In den ersten zwei Monaten dieses Jahres wird in der Forschungsszene wieder einmal darüber debattiert, was man unter Forschungsexzellenz in Deutschland versteht. In diesen Tagen wird die Exzellenzkommission anhand von Kriterien den konkreten Wettbewerbsraum für Exzellenzuniversitäten in Deutschland festlegen und am 1. Februar 2024 wird entschieden, welche der rund 200 Anträge für Exzellenz-Cluster in die nächste Runde kommen.
Schlüsselthemen gegen die Innovationsarmut dieses Landes und Schlüsselthemen gegen staatlich gestützte überwiegend introvertierte Forschung ohne Hoffnung auf mittel-bis langfristig kommerzialisierbare Innovation. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern hat ja schon Mitte 2023 beschlossen, von elf auf bis zu 15 Exzellenzuniversitäten aufzustocken. So könnten theoretisch fast alle Bundesländer bedient werden. Denn natürlich steckt hinter solchem Wachstum der Wunsch, das Funding-System noch mehr zu egalisieren. Erst recht bei den Exzellenzclustern. Rund 200 Neu- und Fortsetzungsanträge sind eingegangen und gleichzeitig hat die GWK die Zahl förderungsfähiger Exzellenzcluster von 57 auf bis zu 70 erhöht.
Schon in den Koalitionsverhandlungen hatte ich mich gegen eine so drastische Ausweitung gewehrt. Der verheerende Spruch der ehemaligen Bremer Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt zu den Ergebnissen der damaligen Exzellenzinitiative „Die Spitze liegt in der Breite“ war und ist mir in allen Exzellenzdebatten, die eigentlich Exzellenzerosionsdebatten heißen müssten, allgegenwärtig.
Schon Ende Januar 2016 hat eine Expertenkommission – die Imboden-Kommission – in weiser Vorausschau weiterer Egalisierung und Verflachungsversuche einen Vorschlag zur weiteren Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft vorgestellt. Demnach sollte die Politik den Titel Exzellenzuniversität anders vergeben und Unis für ihr bisher Geleistetes („Past Merit“) bewerten.
Eine Exzellenzprämie in Höhe von circa 15 Millionen Euro pro Jahr sollte an die zehn besten deutschen Universitäten ausgeschüttet werden – und zwar ausschließlich aufgrund vergangener Forschungsleistungen, also ohne ein Antragsverfahren. In der medialen Wissenschaftsszene fand der Vorschlag ebenfalls Zustimmung.
Hätte man nur auf Imboden und seine Expertenkommission gehört. Stattdessen hat man weitere acht Jahre über Exzellenz schwadroniert und vergessen, dass der Wettbewerb in Wissenschaft, Forschung und Innovation nicht innerdeutsch, sondern international ist.
Wenn ich jetzt über die Position deutscher Universitäten in internationalen Rankings spreche, werden mir sofort deren Mängel in Qualität und Aussagekraft um die Ohren gehauen. Nichtsdestotrotz zelebriert jede deutsche Spitzenuniversität einen guten Platz im Ranking. Welch eine Bigotterie. Übrigens: Auch ich wäre froh, wenn das auf EU-Ebene geschlossene Bündnis „Coalition of Advancing Research Assessment“ (CoARA) bei Reputation und Wirkkraft von Rankings in die Puschen käme. So aber bleibt nur der Blick auf die bisherigen Rankings mit internationaler Reputationskraft:
Zum Vergleich: Die zehnmal kleinere Schweiz hat im Shanghai Ranking fünf Universitäten unter den Top 100 und das um ein Viertel kleinere Großbritannien hat sieben unter den Top 100, davon vier unter den Top 50 und zwei unter den Top 10.
Auch der Stifterverband veröffentlichte dazu eine Studie, die aber leider nur die subjektiven Meinungen von Universitäts-Präsidentinnen und -Präsidenten wiedergibt. Also Stimmungsbarometer, anstelle evidenzbasierter Forschungsergebnisse. Der britische Nationalökonom David Ricardo, der nicht die eingebildete eigene Sichtweise, sondern den komparativen Wettbewerbsvorteil bzw. -nachteil im Blick hatte, wäre nicht so glücklich darüber.
Verschiedene Forscherteams haben zwischen 2017 und 2020 die Effekte, den Impact der Förderung im Rahmen der damaligen Exzellenzinitiative (heute Exzellenzstrategie) auf die Forschung der jeweiligen Universität untersucht.
Die überwiegende Zahl der Forscher und Forscherinnen kam zum Ergebnis, dass die Förderung entweder keine Wirkung oder gar eine negative Wirkung entfaltete: von einem Rückgang der Publikationen je Forscher bis hin zu der Anzahl von Patenten der jeweiligen Institution. Bezogen auf Exzellenzcluster belegte eine Studie zwar einen positiven Effekt auf die Anzahl von Publikationen, jedoch keinen Effekt auf die Anzahl der Zitationen, den Anteil hoch zitierter Publikationen oder die Zahl der Patente je Forscher: eine Indikation für die mangelnde Qualität der Papers.
Eine spätere Studie kommt zudem zu einem negativen Effekt. Bastian Krieger vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) fasst in seiner Studie „Heterogenous regional university funding and firm innovation – An empirical analysis of the German Excellence Initiative“ (2023) nicht nur diese Studien zusammen, sondern kommt auch zur Konklusion, dass die Förderung keinen klaren Effekt auf die Forschungsperformanz von Universitäten hat und einen potenziell schädlichen Effekt auf universitäre Patente aufweist.
Zudem kommt Krieger im empirischen Kern seiner Studie zu dem Ergebnis, dass die Förderung eines zusätzlichen Exzellenzclusters einer Universität in einer Wirtschaftsregion die Innovationswahrscheinlichkeit regionaler Firmen um 0,3 bis 0,9 Prozentpunkte erhöht.
Allerdings, und das ist forschungsstrategisch bedeutsam, ist dieser positive Effekt vor allem getrieben von Universitätsregionen, die mehr als drei Exzellenzcluster besitzen, und das sind in Deutschland die Wirtschaftsregionen Berlin und München. Ein weiterer Beleg für den im Evaluierungsbericht der Imboden-Kommission enthaltenen Reformvorschlag, den jetzt schon besten Universitäten eine millionenschwere Exzellenzprämie zukommen zu lassen und damit bisher gezeigte Forschungsperformanz („Past Merit“) zu honorieren, statt potenzieller Performance in der Zukunft.
Da auf Bundesebene zusätzliches Budget für Exzellenzprämien für die Top 10 Spitzenuniversitäten in dieser Legislatur höchst unwahrscheinlich ist, müssen wir anfangs wie in Großbritannien überwiegend lokale, regionale und bundeslandspezifische Incentivierungen greifen. Zum Beispiel:
Auf den Feldern, auf denen der Bund in seiner Regulatorik (mit-)betroffen ist, schafft er die nötigen Gestaltungsspielräume bis an die Grenzen des EU-Beihilferechts und fordert gegebenenfalls nötige rechtliche Veränderungen.