es ist eine klare Ansage, und sie kommt direkt vom US-Präsidenten: Im Falle einer russischen Invasion der Ukraine “wird es kein Nord Stream 2 mehr geben”, sagte Joe Biden. “Wir werden dem ein Ende setzen.” Neben ihm stand zu diesem Zeitpunkt Olaf Scholz. Der Bundeskanzler, in diesen Tagen oft wegen fehlender Klarheit kritisiert, sagte zumindest einen deutlichen Satz: “Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren”. Anders lässt sich das kaum interpretieren: Deutschland trägt ein Aus für Nord Stream 2 im Fall der Fälle mit. Nur: So deutlich wie Biden will Scholz es nicht aussprechen.
Ein Ende der Meta-Dienste in Europa – Robert Habeck würde das angeblich kalt lassen. Er lebe seit vier Jahren glücklich ohne Facebook (und Twitter), sagte der Wirtschafts- und Klimaminister gestern bei seinem Besuch in Paris. Zurzeit glaubt ohnehin niemand daran, dass der Konzern seine Drohung wahr machen und seine Dienste wie Facebook, Instagram und Co in Europa einstellen werde. Hintergrund ist eine Entscheidung der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde zur Übertragung personenbezogener Daten in die USA. Die Hauptadressaten der Drohung säßen aber womöglich gar nicht in Europa, wie Falk Steiner analysiert, – sondern im Heimatland des Tech-Giganten.
Bis zur Mitte des Jahrhunderts will die Europäische Union klimaneutral werden. Doch auch nach 2050 wird es unvermeidbare Rest-Emissionen geben, die an anderer Stelle ausgeglichen werden müssen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Die meisten Experten sind sich einig: Die natürliche Senk-Leistung von Wäldern oder Mooren wird hierfür nicht ausreichen. Entsprechend gewinnt Carbon Capture and Storage (CCS), die technische Abspaltung und Speicherung von CO2, zunehmend an Bedeutung. Bis Ende des Jahres will die EU-Kommission einen entsprechenden Rechtsrahmen vorlegen. Doch die Technologie bleibt umstritten, weiß Timo Landenberger.
Heute wird die EU-Kommission den European Chips Act vorstellen. Damit will sie nicht nur Milliarden mobilisieren, um der Chipfertigung in Europa einen kräftigen Anschub zu geben. Der Chips Act sieht auch die Einrichtung einer neuen Task-Force vor, die frühzeitig drohende Lieferengpässe erkennen soll. Im Falle einer Krise soll die Kommission weitgehende Eingriffsrechte bekommen, vorgesehen sind etwa Ausfuhrkontrollen. Nun regt sich Kritik. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Tief in den Anmerkungen zu potenziellen Geschäftsrisiken hat der Konzern bei den Pflichtangaben im 10-K-Formular ausgeführt, dass er in der ersten Jahreshälfte 2022 eine wichtige Entscheidung der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde DPC erwarte. Diese soll innerhalb der nächsten Monate darüber befinden, ob die Übertragung personenbezogener Daten durch Facebook in die USA derzeit rechtmäßig erfolgt oder ob sie DSGVO-widrig ist.
Meta setzt dafür bislang auf die sogenannten Standardvertragsklauseln (SCC). Der Konzern hat in seiner Einschätzung dabei eine Option aufgezeigt, die für Anleger wie Nutzer gleichermaßen von großer Relevanz ist: “Wenn kein neuer transatlantischer Datenschutzrahmen erreicht wird und wir nicht weiterhin auf SCCs oder alternative Mittel für Übertragungswege bauen können, werden wir wahrscheinlich nicht in der Lage sein, einen Teil unserer wichtigsten Produkte und Dienstleistungen, inklusive Facebook und Instagram, in Europa anzubieten“.
Sollte dieses Szenario eintreten, wären entsprechende Geschäftsauswirkungen zu erwarten, was Meta doppelt hart treffen würde. Zuletzt hatten Anleger den Konzern für schlechte Nutzerentwicklungszahlen mit massiven Kursverlusten abgestraft.
Und die Chancen für das Unternehmen dürften nicht sonderlich gut stehen – selbst wenn der irischen Behörde in der Vergangenheit oft nachgesagt wurde, besonders unternehmensfreundlich zu sein, ist ihr Spielraum hier sehr gering. “Die Europäische Kommission hat im Juni 2021 solche Standarddatenschutzklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer gemäß der DS-GVO veröffentlicht, die auch einige der bereits vorab von uns geäußerten Forderungen umsetzen”, sagt Stefan Brink, Landesdatenschutzbeauftragter in Baden-Württemberg.
Der Europäische Gerichtshof habe mit dem Schrems-II-Urteil hohe Anforderungen an Garantien gestellt, die Verantwortliche und Auftragsverarbeiter bereitstellen müssten. “Speziell im Hinblick auf Transparenz, behördliche Offenlegungsersuchen, Betroffenenrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten können die SCCs die Anforderungen häufig nicht in zufriedenstellender Weise erfüllen”, so Brink auf Anfrage von Europe.Table. “Dies auch deshalb, weil es an konkreten, klaren Informationen über die Datenübermittlung fehlt.”
Seine Beurteilung der Rechtslage ist klar: “Solange und soweit das gebotene Schutzniveau nicht erreichbar und auch durch zusätzliche Maßnahmen nicht herstellbar ist, können die SCCs keine Grundlage für den Drittstaatentransfer bilden.”
Dass Facebook und Instagram den Stecker für die EU ziehen, erscheint angesichts von etwa 20 Milliarden US-Dollar Umsatzerlösen in Europa – und damit dem zweitgrößten Markt nach den USA – kaum vorstellbar. Zu den scharfen Kritikern des Konzernes gehört der Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piraten/EFA). Er vermutet, dass die Facebook-Firma hier vor allem politischen Druck auf die EU-Kommission und insbesondere Justizkommissar Didier Reynders ausüben wolle.
“Es ist zu befürchten, dass die Kommission vor den Drohungen der Industrie einknickt, obwohl ein solches Abkommen angesichts des von Snowden enthüllten NSA-Überwachungswahns womöglich erneut vor den Gerichten scheitern würde.” Er halte es zwar für ausgeschlossen, dass der Facebook-Mutterkonzern seine Drohung wahr mache, wäre darüber aber auch nicht traurig, so Breyer: “Im Übrigen wäre ein Rückzug des Überwachungsmolochs aus Europa zu begrüßen, weil dadurch endlich bessere Wettbewerber eine echte Chance erhielten.”
Vollkommen anders sieht das hingegen Rebekka Weiß, Leiterin des Bereichs Vertrauen und Sicherheit beim IT-Verband Bitkom: “Der Datentransfer zwischen der EU und den USA ist essenziell – und zwar für globale Konzerne ebenso wie für viele Tausend kleinere und mittlere Unternehmen.”
Für Bitkom geht es also keineswegs nur um Metas Dienstleistungen. Es müsse eine politische Lösung gefunden werden, die Lage spitze sich immer weiter zu. “Die internationale Kooperation und Kommunikation hängt unter anderem maßgeblich davon ab, dass Unternehmen Rechtssicherheit zurückerlangen, wie sie in der Vergangenheit mit dem Privacy Shield bestanden hat”, sagt Weiß.
Sie sieht die EU-Kommission in der Pflicht: Diese müsse “dringend mit den US-amerikanischen Partnern ein neues, rechtssicheres Abkommen schließen”. Dabei müsse auch die Bundesregierung Druck auf die EU ausüben, um den Prozess zu beschleunigen. “Die laufenden Verhandlungen müssen unbedingt intensiviert werden, und beide Verhandlungspartner müssen sich entgegenkommen, um die Bruchstellen der Datentransfers nicht noch größer werden zu lassen.”
Eine Sprecherin der EU-Kommission teilte mit, dass die Verhandlungen zwischen Justizkommissar Didier Reynders und US-Wirtschaftsministern Gina Raimondo weiter andauern würden: “Nur eine Vereinbarung, die vollständig mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in Einklang stünde, kann die Stabilität und Rechtssicherheit gewährleisten, die die Stakeholder auf beiden Seiten des Atlantiks erwarten.”
Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sehen kein Problem mit einem möglichen Aus für Facebook in Europa. Habeck sagte bei seinem Besuch in Paris, er lebe seit vier Jahren glücklich ohne Facebook und Twitter. “Für mich persönlich ist das keine Drohung, vor der ich Angst hätte”, so Habeck. Europa sei ein so großer Binnenmarkt, “dass wir uns jetzt von so etwas nicht beeindrucken lassen.”
Auch Le Maire bestätigte, dass man ohne Facebook “sehr gut leben könne”. Solch große Konzerne seien es nicht gewohnt, dass man sich ihnen widersetze. “Wir wollen nicht, dass unsere persönlichen Daten den digitalen Giganten ohne jegliche Kontrolle überlassen werden”, so der französische Wirtschaftsminister.
Derweil ließe sich die Meta-Ankündigung auch vollständig anders gemeint lesen: Aus Sicht des EuGH liegt das Hauptproblem für ein neues EU-US Privacy Shield im US-Recht, das eben kein vergleichbares Schutzniveau zur DSGVO beim Zugriff von Nachrichtendiensten und Strafverfolgern bieten würde. Der Facebook-Mutterkonzern könnte mit seiner Drohung also auch Weißes Haus und Kongress meinen, dass diese sich endlich um eine dauerhafte Lösung bemühen müssten.
Denn dass eine Anpassung der rechtlichen Voraussetzungen in den USA die Kompetenzen der EU-Kommission übersteigt, darin dürfte ausnahmsweise transatlantische Einigkeit zwischen allen Akteuren bestehen. Allerdings müsste Meta selbst im Fall einer Abschaltung ein in europäischer Lesart kritisches Datum erheben: Die Firma müsste bei jedem Zugriff auf seine Dienste prüfen, ob Nutzer innerhalb der EU ansässig sind oder nicht. Ob es dafür eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt, müssten dann die Datenschutzaufsichtsbehörden prüfen.
Norwegen macht es vor: Etwa 100 Kilometer vor der Westküste und rund 2600 Meter unter dem Meeresboden entsteht derzeit die größte CO2-Deponie Europas. Ab 2024 sollen dort 1,5 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr gespeichert werden, perspektivisch könne die Kapazität auf bis zu fünf Millionen ausgebaut werden, abhängig von der Nachfrage, sagen die Betreiberfirmen. “Northern Lights” heißt das Projekt der Energiekonzerne Equinor, Royal Dutch Shell und Total, das von der norwegischen Regierung gefördert wird und das für energieintensive Industriezweige in ganz Europa Speicherplatz zur Verfügung stellen soll.
