News
Erscheinungsdatum: 20. Dezember 2024

Claus Sauter: Klimaschutz und Industrie –Deutschland braucht einen verlässlichen Plan

Deutschland steht vor der doppelten Herausforderung, ambitionierten Klimaschutz und industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Aber der Klimaschutz bleibt hinter den Erwartungen zurück – mit gefährlichen Konsequenzen für Unternehmen, Arbeitnehmer und Wettbewerbsfähigkeit.

Klimaschutz ist eine bewusste politische und gesellschaftliche Entscheidung, die Vorgaben und Spielregeln braucht. Diese müssen zu Ende gedacht, schlüssig und konsequent umgesetzt werden.

Für ein epochales Projekt wie die Energietransformation braucht es einen verlässlichen Plan, der in Zusammenarbeit mit der Industrie erarbeitet werden muss. Bei allem Respekt haben die vergangenen 20 Jahre gezeigt, dass es in den zuständigen Ministerien an spezifischem Fachwissen fehlt.

Diejenigen, die die Gesetze lesen, sind meist cleverer als diejenigen, die sie schreiben. Trittbrettfahrer und Betrüger nutzen Schlupflöcher gnadenlos aus. Und, was noch schlimmer ist: Die Politik lernt nicht – oder will sie vielleicht gar nicht lernen? Das Ergebnis: Ehrliche Marktteilnehmer werden benachteiligt und Betrug erfährt keine Konsequenzen.

Stillgelegte Hühnerställe in China werden als Umweltschutzprojekte (Upstream Emission Reduction – UER) vom Umweltbundesamt genehmigt und kreieren CO₂-Zertifikate im Wert von mindestens 80 Millionen Euro. Betrug findet auch bei Biodieselimporten aus China statt. Palmöl-Biodiesel wird aufgrund der massiven Regenwaldrodung in Südostasien seit 2022 in Deutschland nicht mehr als Biokraftstoff akzeptiert. Also wird Palmöl-Biodiesel nach China importiert, dort werden Dokumente gefälscht, die das Produkt zu reststoffbasiertem Biodiesel aus gebrauchtem Palmöl aus Fettabscheidern deklarieren. Und der wird dann als „besonders fortschrittlicher Biodiesel“ nach Deutschland exportiert.

Regeln für nachhaltige Biokraftstoffe sind zwar hierzulande definiert, aber wirksame Kontrollen fanden nicht statt. Dem Betrug war Tür und Tor geöffnet. Trotz frühzeitigen Hinweisen auf den Betrug aus der Industrie hat die Politik kaum reagiert – bis heute gibt es keine Kontrollen in China. Die Folge: Milliardenverluste in der Erneuerbare-Energien-Branche und entgangener Klimaschutz.Diese Beispiele sind symptomatisch. Oft mischt sich die Politik massiv ein, aber es fehlt an einer klugen und verlässlichen Regulierung und entsprechender Förderung. Was ist mit Wärmepumpen, nachhaltigen Flugkraftstoffen oder grünem Wasserstoff? Bisher ist da nicht viel passiert beziehungsweise wer investiert hat, der ist der Dumme. Groß angekündigte Projekte sind praktisch abgesagt, weil es dafür unter den aktuellen Bedingungen keinen wirtschaftlichen Business-Case gibt.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenn solche Praktiken nicht konsequent unterbunden und geahndet werden, laden sie dazu ein, den Klimabetrug zukünftig auf weitere Branchen auszudehnen. Dann droht dem grünen Stahl das gleiche Schicksal wie dem Biokraftstoff, wenn Betrüger „dreckigen“ Stahl als klimafreundlich umetikettieren und zu wesentlich günstigeren Preisen nach Deutschland importieren.

Die USA zeigen mit dem Inflation Reduction Act, wie Politik Innovationskraft freisetzt. Das milliardenschwere Förderprogramm bietet konkrete Anreize für Investitionen in erneuerbare Energien – pragmatisch und praxisnah. Deutschland braucht eine ähnliche Strategie: weniger Ideologie, mehr Pragmatismus. Seit jeher war unser Erfolgsmodell: genau hinschauen, hinterfragen, lernen, besser machen.

Ein möglicher Ansatz: ein nationales Bündnis zwischen Politik und Industrie. Die Industrie bringt das Know-how, die Politik schafft den Rahmen: zweckmäßig, verlässlich, konsequent. Gemeinsam könnten wir Lösungen für grüne Kraftstoffe, grünen Wasserstoff, grünen Strom und grüne Chemie in Deutschland erfolgreich auf den Weg bringen und in der deutschen Wirtschaft fest verankern.

Wir könnten Klimaschutz vorantreiben und Arbeitsplätze sichern. Aber die Politik muss raus aus ihrer Wohlfühlhaltung, sie muss einen klaren, realistischen Plan entwickeln, um die Deindustrialisierung in Deutschland zu verhindern, sonst wird das mit der Energiewende nichts.

Claus Sauter ist Gründer, CEO und Vorstandsvorsitzender des Biokraftstoffunternehmens Verbio SE.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!