Analyse
Erscheinungsdatum: 30. September 2024

Die UniCredit greift nach der Commerzbank: Welche Rolle spielt der Bund? 

Der CDU-Finanzexperte Klaus Wiener hält der Bundesregierung vor, beim Verkauf der Bundesanteile der Commerzbank überhastet vorgegangen zu sein. Weil die Aktien im Paket und nicht in kleineren Tranchen angeboten worden seien, habe die italienische Großbank UniCredit zum größten Anteilseigner der Commerzbank aufsteigen können. Die strukturellen Folgen für das deutsche Finanzsystem blieben unklar.

Nicht immer schaffen es Themen aus der Finanzwelt so prominent in die politische Debatte, wie der Verkauf der Bundesanteile an der Commerzbank. Denn es war die Bundesregierung selbst, die den Verkauf angestoßen hat – und nun mit dem Ergebnis alles andere als zufrieden scheint.

Konkret geht es um die Veräußerung von 4,49 % Anteilen des Bundes an der Commerzbank. Während der Finanzmarktkrise 2008/2009 hatte der Bund die Commerzbank mit insgesamt 18,2 Mrd. Euro gestützt. Von diesen Kapitalhilfen wurden in den Folgejahren rd. 13 Mrd. Euro von der Commerzbank zurückgegeben. Durch Kapitalerhöhungen seitens der Bank ohne weitere Bundesbeteiligung hielt die Bundesregierung zuletzt noch einen Anteil von 16,49 %.

Erstmals wurden hiervon Anfang September im Zuge eines beschleunigten Bookbuilding-Verfahrens Aktien am Markt verkauft. Als höchst bietender Käufer erhielt die italienische Bank UniCredit den Zuschlag für das gesamte Aktienpaket. Da sich UniCredit im Vorfeld weitere 4,5 % Anteile am freien Markt gesichert hatte, wurde die Bank über Nacht zum größten privaten Commerzbank-Aktionär. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass sich UniCredit über Finanzinstrumente weitere Anteile in Höhe von 11,5 % gesichert hat und dadurch mit rd. 21 % sogar zum größten Anteilseigner der Commerzbank aufgestiegen ist, noch vor dem Bund.

Unsere Wirtschaft befindet sich aktuell in einem besorgniserregenden Abschwung, sowohl konjunkturell als auch strukturell. Dennoch gehört Deutschland, gemessen am BIP, weiterhin zu den stärksten Volkswirtschaften dieser Erde. Was oft verkannt wird: Eine starke Realwirtschaft benötigt eine starke Finanzwirtschaft. Denn Kredite sind der Hebel für Investitionen. Blicken wir auf unsere Wirtschaftsleistung und auf volkswirtschaftlich vergleichbare Länder, bleibt Deutschland im Finanzbereich weit hinter seinem Potenzial zurück. Beim Ranking der weltweit größten 30 Banken kommen neun aus China, fünf aus den USA und fünf aus Frankreich. Aus Deutschland schafft es lediglich ein einziges Kreditinstitut in die TOP 30 und das nur auf Rang 26.

Es ist mir wichtig zu betonen, dass der Rückzug des Staates aus der Commerzbank nach der Krise aus ordnungspolitischer Sicht richtig ist. Die Beteiligung war nie auf Dauer angelegt. Auch ist eine Bankenkonsolidierung nicht per se das Problem. Diese ist im Rahmen der Kapitalmarktunion sogar begrüßenswert und wird von uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt. Allerdings wird es für den Finanzplatz Deutschland auf Dauer zum Problem, wenn deutsche Finanzinstitute immer nur zu den Übernommenen gehören – und damit auch gutbezahlte Jobs verloren gehen. So zumindest lautet der bittere Befund in der Rückschau als Folge der Übernahme der HVB durch die UniCredit im Jahr 2005. Rund die Hälfte der Jobs ist mittlerweile weg.

Deshalb braucht es bei einem Verkauf solcher Größe eine kluge Exit-Strategie – und genau diese scheint bei der Bundesregierung nicht vorhanden gewesen zu sein. Im Gegenteil: Nachdem UniCredit den Zuschlag für das gesamte Aktienpaket erhalten hatte, zeigte sich die Bundesregierung nach eigenem Bekunden „überrascht“. Widersprüchlich dazu sind die Aussagen des UniCredit-Chefs, Andrea Orcel. Dieser betont, dass bereits im Vorfeld Gespräche mit deutschen Entscheidungsträgern stattgefunden hätten und das Interesse einer Übernahme bekannt gewesen sei. In der letzten Regierungsbefragung antwortete mir Bundesfinanzminister Christian Lindner, dass „rein stilistisch und kommunikativ das Vorgehen der UniCredit nicht dazu beigetragen hat, das Vertrauen der Bundesregierung, anderer Marktteilnehmer oder beispielsweise der Beschäftigten der Commerzbank zu stärken.“ All diese Unstimmigkeiten werfen einige schwerwiegende Fragen auf.

Warum hat die Bundesregierung entschieden, gerade jetzt das Aktienpaket zu verkaufen? Zum aktuellen Zeitpunkt bestand keine Eile, denn die Profitabilität des Instituts konnte in den letzten Jahren deutlich gesteigert werden. Warum hat die Bundesregierung diesen positiven Trend also nicht weiter abgewartet, um einen höheren Verkaufswert für die Aktien zu erzielen? Durch den überhasteten Verkauf wurden stattdessen deutliche Verluste realisiert, die zulasten des Steuerzahlers gehen. Auch stellt sich die Frage, warum das offene Bieterverfahren gewählt wurde, wo UniCredit doch im Vorfeld Interesse an einer Übernahme angedeutet hatte. Statt im Paket hätte man die Anteile auch schrittweise und in kleineren Tranchen am freien Aktienmarkt anbieten können. Damit wäre das Risiko eines Kaufs durch einen einzigen Investor deutlich geringer gewesen.

Unklar bleibt auch, welche strukturellen Folgen im Urteil der Bundesregierung ein Zusammenschluss von UniCredit und Commerzbank auf das deutsche Finanzsystem haben könnte. Immerhin ist die Commerzbank sowohl in der Mittelstands- als auch in der Außenhandelsfinanzierung von erheblicher Bedeutung für unsere Wirtschaft, von den 27.000 gutbezahlten Jobs ganz zu schweigen. Und welche Folgen ergeben sich für die Finanzstabilität? Wäre ein konsolidiertes Institut erneut „too big to fail“, sodass im Fall einer Krise abermals der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden könnte? Dass dies kein geringes Risiko ist, manifestiert sich nicht zuletzt am hohen Staaten-Banken-Nexus in der Bilanz der UniCredit, auf der rund 40 Mrd. Euro in Form von italienischen Staatsanleihen liegen.

Bisher konnte uns die Bundesregierung keine zufriedenstellenden Antworten auf diese Fragen geben. Wir werden aber nicht lockerlassen und die Regierung auffordern, mehr Licht in den Vorgang zu bringen.

Klaus Wiener, 62, ist CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Mettmann I. Der promovierte Volkswirt ist Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sowie Fragen der sozialen Marktwirtschaft.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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