Executive Summary
Erscheinungsdatum: 23. Mai 2025

Netzausbau versus Strompreiszonen — Was Unternehmen eigentlich brauchen

Eine Aufteilung des deutschen Stromnetzes in mehrere Preiszonen stößt in der Energiebranche auf Ablehnung. Das belegt eine aktuelle Umfrage des CEO.Table unter führenden Unternehmen der Energiewirtschaft. Den Vorschlag hatte die europäische Netzagentur ENTSO-E, gemacht, um so jährlich bis zu 339 Millionen Euro einzusparen, vor allem durch geringere Redispatch-Kosten.

Doch die Reaktion der Wirtschaft ist eindeutig: „Ein Split wäre eine massive Veränderung der Rahmenbedingungen“, sagte EnBW-CEO Georg Stamatelopoulos dem CEO.Table. Die Folge wären höhere Strompreise im Süden und ein Vertrauensverlust bei Investitionen in Erneuerbare Energien im Norden. Noch deutlicher äußert sich Rheinenergie-Chef Andreas Feicht: Alleine die Umsetzungskosten eines „Zonensplits“ beziffert er auf 2,4 Milliarden Euro – fast das Siebenfache des errechneten Nutzens. Zudem drohten Liquiditätsverluste am Terminmarkt, Unsicherheiten bei Offshore-Auktionen und ein steigender Förderbedarf für Erneuerbare.

Auch RWE und Eon sprechen sich in einem gemeinsamen Positionspapier gegen eine Aufspaltung der Preiszone aus. Eine Marktspaltung würde aus ihrer Sicht Absicherungsgeschäfte der Industrie erschweren, die Marktliquidität schwächen und die Preisvolatilität erhöhen. Stattdessen fordern sie einen beschleunigten Netzausbau, insbesondere von Nord nach Süd, sowie eine netzdienliche Standortwahl für neue Kraftwerke, Speicher und Erzeuger.

Ein zentraler Hebel ist laut Energiewirtschaft die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. „Das ist die Grundvoraussetzung für die Transformation unserer Industrie. Nur wenn wir Netzinfrastruktur europäisch denken, können wir Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaziele in Einklang bringen“, sagt Miguel Ángel López Borrego, CEO der Thyssenkrupp AG. Und Tim Holt, Vorstandsmitglied von Siemens Energy, ergänzt: „Hersteller von Energietechnologien brauchen Planungssicherheit“. Statt sehr spezifischer Anforderungen seien funktionale Ausschreibungen entscheidend, um Technologien für das Stromnetz schneller und kostengünstiger zu entwickeln.

Ein Großteil der geplanten Stromleitungen sind noch nicht fertig gestellt. Die Leitung A-Nord, die Windstrom aus dem Norden ins Rhein-Ruhr-Gebiet bringen soll, benötigte trotz gesetzlicher Beschleunigungsinstrumente 7 Jahre bis zur Genehmigung. Ähnlich schwierig verläuft der Prozess beim Projekt SuedLink: Obwohl die Leitung seit 2013 im Bundesbedarfsplan steht, begann der Bau erster Abschnitte erst 2023, die Fertigstellung ist für 2028 geplant. Aktuell sind lediglich 325 von insgesamt rund 696 Kilometern genehmigt. Insgesamt sind 16.800 Kilometer Leitungen gesetzlich vorgesehen – davon verantwortet die Bundesnetzagentur etwa 9.600 Kilometer (siehe Grafik). Bis 2030 sollen nach deren Plänen rund 4.500 Kilometer in Betrieb gehen.

Um den Ausbau schneller und kostengünstiger zu gestalten, sieht RheinEnergie-Chef Feicht als Alternative zum aufwendigen Erdkabelausbau den verstärkten Einsatz von Freileitungen. Nach Berechnungen der Bundesnetzagentur ließen sich so rund 33,5 Milliarden Euro beim Netzausbau einsparen. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, neue Hochspannungs-Gleichstromleitungen „wo möglich als Freileitungen“ zu realisieren – ein Kurswechsel gegenüber dem gesetzlichen Erdkabelvorrang, den die Große Koalition 2016 verankert hatte.

Der durchschnittliche Industriestrompreis stieg dadurch auf 18,75 Cent pro kWh. Das macht Deutschland zu einem der teuersten Stromstandorte Europas. Beschaffung, Netzentgelte und Vertrieb bilden dabei mit 16,75 Cent den größten Anteil – dreimal so hoch wie vor zehn Jahren.

Die Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag allerdings darauf verständigt, eine einheitliche Strompreiszone zu behalten.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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