sport “politisiert” werde, sagte ein Außenamtssprecher am Donnerstag in Peking. Mit solch dürren Worten gab sich die für nationalistischen Eifer bekannte Staatszeitung Global Times nicht zufrieden. “Die einseitige Entscheidung der WTA im Namen des ‘Schutzes ihrer Spielerinnen’, wurde basierend auf fiktiven Informationen getroffen”, kommentierte das Blatt. Dies würde nicht nur die betreffende Athletin selbst verletzen, sondern auch die fairen Wettkampfchancen der Tennisspielerinnen beeinträchtigen. Seltsamerweise erschien der Text aber nicht auf der englischsprachigen Website des Blattes, sondern nur auf Twitter.

    Der für seine heftigen Tweets berüchtigte Global-Times-Chefredakteur Hu Xijin ging sogar noch weiter: “Die WTA zwingt Peng Shuai, den Angriff des Westens auf das chinesische System zu unterstützen. Sie beraubt Peng Shuai ihrer Meinungsfreiheit und fordert, dass die Beschreibung ihrer aktuellen Situation ihren Erwartungen entsprechen muss.” Damit stellte Hu die Sache in einer erstaunlichen Weise auf den Kopf. Zudem versuchte er, die Ankündigung der WTA ins Lächerliche zu ziehen: WTA-Chef Steve Simon boykottiere mit großem Trara “einige Veranstaltungen, die aufgrund von Covid-19 nur eine geringe Chance haben, überhaupt abgehalten zu werden.” Das bringe der WTA keine zusätzlichen wirtschaftlichen Verluste und sorge nur für Aufmerksamkeit im Westen.

    Turnierabsage: Nur die WTA legt sich mit China an

    Das wütende Nachtreten lässt vermuten, dass China ehrlich geschockt ist von der Turnier-Absage der WTA. Denn China kennt es anders. Firmen, Regierungen und auch Sportverbände knickten in der Vergangenheit stets ein vor dem Druck und dem riesigen Markt der Volksrepublik. Die WTA ist jedenfalls der erste internationale Sportverband überhaupt, der China trotz erwartbarer finanzieller Ausfälle die Stirn bietet. Die US-amerikanische Basketballorganisation NBA war schon eingeknickt, nachdem der Manager der Houston Rockets 2019 auf Twitter die Demokratiebewegung in Hongkong unterstützt hatte. China stoppte die NBA-Übertragungen, und sogleich bedauerte der Verband den Tweet des Managers und behauptete gar, sie sei “enttäuscht” von dessen Kommentaren. Der chinesische Markt ist wohl einfach zu wichtig.

    Tatsächlich wären WTA-Turniere in China aufgrund der dort voraussichtlich auch noch im kommenden Jahr geltenden Corona-Einreisebeschränkungen sowieso unwahrscheinlich gewesen. Die WTA ließ den Endpunkt der Suspendierung allerdings offen. Klar ist: Richtig schmerzhaft wird es erst, wenn die WTA auch dann noch Turniere absagt, wenn Chinas Grenzen wieder offen sind. Aber auch so bleibt die öffentliche Absage ein wirksames Zeichen, das weltweit begrüßt wurde. “Buchstäblich das, was wir alle tun sollten. Werte hochhalten und tun, was wir müssen, um sie zu verteidigen”, kommentierte etwa der Hongkonger Demokratie-Aktivist Nathan Law aus dem Exil in London. Auch der Weltranglistenerste Novak Djokovic begrüßte die Turnier-Absagen der WTA, ebenso wie die US-Tennislegenden Martina Navratilova und Billie Jean King.

    Die Volksrepublik habe die Forderungen des Verbandes nach umfassender und transparenter Aufklärung des Falls nicht erfüllt, hatte WTA-Chef Simon am Mittwochabend die zuvor schon angedrohte Entscheidung begründet (China.Table berichtete). “Zwar wissen wir jetzt, wo Peng ist. Doch ich habe ernsthafte Zweifel, dass sie frei und sicher ist und keiner Zensur, Nötigung und Einschüchterung unterliegt.”

    Fall Peng Shuai: Die seltsame Rolle des IOC

    Das IOC war dagegen offensichtlich überfordert mit dem Spagat, einerseits Sorge um Peng Shuai zu zeigen, andererseits bloß nicht den Veranstalter der unmittelbar bevorstehenden Olympischen Winterspiele zu brüskieren. Das IOC hält sich stets demonstrativ heraus aus der Politik – was im Fall der dreifachen Olympionikin Peng nicht möglich war. Also organisierte man am 21. November ein Videotelefonat von IOC-Präsident Thomas Bach, der Vorsitzenden der IOC-Athletenkommission und einem leitenden IOC-Mitglied in China mit Peng. Es gehe Peng Shuai gut und sie wolle ihre Privatsphäre gewahrt haben, lautete das unbekümmerte Fazit. Es hagelte Kritik, Bach und das Komitee hätten sich von China instrumentalisieren lassen. Wie konnte sich das IOC sicher sein, dass nicht neben Peng, unsichtbar im Video, ein Aufpasser saß? Warum war niemand misstrauisch?

    Peng habe sich über den Anruf gefreut, verteidigte der langjährige IOC-Funktionär Dick Pound jetzt noch einmal das Vorgehen. Die gemeinsame Schlussfolgerung der drei Anrufer sei gewesen, “dass es ihr gut ging und sie nicht unter Zwang steht”, sagte Pound am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. “Und das wollten wir wissen.” Er betonte, das IOC sei die einzige Organisation der Welt, der es überhaupt gelungen sei, Kontakt zu Peng herzustellen.

    Am Mittwoch nahm das IOC erneut Kontakt zu Peng auf. Man sorge sich sehr wohl um die 35-Jährige, teilte das IOC am Donnerstag mit. Es verteidigte noch einmal offiziell seinen Ansatz: “Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ihr Wohlbefinden und ihre Sicherheit zu erreichen. Wir haben eine sehr menschliche und personenzentrierte Herangehensweise an ihre Situation gewählt.” Da Peng eine dreimalige Olympiateilnehmerin sei, spreche das IOC seine Bedenken direkt mit chinesischen Sportorganisationen an. “Wir wenden die ‘stille Diplomatie’ an. Dies ist angesichts der Umstände und der Erfahrung von Regierungen und anderen Organisationen der vielversprechendste Weg, um in solchen humanitären Angelegenheiten wirksam vorzugehen.”

    Das IOC habe Peng umfassende Unterstützung angeboten und werde mit ihr in regelmäßigem Kontakt bleiben. Auch sei ein persönliches Treffen für den Januar vereinbart. Ob das die Kritiker verstummen lässt, ist aber mehr als fraglich. Zu sehr erscheint das Vorgehen als Augenwischerei. Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wollte sich gegenüber China.Table nicht eindeutig positionieren.

    Internationale Solidarität mit Peng Shuai

    Es steht nun ein unschön klingender Verdacht im Raum: Die Olympionikin Peng Shuai wird festgehalten vom Ausrichter der direkt bevorstehenden Olympischen Winterspiele. Und das IOC tut nichts dagegen.

    Daher nimmt die Debatte um einen diplomatischen Boykott dieser Winterspiele vom 4. bis 20. Februar 2022 in Peking Fahrt auf. Ein solcher würde bedeuten, dass Staaten keine offiziellen Regierungsdelegationen zu Olympia schicken, die Athletinnen und Athleten aber teilnehmen dürfen. Im Zusammenhang mit dem Fall Peng Shuai hatten bereits US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Boris Johnson einen solchen Boykott ins Spiel gebracht.

    Nun erwägt dies auch die designierte deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: “Wenn ich sehe, wie Chinas Führung mit der Tennisspielerin Peng Shuai umgeht oder mit der verhafteten Bürgerjournalistin Zhang Zhan, sollten wir natürlich auch die Olympischen Spiele genauer in den Blick nehmen”, sagte Baerbock im Interview mit China.Table und Journalisten der Tageszeitung (taz). Zhang Zhan sitzt wegen ihrer Artikel aus Wuhan zu den Anfängen der Corona-Pandemie in Haft.

    Auch Staaten nehmen immer direkter Bezug auf das Drama um Peng. Schon am Dienstag hatte sich zum Beispiel die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell eingeschaltet: “Die EU bekundet ihre Solidarität mit der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, die verschwand, kurz nachdem sie Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe in chinesischen sozialen Medien veröffentlicht hatte. Ihr kürzliches Wiederauftauchen in der Öffentlichkeit lindert die Sorgen um ihre Sicherheit und Freiheit nicht.” Die EU schließe sich den wachsenden internationalen Forderungen an nach einer Zusicherung, dass Peng frei und nicht bedroht sei. Auch US-Präsident Biden hatte bereits seine Sorge um Peng ausgedrückt. Ohne ein robusteres Vorgehen dürften diese Worte ohne großen Effekt verhallen. Die WTA macht vor, wie es geht.

