Table.Briefing: Bildung

Recht auf Bildung in Willkommensklassen + BAföG-Reform + Mundo als Mitmachportal

  • EU-Recht auf Bildung sieht Willkommensklassen nicht als Dauerlösung
  • BAföG-Reform: (Noch) keine bildungspolitische Zeitenwende
  • Ukrainische Uni-Zulassungstests in deutschen Hörsälen
  • Bildungsmediathek Mundo lässt Lehrkräfte Materialien bundesweit austauschen
  • Neues Lehrermangel-Referat im bayerischen Kultusministerium
  • Lehrerfortbildung in Baden-Württemberg: Fortan nicht mehr hinter verschlossenen Türen
  • Porträt: Patrick Nadler, der mit TutorSpace einen Marktplatz für Nachhilfe errichtet hat
  • Presseschau
  • Termine
Liebe Leserin, lieber Leser,

Schulen sind nach der Pandemie ausgezehrt – und müssen schon die nächste Ausnahmesituation meistern. Viele der ukrainischen Jugendlichen lernen derzeit Deutsch in Willkommensklassen. Drei Monate lang können Schulträger und Bildungspolitiker durchatmen. Dann haben die Angekommenen ein Recht auf echte Bildung. In der Praxis bedeutet das oftmals: Regelunterricht mit Gleichaltrigen. Moritz Baumann analysiert die Kollision zwischen bildungspolitischen Notmaßnahmen und dem Recht auf Bildung, wie es auch die Grundrechtscharta der EU ausformuliert.

Ein Recht auf BAföG haben immer weniger Studierende. Das alte, scharfe Schwert der Chancengerechtigkeit ist mit den Jahren immer stumpfer geworden. Nur noch wenige Studierende erfüllen überhaupt die Förderkriterien. Das von der FDP geführte Bundesbildungsministerium sieht die BAföG-Reform als eine der großen Aufgaben der Legislatur. Der erste Gesetzentwurf wurde nun im Ausschuss und Plenum diskutiert. Sofie Czilwik hat ihn sich genauer angesehen, mit dem Fazit: Eine bildungspolitische Zeitenwende leitet die Reform nicht ein.

Im heutigen Briefing lesen Sie außerdem exklusiv, dass deutsche Hochschulen die ukrainischen Uni-Zulassungstests für geflüchtete Abiturienten durchführen werden (Bildung.Table berichtete). Eine weitere gute Nachricht: Auf Mundo, der gemeinsamen Bildungsmediathek der Länder, können Lehrkräfte ab sofort eigene Materialien hochladen und länderübergreifend teilen. Digital first, Föderalismus second – schade bloß, dass der Bund ein gleichartiges Portal bereits erfolgreich anbietet.

Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen

Ihr
Niklas Prenzel
Bild von Niklas  Prenzel

Analyse

EU-Vorgabe: Ukrainische Willkommensklassen sind keine Dauerlösung

Für die vielen überlasteten Schulleiter war es eine Hiobsbotschaft: Vor gut einem Monat verkündete KMK-Präsidentin Karin Prien, sie rechne mit mindestens 400.000 ukrainischen Kindern und Jugendlichen, die nach Deutschland fliehen werden. Was es dafür an den Schulen braucht? Räume, Material, vor allem aber: Lehrer:innen, die bereit sind, noch mehr Aufgaben zu schultern.

Die Lösung, zumindest für den Moment, sind Willkommensklassen. Das ist der Weg, den viele Bundesländer eingeschlagen haben. Für Bayern präsentierte Kultusminister Michael Piazolo vor zwei Wochen konkrete Zahlen: 22.000 ukrainische Schüler seien in den Schulen angekommen. Darauf habe die Staatsregierung mit 1.000 Willkommensgruppen und 2.700 Lehr- und Willkommenskräften reagiert (zur Pressekonferenz).

Auftrag an die Bildungsminister: Ein Recht auf Bildung

Was jedoch in den Gruppen vor Ort genau passiert, ist hochgradig undurchsichtig. “Die Realität ist von Schule zu Schule unterschiedlich. Nicht überall finden Schulleiter ukrainische Willkommenskräfte, nicht überall stehen Förderlehrer zur Verfügung”, sagt Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, im Gespräch mit Bildung.Table. “Die Kollegen machen das so, wie es vor Ort eben geht.” In den anderen Bundesländern dürfte es ähnlich laufen.

Die Ukraine-Krise überfordert das Schulsystem, das seit Jahren personell ausgedünnt und durch die Pandemie ausgelaugt ist. Das bringt die Bildungsminister der Länder nun in eine rechtliche Bredouille. Nach EU-Recht haben sie maximal drei Monate Zeit, sich durchzuwursteln. Danach haben alle geflüchteten Kinder ein Recht auf Bildung – echte Bildung (vgl. Art. 14 EU-Aufnahmerichtlinie). Sie dürfen nicht schlechter gestellt werden als ihre deutschen Mitschüler:innen. Sonst verstößt Deutschland gegen Völkerrecht, EU-Recht und die Europäische Menschenrechtskonvention.

Der rechtliche Auftrag an die Bildungsminister ist klar: An richtigem Unterricht führt kein Weg vorbei. Selbst Willkommensklassen dürfen nur ein Übergang sein. Schon nach drei Monaten gelten strenge Vorgaben: “Die Gruppen müssen klar darauf ausgerichtet sein, den Spracherwerb zu ermöglichen”, erklärt Michael Wrase, der als Jurist am Wissenschaftszentrum Berlin zum Schulrecht – national wie international – forscht. “Ein Betreuungsangebot, das nicht mit dem klassischen Unterricht vergleichbar ist, wäre wohl nicht zulässig.”

Willkommensklassen sind keine Dauerlösung

In einem Gutachten von 2019 schreibt er: “Vorbereitungskurse und sonstige Bildungsangebote, die auf den Schulbesuch nur vorbereiten sollen und ansonsten von Umfang und Qualität dahinter zurückbleiben, sind nur innerhalb der drei Monate (nach Antrag auf internationalen Schutz) zulässig.”

Willkommensgruppen stünden unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. In dem Gutachten heißt es, dass sie “schnellstmöglich durch die Pflicht zum Besuch des Regelunterrichts, ergänzt um begleitende Förderstunden, ersetzt werden” müssen. Für ukrainische Schüler:innen, die im März in Deutschland angekommen sind, greifen diese Regeln somit ab Juni – auch wenn die Kultusminister gerne aufs nächste Schuljahr verweisen.

Lesen Sie HIER das Rechtsgutachten zum Recht auf Bildung.

Soweit die Theorie. Das sind die Garantien, zu denen sich Deutschland völkerrechtlich und im Kreis der EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet hat. Doch schon Ende März warnte die Soziologin Juliane Karakayali im Bildung.Table-Briefing vor “Parallelsystemen“. Nach der Flüchtlingskrise 2015 hat sie das Konzept der Vorbereitungsklassen erforscht. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Es fehle ein einheitliches Curriculum und Fachunterricht finde kaum statt. Dazu kommt: “Es gab schlichtweg keine Plätze in den regulären Klassen.”

Flucht aus der Ukraine: Können das die Schulen stemmen?

Das ist so nicht rechtens, betont Verfassungsrechtler Wrase. Ein Zwei-Klassen-System in der Bildung sollen die völkerrechtlichen Garantien gerade verhindern. Vorbereitungsklassen, die in der Krise aus dem Boden gestampft und dann zu einem Sammelbecken für Schüler:innen mit Migrationsgeschichte werden, dürfte es eigentlich nicht geben. Egal ob es um Menschen aus der Ukraine, Syrien oder Libyen geht. Doch Wrase weiß: In der Praxis werde das Recht auf Bildung oft lockerer gehandhabt. “Das dürfte eigentlich nicht sein“, betont er.

Nur können die Schulen das überhaupt leisten? BLLV-Präsidentin Fleischmann ist für ihre Realitätschecks bekannt: “Wenn die Schulpflicht nach drei Monaten greift und noch mehr ukrainische Schülerinnen und Schüler in den Klassen untergebracht werden müssen, wird das nicht jede Schule stemmen können“, betont sie. Sie warnt, wie so oft, vor falschen Erwartungen. Doch die ukrainischen Kinder, das zeigt der Blick in Gesetze, Abkommen und Richtlinien, haben ein Recht auf Bildung – Lehrermangel hin oder her.

BAföG bleibt bürokratisch und wenig flexibel

Auf dem Foto sieht man wie die Bundesbildungsministerin die BAföG-Reform im Plenum vorstellt
Die Bundesbildungsministerin stellt die BAföG-Reform im Plenum vor.