Die Technologie nennt sich Carbon Capture and Storage (CCS). “Wir haben 30 Jahre lang Erfahrungen mit der Abspaltung und Speicherung von CO2 gesammelt. Es ist eine solide Technologie, die gut funktioniert”, sagte der Norwegische Premierminister Jonas Gahr Støre kürzlich bei einem Besuch in Berlin. Nun gelte es, gemeinsam mit der EU-Industrie eine Wertschöpfungskette aufzubauen.
Insbesondere für die energieintensive Stahl- und Zementbranche ist das Angebot aus dem skandinavischen Land verlockend. Schließlich fand die Methode in Brüssel bislang kaum Beachtung. Das soll sich nun allerdings ändern. Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für die Umsetzung des Green Deal: “Die Abscheidung und Speicherung von CO2 wird unerlässlich sein, wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen. Es ist ein wichtiges Instrument in unserem Baukasten.”
Bis Ende 2022 will die Kommission deshalb einen Rechtsrahmen für die Zertifizierung des CO2-Abbaus vorschlagen, der transparente Vorschriften für die Anrechnung sowie Anforderungen an die Überwachung und Überprüfung der Kohlendioxid-Entnahme enthalten soll. Dabei soll es neben der Förderung der klimafreundlichen Landwirtschaft auch um industrielle Lösungen zur Abspaltung von CO2 gehen.
“Das ist ein kompliziertes Unterfangen, das in den nächsten Jahren einer gezielten Förderung bedarf”, so Timmermanns. Es gehe nicht darum, auf neue Technologien zu setzen, die alle Probleme lösen. Die Reduktion der Treibhausgasemissionen habe weiterhin Priorität. In innovative Ideen zu investieren, habe jedoch schon oft zu positiven Ergebnissen geführt.
Um den CO2-Abbau in großem Maßstab zu ermöglichen, will die Kommission zur Entwicklung eines Binnenmarkts für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 und zur Bereitstellung der notwendigen grenzüberschreitenden CO2-Transportinfrastruktur beitragen. Das Ziel: Bis 2030 sollten jährlich fünf Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt und mithilfe technischer Lösungen dauerhaft gespeichert werden. Auf kurze Sicht wird der aus dem EU-Emissionshandel (ETS) finanzierte Innovationsfonds das wichtigste Finanzierungsinstrument für diese Technologien sein.
Im Jahr 2025 will die Europäische Union klimaneutral sein. Doch auch darüber hinaus wird es Emissionen geben, die sich nicht oder nur sehr schwer vermeiden lassen. Diese sogenannten Residualemissionen entstehen beispielsweise in der Landwirtschaft oder auch im Transportsektor und müssen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Denn das erklärte Ziel lautet: Netto-Null.
Dass hierfür Negativ-Emissionen erforderlich sind, ist also keine neue Erkenntnis. Lange Zeit wurde in der Klimapolitik jedoch davon ausgegangen, dass natürliche Senken nebst Maßnahmen zur Wiederaufforstung oder zur Vernässung von Mooren ausreichen würden, um genügend Treibhausgase aus der Luft zu filtern.
“Hier hat sich die Wahrnehmung deutlich verändert. Wir brauchen technologische Lösungen zur Entnahme von CO2 und zur anschließenden geologischen Speicherung, das haben alle relevanten Studien gezeigt”, sagt Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Auch der Weltklimarat (IPCC) verweist auf die Bedeutung von Carbon Capture and Storage. Andernfalls sei das 1,5-Grad-Ziel kaum zu erreichen.
Dennoch bleibt das Instrument umstritten. Kritiker befürchten, die CO2-Entnahme diene vor allem Energiekonzernen als Argument, um weiter auf fossile Brennstoffe zu setzen und die Bilanzen später grün zu rechnen. Georg Kobiela von der Umweltorganisation Germanwatch fordert: “Kein CCS für fossile Kraftwerke. Wir müssen uns dabei auf Anwendungen fokussieren, für die es keine sinnvolle Alternative gibt.”
Zumal das Direct-Air-Capture-Verfahren (DAC), also die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre, noch in den Kinderschuhen steckt. Weltweit gibt es nur wenige Unternehmen, die entsprechende Methoden entwickeln, denn das Verfahren ist zu teuer. Die Kosten für die Abspaltung von einer Tonne CO2 aus der Atmosphäre sind um ein Vielfaches höher als der CO2-Preis im Rahmen des Emissionshandels, obgleich dieser in den vergangenen Wochen Rekordwerte erreicht hat und gegenwärtig bei über 95 Euro liegt. Dazu ist der Prozess sehr energieaufwendig, und auf absehbare Zeit werden nicht ausreichend Erneuerbare zur Verfügung stehen.
Unterschieden werden muss das DAC-Verfahren von der CO2-Abspaltung entlang hochkonzentrierter Kohlendioxid-Ströme bei industriellen Prozessen, die sich nicht oder nur sehr schwer dekarbonisieren lassen. Etwa bei der Zementherstellung. Der Einsatz von CCS-Technologien sei hier erheblich effizienter und daher vertretbar, so Kobiela. Vorausgesetzt, die Unternehmen legen eine Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität vor. Dabei müsse die Reduktion der Emissionen Priorität haben.
Auch der Baustoffkonzern Heidelberg Cement legt seien Fokus nach eigenen Angaben auf die Verringerung des Kohlenstoffausstoßes. “Wir stehen in der Zementindustrie aber vor der Herausforderung, dass rund zwei Drittel der direkten Emissionen bei der Kalzinierung von Kalkstein zu Zementklinker während des Brennvorgangs im Zementofen entstehen. Diese Emissionen sind bislang technologisch unvermeidbar“, so eine Konzernsprecherin.
Die Abscheidung von Kohlendioxid sei deshalb eine notwendige Voraussetzung, um für den Sektor Klimaneutralität zu erreichen. Von großer Bedeutung sei auch der Aufbau einer CO2-Transportinfrastruktur, die Emissionsquellen mit Speichereinrichtungen verbindet, wie auch die Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsverfahren. Heidelberg Cement gehört zu den ersten Partnern des norwegischen Northern-Lights-Projekts.
In der deutschen Klima- und Industriepolitik gilt der Einsatz von CCS-Technologien allerdings weiterhin als rotes Tuch, worüber am besten gar nicht gesprochen wird. Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Industrie, fordert: “Nimmt Deutschland seine klimapolitischen Ziele ernst, müssen Politik und Gesellschaft umdenken. Damit Klimaneutralität in Deutschland Realität wird, braucht es schnellstmöglich Lösungen für den Umgang mit nicht vermeidbaren Emissionen der Grundstoffindustrie.”
Tatsächlich heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung: “Wir bekennen uns zur Notwendigkeit auch von technischen Negativemissionen und werden eine Langfriststrategie zum Umgang mit den etwa fünf Prozent unvermeidbaren Restemissionen erarbeiten.” Auf Nachfrage teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit, man werde die Umsetzung nun Schritt für Schritt erörtern. Details könne man zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht nennen.
So bleibt auch die Speicherung von CO2 in Deutschland bis auf Weiteres verboten. Denn mit dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz wurde die Verpressung des Gases unter der Erde hierzulande vor Jahren faktisch untersagt. Dabei bescheinigt der Geologe Franz May von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) dem Land viel Potenzial.
Untersuchungswürdig seien demnach erschöpfte Erdgaslagerstätten und salzwasserführende poröse Gesteine in mehr als 800 Metern Tiefe unter undurchlässigen und ungestörten Deckschichten. Insbesondere bei erschöpften Erdgaslagerstätten seien bereits umfangreiche Informationen vorhanden. May zufolge entspräche die Kapazität in den größten Lagerstätten Deutschlands einer Masse von insgesamt etwa zwei Milliarden Tonnen CO2.
08.02.-11.02.2022, Brüssel (Belgien)/online
EC, Conference EU Industry Days
The European Commission (EC) discusses industry challenges, development opportunities, and policy responses with relevant stakeholders. INFOS & REGSITRATION
09.02.-11.02.2022, Brest (Frankreich)
France, Conference The One Planet Summit for the Ocean
The French Council presidency raises the question of tangible actions that mitigate the ecological pressures on the ocean. INFOS & REGISTRATION
09.02.-10.02.2022, Leuven (Belgien)/online
Belgium, Conference Life-on-Chip Conference
This event presents the latest cross-over innovations relevant to the health technology sector. INFOS & REGISTRATION
09.02.2022 – 10:30-12:00 Uhr, online
EUA, Seminar Realising the solar potential in Europe on the ground: swift and efficient administrative procedures
This EU Agenda (EUA) event addresses the impacts of the recast Renewable Energy Directive (RED II) 2018/2001 on the producers of renewable energy and the necessity of possible legal adjustments. INFOS & ANMELDUNG
09.02.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
Handelsblatt Expertentalk im Rahmen der Jahrestagung Health – The Digital Future
Die Veranstaltung des “Handelsblatt” dreht sich um die Frage, welche Aspekte bei der Entwicklung von neuen Lösungen den Stakeholdern im Gesundheitssystem besonders wichtig sind. INFOS & ANMELDUNG
09.02.2022 – 18:00-19:30 Uhr, online
DGAP, Discussion Russia’s Challenge to the Euro-Atlantic Security Order
The German Council on Foreign Relations (DGAP) discusses various perspectives on a possible military conflict between Russia and Ukraine. INFOS & REGISTRATION
10.02.-11.02.2022, online
Frankreich, Konferenz Die Verbraucher im Zeitalter des ökologischen und digitalen Wandels
Diese Konferenz des Französischen Ratsvorsitzes befasst sich mit dem Verbraucherschutz im ökologischen und digitalen Wandel unter Berücksichtigung der Agenda der EU-Kommission und der Anliegen des Europäischen Parlaments. INFOS
10.02.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
ESSA, Conference A Software Skills Strategy for Europe
The European Software Skills Alliance (ESSA) presents possible measures on how to ensure the training for high-skilled software roles. INFOS & REGISTRATION
10.02.2022 – 14:00-16:15 Uhr, online
DBU, Seminar Transformative Methoden – Potenzial zur Bewältigung von Nachhaltigkeitsherausforderungen
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geht der Frage nach, welche Ansätze es gibt, um den gesellschaftlichen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit konkret und regional zu unterstützen. INFOS & ANMELDUNG
10.02.2022 – 15:30-17:00 Uhr, online
BDI, Diskussion Klimapfade 2.0 – Fokus Industrie
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) diskutiert, wie die Dekarbonisierung der Industrie gelingen kann. INFOS & ANMELDUNG
Ein Einmarsch Russlands in die Ukraine würde nach den Worten von US-Präsident Joe Biden das Aus für die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 bedeuten. Biden sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag im Weißen Haus, im Fall einer russischen Invasion der Ukraine “wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.” Auf die Frage, wie er das bei einem Projekt unter deutscher Kontrolle bewerkstelligen wolle, sagte Biden: “Ich verspreche Ihnen, dass wir es schaffen werden.”