    Lesen Sie jetzt auch:

      • Geopolitik
      • Global Times
      • IOC
      • Menschenrechte
      • Olympia
      • Peng Shuai
      • Sport
      • WTA
      • Zhang Gaoli

      Termine

      07.12.2021, 8:00-10:00 Uhr (15-17 Uhr Beijing Time)
      EU SME Centre, Webinar: China’s Climate Ambitions Post-COP26 Mehr

      07.12.2021, 8:30 Uhr
      Storymaker, Webinar: Erfolgsfaktoren eines Livestreamings mit Yunyi Wu Anmeldung:

      07.12.2021, 9:00-10:00 Uhr (16-17 Uhr Beijing Time)
      EU SME Centre, Webinar: Report Launch: China’s Industrial Robots Sector – Opportunities and Challenges for European SMEs Mehr

      08.12.2021, 9:00 -10:30 Uhr (16:00-17:30 Uhr Beijing Time)
      EU SME Centre, Webinar: Mandatory GACC registration for all F&B exporters from 1 Jan, 2022 Mehr

      08.12.2021, 19:00-20:30 Uhr
      Konfuzius Institut Heidelberg, Webinar: Zwischen den Kulturen, zwischen den Zeichen – Interkulturelle Gestaltung Europa-China Mehr

      09.12.2021, 9:00-10.30 Uhr (16-17:30 Uhr Beijing Time)
      China Webinar, Expert Talk: Master your Supply Chain Challenges 2022 for China Business Mehr

      09.12.2021, 10:00-12:00 Uhr (17-19 Uhr Beijing Time)
      EU SME Centre, Webinar: How to Manage Your Business with China Remotely Mehr

      10.12.2021, 8:30-10:00 Uhr
      CNBW, Breakfast Club: Aktuelle Herausforderungen für deutsche Unternehmen im Chinageschäft Mehr

      9.-10. Dezember 2021, 13-16.30 Uhr (MEZ) (Starting time: China 8 pm, Australia 11pm, USA 7 am)
      Konfuzius Institut Berlin, Workshop: Anti-asiatischer Rassismus in Deutschland: Historische und gegenwärtige Kontexte, Diskurse und praktische Erscheinungsformen, Widerstand Mehr

      News

      Japanischer Botschafter wegen Taiwan einbestellt

      Das chinesische Außenministerium hat den japanischen Botschafter in Peking einbestellt. China will seine Unzufriedenheit mit einer Bemerkung von Ex-Premier Shinzo Abe ausdrücken. Abe hatte am Dienstag auf einer Online-Konferenz des Institute for National Policy Research in Taipeh die Haltung Japans bekräftigt, Taiwan im Fall eines chinesischen Angriffs beizustehen. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sieht in der Bemerkung “einen großen Fehler”. Abe leiste “den Unabhängigkeitskräften in Taiwan schamlos Vorschub”. Das gefährde die Souveränität Chinas.

      Die Position, die Abe ausgedrückt hat, ist zwar nicht völlig neu. Sie zeigt in dieser Deutlichkeit aber eine neue Qualität der Garantieerklärung für Taiwan. Im Juni hatte sich erstmals der japanische Verteidigungsstaatssekretär mit der Äußerung vorgewagt, Taiwan müsse “als demokratisches Land geschützt” werden. Wenig später warnte ein Regierungsbericht vor der Gefahr, dass China den Status quo einseitig ändere. Bisher hat sich Japan zwar als Basis für amerikanische Operationen vor der chinesischen Küste angeboten, aber bisher nicht ausdrücklich eine eigene Beteiligung an der Verteidigung Taiwans angeboten.

      Abe ist mit zehn Jahren im Amt des japanischen Premiers ein politisches Schwergewicht. Als erklärter Konservativer hat er Japan auch militärisch stärker in Verteidigungsstellung gegenüber China gebracht. Am Mittwoch brachte er nun eine weitere Dimension eines Konflikts um Taiwan ins Gespräch. “Militärische Abenteuer [Chinas] würden in wirtschaftlichen Selbstmord führen”, sagte Abe zu den möglichen Folgen einer erzwungenen Wiedervereinigung. Der Konflikt werde nicht örtlich begrenzt bleiben, sondern eine breite internationale Reaktion und Sanktionen nach sich ziehen. Insofern liegt China in seiner starken Reaktion mit dem Botschafter durchaus richtig. Sie widerspricht bloß der offiziellen Linie von Xi Jinping, eine “friedliche Wiedervereinigung” mit Taiwan anzustreben. Abes Bemerkungen haben sich nur auf den Fall einer erzwungenen Veränderung des Status quo bezogen. fin

      Lesen Sie jetzt auch:

        • Geopolitik
        • Japan
        • Taiwan

        Pentagonchef äußert sich besorgt zu Hyperschall-Waffen

        Bei einem Sicherheitsdialog in Südkorea hat Pentagon Chef Lloyd Austin Chinas Bestrebungen kritisiert, Hyperschallwaffen zu bauen. Die Sorge gilt dem Einsatz von Hyperschallraketen, die weite Strecken auf relativ niedrigen Umlaufbahnen zurücklegen (China.Table berichtete). Peking testet nach Angaben des Regierungssprechers Zhao Lijian aber keine Rakete, sondern ein Raumfahrzeug, so Zhao bei einer Pressekonferenz. Die Financial Times hatte zuerst berichtet, dass Chinas Militär eine Hyperschallrakete getestet habe (China.Table berichtete).

        Die Sorge der USA gilt generell auch der Ausweitung von Chinas militärischen Fähigkeiten. Zudem sind US-Experten überzeugt, dass das Waffensystem dafür geschaffen wurde, um das US-Raketenabwehrsystem zu umgehen. Im Oktober musste US-Generalstabschef Mark Milley einräumen, dass die USA selbst an Hyperschallwaffen forschen. Die Begründung: China und Russland treiben die Entwicklung. niw

        Lesen Sie jetzt auch:

          • Geopolitik
          • Hyperschall-Waffen
          • Militär
          • Technologie
          • USA

          Twitter löscht mehr als 3000 Konten

          Der Kurznachrichtendienst Twitter hat mehr als 3000 Konten von seiner Plattform entfernt, die im Zusammenhang mit staatlich gelenkter Einflussnahme standen. Betroffen seien Kunden-Accounts mit Verbindungen in sechs Länder, darunter China, Russland und Mexiko, erklärte Twitter. Mehr als 2100 der insgesamt 3465 Konten stünden China nahe. Viele der Konten versuchten die Vorwürfe in Bezug auf die Verstöße gegen Menschenrechte in Xinjiang zu kontern. Twitter macht öfter solche Aktionen und löscht oder sperrt Konten, die mit Ländern in Verbindung gebracht werden, die gegen die Twitter-Richtlinien verstoßen. rtr

          Lesen Sie jetzt auch:

            • Medien
            • Menschenrechte
            • Xinjiang

            Presseschau

            China hits back at WTA as IOC says it has spoken again to Peng Shuai THE GUARDIAN
            China’s Digital Currency Challenge: Winning Hearts and Minds WSJ (PAY)
            US defence secretary says China hypersonic weapons advancement is ‘increasing tensions’ INDEPENDENT
            Uganda Can Meet China Loan Terms, Keep Airport, Legal Head Says BLOOMBERG (PAY)
            China’s rising vulnerability to foreign investors FT
            China, South Korea to further deepen bilateral cooperative partnership: high-ranking officials meeting in Tianjin GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
            China bestellt Japans Botschafter wegen Taiwan-Äußerung ein FAZ
            EU-Unternehmen warnen: China nutzt Technologiestandards als Instrument der Industriepolitik HANDELSBLATT (PAY)
            In China gibt eine Konferenz zu Internetplattformen Einblick in «Think-Tanks mit chinesischen Charakteristika» NZZ
            Boeings Unglücksflieger 737 Max vor Wiederzulassung in China HANDELSBLATT

            Kolumne

            Das Lied vom Fluss Liangjiahe

            von Johnny Erling
            Ein Bild von Johnny Erling

            Hinter den neun Kurven des Liuyang-Flusses, liegt tief in der Bauernprovinz Hunan der Heimatkreis, aus dem Mao Zedong kam. Von dort aus machte er sich auf den Weg, um “sein Volk zu befreien”. Das seit 70 Jahren gesungene Lied auf den Großen Vorsitzenden und seinen Fluss “Liuyanghe” ist zum Evergreen unter den Revolutionsschlagern geworden, die Millionen Chinesen auch heute noch mit trällern. Derweilen folgt der neue Vorsitzende Xi Jinping Maos Fußstapfen. In der kopierfreudigen Volksrepublik erschien eine Hymne auf ihn und auf seinen Fluss “Liangjiahe” in Shaanxi, von dem aus er zu seiner politischen Karriere aufbrach. Der klangvoll rezitierte Gedichtzyklus ist das jüngste Highlight im immer groteskeren chinesischen Personenkult zu Xi Jinping. Doch dagegen regt sich innerparteilicher Widerstand.