Berauschender Applaus war das nicht, als die Bundesregierung im Bundestag ihren Entwurf für die Änderung des BAföG-Gesetztes in erster Lesung debattieren ließ. Die Reform ist gut, aber nicht gut genug. So ließ sich die Debatte zusammenfassen; ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben nur ein Schritt und für manche sogar nur ein Schrittchen

Dabei klingen die Anpassungen vielversprechend: Die Elternfreibeträge werden um 20 Prozent erhöht, die Bedarfssätze um fünf Prozent, und der Wohnzuschlag steigt von 325 auf 360 Euro. Der Vermögensfreibetrag für Geförderte steigt auf 45.000 Euro und die Darlehensrestschuld kann nun bereits nach 20 Jahren erlassen werden, gleichzeitig wird die Altersgrenze auf 45 Jahre angehoben. Und: Die Antragstellung wird digitaler

Wir schaffen die krasseste Erhöhung in der Geschichte des BAföG“, sagte die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Ria Schröder. “Wir werden jungen Menschen wieder Grund zum Jubeln geben!” Viele Erstwähler*innen gaben bei der letzten Bundestagswahl ihre Stimme der FDP, weil diese auch damit Wahlkampf gemacht hatte, sich in der nächsten Legislaturperiode für bessere Bildung in Deutschland einzusetzen. 

Studierendenvertreter: “Reform ist unzureichend”

Kritik an der Reform kommt von der Opposition, genauso wie von Verbänden und Studierendenvertretungen. “Diese Reform ist unzureichend“, sagt Lone Grotheer vom freien Zusammenschluss für Student*innenschaften. “Die geplanten Erhöhungen sind zu niedrig!” Die fünf Prozent höheren Beiträge ab Herbst würden von der Inflation aufgefressen. Essen, Strom, Wohnen – alles wird teurer. Die höheren Lebenshaltungskosten spüren besonders die, die sowieso schon wenig zum Leben haben. In der Regel ist das BAföG nur ein Zuschuss, um einen Teil der laufenden Kosten abzudecken.  

Ein großer Teil der Studierenden lebt heute in Armut und im Schnitt von 800 Euro im Monat, viele aber auch darunter. Das ergibt eine jüngst erschienene Untersuchung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Ein Drittel der Studierenden gilt als arm. Besonders betroffen sind diejenigen, die für sich selbst wirtschaften, und diejenigen, die BAföG beziehen. BAföG schützt vor Armut nicht.

Zahl der Geförderten nimmt seit Jahren ab

Seit Jahren nimmt die Zahl der Geförderten, die über BAföG ihr Studium finanzieren, ab. Waren es in den 70er-Jahren noch 40 Prozent, sind es heute nur noch elf. Die Bundesregierung will das BAföG wieder mehr Studierenden zugänglich machen. Doch ob das klappt, wird von den Kritiker*innen bezweifelt. 

Denn das BAföG gilt als Bürokratiemonster, das nicht nur schwierig zu beantragen ist, sondern vor allem auch sehr lange in der Bearbeitung dauert. Studierende berichten immer wieder davon, dass sie über Monate auf die ersten Zahlungen warten müssen. Das schreckt vor allem die ab, die das BAföG eigentlich erreichen soll: Studierende aus Arbeiterfamilien, die keinen reichen Onkel darum bitten können, über Monate mehrere Hundert Euro vorzuschießen.

BAföG-Anträge sollen digital gestellt werden

Das Antragsverfahren nun zu digitalisieren, könnte ein erster Schritt sein, es transparenter und schneller zu gestalten. Doch groß wird der Unterschied nicht sein. Studierende werden weiterhin ihre Unterlagen über das Portal “BAföG-Digital” einreichen. Was sich ändern soll: Die Unterlagen müssen nach dem digitalen Einreichen nicht mehr zusätzlich ausgedruckt, unterschrieben und per Post an das Amt geschickt werden. 

Doch dort, wo die Anträge dann eintrudeln, nämlich bei den Studierendenwerken, bleibt die Antragstellung in der Regel weiterhin analog. Das heißt, wenn die Studierenden ihre Anträge im digitalen System abgeschickt haben, müssen die BAföG-Sachbearbeiter*innen sie weiterhin ausdrucken, lochen und abheften.  

Vorschläge aus der Opposition spielten in der Gesetzesänderung kaum eine Rolle. Thomas Jarzombek (CDU) hatte in der Ausschusssitzung etwa vorgeschlagen, die BAföG-Antragstellung mit den Finanzbehörden zu verknüpfen. So könnte die finanzielle Situation der Eltern und Studierenden durch die Behörden automatisch abgerufen werden – und müssten nicht mühsam von den Antragstellenden nach gewiesen werden.  

BAföG-Sätze müssen für Geförderte transparent werden

Auch eine zentrale Plattform, über die Studierende nachvollziehen können, ob sie überhaupt antragsberechtigt sind, wäre für viele sinnvoll. Denn wie viel die Eltern oder Ehepartner*innen verdienen dürfen und in welcher Höhe die einzelnen Studierenden am Ende bezuschusst werden, ist im Vorhinein sehr intransparent.  

Gerade für Kinder aus Arbeiterfamilien sei das eine große Hürde, um mithilfe des BAföG ein Studium anzufangen. Katja Urbatsch, Geschäftsführerin des Vereins Arbeiterkind, war als Sachverständige im Bildungs-Ausschuss geladen und machte die Abgeordneten darauf aufmerksam, dass es vor allem für ihre Zielgruppe besonders wichtig sei, vor Beginn des Studiums einen Finanzplan erstellen zu können. Und das gehe eben nur, wenn die Bedürftigen so früh wie möglich wüssten, mit wie viel Geld und wie lange sie im Studium auskommen müssen. 

Weitere Reform geplant

Die BAföG-Regelungen bleiben so starr wie zuvor. Wer länger braucht für ein Studium, sei es wegen eines Auslandspraktikums, weil ein Modul doch nochmal wiederholt werden muss oder weil das Curriculum schlicht in der vorgegebenen Zeit nicht zu schaffen ist, bekommt keinen Cent mehr über die Regelstudienzeit hinaus. Regelstudienzeit ist aber nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Nicht nur die Studierendenvertretungen oder die Studentenwerke, sondern auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordern deshalb, die Zahlungen flexibler auszuzahlen. 

Bettina Stark-Watzinger (FDP) will in der laufenden Legislaturperiode weitere Reformen vornehmen. Die Förderungsdauer soll flexibler und die Förderung elternunabhängiger werden. Dieser erste Aufschlag hat also noch keine großen Wellen geschlagen.

Viel mehr Aufmerksamkeit bekam das Notfall-BAföG, das das Kabinett vergangene Woche beschlossen hat. Per Verordnung kann die Regierung in Krisenzeiten, wie einer Pandemie, in Zukunft die Förderung auch an Studierende und Schüler*innen auszahlen, die bisher kein BAföG beziehen. Dieses Gesetz kann eine schnelle Verbesserung der finanziellen Situation von Studierenden darstellen, denn gerade in der Corona-Pandemie mussten viele wieder zu ihren Eltern ziehen, weil ihnen im Lockdown die Nebenjobs als Köchinnen oder Servicemitarbeiter weggebrochen waren. So sollen die Studierenden in Krisen abgesichert sein. 

News

Ukrainische Schüler sollen Abschlusstest in Uni-Hörsälen schreiben

Nach wochenlangen Gesprächen zeichnet sich ab, auf welchem Weg Deutschland die Ukraine bei der Durchführung des Nationalen Multifachtests unterstützt. Nach Informationen von Bildung.Table hat sich die Kultusministerkonferenz (KMK) mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) geeinigt, dass die ukrainischen Prüfungen bundesweit an etwa sechs Hochschulstandorten angeboten werden sollen. Aktuell werde abgefragt, welche Unis Kapazitäten haben, bestätigt ein HRK-Sprecher.
 
Den Multifachtest – eine Art Zulassungsprüfung – müssen ukrainische Schüler:innen nach der elften Klasse bestehen, um sich für einen Studienplatz bewerben zu können. Seit Anfang April berichten ukrainische Medien, dass der Test trotz Kriegszustand Ende Juli und Mitte August stattfinden soll. Ende April hatte Bildungsminister Serhiy Shkarlet die deutsche Regierung gebeten, bei der Logistik zu unterstützen. Doch die Vorbereitungen sind, wie berichtet, zunächst schleppend angelaufen.  

Während die Berliner Senatsverwaltung in internen Runden signalisierte, mit Räumlichkeiten und Aufsichtspersonal zu unterstützen, waren andere Bundesländer wesentlich skeptischer. Sie fürchteten einen zu großen Aufwand (lesen Sie HIER die Hintergründe).

Nun springen die Hochschulen in die Bresche, was einige Vorteile hat: Die Verwaltungen an Unis und Fachhochschulen organisieren regelmäßig Prüfungen mit mehreren hundert Teilnehmer:innen, viele Prozesse sind daher eingespielt. Darüber hinaus erfüllten die Hörsäle die “notwendigen prüfungsrechtlichen Anforderungen”, heißt es seitens der HRK. Jetzt muss noch geklärt werden, in welchen Städten die Abschlussprüfungen abgenommen werden und ob die Hochschulen das Aufsichtspersonal selbst stellen müssen. Einen genauen Zeitplan gibt es weiterhin nicht. “Da ist nichts spruchreif”, heißt es auf Anfrage. Moritz Baumann

Mundo offen für Lernmaterial von Lehrern

Man sieht einen Ausschnitt der Lernplattform Mundo: Sie ermöglicht es Lehrern Lernmaterial hochzuladen
Beim Bundesportal für Inhalte Mundo können Lehrer nun eigene Unterrichtsentwürfe hochladen.

