Table.Briefing: Europe

Verbrenner-Aus besiegelt + Chinesische Übernahme? + Quick Freeze statt Vorratsdatenspeicherung

  • Quick Freeze: Deutschland friert EU-Debatte mit ein
  • Wie schwer wiegt die Elmos-Übernahme?
  • Verbrenner-Aus im Trilog besiegelt
  • Russland droht mit Angriff auf kommerzielle westliche Satelliten
  • EDF erwartet wegen Ausfall von Atomreaktoren 32 Milliarden Euro Verlust
  • EuGH: Bürger müssen persönliche Daten einfach löschen lassen können
  • EU-Kommission: Weg frei für Fischerei-Entschädigung
  • Heads: Claudia Labisch – Die Fäden der Forschung zusammenführen
Liebe Leserin, lieber Leser,

Justizminister Marco Buschmann (FDP) brachte diese Woche frischen Wind in die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Schon lange will die FDP weg von einer anlasslosen, allgemeinen Datenspeicherung, wie sie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) favorisiert. Dem Entwurf nach, den Buschmann nun vorgelegt hat, will Deutschland mit einem Quick-Freeze-Ansatz einen deutlich anderen Weg als die EU gehen. Falk Steiner hat den Entwurf analysiert.

Nach dem Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco bei einem Hamburger Hafenterminal sorgt jetzt eine weitere mögliche Übernahme mit chinesischer Beteiligung für Gesprächsstoff. Ausgerechnet einen deutschen Chiphersteller will das chinesisch-schwedische Unternehmen Silex Microsystems kaufen. Finn Meyer-Kuckuk hat sich angesehen, ob diese Übernahme wirklich so problematisch ist.

Das Verbrenner-Aus wurde dann ganz schnell besiegelt. Die Verhandlungsführer der Co-Gesetzgeber brauchten im Trilog keine fünf Stunden, um sich auf das Auslaufen der Technologie im Jahr 2035 zu einigen, die den Automobilbau für 120 Jahre geprägt und vor allem für die deutschen Hersteller große Erfolge eingefahren hat. Damit das Ende der Ära endgültig ist, müssen Parlament und Mitgliedstaaten den informellen Kompromiss noch absegnen. Eine Formalie.

Krisenzeiten gehen auch an der Forschung meist nicht spurlos vorbei. Ob Energieknappheit oder Budgetkürzungen, unter beidem leiden auch Forschungsinstitute und deren Projekte. Claudia Labisch vertritt als Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft die Interessen der 97 deutschen Leibniz-Institute. Im Portrait stelle ich die Nürnbergerin vor.

Und damit wünsche ich ein schönes Wochenende, genießen Sie die zusätzliche Stunde Schlaf am Sonntag!

Ihre
Lisa-Martina Klein
Bild von Lisa-Martina  Klein

Analyse

Quick Freeze: Deutschland friert EU-Debatte mit ein

Die Debatte um die Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten auf Vorrat wird seit fast zwei Jahrzehnten geführt – in Deutschland und in der EU. Während die Technologie sich weiterentwickelte, wurde nacheinander den nationalen Umsetzungen und der zugrundeliegenden EU-Regelung von Gerichten enge Grenzen gesetzt. Stets gegen die umfassende Speicherung: Die FDP und die Grünen. Nun gemeinsam mit der SPD die Bundesrepublik regierend, hat sich das politische Gewicht zu ihren Gunsten verschoben. Die Zuständigkeit für das Dossier liegt bei Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).

Der gibt sich kampfeslustig, wenn es um die Zukunft beziehungsweise das Ende der Vorratsdatenspeicherung geht: Am Dienstag gab sein Haus den Referentenentwurf in die Kabinettsabstimmung. Damit will Buschmann von einer allumfassenden Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten auf Vorrat wegkommen und zu einem anlassbezogenen Speicherregime gelangen. Sobald ein Anfangsverdacht auf eine erhebliche Straftat vorliegt, so der Entwurf, sollen Telekommunikationsbetreiber zur Sicherstellung von Verbindungs- und Standortdaten angehalten werden können.

Wenn auf dieses “Einfrieren” der zu dem Zeitpunkt beim Telekommunikationsanbieter vorliegenden Daten ein tatsächlicher Bedarf an den Daten im Rahmen weiterer Ermittlungen folgt, können diese dann “Aufgetaut” werden. Standortdaten, etwa aus den Mobilfunknetzen, sollen dabei im Regelfall ausschließlich bis zu dem Zeitpunkt der Anordnung genutzt werden dürfen, nach dem Einfrierzeitpunkt nur dann, wenn es für die Erforschung der Straftat oder den Aufenthaltsort des Beschuldigten erforderlich ist.

Damit lägen die Hürden hoch, wenn auch nicht unendlich hoch. Eine Ausnahme bei den Telekommunikationsdaten soll dem Referentenentwurf zufolge für mittels Computer begangene Straftaten gelten, wenn es sonst keinen Ermittlungsansatz gibt – diese fallen nicht unter das Quick Freeze-Verfahren.

Koalitionskrach

Mit diesem relativ eng gesteckten Entwurf zieht Buschmann Kritik aus Reihen des SPD-Koalitionspartners auf sich: Innenministerin Nancy Faeser hätte sich gewünscht, dass der maximale Rahmen, den der Europäische Gerichtshof überlassen hat, auch ausgeschöpft wird. Sie hätte gerne eine anlasslose und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung für Verbindungen und Standortdaten an möglicherweise besonders gefährdeten Orten wie Bahnhöfen oder Flughäfen.

Und auch eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen würde Faeser deutlich besser gefallen, diese hatte der EuGH ebenfalls in gewissem Rahmen für zulässig erklärt. Ihre Verhandlungsposition allerdings ist schlecht: Ohne Neuregelung gibt es in Deutschland keine zulässige Vorratsdatenspeicherung – und der Koalitionsvertrag stellt Bedingungen für eine Neuregelung, die mit einer anlasslosen Massenüberwachung kaum kompatibel sind. Und auch in der SPD selbst ist das Thema seit einem Jahrzehnt toxisch: vor allem Digitalpolitiker und Jusos haben sich immer wieder gegen die Vorratsdatenspeicherung stark gemacht.

EU-Staaten mit ganz unterschiedlichen Ausgangslagen

Was aber klar ist: Ein großer Teil der EU-Mitgliedstaaten wird einen anderen Weg gehen als Deutschland unter seiner Ampelregierung. Manche Mitgliedstaaten drängen bereits seit etlichen Monaten auf eine europaweite Neuregelung. Zugleich ist die europäische Ausgangslage sehr uneinheitlich: Vergleichbar Deutschland wurde die jeweilige nationale Vorratsdatenspeicherung in einigen Mitgliedstaaten von nationalen Gerichten oder dem Europäischen Gerichtshof in ihrer jeweiligen Ausgestaltung für unzulässig erklärt. In Österreich gibt es ähnlich dem deutschen Quick Freeze-Vorschlag die sogenannte Anlassdatenspeicherung.

In Dänemark und Belgien wurden nach den ersten Urteilen neue Gesetze verabschiedet, die vordergründig zielgerichteter sind als die vorherigen Regelungen. Diese könnten nach dem vorerst letzten EuGH-Urteil aber erneut fallen, da auch sie die Kriterien der Luxemburger Richter nach dem Urteil zur deutschen Rechtslage nicht in allen Punkten erfüllen. In Frankreich behauptete die Regierung kurzerhand, dass die nationale Sicherheitslage insgesamt so kritisch sei, dass eine Vorratsdatenspeicherung zulässig wäre – und bislang regt sich seitens der EU-Kommission als Hüterin der Verträge keine merkliche Kritik daran.