Scholz erwähnte Nord Stream 2 nicht namentlich. Der SPD-Politiker betonte bei der Pressekonferenz erneut, mögliche Sanktionen im Fall einer russischen Invasion der Ukraine seien intensiv vorbereitet worden. Es gehöre dazu, dabei nicht alles zu benennen, um Moskau nicht alle Pläne vorab offenzulegen. Scholz versprach aber: “Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren.” Die transatlantischen Partner seien in der Frage vereint und würden die gleichen Schritte unternehmen. Diese würden sehr hart für Russland. Aus seiner Sicht sei diese Botschaft auch in Russland angekommen.
Scholz wird von einigen Bündnispartnern vorgeworfen, in der Ukraine-Krise zu wenig Druck auf Russland auszuüben. Auch in den USA sind Zweifel laut geworden, ob man im Ernstfall auf Deutschland zählen könne. Biden betonte am Montag jedoch: “Ich habe überhaupt keinen Zweifel an Deutschland.”
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron war gestern zu einem mehrstündigen Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin nach Moskau gereist. Im Anschluss bezeichnete Putin das Gespräch als nützlich. Einige der Ideen Macrons könnten die Basis für weitere gemeinsame Schritte sein, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Politiker. Er werde mit Macron erneut sprechen, nachdem dieser mit der ukrainischen Führung gesprochen habe.
Putin forderte die Ukraine zur Umsetzung des Friedensplans für den Donbass auf. Die Vereinbarungen von Minsk würden bisher von der ukrainischen Führung ignoriert. Putin bat Macron, dies bei seinem heutigen Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew anzusprechen. Macron reist danach nach Berlin. Am Abend ist nach Angaben einer Regierungssprecherin ein Treffen im Kanzleramt von Bundeskanzler Scholz mit Macron und Polens Staatschef Andrzej Duda geplant. Macron sagte im Anschluss an die Gespräche mit Putin, eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa sollte nicht dadurch geschaffen werden, dass Staaten das Recht auf einen Beitritt zur Nato abgesprochen werde.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich zu Russlands Rolle in der Energiekrise. “Die Anzeichen, dass der Kreml Gaslieferungen weiterhin als politisches Druckmittel einsetzt, mehren sich”, sagte von der Leyen am Montag in einem Beitrag für eine Europa-Konferenz in Berlin. Dies wirke sich auf die Preise aus. Mehr als 40 Prozent der europäischen Gas-Importe stammten aus Russland. “Und dort gibt es derzeit trotz Spitzenpreisen und überbordender Nachfrage offenbar keinerlei Interesse, die Lieferungen zu erhöhen”, stellte sie fest. “Das ist ein sehr sonderbares Geschäftsgebaren von Gazprom.”
Dies müsse Konsequenzen haben: “Deshalb müssen wir uns davon unabhängig machen und konsequent mit verlässlichen Gaslieferanten arbeiten”, sagte sie. Zum Beispiel baue man mit den USA eine Partnerschaft für Energiesicherheit auf, bei der es vor allem um Flüssiggas-Lieferungen gehe. Auch könnten die Speicher in Europa noch ausgebaut und besser genutzt werden. Zudem müsse man verstärkt auf erneuerbare Energien setzen. dpa/rtr
Die EU-Kommission will die Lieferketten in der Halbleiterindustrie genauer überwachen lassen. Der European Chips Act, den die Behörde heute vorstellen wird, sieht laut informierten Kreisen die Einrichtung einer neuen Task-Force vor, die aus Vertretern von Kommission, Mitgliedsstaaten und Industrie zusammengesetzt werden soll.
Das Gremium soll die Entwicklung des Marktes beobachten, um drohende Lieferengpässe möglichst frühzeitig zu erkennen. In Krisen- bzw. Notsituationen soll die Kommission demnach weitgehende Eingriffsrechte erhalten. Die Toolbox sieht unter anderem Ausfuhrkontrollen vor, wie sie die EU zwischenzeitlich für Covid-19-Impfstoffe eingeführt hatte.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Binnenmarktkommissar Thierry Breton wollen dadurch eine Wiederholung dramatischer Engpässe bei Halbleitern vermeiden, die etwa der Auto- und der Elektronikindustrie seit Monaten zu schaffen machen. Unter freihandelsorientierten Mitgliedsstaaten regt sich bereits Kritik: Ausfuhrbeschränkungen könnten schnell zu einem “Bumerang” werden, wenn andere Staaten daraufhin ebenfalls die Exporte von Chips erschwerten, die von der europäischen Industrie dringend gebraucht würden, warnt ein EU-Diplomat.
Die Sorge wird noch dadurch verstärkt, dass die genaue Ausgestaltung der Toolbox demnach über einen delegierten Rechtsakt geregelt werden soll. Dieser kann nur gestoppt werden, wenn 20 der 27 Mitgliedsstaaten ihn ablehnen.
Daneben will die Kommission Milliarden mobilisieren, um Europas Anteil an der globalen Chipfertigung bis 2030 auf 20 Prozent mehr als zu verdoppeln. Der Löwenanteil, rund 30 Milliarden Euro, soll aus den nationalen Haushalten fließen. Die Bundesregierung allein hat bereits 10 Milliarden an Staatshilfen in Aussicht gestellt. 12 Milliarden sollen aus EU-Töpfen wie dem Forschungsprogramm Horizon Europe fließen. Bis zu 5 Milliarden sollen über Institutionen wie die Europäische Investitionsbank mobilisiert werden.
Damit wollen von der Leyen und Breton die EU auf Augenhöhe mit den USA und anderen Ländern bringen, die die als strategisch bewertete Branche massiv fördern wollen. Beim Großteil der ins Schaufenster gestellten Gelder handelt es sich aber nicht um zusätzliche Gelder.
Damit die Regierungen der EU-Staaten neue Standorte mithilfe von Subventionen anlocken können, will die Kommission die Beihilfekontrolle lockern (Europe.Table berichtete). So sollen auch neue Fabriken gefördert werden, die bislang nicht in Europa vorhandene Technologien einsetzen (“first of a kind in Europe”). Bislang war die Subventionierung nur für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bis zur Serienreife erlaubt, im Rahmen eines Important Projects of Common European Interest (IPCEI). Die IPCEI-Projekte sind zudem aufwendig zu koordinieren. Das neue Verfahren könnte die beihilferechtliche Freigabe beschleunigen.
Auch hier gibt es Bedenken in manchen Mitgliedstaaten. Als mögliche Profiteure gelten nur wenige Länder, die wie Frankreich, Deutschland, Italien und Belgien eine bedeutende Halbleiterindustrie haben und massiv um Global Player wie Intel oder TSMC buhlen. Die übrigen Mitgliedsstaaten und deren Steuerzahler dürften hingegen kaum von den Subventionen profitieren, kritisiert ein EU-Diplomat. tho
Im Ausschuss für Verkehr und Tourismus (TRAN) des EU-Parlaments wurde gestern über gleich mehrere Gesetzentwürfe der EU-Kommission aus dem Fit-for-55-Paket beraten. Weit auseinander gingen die Meinungen der Abgeordneten vor allem in der Debatte über jene Punkte der Reform des europäischen Emissionshandelssystems (ETS), die den Transport betreffen.
Der bulgarische EVP-Abgeordnete und Verfasser der Stellungnahme des TRAN-Ausschusses, Andrey Novakov, sprach sich dafür aus, Straßenverkehr nicht in ein zweites ETS einzubeziehen, wie von der Kommission ab 2026 vorgesehen. Novakov argumentierte, dass die Auswirkungen für schwächere Haushalte und die Gefahr von sogenannter Mobilitätsarmut zu groß seien.
Damit widerspricht er seinem EVP-Kollegen Peter Liese, Berichterstatter des federführenden Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI). Liese hatte in seinem Berichtsentwurf Mitte Januar eine vorgezogene Einführung des ETS 2 für 2025 gefordert (Europe.Table berichtete).
Auch einige EU-Schattenberichterstatter:innen im TRAN-Ausschuss sprachen sich für eine Reform des ETS aus. Die belgische S&D-Politikerin Kathleen Van Brempt kritisierte Novakov zudem, dass er Straßenverkehr vom ETS 2 ausnehmen wolle, aber keinen Vorschlag mache, welcher Sektor stattdessen hineinkommen solle. Hintergrund ist, dass die Kommission vorgegeben hat, dass sich das Treibhausgas-Reduktionspotenzial bei Änderungen an ihren Vorschlägen nicht reduzieren sollte.
Mette Koefoed Quinn aus der Generaldirektion Klimapolitik der EU-Kommission zeigte zwar Verständnis für Novakovs Sorgen vor sozialen Auswirkungen durch einen CO2-Preis im Straßenverkehr, verwies jedoch auf die Kommissionspläne zur Schaffung eines Klima-Sozialfonds (Europe.Table berichtete), der dies auffangen soll.
Deutlich größer ist die Einigkeit der Ausschuss-Mitglieder bei der Bepreisung von Emissionen aus dem Maritim-Sektor. Sowohl Berichterstatter als auch Schattenberichterstatter:innen unterstützen den Vorschlag, die Schifffahrt in das bestehende ETS aufzunehmen. Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen, welche Emissionen bepreist werden sollen.
Der Kommissionsvorschlag sieht vor, Emissionen von Fahrten innerhalb der EU vollständig einzufassen sowie 50 Prozent jener Fahrten, bei denen entweder Start- oder Zielhafen in der EU liegen. Berichterstatter Novakov möchte, dass Reedereien auch für Fahrten zwischen EU-Häfen nur für die Hälfte der Emissionen Zertifikate am ETS einkaufen müssen. Dies soll verhindern, dass Waren stattdessen in Häfen außerhalb der EU umgeschlagen werden, um hohe CO2-Preise zu umgehen.