Das bundesweite Portal für Lehrinhalte Mundo ist ab sofort auch für Lernmaterial von Lehrern offen. Bisher hatte das Portal frei zugängliche Bildungsmaterialien etwa von Stiftungen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder OER aufgenommen. Lehrkräfte können nun Materialien über die Website hochladen und länderübergreifend teilen. Eine fünfköpfige Redaktion des Medieninstituts der Länder (FWU) prüft die Inhalte nach einem internen Kriterienkatalog. Dabei stehen Lizenzen, Inhalt, Methodik und Didaktik im Fokus.

Durch die neue Funktion wird Mundo zum wichtigen Akteur für bundesweites Lernmaterial von Lehrern. Es schließt damit auf diesem Gebiet zum ganz ähnlichen Portal “Wir lernen Online” auf. Kritiker wenden immer wieder ein, die beiden Portale hätten eine zu große konzeptuelle Nähe zueinander. Obendrein finanziert das Bundesbildungsministerium beide Portale. Das BMBF widersprach dem in der Antwort auf eine IFG-Anfrage. Auf dem Portal “Wir lernen Online” könne nach dem bottom-up-Prinzip die gesamte Community Inhalte einbringen. Mit der neuen Funktion des Länderportals wird die Unterscheidung noch schwerer. Zwei bundesweite Angebote buhlen jetzt um die Aufmerksamkeit der Lehrkräfte. Am erfolgreichsten ist bislang das private Tauschportal Eduki, bei dem Lehrer:innen sogar Geld verdienen können.

Mundo: keine Konkurrenz zu “Wir lernen Online”

Bei Wir lernen Online” sieht man die Ankündigung gelassen. “Wir freuen uns sehr darüber, dass Mundo sich mit dem Upload der Community öffnet“, schreibt das Redaktionsteam. Man sei zusammen mit Mundo ein wichtiger “Content-Knoten” für hochwertige, kuratierte Bildungsmedien. Auch Frank Maier, Projektleiter im FWU, mag die beiden Portale nicht als Konkurrenten sehen. “Bei wichtigen Fragen wie Machine Learning tauschen wir uns regelmäßig aus.” “Wir lernen Online” sei eine Suchmaschine für Lerninhalte. Mundo versuche hingegen auf externe Links gänzlich zu verzichten. Das 20 Monate alte Portal des FWU stelle geprüfte Bildungsmaterialien auf eigenen Servern bereit. In den ersten Tagen hätten Lehrkräfte bereits 70 Inhalte eingereicht. Nur einen hätten die Redakteure der FWU abgelehnt – aufgrund inhaltlich-didaktischer Mängel. In einem nächsten Schritt werde ein eigener Editor angeschlossen. Dann können Lehrer:innen ihre eigenen Lernmaterialien erstellen und bei Mundo hochladen. npr

  • FWU

Neues Lehrermangel-Referat in München

Mit seinen betont gelassenen Auftritten hat Kultusminister Michael Piazolo seit Amtsantritt Lehrer, Eltern und Schulleiter narrisch gemacht. Die Art, wie er über den Lehrermangel in Bayern spricht, empfinden viele in der Schulfamilie als Affront – zu unklar, zu viel Schönfärberei. Nach zwei Corona-Krisenjahren ist die Botschaft offenbar angekommen.

Schon im August 2021 richtete Piazolo, ohne großes Getöse, ein neues Referat ein, das direkt an die ministeriale Leitungsebene angedockt ist – im Organigramm nur wenige Felder entfernt vom Ministerbüro, dem Planungsstab und dem Presseteam. “Unterrichtsversorgung und strukturelle Fragen des Einsatzes von sonstigem pädagogischen Personal”, lautet der sperrige Name. Einige Verbände sprechen spöttisch vom Lehrermangel-Referat, das nicht so heißen darf.

So spektakulär sei das alles nicht, heißt es dagegen aus dem Ministerium. Dem Referat obliege die “schulartübergreifende Koordinierung bestimmter Themen im Bereich der Unterrichtsversorgung” – also genau das Portfolio, das zuvor die übergreifende Stabsstelle “Unterrichtsversorgung” bearbeitet hatte.

Überblick über den Flickenteppich

Doch ganz ohne Grund wurde das Organigramm nicht geändert, wie Bildung.Table erfahren hat. Jede Woche melden sich im Ministerium Journalist:innen, Abgeordnete und Verbände. Um schnell reagieren zu können, gerade bei unbequemen Anfragen, habe es beim Thema ‘Lehrermangel’ einer engereren Vernetzung in der Leitungsebene bedurft, heißt es. Man könnte es auch so deuten: Piazolo will raus aus der kommunikativen Defensive.

Lesen Sie HIER ein Interview mit Piazolo zum Digitalpakt-Dilemma

Das Referat unter Leitung von Michael Rißmann ist weiter organisiert wie eine Stabsstelle: Das Team setzt sich aus Beamten aus allen Abteilungen zusammen, die gemeinsam Strategien entwickeln, damit das Schulsystem trotz Personalmangel nicht zusammenbricht. Auch das Rahmenkonzept zur Beschulung von ukrainischen Kindern und Jugendlichen stammt aus der Feder von Rißmann und seinen Kolleg:innen.

Ein großes Thema ist daneben der wachsende Flickenteppich an den Schulen: Um Personallücken zu stopfen, sind die Schulleiter angehalten, jeden anzustellen, der irgendwie ein Händchen für Pädagogik hat. So sind in den vergangenen Jahren viele neue Jobbeschreibungen entstanden: Dritt- und Honorarkräfte, Schulassistenten, Teamlehrer und Ein-Fach-Fachlehrer. Jetzt ist es an Rißmann hier den Überblick zu bewahren. Moritz Baumann

ZSL öffnet Tür zu Lehrerfortbildungen

Es ist ein kleiner Schritt für das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) in Baden-Württemberg – aber ein großer Sprung für staatliche Lehrerfortbildungen. Der Präsident des baden-württembergischen Qualitätsinstituts, Thomas Riecke-Baulecke, öffnet die Lehrerfortbildung seines weit verzweigten Institutes für die Öffentlichkeit. Dazu gehören ausdrücklich auch Bildungsjournalisten. “Es wird ab sofort Formate der Lehrerbildung wie Wildcampen oder andere Barcamps geben, in die wir Journalisten herzlich einladen”, schrieb Präsident Riecke-Baulecke Bildung.Table. 

Bisher waren staatliche Lehrerfortbildungen nicht nur kompliziert und wenig nachgefragt, sondern oft auch eine Blackbox. Doch das Aufkommen öffentlich gestreamter und in sozialen Medien breit diskutierter Fortbildungen erhöht den Druck auf die staatlichen Anbieter. Dazu gehören etwa die “Mobile Schule“, die Tabletdays oder der von Apple-Resellern angebotenen Fortbildungsreihe der “Gesellschaft für digitale Bildung“. “Besuchen Sie uns!”, sagte der zuständige Abteilungsleiter Klaus Teichmann. 

Dem Bekenntnis waren Irritationen beim offenen Format Wildcampen in der Akademie Bad Wildbad vorausgegangen. Aus dem ZSL Baden-Württemberg war Bildung.Table mitgeteilt worden, dass Lehrerfortbildungen wie das sogenannte Barcamp “Wildcampengrundsätzlich nicht für Journalisten zugänglich seien. Ein Barcamp ist ein zivilgesellschaftliches Format, das sich durch radikale Öffnung auszeichnet – und Teilnehmer demokratisch zu Teilgebern macht. Immer öfter veranstalten die Lehrerfortbildungs-Institute der Länder solche Barcamps. Auch nehmen Formate zu, bei denen die Öffentlichkeit via Twitter bis in geschlossene Seminare vordringt. cif

  • Fortbildung
  • Mobile Schule

Makerspace

Patrick Nadler – baut einen Marktplatz für Nachhilfe

Auf dem Foto sieht man Patrick Nadler, CEO von TutorSpace einer App für die Vermittlung von Nachhilfe
Patrick Nadler führt auf TutorSpace Nachhilfe-Lehrkräfte und Lernende zusammen.

Sechs Jahre lang gab Patrick Nadler selbst Nachhilfe und hatte keine Probleme damit, Schülerinnen und Schüler zu finden. Dabei beobachtete er, wie Eltern oft das erstbeste Angebot, das am Schwarzen Brett hing, kontaktierten. Das wunderte ihn: “Bei Hotels nimmt man ja auch nicht das erstbeste, sondern vergleicht unterschiedliche Angebote.” Ende 2018 fing er an, die TutorSpace App zu programmieren – eine Vermittlungsplattform, auf der Nachhilfe-Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler zusammenfinden können.

