Interview | Künstliche Intelligenz
Erscheinungsdatum: 17. August 2025

KI als Brückenbauer: Wie das BMDS die Verwaltung einen will

Thomas Jarzombek ist Mitglied des Bundesvorstandes der CDU
Für die Digitalisierung der Verwaltungslandschaft soll künstliche Intelligenz genutzt werden. Wie genau, das erläutert Thomas Jarzombek, parlamentarischer Staatssekretär im BMDS.

Das BMDS ist unter anderem angetreten, um die Verwaltung in Deutschland zu digitalisieren, die stark fragmentiert ist. Wie wollen Sie es schaffen, dass Bürger in Zukunft nicht bei jedem Antrag neu ihre Daten angeben müssen?

Um diese Tausenden, Zehntausenden von Dateien und Datenbanken, die kreuz und quer verteilt über Länder, Kommunen und die ganzen verschiedenen Bundesinstitutionen liegen, in Verbindung zu kriegen, wird die KI ein maßgebliches Instrument für uns sein. Wir haben das Problem, dass über sehr viele Jahre eigene IT-Lösungen gewachsen sind. Jede Kommune hat eigene Systeme – teilweise selber entwickelt, teilweise zugekauft. Diesen Systemen fehlt oft eine Schnittstelle, um vernünftig miteinander Daten auszutauschen. Und das führt eben dazu, dass wir bei diesem Vorhaben – dass der Staat Sie nur einmal nach einer Information fragt – heute da stehen, wo wir stehen, weil diese Systeme bis heute nicht richtig interoperabel miteinander sind.

Da kommt nun KI ins Spiel. Genau wie viele Unternehmen es derzeit machen, wollen wir mit KI-Systemen auf die alten, fragmentierte IT-Landschaften zugreifen und Systeme miteinander verbindungsfähig machen, die es bis heute nicht sind.

Was wird dadurch konkret für die Bürger einfacher?

Ein schönes Beispiel ist: Sie wollen heiraten und müssen eine Geburtsurkunde beibringen. Mit unserer geplanten Vernetzung wird das System die Urkunde automatisch abrufen und Sie sparen sich weitere Lauferei zu anderen Ämtern. Das kann auch bei Sozialleistungen oder Bankangelegenheiten helfen.

Wenn Sie sagen, es gibt keine Schnittstellen zwischen den Systemen bislang – heißt das dann, dass die KI selbst die Schnittstelle ist oder müssen trotzdem Schnittstellen hergestellt werden, die sie dann bespielen kann?

Gute Schnittstellen sind die Ideallösung. Solange wir diesen riesigen Bestand haben, ist die KI aber ein Segen. Deren Einsatz kann man sich so vorstellen, dass sie im schlimmsten Fall hingeht und wie ein normaler Benutzer einfach unendlich viele Eingaben macht und jedes einzelne Ergebnis speichert. Und auf diese Art und Weise den gesamten Datenbestand – als würde man ihn händisch, Datensatz für Datensatz, aus einer Datenbank rausholen und dann in ein System übertragen – verfügbar macht, das offen ist für den Datenaustausch.

Der noch nicht von allen Bundesländern unterzeichnete, aber fest verabredete Staatsvertrag für ein „National-Once-Only-Technical-System“ soll die rechtliche Grundlage dafür bilden.

Das ist der rechtliche Rahmen, der notwendig ist, damit wir mit KI-Systemen die ganzen verstreuten Datenbanken miteinander in Verbindung bringen können. Wenn wir das machen, muss es natürlich den höchsten Sicherheitsstandards und höchsten Datenschutzstandards genügen – das alles ist im NOOTS-Staatsvertrag festgehalten.

Gibt es einen Anbieter für KI-Systeme, mit dem Sie kooperieren wollen – oder plant der Bund, eine eigene KI zu programmieren?

Wir haben eine eigene KI-Plattform, weil wir vermeiden wollen, dass Mitarbeiter in den Verwaltungen interne Dokumente der Bundesverwaltung auf ChatGPT hochladen. Unsere Plattform heißt KIPITZ, sie läuft auf den Servern des ITZBund. Damit schließen wir aus, dass Nutzer Dokumente oder Formulierungshilfen über externe Systeme verarbeiten und dadurch Daten abfließen. Diese Plattform wurde bereits in einzelnen Ministerien getestet und wird gerade in der gesamten Bundesverwaltung ausgerollt. Daneben wollen wir für die Prozesse im Rahmen des NOOTS-Staatsvertrags auch externe Partner einbinden – Start-ups ebenso wie etablierte Unternehmen, insbesondere europäische Anbieter.

Und basierend auf der KIPITZ-KI wollen Sie Systeme bauen, die dann die ganze Verwaltung in Deutschland angeboten bekommt?

Nein, das ist etwas anderes. KIPITZ ist wie ChatGPT: Man gibt etwas ein und bekommt eine Antwort. Das, worüber wir jetzt reden, um diese ganzen Datenbanken und Dateien miteinander in Verbindung zu bringen, sind KI-Modelle, die unsichtbar im Hintergrund in Prozesse eingebaut sind. Hier setzen wir auch agentische KI ein, die im Prinzip wie ein Roboter am PC arbeitet. Sie kann wie ein Nutzer Eingaben machen, Klicks ausführen und Daten von einem System ins andere übertragen, ohne dass jemand aktiv eingreifen muss.

Verstünden Sie es, wenn Bürgerinnen und Bürger nicht Angst bekommen, dass eine KI in der Verwaltung frei in allen Behörden rumsuchen kann, was es alles für Daten gibt?

So funktioniert das System nicht. Es ist auf ganz konkrete Anwendungsfälle eingestellt. Es gibt keine „Super-KI“, die alles durchsucht. Jede Anwendung wird einzeln damit ausgerüstet, es wird im Zweifelsfall Tausende solcher dezentralen KI-Modelle geben – zum Beispiel für ein Grundbuchamt oder ein Standesamt. Vor allem gibt es die gesetzliche Pflicht, alle Abrufe von Nutzerdaten aufzuzeichnen. In einem Dashboard kann jeder Bürger genau sehen, was mit seinen Daten passiert.

Bedeutet das, dass die KI auch weiß, wo sie suchen muss?

Ja, das ist in den Verfahren definiert. Über einen Basisdatensatz – Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort – weiß das System, wo es anfragen muss. Problematisch wird es nur, wenn am Ende ein System steht, das veraltet ist oder keine automatisierte Antwort liefern kann.

Am Ende wollen Sie also bestehende alte Systeme nicht zwingend ersetzen, sondern mit neuer Technologie verbinden?

Genau. Der Austausch aller Altsysteme würde Jahrzehnte dauern. Mit agentischer KI können wir schneller Fortschritte machen, indem wir kleine, spezialisierte Tools in einzelne Verfahren integrieren.

Der Bund bietet das an, aber Länder und Kommunen entscheiden selbst, ob sie mitmachen?

Wir setzen auf freiwillige Teilnahme und gute Beispiele, die Bürger überzeugen. Wenn Menschen sehen, dass es woanders einfacher geht, fragen sie ihren Bürgermeister, warum es bei ihnen nicht so ist.

Rufen Sie Bürger dazu auf, sich aktiv an der Digitalisierung zu beteiligen?

Die meisten wollen vor allem einfache Verfahren ohne lange Wartezeiten. Je mehr positive Beispiele öffentlich werden, desto größer wird der Druck auf die, die nicht mitziehen.

Letzte Aktualisierung: 17. August 2025
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