Der schwedische Grünen-Abgeordnete und Schattenberichterstatter Jakop Dalunde will stattdessen, dass auch Schifffahrten, deren Start oder Ziel außerhalb der EU liegen, vollständig im ETS bepreist werden. Zudem fordert er, dass kleinere Schiffe nicht mehr ausgenommen werden. Die Kommission schlägt vor, nur Schiffe ab einer Größe von 5000 BRZ in den ETS aufzunehmen. Dalunde fürchtet, dass so nur 80 Prozent der Emissionen bepreist werden und fordert, die Schwelle auf 400 BRZ zu senken.
Bis zum 18. Februar haben die TRAN-Abgeordneten nun Zeit, Änderungsanträge für die Stellungnahme des Ausschusses einzureichen. luk
Die Bundesregierung will sich an einem aus öffentlichen Geldern gespeisten Multi-Milliarden-Fonds zur Förderung europäischer Technologie-Start-ups beteiligen, um die Abhängigkeit etwa von Unternehmen aus den USA und Asien zu verringern. “Wir werden eine European Tech Champions Initiative (ETCI) ins Leben rufen, an der sich Deutschland mit einer Milliarde Euro beteiligt”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.
Er werde dazu bei einem Besuch in Paris am heutigen Dienstag eine Erklärung mit anderen Partnern unterschreiben. Ziel sei es, den Finanzierungsbedarf von Unternehmen speziell in der Wachstumsphase zu decken. “Es geht darum, bessere Anreize zu schaffen, damit privates Kapital tatsächlich in großem Maßstab in potenzielle globale Champions fließen kann”, sagte Lindner. “Nur so werden wir im weltweiten Wettbewerb mithalten können.”
Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kündigte an, er werde mit Lindner Details zum geplanten ETCI-Dachfonds mitteilen. Es solle zehn bis 20 Fonds geben mit einem Mindestwert von einer Milliarde Euro, um Technologie-Champions zu finanzieren. “Unser Ziel ist es letztlich, bis 2030 zehn Technologieunternehmen mit einem Wert von jeweils mehr als 100 Milliarden Euro zu haben”, sagte Le Maire bei einer Konferenz zur digitalen Souveränität. Durch die ETCI sollen Start-ups leichteren Zugang zu europäischen Investoren erhalten. rtr
Die von der Bundesregierung geplanten sogenannten Klimaschutzverträge können einer Agora-Studie zufolge für einen schnellen Einstieg in eine “grüne Industrie” sorgen. Der Kohlendioxid-Ausstoß der Stahl-, Chemie- und Zementindustrie könnte mithilfe dieser Verträge bis 2030 nachhaltig um mehr als zwanzig Millionen Tonnen CO2 jährlich sinken, wie die Denkfabrik Agora Energiewende am Montag in Berlin mitteilte. Dies entspreche etwa einem Drittel der laut Klimaschutzgesetz erforderlichen Minderungen in der Industrie von 68 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr bis 2030.
Der Staat will mit den sogenannten Klimaschutzdifferenzverträgen (Carbon Contracts for Difference) die Industrie beim Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren unterstützen und die Kosten planbarer machen. Die Verträge sollen dafür sorgen, dass klimafreundliche Technologien gegenüber herkömmlichen Technologien wettbewerbsfähig werden. Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte Mitte Januar eine zügige Einführung dieser Verträge “als zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie” angekündigt.
“Durch Klimaschutzverträge garantiert der Staat die Refinanzierung von Investitionen in klimafreundliche Industrieanlagen, die Unternehmen noch nicht allein über den Markt erzielen können”, so die Autoren der Agora-Studie. Damit könne ein Angebot an grünen Grundstoffen für nachhaltige Produkte geschaffen werden. Die Kosten für diese Technologieförderung in der Produktion von Stahl, Ammoniak und Zement belaufen sich laut der Studie für den Staat auf zwischen 10 und 43 Milliarden Euro. dpa
Wenn Manfred Fischedick vom Klimaschutz spricht, meint er damit eine Transformation hin zu einer nachhaltigen und klimagerechten Gesellschaft. Seit 2020 ist Manfred Fischedick der wissenschaftliche Geschäftsführer des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Bereits seit 1993 arbeitet er dort. Anders als die klassische Forschungseinrichtung ist das Wuppertal Institut impact-orientiert. “Wir wollen was bewegen mit unserer Wissenschaft”, sagt Fischedick.
Das Institut arbeitet disziplinübergreifend. “Das war für mich am Anfang, als jemand, der Ingenieurswissenschaften studiert hat, ein ganz schön dickes Brett”, erinnert sich Fischedick. Mittlerweile scheint er wie gemacht für den transdisziplinären Ansatz. Fischedick ist heute nicht nur Energie- und Klimaforscher, sondern auch außerplanmäßiger Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Schumpeter School in Wuppertal.
Elementar sei für das Wuppertal Institut außerdem seine absolute Unabhängigkeit, sagt Manfred Fischedick. “Wir machen Studien für Fridays for Future genauso wie für Unternehmen aus der Energiewirtschaft oder für unterschiedliche Ministerien.” Auf die von Fridays for Future in Auftrag gegebene Studie des Wuppertal Instituts bezieht sich die Klimabewegung regelmäßig, wenn sie die Politik kritisiert. So auch wenige Stunden nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrages der Ampelparteien. Es sei eine Verfehlung des 1,5-Grad-Ziels bereits vor Amtsantritt.
Fischedick ist einer der Autoren der genannten Studie. Seine Bewertung des Koalitionsvertrages fällt zahmer aus. “Es ist richtig, dass Fridays for Future sagt ‘Das ist nicht 1,5-Grad-kompatibel’. Aber bevor man sich wieder in einer Zielsetzungsdiskussion verliert, soll der Fokus erst mal auf der Umsetzung liegen.” Der Vertrag nenne für die meisten Sektoren die richtigen Strategien, so Fischedick. Die Zubauraten von Fotovoltaik-Anlagen sollen sich im Vergleich zu den letzten Jahren verdreifachen, die der Windenergie beinahe vervierfachen.
Allerdings dürfe man sich nicht zu sehr auf eine Strategie fokussieren und dabei andere vernachlässigen. “In dem Koalitionsvertrag kommt 28-mal das Wort Wasserstoff und nur zweimal das Wort Energieeffizienz vor.” Das drücke schon ein Ungleichgewicht aus, sagt Fischedick. Für den Klimaschutz bräuchten wir alle zur Verfügung stehenden Mittel.
Auf europäischer Ebene sieht Fischedick die große Stärke der EU in der Umsetzung. Mit Fit for 55 seien nicht nur Ziele (Europe.Table berichtete), sondern auch die entsprechenden Maßnahmen definiert worden. “Wenn man sich allerdings ansieht, was in China zum Beispiel bei der Effizienzsteigerung passiert (China.Table berichtete) und welche Ziele in den USA geplant sind, dann muss man schon sagen: Die EU steht da nicht allein auf weiter Flur.” Außerdem zögen die Mitgliedstaaten häufig nicht in dieselbe Richtung – das wohl größte Hindernis der europäischen Klimapolitik.
Die Zusammenarbeit zwischen der Politik und dem Wuppertal Institut war nicht immer so harmonisch wie heute. In den 1990er-Jahren eckte das Institut häufig bei Politik und Industrie an. Kritische Stimmen aus dem Institut zum Braunkohletagebau kamen im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium gar nicht gut an. So erzählt Fischedick, wie er gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, im Kölner Stadtanzeiger liest “Wirtschaftsminister verurteilt Pamphlet des Wuppertal Instituts”.
Mittlerweile lässt sich das Land NRW regelmäßig von dem Wuppertal Institut wissenschaftlich beraten. Das Institut moderierte unter anderem die Konzeption des Klimaschutzplans des Landes von 2014 bis 2019. Und Fischedick, der zu Studierendenzeiten noch auf Anti-AKW-Demonstrationen ging, gilt heute bundesweit als renommierter Klimaexperte.
Die Annäherung zwischen Politik, dem Wuppertal Institut und seinem wissenschaftlichen Geschäftsführer sind von dem wachsenden gesellschaftlichen Bewusstsein für den Klimawandel geprägt. Oder in anderen Worten: von dem Beginn einer gesellschaftlichen Transformation. David Zauner
Minister für Wirtschaft und Klimaschutz – passt das zusammen? In Deutschland ist davon längst nicht jeder überzeugt. Auch in Frankreich sorgt die neue Jobbeschreibung von Robert Habeck für hochgezogene Augenbrauen. In Paris sind die Rollen noch anders verteilt: Dort traf Habeck bei seinem Antrittsbesuch gestern zunächst Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der in seiner Amtsbeschreibung auch noch den “Aufschwung” hat, und anschließend die Ministerin für ökologischen Wandel, Barbara Pompili.
Habeck selbst mag keinen Widerspruch erkennen: “Wir werden in Zukunft CO2-frei produzieren müssen”, sagte er. Wirtschaftliche Prosperität müsse man im Einklang mit Klimaschutz erreichen. Die Tageszeitung “Le Monde” aber sieht den deutschen Minister “auf einem schmalen Grat”: Auf der einen Seite spreche er weitreichende Garantien für die Industrie aus, auf der anderen zweifele er am traditionellen Wachstumsmodel, um seiner Wählerschaft zu gefallen.
Bei ihrem gemeinsamen Auftritt wurde Le Maire gefragt, ob Ökonomie und Ökologie auch im französischen Wirtschaftsministerium Bercy verbunden werden sollten. “In allen Ministerien sollte es auch um die Energiewende gehen – vor allem in der Wirtschaft”, entgegnete er, ganz im Sinne Habecks. Zwei einst getrennte Sphären fließen so ineinander.