Damals studierte Patrick Nadler noch Wirtschaftsingenieurwesen und war zwanzig Jahre alt. Er war schon während der Schulzeit sehr umtriebig, kaufte auf Ebay und anderen Kleinanzeigenportalen Produkte günstig an, um sie dann mit Gewinn wieder zu verkaufen. So lernte er viele Online-Marktplätze kennen und kombinierte dieses Wissen mit seinen Erfahrungen in der Nachhilfe, die er während seiner Schulzeit sammelte. Die benötigte Expertise für sein Start-up brachte er sich selbst bei, egal ob Programmieren, Marketing oder Mitarbeiterführung. “Vieles ist einfach gesunder Menschenverstand”, meint Patrick Nadler. “Ich will immer dazulernen und lese mir gerne Sachen an. Das kam alles ganz natürlich zu mir.”

Sein Umfeld war zunächst skeptisch, was seine Gründungs-Ambitionen betraf: “Ich komme aus einer einfachen Familie aus einer Kleinstadt, mein Vater ist Kfz-Mechaniker, meine Mutter Fitnesstrainerin.” Bildung spielte bei ihnen eine wichtige Rolle, seine Eltern sparten das knappe Geld zusammen, um ihm einen längeren Aufenthalt in einem britischen Internat zu ermöglichen. Sie waren nicht gerade begeistert, als er 2020 seine feste Stelle bei einem führenden Automatisierungs-Unternehmen kündigte, um sich dem Aufbau der gerade gegründeten TutorSpace GmbH Vollzeit zu widmen.

Rasantes Wachstum

Für Nachhilfe-Lehrkräfte und Schüler:innen ist die Vermittlung über die TutorSpace Vergleichsplattform kostenlos. Zahlen müssen dagegen Nachhilfeschulen. Zudem verdient das Start-up Geld mit Webeanzeigen. Wer Nachhilfe sucht, kann das gewünschte Fach, Ort und Kursniveau eingeben und sich durch die Profile scrollen, die Foto, Preis pro Stunde und eine Selbstbeschreibung anzeigen. Patrick Nadler betont, dass alle Lehrkräfte bei TutorSpace verifiziert sind: “Im Vergleich zu anderen Anbietern gibt es bei uns keine inaktiven Accounts oder Fake-Accounts.”

TutorSpace wächst rasant: Neben der App gibt es mittlerweile auch eine Webpräsenz, mehr als 11.000 verifizierte Nachhilfelehrer sind registriert, die Mathe, Englisch, Deutsch, aber auch Informatik oder Jura unterrichten. Mehr als 16.000 Personen haben bisher über TutorSpace zusammengefunden. Zudem hat das Unternehmen letztes Jahr eine eigene Online-Schule mit virtuellem Klassenzimmer gegründet: TutorSpace Premium. Schon längst sind auch seine Eltern von der Idee überzeugt: “Die emotionale Unterstützung war sowieso immer gegeben”, sagt Patrick Nadler. “Aber besser greifbar wurde es für meine Eltern, als wir mit TutorSpace ein paar Mal im Fernsehen waren.”

Kostenloser Deutschunterricht für Geflüchtete

Gemeinsam mit dem Unternehmen “Dein Sprachcoach”, rief er Ende März die Initiative “Deutsch für Geflüchtete” ins Leben. Auf einer eigens eingerichteten Vermittlungsseite können ukrainische Geflüchtete seitdem ehrenamtliche Deutschlehrkräfte finden. Denn wer sich für einen regulären Deutschkurs bewirbt, muss manchmal monatelang warten. Mehr als 1000 ukrainische Familien konnten so bereits ihre ersten Deutschstunden durch ehrenamtliche Helfer bekommen. “Oft ergeben sich Freundschaften zwischen Deutschlehrern und Geflüchteten. Die Lehrkräfte begleiten dann zum Beispiel auch bei Behördengängen und werden zu einer Art Integrationshelfer”, berichtet Patrick Nadler. “Das war gar nicht beabsichtigt, ist aber ein sehr schöner Nebeneffekt.” Sarah Kröger

Presseschau

NRW: Mehrere Schulen und Kitas bleiben nach Tornadoschäden geschlossen WELT
Selenskyj: “Russland hat bereits mehr als 1800 Bildungseinrichtungen zerstört” WELT
Studieren ohne Abi: Faktencheck zum Beschluss der KMK für ukrainische Geflüchtete CORRECTIV
Wie können bessere Bildungschancen für Kinder an Brennpunktschulen erreicht werden? SPIEGEL
China Science Investigation: Wie riskant ist die Forschungskooperation mit China? DEUTSCHLANDFUNK
Bob Blume: “Es sollte wehtun, sich dem Wandel zu verweigern” ZEITONLINE
Larissa Zierow im Interview über Schulreformen CAMPUSSCHULMANAGEMENT
Bildungsforscher Hans-Günter Rolff über digitalisiertes Lernen NEWS4TEACHERS
Diskussion: Peter-André Alt und Andrea Geier über den Kodex Wissenschaftsfreiheit BILDUNGSKLICK
Lehrerin Bernice Brehme über Integration und Willkommensklassen ZEITMAGAZIN
NRW: Schulklassen programmieren selbst KI BILDUNGSKLICK
24-stündige Mahnwache der Kampagne “Schule muss anders” vor dem Berliner Abgeordnetenhaus TAGESSPIEGEL
Kuchenverkauf an Berliner Schulen bald steuerpflichtig? CDU warnt vor neuer EU-Richtlinie TAGESSPIEGEL

Termine

30. Mai 2022, 10:30 Uhr
Pressekonferenz: Aktuelle Umfrage des BLLV: Herausforderungen und Mängel bei der Inklusion
Der BLLV präsentiert die Ergebnisse einer Umfrage unter 695 Lehrer:innen zum Thema Inklusion, mit Blick auf aktuelle Herausforderungen, wie die Auswirkungen des Lehrermangels oder der Covid-19-Pandemie. Zudem werden Einblicke in die Arbeit der AG Inklusion im BLLV gegeben. ANMELDUNG

30. bis 31. Mai 2022
Konferenz: #zukunftbilden – Politisch. Nachhaltig. Transformativ.
Die transdisziplinäre Konferenz der Stiftung Bildung richtet sich an Wissenschaftler:innen, junge Menschen, sowie Akteur:innen der Zivilgesellschaft und Bildungspraxis. Ziel ist, Fachdiskurse über Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht, stärker in den öffentlichen Kontext zu bringen. Ein besonderer Fokus liegt auf den Themen nachhaltige Entwicklung und politische Bildung. INFOS & ANMELDUNG

31. Mai bis 02. Juni 2022
Internationale Fachmesse und Kongress: LEARNTEC
Die LEARNTEC in Karlsruhe will als Veranstaltung für digitale Bildung vor allem eines ermöglichen: Networking. Es geht um Austausch mit Akteur:innen aus Schule, Hochschule und Beruf, sowie nationalen und internationalen Ausstellern, die die neuesten Technologien rund ums digitale Lernen präsentieren. INFOS & TICKETS

31. Mai 2022, 15:00 bis 18:00 Uhr
Digitales Lernforum: Kinder und Jugendliche in Schwierigkeiten 4 – Vermeidende Lösungsstrategien
Das digitale Lernforum der Robert-Bosch-Stiftung gibt Impulse und Workshops, die sich mit dem Umgang mit vermeidenden Lösungsstrategien beschäftigen. Ziel soll sein, Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen im sozialen und persönlichen Bereich besser verstehen und darauf reagieren zu können. INFOS & ANMELDUNG

31. Mai 2022, 16:00 bis 17:30 Uhr
Digitale Sprechstunde mit Expert:innen: Umgang mit Hate Speech und Desinformation
Die Robert-Bosch-Stiftung veranstaltet zusammen mit der Berghof Foundation eine digitale Sprechstunde zu den Themen Hate Speech, Verschwörungstheorien und Desinformation. Besonders im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine wird sich mit Sorgen und Ängsten von Schüler:innen und dem Umgang damit beschäftigt. INFOS & ANMELDUNG

01. Juni 2022, 16:30 Uhr
Auftaktveranstaltung zur bundesweiten Kampagne für eine zukunftsfähige Grundschule
Anlässlich des Internationalen Kindertages stellt der Grundschulverband e.V. die Frage, wie das Recht auf grundlegende Bildung aktuell gesichert werden kann und was Kinder in der Grundschule heute brauchen. Geladene Expert:innen sind unter anderem Hans Brügelmann, Erziehungswissenschaftler und freier Wissenschaftsjournalist, und Eva-Maria Osterhues-Bruns, stellvertretende Schulleiterin und Fachreferentin des Grundschulverbands für pädagogische Praxis. INFOS & ANMELDUNG

Licenses:
    • EU-Recht auf Bildung sieht Willkommensklassen nicht als Dauerlösung
    • BAföG-Reform: (Noch) keine bildungspolitische Zeitenwende
    • Ukrainische Uni-Zulassungstests in deutschen Hörsälen
    • Bildungsmediathek Mundo lässt Lehrkräfte Materialien bundesweit austauschen
    • Neues Lehrermangel-Referat im bayerischen Kultusministerium
    • Lehrerfortbildung in Baden-Württemberg: Fortan nicht mehr hinter verschlossenen Türen
    • Porträt: Patrick Nadler, der mit TutorSpace einen Marktplatz für Nachhilfe errichtet hat
    • Presseschau
    • Termine
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Schulen sind nach der Pandemie ausgezehrt – und müssen schon die nächste Ausnahmesituation meistern. Viele der ukrainischen Jugendlichen lernen derzeit Deutsch in Willkommensklassen. Drei Monate lang können Schulträger und Bildungspolitiker durchatmen. Dann haben die Angekommenen ein Recht auf echte Bildung. In der Praxis bedeutet das oftmals: Regelunterricht mit Gleichaltrigen. Moritz Baumann analysiert die Kollision zwischen bildungspolitischen Notmaßnahmen und dem Recht auf Bildung, wie es auch die Grundrechtscharta der EU ausformuliert.

