CEO.Economics
Erscheinungsdatum: 25. April 2025

Safe Assets: Krise in den USA, Chance für Deutschland und Europa?

Der Dollar hat seit Anfang des Jahres gegenüber den wichtigen anderen Währungen deutlich an Wert eingebüßt. Relativ zum Euro beispielsweise über zehn Prozent. Das ist für sich genommen nicht ungewöhnlich: Frei handelbare Währungen fluktuieren. Zum Beispiel hat sich der US-Dollar-Kurs in den letzten fünf Jahren zwischen unter einem US-Dollar pro Euro bis hin zu über 1,20 US-Dollar pro Euro bewegt. Neu und besorgniserregend ist, dass sich der effektive Zins bei Treasuries, also den amerikanischen Staatsanleihen, gleichzeitig erhöht hat.

Investoren weltweit fragen weniger Treasuries nach und das in einer Zeit großer wirtschaftlicher und geostrategischer Unsicherheit. Es scheint, als würden globale Anleger Treasuries nicht mehr als einen sicheren Hafen in Krisenzeiten sehen. Das wäre eine fundamentale Veränderung im globalen Finanzsystem mit weitreichenden Folgen. So halten Ausländer rund 30 Prozent der amerikanischen Staatsanleihen. Wenn hier die Nachfrage aufgrund fehlenden Vertrauens einbricht, dann hätten die USA, aber wohl auch die gesamte Weltwirtschaft, ein Riesenproblem.

In der Vergangenheit waren amerikanische Staatsanleihen und die amerikanische Wirtschaft der sprichwörtlich sichere Hafen in Krisenzeiten. Der Treasury Markt ist extrem liquide, man kann als Investor also kurzfristig große Beträge kaufen und verkaufen. Die Institutionen wurden als stabil und Eigentumsrechte auch für Ausländer als sicher eingestuft. Der Welthandel wird zu einem großen Teil in US-Dollar abgewickelt und er dominiert den Handel in komplexeren Finanzinstrumenten wie Optionen oder Futures. Zudem hat die USA eine unabhängige, hochqualifiziert Zentralbank, die Inflation glaubwürdig unter Kontrolle halten konnte.

Von dieser Rolle als sicherer Hafen haben die USA in der Vergangenheit stark profitiert. So waren ihre Staatsanleihen trotz niedriger Zinsen auch in Krisenzeiten gefragt. Die hohe Konsumquote (und eine entsprechend geringere Sparquote) konnte durch Kapitalimporte aus aller Welt ausgeglichen werden, was ihnen erst ermöglichte, über lange Zeiträume hinweg über die Verhältnissen zu leben. Zudem konnte sich der amerikanische Staat zu günstigen Konditionen deutlich höher verschulden, als das sonst möglich gewesen wäre.

Diese Funktion des amerikanischen Finanzsystems als sicherer Hafen wird jetzt zum ersten Mal seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ernsthaft in Frage gestellt. Amerika wird als unsicher gesehen. Die Unabhängigkeit der Fed wird durch die eigene Regierung in Frage gestellt. Die absurde Zollpolitik wird als Zeichen gesehen, dass die gegenwärtige US-amerikanische Administration nicht in der Lage sein könnte, kompetent zu regieren. Auch stellt sie die Rechtssicherheit, gerade für Ausländer, in Frage. Zudem zeigen Prognosen, dass sich die fiskalische Situation der USA in den nächsten Jahren durch die inkohärente Wirtschafts- und Steuerpolitik der Trump-Regierung dramatisch verschlechtern könnte.

Wäre es möglich, dass Deutschland oder die EU als sicherer Hafen einspringen und der Euro den Dollar in dieser Hinsicht ersetzten kann? Hinter dem Euro steht eine Wirtschaft von ähnlicher Größe wie die der USA, aber keine starke Zentralregierung. Außerdem ist der Staatsanleihenmarkt in Euro fragmentiert und dadurch nicht liquide genug. Deutschland allein emittiert nicht ausreichend Staatsanleihen (auch nicht nach dem Aufweichen der Schuldenbremse); andere Länder in der Eurozone sind noch kleiner oder, wie Italien, nicht stabil genug.

Am Ende haben die USA viele Jahre lang nicht nur militärisch, sondern auch im Finanzsystem für relative weltweite Stabilität gesorgt. Wenn dieser Anker wegfällt, indem er sich selbst demontiert, wie es im Moment zu sein scheint, dann können wir uns auf eine Zeit mit noch viel größerer finanzieller Instabilität einrichten. Leider können Deutschland und die EU dieses Problem zumindest kurzfristig auch nicht lösen.

Professor Reint Gropp ist Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Der Ökonom forschte jahrelang bei der EZB und der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Zuvor war er für den IWF in Osteuropa, Afrika und Asien tätig.

Briefings wie CEO.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!