Analyse
Erscheinungsdatum: 20. September 2025

Frankreich ist schuldensüchtig und Deutschland auffällig ruhig

Die Rating-Agentur Fitch hat die Staatsanleihen Frankreichs von AA- auf A+ herabgesetzt, während Deutschland als Stabilitätsanker des Euros noch das begehrte AAA hat. Als Gründe nannte Fitch die hohe Staatsverschuldung (113 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), die politische Instabilität und das geringe Wachstumspotenzial Frankreichs. Deutschland liegt im Vergleich bei 64 Prozent.

Die Zinsen auf zehnjährige französische Staatsanleihen – die sogenannten OATs (Obligations Assimilables du Trésor) – sind auf 3,5 Prozent gestiegen, womit Frankreich gleichauf mit dem hoch verschuldeten Italien liegt. Was bedeutet das für Deutschland und den gemeinsamen Euro? 

Die Vorgeschichte ist lang. Seit Eintritt in die Europäische Währungsunion im Jahr 1999 hat Frankreich das Maastricht-Limit von drei Prozent beim Haushaltsdefizit in 19 von 26 Jahren gerissen. Die Staatsverschuldung als Anteil vom Bruttoinlandsprodukt hat sich seit 2002 – getrieben von hohen Sozial- und Verteidigungsausgaben – immer weiter von dem 60-Prozent-Maastricht-Limit entfernt. Die Frage, warum die EU-Kommission bei den Verstößen gegen die EU-Fiskalregeln tatenlos geblieben ist, beantwortete 2016 Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit „weil es Frankreich ist“.

Die gesellschaftlichen Hürden für die Konsolidierung sind hoch. Die ungezügelte Ausgabenpolitik der französischen Regierungen und die zunehmend expansive Geldpolitik der EZB sind mit einer wachsenden politischen Polarisierung einhergegangen. Die extreme Linke und extreme Rechte im Assemblée Nationale lehnen größere Einschnitte bei den Sozialausgaben ab und haben Premierminister François Bayrou zusammen mit seinem 44-Milliarden-Sparpaket zu Fall gebracht.

Präsident Emmanuel Macrons Nachfolger Sébastian Lecornu hat wenig Aussicht, für den Haushalt 2026 andere Finanzierungsquellen zu finden. Die unkontrollierten Staatsfinanzen drohen wie eine lose Kanone auf einem wankenden Schiff großen Schaden im Euroraum anzurichten. Denn weiter steigende Schulden und Zinslasten würden die französischen Banken destabilisieren, die Staatsanleihen im Umfang von 500 Milliarden Euro halten und auch eng mit deutschen Banken verflochten sind.

Dann kann nur noch das von der Französin Christine Lagarde geführte Eurosystem helfen, das bereits französische Staatsanleihen im Umfang von rund 700 Milliarden Euro hat. Das neue „Transmissionsschutzinstrument“ der EZB erlaubt ihr gezielte Staatsanleihenkäufe von Ländern mit großen Zinsdifferenzen. Zwar sind die Bedingungen für dessen Aktivierung streng. Doch EZB-Präsident Mario Draghi hat bereits 2012 mit „whatever it takes“ klargemacht, dass es die EZB nicht zu einem Auseinanderbrechen des Euros kommen lassen wird.

Trotz der Risiken für die Stabilität des Euros hat sich die Regierung in Berlin auffällig ruhig verhalten. Da sie mit ausufernden Ausgabenverpflichtungen und der Wiederherstellung der Verteidigungsbereitschaft beschäftigt ist, kann sie jetzt nicht auch noch eine neue Eurokrise gebrauchen. Beide Länder könnten sich stattdessen darauf einigen, dass die EU nach dem Modell des „Wiederaufbaufonds“ NextGenerationEU Frankreich finanzielle Hilfen gewährt, die die EU mit neuen Eurobonds finanzieren kann. Im Gegenzug müsste sich Frankreich zum atomaren Schutz für Deutschland verpflichten.

Da die EZB die EU-Anleihen schon auf ihrer Liste ankauffähiger Wertpapiere hat, wäre für die Vergemeinschaftung von Frankreichs Staatsverschuldung durch Inflation der Weg bereitet. Für den Euro dürfte es nur dann gefährlich werden, wenn Deutschland wie Frankreich schuldensüchtig wird.

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Letzte Aktualisierung: 20. September 2025

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