    Ein Recht auf BAföG haben immer weniger Studierende. Das alte, scharfe Schwert der Chancengerechtigkeit ist mit den Jahren immer stumpfer geworden. Nur noch wenige Studierende erfüllen überhaupt die Förderkriterien. Das von der FDP geführte Bundesbildungsministerium sieht die BAföG-Reform als eine der großen Aufgaben der Legislatur. Der erste Gesetzentwurf wurde nun im Ausschuss und Plenum diskutiert. Sofie Czilwik hat ihn sich genauer angesehen, mit dem Fazit: Eine bildungspolitische Zeitenwende leitet die Reform nicht ein.

    Im heutigen Briefing lesen Sie außerdem exklusiv, dass deutsche Hochschulen die ukrainischen Uni-Zulassungstests für geflüchtete Abiturienten durchführen werden (Bildung.Table berichtete). Eine weitere gute Nachricht: Auf Mundo, der gemeinsamen Bildungsmediathek der Länder, können Lehrkräfte ab sofort eigene Materialien hochladen und länderübergreifend teilen. Digital first, Föderalismus second – schade bloß, dass der Bund ein gleichartiges Portal bereits erfolgreich anbietet.

    Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen

    Ihr
    Niklas Prenzel
    Bild von Niklas  Prenzel

    Analyse

    EU-Vorgabe: Ukrainische Willkommensklassen sind keine Dauerlösung

    Für die vielen überlasteten Schulleiter war es eine Hiobsbotschaft: Vor gut einem Monat verkündete KMK-Präsidentin Karin Prien, sie rechne mit mindestens 400.000 ukrainischen Kindern und Jugendlichen, die nach Deutschland fliehen werden. Was es dafür an den Schulen braucht? Räume, Material, vor allem aber: Lehrer:innen, die bereit sind, noch mehr Aufgaben zu schultern.

    Die Lösung, zumindest für den Moment, sind Willkommensklassen. Das ist der Weg, den viele Bundesländer eingeschlagen haben. Für Bayern präsentierte Kultusminister Michael Piazolo vor zwei Wochen konkrete Zahlen: 22.000 ukrainische Schüler seien in den Schulen angekommen. Darauf habe die Staatsregierung mit 1.000 Willkommensgruppen und 2.700 Lehr- und Willkommenskräften reagiert (zur Pressekonferenz).

    Auftrag an die Bildungsminister: Ein Recht auf Bildung

    Was jedoch in den Gruppen vor Ort genau passiert, ist hochgradig undurchsichtig. “Die Realität ist von Schule zu Schule unterschiedlich. Nicht überall finden Schulleiter ukrainische Willkommenskräfte, nicht überall stehen Förderlehrer zur Verfügung”, sagt Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, im Gespräch mit Bildung.Table. “Die Kollegen machen das so, wie es vor Ort eben geht.” In den anderen Bundesländern dürfte es ähnlich laufen.

    Die Ukraine-Krise überfordert das Schulsystem, das seit Jahren personell ausgedünnt und durch die Pandemie ausgelaugt ist. Das bringt die Bildungsminister der Länder nun in eine rechtliche Bredouille. Nach EU-Recht haben sie maximal drei Monate Zeit, sich durchzuwursteln. Danach haben alle geflüchteten Kinder ein Recht auf Bildung – echte Bildung (vgl. Art. 14 EU-Aufnahmerichtlinie). Sie dürfen nicht schlechter gestellt werden als ihre deutschen Mitschüler:innen. Sonst verstößt Deutschland gegen Völkerrecht, EU-Recht und die Europäische Menschenrechtskonvention.

    Der rechtliche Auftrag an die Bildungsminister ist klar: An richtigem Unterricht führt kein Weg vorbei. Selbst Willkommensklassen dürfen nur ein Übergang sein. Schon nach drei Monaten gelten strenge Vorgaben: “Die Gruppen müssen klar darauf ausgerichtet sein, den Spracherwerb zu ermöglichen”, erklärt Michael Wrase, der als Jurist am Wissenschaftszentrum Berlin zum Schulrecht – national wie international – forscht. “Ein Betreuungsangebot, das nicht mit dem klassischen Unterricht vergleichbar ist, wäre wohl nicht zulässig.”

    Willkommensklassen sind keine Dauerlösung

    In einem Gutachten von 2019 schreibt er: “Vorbereitungskurse und sonstige Bildungsangebote, die auf den Schulbesuch nur vorbereiten sollen und ansonsten von Umfang und Qualität dahinter zurückbleiben, sind nur innerhalb der drei Monate (nach Antrag auf internationalen Schutz) zulässig.”

    Willkommensgruppen stünden unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. In dem Gutachten heißt es, dass sie “schnellstmöglich durch die Pflicht zum Besuch des Regelunterrichts, ergänzt um begleitende Förderstunden, ersetzt werden” müssen. Für ukrainische Schüler:innen, die im März in Deutschland angekommen sind, greifen diese Regeln somit ab Juni – auch wenn die Kultusminister gerne aufs nächste Schuljahr verweisen.

    Lesen Sie HIER das Rechtsgutachten zum Recht auf Bildung.

    Soweit die Theorie. Das sind die Garantien, zu denen sich Deutschland völkerrechtlich und im Kreis der EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet hat. Doch schon Ende März warnte die Soziologin Juliane Karakayali im Bildung.Table-Briefing vor “Parallelsystemen“. Nach der Flüchtlingskrise 2015 hat sie das Konzept der Vorbereitungsklassen erforscht. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Es fehle ein einheitliches Curriculum und Fachunterricht finde kaum statt. Dazu kommt: “Es gab schlichtweg keine Plätze in den regulären Klassen.”

    Flucht aus der Ukraine: Können das die Schulen stemmen?

    Das ist so nicht rechtens, betont Verfassungsrechtler Wrase. Ein Zwei-Klassen-System in der Bildung sollen die völkerrechtlichen Garantien gerade verhindern. Vorbereitungsklassen, die in der Krise aus dem Boden gestampft und dann zu einem Sammelbecken für Schüler:innen mit Migrationsgeschichte werden, dürfte es eigentlich nicht geben. Egal ob es um Menschen aus der Ukraine, Syrien oder Libyen geht. Doch Wrase weiß: In der Praxis werde das Recht auf Bildung oft lockerer gehandhabt. “Das dürfte eigentlich nicht sein“, betont er.

    Nur können die Schulen das überhaupt leisten? BLLV-Präsidentin Fleischmann ist für ihre Realitätschecks bekannt: “Wenn die Schulpflicht nach drei Monaten greift und noch mehr ukrainische Schülerinnen und Schüler in den Klassen untergebracht werden müssen, wird das nicht jede Schule stemmen können“, betont sie. Sie warnt, wie so oft, vor falschen Erwartungen. Doch die ukrainischen Kinder, das zeigt der Blick in Gesetze, Abkommen und Richtlinien, haben ein Recht auf Bildung – Lehrermangel hin oder her.

    BAföG bleibt bürokratisch und wenig flexibel

    Auf dem Foto sieht man wie die Bundesbildungsministerin die BAföG-Reform im Plenum vorstellt
    Die Bundesbildungsministerin stellt die BAföG-Reform im Plenum vor.

