Autonomes Fahren in China: Von Strategien bis Tech-Unternehmen 

Während globale Autobauer auf On-Board-KI setzen, fördert China ein cloudbasiertes, zentralisiertes System für autonomes Fahren, das nicht nur Verkehrsprobleme löst, sondern auch staatliche Überwachung intensiviert. Mit internationalen Giganten und heimischen Technologien, die Fahrzeuge autonom navigieren lassen, steht China vor einer Verkehrswende. Eine Übersicht.

13. Juni 2024
201014 -- BEIJING, Oct. 14, 2020 -- A woman takes a self-driving taxi at an appointed location on the Daoxianghu Road in Haidian District of Beijing, capital of China, Oct. 14, 2020. China s internet giant Baidu has launched a program in Beijing to offer free trials of its self-driving taxi service from Saturday. The pilot service, which serves certain stops in a part of the city from 10 a.m. to 4 p.m., will operate until Nov. 6, according to Baidu.  CHINA-BEIJING-SELF-DRIVING TAXI-FREE TRIALS CN RenxChao PUBLICATIONxNOTxINxCHN

Im autonomen Fahren verfolgt China eine zentralisierte, cloudbasierte Strategie. Diese Strategie adressiert städtische Verkehrsprobleme und ermöglicht eine umfassende Überwachung. Im Gegensatz dazu bevorzugen westliche Länder On-Board-KI-Systeme, die die Privatsphäre der Nutzer schützen. Chinesische Unternehmen wie Baidu mit seiner Apollo-Plattform, XPeng und Li Auto stehen an der Spitze dieser Innovation, entwickeln fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme und erweitern die Technologie auf städtische Gebiete. Unterstützt durch die Regierung, zielt die Strategie auf die Einführung von L3- und L4-Fahrzeugen bis 2025, mit V2X-Kommunikationstechnologien, die eine neue Ära der Mobilität in China einleiten sollen.

Chinas zentralisierter Ansatz bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge 

Während Europa und die USA zunehmend auf autonome Fahrtechnologien setzten, nimmt China einen markant zentralisierten Ansatz an. Die chinesische Regierung fördert die Entwicklung eines cloudbasierten Ökosystems für autonome Fahrzeuge. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die massiven Verkehrsprobleme in urbanen Metropolen effektiver zu bewältigen und bietet gleichzeitig eine Plattform für eine umfassende Überwachung der Bevölkerung. Im Gegensatz dazu bevorzugen westliche Hersteller aus den USA und Europa einen On-Board-Ansatz, bei dem die künstliche Intelligenz direkt im Fahrzeug und nicht in der Cloud arbeitet. Dieser kulturelle Unterschied spiegelt die westliche Wertschätzung der Privatsphäre wider, wobei das Auto oft als letzter privater Rückzugsraum gesehen wird.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Philosophien könnten Autobauer gezwungen sein, zwei unterschiedliche Software-Pakete zu entwickeln: eines für den chinesischen Markt – den größten Automarkt der Welt – und eines für den Rest der Welt. Trotz der Herausforderungen haben deutsche Automobilhersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes bereits Pilotprojekte in China gestartet. Volkswagen nutzt Elektro-SUVs als Robotaxis in Hefei, BMW arbeitet mit Tencent zusammen und Mercedes betreibt eine Testflotte in Peking.

Technologische Unterschiede in Autonomen Systemen 

Beim autonomen Fahren gibt es zwei wichtige technologische Unterschiede. In China sind die autonomen Fahrzeuge oft mit "Navigation-on-Autopilot" (NOA) ausgestattet, einer fortschrittlichen Version von Fahrerassistenzsystemen, die autonomes Anhalten, Lenken und Spurwechseln ermöglichen, insbesondere in komplexen städtischen Verkehrsbedingungen. Im Vergleich dazu befindet sich Teslas Full-Self-Driving (FSD) Funktion in Nordamerika noch in der Beta-Phase, welche regelmäßige menschliche Eingriffe erfordert, um die Kontrolle zu übernehmen.