Gemeinsame Standards könnten kommen

Mit einer Wiedereinführung einer allgemeinen, anlasslosen Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene ist derzeit jedoch nicht zu rechnen, da diese mit Europarecht nach den EuGH-Urteilen nicht kompatibel sein kann. Allerdings erwartet Chloé Berthélemy von der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRI), dass einige Mitgliedstaaten gemeinsame Standards für IP-Adressen-Vorratsdatenspeicherung anstreben würden. Immer wieder wird zwar gemunkelt, dass eine solche doch in die inzwischen fast fünf Jahre überfällige E-Privacy-Verordnung hineinkommen könne.

Dem erteilte die zuständige Parlamentsberichterstatterin Birgit Sippel (SPD/S&D) am Mittwoch beim Wirtschaftsforum der SPD jedoch eine klare Absage: Sollte es eine Neuauflage geben sollen, würde dafür ein eigenes Gesetz benötigt. Ob sich aber gemeinsame Kriterien, etwa in Form einer standardisierten Quick Freeze-Umsetzung europaweit einheitlich vereinbaren ließen, ist derzeit ebenfalls offen. Für die Bürgerrechtler von EDRI wäre das wünschenswert.

“Wir glauben, dass das ein Ansatz ist, der verhältnismäßig ist und die personenbezogenen Daten, die von Privatunternehmen gespeichert sind, von missbräuchlichen Polizeizugriffen schützt und zugleich auch ein effektives Werkzeug bietet, wenn Daten für Strafverfolgungszwecke nötig sind”, sagt Berthélemy. Allerdings müsste dabei vor allem auf die Zugriffsregeln für Polizei und Justiz beachtet werden, unter anderem den Richtervorbehalt.

Hier seien die Regelungen des Vorschlags einer Elektronischen Beweismittel-Richtlinie ein Rahmen, wie damit über Landesgrenzen in der EU verfahren werden könnte, so Berthélemy. Die e-Evidence-Richtlinie steht dabei laut Birgit Sippel, die auch dieses Dossier für das Parlament im Trilog verhandelt, inzwischen kurz vor dem Abschluss- die Mitgliedstaaten müssten sich noch einigen, im Dezember könne dann aber der finale Trilog zur Einigung stattfinden.

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EU-Monitoring

03.11.2022
Treffen der G7-Außenminister
Themen: Aktuelle Fragen und strategische Herausforderungen, insbesondere der Angriff Russlands auf die Ukraine und seine Folgen für Europa, transatlantische Zusammenarbeit und die internationale Ordnung. Infos

03.11.2022
Westbalkangipfeltreffen
Themen: Aktionsplan für den gemeinsamen regionalen Markt. Infos

Wie schwer wiegt die Elmos-Übernahme?

Nur wenige Tage nach der Entscheidung über den Cosco-Einstieg in Hamburg löst eine weitere potenzielle Übernahme mit chinesischer Beteiligung eine neue Debatte aus. Es geht hier um den Kauf einer Fabrik des Dortmunder Halbleiterherstellers Elmos. Bereits im Dezember vergangenen Jahres hat das Unternehmen bekanntgegeben, die Wafer-Fertigung an den schwedisch-chinesischen Konkurrenten Silex Microsystems abzutreten. Die Regierung will die Übernahme genehmigen, berichtet nun das Handelsblatt am Donnerstag aus Berliner Regierungskreisen. Die Übernahme ist genehmigungspflichtig.

Die Regierung sieht in der Übernahme bisher offenbar kein Problem. Das hat eine Reihe von guten Gründen:

  • Die Technik von Elmos ist veraltet – China wird hier nichts Neues lernen.
  • Der Standort ist nicht sonderlich profitabel und würde ohne einen Investor ohnehin nicht überleben.
  • Das Geschäft ist sehr klein; der Kaufpreis sollte lediglich 77,5 Millionen Euro betragen.
  • Elmos sollte Eigentümer der Gebäude bleiben und sie an den neuen Betreiber vermieten.
  • Silex Microsystems wurde in Schweden gegründet und wird weiterhin von dort verwaltet. Es befindet sich bloß seit 2015 in der Hand des kleineren Hongkonger Investors GAE. Da stellt sich die Frage, wie chinesisch das Werk in Dortmund überhaupt wird.

Die Firma Elmos befindet sich derzeit nicht unbedingt im Aufwind, obwohl die Eckdaten zunächst vielversprechend klingen. Das Unternehmen ist auf Chips spezialisiert, die in der Autoindustrie vielfach zum Einsatz kommen. Ein Fokus des Unternehmens liegt auf Bausteinen, die einen festgeschriebenen Code ausführen. Damit unterscheiden sie sich von Prozessoren, die beliebigen Code ausführen können, und Speicherchips, die gar keinen Code ausführen können. Für Autos sind sie nützlich und zudem noch preiswert.

Doch das Werk in Dortmund produziert Halbleiterbausteine mit 350 Nanometern Strukturbreite. Das wirkt heute sehr grob. Die technologische Front hat sich gerade auf 7 Nanometer Strukturbreite für hochleistungsfähige Chips verschoben. In der Autoindustrie kommen in fortschrittlichen Modellen derzeit typischerweise Chips mit 90 Nanometern Strukturbreite zum Einsatz, auch wenn das Segment mit über 250 Nanometern weiter eine erhebliche Rolle spielt.

Die Genehmigung des Geschäfts spräche aber gegen den Trend, im Halbleitergeschäft mehr Produktion nach Europa zurückzuholen. Die EU und Deutschland setzen derzeit alle Hebel in Bewegung, um wieder mehr Halbleiterfertigung im Inland anzusiedeln. Ein Werk aus der Hand zu geben, das ausgerechnet Chips für die gebeutelte Autoindustrie herstellt, passt da nicht ins Konzept. Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine hat sich die Sensibilität für die Abhängigkeit von Autokratien zudem stark erhöht. In den kommenden Monaten sind weitere Diskussionen dieser Art zu erwarten, wenn Medien und Politiker weitere Beispiele für die Übertragung wichtiger Anlagegüter an fremde Mächte aufdecken.

TSMC kommt unter anderem wegen Auto-Chips

Der taiwanische Chip-Marktführer TSMC befindet sich in Gesprächen über die Ansiedlung einer Fabrik in der EU. Hier soll es unter anderem um die Arten von Chips gehen, die in den kommenden Jahren von der Fahrzeugindustrie nachgefragt werden. In der engeren Auswahl befindet sich derzeit eine Gewerbefläche bei Dresden. In Japan errichtet TSMC bereits zusammen mit Sony ein Werk in Hinblick auf Abnehmer wie Toyota und Nissan.

Ein TSMC-Werk in Deutschland befände sich nicht nur in einer anderen Größenordnung als die Elmos-Fabrik, sie würde auch auf einem völlig anderen Level spielen. TSMC ist Technikführer mit Geschäftsbeziehungen zu Industriegrößen in allen Branchen. Das Misstrauen gegen China-Partnerschaften nimmt jedoch unabhängig davon zu. Der Bundesnachrichtendienst warnt dem Handelsblatt-Bericht zufolge davor, die Elmos-Fabrik an Silex abzugeben.

Deutschland und die EU sind bisher gegenüber China sogar noch vergleichsweise offen. Die US-Regierung unter Joe Biden hat bereits eine Blockade gegen die chinesische Halbleiterindustrie errichtet. Nicht nur Technikaustausch, auch gegenseitige Geschäfte sind kaum mehr möglich. Auch Anbieter aus Drittländern ziehen sich zum Teil aus China zurück, weil sie den Zorn der USA fürchten. So erwägt der südkoreanische Hersteller SK Hynix, seine Fabrik in Wuxi abzustoßen. Der Betrieb ist ohne Überschneidung mit US-Partnern kaum möglich. Die Übernahme eines US-Halbleiterstandorts durch einen chinesischen Spieler ist heute kaum noch denkbar.

Wann greift das Ministerium ein, wann nicht?

