Was Angela Merkel 2006 begründete, führte ihr Nachfolger Olaf Scholz am Mittwoch zu einem neuen Rekord. Knapp zwei Stunden nahm sich der Bundeskanzler Zeit für Fragen der Hauptstadt-Journalisten in der traditionellen Sommer-Pressekonferenz.
Gleich zum Auftakt wurde seine Laune indes getrübt, als ein Journalist fragte, ob Scholz es angesichts der miesen Umfragewerte nicht Joe Biden nachmachen und abtreten wolle. „Danke für die überaus nette und freundliche Frage“, antwortete Scholz. Aber nein. Die SPD sei geschlossen, und er werde als Kanzler erneut antreten.
Was Scholz zu den wichtigsten Themen zu sagen hatte, lesen Sie in dieser Übersicht:
US-Wahlkampf: Sein Vorpreschen zu einer möglichen Wiederwahl von Joe Biden („sehr wahrscheinlich“) noch vor zehn Tagen scheint dem Kanzler inzwischen etwas peinlich. Er äußert sich nun zurückhaltender: „Ich halte es für sehr gut möglich, dass Kamala Harris gewinnt. Aber das entscheiden die amerikanischen Wählerinnen und Wähler.“
Haushaltsstreit: Der Regierungschef ist stolz darauf, dass es mit Grünen und FDP überhaupt zu einer Einigung gekommen ist. Dass er dafür die Verhandlungen an sich ziehen musste, beantwortet er mit einem alten Bonmot: „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch.“ Die 17-Milliarden-Lücke im Etat, die offenen rechtlichen Fragen? „Werden wir lösen.“
Ukraine und Sicherheit: Scholz will sich den Vorwurf nicht gefallen lassen, dass er zu wenig in die Sicherheit investiere. Mit dem Sondervermögen werde der Verteidigungsetat im kommenden Jahr auf 76 Milliarden Euro anwachsen. Ab 2028 werde die Regierung dauerhaft 80 Milliarden im Haushalt für Verteidigung einplanen. Dass er im Europawahlkampf als Friedenskanzler aufgetreten ist, sieht er nicht als Widerspruch: „Ich würde mich gerne damit wieder plakatieren lassen.“ Die Unterstützung für die Ukraine sei Friedenspolitik. Und die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen ein notwendiger Schutz für Deutschland.
Bürgergeld: Fast zehn Prozent des Bundeshaushalts (geschätzt 48 Milliarden Euro) könnten dieses Jahr nur für das Bürgergeld ausgegeben werden. Scholz verteidigt das Gesetz, obwohl seine Koalition es selbst zwei Mal nachgebessert hat. Das größte Problem werde in den kommenden Jahrzehnten der Arbeitskräftemangel sein, sagt er. Deshalb müsse die Erwerbstätigenquote hoch bleiben. Dabei helfen sollen steuerliche Anreize, damit Ältere über das Renteneintrittsalter hinaus arbeiten können. Aber Scholz räumt auch ein, dass der Druck auf die Arbeitslosen zunehmen werde, die knapp zwei Millionen offenen Jobs anzunehmen. Da klingt Scholz wie einst Gerhard Schröder : „Wir dürfen niemanden damit durchlassen, der sich einen Lenz machen will.”
Migration: Der Kanzler sieht sich als harter Migrationspolitiker. Während andere nur redeten, habe er „konkret gehandelt“. Dazu zählt er die Absenkung der Abschiebehindernisse und Grenzkontrollen. Er kündigt auch Abschiebungen nach Afghanistan an. Seine Botschaft: „Dürfen wir uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt? Die Antwort lautet: Ja“
Wirtschaftspolitik: Im letzten Jahr seiner Amtszeit will Scholz als Standortpolitiker auftreten. Er deutet neue Unternehmensansiedlungen im Hochtechnologiebereich an. Er will die kriselnde Meyer Werft in Niedersachsen retten. Weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau seien geplant. Im Wahlkampf will er aber auch wieder seine Lieblingsthemen setzen: Mindestlohn („Ich bin Mr. Mindestlohn“) und Rente.
Bundestagswahl 2025: Wer Demut und Selbstkritik erwartete, war am Mittwoch in der falschen Veranstaltung. Der Kanzler ist mit sich im Reinen. „Wir werden die Sache gedreht bekommen“, sagt er zu den Umfragewerten. Als Misserfolg nennt er vage die „Herausforderung“, die das Verfassungsgerichtsurteil zum Haushalt der Ampel hinterlassen habe. Das war’s.
Das Fazit nach zwei Stunden Kanzler-Pressekonferenz: Scholz wird sich nicht mehr ändern.