Auch bei der Bewertung des Stabilitätspakts, ein langwährender Streitpunkt in den deutsch-französischen Beziehungen, verschwimmen die Fronten. Dekarbonisiertes Wachstum müsse mit soliden Finanzen verbunden werden, argumentierte Le Maire. Habeck fügte hinzu, die EU-Fiskalregeln müssten so gestaltet werden, dass “Stabilität und Wachstum ermöglicht werden und dieses nicht abgewürgt wird”. Dem habe er nichts hinzuzufügen, erklärte Le Maire dankbar. “Die Debatte hat sich verändert.” Tanja Kuchenbecker
es ist eine klare Ansage, und sie kommt direkt vom US-Präsidenten: Im Falle einer russischen Invasion der Ukraine “wird es kein Nord Stream 2 mehr geben”, sagte Joe Biden. “Wir werden dem ein Ende setzen.” Neben ihm stand zu diesem Zeitpunkt Olaf Scholz. Der Bundeskanzler, in diesen Tagen oft wegen fehlender Klarheit kritisiert, sagte zumindest einen deutlichen Satz: “Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren”. Anders lässt sich das kaum interpretieren: Deutschland trägt ein Aus für Nord Stream 2 im Fall der Fälle mit. Nur: So deutlich wie Biden will Scholz es nicht aussprechen.
Ein Ende der Meta-Dienste in Europa – Robert Habeck würde das angeblich kalt lassen. Er lebe seit vier Jahren glücklich ohne Facebook (und Twitter), sagte der Wirtschafts- und Klimaminister gestern bei seinem Besuch in Paris. Zurzeit glaubt ohnehin niemand daran, dass der Konzern seine Drohung wahr machen und seine Dienste wie Facebook, Instagram und Co in Europa einstellen werde. Hintergrund ist eine Entscheidung der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde zur Übertragung personenbezogener Daten in die USA. Die Hauptadressaten der Drohung säßen aber womöglich gar nicht in Europa, wie Falk Steiner analysiert, – sondern im Heimatland des Tech-Giganten.
Bis zur Mitte des Jahrhunderts will die Europäische Union klimaneutral werden. Doch auch nach 2050 wird es unvermeidbare Rest-Emissionen geben, die an anderer Stelle ausgeglichen werden müssen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Die meisten Experten sind sich einig: Die natürliche Senk-Leistung von Wäldern oder Mooren wird hierfür nicht ausreichen. Entsprechend gewinnt Carbon Capture and Storage (CCS), die technische Abspaltung und Speicherung von CO2, zunehmend an Bedeutung. Bis Ende des Jahres will die EU-Kommission einen entsprechenden Rechtsrahmen vorlegen. Doch die Technologie bleibt umstritten, weiß Timo Landenberger.
Heute wird die EU-Kommission den European Chips Act vorstellen. Damit will sie nicht nur Milliarden mobilisieren, um der Chipfertigung in Europa einen kräftigen Anschub zu geben. Der Chips Act sieht auch die Einrichtung einer neuen Task-Force vor, die frühzeitig drohende Lieferengpässe erkennen soll. Im Falle einer Krise soll die Kommission weitgehende Eingriffsrechte bekommen, vorgesehen sind etwa Ausfuhrkontrollen. Nun regt sich Kritik. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Tief in den Anmerkungen zu potenziellen Geschäftsrisiken hat der Konzern bei den Pflichtangaben im 10-K-Formular ausgeführt, dass er in der ersten Jahreshälfte 2022 eine wichtige Entscheidung der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde DPC erwarte. Diese soll innerhalb der nächsten Monate darüber befinden, ob die Übertragung personenbezogener Daten durch Facebook in die USA derzeit rechtmäßig erfolgt oder ob sie DSGVO-widrig ist.
Meta setzt dafür bislang auf die sogenannten Standardvertragsklauseln (SCC). Der Konzern hat in seiner Einschätzung dabei eine Option aufgezeigt, die für Anleger wie Nutzer gleichermaßen von großer Relevanz ist: “Wenn kein neuer transatlantischer Datenschutzrahmen erreicht wird und wir nicht weiterhin auf SCCs oder alternative Mittel für Übertragungswege bauen können, werden wir wahrscheinlich nicht in der Lage sein, einen Teil unserer wichtigsten Produkte und Dienstleistungen, inklusive Facebook und Instagram, in Europa anzubieten“.
Sollte dieses Szenario eintreten, wären entsprechende Geschäftsauswirkungen zu erwarten, was Meta doppelt hart treffen würde. Zuletzt hatten Anleger den Konzern für schlechte Nutzerentwicklungszahlen mit massiven Kursverlusten abgestraft.
Und die Chancen für das Unternehmen dürften nicht sonderlich gut stehen – selbst wenn der irischen Behörde in der Vergangenheit oft nachgesagt wurde, besonders unternehmensfreundlich zu sein, ist ihr Spielraum hier sehr gering. “Die Europäische Kommission hat im Juni 2021 solche Standarddatenschutzklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer gemäß der DS-GVO veröffentlicht, die auch einige der bereits vorab von uns geäußerten Forderungen umsetzen”, sagt Stefan Brink, Landesdatenschutzbeauftragter in Baden-Württemberg.
Der Europäische Gerichtshof habe mit dem Schrems-II-Urteil hohe Anforderungen an Garantien gestellt, die Verantwortliche und Auftragsverarbeiter bereitstellen müssten. “Speziell im Hinblick auf Transparenz, behördliche Offenlegungsersuchen, Betroffenenrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten können die SCCs die Anforderungen häufig nicht in zufriedenstellender Weise erfüllen”, so Brink auf Anfrage von Europe.Table. “Dies auch deshalb, weil es an konkreten, klaren Informationen über die Datenübermittlung fehlt.”
Seine Beurteilung der Rechtslage ist klar: “Solange und soweit das gebotene Schutzniveau nicht erreichbar und auch durch zusätzliche Maßnahmen nicht herstellbar ist, können die SCCs keine Grundlage für den Drittstaatentransfer bilden.”
Dass Facebook und Instagram den Stecker für die EU ziehen, erscheint angesichts von etwa 20 Milliarden US-Dollar Umsatzerlösen in Europa – und damit dem zweitgrößten Markt nach den USA – kaum vorstellbar. Zu den scharfen Kritikern des Konzernes gehört der Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piraten/EFA). Er vermutet, dass die Facebook-Firma hier vor allem politischen Druck auf die EU-Kommission und insbesondere Justizkommissar Didier Reynders ausüben wolle.
“Es ist zu befürchten, dass die Kommission vor den Drohungen der Industrie einknickt, obwohl ein solches Abkommen angesichts des von Snowden enthüllten NSA-Überwachungswahns womöglich erneut vor den Gerichten scheitern würde.” Er halte es zwar für ausgeschlossen, dass der Facebook-Mutterkonzern seine Drohung wahr mache, wäre darüber aber auch nicht traurig, so Breyer: “Im Übrigen wäre ein Rückzug des Überwachungsmolochs aus Europa zu begrüßen, weil dadurch endlich bessere Wettbewerber eine echte Chance erhielten.”
Vollkommen anders sieht das hingegen Rebekka Weiß, Leiterin des Bereichs Vertrauen und Sicherheit beim IT-Verband Bitkom: “Der Datentransfer zwischen der EU und den USA ist essenziell – und zwar für globale Konzerne ebenso wie für viele Tausend kleinere und mittlere Unternehmen.”
Für Bitkom geht es also keineswegs nur um Metas Dienstleistungen. Es müsse eine politische Lösung gefunden werden, die Lage spitze sich immer weiter zu. “Die internationale Kooperation und Kommunikation hängt unter anderem maßgeblich davon ab, dass Unternehmen Rechtssicherheit zurückerlangen, wie sie in der Vergangenheit mit dem Privacy Shield bestanden hat”, sagt Weiß.
Sie sieht die EU-Kommission in der Pflicht: Diese müsse “dringend mit den US-amerikanischen Partnern ein neues, rechtssicheres Abkommen schließen”. Dabei müsse auch die Bundesregierung Druck auf die EU ausüben, um den Prozess zu beschleunigen. “Die laufenden Verhandlungen müssen unbedingt intensiviert werden, und beide Verhandlungspartner müssen sich entgegenkommen, um die Bruchstellen der Datentransfers nicht noch größer werden zu lassen.”
Eine Sprecherin der EU-Kommission teilte mit, dass die Verhandlungen zwischen Justizkommissar Didier Reynders und US-Wirtschaftsministern Gina Raimondo weiter andauern würden: “Nur eine Vereinbarung, die vollständig mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in Einklang stünde, kann die Stabilität und Rechtssicherheit gewährleisten, die die Stakeholder auf beiden Seiten des Atlantiks erwarten.”
Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sehen kein Problem mit einem möglichen Aus für Facebook in Europa. Habeck sagte bei seinem Besuch in Paris, er lebe seit vier Jahren glücklich ohne Facebook und Twitter. “Für mich persönlich ist das keine Drohung, vor der ich Angst hätte”, so Habeck. Europa sei ein so großer Binnenmarkt, “dass wir uns jetzt von so etwas nicht beeindrucken lassen.”
Auch Le Maire bestätigte, dass man ohne Facebook “sehr gut leben könne”. Solch große Konzerne seien es nicht gewohnt, dass man sich ihnen widersetze. “Wir wollen nicht, dass unsere persönlichen Daten den digitalen Giganten ohne jegliche Kontrolle überlassen werden”, so der französische Wirtschaftsminister.
Derweil ließe sich die Meta-Ankündigung auch vollständig anders gemeint lesen: Aus Sicht des EuGH liegt das Hauptproblem für ein neues EU-US Privacy Shield im US-Recht, das eben kein vergleichbares Schutzniveau zur DSGVO beim Zugriff von Nachrichtendiensten und Strafverfolgern bieten würde. Der Facebook-Mutterkonzern könnte mit seiner Drohung also auch Weißes Haus und Kongress meinen, dass diese sich endlich um eine dauerhafte Lösung bemühen müssten.
Denn dass eine Anpassung der rechtlichen Voraussetzungen in den USA die Kompetenzen der EU-Kommission übersteigt, darin dürfte ausnahmsweise transatlantische Einigkeit zwischen allen Akteuren bestehen. Allerdings müsste Meta selbst im Fall einer Abschaltung ein in europäischer Lesart kritisches Datum erheben: Die Firma müsste bei jedem Zugriff auf seine Dienste prüfen, ob Nutzer innerhalb der EU ansässig sind oder nicht. Ob es dafür eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt, müssten dann die Datenschutzaufsichtsbehörden prüfen.
Norwegen macht es vor: Etwa 100 Kilometer vor der Westküste und rund 2600 Meter unter dem Meeresboden entsteht derzeit die größte CO2-Deponie Europas. Ab 2024 sollen dort 1,5 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr gespeichert werden, perspektivisch könne die Kapazität auf bis zu fünf Millionen ausgebaut werden, abhängig von der Nachfrage, sagen die Betreiberfirmen. “Northern Lights” heißt das Projekt der Energiekonzerne Equinor, Royal Dutch Shell und Total, das von der norwegischen Regierung gefördert wird und das für energieintensive Industriezweige in ganz Europa Speicherplatz zur Verfügung stellen soll.