Der Fall Elmos weckt Erinnerungen an Aixtron, einen Mittelständler aus Aachen, der 2016 zum Verkauf stand. Das zuvor in der Öffentlichkeit unbekannte Unternehmen sollte für einen dreistelligen Millionenbetrag an den staatlichen Fujian Grand Chip Investment Fund aus Xiamen gehen. Das Wirtschaftsministerium bescheinigte der Übernahme zunächst die Unbedenklichkeit. Es war dann ein Veto aus Amerika, einem wichtigen Markt für Aixtron, das den Deal zu Fall brachte. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ließ die Investition erneut prüfen und untersagte sie diesmal.

Aixtron ist zwar wertvoller und vitaler als Elmos. Doch die Lehre aus dem Vorgang war damals grundsätzlich, bei solchen Geschäften nochmals deutlich vorsichtiger zu prüfen, zumal der andere große Weckruf in Form der Übernahme des Roboterherstellers Kuka im gleichen Jahr begann. Heute ist Aixtron übrigens froh, nicht an den staatlichen Finanzinvestor mit den strategischen Hintergedanken verkauft worden zu sein. Das Unternehmen hat ohne chinesisches Geld seinen Weg in die Technik-Zukunft gefunden.

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  • Halbleiter
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News

Verbrenner-Aus 2035 im Trilog beschlossen

Um 20:45 Uhr war der Trilog zu Ende, der das Aus der Verbrenner-Technologie in der EU im Jahr 2035 besiegelt. Die Verhandlungsführer von Europaparlament und Mitgliedstaaten haben keine Tür offen gelassen, dass der Verbrenner nach 2035 mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden kann. Die Möglichkeit, Autos mit den nahezu klimaneutral hergestellten Kraftstoffen, E-Fuels, auch nach 2035 zu betreiben, ist nicht im Rechtstext verankert. Zudem wurde beschlossen, wie die Hersteller bis 2030 den durchschnittlichen Ausstoß von neu zuzulassenden Pkw und Lieferwagen senken müssen. Der CO2-Flottengrenzwert von Pkw muss bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Wert Ende 2021 sinken, bei Lieferwagen liegt der Wert bei 50 Prozent. Im Jahr 2026 muss die EU-Kommission einen Fortschrittsbericht vorlegen. Es wurde zudem vereinbart, dass die Auswirkungen des Verbrenner-Aus auf die Arbeitsplätze evaluiert werden. Allerdings ist kein Geld vorgesehen, für den Fall, dass viele Jobs verloren gehen. Wie immer muss der informelle Kompromiss aus dem Trilog von den Mitgliedstaaten und dem Parlament bestätigt werden. Es besteht aber kein Zweifel, dass beide Co-Gesetzgeber zustimmen.

Reaktionen

Jens Gieseke (CDU) lehnt den Kompromiss ab: “Man folgt dem Prinzip: Alles auf eine Karte.” Einen Realitätscheck habe es nicht gegeben, bevor Sozialisten, Liberale und Grüne den Kompromiss schmiedeten: “Explodierende Energiepreise und enorme Versorgungsprobleme, insbesondere bei den für die Elektroautoproduktion kritischen Rohstoffen, haben bei der heutigen Entscheidung keine Rolle gespielt.” Bas Eickhout (Greens): “Alles, was mit dem Automobil zu tun hat, ist hochgradig politisch aufgeladen, es war ein harter Wettkampf, um das Ende des Verbrenners im Jahr 2035 durchzusetzen, wie es die Kommission vorgeschlagen hat. Jetzt ist es geglückt.” Tiemo Woelken (SPD) nennt das Ergebnis in doppelter Hinsicht begrüßenswert: “Einerseits für den Klimaschutz, da die Emissionen im Verkehrsbereich immer noch nicht abnehmen”. Das müsse sich ändern. “Andrerseits schafft diese Einigung Planungssicherheit für die europäische Automobilindustrie.” Hersteller, die den Weg der Transformation eingeschlagen haben, würden nun belohnt. mgr

  • Autoindustrie
  • E-Fuels
  • Mobilität
  • Verbrenner

EDF erwartet wegen Ausfall von Atomreaktoren 32 Milliarden Euro Verlust

Die Verluste des hochverschuldeten französischen Versorgers EDF türmen sich immer weiter auf. Wegen der Ausfälle seiner Atom-Reaktoren und deshalb sinkender Strommengen kassierte der Vorstand am Donnerstag zum sechsten Mal in diesem Jahr seine Prognose und kündigte für 2022 ein Minus von 32 Milliarden Euro an.

Im September hatte er noch einen Verlust von 29 Milliarden Euro avisiert. EDF betreibt insgesamt 56 Atomreaktoren, bei manchen war im vergangenen Jahr Korrosion festgestellt worden. Wegen der Wartung wurden mehrere Meiler abgeschaltet und produzierten keinen Strom mehr. Verschlimmert wurde die Situation durch wochenlange Streiks, die die Reparaturarbeiten verzögerten.

Der Konzern, der vor der Verstaatlichung steht, bestätigte, dass die Produktion an Atomstrom am unteren Ende einer zuvor angekündigten Spanne von 280 bis 300 Terawattstunden liegen werde – ein 30-Jahres-Tief. Hinzu kommt die Belastung der Anfang des Jahres in Frankreich eingeführten staatlichen Strompreisobergrenze, die EDF nach eigenen Angaben weitere zehn Milliarden Euro kostet. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern noch ein operatives Ergebnis (Ebitda) von 18 Milliarden Euro erzielt.

Nun bemüht sich EDF, die Reparatur der Reaktoren rechtzeitig für den Winter fertigzustellen. Der Vorstand erklärte, an sechs von Korrosionsproblemen betroffenen Reaktoren seien die Arbeiten abgeschlossen, an vier Reaktoren seien sie noch im Gange. Bis Ende des Jahres sollten auch diese abgeschlossen sein. Fünf weitere Reaktoren würden noch überprüft. rtr

  • Energie

EuGH: Bürger müssen persönliche Daten einfach löschen lassen können

Das umfangreiche Löschen persönlicher Daten aus Verzeichnissen wie Telefonbüchern könnte künftig wesentlich einfacher werden. Haben Telefonanbieter die Kundendaten an andere Anbieter und Suchmaschinen weitergegeben, müssen sie auch dafür sorgen, dass dort die Einträge gelöscht werden, wenn die Kunden sie darum bitten. Diese müssen die Löschung nicht bei jedem Unternehmen einzeln beantragen, teilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg mit (Rechtssache C-129/21).

Hintergrund des Urteils ist eine Klage gegen den belgischen Telefonanbieter Proximus, der unter anderem Telefonauskunftsdienste und Verzeichnisse mit persönlichen Daten wie Namen, Adressen und Telefonnummern anbietet. Diese werden von anderen Anbietern an Proximus übermittelt und Proximus leitet sie auch an andere Anbieter und Suchmaschinen wie Google weiter. Dafür braucht es bislang nur eine einzige Einwilligung der Kunden.

Ein Kunde klagte nun, weil seine neue Telefonnummer in einem solchen Verzeichnis stand, ohne dass er eingewilligt hatte. Proximus wehrte sich und argumentierte, dass die Einwilligung des Kunden für die Veröffentlichung seiner Daten in Telefonverzeichnissen nicht erforderlich sei. Vielmehr müssten sie nach einem sogenannten Opt-out-Verfahren selber beantragen, nicht aufgeführt zu werden. Solange das nicht geschehe, müssten Daten nicht gelöscht werden.