Bis 2022 waren die NOA-Systeme hauptsächlich auf Autobahnen in China beschränkt und durften nicht in städtischen Gebieten eingesetzt werden. Die Unterschiede in den städtischen Infrastrukturen zwischen verschiedenen Städten wie Peking und Shanghai bedeuten, dass ein System, das in einer Stadt funktioniert, nicht notwendigerweise in einer anderen effektiv ist. Chinesische Unternehmen wie XPeng, Li Auto und Huawei planen jedoch, diese Dienste in Zukunft in weiteren Städten anzubieten und weiter zu verbessern.

Dieser zentralisierte und überwachte Ansatz Chinas im Bereich des autonomen Fahrens spiegelt die tiefgreifenden Unterschiede in Technologieakzeptanz und Datenschutzphilosophien zwischen China und dem Westen wider. Diese Unterschiede könnten die Landschaft der globalen Autoindustrie nachhaltig prägen und erfordern eine flexible Anpassungsfähigkeit von internationalen Herstellern.

Chinas neue Strategien für das autonome Fahren  

China baut seine Vormachtstellung im autonomen Fahren aktiv aus. Eine ambitionierte Strategie, die 2020 von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission zusammen mit dem Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) und elf weiteren Ministerien initiiert wurde, zielt darauf ab, bis 2025 bedeutende Fortschritte in der Autonomiestufe der Fahrzeuge zu erreichen.

Zielsetzungen bis 2025 

Die Strategie fürs autonome Fahren plant, die Massenproduktion von Fahrzeugen der Stufe L3 zu etablieren und gleichzeitig L4-Fahrzeuge in ausgewählten Szenarien auf den Markt zu bringen. L3-Fahrzeuge können viele Fahraufgaben selbständig durchführen, benötigen jedoch in kritischen Situationen menschliches Eingreifen. L4-Fahrzeuge hingegen bieten eine höhere Autonomie und können in den meisten Szenarien ohne menschliches Eingreifen agieren.

Ein weiteres Kernziel ist die umfassende Implementierung von Vehicle-to-Everything (V2X)-Kommunikationstechnologien. Durch LTE-V2X und die fortschrittlichere 5G-V2X Technologie wird es Fahrzeugen ermöglicht, in Echtzeit mit ihrer Umgebung zu kommunizieren, was die Sicherheit und den Verkehrsfluss signifikant verbessert.

Standardisierungsbestrebungen 

Ein robustes System chinesischer Standards für autonomes Fahren wird bis 2025 entwickelt, das unterstützende Technologien für assistiertes und autonomes Fahren festlegt. Bis 2030 sollen weiterführende Standards die Sicherheit dieser Technologien garantieren und ihre breite Anwendung ermöglichen.

Diese phasenweise Umsetzung unterstreicht Chinas Bestrebungen, führend in der autonomen Fahrtechnologie zu sein, und verspricht eine Revolution des Fahrerlebnisses sowie signifikante Verbesserungen in der Verkehrssicherheit und -effizienz. Mit diesen Initiativen positioniert sich China an der Spitze der globalen Automobilindustrie, bereit, die Zukunft der Mobilität zu gestalten.

Chinas Tech-Konzerne arbeiten Hand in Hand mit Autoherstellern  

Autonomes Fahren ist einer der heißesten Trends. Wohl nirgendwo auf der Welt verkehren so viele Robotaxis wie in China. Zahlreiche Autohersteller investieren in die Entwicklung der Technologie und gehen dafür Partnerschaften mit Tech-Unternehmen ein. Eine kleine Übersicht zu den aktuell wichtigsten Playern in China (Stand 2024):

  • Baidu ist einer der Vorreiter des autonomen Fahrens in China. Das zuerst als Suchmaschine bekannte Tech-Unternehmen investiert und fördert das autonome Fahren seit vielen Jahren. 2017 gründete Baidu die Open-Source-Entwicklungsplattform Apollo fürs autonome Fahren. Dabei kooperiert der Konzern mit über hundert Unternehmen. Darunter auch mit internationalen Unternehmen wie BMW, Ford und Volkswagen, sowie Intel und Nvidia. Der chinesische Autohersteller Geely nutzt die von Baidu hergestellte Software und betreibt unter dem Namen Apollo Go in mehreren Städten Robotaxis der Technologie-Stufe 4, die auf bestimmte geografische Grenzen beschränkt sind. Dabei kooperieren sie mit weiteren Autobauern wie BYD Auto und dem staatlichen Konzern Beijing Automotive (BAIC). 2023 genehmigte die chinesische Regierung Baidu ebenso wie dem Elektroauto-Startup Pony.ai den Einsatz von Robotaxis ganz ohne einen Menschen auf dem Fahrersitz.  

