
Die Fußball-EM in Deutschland im kommenden Jahr soll klimaneutral sein. Doch wie immer mit diesem Label ist die Umsetzung kompliziert und teuer. Und die Kompensation von CO₂-Emissionen erweist sich als anfällig für Greenwashing.
Von Lukas Knigge
Christian Klein, Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel und Mitglied der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance, über die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Waffenlobby, die Sorgen der ESG-Fonds und welche Schwierigkeiten Banken haben, ihr Kreditportfolio klimaneutral zu bekommen. Das Gespräch führte Caspar Dohmen.
Von Caspar Dohmen
Ohne eine deutliche Zunahme der CO₂-Speicher ist ein klimaneutrales Europa außer Reichweite. Die EU-Kommission setzt dabei vor allem auf Carbon Farming und hat einen Rechtsrahmen zur Zertifizierung von CO₂-Senkleistung auf den Weg gebracht. Doch genau das könnte die Ziele gefährden.
Von Timo Landenberger
Behauptungen über die Umweltverträglichkeit von Produkten sind oft falsch oder irreführend. Mit einer Richtlinie sagt die EU-Kommission diesem Greenwashing nun den Kampf an. Erste Reaktionen auf den geleakten Entwurf für „Green Claims“ sind positiv – nur die Industrie befürchtet Widersprüche.
Von Leonie Düngefeld
Das Thema Greenwashing erfährt derzeit eine hohe Relevanz in der Nachhaltigkeitsdebatte. Während zahlreiche Unternehmen Nachhaltigkeitsversprechen abgeben, zeigt sich, dass viele davon nicht mehr als Marketingstrategien sind, um umweltbewusste Verbraucher zu täuschen. Doch was genau bedeutet Greenwashing, warum betreiben Unternehmen diese Praxis und wie wird es durch gesetzliche Maßnahmen wie die EU-Richtlinie Greenwashing reguliert? Lesen Sie hier alles zu aktuellen Regulierungen und Entwicklungen im Bereich Greenwashing von der Table.Briefings-Redaktion.
Der Begriff
Greenwashing
beschreibt den Versuch von Unternehmen, sich umweltfreundlicher darzustellen, als es der Realität entspricht. Dies erfolgt häufig durch irreführende
Werbung
, falsche Versprechen oder die Betonung kleiner, nachhaltiger Maßnahmen, während die Hauptgeschäftsbereiche weiterhin umweltschädlich bleiben. Der Begriff stammt aus dem Englischen und setzt sich zusammen aus „green“ (grün, also umweltfreundlich) und „whitewashing“ (Schönfärberei). Ziel ist es, das Image eines Unternehmens zu verbessern, ohne tatsächlich einen signifikanten Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.
Unternehmen greifen aus verschiedenen Gründen auf
Greenwashing
zurück:
Wachsende Nachfrage nach Nachhaltigkeit: Verbraucher legen immer mehr Wert auf nachhaltige Produkte. Unternehmen nutzen Greenwashing, um diese Nachfrage zu bedienen, ohne ihre Prozesse grundlegend zu ändern. Dabei reichen oft minimale Anpassungen, wie die Verwendung von Schlagwörtern wie „grün“ oder „umweltfreundlich“, um ein positives Image zu erzeugen.
Wettbewerbsdruck: In Branchen, in denen Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil gilt, versuchen Unternehmen durch Greenwashing mitzuhalten. Wer als Marke als „grün“ wahrgenommen wird, kann Kunden binden und neue Zielgruppen ansprechen, auch wenn die beworbenen Maßnahmen kaum Substanz haben.
Fehlende Regulierungen: In vielen Ländern gab es lange Zeit keine klaren Richtlinien oder Gesetze, die Greenwashing unterbinden. Selbst dort, wo Regelungen existieren, fehlt es oft an ausreichender Kontrolle oder Sanktionen, was Greenwashing zu einer risikofreien Strategie macht.
Es gibt verschiedene Arten von
Greenwashing
, die Unternehmen nutzen, um Verbraucher zu täuschen:
Irreführende Begriffe: Begriffe wie „umweltfreundlich“, „nachhaltig“ oder „klimaneutral“ werden häufig verwendet, ohne dass es klare Beweise für diese Aussagen gibt.
Unvollständige Informationen: Unternehmen heben einzelne umweltfreundliche Maßnahmen hervor, ohne die Gesamtauswirkungen ihrer Produkte oder Dienstleistungen offenzulegen.
