Analyse
Erscheinungsdatum: 20. Februar 2025

AfD-Fraktionsvize hinterlässt bemerkenswert russlandfreundliche Bilanz

Stefan Keuter hat während der Legislaturperiode erstaunlich viele Anfragen gestellt, die Moskau mindestens interessieren dürften. Der AfD-Fraktionvize soll zuvor schon im Auftrag Chinas die Bundesregierung befragt haben. Auch seine Russland-Nähe ist seit Jahren bekannt.

Unter den vielen Anfragen zu Russland, Ukraine und verwandten Themen fällt innerhalb der AfD die Bilanz von Stefan Keuter zum Ende der Legislaturperiode besonders auf. Table.Briefings hat alle Anfragen des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden ausgewertet. Einen Teil davon stellte er mit wechselnden Kollegen, andere allein. Bei rund 80 davon fällt auf, dass sie Moskau mindestens interessieren dürften, weil sie in Verbindung zu russischer Politik stehen. In seiner neuesten Anfrage Ende Januar etwa wollte Keuter von der Bundesregierung wissen, ob der Ukraine-Krieg als Stellvertreterkrieg einzuordnen sei. Oft bleibt es nicht so allgemein, sondern betrifft wesentlich Konkreteres – potenziell strategische Fragen.

In früheren Anfragen interessierte sich Keuter etwa für das Treiben bestimmter Initiativen in der Ukraine, „Verbrechen der Organisation Ukrainischer Nationalisten“, Dienstreisen von deutschen Soldaten, Bundeswehr- und Nato-Tätigkeiten in der Ukraine oder die Sprengung von Teilen der Nord-Stream-Pipelines. Keuter wollte von der Bundesregierung Konkretes zu den Tätigkeiten ukrainischer Oppositioneller erfahren, erkundigte sich nach angeblichen Aufrufen der ukrainischen Regierung an Zivilisten, Molotowcocktails einzusetzen. Keuter fragte zum Aufenthalt ukrainischer Wehrpflichtiger in Deutschland und, ob die Bundesregierung gedenke, sie zurückzuführen. Er wollte Näheres zum Kauf ukrainischer Landwirtschaftsflächen durch US-Unternehmen wissen, oder zur „Dekolonialisierung Russlands“.

Er hakte nach zu den Angeboten von Putin zur Gaslieferung über Nord Stream 2 im Sommer nach Beginn des Angriffskriegs, zu Kriterien für den EU-Beitritt der Ukraine und den Schaden der russischen Wirtschaft durch Sanktionen im Kontext des Wertpapierhandels. Außerdem fragt er zu Militärvorhaben Deutschlands in der Ukraine, zur Leistungsfähigkeit des BND im Zusammenhang mit der „Evakuierung“ von BND-Präsident Bruno Kahl aus der Ukraine und zu zahlreichen weitere Themen, oft auch Georgien oder Moldau betreffend. Einem Bundestagsabgeordneten steht es zunächst frei, der Bundesregierung Fragen zu Themen zu stellen, mit denen er sich befasst.

Allerdings fiel Stefan Keuter in der Vergangenheit immer wieder durch seine Russland-Nähe auf. Trotz einigen Unmuts in seiner Partei präsentierte er sich dort mehrfach als „Wahlbeobachter“ – auch dann, wenn die OSZE wegen heftiger Auflagen keine eigenen entsandte; nach OSZE-Einschätzung war eine freie, unabhängige und somit die Realität abbildende Beobachtung nicht möglich. Berichte über das Agieren Russlands bei dessen Angriffskrieg stellte Keuter mehrfach infrage oder romantisierte es.

Gegenüber Table.Briefings sagten verschiedene voneinander unabhängige Quellen aus AfD-Kreisen, dass Keuter mit seinen guten Kontakten zur russischen Botschaft geprahlt habe – wie zufrieden diese mit seinem parlamentarischen Handeln sei. Damit, dass er in ihrem Sinne Anfragen an die Bundesregierung gestellt habe; in den von den besagten Quellen beschriebenen Fällen kostenlos, was Keuter dort nach angeblich eigenen Aussagen besonders beliebt gemacht habe. Keuter wollte sich gegenüber Table.Briefings nicht dazu äußern.