Dem folgte der EuGH nicht. Bevor die Daten veröffentlicht werden, müssen die Kunden einwilligen. Durch diese Einwilligung könnten dann zwar auch andere Unternehmen die Daten verarbeiten, sofern damit der gleiche Zweck verfolgt wird. Genauso reicht es dann aber aus, nur ein einziges Mal seine Einwilligung zu widerrufen – egal ob gegenüber dem eigenen Anbieter oder einem der anderen Unternehmen, die die Daten verwenden. Die Telefonanbieter sind dann verpflichtet, den Widerruf weiterzuleiten und dafür zu sorgen, dass die Daten gelöscht werden. dpa

  • Daten
  • Datenrecht
  • Datenschutz
  • Digitalisierung

EU-Kommission: Weg frei für Fischerei-Entschädigung

Deutschland darf vom Brexit gebeutelten Fischern mit einer Millionen-Spritze unter die Arme greifen. Insgesamt stehen zwölf Millionen Euro für Entschädigungen zur Verfügung, wie die EU-Kommission am Donnerstag mitteilte. Damit sollen negative Folgen für Fischer abgefedert werden, die zwischen dem 1. Januar 2021 und Ende dieses Jahres im Zuge des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU entstanden sind. So mussten Fischer unter anderem vorübergehend ihre Tätigkeit einstellen und konnten deutlich weniger Umsatz generieren.

Die Hilfe soll in Form von Zuschüssen ausgezahlt werden. Kompensiert werden sollen etwa Ausgaben für Personal, Versicherungen und Hafengebühren. Das Geld stammt aus einem Fünf-Milliarden-Euro-Fonds der EU, der Brexit-Folgen abfedern soll. dpa

  • Brexit
  • Deutschland
  • Fischerei
  • Landwirtschaft

Russland droht mit Angriff auf kommerzielle westliche Satelliten

Russland droht mit dem Abschuss kommerzieller westlicher Satelliten, wenn diese im Ukraine-Krieg genutzt werden. Sie seien dann legitime Ziele für Russland, sagte ein hochrangiger Beamter des russischen Außenministeriums bei den Vereinten Nationen (UN). Konstantin Woronzow, stellvertretender Direktor der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle des Ministeriums, warf den USA und ihren Verbündeten vor, den Weltraum zu nutzen, um die westliche Vorherrschaft durchzusetzen.

Die Nutzung von Satelliten zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte sei ein “extrem gefährlichen Trend” und eine “Provokation”, sagte er. Länder wie China, Russland oder die USA verfügen über technische Möglichkeiten, Satelliten im Orbit abzuschießen oder zu beschädigen.

Die USA erklärten in einer Reaktion darauf, auf jeden Angriff auf US-Infrastruktur werde es “eine Antwort” geben. Öffentlich zugängliche Informationen zeigten, dass Russland versucht habe, Anti-Satelliten-Technologien zu entwickeln, sagte John Kirby, Sprecher des Weißen Hauses.

Woronzow erwähnte keine spezifischen Satellitenunternehmen. Tesla-Chef Elon Musk hatte Anfang Oktober erklärt, dass sein Raketenunternehmen SpaceX seinen Starlink-Internetdienst in der Ukraine weiterhin finanzieren werde und dies mit der Notwendigkeit “guter Taten” begründet. Die ukrainische Armee soll die Dienste von Starlink nutzen. Musk hat auch angekündigt, seinen Starlink-Satelliten-Breitbanddienst für Menschen im Iran zu aktivieren. rtr

  • Satelliten
  • Technologie

Presseschau

Ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen in der EU SPIEGEL
EZB erhöht Leitzinssatz erneut um 0,75 Prozentpunkte auf zwei Prozent DEUTSCHLANDFUNK
llegale Schusswaffen: EU-Kommission will schärfere Waffengesetze DEUTSCHLANDFUNK
Scholz zeigt sich offen für EU-Preisgrenzen bei Gaseinkauf T-ONLINE
Turkey Seeking Role in Europe’s Bid to End Russian Energy Dependency VOANEWS
17,5 Milliarden Euro an russischem Vermögen EU-weit eingefroren TT
EU-Kommission macht Weg für Millionen-Fischerei-Entschädigung frei WALLSTREET-ONLINE
Northern Ireland Faces New Election to Break Brexit Impasse BLOOMBERG
Brexit: Handel von UK mit EU schrumpft FTD
Schottische Unabhängigkeit: Sturgeon verteidigt mögliche EU-Mitgliedschaft EURACTIV
Kandidatenstatus für Bosnien könnte an EU-Ländern scheitern EURACTIV
EU wants 40-man antitrust team to enforce new tech rules, official says EURONEWS
European Health Data Space – Vorschlag der EU-Kommission DR-DATENSCHUTZ
Volksbank-Phishing: EU-Zahlungsrichtlinie führt zu Kontosperre NETZWELT
EU-Kartellbehörden nehmen Google Play ins Visier DERSTANDARD
Neue Vereinbarung: Bahnunternehmen wollen Zugreisen in Europa vereinfachen RND

Heads

Claudia Labisch – Die Fäden der Forschung zusammenführen

Forschung: Claudia Labisch ist Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft.
Claudia Labisch ist Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft.

Der Job von Claudia Labisch gleicht dem Hüten eines Sacks Flöhe, auch wenn sie es selbst wohl nie so ausdrücken würde. Als Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft vertritt sie in Brüssel die Interessen von 97 eigenständigen, deutschen Leibniz-Forschungsinstituten. Die Forschungsgebiete reichen dabei von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften hin zu den Geisteswissenschaften.

Nicht immer einfach, da die größtmögliche Schnittmenge an gemeinsamen Interessen zu finden. “Vor allem Ende des Jahres, wenn die Kommission ihre Schubladen leert und offene Punkte auf ihrer Agenda abhaken will, kann es schon mal stressiger werden”, erzählt Labisch.

Wenn die Europäische Kommission ein neues Forschungsrahmenprogramm auf den Weg bringt, wie zuletzt Horizon Europe, begleiten Labisch und ihr Team diesen Prozess. Sie versuchen, die Interessen der Leibniz-Gemeinschaft einzubringen. Das 9. Rahmenprogramm für Forschung und Innovation läuft von 2021 bis 2027 und umfasst ein Budget von 95,5 Milliarden Euro. “Kaum ist so ein Programm auf den Weg gebracht, geht es für uns schon wieder an die Vorbereitung der Zwischenevaluation”, sagt Labisch.

Grundlagenforschung leidet

Mit Sorge beobachtet sie, dass Krisen auch immer mehr die politische Agenda im Bereich der Forschung bestimmen. Seit der Wirtschaftskrise 2008 sei der Fokus verstärkt auf Industrie- und Technologieförderung gelegt worden. “Es sollten schnell konkrete Ergebnisse geliefert werden. Das geht zulasten der Human- oder Sozialwissenschaften und der erkenntnisorientierten Grundlagenforschung im Allgemeinen. Deren Ergebnisse sind oft nicht unmittelbar erkenn- oder verwertbar, sondern eher langfristig.”

Exzellente Grundlagenforschung betreibe die EU zwar durch den European Research Council, “eine absolute Erfolgsgeschichte”, wie Labisch findet. Doch hier gehe es vor allem um Individualförderung. “Die transnationale kollaborative Forschung bleibt hier etwas auf der Strecke”, sagt Labisch. Dazu kommt: In der aktuellen Zeit der multiplen Krisen sparen die Mitgliedsländer oftmals zuerst bei der Forschung.

Zum einen werde dadurch die Konkurrenz um EU-Forschungsgelder härter. “Zum anderen brauchen EU-Forschungsinfrastrukturen, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurden und nun den Projektstatus verlassen, genau jetzt finanzielles Commitment der Mitgliedstaaten, sonst haben sie als europäische Forschungsinfrastruktur keine Chance”, sagt Labisch.

Das “System Brüssel” verstehen helfen

Will eines der Leibniz-Institute EU-Fördergelder beantragen oder EU-Expertise am Forschungsstandort aufbauen, steht Labisch, ausgebildete Übersetzerin für Englisch und Französisch, ihnen strategisch beratend zur Seite und erklärt das “System Brüssel”. Was muss bei der Antragstellung berücksichtigt werden? Wo sieht sie das Potenzial für eine erfolgreiche Mitteleinwerbung, und wie müssten sich die Institute dafür aufstellen?

