Analyse
Erscheinungsdatum: 11. Januar 2023

Berlin will digitales Zeugnis auf Blockchain-Basis 

Die Schulbehörde der neuen KMK-Präsidentin wagt einen Alleingang. Obwohl Sachsen-Anhalt zuständig ist, will Berlin vorschnell ein digitales Zeugnis testen. Die Technologie, die dabei zum Zuge kommen soll, ist umstritten.

Die Einführung digitaler Zeugnisse ist deutschlandweit seit längerem geplant. Nun will Berlin offenbar nicht mehr warten. Fälschungssicher und praktisch soll das digitale Zeugnis sein. Die Testphase in Berlin soll noch in diesem Jahr starten. Aus einer Anfrage des Abgeordneten Louis Krüger (Grüne) an die Berliner Schulverwaltung geht hervor, dass der Senat den Einsatz einer „in München vorhandenen Lösung“ plant. Einer Technologie, die für digitale Zeugnisse inzwischen als nicht geboten angesehen wird. Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) ficht das nicht an. „Mit diesem Tool kann man mühelos Zeugnisse erstellen “, sagte sie Bildung.Table. „Das ist gut, das wollen wir.“

Berlins Zeugnisvariante hat die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern entwickelt. Der für Digitales zuständige Staatssekretär in der Berliner Schulverwaltung, Aziz Bozkurt (SPD), antwortete auf die Anfrage von Grünen-Politiker Krüger. Die bayerische Lösung verfüge „über ein Sicherheitskonzept, das gemäß der Vorgabe des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erstellt wurde“. Auch der Datenschutz sei berücksichtigt. Die IHK München habe es mit der zuständigen Datenschutzbeauftragten abgestimmt.

Berlins Vorhaben liegt jedoch quer zur Pionierarbeit in Sachsen-Anhalts Digitalministerium. Magdeburg soll stellvertretend für alle Bundesländer ein solches Zeugnis entwickeln. Das Berliner Vorgehen dürfte dort daher für Irritationen sorgen. Die Bundesdruckerei und Govdigital, ein Zusammenschluss öffentlicher IT-Dienstleister, arbeiten mit Sachsen-Anhalt an dem bundesweiten Digital-Zeugnis. Ein erster Testlauf des Zeugnisses ist im vergangenen Jahr gescheitert. Bereits im Vorfeld war die Kritik an Sachsen-Anhalts Vorgehen groß – weil das Land auf die Blockchain-Technologie setzte.

So sollte das Zensurendokument aus Sachsen-Anhalt nicht von einem zentralen Schlüssel zertifiziert werden, wie das etwa bei digitalen Impfnachweisen in der EU geschieht. Stattdessen sollten stetig Zertifikate als „Blöcke“ an lange „Ketten“ von vorherigen Zertifikaten anhängt und kryptographisch mit ihnen verknüpft werden. Eine Veränderung beziehungsweise eine Manipulation bestehender Daten in einer Blockchain soll so nicht möglich sein, ohne dass ein merklicher Fehler entstehen würde. Wer ein Zeugnis korrigieren möchte, müsste es als neue Version in der Blockchain ablegen.

Die Blockchain-Technologie ist vor allem aus der Welt der Kryptowährungen bekannt. Weil es dort absichtlich keine vertrauenswürdige, zentrale Autorität gibt, soll Vertrauen mithilfe der Blockchain geschaffen werden. Im Fall des digitalen Zeugnisses stellen Kritiker die Frage: Wozu auf eine derart komplexe, wenig erprobte Technologie setzen, wenn es einfachere Methoden gibt? Und wenn ein Vertrauensproblem, mit dem die Kryptowährungen arbeiten müssen, gar nicht vorliegt?

Sachsen-Anhalt ist inzwischen vom Blockchain-Weg abgerückt. Der dortige Digitalstaatssekretär Bernd Schlömer (FDP) betrachtet die Technologie als „überdimensioniert“ für die Erstellung von Schulzeugnissen. Zu Bildung.Table sagte Schlömer, der Berliner Weg sei „nicht zielführend und macht keinen Sinn.“ Sein Bundesland werde noch dieses Jahr seine Variante für das digitale Zeugnis vorlegen. Dieses sei dann auch im geplanten Zertifikats-Wallet der Nationalen Bildungsplattform nutzbar.

Offenbar teilt man in Berlins Schulverwaltung diese Einschätzung nicht. Die Senatorin und neue KMK-Präsidentin Busse sagte, Berliner Lehrern sei Sachsen-Anhalt nicht so wichtig. „Die sind froh, wenn es funktioniert.“ In Busses Haus sieht man weiterhin Vorteile in der Blockchain. Aufgrund „des Spurwechsels in Sachsen-Anhalt“ sondiere man einen alternativen Weg. Der soll „zu einer modernen, sicheren und benutzerfreundlichen Lösung“ führen. Ein enger Erfahrungsaustausch mit Sachsen-Anhalt fände selbstverständlich weiterhin statt. Um eine Übergangslösung soll es sich laut Senatsverwaltung bei der Münchner Technologie nicht handeln. Franz Hausmann

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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