Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 06. November 2024

Im Schatten der US-Wahl knüpft Russland engere Allianzen

Moskau vertieft seine Beziehungen zu Staaten wie Nordkorea, China oder den anderen BRICS-Staaten. Vor dem Hintergrund der machtpolitischen Verschiebungen ist es im höchsten Interesse Europas, das Verhältnis zu den USA zu pflegen, schreibt Daniela Schwarzer – egal, wer ins Weiße Haus einzieht.

Die US-Wahl wird weltweit mit großem Interesse verfolgt – und dies besonders aus geopolitischer Hinsicht. Seit einiger Zeit wird die Welt immer stärker geprägt von machtbasierten Beziehungsgefügen, in denen um Einflusszonen gerungen wird und internationale Regeln und Verhandlungslösungen weniger Geltung haben dürften. Wie die USA sich in dieser Welt positionieren, wird diese Entwicklung maßgeblich beeinflussen.

Für Europa ist die zentrale Frage, ob die Nato ihre Abschreckungskraft behält und ihre Beistandsklausel glaubwürdig bleibt. Um beides zu schwächen, bedarf es nicht eines Austritts der USA aus der Nato – schon wenige Sätze über US-Interessen, die sich von Europa wegbewegen, würden dafür ausreichen. Eine weitere zentrale Frage ist, ob Europa bald mit Kanada und einigen Alliierten in Asien wie Japan einen größeren Anteil der Unterstützung der Ukraine übernehmen muss. Deutschland betrifft die Frage nach Europas künftiger Sicherheitsordnung besonders aufgrund der geografischen Lage und unserer Verantwortung als größter EU-Staat.

Wie der Krieg ausgeht, ist nicht nur für die Ukraine relevant: Es geht um die Frage, ob eine Atommacht damit durchkommt, einen souveränen Nachbarn zu überfallen und sämtliche Normen verletzt, die ein friedliches Miteinander souveräner Staaten in der Weltgemeinschaft regeln. Andere Staaten wie China, Nordkorea oder der Iran sehen genau zu.

Nun spannt Russland, das selbst mit den Folgen seines Angriffskriegs ringt, seine Netze weiter. Das russische Parlament ratifizierte im Oktober eine strategische Partnerschaft mit dem unterdrückerischsten aller autoritären Regime der Welt. Bevor die Tinte unter dem Abkommen trocken war, zirkulierten Bilder von nordkoreanischen Soldaten auf russischem Territorium. Putin bestritt nicht, dass sie mit russischen Rekruten gegen die Ukraine in den Krieg ziehen. Laut US-Geheimdienstinformationen befinden sich bereits 11.000 Nordkoreaner in Russland.

Russland ist also trotz aller Bemühungen des politischen Westens und trotz seiner menschenverachtenden Kriegsführung bei weitem nicht isoliert. Bei dem dreitägigen BRICS-Gipfel im russischen Kazan versammelte Putin im Oktober 2024 Vertreter von 36 Staaten. Zu den BRICS gehören seit 2009 Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Seit Kurzem sind auch der Iran, Ägypten, Äthiopien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien dabei. Die Türkei, Aserbaidschan, Malaysia und weitere Staaten haben Interesse. Trotz des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs ist es Putin gelungen, den seit langer Zeit größten internationalen Gipfel auf russischem Territorium durchzuführen.

Dem politischen Westen und dem anwesenden UN-Generalsekretär signalisierten die Anwesenden: Eure Dominanz ist vorbei, die internationale Agenda setzen wir selbst. Zunehmend organisieren sich die Staaten, die eine andere Vorstellung von der internationalen Ordnung haben als die Länder des politischen Westens.

Putin verfolgt gemeinsam mit Xi Jinping seit Jahren das Ziel, die internationale Weltordnung zu verändern. Aufgeschrieben haben die beiden Staatschefs der größen- und machtmäßig sehr ungleichen Partner Russland und China dies bereits 2022: Nur gut zwei Wochen vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine präsentierten sie gemeinsam ihre autoritäre Sicht auf eine andere Weltordnung.

Dabei geht es zum einen darum, die Durchsetzungskraft westlicher Normen zu schwächen. China will zudem die USA als stärkste Weltmacht verdrängen. Putin versucht, Russlands Einfluss in Osteuropa auszudehnen und sein Image der Regionalmacht abzustreifen – seit Jahren kämpft er um Anerkennung als Großmacht. Er mischt und mischte daher in vielen Konflikten mit: von der Ukraine über Mali bis zum Syrienkrieg.

Putin will wieder mit am Tisch sitzen, wenn die Großen verhandeln, und da stört ihn der Schulterschluss mit Kriegsverbrechern wie Baschar al-Assad nicht. Durch hybride Kriegsführung versuchen Moskau und Peking, Demokratien zu schwächen im Versuch, parallele Macht- und Ordnungsstrukturen zur westlich dominierten Weltordnung aufzuziehen.

Vor dem Hintergrund der machtpolitischen Verschiebungen, der Aufwertung der BRICS und neuer militärischer Kooperationen ist es im höchsten Interesse der europäischen Staaten, ihr Verhältnis zu den USA zu pflegen – egal wer in das Weiße Haus einzieht. Dafür müssen die Europäer einen größeren Beitrag zur Nato leisten und die sicherheitspolitischen Prioritäten der USA unterstützen, die weiter nach Asien rücken werden. Partnerschaften außerhalb Europas müssen verbreitert und vertieft werden. Insbesondere im asiatischen Raum, etwa mit Südkorea und Japan, mit dem die Beziehungen in politischer und militärischer Hinsicht in den letzten Jahren deutlich ausgebaut wurden.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!