            Personenkult Xi Jinping: Das Lied von Liangjiahe
            Unmittelbar nach dem 6. ZK-Plenum kam jetzt die ultimative Lobeshymne auf Xi Jinping “Das Lied von Liangjiahe” landesweit auf den Markt.

            “Auferstanden, Reich geworden, Stark werdend” (站起来,富起来, 强起来). Mit den drei Begriffen startet der Refrain für die “Ballade von Liangjiahe” ( 梁家河组歌). Sie stammen aus dem Mund von Parteichef Xi und sind in der Volksrepublik zu geflügelten Worten geworden. Von bekannten Künstlern melodisch vorgetragen (朗诵) geht der Schüttelreim des Refrains so weiter: “Du kommst aus Liangjiahe, steuerst China in eine neue Ära, vergisst nie, wie alles begann, bleibst der Mission treu und führst das Projekt des chinesischen Sozialismus in der neuen Zeit weiter!. (站起来,富起来,强起来. 你从梁家河走来,领航中国走进新时代。不忘初心,牢记使命,新时代中国特色社会主义继往开来!)

            Patriotische Ballade über die Taten des jungen Xi

            Das hört sich fast schon so an, wie in dem vom Dichter Xu Shuhua (徐叔华) 1950 verfassten Loblied “Liuyanghe” (浏阳河) über “Vorsitzenden Mao als rote Sonne in unserem Herzen”. Die neue Revolutionsballade über Xi erzählt in neun Strophen seinen Werdegang, nachdem die Wirren der Kulturrevolution den 15-Jährigen im Januar 1969 aufs Land verschlagen haben. Sieben Jahre schuftet er im Dorf Liangjiahe am gleichnamigen Fluss mit und unter den dortigen Bauern, bevor er nach Peking zurück darf, um politisch aufzusteigen.

            Personenkult um Xi Jinping: Hier beim Besuch des Dorfes Liangjiahe.
            Xi im Jahr 2018 im Dorf Liangjiahe, dem Ort seiner Heldentaten als Jugendlicher

            Im fünften Vers preist das Poem den jungen Xi, der wegen der Kulturrevolution seine Mittelschulausbildung abbrechen musste, als genialen Autodidakten. Nach täglich schwerem Tagewerk hält er sich die “halbe Nacht” wach, um im “Licht einer Ölfunzel” in seiner “dunklen Wohnhöhle” neben klassischen chinesischen Romanen auch Weltliteratur zu lesen, von Goethes Faust (浮士德) bis Shakespeare König Lear (李尔王). Natürlich verschlingt er die marxistischen Klassiker, besonders das Kapital (资本论) von Karl Marx. Das habe ihn so fasziniert und erleuchtet, schrieb Chinas Nachrichtenagentur “Xinhua” in einer Endlos-Eloge auf Xi, für deren englische Übersetzung China Daily sieben Teile brauchte. Xi habe Marxens Kapital damals “dreimal gelesen. Seine Reflexionen über den Text füllten 18 Notizbücher”.

            Zehn (sic.) Anmerkungen des neuen Gedichtes auf Xi erklären, worauf der Dichter Cheng Guanjun alles anspielt “Große Kanonen” seien handgerollte grobe Tabakblätter, die Xi gegen seine Müdigkeit raucht; das “Herz der Mutter und ein kleiner Beutel für Nadel und Faden” (娘的心。小小针线包) bezieht sich auf eine Anekdote. Danach “gab Mutter Qixin ihrem Sohn einen Stoffbeutel mit Nähzeug mit, als er aufs Land ging, auf dem sie die Worte ‘Herz der Mutter’ aufgestickt hatte.” Weitere anrührende Erinnerungen an Xis Mutter und ihrem Verhältnis zum Sohn unter dem Titel “Das Versprechen, das sich zwei Generationen von Kommunisten gaben” verbreiten zugleich großer Parteimedien Chinas.

            Mit Personenkult zur absoluten Macht

            Die Elogen in Versform sind eine Ouvertüre für das große Konzert, das der 20. Parteitag Ende 2022 für Xi zur Zementierung seiner absoluten Macht aufspielen soll. Hinter dem inszenierten Personenkult steckt eine Menge Kalkül. So ist Cheng Guanjun als Verfasser des Lobgedichts auf Xi kein Freizeit- oder Hobbydichter, sondern ein Autor, der für die wichtigsten Parteizeitungen schreibt. Er ist auch Experte für Parteigeschichte und leitender Theoretiker an der Pekinger Parteihochschule des ZK. Vor seiner jüngsten Xi-Hymne schrieb er bereits ein ähnliches Gedicht: “Du kommst aus Liangjiahe”. Es fand Eingang in das vom ZK herausgegebene Xi-Schulungsmaterial “Starkes China” (中宣部”学习强国”) und wurde von allen Parteimedien verbreitet. Sein Liedergedicht wird derzeit von professionellen Rezitations-Künstlern über Rundfunk und Bühnen aufgeführt.

            Innerparteilich scheint Xis Personenkult aber auf Widerstand zu stoßen. Ein indirekter Hinweis darauf versteckt sich in einem umfangreichen programmatischen Manifest des Zentralkomitees, das die Publikationsabteilung des ZK am 26. August unter dem Titel veröffentlichte: “Die Kommunistische Partei Chinas: Ihre Mission und geleisteten Beiträge.” Das Dokument war offenbar so wichtig, dass die englischsprachige Zeitung “China Daily” es auf mehr als einem halben Dutzend ihrer Seiten vollständig übersetzte.

            In einem speziellen Absatz heißt es darin: “Personenkult ist etwas, was die KPCh seit ihrer Gründung entschieden bekämpft hat. Die Statuten der Partei schreiben ausdrücklich vor, dass die Partei alle Formen des Personenkults verbietet. Die Aufrechterhaltung des Führungskerns der KPCh beinhaltet in keiner Weise die Schaffung irgendeiner Art von Personenkult. Der Kern der Parteiführung übt niemals unbegrenzte Macht aus oder greift beliebig in Entscheidungen ein.”

            Nur zehn Wochen später erschien Mitte November die auf einer Plenarsitzung des Zentralkomitees verabschiedete “Historische Resolution” der Partei, als ultimative Grundsatzerklärung zu ihrer Geschichte und den Maximen ihrer Entwicklung. KP-Chef Xi, der sich als “Kern der Partei” bezeichnen lässt, führte den Vorsitz über die Versammlung, leitete die dreiköpfige Redaktionsgruppe für den Entwurf der Resolution und erläuterte ihn. Personenkult wird darin mit keinem Wort mehr erwähnt. Xi Jinping erklärte nicht, warum das so ist.  

            Dafür preist die Resolution das von Xi ausgerufene und von seinem Denken geleitete “neue Zeitalter des Sozialismus mit chinesischen Besonderheiten als gegenwärtiger chinesischer Marxismus, als Marxismus des 21. Jahrhunderts und als Essenz aus der chinesischen Kultur und des chinesischen Geistes”. Das ist in Prosa geschrieben. Es liest sich aber wie eine weitere Hymne von Parteidichtern auf ihren Chef.

            • Innenpolitik der KP China
            • KP Chinas
            • Mao Zedong
            • Xi Jinping

            Personalien

            Harvey Zhang wird mit sofortiger Wirkung neuer Österreich-Chef von Huawei. Der 38-Jährige soll die Zusammenarbeit mit Netzbetreibern und NGOs fördern. Dafür bringt Zhang mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Telekommunikationsbranche und Erfahrungen im Bereich Vertrieb und Marketing mit. Zhang hat an der Guilin University of Electronic Technology studiert und bereits in China zwölf Jahre für den Telekomausrüster Huawei gearbeitet. 2018 wurde er von Huawei in die Republik Moldau entsandt, wo er als Country Manager tätig war. Auch in Rumänien sammelte er Erfahrung.