Plant die EU-Kommission konkrete Gesetzesvorhaben, muss Labisch immer im Blick haben, welchen Forschungsbereich und welche Institute diese betreffen könnten, und wie sie die Prozesse gewinnbringend für die Einrichtungen mitgestalten kann. Dabei schließt sie auch Allianzen mit anderen europäischen Forschungsorganisationen, um so gemeinsame Positionen zu erarbeiten und zu vertreten. Lisa-Martina Klein

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • EuGH: Bürger müssen persönliche Daten einfach löschen lassen können
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    • Heads: Claudia Labisch – Die Fäden der Forschung zusammenführen
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    Justizminister Marco Buschmann (FDP) brachte diese Woche frischen Wind in die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Schon lange will die FDP weg von einer anlasslosen, allgemeinen Datenspeicherung, wie sie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) favorisiert. Dem Entwurf nach, den Buschmann nun vorgelegt hat, will Deutschland mit einem Quick-Freeze-Ansatz einen deutlich anderen Weg als die EU gehen. Falk Steiner hat den Entwurf analysiert.

    Nach dem Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco bei einem Hamburger Hafenterminal sorgt jetzt eine weitere mögliche Übernahme mit chinesischer Beteiligung für Gesprächsstoff. Ausgerechnet einen deutschen Chiphersteller will das chinesisch-schwedische Unternehmen Silex Microsystems kaufen. Finn Meyer-Kuckuk hat sich angesehen, ob diese Übernahme wirklich so problematisch ist.

    Das Verbrenner-Aus wurde dann ganz schnell besiegelt. Die Verhandlungsführer der Co-Gesetzgeber brauchten im Trilog keine fünf Stunden, um sich auf das Auslaufen der Technologie im Jahr 2035 zu einigen, die den Automobilbau für 120 Jahre geprägt und vor allem für die deutschen Hersteller große Erfolge eingefahren hat. Damit das Ende der Ära endgültig ist, müssen Parlament und Mitgliedstaaten den informellen Kompromiss noch absegnen. Eine Formalie.

    Krisenzeiten gehen auch an der Forschung meist nicht spurlos vorbei. Ob Energieknappheit oder Budgetkürzungen, unter beidem leiden auch Forschungsinstitute und deren Projekte. Claudia Labisch vertritt als Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft die Interessen der 97 deutschen Leibniz-Institute. Im Portrait stelle ich die Nürnbergerin vor.

    Und damit wünsche ich ein schönes Wochenende, genießen Sie die zusätzliche Stunde Schlaf am Sonntag!

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    Quick Freeze: Deutschland friert EU-Debatte mit ein

    Die Debatte um die Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten auf Vorrat wird seit fast zwei Jahrzehnten geführt – in Deutschland und in der EU. Während die Technologie sich weiterentwickelte, wurde nacheinander den nationalen Umsetzungen und der zugrundeliegenden EU-Regelung von Gerichten enge Grenzen gesetzt. Stets gegen die umfassende Speicherung: Die FDP und die Grünen. Nun gemeinsam mit der SPD die Bundesrepublik regierend, hat sich das politische Gewicht zu ihren Gunsten verschoben. Die Zuständigkeit für das Dossier liegt bei Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).

    Der gibt sich kampfeslustig, wenn es um die Zukunft beziehungsweise das Ende der Vorratsdatenspeicherung geht: Am Dienstag gab sein Haus den Referentenentwurf in die Kabinettsabstimmung. Damit will Buschmann von einer allumfassenden Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten auf Vorrat wegkommen und zu einem anlassbezogenen Speicherregime gelangen. Sobald ein Anfangsverdacht auf eine erhebliche Straftat vorliegt, so der Entwurf, sollen Telekommunikationsbetreiber zur Sicherstellung von Verbindungs- und Standortdaten angehalten werden können.

    Wenn auf dieses “Einfrieren” der zu dem Zeitpunkt beim Telekommunikationsanbieter vorliegenden Daten ein tatsächlicher Bedarf an den Daten im Rahmen weiterer Ermittlungen folgt, können diese dann “Aufgetaut” werden. Standortdaten, etwa aus den Mobilfunknetzen, sollen dabei im Regelfall ausschließlich bis zu dem Zeitpunkt der Anordnung genutzt werden dürfen, nach dem Einfrierzeitpunkt nur dann, wenn es für die Erforschung der Straftat oder den Aufenthaltsort des Beschuldigten erforderlich ist.

    Damit lägen die Hürden hoch, wenn auch nicht unendlich hoch. Eine Ausnahme bei den Telekommunikationsdaten soll dem Referentenentwurf zufolge für mittels Computer begangene Straftaten gelten, wenn es sonst keinen Ermittlungsansatz gibt – diese fallen nicht unter das Quick Freeze-Verfahren.

    Koalitionskrach

    Mit diesem relativ eng gesteckten Entwurf zieht Buschmann Kritik aus Reihen des SPD-Koalitionspartners auf sich: Innenministerin Nancy Faeser hätte sich gewünscht, dass der maximale Rahmen, den der Europäische Gerichtshof überlassen hat, auch ausgeschöpft wird. Sie hätte gerne eine anlasslose und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung für Verbindungen und Standortdaten an möglicherweise besonders gefährdeten Orten wie Bahnhöfen oder Flughäfen.

    Und auch eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen würde Faeser deutlich besser gefallen, diese hatte der EuGH ebenfalls in gewissem Rahmen für zulässig erklärt. Ihre Verhandlungsposition allerdings ist schlecht: Ohne Neuregelung gibt es in Deutschland keine zulässige Vorratsdatenspeicherung – und der Koalitionsvertrag stellt Bedingungen für eine Neuregelung, die mit einer anlasslosen Massenüberwachung kaum kompatibel sind. Und auch in der SPD selbst ist das Thema seit einem Jahrzehnt toxisch: vor allem Digitalpolitiker und Jusos haben sich immer wieder gegen die Vorratsdatenspeicherung stark gemacht.

    EU-Staaten mit ganz unterschiedlichen Ausgangslagen

    Was aber klar ist: Ein großer Teil der EU-Mitgliedstaaten wird einen anderen Weg gehen als Deutschland unter seiner Ampelregierung. Manche Mitgliedstaaten drängen bereits seit etlichen Monaten auf eine europaweite Neuregelung. Zugleich ist die europäische Ausgangslage sehr uneinheitlich: Vergleichbar Deutschland wurde die jeweilige nationale Vorratsdatenspeicherung in einigen Mitgliedstaaten von nationalen Gerichten oder dem Europäischen Gerichtshof in ihrer jeweiligen Ausgestaltung für unzulässig erklärt. In Österreich gibt es ähnlich dem deutschen Quick Freeze-Vorschlag die sogenannte Anlassdatenspeicherung.

    In Dänemark und Belgien wurden nach den ersten Urteilen neue Gesetze verabschiedet, die vordergründig zielgerichteter sind als die vorherigen Regelungen. Diese könnten nach dem vorerst letzten EuGH-Urteil aber erneut fallen, da auch sie die Kriterien der Luxemburger Richter nach dem Urteil zur deutschen Rechtslage nicht in allen Punkten erfüllen. In Frankreich behauptete die Regierung kurzerhand, dass die nationale Sicherheitslage insgesamt so kritisch sei, dass eine Vorratsdatenspeicherung zulässig wäre – und bislang regt sich seitens der EU-Kommission als Hüterin der Verträge keine merkliche Kritik daran.

    Gemeinsame Standards könnten kommen

    Mit einer Wiedereinführung einer allgemeinen, anlasslosen Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene ist derzeit jedoch nicht zu rechnen, da diese mit Europarecht nach den EuGH-Urteilen nicht kompatibel sein kann. Allerdings erwartet Chloé Berthélemy von der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRI), dass einige Mitgliedstaaten gemeinsame Standards für IP-Adressen-Vorratsdatenspeicherung anstreben würden. Immer wieder wird zwar gemunkelt, dass eine solche doch in die inzwischen fast fünf Jahre überfällige E-Privacy-Verordnung hineinkommen könne.

    Dem erteilte die zuständige Parlamentsberichterstatterin Birgit Sippel (SPD/S&D) am Mittwoch beim Wirtschaftsforum der SPD jedoch eine klare Absage: Sollte es eine Neuauflage geben sollen, würde dafür ein eigenes Gesetz benötigt. Ob sich aber gemeinsame Kriterien, etwa in Form einer standardisierten Quick Freeze-Umsetzung europaweit einheitlich vereinbaren ließen, ist derzeit ebenfalls offen. Für die Bürgerrechtler von EDRI wäre das wünschenswert.

    “Wir glauben, dass das ein Ansatz ist, der verhältnismäßig ist und die personenbezogenen Daten, die von Privatunternehmen gespeichert sind, von missbräuchlichen Polizeizugriffen schützt und zugleich auch ein effektives Werkzeug bietet, wenn Daten für Strafverfolgungszwecke nötig sind”, sagt Berthélemy. Allerdings müsste dabei vor allem auf die Zugriffsregeln für Polizei und Justiz beachtet werden, unter anderem den Richtervorbehalt.

    Hier seien die Regelungen des Vorschlags einer Elektronischen Beweismittel-Richtlinie ein Rahmen, wie damit über Landesgrenzen in der EU verfahren werden könnte, so Berthélemy. Die e-Evidence-Richtlinie steht dabei laut Birgit Sippel, die auch dieses Dossier für das Parlament im Trilog verhandelt, inzwischen kurz vor dem Abschluss- die Mitgliedstaaten müssten sich noch einigen, im Dezember könne dann aber der finale Trilog zur Einigung stattfinden.

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    EU-Monitoring

    03.11.2022
    Treffen der G7-Außenminister
    Themen: Aktuelle Fragen und strategische Herausforderungen, insbesondere der Angriff Russlands auf die Ukraine und seine Folgen für Europa, transatlantische Zusammenarbeit und die internationale Ordnung. Infos

    03.11.2022
    Westbalkangipfeltreffen
    Themen: Aktionsplan für den gemeinsamen regionalen Markt. Infos

    Wie schwer wiegt die Elmos-Übernahme?

    Nur wenige Tage nach der Entscheidung über den Cosco-Einstieg in Hamburg löst eine weitere potenzielle Übernahme mit chinesischer Beteiligung eine neue Debatte aus. Es geht hier um den Kauf einer Fabrik des Dortmunder Halbleiterherstellers Elmos. Bereits im Dezember vergangenen Jahres hat das Unternehmen bekanntgegeben, die Wafer-Fertigung an den schwedisch-chinesischen Konkurrenten Silex Microsystems abzutreten. Die Regierung will die Übernahme genehmigen, berichtet nun das Handelsblatt am Donnerstag aus Berliner Regierungskreisen. Die Übernahme ist genehmigungspflichtig.

    Die Regierung sieht in der Übernahme bisher offenbar kein Problem. Das hat eine Reihe von guten Gründen:

    • Die Technik von Elmos ist veraltet – China wird hier nichts Neues lernen.
    • Der Standort ist nicht sonderlich profitabel und würde ohne einen Investor ohnehin nicht überleben.
    • Das Geschäft ist sehr klein; der Kaufpreis sollte lediglich 77,5 Millionen Euro betragen.
    • Elmos sollte Eigentümer der Gebäude bleiben und sie an den neuen Betreiber vermieten.
    • Silex Microsystems wurde in Schweden gegründet und wird weiterhin von dort verwaltet. Es befindet sich bloß seit 2015 in der Hand des kleineren Hongkonger Investors GAE. Da stellt sich die Frage, wie chinesisch das Werk in Dortmund überhaupt wird.

    Die Firma Elmos befindet sich derzeit nicht unbedingt im Aufwind, obwohl die Eckdaten zunächst vielversprechend klingen. Das Unternehmen ist auf Chips spezialisiert, die in der Autoindustrie vielfach zum Einsatz kommen. Ein Fokus des Unternehmens liegt auf Bausteinen, die einen festgeschriebenen Code ausführen. Damit unterscheiden sie sich von Prozessoren, die beliebigen Code ausführen können, und Speicherchips, die gar keinen Code ausführen können. Für Autos sind sie nützlich und zudem noch preiswert.

    Doch das Werk in Dortmund produziert Halbleiterbausteine mit 350 Nanometern Strukturbreite. Das wirkt heute sehr grob. Die technologische Front hat sich gerade auf 7 Nanometer Strukturbreite für hochleistungsfähige Chips verschoben. In der Autoindustrie kommen in fortschrittlichen Modellen derzeit typischerweise Chips mit 90 Nanometern Strukturbreite zum Einsatz, auch wenn das Segment mit über 250 Nanometern weiter eine erhebliche Rolle spielt.

    Die Genehmigung des Geschäfts spräche aber gegen den Trend, im Halbleitergeschäft mehr Produktion nach Europa zurückzuholen. Die EU und Deutschland setzen derzeit alle Hebel in Bewegung, um wieder mehr Halbleiterfertigung im Inland anzusiedeln. Ein Werk aus der Hand zu geben, das ausgerechnet Chips für die gebeutelte Autoindustrie herstellt, passt da nicht ins Konzept. Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine hat sich die Sensibilität für die Abhängigkeit von Autokratien zudem stark erhöht. In den kommenden Monaten sind weitere Diskussionen dieser Art zu erwarten, wenn Medien und Politiker weitere Beispiele für die Übertragung wichtiger Anlagegüter an fremde Mächte aufdecken.

    TSMC kommt unter anderem wegen Auto-Chips

    Der taiwanische Chip-Marktführer TSMC befindet sich in Gesprächen über die Ansiedlung einer Fabrik in der EU. Hier soll es unter anderem um die Arten von Chips gehen, die in den kommenden Jahren von der Fahrzeugindustrie nachgefragt werden. In der engeren Auswahl befindet sich derzeit eine Gewerbefläche bei Dresden. In Japan errichtet TSMC bereits zusammen mit Sony ein Werk in Hinblick auf Abnehmer wie Toyota und Nissan.

    Ein TSMC-Werk in Deutschland befände sich nicht nur in einer anderen Größenordnung als die Elmos-Fabrik, sie würde auch auf einem völlig anderen Level spielen. TSMC ist Technikführer mit Geschäftsbeziehungen zu Industriegrößen in allen Branchen. Das Misstrauen gegen China-Partnerschaften nimmt jedoch unabhängig davon zu. Der Bundesnachrichtendienst warnt dem Handelsblatt-Bericht zufolge davor, die Elmos-Fabrik an Silex abzugeben.

    Deutschland und die EU sind bisher gegenüber China sogar noch vergleichsweise offen. Die US-Regierung unter Joe Biden hat bereits eine Blockade gegen die chinesische Halbleiterindustrie errichtet. Nicht nur Technikaustausch, auch gegenseitige Geschäfte sind kaum mehr möglich. Auch Anbieter aus Drittländern ziehen sich zum Teil aus China zurück, weil sie den Zorn der USA fürchten. So erwägt der südkoreanische Hersteller SK Hynix, seine Fabrik in Wuxi abzustoßen. Der Betrieb ist ohne Überschneidung mit US-Partnern kaum möglich. Die Übernahme eines US-Halbleiterstandorts durch einen chinesischen Spieler ist heute kaum noch denkbar.

    Wann greift das Ministerium ein, wann nicht?

    Der Fall Elmos weckt Erinnerungen an Aixtron, einen Mittelständler aus Aachen, der 2016 zum Verkauf stand. Das zuvor in der Öffentlichkeit unbekannte Unternehmen sollte für einen dreistelligen Millionenbetrag an den staatlichen Fujian Grand Chip Investment Fund aus Xiamen gehen. Das Wirtschaftsministerium bescheinigte der Übernahme zunächst die Unbedenklichkeit. Es war dann ein Veto aus Amerika, einem wichtigen Markt für Aixtron, das den Deal zu Fall brachte. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ließ die Investition erneut prüfen und untersagte sie diesmal.