    Berauschender Applaus war das nicht, als die Bundesregierung im Bundestag ihren Entwurf für die Änderung des BAföG-Gesetztes in erster Lesung debattieren ließ. Die Reform ist gut, aber nicht gut genug. So ließ sich die Debatte zusammenfassen; ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben nur ein Schritt und für manche sogar nur ein Schrittchen

    Dabei klingen die Anpassungen vielversprechend: Die Elternfreibeträge werden um 20 Prozent erhöht, die Bedarfssätze um fünf Prozent, und der Wohnzuschlag steigt von 325 auf 360 Euro. Der Vermögensfreibetrag für Geförderte steigt auf 45.000 Euro und die Darlehensrestschuld kann nun bereits nach 20 Jahren erlassen werden, gleichzeitig wird die Altersgrenze auf 45 Jahre angehoben. Und: Die Antragstellung wird digitaler

    Wir schaffen die krasseste Erhöhung in der Geschichte des BAföG“, sagte die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Ria Schröder. “Wir werden jungen Menschen wieder Grund zum Jubeln geben!” Viele Erstwähler*innen gaben bei der letzten Bundestagswahl ihre Stimme der FDP, weil diese auch damit Wahlkampf gemacht hatte, sich in der nächsten Legislaturperiode für bessere Bildung in Deutschland einzusetzen. 

    Studierendenvertreter: “Reform ist unzureichend”

    Kritik an der Reform kommt von der Opposition, genauso wie von Verbänden und Studierendenvertretungen. “Diese Reform ist unzureichend“, sagt Lone Grotheer vom freien Zusammenschluss für Student*innenschaften. “Die geplanten Erhöhungen sind zu niedrig!” Die fünf Prozent höheren Beiträge ab Herbst würden von der Inflation aufgefressen. Essen, Strom, Wohnen – alles wird teurer. Die höheren Lebenshaltungskosten spüren besonders die, die sowieso schon wenig zum Leben haben. In der Regel ist das BAföG nur ein Zuschuss, um einen Teil der laufenden Kosten abzudecken.  

    Ein großer Teil der Studierenden lebt heute in Armut und im Schnitt von 800 Euro im Monat, viele aber auch darunter. Das ergibt eine jüngst erschienene Untersuchung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Ein Drittel der Studierenden gilt als arm. Besonders betroffen sind diejenigen, die für sich selbst wirtschaften, und diejenigen, die BAföG beziehen. BAföG schützt vor Armut nicht.

    Zahl der Geförderten nimmt seit Jahren ab

    Seit Jahren nimmt die Zahl der Geförderten, die über BAföG ihr Studium finanzieren, ab. Waren es in den 70er-Jahren noch 40 Prozent, sind es heute nur noch elf. Die Bundesregierung will das BAföG wieder mehr Studierenden zugänglich machen. Doch ob das klappt, wird von den Kritiker*innen bezweifelt. 

    Denn das BAföG gilt als Bürokratiemonster, das nicht nur schwierig zu beantragen ist, sondern vor allem auch sehr lange in der Bearbeitung dauert. Studierende berichten immer wieder davon, dass sie über Monate auf die ersten Zahlungen warten müssen. Das schreckt vor allem die ab, die das BAföG eigentlich erreichen soll: Studierende aus Arbeiterfamilien, die keinen reichen Onkel darum bitten können, über Monate mehrere Hundert Euro vorzuschießen.

    BAföG-Anträge sollen digital gestellt werden

    Das Antragsverfahren nun zu digitalisieren, könnte ein erster Schritt sein, es transparenter und schneller zu gestalten. Doch groß wird der Unterschied nicht sein. Studierende werden weiterhin ihre Unterlagen über das Portal “BAföG-Digital” einreichen. Was sich ändern soll: Die Unterlagen müssen nach dem digitalen Einreichen nicht mehr zusätzlich ausgedruckt, unterschrieben und per Post an das Amt geschickt werden. 

    Doch dort, wo die Anträge dann eintrudeln, nämlich bei den Studierendenwerken, bleibt die Antragstellung in der Regel weiterhin analog. Das heißt, wenn die Studierenden ihre Anträge im digitalen System abgeschickt haben, müssen die BAföG-Sachbearbeiter*innen sie weiterhin ausdrucken, lochen und abheften.  

    Vorschläge aus der Opposition spielten in der Gesetzesänderung kaum eine Rolle. Thomas Jarzombek (CDU) hatte in der Ausschusssitzung etwa vorgeschlagen, die BAföG-Antragstellung mit den Finanzbehörden zu verknüpfen. So könnte die finanzielle Situation der Eltern und Studierenden durch die Behörden automatisch abgerufen werden – und müssten nicht mühsam von den Antragstellenden nach gewiesen werden.  

    BAföG-Sätze müssen für Geförderte transparent werden

    Auch eine zentrale Plattform, über die Studierende nachvollziehen können, ob sie überhaupt antragsberechtigt sind, wäre für viele sinnvoll. Denn wie viel die Eltern oder Ehepartner*innen verdienen dürfen und in welcher Höhe die einzelnen Studierenden am Ende bezuschusst werden, ist im Vorhinein sehr intransparent.  

    Gerade für Kinder aus Arbeiterfamilien sei das eine große Hürde, um mithilfe des BAföG ein Studium anzufangen. Katja Urbatsch, Geschäftsführerin des Vereins Arbeiterkind, war als Sachverständige im Bildungs-Ausschuss geladen und machte die Abgeordneten darauf aufmerksam, dass es vor allem für ihre Zielgruppe besonders wichtig sei, vor Beginn des Studiums einen Finanzplan erstellen zu können. Und das gehe eben nur, wenn die Bedürftigen so früh wie möglich wüssten, mit wie viel Geld und wie lange sie im Studium auskommen müssen. 

    Weitere Reform geplant

    Die BAföG-Regelungen bleiben so starr wie zuvor. Wer länger braucht für ein Studium, sei es wegen eines Auslandspraktikums, weil ein Modul doch nochmal wiederholt werden muss oder weil das Curriculum schlicht in der vorgegebenen Zeit nicht zu schaffen ist, bekommt keinen Cent mehr über die Regelstudienzeit hinaus. Regelstudienzeit ist aber nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Nicht nur die Studierendenvertretungen oder die Studentenwerke, sondern auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordern deshalb, die Zahlungen flexibler auszuzahlen. 

    Bettina Stark-Watzinger (FDP) will in der laufenden Legislaturperiode weitere Reformen vornehmen. Die Förderungsdauer soll flexibler und die Förderung elternunabhängiger werden. Dieser erste Aufschlag hat also noch keine großen Wellen geschlagen.

    Viel mehr Aufmerksamkeit bekam das Notfall-BAföG, das das Kabinett vergangene Woche beschlossen hat. Per Verordnung kann die Regierung in Krisenzeiten, wie einer Pandemie, in Zukunft die Förderung auch an Studierende und Schüler*innen auszahlen, die bisher kein BAföG beziehen. Dieses Gesetz kann eine schnelle Verbesserung der finanziellen Situation von Studierenden darstellen, denn gerade in der Corona-Pandemie mussten viele wieder zu ihren Eltern ziehen, weil ihnen im Lockdown die Nebenjobs als Köchinnen oder Servicemitarbeiter weggebrochen waren. So sollen die Studierenden in Krisen abgesichert sein. 

    News

    Ukrainische Schüler sollen Abschlusstest in Uni-Hörsälen schreiben

    Nach wochenlangen Gesprächen zeichnet sich ab, auf welchem Weg Deutschland die Ukraine bei der Durchführung des Nationalen Multifachtests unterstützt. Nach Informationen von Bildung.Table hat sich die Kultusministerkonferenz (KMK) mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) geeinigt, dass die ukrainischen Prüfungen bundesweit an etwa sechs Hochschulstandorten angeboten werden sollen. Aktuell werde abgefragt, welche Unis Kapazitäten haben, bestätigt ein HRK-Sprecher.
     
    Den Multifachtest – eine Art Zulassungsprüfung – müssen ukrainische Schüler:innen nach der elften Klasse bestehen, um sich für einen Studienplatz bewerben zu können. Seit Anfang April berichten ukrainische Medien, dass der Test trotz Kriegszustand Ende Juli und Mitte August stattfinden soll. Ende April hatte Bildungsminister Serhiy Shkarlet die deutsche Regierung gebeten, bei der Logistik zu unterstützen. Doch die Vorbereitungen sind, wie berichtet, zunächst schleppend angelaufen.  

    Während die Berliner Senatsverwaltung in internen Runden signalisierte, mit Räumlichkeiten und Aufsichtspersonal zu unterstützen, waren andere Bundesländer wesentlich skeptischer. Sie fürchteten einen zu großen Aufwand (lesen Sie HIER die Hintergründe).

    Nun springen die Hochschulen in die Bresche, was einige Vorteile hat: Die Verwaltungen an Unis und Fachhochschulen organisieren regelmäßig Prüfungen mit mehreren hundert Teilnehmer:innen, viele Prozesse sind daher eingespielt. Darüber hinaus erfüllten die Hörsäle die “notwendigen prüfungsrechtlichen Anforderungen”, heißt es seitens der HRK. Jetzt muss noch geklärt werden, in welchen Städten die Abschlussprüfungen abgenommen werden und ob die Hochschulen das Aufsichtspersonal selbst stellen müssen. Einen genauen Zeitplan gibt es weiterhin nicht. “Da ist nichts spruchreif”, heißt es auf Anfrage. Moritz Baumann

    Mundo offen für Lernmaterial von Lehrern

    Man sieht einen Ausschnitt der Lernplattform Mundo: Sie ermöglicht es Lehrern Lernmaterial hochzuladen
    Beim Bundesportal für Inhalte Mundo können Lehrer nun eigene Unterrichtsentwürfe hochladen.

