Technologieoffen will sie sein und notfalls unbequem. So könnte man die Agenda der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche in Abwandlung eines alten Horst-Köhler -Zitats zusammenfassen. In ihrem ersten Podcast-Interview hat Reiche eine Reform des Gebäudeenergiegesetzes noch dieses Jahr und strompreisdämpfende Maßnahmen vor der Sommerpause angekündigt. Außerdem warnt sie schon mal alle in der Koalition, dass sie sich allem entgegenstellen werde, was zusätzliche Bürokratie oder weitere Belastungen für Unternehmen mit sich bringen würde. Das bisherige Heizungsgesetz ist ihr zu eindimensional. „Es gibt de facto ein Betriebsverbot für Gasthermen, die vor 1991 eingebaut wurden. Zunächst müssen wir dieses Betriebsverbot abschaffen, um wieder Ruhe in den Markt zu bekommen“, sagte Reiche im Podcast Table.Today. In einem neuen Gesetz werde der gesamte CO₂-Ausstoß des Gebäudes berücksichtigt. „Es sollte dem Hausbesitzer überlassen sein, in welche Technologie er investiert. Wir werden auch hybride Lösungen brauchen.“ Man müsse lernen, die Energiewende „zu hybridisieren“. Als Beispiel nannte die Ministerin Hausbesitzer, die PV-Anlagen und eine Wärmepumpe, aber auch noch einen Gaskessel betreiben wollen – und zwar in Phasen, in denen der Strompreis zu teuer ist. Noch vor der Sommerpause soll die Stromsteuer auf das EU-weite Minimum abgesenkt werden. Außerdem prüfe ihr Haus gerade, inwiefern der Staat Kostenbestandteile aus den Netzentgelten für Verbraucher übernehmen könne. Als Drittes nannte Reiche einen Industriestrompreis von 5 Cent pro Kilowattstunde. „Das ist aber mit der Kommission zu diskutieren.“ Reiche will schnell sichere Energieleistung in den Strommarkt bringen und bei der EU-Kommission Ausschreibungen für neue Gaskraftwerke beantragen. Bis 2030 bis zu 20 GW Kapazität zu installieren, sei mehr als optimistisch. Aber: „Wir müssen jetzt die erste Welle hinbekommen. Wir setzen neben Klimaschutz auch auf Versorgungssicherheit.“ Reiche will bei extremen Strompreisausschlägen notfalls auch die in der Reserve befindlichen Kohlekraftwerke in den Markt bringen. „Das ist etwas, was wir überprüfen.“ Die Investitionen in erneuerbare Energien würden weitergehen, aber es brauche eine „Synchronisierung mit dem Netzausbau“. Ihre Rolle als Wirtschaftsministerin verstehe sie als Mahnerin für Ordnungspolitik. Gerade die neuen Bundesländer wüssten, wie brutal Planwirtschaft gescheitert sei. „Marktwirtschaft heißt Mut, Unternehmergeist und Selbstverantwortung. Leitplanken setzen, ja, aber keine Mikroregulierung“, so Reiche. Eine einzelne Milliardensubvention des Bundes, wie sie die Ampel-Koalition dem Chiphersteller Intel versprochen hatte, hätte es mit ihr nicht gegeben. Einen Hinweis erlaubte sie sich auch an die SPD-Kolleginnen und Kollegen im Kabinett. „Ich werde die Vorschläge zum Arbeitsmarkt, zu Lohnnebenkosten oder zu Steuerreformen kritisch prüfen. Das war und ist die Aufgabe meines Hauses.“