            Nicky Wang wird zum 1.1.2022 neue CEO China der Agentur für integrierte Kommunikation WE Red Bridge. Wang ist seit 2009 bei der Agentur in Shanghai und dafür bekannt, langjährige Kundenpartnerschaften aufzubauen. Sie hat Teams geleitet, die kreative, integrierte Kampagnen liefern, die die Geschäftsergebnisse steigern, so die Erklärung. Penny Burgess, bisherige CEO, rückt in die Position des Executive Chairman für China auf.

            Dessert

            Ein 15 Meter hoher Flusskrebs erhebt sich in der Stadt Qianjiang in Hubei. Flusskrebse sind eine örtliche Spezialität. Qianjiang stellt es besonders schlau an und hat eine integrierte Agrarindustrie aus Reisanbau und Zucht von Flusskrebsen aufgebaut. Dadurch ist der größte Flusskrebs-Cluster der Welt entstanden.

            China.Table Redaktion

            CHINA.TABLE REDAKTION

            Licenses:
              • China steckt Claims im Metaverse ab
              • Peng Shuai: Wütende Reaktion auf Tennis-Absage
              • China bestellt japanischen Botschafter ein
              • Pentagon warnt vor Hyperschall-Waffen
              • Twitter löscht Konten
              • Termine der kommenden Woche
              • Johnny Erling zu Liedern auf Xi Jinping
              Liebe Leserin, lieber Leser,

              das Leben verlagert sich mehr und mehr in den virtuellen Raum. Was vor wenigen Jahren noch wie Science-Fiction wirkte, ist längst Alltag. Die Sache hat jetzt einen Namen: die Welten aus reiner Information heißen zusammen das “Metaverse“. Je dichter und verschränkter sie werden, desto mehr Wirtschaftsaktivität verlagert sich dorthin. Wir bezahlen bereits viel Geld für immer immaterielle Güter. Künftig wird wohl ein immer größerer Teil der Wertschöpfung abgekoppelt von der herkömmlichen Realität stattfinden.

              Um dieses Geld geht es auch Unternehmen wie dem Facebook und Tencent. Sie wollen ihre Ansprüche im Metaverse noch in dessen Gründungszeit abstecken. Der Facebook-Konzern hat sich aus gutem Grund gerade in Meta umbenannt hat und dem Trend damit viel Aufmerksamkeit beschert. Tencent baut rund um Wechat derweil munter sein eigenes Metaverse auf. Ihr Verhalten ähnelt den ersten Siedlern und Unternehmen auf einem neuen Kontinent. China ist, wen wundert es, ganz vorne mit dabei. Was die Volksrepublik in klassischen Branchen als späte Industrienation schmerzhaft lernen musste, wendet sie nun besonders agil an, um diesmal den Takt anzugeben.

              Chinesische Firmen liefern daher nicht nur die physische Technik für das Metaverse, was an sich schon ein dickes Geschäft ist. Der Staat verhilft auch seinen Dienstleistern und Softwarefirmen zu einem Vorsprung, indem er die eigenen Spieler vor US-Konkurrenz abschirmt und zugleich Normen mit globalem Anspruch setzt, wie Fabian Peltsch analysiert.

              Doch die Modernität und Agilität in den Technik-Branchen hat eben kein Gegenstück in den politischen Strukturen des Landes. Der grobschlächtige Umgang mit den Vorwürfen der Tennisspielerin Peng Shuai gegen einen hohen Kader zeigt das ebenso wie der zunehmende Personenkult um Xi.

              Unsere zweite Analyse beschäftigt sich mit der nervösen Reaktion des Staates auf die Absage von Tennis-Tournieren durch internationale Veranstalter. Auch die künftige deutsche Außenministerin hat schließlich schon die Worte “Olympische Spiele” und “Peng Shuai” in einem Satz miteinander verknüpft.

              Johnny Erling hört derweil genau hin, wenn Loblieder auf Xi Jinping gesungen werden. Als Teil des immer groteskeren Personenkults wird derzeit immer häufiger die Ballade vom Fluß Liangjiahe aufgeführt, die Xis Heldentaten als Jugendlicher verherrlicht. Doch Erling registriert in der Partei auch zunehmenden Unmut über die Fokussierung auf eine einzelne Person.

              Ihr
              Finn Mayer-Kuckuk
              Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

              Analyse

              Metaverse in China: Schöne neue Welt

              Obwohl Facebook in China nach wie vor verboten ist, schlug Mark Zuckerbergs Ankündigung, sein Unternehmen in “Meta” umzubenennen und sich fortan der Entwicklung eines sogenannten Metaverse zu widmen, auch in der Volksrepublik hohe Wellen. Nur einen Tag nach der Namensänderung ließ sich der chinesische Suchmaschinenanbieter Baidu am 29. Oktober die Marke “metaapp” sichern. Der chinesische Gaming-Gigant NetEase und der E-Commerce-Riese Alibaba preschten ebenfalls vor, um bei “metaversen” Geschäftsmodellen zumindest dem Namen nach früh mitzumischen – etwa mit einem nicht näher definierten “Ali Metaverse”. Laut Bloomberg Intelligence könnte die Metaverse-Branche bis 2024 einen Wert von 800 Milliarden US-Dollar erreichen. Und nach Prognosen von PricewaterhouseCoopers (PwC) bis zum Jahr 2030 sogar 1,54 Billionen US-Dollar schwer sein.

              Neues Zuhause für die Menschheit

              All das erstaunt angesichts der Tatsache, dass niemand im Detail erklären kann, was das Metaverse (chinesisch Yuánjiè 元界 ) eigentlich ist. Der Begriff selbst stammt aus dem 1992 erschienenen Science-Fiction-Roman “Snow Crash”. Dort beschreibt der US-Schriftsteller Neal Stephenson eine virtuelle Realität ähnlich der Matrix, in der Menschen als Avatare ein eskapistisches Zweitleben führen. “Das Metaverse hat seine eigene Wirtschaft. Firmen und Individuen können investieren, kaufen, verkaufen und für Arbeit innerhalb des Metaverse bezahlt werden”, schreibt der Tech-Investor Matthew Ball in seinem Essay “The Metaverse: What It Is, Where to Find it, Who Will Build It, and Fortnite”.

              Mark Zuckerberg, der den Text seinen Mitarbeitern als Pflichtlektüre empfiehlt, sieht im Metaversum vor allem einen “Nachfolger des mobilen Internets”, das man nicht mehr nur über Bildschirme konsumiert, sondern in dem man tatsächlich als Person präsent ist. Ein Szenario wäre etwa, dass ein User in der realen Welt ein Kleidungsstück kauft, und der Avatar im Metaversum erhält ein virtuelles Äquivalent dazu, das er dann in den verschiedensten digitalen Räumen tragen kann. Einzelne Internet-Plattformen wie Facebook oder Weibo sind dann nicht mehr voneinander abgekapselt, sondern gehen in einem riesigen, von Cloud-Servern getragenen digitalen Raum auf. Das Metaverse sei “noch nicht da, aber wir haben bereits ein paar fundamentale Bausteine”, erläutert der Facebook-Gründer in einem anderthalbstündigen Keynote-Video. Dazu gehören etwa Live-Streams, soziale Netzwerke und Computerspiele, die schon jetzt eine Schnittstelle zwischen digitaler und echter Welt bilden.

              Mit chinesischem Equipment in die virtuelle Welt

              In der Zukunft sollen etwa Virtual-Reality-Brillen den Zugang zum Metaverse ermöglichen. Spätestens hier kommen chinesische Firmen ins Spiel. Laut dem amerikanischen Beratungsunternehmen IDC wird Chinas Markt für Virtual-Reality-Anwendungen (VR) in den nächsten fünf Jahren um 68 Prozent wachsen. Das 2014 von Facebook aufgekaufte Startup Oculus ist mit einem globalen Marktanteil von zwei Dritteln zwar noch der weltweit führende Hersteller von VR-Headsets, die chinesischen Firmen DPVR und Pico folgen jedoch auf dem Fuße. Pico aus Peking wurde erst im August von Bytedance für umgerechnet rund 1,4 Milliarden US-Dollar übernommen. Die Tiktok-Mutter will sich laut eigenen Angaben in den nächsten Jahren verstärkt auf die Entwicklung “konsum-orientierter VR-Geräte” konzentrieren.

              Eine Zwischenstufe zwischen echter und virtueller Welt bilden die sogenannten Augmented-Reality-Anwendungen (AR). Das können Brillen oder Windschutzscheiben sein, auf denen wie im Film “Terminator” Zusatz-Informationen ausgespielt werden, von der Außentemperatur bis hin zu persönlichen Informationen über das Gegenüber. Auch im Bereich AR hat China vielversprechende Player wie Nreal im Feld. Im September hat das 2017 gegründete Pekinger Unternehmen in einer C-Finanzierungsrunde über 100 Millionen US-Dollar eingesammelt und kommt nun auf eine Bewertung von rund 700 Millionen US-Dollar. Die AR-Brille des Unternehmens wirkt bereits wie eine coole Sonnenbrille. In naher Zukunft könnten die Geräte auf die Größe von Kontaktlinsen zusammenschrumpfen. IDC prognostiziert, dass der globale AR-Markt, der dieses Jahr voraussichtlich 30,7 Milliarden US-Dollar erreicht, bereits 2024 300 Milliarden US-Dollar wert sein wird.