    Das bundesweite Portal für Lehrinhalte Mundo ist ab sofort auch für Lernmaterial von Lehrern offen. Bisher hatte das Portal frei zugängliche Bildungsmaterialien etwa von Stiftungen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder OER aufgenommen. Lehrkräfte können nun Materialien über die Website hochladen und länderübergreifend teilen. Eine fünfköpfige Redaktion des Medieninstituts der Länder (FWU) prüft die Inhalte nach einem internen Kriterienkatalog. Dabei stehen Lizenzen, Inhalt, Methodik und Didaktik im Fokus.

    Durch die neue Funktion wird Mundo zum wichtigen Akteur für bundesweites Lernmaterial von Lehrern. Es schließt damit auf diesem Gebiet zum ganz ähnlichen Portal “Wir lernen Online” auf. Kritiker wenden immer wieder ein, die beiden Portale hätten eine zu große konzeptuelle Nähe zueinander. Obendrein finanziert das Bundesbildungsministerium beide Portale. Das BMBF widersprach dem in der Antwort auf eine IFG-Anfrage. Auf dem Portal “Wir lernen Online” könne nach dem bottom-up-Prinzip die gesamte Community Inhalte einbringen. Mit der neuen Funktion des Länderportals wird die Unterscheidung noch schwerer. Zwei bundesweite Angebote buhlen jetzt um die Aufmerksamkeit der Lehrkräfte. Am erfolgreichsten ist bislang das private Tauschportal Eduki, bei dem Lehrer:innen sogar Geld verdienen können.

    Mundo: keine Konkurrenz zu “Wir lernen Online”

    Bei Wir lernen Online” sieht man die Ankündigung gelassen. “Wir freuen uns sehr darüber, dass Mundo sich mit dem Upload der Community öffnet“, schreibt das Redaktionsteam. Man sei zusammen mit Mundo ein wichtiger “Content-Knoten” für hochwertige, kuratierte Bildungsmedien. Auch Frank Maier, Projektleiter im FWU, mag die beiden Portale nicht als Konkurrenten sehen. “Bei wichtigen Fragen wie Machine Learning tauschen wir uns regelmäßig aus.” “Wir lernen Online” sei eine Suchmaschine für Lerninhalte. Mundo versuche hingegen auf externe Links gänzlich zu verzichten. Das 20 Monate alte Portal des FWU stelle geprüfte Bildungsmaterialien auf eigenen Servern bereit. In den ersten Tagen hätten Lehrkräfte bereits 70 Inhalte eingereicht. Nur einen hätten die Redakteure der FWU abgelehnt – aufgrund inhaltlich-didaktischer Mängel. In einem nächsten Schritt werde ein eigener Editor angeschlossen. Dann können Lehrer:innen ihre eigenen Lernmaterialien erstellen und bei Mundo hochladen. npr

    • FWU

    Neues Lehrermangel-Referat in München

    Mit seinen betont gelassenen Auftritten hat Kultusminister Michael Piazolo seit Amtsantritt Lehrer, Eltern und Schulleiter narrisch gemacht. Die Art, wie er über den Lehrermangel in Bayern spricht, empfinden viele in der Schulfamilie als Affront – zu unklar, zu viel Schönfärberei. Nach zwei Corona-Krisenjahren ist die Botschaft offenbar angekommen.

    Schon im August 2021 richtete Piazolo, ohne großes Getöse, ein neues Referat ein, das direkt an die ministeriale Leitungsebene angedockt ist – im Organigramm nur wenige Felder entfernt vom Ministerbüro, dem Planungsstab und dem Presseteam. “Unterrichtsversorgung und strukturelle Fragen des Einsatzes von sonstigem pädagogischen Personal”, lautet der sperrige Name. Einige Verbände sprechen spöttisch vom Lehrermangel-Referat, das nicht so heißen darf.

    So spektakulär sei das alles nicht, heißt es dagegen aus dem Ministerium. Dem Referat obliege die “schulartübergreifende Koordinierung bestimmter Themen im Bereich der Unterrichtsversorgung” – also genau das Portfolio, das zuvor die übergreifende Stabsstelle “Unterrichtsversorgung” bearbeitet hatte.

    Überblick über den Flickenteppich

    Doch ganz ohne Grund wurde das Organigramm nicht geändert, wie Bildung.Table erfahren hat. Jede Woche melden sich im Ministerium Journalist:innen, Abgeordnete und Verbände. Um schnell reagieren zu können, gerade bei unbequemen Anfragen, habe es beim Thema ‘Lehrermangel’ einer engereren Vernetzung in der Leitungsebene bedurft, heißt es. Man könnte es auch so deuten: Piazolo will raus aus der kommunikativen Defensive.

    Lesen Sie HIER ein Interview mit Piazolo zum Digitalpakt-Dilemma

    Das Referat unter Leitung von Michael Rißmann ist weiter organisiert wie eine Stabsstelle: Das Team setzt sich aus Beamten aus allen Abteilungen zusammen, die gemeinsam Strategien entwickeln, damit das Schulsystem trotz Personalmangel nicht zusammenbricht. Auch das Rahmenkonzept zur Beschulung von ukrainischen Kindern und Jugendlichen stammt aus der Feder von Rißmann und seinen Kolleg:innen.

    Ein großes Thema ist daneben der wachsende Flickenteppich an den Schulen: Um Personallücken zu stopfen, sind die Schulleiter angehalten, jeden anzustellen, der irgendwie ein Händchen für Pädagogik hat. So sind in den vergangenen Jahren viele neue Jobbeschreibungen entstanden: Dritt- und Honorarkräfte, Schulassistenten, Teamlehrer und Ein-Fach-Fachlehrer. Jetzt ist es an Rißmann hier den Überblick zu bewahren. Moritz Baumann

    ZSL öffnet Tür zu Lehrerfortbildungen

    Es ist ein kleiner Schritt für das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) in Baden-Württemberg – aber ein großer Sprung für staatliche Lehrerfortbildungen. Der Präsident des baden-württembergischen Qualitätsinstituts, Thomas Riecke-Baulecke, öffnet die Lehrerfortbildung seines weit verzweigten Institutes für die Öffentlichkeit. Dazu gehören ausdrücklich auch Bildungsjournalisten. “Es wird ab sofort Formate der Lehrerbildung wie Wildcampen oder andere Barcamps geben, in die wir Journalisten herzlich einladen”, schrieb Präsident Riecke-Baulecke Bildung.Table. 

    Bisher waren staatliche Lehrerfortbildungen nicht nur kompliziert und wenig nachgefragt, sondern oft auch eine Blackbox. Doch das Aufkommen öffentlich gestreamter und in sozialen Medien breit diskutierter Fortbildungen erhöht den Druck auf die staatlichen Anbieter. Dazu gehören etwa die “Mobile Schule“, die Tabletdays oder der von Apple-Resellern angebotenen Fortbildungsreihe der “Gesellschaft für digitale Bildung“. “Besuchen Sie uns!”, sagte der zuständige Abteilungsleiter Klaus Teichmann. 

    Dem Bekenntnis waren Irritationen beim offenen Format Wildcampen in der Akademie Bad Wildbad vorausgegangen. Aus dem ZSL Baden-Württemberg war Bildung.Table mitgeteilt worden, dass Lehrerfortbildungen wie das sogenannte Barcamp “Wildcampengrundsätzlich nicht für Journalisten zugänglich seien. Ein Barcamp ist ein zivilgesellschaftliches Format, das sich durch radikale Öffnung auszeichnet – und Teilnehmer demokratisch zu Teilgebern macht. Immer öfter veranstalten die Lehrerfortbildungs-Institute der Länder solche Barcamps. Auch nehmen Formate zu, bei denen die Öffentlichkeit via Twitter bis in geschlossene Seminare vordringt. cif

    • Fortbildung
    • Mobile Schule

    Makerspace

    Patrick Nadler – baut einen Marktplatz für Nachhilfe

    Auf dem Foto sieht man Patrick Nadler, CEO von TutorSpace einer App für die Vermittlung von Nachhilfe
    Patrick Nadler führt auf TutorSpace Nachhilfe-Lehrkräfte und Lernende zusammen.

    Sechs Jahre lang gab Patrick Nadler selbst Nachhilfe und hatte keine Probleme damit, Schülerinnen und Schüler zu finden. Dabei beobachtete er, wie Eltern oft das erstbeste Angebot, das am Schwarzen Brett hing, kontaktierten. Das wunderte ihn: “Bei Hotels nimmt man ja auch nicht das erstbeste, sondern vergleicht unterschiedliche Angebote.” Ende 2018 fing er an, die TutorSpace App zu programmieren – eine Vermittlungsplattform, auf der Nachhilfe-Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler zusammenfinden können.