    Aixtron ist zwar wertvoller und vitaler als Elmos. Doch die Lehre aus dem Vorgang war damals grundsätzlich, bei solchen Geschäften nochmals deutlich vorsichtiger zu prüfen, zumal der andere große Weckruf in Form der Übernahme des Roboterherstellers Kuka im gleichen Jahr begann. Heute ist Aixtron übrigens froh, nicht an den staatlichen Finanzinvestor mit den strategischen Hintergedanken verkauft worden zu sein. Das Unternehmen hat ohne chinesisches Geld seinen Weg in die Technik-Zukunft gefunden.

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    News

    Verbrenner-Aus 2035 im Trilog beschlossen

    Um 20:45 Uhr war der Trilog zu Ende, der das Aus der Verbrenner-Technologie in der EU im Jahr 2035 besiegelt. Die Verhandlungsführer von Europaparlament und Mitgliedstaaten haben keine Tür offen gelassen, dass der Verbrenner nach 2035 mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden kann. Die Möglichkeit, Autos mit den nahezu klimaneutral hergestellten Kraftstoffen, E-Fuels, auch nach 2035 zu betreiben, ist nicht im Rechtstext verankert. Zudem wurde beschlossen, wie die Hersteller bis 2030 den durchschnittlichen Ausstoß von neu zuzulassenden Pkw und Lieferwagen senken müssen. Der CO2-Flottengrenzwert von Pkw muss bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Wert Ende 2021 sinken, bei Lieferwagen liegt der Wert bei 50 Prozent. Im Jahr 2026 muss die EU-Kommission einen Fortschrittsbericht vorlegen. Es wurde zudem vereinbart, dass die Auswirkungen des Verbrenner-Aus auf die Arbeitsplätze evaluiert werden. Allerdings ist kein Geld vorgesehen, für den Fall, dass viele Jobs verloren gehen. Wie immer muss der informelle Kompromiss aus dem Trilog von den Mitgliedstaaten und dem Parlament bestätigt werden. Es besteht aber kein Zweifel, dass beide Co-Gesetzgeber zustimmen.

    Reaktionen

    Jens Gieseke (CDU) lehnt den Kompromiss ab: “Man folgt dem Prinzip: Alles auf eine Karte.” Einen Realitätscheck habe es nicht gegeben, bevor Sozialisten, Liberale und Grüne den Kompromiss schmiedeten: “Explodierende Energiepreise und enorme Versorgungsprobleme, insbesondere bei den für die Elektroautoproduktion kritischen Rohstoffen, haben bei der heutigen Entscheidung keine Rolle gespielt.” Bas Eickhout (Greens): “Alles, was mit dem Automobil zu tun hat, ist hochgradig politisch aufgeladen, es war ein harter Wettkampf, um das Ende des Verbrenners im Jahr 2035 durchzusetzen, wie es die Kommission vorgeschlagen hat. Jetzt ist es geglückt.” Tiemo Woelken (SPD) nennt das Ergebnis in doppelter Hinsicht begrüßenswert: “Einerseits für den Klimaschutz, da die Emissionen im Verkehrsbereich immer noch nicht abnehmen”. Das müsse sich ändern. “Andrerseits schafft diese Einigung Planungssicherheit für die europäische Automobilindustrie.” Hersteller, die den Weg der Transformation eingeschlagen haben, würden nun belohnt. mgr

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    EDF erwartet wegen Ausfall von Atomreaktoren 32 Milliarden Euro Verlust

    Die Verluste des hochverschuldeten französischen Versorgers EDF türmen sich immer weiter auf. Wegen der Ausfälle seiner Atom-Reaktoren und deshalb sinkender Strommengen kassierte der Vorstand am Donnerstag zum sechsten Mal in diesem Jahr seine Prognose und kündigte für 2022 ein Minus von 32 Milliarden Euro an.

    Im September hatte er noch einen Verlust von 29 Milliarden Euro avisiert. EDF betreibt insgesamt 56 Atomreaktoren, bei manchen war im vergangenen Jahr Korrosion festgestellt worden. Wegen der Wartung wurden mehrere Meiler abgeschaltet und produzierten keinen Strom mehr. Verschlimmert wurde die Situation durch wochenlange Streiks, die die Reparaturarbeiten verzögerten.

    Der Konzern, der vor der Verstaatlichung steht, bestätigte, dass die Produktion an Atomstrom am unteren Ende einer zuvor angekündigten Spanne von 280 bis 300 Terawattstunden liegen werde – ein 30-Jahres-Tief. Hinzu kommt die Belastung der Anfang des Jahres in Frankreich eingeführten staatlichen Strompreisobergrenze, die EDF nach eigenen Angaben weitere zehn Milliarden Euro kostet. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern noch ein operatives Ergebnis (Ebitda) von 18 Milliarden Euro erzielt.

    Nun bemüht sich EDF, die Reparatur der Reaktoren rechtzeitig für den Winter fertigzustellen. Der Vorstand erklärte, an sechs von Korrosionsproblemen betroffenen Reaktoren seien die Arbeiten abgeschlossen, an vier Reaktoren seien sie noch im Gange. Bis Ende des Jahres sollten auch diese abgeschlossen sein. Fünf weitere Reaktoren würden noch überprüft. rtr

    • Energie

    EuGH: Bürger müssen persönliche Daten einfach löschen lassen können

    Das umfangreiche Löschen persönlicher Daten aus Verzeichnissen wie Telefonbüchern könnte künftig wesentlich einfacher werden. Haben Telefonanbieter die Kundendaten an andere Anbieter und Suchmaschinen weitergegeben, müssen sie auch dafür sorgen, dass dort die Einträge gelöscht werden, wenn die Kunden sie darum bitten. Diese müssen die Löschung nicht bei jedem Unternehmen einzeln beantragen, teilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg mit (Rechtssache C-129/21).

    Hintergrund des Urteils ist eine Klage gegen den belgischen Telefonanbieter Proximus, der unter anderem Telefonauskunftsdienste und Verzeichnisse mit persönlichen Daten wie Namen, Adressen und Telefonnummern anbietet. Diese werden von anderen Anbietern an Proximus übermittelt und Proximus leitet sie auch an andere Anbieter und Suchmaschinen wie Google weiter. Dafür braucht es bislang nur eine einzige Einwilligung der Kunden.

    Ein Kunde klagte nun, weil seine neue Telefonnummer in einem solchen Verzeichnis stand, ohne dass er eingewilligt hatte. Proximus wehrte sich und argumentierte, dass die Einwilligung des Kunden für die Veröffentlichung seiner Daten in Telefonverzeichnissen nicht erforderlich sei. Vielmehr müssten sie nach einem sogenannten Opt-out-Verfahren selber beantragen, nicht aufgeführt zu werden. Solange das nicht geschehe, müssten Daten nicht gelöscht werden.

    Dem folgte der EuGH nicht. Bevor die Daten veröffentlicht werden, müssen die Kunden einwilligen. Durch diese Einwilligung könnten dann zwar auch andere Unternehmen die Daten verarbeiten, sofern damit der gleiche Zweck verfolgt wird. Genauso reicht es dann aber aus, nur ein einziges Mal seine Einwilligung zu widerrufen – egal ob gegenüber dem eigenen Anbieter oder einem der anderen Unternehmen, die die Daten verwenden. Die Telefonanbieter sind dann verpflichtet, den Widerruf weiterzuleiten und dafür zu sorgen, dass die Daten gelöscht werden. dpa

    • Daten
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    • Digitalisierung

    EU-Kommission: Weg frei für Fischerei-Entschädigung

    Deutschland darf vom Brexit gebeutelten Fischern mit einer Millionen-Spritze unter die Arme greifen. Insgesamt stehen zwölf Millionen Euro für Entschädigungen zur Verfügung, wie die EU-Kommission am Donnerstag mitteilte. Damit sollen negative Folgen für Fischer abgefedert werden, die zwischen dem 1. Januar 2021 und Ende dieses Jahres im Zuge des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU entstanden sind. So mussten Fischer unter anderem vorübergehend ihre Tätigkeit einstellen und konnten deutlich weniger Umsatz generieren.