              5G und Gaming sind die Säulen des Metaversums

              Dass sich VR-Brillen bislang nicht durchsetzten konnten, lag nicht nur an ihrer Klobigkeit, sondern auch an der sogenannten “motion sickness”, einer Art Seekrankheit, die dadurch ausgelöst wird, dass sich das eigene Körperempfinden nicht mit der programmierten Welt deckt. Auf vielen VR-Präsentationen wurden in der Vergangenheit deshalb zur Brille auch gleich noch Kotztüten gereicht.

              Der 5G-Mobilfunkstandard soll dieses Problem lösen. Die schnellen Datenübertragungsraten machen die VR-Erfahrung ruckelfreier und immersiver: Das Gefühl des Eintauchens wird im besten Fall so überzeugend, dass die simulierte Umgebung als real empfunden wird. China hat sich vorgenommen, in den nächsten fünf Jahren eine 5G-Durchdringung von 56 Prozent zu erreichen. Laut einer Schätzung von Ericsson gab es in der Volksrepublik Ende 2020 rund 175 Millionen 5G-Nutzer. Gemessen an den weltweiten Nutzerzahlen von 220 Millionen entspricht das einem Anteil von 80 Prozent.

              Immersive 3D-Welten mit eigener Währung existieren bereits in Computerspielen wie “Fortnite” und “Roblox”. Deswegen gehen Marktbeobachter davon aus, dass die Grundsteine des Metaverse im Gaming-Bereich gelegt werden. Als weltweit größtes Videospielunternehmen nach Umsatz dominiert Tencent diesen Sektor schon jetzt. Der Tech-Gigant aus Shenzhen besitzt Anteile an den größten Spiele-Publishern der Welt, darunter dem Fortnite-Entwickler Epic Games, Activision Blizzard, Ubisoft, Roblox sowie dem Online-Konzertveranstalter Wave. “Alles, was die virtuelle Welt realer und die reale Welt reicher an virtuellen Erfahrungen macht, kann Teil des Metaversums werden”, erklärt Tencent-Chef Pony Ma die Metaverse-Strategie seines Unternehmens. Das sind zwar schwammige Worte, doch ganz real ist die Tatsache, dass Tencent mit der Universal-App Wechat bereits über eine Art Proto-Metaversum verfügt. Die rund 1,24 Milliarden Nutzer des Dienstes können auf Wechat chatten, einkaufen und via Livestreams Konzerte oder Arztpraxen besuchen. Diese Funktionen lassen sich nahtlos in einem Digitaluniversum verknüpfen.

              Virtuelle Idole sind leichter zu kontrollieren

              Ein wichtiger Meilenstein, um in einem Metaversum eine eigene Ökonomie zu errichten, sind die sogenannten NFT – Non-Fungible Tokens: Wer so einen “nicht austauschbaren Token” erwirbt, kauft ein digitales Objekt, das kann Kunst sein, Sammelkarten, Waffen innerhalb eines Computerspiels oder auch virtuelles Land. Ende November wurde ein virtuelles Grundstück im Metaverse-Spiel Axie Infinity für Kryptowährung im Wert von 2,5 Millionen US-Dollar verkauft. Die Besitzrechte eines NFT sind auf der Blockchain gespeichert und damit einzigartig, authentifiziert und fälschungssicher. In digitalen Welten können NFT so zur grundlegenden Eigentumsform werden. 2020 wurden weltweit bereits 55 Milliarden US-Dollar für virtuelle Güter ausgegeben.

              Metaverse in China: Die chinesische Influencerin Ayayi
              Die virtuelle Influencerin Ayayi präsentiert Chinas erste “Metaverse”-Kunstausstellung

              Wie aus einem Metaverse entsprungen wirken die zahlreichen virtuellen Influencer, die in China heute schon Popstar-Status haben. Da wäre zum Beispiel die vom Shanghaier Startup Ranmai Technology programmierte Ayayi. Zum Singles Day am 11. November präsentierte das streng gescheitelte AI-Model eine “Metaverse Art Exhibition” auf Alibabas E-Commerce-Plattform Taobao, auf der globale Marken wie Burberry oder der chinesische E-Auto-Hersteller Xiaopeng NFT-Kunstwerke ausstellten.

              Die blauhaarige Luo Tianyi, die 2012 erschaffen wurde und rund 500 Millionen Follower auf Weibo hat, schaffte es in den vergangenen zwei Jahren sogar in die Neujahrsgala des staatlichen Fernsehsenders CCTV, wo sie unter anderem ein traditionelles chinesisches Volkslied zum Besten gab. Virtuelle Prominente sind nicht nur anspruchslose Markenbotschafter, sondern lassen sich auch leichter kontrollieren als Stars wie Kris Wu oder Zhao Wei (China.Table berichtete) Reale Sänger:innen sind eben für Skandale anfällig.

              Peking entkoppelt sich auch im Metaversum

              Trotz all dieser guten Grundvoraussetzungen reagiert Peking bislang skeptisch auf die Idee eines Metaversums. Im September warnte die staatliche Finanzzeitung Securities Times davor, “blind in ein so illusorisches Konzept wie das Metaverse” zu investieren. Dezentrale Kryptowährungen, die im Metaverse ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen sollen, hat Peking bereits verboten. Auch NFTs haben es in der Volksrepublik nicht leicht. Weil die Regierung sie als Spekulationsobjekt betrachtet, ist der gewinnorientierte Handel mit ihnen verboten. Unternehmen wie Tencent dürfen NFTs in China nur noch als “digitale Sammlerstücke” anbieten und Transaktionen ausschließlich in Renminbi entgegennehmen.

              China wird auch im Metaverse einen Alleingang anstreben, der von westlichen Produkten abgekoppelt ist. Im November hat das Land sein erstes “Metaverse-Industriekomitee” gegründet, das von den Staatsbetrieben China Mobile und China Unicom angeführt wird und die Bemühungen um ein chinesisches Metaverse-Konzept koordinieren soll. Wenn die Vision eines globalen Metaverse wirklich wahr werden soll, braucht es jedoch internationale Kooperationen zwischen Regierungen und Unternehmen. Wie bei der E-Mobilität gilt für Peking wohl auch hier das Motto: Wer zuerst kommt, setzt die Standards.

              Lesen Sie jetzt auch:

                • Gesellschaft
                • Internet
                • Technologie

                Wut über den Mut der WTA

                Der Fall Peng Shuai ist endgültig in der Weltpolitik angekommen. Am Tag Eins nach der Absage aller Tennisturniere in China durch den Damentennisverband WTA schäumt China. Die Unterstützung für die Turnierabsage der WTA in der Welt ist groß, was auch Peking zur Kenntnis nehmen dürfte. Der Versuch, Pengs Vorwürfe sexueller Nötigung durch Ex-Vizeministerpräsident Zhang Gaoli mit zweifelhaften Methoden aus der Welt zu schaffen, ist krachend gescheitert – vor allem dank der WTA.

                Entsprechend wütend reagierten Regierung und Staatsmedien am Donnerstag auf die Absage der Turniere. China sei strikt gegen Maßnahmen, mit denen Sport “politisiert” werde, sagte ein Außenamtssprecher am Donnerstag in Peking. Mit solch dürren Worten gab sich die für nationalistischen Eifer bekannte Staatszeitung Global Times nicht zufrieden. “Die einseitige Entscheidung der WTA im Namen des ‘Schutzes ihrer Spielerinnen’, wurde basierend auf fiktiven Informationen getroffen”, kommentierte das Blatt. Dies würde nicht nur die betreffende Athletin selbst verletzen, sondern auch die fairen Wettkampfchancen der Tennisspielerinnen beeinträchtigen. Seltsamerweise erschien der Text aber nicht auf der englischsprachigen Website des Blattes, sondern nur auf Twitter.