Die Technologie nennt sich Carbon Capture and Storage (CCS). “Wir haben 30 Jahre lang Erfahrungen mit der Abspaltung und Speicherung von CO2 gesammelt. Es ist eine solide Technologie, die gut funktioniert”, sagte der Norwegische Premierminister Jonas Gahr Støre kürzlich bei einem Besuch in Berlin. Nun gelte es, gemeinsam mit der EU-Industrie eine Wertschöpfungskette aufzubauen.
Insbesondere für die energieintensive Stahl- und Zementbranche ist das Angebot aus dem skandinavischen Land verlockend. Schließlich fand die Methode in Brüssel bislang kaum Beachtung. Das soll sich nun allerdings ändern. Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für die Umsetzung des Green Deal: “Die Abscheidung und Speicherung von CO2 wird unerlässlich sein, wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen. Es ist ein wichtiges Instrument in unserem Baukasten.”
Bis Ende 2022 will die Kommission deshalb einen Rechtsrahmen für die Zertifizierung des CO2-Abbaus vorschlagen, der transparente Vorschriften für die Anrechnung sowie Anforderungen an die Überwachung und Überprüfung der Kohlendioxid-Entnahme enthalten soll. Dabei soll es neben der Förderung der klimafreundlichen Landwirtschaft auch um industrielle Lösungen zur Abspaltung von CO2 gehen.
“Das ist ein kompliziertes Unterfangen, das in den nächsten Jahren einer gezielten Förderung bedarf”, so Timmermanns. Es gehe nicht darum, auf neue Technologien zu setzen, die alle Probleme lösen. Die Reduktion der Treibhausgasemissionen habe weiterhin Priorität. In innovative Ideen zu investieren, habe jedoch schon oft zu positiven Ergebnissen geführt.
Um den CO2-Abbau in großem Maßstab zu ermöglichen, will die Kommission zur Entwicklung eines Binnenmarkts für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 und zur Bereitstellung der notwendigen grenzüberschreitenden CO2-Transportinfrastruktur beitragen. Das Ziel: Bis 2030 sollten jährlich fünf Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt und mithilfe technischer Lösungen dauerhaft gespeichert werden. Auf kurze Sicht wird der aus dem EU-Emissionshandel (ETS) finanzierte Innovationsfonds das wichtigste Finanzierungsinstrument für diese Technologien sein.
Im Jahr 2025 will die Europäische Union klimaneutral sein. Doch auch darüber hinaus wird es Emissionen geben, die sich nicht oder nur sehr schwer vermeiden lassen. Diese sogenannten Residualemissionen entstehen beispielsweise in der Landwirtschaft oder auch im Transportsektor und müssen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Denn das erklärte Ziel lautet: Netto-Null.
Dass hierfür Negativ-Emissionen erforderlich sind, ist also keine neue Erkenntnis. Lange Zeit wurde in der Klimapolitik jedoch davon ausgegangen, dass natürliche Senken nebst Maßnahmen zur Wiederaufforstung oder zur Vernässung von Mooren ausreichen würden, um genügend Treibhausgase aus der Luft zu filtern.
“Hier hat sich die Wahrnehmung deutlich verändert. Wir brauchen technologische Lösungen zur Entnahme von CO2 und zur anschließenden geologischen Speicherung, das haben alle relevanten Studien gezeigt”, sagt Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Auch der Weltklimarat (IPCC) verweist auf die Bedeutung von Carbon Capture and Storage. Andernfalls sei das 1,5-Grad-Ziel kaum zu erreichen.
Dennoch bleibt das Instrument umstritten. Kritiker befürchten, die CO2-Entnahme diene vor allem Energiekonzernen als Argument, um weiter auf fossile Brennstoffe zu setzen und die Bilanzen später grün zu rechnen. Georg Kobiela von der Umweltorganisation Germanwatch fordert: “Kein CCS für fossile Kraftwerke. Wir müssen uns dabei auf Anwendungen fokussieren, für die es keine sinnvolle Alternative gibt.”
Zumal das Direct-Air-Capture-Verfahren (DAC), also die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre, noch in den Kinderschuhen steckt. Weltweit gibt es nur wenige Unternehmen, die entsprechende Methoden entwickeln, denn das Verfahren ist zu teuer. Die Kosten für die Abspaltung von einer Tonne CO2 aus der Atmosphäre sind um ein Vielfaches höher als der CO2-Preis im Rahmen des Emissionshandels, obgleich dieser in den vergangenen Wochen Rekordwerte erreicht hat und gegenwärtig bei über 95 Euro liegt. Dazu ist der Prozess sehr energieaufwendig, und auf absehbare Zeit werden nicht ausreichend Erneuerbare zur Verfügung stehen.
Unterschieden werden muss das DAC-Verfahren von der CO2-Abspaltung entlang hochkonzentrierter Kohlendioxid-Ströme bei industriellen Prozessen, die sich nicht oder nur sehr schwer dekarbonisieren lassen. Etwa bei der Zementherstellung. Der Einsatz von CCS-Technologien sei hier erheblich effizienter und daher vertretbar, so Kobiela. Vorausgesetzt, die Unternehmen legen eine Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität vor. Dabei müsse die Reduktion der Emissionen Priorität haben.
Auch der Baustoffkonzern Heidelberg Cement legt seien Fokus nach eigenen Angaben auf die Verringerung des Kohlenstoffausstoßes. “Wir stehen in der Zementindustrie aber vor der Herausforderung, dass rund zwei Drittel der direkten Emissionen bei der Kalzinierung von Kalkstein zu Zementklinker während des Brennvorgangs im Zementofen entstehen. Diese Emissionen sind bislang technologisch unvermeidbar“, so eine Konzernsprecherin.
Die Abscheidung von Kohlendioxid sei deshalb eine notwendige Voraussetzung, um für den Sektor Klimaneutralität zu erreichen. Von großer Bedeutung sei auch der Aufbau einer CO2-Transportinfrastruktur, die Emissionsquellen mit Speichereinrichtungen verbindet, wie auch die Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsverfahren. Heidelberg Cement gehört zu den ersten Partnern des norwegischen Northern-Lights-Projekts.
In der deutschen Klima- und Industriepolitik gilt der Einsatz von CCS-Technologien allerdings weiterhin als rotes Tuch, worüber am besten gar nicht gesprochen wird. Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Industrie, fordert: “Nimmt Deutschland seine klimapolitischen Ziele ernst, müssen Politik und Gesellschaft umdenken. Damit Klimaneutralität in Deutschland Realität wird, braucht es schnellstmöglich Lösungen für den Umgang mit nicht vermeidbaren Emissionen der Grundstoffindustrie.”
Tatsächlich heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung: “Wir bekennen uns zur Notwendigkeit auch von technischen Negativemissionen und werden eine Langfriststrategie zum Umgang mit den etwa fünf Prozent unvermeidbaren Restemissionen erarbeiten.” Auf Nachfrage teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit, man werde die Umsetzung nun Schritt für Schritt erörtern. Details könne man zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht nennen.
So bleibt auch die Speicherung von CO2 in Deutschland bis auf Weiteres verboten. Denn mit dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz wurde die Verpressung des Gases unter der Erde hierzulande vor Jahren faktisch untersagt. Dabei bescheinigt der Geologe Franz May von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) dem Land viel Potenzial.
Untersuchungswürdig seien demnach erschöpfte Erdgaslagerstätten und salzwasserführende poröse Gesteine in mehr als 800 Metern Tiefe unter undurchlässigen und ungestörten Deckschichten. Insbesondere bei erschöpften Erdgaslagerstätten seien bereits umfangreiche Informationen vorhanden. May zufolge entspräche die Kapazität in den größten Lagerstätten Deutschlands einer Masse von insgesamt etwa zwei Milliarden Tonnen CO2.
08.02.-11.02.2022, Brüssel (Belgien)/online
EC, Conference EU Industry Days
The European Commission (EC) discusses industry challenges, development opportunities, and policy responses with relevant stakeholders. INFOS & REGSITRATION
09.02.-11.02.2022, Brest (Frankreich)
France, Conference The One Planet Summit for the Ocean
The French Council presidency raises the question of tangible actions that mitigate the ecological pressures on the ocean. INFOS & REGISTRATION
09.02.-10.02.2022, Leuven (Belgien)/online
Belgium, Conference Life-on-Chip Conference
This event presents the latest cross-over innovations relevant to the health technology sector. INFOS & REGISTRATION
09.02.2022 – 10:30-12:00 Uhr, online
EUA, Seminar Realising the solar potential in Europe on the ground: swift and efficient administrative procedures
This EU Agenda (EUA) event addresses the impacts of the recast Renewable Energy Directive (RED II) 2018/2001 on the producers of renewable energy and the necessity of possible legal adjustments. INFOS & ANMELDUNG
09.02.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
Handelsblatt Expertentalk im Rahmen der Jahrestagung Health – The Digital Future
Die Veranstaltung des “Handelsblatt” dreht sich um die Frage, welche Aspekte bei der Entwicklung von neuen Lösungen den Stakeholdern im Gesundheitssystem besonders wichtig sind. INFOS & ANMELDUNG
09.02.2022 – 18:00-19:30 Uhr, online
DGAP, Discussion Russia’s Challenge to the Euro-Atlantic Security Order
The German Council on Foreign Relations (DGAP) discusses various perspectives on a possible military conflict between Russia and Ukraine. INFOS & REGISTRATION
10.02.-11.02.2022, online
Frankreich, Konferenz Die Verbraucher im Zeitalter des ökologischen und digitalen Wandels
Diese Konferenz des Französischen Ratsvorsitzes befasst sich mit dem Verbraucherschutz im ökologischen und digitalen Wandel unter Berücksichtigung der Agenda der EU-Kommission und der Anliegen des Europäischen Parlaments. INFOS
10.02.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
ESSA, Conference A Software Skills Strategy for Europe
The European Software Skills Alliance (ESSA) presents possible measures on how to ensure the training for high-skilled software roles. INFOS & REGISTRATION
10.02.2022 – 14:00-16:15 Uhr, online
DBU, Seminar Transformative Methoden – Potenzial zur Bewältigung von Nachhaltigkeitsherausforderungen
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geht der Frage nach, welche Ansätze es gibt, um den gesellschaftlichen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit konkret und regional zu unterstützen. INFOS & ANMELDUNG
10.02.2022 – 15:30-17:00 Uhr, online
BDI, Diskussion Klimapfade 2.0 – Fokus Industrie
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) diskutiert, wie die Dekarbonisierung der Industrie gelingen kann. INFOS & ANMELDUNG
Ein Einmarsch Russlands in die Ukraine würde nach den Worten von US-Präsident Joe Biden das Aus für die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 bedeuten. Biden sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag im Weißen Haus, im Fall einer russischen Invasion der Ukraine “wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.” Auf die Frage, wie er das bei einem Projekt unter deutscher Kontrolle bewerkstelligen wolle, sagte Biden: “Ich verspreche Ihnen, dass wir es schaffen werden.”