    Damals studierte Patrick Nadler noch Wirtschaftsingenieurwesen und war zwanzig Jahre alt. Er war schon während der Schulzeit sehr umtriebig, kaufte auf Ebay und anderen Kleinanzeigenportalen Produkte günstig an, um sie dann mit Gewinn wieder zu verkaufen. So lernte er viele Online-Marktplätze kennen und kombinierte dieses Wissen mit seinen Erfahrungen in der Nachhilfe, die er während seiner Schulzeit sammelte. Die benötigte Expertise für sein Start-up brachte er sich selbst bei, egal ob Programmieren, Marketing oder Mitarbeiterführung. “Vieles ist einfach gesunder Menschenverstand”, meint Patrick Nadler. “Ich will immer dazulernen und lese mir gerne Sachen an. Das kam alles ganz natürlich zu mir.”

    Sein Umfeld war zunächst skeptisch, was seine Gründungs-Ambitionen betraf: “Ich komme aus einer einfachen Familie aus einer Kleinstadt, mein Vater ist Kfz-Mechaniker, meine Mutter Fitnesstrainerin.” Bildung spielte bei ihnen eine wichtige Rolle, seine Eltern sparten das knappe Geld zusammen, um ihm einen längeren Aufenthalt in einem britischen Internat zu ermöglichen. Sie waren nicht gerade begeistert, als er 2020 seine feste Stelle bei einem führenden Automatisierungs-Unternehmen kündigte, um sich dem Aufbau der gerade gegründeten TutorSpace GmbH Vollzeit zu widmen.

    Rasantes Wachstum

    Für Nachhilfe-Lehrkräfte und Schüler:innen ist die Vermittlung über die TutorSpace Vergleichsplattform kostenlos. Zahlen müssen dagegen Nachhilfeschulen. Zudem verdient das Start-up Geld mit Webeanzeigen. Wer Nachhilfe sucht, kann das gewünschte Fach, Ort und Kursniveau eingeben und sich durch die Profile scrollen, die Foto, Preis pro Stunde und eine Selbstbeschreibung anzeigen. Patrick Nadler betont, dass alle Lehrkräfte bei TutorSpace verifiziert sind: “Im Vergleich zu anderen Anbietern gibt es bei uns keine inaktiven Accounts oder Fake-Accounts.”

    TutorSpace wächst rasant: Neben der App gibt es mittlerweile auch eine Webpräsenz, mehr als 11.000 verifizierte Nachhilfelehrer sind registriert, die Mathe, Englisch, Deutsch, aber auch Informatik oder Jura unterrichten. Mehr als 16.000 Personen haben bisher über TutorSpace zusammengefunden. Zudem hat das Unternehmen letztes Jahr eine eigene Online-Schule mit virtuellem Klassenzimmer gegründet: TutorSpace Premium. Schon längst sind auch seine Eltern von der Idee überzeugt: “Die emotionale Unterstützung war sowieso immer gegeben”, sagt Patrick Nadler. “Aber besser greifbar wurde es für meine Eltern, als wir mit TutorSpace ein paar Mal im Fernsehen waren.”

    Kostenloser Deutschunterricht für Geflüchtete

    Gemeinsam mit dem Unternehmen “Dein Sprachcoach”, rief er Ende März die Initiative “Deutsch für Geflüchtete” ins Leben. Auf einer eigens eingerichteten Vermittlungsseite können ukrainische Geflüchtete seitdem ehrenamtliche Deutschlehrkräfte finden. Denn wer sich für einen regulären Deutschkurs bewirbt, muss manchmal monatelang warten. Mehr als 1000 ukrainische Familien konnten so bereits ihre ersten Deutschstunden durch ehrenamtliche Helfer bekommen. “Oft ergeben sich Freundschaften zwischen Deutschlehrern und Geflüchteten. Die Lehrkräfte begleiten dann zum Beispiel auch bei Behördengängen und werden zu einer Art Integrationshelfer”, berichtet Patrick Nadler. “Das war gar nicht beabsichtigt, ist aber ein sehr schöner Nebeneffekt.” Sarah Kröger

    Presseschau

    NRW: Mehrere Schulen und Kitas bleiben nach Tornadoschäden geschlossen WELT
    Selenskyj: “Russland hat bereits mehr als 1800 Bildungseinrichtungen zerstört” WELT
    Studieren ohne Abi: Faktencheck zum Beschluss der KMK für ukrainische Geflüchtete CORRECTIV
    Wie können bessere Bildungschancen für Kinder an Brennpunktschulen erreicht werden? SPIEGEL
    China Science Investigation: Wie riskant ist die Forschungskooperation mit China? DEUTSCHLANDFUNK
    Bob Blume: “Es sollte wehtun, sich dem Wandel zu verweigern” ZEITONLINE
    Larissa Zierow im Interview über Schulreformen CAMPUSSCHULMANAGEMENT
    Bildungsforscher Hans-Günter Rolff über digitalisiertes Lernen NEWS4TEACHERS
    Diskussion: Peter-André Alt und Andrea Geier über den Kodex Wissenschaftsfreiheit BILDUNGSKLICK
    Lehrerin Bernice Brehme über Integration und Willkommensklassen ZEITMAGAZIN
    NRW: Schulklassen programmieren selbst KI BILDUNGSKLICK
    24-stündige Mahnwache der Kampagne “Schule muss anders” vor dem Berliner Abgeordnetenhaus TAGESSPIEGEL
    Kuchenverkauf an Berliner Schulen bald steuerpflichtig? CDU warnt vor neuer EU-Richtlinie TAGESSPIEGEL

    Termine

    30. Mai 2022, 10:30 Uhr
    Pressekonferenz: Aktuelle Umfrage des BLLV: Herausforderungen und Mängel bei der Inklusion
    Der BLLV präsentiert die Ergebnisse einer Umfrage unter 695 Lehrer:innen zum Thema Inklusion, mit Blick auf aktuelle Herausforderungen, wie die Auswirkungen des Lehrermangels oder der Covid-19-Pandemie. Zudem werden Einblicke in die Arbeit der AG Inklusion im BLLV gegeben. ANMELDUNG

    30. bis 31. Mai 2022
    Konferenz: #zukunftbilden – Politisch. Nachhaltig. Transformativ.
    Die transdisziplinäre Konferenz der Stiftung Bildung richtet sich an Wissenschaftler:innen, junge Menschen, sowie Akteur:innen der Zivilgesellschaft und Bildungspraxis. Ziel ist, Fachdiskurse über Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht, stärker in den öffentlichen Kontext zu bringen. Ein besonderer Fokus liegt auf den Themen nachhaltige Entwicklung und politische Bildung. INFOS & ANMELDUNG

    31. Mai bis 02. Juni 2022
    Internationale Fachmesse und Kongress: LEARNTEC
    Die LEARNTEC in Karlsruhe will als Veranstaltung für digitale Bildung vor allem eines ermöglichen: Networking. Es geht um Austausch mit Akteur:innen aus Schule, Hochschule und Beruf, sowie nationalen und internationalen Ausstellern, die die neuesten Technologien rund ums digitale Lernen präsentieren. INFOS & TICKETS

    31. Mai 2022, 15:00 bis 18:00 Uhr
    Digitales Lernforum: Kinder und Jugendliche in Schwierigkeiten 4 – Vermeidende Lösungsstrategien
    Das digitale Lernforum der Robert-Bosch-Stiftung gibt Impulse und Workshops, die sich mit dem Umgang mit vermeidenden Lösungsstrategien beschäftigen. Ziel soll sein, Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen im sozialen und persönlichen Bereich besser verstehen und darauf reagieren zu können. INFOS & ANMELDUNG

    31. Mai 2022, 16:00 bis 17:30 Uhr
    Digitale Sprechstunde mit Expert:innen: Umgang mit Hate Speech und Desinformation
    Die Robert-Bosch-Stiftung veranstaltet zusammen mit der Berghof Foundation eine digitale Sprechstunde zu den Themen Hate Speech, Verschwörungstheorien und Desinformation. Besonders im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine wird sich mit Sorgen und Ängsten von Schüler:innen und dem Umgang damit beschäftigt. INFOS & ANMELDUNG

    01. Juni 2022, 16:30 Uhr
    Auftaktveranstaltung zur bundesweiten Kampagne für eine zukunftsfähige Grundschule
    Anlässlich des Internationalen Kindertages stellt der Grundschulverband e.V. die Frage, wie das Recht auf grundlegende Bildung aktuell gesichert werden kann und was Kinder in der Grundschule heute brauchen. Geladene Expert:innen sind unter anderem Hans Brügelmann, Erziehungswissenschaftler und freier Wissenschaftsjournalist, und Eva-Maria Osterhues-Bruns, stellvertretende Schulleiterin und Fachreferentin des Grundschulverbands für pädagogische Praxis. INFOS & ANMELDUNG

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen