„So wie in Dresden 2008“

Nina Stahr koordiniert im Bundestag die Bildungspolitik der Grünen.

Mehr als zwanzig Jahre nach PISA erleben wir wieder einen Schock: Die Ergebnisse bei Vergleichsarbeiten und Bildungstrends gehen immer weiter nach unten; die Zahl der Schulabbrecher*innen stagniert auf zu hohem Niveau.

Wir müssen daher kritisch hinterfragen, ob die Föderalismusreform von 2006, die als Antwort auf den PISA-Schock den kooperativen Föderalismus durch einen Wettbewerbsföderalismus ersetzt hat, der richtige Weg war. Bereits 2014 wurde die Reform mit Blick auf Hochschulen modifiziert. Ende des letzten Jahrzehnts folgten Anpassungen, um finanzielle Unterstützung der Länder durch den Bund auch im Bildungsbereich zu ermöglichen. 

Grüne hätten sich mehr Ambition gewünscht

Als Ampel-Koalition haben wir uns klar positioniert: Wir brauchen wieder eine engere Kooperation aller Ebenen; ein Kooperationsgebot statt -verbot. Und wir haben uns auf einen Bildungsgipfel verständigt, der nun stattfindet. Es ist kein Geheimnis, dass wir als bündnisgrüne Fraktion uns gewünscht hätten, dass dieser Gipfel größer ausfällt beziehungsweise hochkarätiger besetzt ist – so wie etwa der Dresdner Bildungsgipfel 2008, als die damalige Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder das Ziel ausgerufen hat, die staatlichen Ausgaben für Bildung auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.

Unabhängig von der Besetzung des Gipfels stellt sich die Frage: Was muss und kann der Gipfel leisten, was muss folgen? Wenn der Bildungsgipfel die Zusammenarbeit neu regeln soll, geht dies nicht losgelöst von inhaltlichen Themen. Antworten braucht es in drei großen Bereichen:

  1. die Bekämpfung des Lehrkräftemangels
  2. die Verbesserung der Leistungen und Grundkompetenzen von Schüler*innen
  3. ein Plan zur Senkung der Quote von Schulabbrecher*innen

Sind das zu viele Themen für einen Tag? Möglich. Der Gipfel kann nur ein Auftakt sein. Dennoch sind alle drei Problemlagen eng miteinander verwoben.

Der Schlüssel ist die Bekämpfung des Fachkräftemangels

Folge des Lehrkräftemangels ist, dass Schüler*innen nicht optimal gefördert werden. Das wiederum führt zu schlechten Ergebnissen in den Vergleichsarbeiten. Diese wiederum belegen, dass vielen Schüler*innen zum Ende der Grundschulzeit grundlegende Kompetenzen fehlen, ohne die sie in den weiterführenden Schulen zwangsläufig Probleme bekommen – und teilweise die Schule ohne Abschluss verlassen.

Der Schlüssel ist die Bekämpfung des Fachkräftemangels. Der Lehrerberuf wird weniger attraktiv, weil die Menschen in diesem Beruf zu häufig ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden. Es bleibt keine Zeit, Schüler*innen individuell zu fördern, zu viel Zeit beansprucht Verwaltung, IT und Korrekturen. Die Länder müssen multiprofessionelle Teams einsetzen, schriftliche Tests reduzieren und die Lehrpläne entschlacken. So entsteht der Freiraum, um Schüler*innen in den relevanten Grundkompetenzen besser zu fördern, und damit die Abbrecher*innenquote zu senken.

„Die AG muss schnell und regelmäßig tagen“

Bund, Länder und Kommunen müssen beim Bildungsgipfel Einigkeit über diese Ziele herstellen, entscheidend ist jedoch die Umsetzung. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die die weitere Zusammenarbeit strukturiert und das Erreichen der gemeinsamen Ziele sichert. Auch die Wissenschaft, Verbände und Zivilgesellschaft sollten mit am Tisch sitzen. 

Die AG muss die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur föderalen Zusammenarbeit diskutieren, ohne dabei nur über die Finanzierung zu sprechen. Es braucht eine offene Diskussion: Inwiefern müssen wir die Regelungen des Artikel 91b Grundgesetz ausweiten, sodass Bund und Länder nicht nur bei der Förderung von Wissenschaft und Hochschule oder mit Blick auf die Messung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens zusammenwirken können, sondern Bildung generell Gemeinschaftsaufgabe wird.

Solche Diskussionen brauchen Zeit, weshalb die AG schnell auf den Weg gebracht werden, regelmäßig tagen und alle Ebenen auf Augenhöhe mitnehmen muss. Dem BMBF kommt dabei die herausfordernde Aufgabe zu, zielstrebig Inhalte zu setzen und Prozesse zu lenken und gleichzeitig niemanden auf dem Weg zu verlieren, damit bei möglicherweise im Raum stehenden Gesetzesänderungen die Länder an unserer Seite sind. Das Angebot für eine Grundgesetzänderung, sollte sie erforderlich sein, steht.

Nina Stahr ist Sprecherin für Bildung und Forschung der Grünen-Bundestagsfraktion und ausgebildete Lehrerin.

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