                Der für seine heftigen Tweets berüchtigte Global-Times-Chefredakteur Hu Xijin ging sogar noch weiter: “Die WTA zwingt Peng Shuai, den Angriff des Westens auf das chinesische System zu unterstützen. Sie beraubt Peng Shuai ihrer Meinungsfreiheit und fordert, dass die Beschreibung ihrer aktuellen Situation ihren Erwartungen entsprechen muss.” Damit stellte Hu die Sache in einer erstaunlichen Weise auf den Kopf. Zudem versuchte er, die Ankündigung der WTA ins Lächerliche zu ziehen: WTA-Chef Steve Simon boykottiere mit großem Trara “einige Veranstaltungen, die aufgrund von Covid-19 nur eine geringe Chance haben, überhaupt abgehalten zu werden.” Das bringe der WTA keine zusätzlichen wirtschaftlichen Verluste und sorge nur für Aufmerksamkeit im Westen.

                Turnierabsage: Nur die WTA legt sich mit China an

                Das wütende Nachtreten lässt vermuten, dass China ehrlich geschockt ist von der Turnier-Absage der WTA. Denn China kennt es anders. Firmen, Regierungen und auch Sportverbände knickten in der Vergangenheit stets ein vor dem Druck und dem riesigen Markt der Volksrepublik. Die WTA ist jedenfalls der erste internationale Sportverband überhaupt, der China trotz erwartbarer finanzieller Ausfälle die Stirn bietet. Die US-amerikanische Basketballorganisation NBA war schon eingeknickt, nachdem der Manager der Houston Rockets 2019 auf Twitter die Demokratiebewegung in Hongkong unterstützt hatte. China stoppte die NBA-Übertragungen, und sogleich bedauerte der Verband den Tweet des Managers und behauptete gar, sie sei “enttäuscht” von dessen Kommentaren. Der chinesische Markt ist wohl einfach zu wichtig.

                Tatsächlich wären WTA-Turniere in China aufgrund der dort voraussichtlich auch noch im kommenden Jahr geltenden Corona-Einreisebeschränkungen sowieso unwahrscheinlich gewesen. Die WTA ließ den Endpunkt der Suspendierung allerdings offen. Klar ist: Richtig schmerzhaft wird es erst, wenn die WTA auch dann noch Turniere absagt, wenn Chinas Grenzen wieder offen sind. Aber auch so bleibt die öffentliche Absage ein wirksames Zeichen, das weltweit begrüßt wurde. “Buchstäblich das, was wir alle tun sollten. Werte hochhalten und tun, was wir müssen, um sie zu verteidigen”, kommentierte etwa der Hongkonger Demokratie-Aktivist Nathan Law aus dem Exil in London. Auch der Weltranglistenerste Novak Djokovic begrüßte die Turnier-Absagen der WTA, ebenso wie die US-Tennislegenden Martina Navratilova und Billie Jean King.

                Die Volksrepublik habe die Forderungen des Verbandes nach umfassender und transparenter Aufklärung des Falls nicht erfüllt, hatte WTA-Chef Simon am Mittwochabend die zuvor schon angedrohte Entscheidung begründet (China.Table berichtete). “Zwar wissen wir jetzt, wo Peng ist. Doch ich habe ernsthafte Zweifel, dass sie frei und sicher ist und keiner Zensur, Nötigung und Einschüchterung unterliegt.”

                Fall Peng Shuai: Die seltsame Rolle des IOC

                Das IOC war dagegen offensichtlich überfordert mit dem Spagat, einerseits Sorge um Peng Shuai zu zeigen, andererseits bloß nicht den Veranstalter der unmittelbar bevorstehenden Olympischen Winterspiele zu brüskieren. Das IOC hält sich stets demonstrativ heraus aus der Politik – was im Fall der dreifachen Olympionikin Peng nicht möglich war. Also organisierte man am 21. November ein Videotelefonat von IOC-Präsident Thomas Bach, der Vorsitzenden der IOC-Athletenkommission und einem leitenden IOC-Mitglied in China mit Peng. Es gehe Peng Shuai gut und sie wolle ihre Privatsphäre gewahrt haben, lautete das unbekümmerte Fazit. Es hagelte Kritik, Bach und das Komitee hätten sich von China instrumentalisieren lassen. Wie konnte sich das IOC sicher sein, dass nicht neben Peng, unsichtbar im Video, ein Aufpasser saß? Warum war niemand misstrauisch?

                Peng habe sich über den Anruf gefreut, verteidigte der langjährige IOC-Funktionär Dick Pound jetzt noch einmal das Vorgehen. Die gemeinsame Schlussfolgerung der drei Anrufer sei gewesen, “dass es ihr gut ging und sie nicht unter Zwang steht”, sagte Pound am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. “Und das wollten wir wissen.” Er betonte, das IOC sei die einzige Organisation der Welt, der es überhaupt gelungen sei, Kontakt zu Peng herzustellen.

                Am Mittwoch nahm das IOC erneut Kontakt zu Peng auf. Man sorge sich sehr wohl um die 35-Jährige, teilte das IOC am Donnerstag mit. Es verteidigte noch einmal offiziell seinen Ansatz: “Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ihr Wohlbefinden und ihre Sicherheit zu erreichen. Wir haben eine sehr menschliche und personenzentrierte Herangehensweise an ihre Situation gewählt.” Da Peng eine dreimalige Olympiateilnehmerin sei, spreche das IOC seine Bedenken direkt mit chinesischen Sportorganisationen an. “Wir wenden die ‘stille Diplomatie’ an. Dies ist angesichts der Umstände und der Erfahrung von Regierungen und anderen Organisationen der vielversprechendste Weg, um in solchen humanitären Angelegenheiten wirksam vorzugehen.”

                Das IOC habe Peng umfassende Unterstützung angeboten und werde mit ihr in regelmäßigem Kontakt bleiben. Auch sei ein persönliches Treffen für den Januar vereinbart. Ob das die Kritiker verstummen lässt, ist aber mehr als fraglich. Zu sehr erscheint das Vorgehen als Augenwischerei. Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wollte sich gegenüber China.Table nicht eindeutig positionieren.

                Internationale Solidarität mit Peng Shuai

                Es steht nun ein unschön klingender Verdacht im Raum: Die Olympionikin Peng Shuai wird festgehalten vom Ausrichter der direkt bevorstehenden Olympischen Winterspiele. Und das IOC tut nichts dagegen.

                Daher nimmt die Debatte um einen diplomatischen Boykott dieser Winterspiele vom 4. bis 20. Februar 2022 in Peking Fahrt auf. Ein solcher würde bedeuten, dass Staaten keine offiziellen Regierungsdelegationen zu Olympia schicken, die Athletinnen und Athleten aber teilnehmen dürfen. Im Zusammenhang mit dem Fall Peng Shuai hatten bereits US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Boris Johnson einen solchen Boykott ins Spiel gebracht.

                Nun erwägt dies auch die designierte deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: “Wenn ich sehe, wie Chinas Führung mit der Tennisspielerin Peng Shuai umgeht oder mit der verhafteten Bürgerjournalistin Zhang Zhan, sollten wir natürlich auch die Olympischen Spiele genauer in den Blick nehmen”, sagte Baerbock im Interview mit China.Table und Journalisten der Tageszeitung (taz). Zhang Zhan sitzt wegen ihrer Artikel aus Wuhan zu den Anfängen der Corona-Pandemie in Haft.

                Auch Staaten nehmen immer direkter Bezug auf das Drama um Peng. Schon am Dienstag hatte sich zum Beispiel die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell eingeschaltet: “Die EU bekundet ihre Solidarität mit der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, die verschwand, kurz nachdem sie Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe in chinesischen sozialen Medien veröffentlicht hatte. Ihr kürzliches Wiederauftauchen in der Öffentlichkeit lindert die Sorgen um ihre Sicherheit und Freiheit nicht.” Die EU schließe sich den wachsenden internationalen Forderungen an nach einer Zusicherung, dass Peng frei und nicht bedroht sei. Auch US-Präsident Biden hatte bereits seine Sorge um Peng ausgedrückt. Ohne ein robusteres Vorgehen dürften diese Worte ohne großen Effekt verhallen. Die WTA macht vor, wie es geht.