    Die Hilfe soll in Form von Zuschüssen ausgezahlt werden. Kompensiert werden sollen etwa Ausgaben für Personal, Versicherungen und Hafengebühren. Das Geld stammt aus einem Fünf-Milliarden-Euro-Fonds der EU, der Brexit-Folgen abfedern soll. dpa

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    Russland droht mit Angriff auf kommerzielle westliche Satelliten

    Russland droht mit dem Abschuss kommerzieller westlicher Satelliten, wenn diese im Ukraine-Krieg genutzt werden. Sie seien dann legitime Ziele für Russland, sagte ein hochrangiger Beamter des russischen Außenministeriums bei den Vereinten Nationen (UN). Konstantin Woronzow, stellvertretender Direktor der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle des Ministeriums, warf den USA und ihren Verbündeten vor, den Weltraum zu nutzen, um die westliche Vorherrschaft durchzusetzen.

    Die Nutzung von Satelliten zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte sei ein “extrem gefährlichen Trend” und eine “Provokation”, sagte er. Länder wie China, Russland oder die USA verfügen über technische Möglichkeiten, Satelliten im Orbit abzuschießen oder zu beschädigen.

    Die USA erklärten in einer Reaktion darauf, auf jeden Angriff auf US-Infrastruktur werde es “eine Antwort” geben. Öffentlich zugängliche Informationen zeigten, dass Russland versucht habe, Anti-Satelliten-Technologien zu entwickeln, sagte John Kirby, Sprecher des Weißen Hauses.

    Woronzow erwähnte keine spezifischen Satellitenunternehmen. Tesla-Chef Elon Musk hatte Anfang Oktober erklärt, dass sein Raketenunternehmen SpaceX seinen Starlink-Internetdienst in der Ukraine weiterhin finanzieren werde und dies mit der Notwendigkeit “guter Taten” begründet. Die ukrainische Armee soll die Dienste von Starlink nutzen. Musk hat auch angekündigt, seinen Starlink-Satelliten-Breitbanddienst für Menschen im Iran zu aktivieren. rtr

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    Presseschau

    Ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen in der EU SPIEGEL
    EZB erhöht Leitzinssatz erneut um 0,75 Prozentpunkte auf zwei Prozent DEUTSCHLANDFUNK
    llegale Schusswaffen: EU-Kommission will schärfere Waffengesetze DEUTSCHLANDFUNK
    Scholz zeigt sich offen für EU-Preisgrenzen bei Gaseinkauf T-ONLINE
    Turkey Seeking Role in Europe’s Bid to End Russian Energy Dependency VOANEWS
    17,5 Milliarden Euro an russischem Vermögen EU-weit eingefroren TT
    EU-Kommission macht Weg für Millionen-Fischerei-Entschädigung frei WALLSTREET-ONLINE
    Northern Ireland Faces New Election to Break Brexit Impasse BLOOMBERG
    Brexit: Handel von UK mit EU schrumpft FTD
    Schottische Unabhängigkeit: Sturgeon verteidigt mögliche EU-Mitgliedschaft EURACTIV
    Kandidatenstatus für Bosnien könnte an EU-Ländern scheitern EURACTIV
    EU wants 40-man antitrust team to enforce new tech rules, official says EURONEWS
    European Health Data Space – Vorschlag der EU-Kommission DR-DATENSCHUTZ
    Volksbank-Phishing: EU-Zahlungsrichtlinie führt zu Kontosperre NETZWELT
    EU-Kartellbehörden nehmen Google Play ins Visier DERSTANDARD
    Neue Vereinbarung: Bahnunternehmen wollen Zugreisen in Europa vereinfachen RND

    Heads

    Claudia Labisch – Die Fäden der Forschung zusammenführen

    Forschung: Claudia Labisch ist Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft.
    Claudia Labisch ist Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft.

    Der Job von Claudia Labisch gleicht dem Hüten eines Sacks Flöhe, auch wenn sie es selbst wohl nie so ausdrücken würde. Als Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft vertritt sie in Brüssel die Interessen von 97 eigenständigen, deutschen Leibniz-Forschungsinstituten. Die Forschungsgebiete reichen dabei von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften hin zu den Geisteswissenschaften.

    Nicht immer einfach, da die größtmögliche Schnittmenge an gemeinsamen Interessen zu finden. “Vor allem Ende des Jahres, wenn die Kommission ihre Schubladen leert und offene Punkte auf ihrer Agenda abhaken will, kann es schon mal stressiger werden”, erzählt Labisch.

    Wenn die Europäische Kommission ein neues Forschungsrahmenprogramm auf den Weg bringt, wie zuletzt Horizon Europe, begleiten Labisch und ihr Team diesen Prozess. Sie versuchen, die Interessen der Leibniz-Gemeinschaft einzubringen. Das 9. Rahmenprogramm für Forschung und Innovation läuft von 2021 bis 2027 und umfasst ein Budget von 95,5 Milliarden Euro. “Kaum ist so ein Programm auf den Weg gebracht, geht es für uns schon wieder an die Vorbereitung der Zwischenevaluation”, sagt Labisch.

    Grundlagenforschung leidet

    Mit Sorge beobachtet sie, dass Krisen auch immer mehr die politische Agenda im Bereich der Forschung bestimmen. Seit der Wirtschaftskrise 2008 sei der Fokus verstärkt auf Industrie- und Technologieförderung gelegt worden. “Es sollten schnell konkrete Ergebnisse geliefert werden. Das geht zulasten der Human- oder Sozialwissenschaften und der erkenntnisorientierten Grundlagenforschung im Allgemeinen. Deren Ergebnisse sind oft nicht unmittelbar erkenn- oder verwertbar, sondern eher langfristig.”

    Exzellente Grundlagenforschung betreibe die EU zwar durch den European Research Council, “eine absolute Erfolgsgeschichte”, wie Labisch findet. Doch hier gehe es vor allem um Individualförderung. “Die transnationale kollaborative Forschung bleibt hier etwas auf der Strecke”, sagt Labisch. Dazu kommt: In der aktuellen Zeit der multiplen Krisen sparen die Mitgliedsländer oftmals zuerst bei der Forschung.

    Zum einen werde dadurch die Konkurrenz um EU-Forschungsgelder härter. “Zum anderen brauchen EU-Forschungsinfrastrukturen, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurden und nun den Projektstatus verlassen, genau jetzt finanzielles Commitment der Mitgliedstaaten, sonst haben sie als europäische Forschungsinfrastruktur keine Chance”, sagt Labisch.

    Das “System Brüssel” verstehen helfen

    Will eines der Leibniz-Institute EU-Fördergelder beantragen oder EU-Expertise am Forschungsstandort aufbauen, steht Labisch, ausgebildete Übersetzerin für Englisch und Französisch, ihnen strategisch beratend zur Seite und erklärt das “System Brüssel”. Was muss bei der Antragstellung berücksichtigt werden? Wo sieht sie das Potenzial für eine erfolgreiche Mitteleinwerbung, und wie müssten sich die Institute dafür aufstellen?

    Plant die EU-Kommission konkrete Gesetzesvorhaben, muss Labisch immer im Blick haben, welchen Forschungsbereich und welche Institute diese betreffen könnten, und wie sie die Prozesse gewinnbringend für die Einrichtungen mitgestalten kann. Dabei schließt sie auch Allianzen mit anderen europäischen Forschungsorganisationen, um so gemeinsame Positionen zu erarbeiten und zu vertreten. Lisa-Martina Klein

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    Europe.Table Redaktion

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