Falsche Zertifikate und Labels: Manche Unternehmen verwenden Labels, die wie offizielle Umweltzertifikate aussehen, aber tatsächlich keinerlei Standards erfüllen.
Ablenkung von Kernproblemen: Während kleine Verbesserungen hervorgehoben werden, bleiben die größten Umweltschäden des Unternehmens unberührt.
Ein Beispiel hierfür ist die Modeindustrie: Große Marken werben mit nachhaltigen Kollektionen, während ihre Produktionsmethoden weiterhin auf Fast-Fashion-Praktiken basieren. Auch in der Lebensmittelbranche zeigt sich
Greenwashing
häufig, etwa durch Labels wie „natürlich“ oder „ohne Zusatzstoffe“, die oft irreführend eingesetzt werden, um umweltbewusste Konsumenten anzusprechen.
Viele bekannte Marken und Unternehmen sind in der Vergangenheit des
Greenwashings
überführt worden. Bekannte
Greenwashing Beispiele
umfassen unter anderem:
Shell: Die Ölgesellschaft bewirbt Klimaschutzmaßnahmen, während sie weiterhin massiv in fossile Brennstoffe investiert. Solche Widersprüche verdeutlichen, wie weit die Realität von den Werbebotschaften abweichen kann.
Nestlé: Das Unternehmen hat seine Nachhaltigkeitsversprechen oft nicht eingehalten und steht wegen der Plastikverschmutzung in der Kritik. Zudem gibt es Vorwürfe, dass das Unternehmen in Wasserschutzgebieten operiert, ohne Rücksicht auf lokale Umweltprobleme.
Coca-Cola: Das Unternehmen präsentiert sich als Vorreiter im Recycling, steht jedoch aufgrund des hohen Plastikverbrauchs und der begrenzten Recyclingquote in der Kritik. Laut Berichten ist Coca-Cola weiterhin einer der größten Plastikverschmutzer weltweit.
H&M: Die Marke bewirbt „Conscious Collections“, die angeblich nachhaltiger sind, während der Großteil der Produktion weiterhin auf umweltschädlicher Fast Fashion basiert. Transparenz über die tatsächlichen Produktionsbedingungen fehlt dabei oft.
Diese Beispiele zeigen, dass
Greenwashing
kein Problem einzelner Branchen, sondern ein globales Phänomen ist. Es betrifft Unternehmen aus verschiedenen Sektoren, die versuchen, durch irreführende Nachhaltigkeitsbotschaften ihren Ruf zu verbessern, ohne echte Veränderungen umzusetzen.
Die Europäische Union arbeitet an strengeren Maßnahmen, um
Greenwashing
zu verhindern. Die
EU-Richtlinie Greenwashing
zielt darauf ab, irreführende Werbung und falsche Nachhaltigkeitsversprechen zu unterbinden. Die wichtigsten Punkte der Richtlinie:
Klare Definitionen von Begriffen wie „klimaneutral“ oder „umweltfreundlich“.
Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsbehauptungen mit Fakten belegen.
Strengere Strafen für Unternehmen, die Greenwashing betreiben.
Darüber hinaus gibt es Vorschläge für ein
Greenwashing-Verbot
, das irreführende Praktiken in der Werbung vollständig untersagt.
Ein vollständiges Verbot von
Greenwashing
könnte helfen, mehr Transparenz in den Markt zu bringen. Gleichzeitig sind auch die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Pflicht:
Prüfung von Zertifikaten: Auf offizielle Labels wie Blauer Engel oder Fairtrade achten.
Werbeaussagen hinterfragen: Ist das Produkt wirklich so nachhaltig, wie es angepriesen wird?
Verbraucher haben durch bewusste Kaufentscheidungen eine wichtige Rolle dabei, Greenwashing zu verhindern.
Greenwashing
untergräbt das Vertrauen in Nachhaltigkeitsbemühungen und verlangsamt den Fortschritt im Umweltschutz. Unternehmen, die Greenwashing betreiben, riskieren nicht nur ihren Ruf, sondern setzen auch falsche Anreize für andere Marktteilnehmer. Gesetzliche Maßnahmen wie die
EU-Richtlinie Greenwashing
sind ein wichtiger Schritt, um Verbraucher zu schützen und echte Nachhaltigkeit zu fördern. Gleichzeitig bleibt es entscheidend, dass Verbraucher kritisch bleiben und sich über die Praktiken von Unternehmen informieren.
Greenwashing
zu erkennen und zu vermeiden ist eine gemeinschaftliche Aufgabe von Politik, Unternehmen und Gesellschaft – nur so kann echte Nachhaltigkeit erreicht werden.