                Lesen Sie jetzt auch:

                  • Geopolitik
                  • Global Times
                  • IOC
                  • Menschenrechte
                  • Olympia
                  • Peng Shuai
                  • Sport
                  • WTA
                  • Zhang Gaoli

                  Termine

                  07.12.2021, 8:00-10:00 Uhr (15-17 Uhr Beijing Time)
                  EU SME Centre, Webinar: China’s Climate Ambitions Post-COP26 Mehr

                  07.12.2021, 8:30 Uhr
                  Storymaker, Webinar: Erfolgsfaktoren eines Livestreamings mit Yunyi Wu Anmeldung:

                  07.12.2021, 9:00-10:00 Uhr (16-17 Uhr Beijing Time)
                  EU SME Centre, Webinar: Report Launch: China’s Industrial Robots Sector – Opportunities and Challenges for European SMEs Mehr

                  08.12.2021, 9:00 -10:30 Uhr (16:00-17:30 Uhr Beijing Time)
                  EU SME Centre, Webinar: Mandatory GACC registration for all F&B exporters from 1 Jan, 2022 Mehr

                  08.12.2021, 19:00-20:30 Uhr
                  Konfuzius Institut Heidelberg, Webinar: Zwischen den Kulturen, zwischen den Zeichen – Interkulturelle Gestaltung Europa-China Mehr

                  09.12.2021, 9:00-10.30 Uhr (16-17:30 Uhr Beijing Time)
                  China Webinar, Expert Talk: Master your Supply Chain Challenges 2022 for China Business Mehr

                  09.12.2021, 10:00-12:00 Uhr (17-19 Uhr Beijing Time)
                  EU SME Centre, Webinar: How to Manage Your Business with China Remotely Mehr

                  10.12.2021, 8:30-10:00 Uhr
                  CNBW, Breakfast Club: Aktuelle Herausforderungen für deutsche Unternehmen im Chinageschäft Mehr

                  9.-10. Dezember 2021, 13-16.30 Uhr (MEZ) (Starting time: China 8 pm, Australia 11pm, USA 7 am)
                  Konfuzius Institut Berlin, Workshop: Anti-asiatischer Rassismus in Deutschland: Historische und gegenwärtige Kontexte, Diskurse und praktische Erscheinungsformen, Widerstand Mehr

                  News

                  Japanischer Botschafter wegen Taiwan einbestellt

                  Das chinesische Außenministerium hat den japanischen Botschafter in Peking einbestellt. China will seine Unzufriedenheit mit einer Bemerkung von Ex-Premier Shinzo Abe ausdrücken. Abe hatte am Dienstag auf einer Online-Konferenz des Institute for National Policy Research in Taipeh die Haltung Japans bekräftigt, Taiwan im Fall eines chinesischen Angriffs beizustehen. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sieht in der Bemerkung “einen großen Fehler”. Abe leiste “den Unabhängigkeitskräften in Taiwan schamlos Vorschub”. Das gefährde die Souveränität Chinas.

                  Die Position, die Abe ausgedrückt hat, ist zwar nicht völlig neu. Sie zeigt in dieser Deutlichkeit aber eine neue Qualität der Garantieerklärung für Taiwan. Im Juni hatte sich erstmals der japanische Verteidigungsstaatssekretär mit der Äußerung vorgewagt, Taiwan müsse “als demokratisches Land geschützt” werden. Wenig später warnte ein Regierungsbericht vor der Gefahr, dass China den Status quo einseitig ändere. Bisher hat sich Japan zwar als Basis für amerikanische Operationen vor der chinesischen Küste angeboten, aber bisher nicht ausdrücklich eine eigene Beteiligung an der Verteidigung Taiwans angeboten.

                  Abe ist mit zehn Jahren im Amt des japanischen Premiers ein politisches Schwergewicht. Als erklärter Konservativer hat er Japan auch militärisch stärker in Verteidigungsstellung gegenüber China gebracht. Am Mittwoch brachte er nun eine weitere Dimension eines Konflikts um Taiwan ins Gespräch. “Militärische Abenteuer [Chinas] würden in wirtschaftlichen Selbstmord führen”, sagte Abe zu den möglichen Folgen einer erzwungenen Wiedervereinigung. Der Konflikt werde nicht örtlich begrenzt bleiben, sondern eine breite internationale Reaktion und Sanktionen nach sich ziehen. Insofern liegt China in seiner starken Reaktion mit dem Botschafter durchaus richtig. Sie widerspricht bloß der offiziellen Linie von Xi Jinping, eine “friedliche Wiedervereinigung” mit Taiwan anzustreben. Abes Bemerkungen haben sich nur auf den Fall einer erzwungenen Veränderung des Status quo bezogen. fin

                  Lesen Sie jetzt auch:

                    • Geopolitik
                    • Japan
                    • Taiwan

                    Pentagonchef äußert sich besorgt zu Hyperschall-Waffen

                    Bei einem Sicherheitsdialog in Südkorea hat Pentagon Chef Lloyd Austin Chinas Bestrebungen kritisiert, Hyperschallwaffen zu bauen. Die Sorge gilt dem Einsatz von Hyperschallraketen, die weite Strecken auf relativ niedrigen Umlaufbahnen zurücklegen (China.Table berichtete). Peking testet nach Angaben des Regierungssprechers Zhao Lijian aber keine Rakete, sondern ein Raumfahrzeug, so Zhao bei einer Pressekonferenz. Die Financial Times hatte zuerst berichtet, dass Chinas Militär eine Hyperschallrakete getestet habe (China.Table berichtete).

                    Die Sorge der USA gilt generell auch der Ausweitung von Chinas militärischen Fähigkeiten. Zudem sind US-Experten überzeugt, dass das Waffensystem dafür geschaffen wurde, um das US-Raketenabwehrsystem zu umgehen. Im Oktober musste US-Generalstabschef Mark Milley einräumen, dass die USA selbst an Hyperschallwaffen forschen. Die Begründung: China und Russland treiben die Entwicklung. niw

                    Lesen Sie jetzt auch:

                      • Geopolitik
                      • Hyperschall-Waffen
                      • Militär
                      • Technologie
                      • USA

                      Twitter löscht mehr als 3000 Konten

                      Der Kurznachrichtendienst Twitter hat mehr als 3000 Konten von seiner Plattform entfernt, die im Zusammenhang mit staatlich gelenkter Einflussnahme standen. Betroffen seien Kunden-Accounts mit Verbindungen in sechs Länder, darunter China, Russland und Mexiko, erklärte Twitter. Mehr als 2100 der insgesamt 3465 Konten stünden China nahe. Viele der Konten versuchten die Vorwürfe in Bezug auf die Verstöße gegen Menschenrechte in Xinjiang zu kontern. Twitter macht öfter solche Aktionen und löscht oder sperrt Konten, die mit Ländern in Verbindung gebracht werden, die gegen die Twitter-Richtlinien verstoßen. rtr

                      Lesen Sie jetzt auch:

                        • Medien
                        • Menschenrechte
                        • Xinjiang

                        Presseschau

                        China hits back at WTA as IOC says it has spoken again to Peng Shuai THE GUARDIAN
                        China’s Digital Currency Challenge: Winning Hearts and Minds WSJ (PAY)
                        US defence secretary says China hypersonic weapons advancement is ‘increasing tensions’ INDEPENDENT
                        Uganda Can Meet China Loan Terms, Keep Airport, Legal Head Says BLOOMBERG (PAY)
                        China’s rising vulnerability to foreign investors FT
                        China, South Korea to further deepen bilateral cooperative partnership: high-ranking officials meeting in Tianjin GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
                        China bestellt Japans Botschafter wegen Taiwan-Äußerung ein FAZ
                        EU-Unternehmen warnen: China nutzt Technologiestandards als Instrument der Industriepolitik HANDELSBLATT (PAY)
                        In China gibt eine Konferenz zu Internetplattformen Einblick in «Think-Tanks mit chinesischen Charakteristika» NZZ
                        Boeings Unglücksflieger 737 Max vor Wiederzulassung in China HANDELSBLATT

                        Kolumne

                        Das Lied vom Fluss Liangjiahe

                        von Johnny Erling
                        Ein Bild von Johnny Erling

                        Hinter den neun Kurven des Liuyang-Flusses, liegt tief in der Bauernprovinz Hunan der Heimatkreis, aus dem Mao Zedong kam. Von dort aus machte er sich auf den Weg, um “sein Volk zu befreien”. Das seit 70 Jahren gesungene Lied auf den Großen Vorsitzenden und seinen Fluss “Liuyanghe” ist zum Evergreen unter den Revolutionsschlagern geworden, die Millionen Chinesen auch heute noch mit trällern. Derweilen folgt der neue Vorsitzende Xi Jinping Maos Fußstapfen. In der kopierfreudigen Volksrepublik erschien eine Hymne auf ihn und auf seinen Fluss “Liangjiahe” in Shaanxi, von dem aus er zu seiner politischen Karriere aufbrach. Der klangvoll rezitierte Gedichtzyklus ist das jüngste Highlight im immer groteskeren chinesischen Personenkult zu Xi Jinping. Doch dagegen regt sich innerparteilicher Widerstand.

                        Personenkult Xi Jinping: Das Lied von Liangjiahe
                        Unmittelbar nach dem 6. ZK-Plenum kam jetzt die ultimative Lobeshymne auf Xi Jinping “Das Lied von Liangjiahe” landesweit auf den Markt.