  • Pony.ai ist ein weiterer wichtiger Player im Rennen um das autonome Fahren. Das von ehemaligen Baidu-Managern gegründete Unternehmen bietet in fünf chinesischen Städten Fahrten in Robotaxis an. Bei der Gründung beteiligte sich Toyota mit insgesamt 400 Millionen Euro. Pony.ai arbeitet an Lösungen für das autonome Fahren auf Level 4 und 5. 2024 erhielt das Startup Pony.ai die erste provinzübergreifende Genehmigung, selbstfahrende Schwerlastkraftwagen auf den Straßen zu fahren. Dazu wird es mit dem Logistikunternehmen Sinotrans zusammenarbeiten. Zudem arbeitet es an einem Joint Venture mit dem südkoreanischen Tech-Unternehmen GemVaxLink, sowie mit Neom Investment Fund, einem Investmentfonds aus Saudi-Arabien. Dabei fördert es nicht nur die Entwicklung des autonomen Fahrens in den Regionen, sondern expandiert auch dezidiert ins Ausland. WeRide verzichtet bei seiner Flotte fahrerloser Kleinbusse sogar schon auf das Lenkrad. Die Modelle sind allerdings ausschließlich im Industriekomplex Guangzhou International Bio Island unterwegs, wo die Fahrzeuge unter urbanen Bedingungen getestet werden sollen. Die Firma war im Jahr 2017 das erste Unternehmen, das ein größeres Pilotprogramm gestartet hatte.    

  • Didi Chuxing ist das chinesische Pendant zu Uber. Unter Didi Autonomous Driving arbeitet das Unternehmen an einer Lösung für selbstfahrende Fahrzeuge. Ihre Forschungsarbeit zu dem Thema hat die Firma in das Tochterunternehmen Didi Labs ausgegliedert. Gemeinsam mit dem Tech-Unternehmen Valeo arbeitet Didi in einem Joint Venture an einer Lösung für Robotaxis. Außerdem soll die Guangzhou Automobile Group Co (GAC) maßgeblich in Didi Autonomous Driving investieren. Ziel sei es, ein nachhaltiges Shared-Mobility-Netzwerk zu schaffen.  

  • Der E-Auto-Pionier BYD entwickelt nicht nur Autos, sondern auch entsprechende Technologien wie Batterie- und Fahrerassistenzsysteme. 2024 soll die eigene City-Pilot-Fahrerassistenzfunktion im Denza N7 veröffentlicht werden. Aktuell baut BYD ein Joint Venture mit dem Tech-Startup Momenta unter dem Gemeinschaftsunternehmen DiPi Intelligent Mobility auf.   

Tesla: Sorgen und Chancen in China  

Tesla, der weltweit führende Hersteller von rein batteriebetriebenen Elektroautos, sieht in China einen seiner wichtigsten Märkte, besonders für autonome Fahrtechnologien. Elon Musk hat mehrfach das enorme Potential betont, das autonome Fahrzeuge in der Volksrepublik haben.

Trotz der starken Marktpräsenz kämpft Tesla in China mit erheblichen Herausforderungen, darunter umfangreiche Rückrufaktionen. Probleme mit dem Autopiloten, die zu unkontrollierter Beschleunigung während der Fahrt führten, haben zu zahlreichen Rückrufen geführt. Kundenbeschwerden reichen von unerfüllten Sicherheitsversprechen bis hin zu generellen Qualitätsmängeln, was das Vertrauen erschüttert hat.

Die politische Landschaft in China ist ebenfalls herausfordernd für ausländische Hersteller wie Tesla. Die Kommunistische Partei Chinas bevorzugt chinesische Unternehmen und sieht amerikanische Produzenten oft als Störfaktoren im nationalen Markt. Zudem überwacht das chinesische Militär Teslas Aktivitäten genau, was die Spannungen weiter erhöht und die Position von Tesla im Bereich des autonomen Fahrens in China verkompliziert. /af

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025