Scholz erwähnte Nord Stream 2 nicht namentlich. Der SPD-Politiker betonte bei der Pressekonferenz erneut, mögliche Sanktionen im Fall einer russischen Invasion der Ukraine seien intensiv vorbereitet worden. Es gehöre dazu, dabei nicht alles zu benennen, um Moskau nicht alle Pläne vorab offenzulegen. Scholz versprach aber: “Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren.” Die transatlantischen Partner seien in der Frage vereint und würden die gleichen Schritte unternehmen. Diese würden sehr hart für Russland. Aus seiner Sicht sei diese Botschaft auch in Russland angekommen.
Scholz wird von einigen Bündnispartnern vorgeworfen, in der Ukraine-Krise zu wenig Druck auf Russland auszuüben. Auch in den USA sind Zweifel laut geworden, ob man im Ernstfall auf Deutschland zählen könne. Biden betonte am Montag jedoch: “Ich habe überhaupt keinen Zweifel an Deutschland.”
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron war gestern zu einem mehrstündigen Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin nach Moskau gereist. Im Anschluss bezeichnete Putin das Gespräch als nützlich. Einige der Ideen Macrons könnten die Basis für weitere gemeinsame Schritte sein, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Politiker. Er werde mit Macron erneut sprechen, nachdem dieser mit der ukrainischen Führung gesprochen habe.
Putin forderte die Ukraine zur Umsetzung des Friedensplans für den Donbass auf. Die Vereinbarungen von Minsk würden bisher von der ukrainischen Führung ignoriert. Putin bat Macron, dies bei seinem heutigen Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew anzusprechen. Macron reist danach nach Berlin. Am Abend ist nach Angaben einer Regierungssprecherin ein Treffen im Kanzleramt von Bundeskanzler Scholz mit Macron und Polens Staatschef Andrzej Duda geplant. Macron sagte im Anschluss an die Gespräche mit Putin, eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa sollte nicht dadurch geschaffen werden, dass Staaten das Recht auf einen Beitritt zur Nato abgesprochen werde.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich zu Russlands Rolle in der Energiekrise. “Die Anzeichen, dass der Kreml Gaslieferungen weiterhin als politisches Druckmittel einsetzt, mehren sich”, sagte von der Leyen am Montag in einem Beitrag für eine Europa-Konferenz in Berlin. Dies wirke sich auf die Preise aus. Mehr als 40 Prozent der europäischen Gas-Importe stammten aus Russland. “Und dort gibt es derzeit trotz Spitzenpreisen und überbordender Nachfrage offenbar keinerlei Interesse, die Lieferungen zu erhöhen”, stellte sie fest. “Das ist ein sehr sonderbares Geschäftsgebaren von Gazprom.”
Dies müsse Konsequenzen haben: “Deshalb müssen wir uns davon unabhängig machen und konsequent mit verlässlichen Gaslieferanten arbeiten”, sagte sie. Zum Beispiel baue man mit den USA eine Partnerschaft für Energiesicherheit auf, bei der es vor allem um Flüssiggas-Lieferungen gehe. Auch könnten die Speicher in Europa noch ausgebaut und besser genutzt werden. Zudem müsse man verstärkt auf erneuerbare Energien setzen. dpa/rtr
Die EU-Kommission will die Lieferketten in der Halbleiterindustrie genauer überwachen lassen. Der European Chips Act, den die Behörde heute vorstellen wird, sieht laut informierten Kreisen die Einrichtung einer neuen Task-Force vor, die aus Vertretern von Kommission, Mitgliedsstaaten und Industrie zusammengesetzt werden soll.
Das Gremium soll die Entwicklung des Marktes beobachten, um drohende Lieferengpässe möglichst frühzeitig zu erkennen. In Krisen- bzw. Notsituationen soll die Kommission demnach weitgehende Eingriffsrechte erhalten. Die Toolbox sieht unter anderem Ausfuhrkontrollen vor, wie sie die EU zwischenzeitlich für Covid-19-Impfstoffe eingeführt hatte.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Binnenmarktkommissar Thierry Breton wollen dadurch eine Wiederholung dramatischer Engpässe bei Halbleitern vermeiden, die etwa der Auto- und der Elektronikindustrie seit Monaten zu schaffen machen. Unter freihandelsorientierten Mitgliedsstaaten regt sich bereits Kritik: Ausfuhrbeschränkungen könnten schnell zu einem “Bumerang” werden, wenn andere Staaten daraufhin ebenfalls die Exporte von Chips erschwerten, die von der europäischen Industrie dringend gebraucht würden, warnt ein EU-Diplomat.
Die Sorge wird noch dadurch verstärkt, dass die genaue Ausgestaltung der Toolbox demnach über einen delegierten Rechtsakt geregelt werden soll. Dieser kann nur gestoppt werden, wenn 20 der 27 Mitgliedsstaaten ihn ablehnen.
Daneben will die Kommission Milliarden mobilisieren, um Europas Anteil an der globalen Chipfertigung bis 2030 auf 20 Prozent mehr als zu verdoppeln. Der Löwenanteil, rund 30 Milliarden Euro, soll aus den nationalen Haushalten fließen. Die Bundesregierung allein hat bereits 10 Milliarden an Staatshilfen in Aussicht gestellt. 12 Milliarden sollen aus EU-Töpfen wie dem Forschungsprogramm Horizon Europe fließen. Bis zu 5 Milliarden sollen über Institutionen wie die Europäische Investitionsbank mobilisiert werden.
Damit wollen von der Leyen und Breton die EU auf Augenhöhe mit den USA und anderen Ländern bringen, die die als strategisch bewertete Branche massiv fördern wollen. Beim Großteil der ins Schaufenster gestellten Gelder handelt es sich aber nicht um zusätzliche Gelder.
Damit die Regierungen der EU-Staaten neue Standorte mithilfe von Subventionen anlocken können, will die Kommission die Beihilfekontrolle lockern (Europe.Table berichtete). So sollen auch neue Fabriken gefördert werden, die bislang nicht in Europa vorhandene Technologien einsetzen (“first of a kind in Europe”). Bislang war die Subventionierung nur für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bis zur Serienreife erlaubt, im Rahmen eines Important Projects of Common European Interest (IPCEI). Die IPCEI-Projekte sind zudem aufwendig zu koordinieren. Das neue Verfahren könnte die beihilferechtliche Freigabe beschleunigen.
Auch hier gibt es Bedenken in manchen Mitgliedstaaten. Als mögliche Profiteure gelten nur wenige Länder, die wie Frankreich, Deutschland, Italien und Belgien eine bedeutende Halbleiterindustrie haben und massiv um Global Player wie Intel oder TSMC buhlen. Die übrigen Mitgliedsstaaten und deren Steuerzahler dürften hingegen kaum von den Subventionen profitieren, kritisiert ein EU-Diplomat. tho
Im Ausschuss für Verkehr und Tourismus (TRAN) des EU-Parlaments wurde gestern über gleich mehrere Gesetzentwürfe der EU-Kommission aus dem Fit-for-55-Paket beraten. Weit auseinander gingen die Meinungen der Abgeordneten vor allem in der Debatte über jene Punkte der Reform des europäischen Emissionshandelssystems (ETS), die den Transport betreffen.
Der bulgarische EVP-Abgeordnete und Verfasser der Stellungnahme des TRAN-Ausschusses, Andrey Novakov, sprach sich dafür aus, Straßenverkehr nicht in ein zweites ETS einzubeziehen, wie von der Kommission ab 2026 vorgesehen. Novakov argumentierte, dass die Auswirkungen für schwächere Haushalte und die Gefahr von sogenannter Mobilitätsarmut zu groß seien.
Damit widerspricht er seinem EVP-Kollegen Peter Liese, Berichterstatter des federführenden Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI). Liese hatte in seinem Berichtsentwurf Mitte Januar eine vorgezogene Einführung des ETS 2 für 2025 gefordert (Europe.Table berichtete).
Auch einige EU-Schattenberichterstatter:innen im TRAN-Ausschuss sprachen sich für eine Reform des ETS aus. Die belgische S&D-Politikerin Kathleen Van Brempt kritisierte Novakov zudem, dass er Straßenverkehr vom ETS 2 ausnehmen wolle, aber keinen Vorschlag mache, welcher Sektor stattdessen hineinkommen solle. Hintergrund ist, dass die Kommission vorgegeben hat, dass sich das Treibhausgas-Reduktionspotenzial bei Änderungen an ihren Vorschlägen nicht reduzieren sollte.
Mette Koefoed Quinn aus der Generaldirektion Klimapolitik der EU-Kommission zeigte zwar Verständnis für Novakovs Sorgen vor sozialen Auswirkungen durch einen CO2-Preis im Straßenverkehr, verwies jedoch auf die Kommissionspläne zur Schaffung eines Klima-Sozialfonds (Europe.Table berichtete), der dies auffangen soll.
Deutlich größer ist die Einigkeit der Ausschuss-Mitglieder bei der Bepreisung von Emissionen aus dem Maritim-Sektor. Sowohl Berichterstatter als auch Schattenberichterstatter:innen unterstützen den Vorschlag, die Schifffahrt in das bestehende ETS aufzunehmen. Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen, welche Emissionen bepreist werden sollen.
Der Kommissionsvorschlag sieht vor, Emissionen von Fahrten innerhalb der EU vollständig einzufassen sowie 50 Prozent jener Fahrten, bei denen entweder Start- oder Zielhafen in der EU liegen. Berichterstatter Novakov möchte, dass Reedereien auch für Fahrten zwischen EU-Häfen nur für die Hälfte der Emissionen Zertifikate am ETS einkaufen müssen. Dies soll verhindern, dass Waren stattdessen in Häfen außerhalb der EU umgeschlagen werden, um hohe CO2-Preise zu umgehen.