Der Vorwurf, im Sinne autokratischer Regierungen im Bundestag zu agieren, kam gegen Keuter schon früher auf: Wie der Spiegel 2023 berichtete, soll Keuter zur Corona-Zeit Anfragen im Auftrag Chinas an die Bundesregierung gestellt haben. Im selben Jahr war bekannt geworden, dass Keuter sich für die Freilassung eines in der Ukraine festgenommenen deutschen Söldners eingesetzt haben soll, der auf russischer Seite gekämpft hatte.

Wie wohl er sich in Russland fühlt, erzählte Keuter unter anderem 2018 in einem Video, als er mit seinem Bundestagskollegen Dietmar Friedhoff zur „Wahlbeobachtung“ in Moskau war. Es liegt Table.Briefings vor. „Also der Dietmar wollte sagen, dass er hier in einer Suite sitzt, dass die Flasche Wodka schon mega leer ist, dass die Stimmung gut ist, dass wir VIP-Gäste sind, die hier nicht wirklich was bezahlen müssen“, schwärmte Keuter.

Zuletzt hätte Keuter den Sprecher des Arbeitskreises Außen wegen dessen Moskau-Nähe beinahe abgelöst. Im November wollte die Fraktion mit einem teils prominent unterstützten Antrag ihren AK-Außen-Sprecher Matthias Moosdorf absetzen; eine Honorarprofessur in Moskau brachte viele endgültig gegen den AfD-Abgeordneten aus Sachsen auf. Aus Ausschuss-Kreisen hieß es gegenüber Table.Briefings, Moosdorf-Gegnerin Beatrix von Storch habe sich dafür eingesetzt, Keuter zu installieren. Von Storch, wie Keuter eine von vier Fraktions-Vizechefinnen, gilt als einflussreiche Netzwerkerin und klare „Transatlantikerin“ innerhalb der AfD: Vergleichsweise kritischer gegenüber Russland und tendenziell für den Verbleib Deutschlands in der Nato.

Von einigen heißt es, Keuter habe wahrgenommen, dass ihre Linie in der Fraktion populärer geworden sei als die der Russland-Nahen, weswegen er seine Ausrichtung geändert habe. Am Ende kam es nicht zur Abstimmung. Manche vorherige Unterstützer Keuters erklärten, dass es sich so kurz vor der Bundestagswahl nicht mehr gelohnt hätte, einen neuen Sprecher zu installieren. Andere räumten ein, dass man erkannt habe, dass Keuter untragbar sei.

Für die künftige Legislatur wünschen sich viele weder Keuter noch Moosdorf als Sprecher des AK Außen. Während man Moosdorf allerdings eine Nähe zu Moskau aus Überzeugung und privater Verbindung nachsagt, sehen es bei Keuter viele anders. Ihn beschreiben sie als Opportunisten; als einen, der auslote, wo am meisten zu holen sei. In verschiedensten AfD-Ecken erinnert man sich an die Verschuldung Keuters zu Beginn seiner Parteikarriere – Keuter war früher beispielsweise Geschäftsführer der Tradco GmbH mit Sitz in Essen, die 2016 Insolvenz anmeldete. Probleme, die er seit Beginn seines Abgeordneten-Daseins 2017 dem Vernehmen nach recht gut ausgeglichen hat.

Keuter gilt innerhalb der AfD trotz seiner Position als Fraktionsvize nicht als einer, den man gerne in Spitzenämtern sähe, auch wegen seiner mutmaßlichen Angreifbarkeit. Gleichwohl konnte er sich trotz aller Vorwürfe behaupten – in diesem Text ist nur ein Teil davon erwähnt. In NRW schaffte er es bei der Listenaufstellung im Januar auf den Listenplatz 12. Sein Wiedereinzug in den Bundestag gilt als sicher.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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