                        “Auferstanden, Reich geworden, Stark werdend” (站起来,富起来, 强起来). Mit den drei Begriffen startet der Refrain für die “Ballade von Liangjiahe” ( 梁家河组歌). Sie stammen aus dem Mund von Parteichef Xi und sind in der Volksrepublik zu geflügelten Worten geworden. Von bekannten Künstlern melodisch vorgetragen (朗诵) geht der Schüttelreim des Refrains so weiter: “Du kommst aus Liangjiahe, steuerst China in eine neue Ära, vergisst nie, wie alles begann, bleibst der Mission treu und führst das Projekt des chinesischen Sozialismus in der neuen Zeit weiter!. (站起来,富起来,强起来. 你从梁家河走来,领航中国走进新时代。不忘初心,牢记使命,新时代中国特色社会主义继往开来!)

                        Patriotische Ballade über die Taten des jungen Xi

                        Das hört sich fast schon so an, wie in dem vom Dichter Xu Shuhua (徐叔华) 1950 verfassten Loblied “Liuyanghe” (浏阳河) über “Vorsitzenden Mao als rote Sonne in unserem Herzen”. Die neue Revolutionsballade über Xi erzählt in neun Strophen seinen Werdegang, nachdem die Wirren der Kulturrevolution den 15-Jährigen im Januar 1969 aufs Land verschlagen haben. Sieben Jahre schuftet er im Dorf Liangjiahe am gleichnamigen Fluss mit und unter den dortigen Bauern, bevor er nach Peking zurück darf, um politisch aufzusteigen.

                        Personenkult um Xi Jinping: Hier beim Besuch des Dorfes Liangjiahe.
                        Xi im Jahr 2018 im Dorf Liangjiahe, dem Ort seiner Heldentaten als Jugendlicher

                        Im fünften Vers preist das Poem den jungen Xi, der wegen der Kulturrevolution seine Mittelschulausbildung abbrechen musste, als genialen Autodidakten. Nach täglich schwerem Tagewerk hält er sich die “halbe Nacht” wach, um im “Licht einer Ölfunzel” in seiner “dunklen Wohnhöhle” neben klassischen chinesischen Romanen auch Weltliteratur zu lesen, von Goethes Faust (浮士德) bis Shakespeare König Lear (李尔王). Natürlich verschlingt er die marxistischen Klassiker, besonders das Kapital (资本论) von Karl Marx. Das habe ihn so fasziniert und erleuchtet, schrieb Chinas Nachrichtenagentur “Xinhua” in einer Endlos-Eloge auf Xi, für deren englische Übersetzung China Daily sieben Teile brauchte. Xi habe Marxens Kapital damals “dreimal gelesen. Seine Reflexionen über den Text füllten 18 Notizbücher”.

                        Zehn (sic.) Anmerkungen des neuen Gedichtes auf Xi erklären, worauf der Dichter Cheng Guanjun alles anspielt “Große Kanonen” seien handgerollte grobe Tabakblätter, die Xi gegen seine Müdigkeit raucht; das “Herz der Mutter und ein kleiner Beutel für Nadel und Faden” (娘的心。小小针线包) bezieht sich auf eine Anekdote. Danach “gab Mutter Qixin ihrem Sohn einen Stoffbeutel mit Nähzeug mit, als er aufs Land ging, auf dem sie die Worte ‘Herz der Mutter’ aufgestickt hatte.” Weitere anrührende Erinnerungen an Xis Mutter und ihrem Verhältnis zum Sohn unter dem Titel “Das Versprechen, das sich zwei Generationen von Kommunisten gaben” verbreiten zugleich großer Parteimedien Chinas.

                        Mit Personenkult zur absoluten Macht

                        Die Elogen in Versform sind eine Ouvertüre für das große Konzert, das der 20. Parteitag Ende 2022 für Xi zur Zementierung seiner absoluten Macht aufspielen soll. Hinter dem inszenierten Personenkult steckt eine Menge Kalkül. So ist Cheng Guanjun als Verfasser des Lobgedichts auf Xi kein Freizeit- oder Hobbydichter, sondern ein Autor, der für die wichtigsten Parteizeitungen schreibt. Er ist auch Experte für Parteigeschichte und leitender Theoretiker an der Pekinger Parteihochschule des ZK. Vor seiner jüngsten Xi-Hymne schrieb er bereits ein ähnliches Gedicht: “Du kommst aus Liangjiahe”. Es fand Eingang in das vom ZK herausgegebene Xi-Schulungsmaterial “Starkes China” (中宣部”学习强国”) und wurde von allen Parteimedien verbreitet. Sein Liedergedicht wird derzeit von professionellen Rezitations-Künstlern über Rundfunk und Bühnen aufgeführt.

                        Innerparteilich scheint Xis Personenkult aber auf Widerstand zu stoßen. Ein indirekter Hinweis darauf versteckt sich in einem umfangreichen programmatischen Manifest des Zentralkomitees, das die Publikationsabteilung des ZK am 26. August unter dem Titel veröffentlichte: “Die Kommunistische Partei Chinas: Ihre Mission und geleisteten Beiträge.” Das Dokument war offenbar so wichtig, dass die englischsprachige Zeitung “China Daily” es auf mehr als einem halben Dutzend ihrer Seiten vollständig übersetzte.

                        In einem speziellen Absatz heißt es darin: “Personenkult ist etwas, was die KPCh seit ihrer Gründung entschieden bekämpft hat. Die Statuten der Partei schreiben ausdrücklich vor, dass die Partei alle Formen des Personenkults verbietet. Die Aufrechterhaltung des Führungskerns der KPCh beinhaltet in keiner Weise die Schaffung irgendeiner Art von Personenkult. Der Kern der Parteiführung übt niemals unbegrenzte Macht aus oder greift beliebig in Entscheidungen ein.”

                        Nur zehn Wochen später erschien Mitte November die auf einer Plenarsitzung des Zentralkomitees verabschiedete “Historische Resolution” der Partei, als ultimative Grundsatzerklärung zu ihrer Geschichte und den Maximen ihrer Entwicklung. KP-Chef Xi, der sich als “Kern der Partei” bezeichnen lässt, führte den Vorsitz über die Versammlung, leitete die dreiköpfige Redaktionsgruppe für den Entwurf der Resolution und erläuterte ihn. Personenkult wird darin mit keinem Wort mehr erwähnt. Xi Jinping erklärte nicht, warum das so ist.  

                        Dafür preist die Resolution das von Xi ausgerufene und von seinem Denken geleitete “neue Zeitalter des Sozialismus mit chinesischen Besonderheiten als gegenwärtiger chinesischer Marxismus, als Marxismus des 21. Jahrhunderts und als Essenz aus der chinesischen Kultur und des chinesischen Geistes”. Das ist in Prosa geschrieben. Es liest sich aber wie eine weitere Hymne von Parteidichtern auf ihren Chef.

                        • Innenpolitik der KP China
                        • KP Chinas
                        • Mao Zedong
                        • Xi Jinping

                        Personalien

                        Harvey Zhang wird mit sofortiger Wirkung neuer Österreich-Chef von Huawei. Der 38-Jährige soll die Zusammenarbeit mit Netzbetreibern und NGOs fördern. Dafür bringt Zhang mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Telekommunikationsbranche und Erfahrungen im Bereich Vertrieb und Marketing mit. Zhang hat an der Guilin University of Electronic Technology studiert und bereits in China zwölf Jahre für den Telekomausrüster Huawei gearbeitet. 2018 wurde er von Huawei in die Republik Moldau entsandt, wo er als Country Manager tätig war. Auch in Rumänien sammelte er Erfahrung.

                        Nicky Wang wird zum 1.1.2022 neue CEO China der Agentur für integrierte Kommunikation WE Red Bridge. Wang ist seit 2009 bei der Agentur in Shanghai und dafür bekannt, langjährige Kundenpartnerschaften aufzubauen. Sie hat Teams geleitet, die kreative, integrierte Kampagnen liefern, die die Geschäftsergebnisse steigern, so die Erklärung. Penny Burgess, bisherige CEO, rückt in die Position des Executive Chairman für China auf.

                        Dessert

                        Ein 15 Meter hoher Flusskrebs erhebt sich in der Stadt Qianjiang in Hubei. Flusskrebse sind eine örtliche Spezialität. Qianjiang stellt es besonders schlau an und hat eine integrierte Agrarindustrie aus Reisanbau und Zucht von Flusskrebsen aufgebaut. Dadurch ist der größte Flusskrebs-Cluster der Welt entstanden.

                        China.Table Redaktion

                        CHINA.TABLE REDAKTION

                        Licenses:

                          Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

                          Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

                          Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

                          Anmelden und weiterlesen