Der schwedische Grünen-Abgeordnete und Schattenberichterstatter Jakop Dalunde will stattdessen, dass auch Schifffahrten, deren Start oder Ziel außerhalb der EU liegen, vollständig im ETS bepreist werden. Zudem fordert er, dass kleinere Schiffe nicht mehr ausgenommen werden. Die Kommission schlägt vor, nur Schiffe ab einer Größe von 5000 BRZ in den ETS aufzunehmen. Dalunde fürchtet, dass so nur 80 Prozent der Emissionen bepreist werden und fordert, die Schwelle auf 400 BRZ zu senken.
Bis zum 18. Februar haben die TRAN-Abgeordneten nun Zeit, Änderungsanträge für die Stellungnahme des Ausschusses einzureichen. luk
Die Bundesregierung will sich an einem aus öffentlichen Geldern gespeisten Multi-Milliarden-Fonds zur Förderung europäischer Technologie-Start-ups beteiligen, um die Abhängigkeit etwa von Unternehmen aus den USA und Asien zu verringern. “Wir werden eine European Tech Champions Initiative (ETCI) ins Leben rufen, an der sich Deutschland mit einer Milliarde Euro beteiligt”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.
Er werde dazu bei einem Besuch in Paris am heutigen Dienstag eine Erklärung mit anderen Partnern unterschreiben. Ziel sei es, den Finanzierungsbedarf von Unternehmen speziell in der Wachstumsphase zu decken. “Es geht darum, bessere Anreize zu schaffen, damit privates Kapital tatsächlich in großem Maßstab in potenzielle globale Champions fließen kann”, sagte Lindner. “Nur so werden wir im weltweiten Wettbewerb mithalten können.”
Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kündigte an, er werde mit Lindner Details zum geplanten ETCI-Dachfonds mitteilen. Es solle zehn bis 20 Fonds geben mit einem Mindestwert von einer Milliarde Euro, um Technologie-Champions zu finanzieren. “Unser Ziel ist es letztlich, bis 2030 zehn Technologieunternehmen mit einem Wert von jeweils mehr als 100 Milliarden Euro zu haben”, sagte Le Maire bei einer Konferenz zur digitalen Souveränität. Durch die ETCI sollen Start-ups leichteren Zugang zu europäischen Investoren erhalten. rtr
Die von der Bundesregierung geplanten sogenannten Klimaschutzverträge können einer Agora-Studie zufolge für einen schnellen Einstieg in eine “grüne Industrie” sorgen. Der Kohlendioxid-Ausstoß der Stahl-, Chemie- und Zementindustrie könnte mithilfe dieser Verträge bis 2030 nachhaltig um mehr als zwanzig Millionen Tonnen CO2 jährlich sinken, wie die Denkfabrik Agora Energiewende am Montag in Berlin mitteilte. Dies entspreche etwa einem Drittel der laut Klimaschutzgesetz erforderlichen Minderungen in der Industrie von 68 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr bis 2030.
Der Staat will mit den sogenannten Klimaschutzdifferenzverträgen (Carbon Contracts for Difference) die Industrie beim Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren unterstützen und die Kosten planbarer machen. Die Verträge sollen dafür sorgen, dass klimafreundliche Technologien gegenüber herkömmlichen Technologien wettbewerbsfähig werden. Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte Mitte Januar eine zügige Einführung dieser Verträge “als zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie” angekündigt.
“Durch Klimaschutzverträge garantiert der Staat die Refinanzierung von Investitionen in klimafreundliche Industrieanlagen, die Unternehmen noch nicht allein über den Markt erzielen können”, so die Autoren der Agora-Studie. Damit könne ein Angebot an grünen Grundstoffen für nachhaltige Produkte geschaffen werden. Die Kosten für diese Technologieförderung in der Produktion von Stahl, Ammoniak und Zement belaufen sich laut der Studie für den Staat auf zwischen 10 und 43 Milliarden Euro. dpa
Wenn Manfred Fischedick vom Klimaschutz spricht, meint er damit eine Transformation hin zu einer nachhaltigen und klimagerechten Gesellschaft. Seit 2020 ist Manfred Fischedick der wissenschaftliche Geschäftsführer des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Bereits seit 1993 arbeitet er dort. Anders als die klassische Forschungseinrichtung ist das Wuppertal Institut impact-orientiert. “Wir wollen was bewegen mit unserer Wissenschaft”, sagt Fischedick.
Das Institut arbeitet disziplinübergreifend. “Das war für mich am Anfang, als jemand, der Ingenieurswissenschaften studiert hat, ein ganz schön dickes Brett”, erinnert sich Fischedick. Mittlerweile scheint er wie gemacht für den transdisziplinären Ansatz. Fischedick ist heute nicht nur Energie- und Klimaforscher, sondern auch außerplanmäßiger Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Schumpeter School in Wuppertal.
Elementar sei für das Wuppertal Institut außerdem seine absolute Unabhängigkeit, sagt Manfred Fischedick. “Wir machen Studien für Fridays for Future genauso wie für Unternehmen aus der Energiewirtschaft oder für unterschiedliche Ministerien.” Auf die von Fridays for Future in Auftrag gegebene Studie des Wuppertal Instituts bezieht sich die Klimabewegung regelmäßig, wenn sie die Politik kritisiert. So auch wenige Stunden nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrages der Ampelparteien. Es sei eine Verfehlung des 1,5-Grad-Ziels bereits vor Amtsantritt.
Fischedick ist einer der Autoren der genannten Studie. Seine Bewertung des Koalitionsvertrages fällt zahmer aus. “Es ist richtig, dass Fridays for Future sagt ‘Das ist nicht 1,5-Grad-kompatibel’. Aber bevor man sich wieder in einer Zielsetzungsdiskussion verliert, soll der Fokus erst mal auf der Umsetzung liegen.” Der Vertrag nenne für die meisten Sektoren die richtigen Strategien, so Fischedick. Die Zubauraten von Fotovoltaik-Anlagen sollen sich im Vergleich zu den letzten Jahren verdreifachen, die der Windenergie beinahe vervierfachen.
Allerdings dürfe man sich nicht zu sehr auf eine Strategie fokussieren und dabei andere vernachlässigen. “In dem Koalitionsvertrag kommt 28-mal das Wort Wasserstoff und nur zweimal das Wort Energieeffizienz vor.” Das drücke schon ein Ungleichgewicht aus, sagt Fischedick. Für den Klimaschutz bräuchten wir alle zur Verfügung stehenden Mittel.
Auf europäischer Ebene sieht Fischedick die große Stärke der EU in der Umsetzung. Mit Fit for 55 seien nicht nur Ziele (Europe.Table berichtete), sondern auch die entsprechenden Maßnahmen definiert worden. “Wenn man sich allerdings ansieht, was in China zum Beispiel bei der Effizienzsteigerung passiert (China.Table berichtete) und welche Ziele in den USA geplant sind, dann muss man schon sagen: Die EU steht da nicht allein auf weiter Flur.” Außerdem zögen die Mitgliedstaaten häufig nicht in dieselbe Richtung – das wohl größte Hindernis der europäischen Klimapolitik.
Die Zusammenarbeit zwischen der Politik und dem Wuppertal Institut war nicht immer so harmonisch wie heute. In den 1990er-Jahren eckte das Institut häufig bei Politik und Industrie an. Kritische Stimmen aus dem Institut zum Braunkohletagebau kamen im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium gar nicht gut an. So erzählt Fischedick, wie er gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, im Kölner Stadtanzeiger liest “Wirtschaftsminister verurteilt Pamphlet des Wuppertal Instituts”.
Mittlerweile lässt sich das Land NRW regelmäßig von dem Wuppertal Institut wissenschaftlich beraten. Das Institut moderierte unter anderem die Konzeption des Klimaschutzplans des Landes von 2014 bis 2019. Und Fischedick, der zu Studierendenzeiten noch auf Anti-AKW-Demonstrationen ging, gilt heute bundesweit als renommierter Klimaexperte.
Die Annäherung zwischen Politik, dem Wuppertal Institut und seinem wissenschaftlichen Geschäftsführer sind von dem wachsenden gesellschaftlichen Bewusstsein für den Klimawandel geprägt. Oder in anderen Worten: von dem Beginn einer gesellschaftlichen Transformation. David Zauner
Minister für Wirtschaft und Klimaschutz – passt das zusammen? In Deutschland ist davon längst nicht jeder überzeugt. Auch in Frankreich sorgt die neue Jobbeschreibung von Robert Habeck für hochgezogene Augenbrauen. In Paris sind die Rollen noch anders verteilt: Dort traf Habeck bei seinem Antrittsbesuch gestern zunächst Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der in seiner Amtsbeschreibung auch noch den “Aufschwung” hat, und anschließend die Ministerin für ökologischen Wandel, Barbara Pompili.
Habeck selbst mag keinen Widerspruch erkennen: “Wir werden in Zukunft CO2-frei produzieren müssen”, sagte er. Wirtschaftliche Prosperität müsse man im Einklang mit Klimaschutz erreichen. Die Tageszeitung “Le Monde” aber sieht den deutschen Minister “auf einem schmalen Grat”: Auf der einen Seite spreche er weitreichende Garantien für die Industrie aus, auf der anderen zweifele er am traditionellen Wachstumsmodel, um seiner Wählerschaft zu gefallen.
Bei ihrem gemeinsamen Auftritt wurde Le Maire gefragt, ob Ökonomie und Ökologie auch im französischen Wirtschaftsministerium Bercy verbunden werden sollten. “In allen Ministerien sollte es auch um die Energiewende gehen – vor allem in der Wirtschaft”, entgegnete er, ganz im Sinne Habecks. Zwei einst getrennte Sphären fließen so ineinander.
Auch bei der Bewertung des Stabilitätspakts, ein langwährender Streitpunkt in den deutsch-französischen Beziehungen, verschwimmen die Fronten. Dekarbonisiertes Wachstum müsse mit soliden Finanzen verbunden werden, argumentierte Le Maire. Habeck fügte hinzu, die EU-Fiskalregeln müssten so gestaltet werden, dass “Stabilität und Wachstum ermöglicht werden und dieses nicht abgewürgt wird”. Dem habe er nichts hinzuzufügen, erklärte Le Maire dankbar. “Die Debatte hat sich verändert.” Tanja Kuchenbecker