Analyse
Erscheinungsdatum: 20. Februar 2025

Zukunft des Parlaments: Was election.de und Co für die Fraktionen vorhersagen  

Mithilfe verschiedener Tools lässt sich annähernd prognostizieren, wie die künftigen Bundestagsfraktionen aussehen könnten. Manche MdB müssen bis zuletzt bangen, ehe sie wieder einziehen können. In anderen Fraktionen würden die Spitzen gern auf manches Mitglied verzichten. Und wieder andere verlieren Prominente.

Welche Abgeordneten werden im neuen Bundestag vertreten sein? Wer muss sein Büro räumen? Diese Frage stellen sich in diesen Tagen viele Kandidaten, die sich um ein Mandat bewerben. Sie haben eine ungefähre Prozentzahl im Kopf, die sie für den persönlichen Einzug bräuchten. Der Mechanismus dahinter hängt jedoch von mehreren Faktoren ab und wird durch das neue Wahlrecht zusätzlich kompliziert. Hilfreich dafür sind drei Online-Tools: mandatsrechner.de, election.de und zweitstimme.org.

Der Mandatsrechner wertet aus, wie sich die Sitze einer Fraktion auf die Bundesländer verteilen, und hat auch hinterlegt, welche Kandidaten über das Direktmandat oder die Liste einziehen könnten. Als Datengrundlage lassen sich die aktuellen Sonntagsfragen oder eigene Werte eintragen. Ein Problem des Tools: Für die Direktmandate dienen als Grundlage die Ergebnisse der Bundestagswahl 2021. Das führt jedoch zu unwahrscheinlichen Ergebnissen – beispielsweise, dass die SPD in ganz NRW nur zwei Direktmandate holt. Für die Prognose der Erstimmen-Ergebnisse eignen sich daher die anderen Tools besser: Election.de kombiniert aktuelle demoskopische Trends mit langfristigen Wählerpotenzialen und Prognosen zum Stimmensplitting; Zweistimme.org bietet ebenfalls wissenschaftlich fundierte Prognosen.

In der SPD hat längst das große Zittern begonnen.Wolfgang Schmidt steht vor der kuriosen Situation, dass er nur bei einem sehr guten oder sehr schlechten SPD-Ergebnis in den Bundestag einziehen könnte. Auch wenn er in seinem Wahlkreis Eimsbüttel vorne liegen sollte, hilft ihm das Direktmandat womöglich wenig, wenn andere SPD-Kandidaten in Hamburg ein besseres Ergebnis erzielen. Holen die Sozialdemokraten aber keine oder sehr wenige Direktmandate, würde Schmidt Platz eins der Landesliste reichen. Der Wuppertaler Helge Lindh – der SPD-Vertreter mit den meisten Bundestagsreden – muss seinen Wahlkreis in jedem Fall direkt gewinnen, gleiches gilt für die Ex-Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal in Bonn. Auch für den Sicherheitsexperten Sebastian Fiedler (Mülheim-Essen) mit Listenplatz 29 könnte es unter Umständen eng werden. In Bayern haben die ehemalige Verbraucher-Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl (Listenplatz 22) und Marianne Schieder (24) so gut wie keine Chance mehr auf eine Rückkehr ins Parlament.

Bei der Union haben sich die Sorgen verschoben. Sah sich zunächst die CSU als Hauptbenachteiligte der Wahlrechtsreform, scheint nun vor allem die CDU in Baden-Württemberg bangen zu müssen. In den ostdeutschen Ländern erwartet die Union eine historische Misere: Nach derzeitigem Stand holt sie schlimmstenfalls kein einziges Direktmandat. Es dürften fast alle an die AfD gehen, mit Ausnahme zweier Linker und einem für Olaf Scholz (gegen Annalena Baerbock) in Potsdam. In Sachsen wiederum bangen die Kandidierenden, dass Wahlbeteiligung und Abgeordnetenzahl niedriger ausfallen könnten: Es ist das einzige Bundesland mit Ferien.

Reihenweise leiden werden womöglich auch Grüne. Und das unter ihrem eigenen Gesetz.Die Fraktion wird sich verkleinern, nach aktueller Umfrage-Lage von 120 auf etwa 90 Abgeordnete. Die Prominenz der Partei und Fraktion hat durchweg sichere Plätze. Allerdings kommen aus manchem Bundesland mutmaßlich auch jeweils nur die Erst- bis Zweitplatzierten in den Bundestag, darunter Katrin Göring-Eckardt, Steffi Lemke, Annalena Baerbock und Michael Kellner.

Sollte die FDP in den Bundestag einziehen, könnte es dennoch für einige MdBs eng werden. Die Fraktion würde sich von 90 auf rund 35 Abgeordnete verkleinern. Für Fraktionsvize Gyde Jensen würde es trotz Platz zwei in Schleswig-Holstein nicht reichen. Gleiches gilt für die ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin im BMDV, Daniela Kluckert, in Berlin. Bremen und das Saarland wären gar nicht mehr vertreten – es wäre das Aus für Oliver Luksic und Volker Redder. Schwer werden dürfte es auch für die Chefin der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann. Sie bräuchte etwa sieben Prozent, damit ihr Listenplatz zehn in NRW zieht. Da sie angekündigt hat, den Vorsitz 2025 abzugeben, wäre es das vorläufige Ende ihrer politischen Karriere.

Vergleichsweise wenig Sorgen hat die AfD. Sie dürfte ihr Ergebnis mit womöglich 140 Abgeordneten nahezu verdoppeln. In den ostdeutschen Bundesländern könnte sie fast alle Direktmandate holen, nicht in jedem Fall zur Freude der Führung. Erstmals könnte die AfD sogar Direktmandate in Westdeutschland erobern; nach aktuellem Stand Duisburg I und Recklinghausen. Auch in Pforzheim oder Kaiserslautern bestehen Chancen. Überrascht sein dürfte der Parlamentarische Geschäftsführer aus Thüringen, Torben Braga. Er rechnete nicht mit seinem Einzug, könnte es nach derzeitigem Stand aber über Listenplatz drei nach Berlin schaffen.

Schafft es das BSW nicht in den Bundestag, müsste Sahra Wagenknecht nach 16 Jahren den Bundestag verlassen. Die Linke dagegen ist wohl gar nicht mehr auf die drei Direktmandate angewiesen, die ihr den Einzug sichern sollten. Womöglich werden es sogar vier: Gregor Gysi in Treptow-Köpenick, Ines Schwerdtner in Lichtenberg, Sören Pellmann in Leipzig und, je nach Umfrage, entweder Dietmar Bartsch in Rostock oder Bodo Ramelow in Erfurt.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!