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Erscheinungsdatum: 25. Februar 2025

Fachkräfteeinwanderung: Was die nächste Bundesregierung tun muss

Bei allen Unterschieden in der Asylpolitik: Die Parteien dürften sich einig sein, dass die Bedingungen für die Anwerbung weiter verbessert werden müssen, schreibt der SWP-Forscher.

In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter um 1,6 Mio. angestiegen, wovon knapp 90 Prozent auf ausländische Beschäftigte zurückgehen. Weil das Potenzial innereuropäischer Migration aufgrund ähnlicher demografischer Entwicklungen in den jeweiligen europäischen Ländern nachlässt, geht mit fast einer Million der größere Anteil des Anstiegs in diesem Zeitraum auf Drittstaatsangehörige aus dem außereuropäischen Ausland zurück.

Der Fachkräftemangel ist eine große Herausforderung für den Wirtschaftsstandort: Das IW Köln schätzt den durch ihn verursachten Verlust von Produktionskapazitäten für 2024 auf 49 Milliarden Euro. Besondere Engpässe bestehen aktuell im Bereich der medizinischen Berufe und in der Pflege, in sozialen Berufen wie bei Erziehern; aber auch in Bau- und Handwerksberufen, IT-Berufen und in der Logistik. Auch wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften derzeit konjunkturbedingt teilweise rückläufig ist, ist der langfristige Trend angesichts der anstehenden Verrentungswelle geburtenstarker Jahrgänge eindeutig: Ohne Zuwanderung wird die Zahl der Erwerbspersonen in Deutschland bis 2040 um 10 Prozent sinken. Um das Erwerbspersonenpotenzial stabil zu halten, werden laut Prognosen bis 2040 jährlich rund 288.000 internationale Arbeitskräfte benötigt.

Dafür hat die scheidende Bundesregierung im Jahr 2023 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz reformiert. Mitte November machte sie für das erste Jahr nach Inkrafttreten der Reformen einen positiven Trend aus – einen Anstieg der Arbeitsvisa um 10 % auf 200.000. Gleichzeitig zeigen neue Zahlen aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion, dass 2024 weniger Personen einen erstmaligen Aufenthalt zu Erwerbs- oder Ausbildungszwecken erhalten haben als 2023. Ob sich durch die neue Reform tatsächlich ein positiver Trend abzeichnet, werden daher erst die Zahlen der erteilten Aufenthaltstitel für 2025 zeigen.

Gesetzliche Änderungen allein reichen jedoch bei Weitem nicht aus, vielmehr bedarf es einer umfassenden Modernisierung der für die Fachkräftegewinnung erforderlichen Verwaltungsprozesse. Vor diesem Hintergrund sprechen sich die Parteien, die voraussichtlich die nächste Bundesregierung bilden werden, für weitere Reformen aus. Am weitesten geht dabei die Union, die eine komplett digitale "Work-and-Stay-Agentur" fordert. In ihr sollen alle Aufgaben von der Anwerbung und Arbeitsplatzvermittlung über die Prüfung der Einreisevoraussetzungen und Visavergabe bis hin zum Aufenthaltstitel zusammengeführt werden.

Unabhängig davon, ob es zu einer umfassenden institutionellen Neuaufstellung kommt, sollte beachtet werden, dass sie an den bereits etablierten Prozessen zur Digitalisierung und verbesserten Zusammenarbeit der bestehenden Behördenstrukturen ansetzt. Zweifellos wäre einiges gewonnen, wenn die Verfahren zur Visaerteilung und Anerkennung von Qualifikationen weiter vereinfacht würden und die Beteiligung der meist chronisch überlasteten Ausländerbehörden entfallen bzw. flächendeckend in den Bundesländern durch zentralisierte Ausländerbehörden für Fachkräfteanwerbung übernommen würden.

Ein zentraler Baustein der Migrationspolitik der Ampel war das Einsetzen eines Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen. Es ist unklar, ob die kommende Bundesregierung diese Konstruktion fortführen wird. Gleichsam wird sie die migrationsbezogene Kooperation mit Drittstaaten – auch im Interesse einer verbesserten Kooperation bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Personen – weiter ausweiten müssen. Ziel sollte ein differenzierter Interessenausgleich zwischen den jeweiligen Partnerländern und Deutschland sein, der durch den gezielten Ausbau der Außenstrukturen für die Arbeitskräfte-Anwerbung in Schwerpunktländern wie Indien begleitet werden sollte.

Die künftigen Koalitionspartner werden entscheiden müssen, wo innerhalb der Bundesregierung die Hauptzuständigkeit für Zusammenarbeit mit Drittstaaten am besten angesiedelt werden sollte. In Frage kommt das Innenministerium, das Auswärtige Amt, aber auch das Kanzleramt. Letzteres würde der großen Bedeutung der Migrationspolitik gerecht und könnte den Ländern signalisieren, dass Deutschland die Steuerung von Migrationsbewegungen als Priorität und weiterhin als eine Aufgabe der internationalen Kooperation ansieht.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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