Table.Briefing: Europe

Europäische Krisendiplomatie + Europas Wette beim Chips Act + Unterstützung für Carbon Farming

  • Europäische Krisendiplomatie: Fortschritte unter Vorbehalt
  • Chips Act: Europas Wette
  • Agrarrat: Breite Unterstützung für “Carbon Farming”
  • EU-Kommission stoppt Zahlung an Polen wegen nicht beglichener Strafe
  • Chipdesigner Arm soll nach gescheiterter Übernahme an die Börse
  • Deutschland will EU-Schuldenregeln nach 2025 wieder einhalten
  • Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan wechselt ins Auswärtige Amt
  • Standpunkt: Biodiversität: Verbindliche Ziele statt freiwilligen Verpflichtungen
Liebe Leserin, lieber Leser,

es scheint, als seien die Wogen etwas geglättet worden durch die zahlreichen Gespräche auf höchster Ebene in der Ukraine-Krise. Das letzte Treffen ging am späten Dienstagabend in Berlin zu Ende. Zum ersten Mal seit elf Jahren kam das sogenannte Weimarer Dreieck aus Polen, Frankreich und Deutschland auf Chef-Ebene zusammen. Scholz, Macron und Duda betonten, gemeinsam durch diplomatische Anstrengungen einen Krieg verhindern zu wollen.

Zwar gibt es noch immer keine wesentlichen Zugeständnisse von Wladimir Putin, die russischen Soldaten von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Bei seinem Gespräch mit Macron hat der Kremlchef jedoch nicht mehr, wie noch zuvor, mit einem “militärisch-technischen” Vorgehen für den Fall gedroht, dass die Nato nicht auf seine Forderungen eingeht. Eric Bonse analysiert die Rollenverteilung der europäischen Krisendiplomatie der vergangenen Tage und die Baby-Steps auf dem Weg zu einer hoffentlich friedlichen Lösung.

Der Chips Act soll Europas Industrie nicht nur vor Lieferengpässen wie der aktuellen bewahren, sondern “Europa zugleich führend werden lassen in diesem sehr strategischen Markt“, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es formulierte. Das Ziel ist hochgegriffen – derzeit spielt Europa weder über seine Unternehmen noch als Standort für die Halbleiterindustrie oben mit. Beim Chipdesign dominieren US-Unternehmen, in der Produktion asiatische Länder wie Südkorea und Taiwan. Die US-Regierung rüstet überdies über ihren eigenen Chips Act und massive Subventionen auf, ebenso Japan, Südkorea und China. Das ausgegebene Ziel, binnen acht Jahren den Marktanteil Europas an der Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als verdoppeln zu wollen, wirkt vor diesem Hintergrund noch ambitionierter, analysiert Till Hoppe.

Ihr
Lukas Knigge
Bild von Lukas  Knigge

Analyse

Europäische Krisendiplomatie: Fortschritte unter Vorbehalt

Zum ersten Mal seit dem Beginn der Krise scheint die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung zumindest in Aussicht zu sein, hieß es am Dienstag in EU-Kreisen in Brüssel. Ratspräsident Charles Michel erwäge die Einberufung eines EU-Sondergipfels in der kommenden Woche, sagte ein Diplomat. Die deutsch-französische Offensive hatte am Montag mit Reisen von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Washington und von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Moskau begonnen. Macrons Reise nach Russland war mit der EU, aber auch mit den USA, Großbritannien und der Nato abgesprochen.

Macron reiste am Dienstag nach Kiew weiter und dann nach Berlin, wo er am Abend an einem Treffen mit Scholz und dem polnischen Staatschef Andrzej Duda teilnahm. Die Tagung des “Weimarer Dreiecks” sollte sicherstellen, dass das traditionell Russland-kritische Polen eingebunden wird und die diplomatischen Bemühungen mitträgt. Dazu darf sich die Lage allerdings nicht weiter verschärfen. Macron forderte daher einen Sicherheitsdialog mit Russland, bei dem die Europäer aber ihre Prinzipien wie die Unverletzbarkeit der Grenzen verteidigen müssten.

Russland-Ukraine-Krise schwierig für Nato und EU

Nach Ansicht von Duda stellt der Russland-Ukraine-Konflikt für Nato und EU den schwierigsten Moment seit 1989 dar, dem Jahr des Mauerfalls. “Wir haben eine beispiellose Konzentration russischer Truppen entlang der ukrainischen Grenze. Wir haben auch große Gruppierungen in Belarus, wo derzeit Militärübungen abgehalten werden, die bis zum 20. Februar anhalten sollen. Wir fragen uns alle, was danach passiert”, sagte Duda zu Beginn des Treffens.

Macron verbreitet derweil Hoffnung: Wladimir Putin habe ihm zugesagt, dass es “weder zu einer Verschlechterung noch zu einer Eskalation kommt”, sagte er nach seinem fast sechsstündigen Gespräch mit dem Kremlchef. Die Gespräche sollten fortgesetzt werden. Vorsichtig optimistisch äußerte sich auch der Staatschef der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj. “Wir gehen davon aus, dass wir sehr bald Verhandlungen im Normandie-Format abhalten können”, sagte er nach dem Gespräch mit Macron am Dienstag in Kiew.

Macron: “Russland hat kein Recht auf exklusive Einflusszonen”

In diesem Format arbeiten Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland an einer Deeskalation des seit 2014 in der Ost-Ukraine herrschenden Kriegs gemäß dem Minsker Abkommen. Die Gespräche waren vor dem Beginn der aktuellen Krise im Herbst 2021 zum Erliegen gekommen. Ein Neustart auf Chefebene würde die Gefahr einer militärischen Eskalation verringern. Allerdings wäre damit noch nicht der gefährliche Streit über die russischen Truppen gelöst, die Putin rund um die Ukraine und in Belarus zusammengezogen hat.

Nach US-Angaben warten mehr als 100.000 russische Soldaten auf ihren Marschbefehl. Putin streitet jedoch Invasionspläne ab. Bei seinem Gespräch mit Macron am Montag hat der Kremlchef nicht mehr wie noch zuvor mit einem “militärisch-technischen” Vorgehen für den Fall gedroht, dass die Nato nicht auf seine Forderungen eingeht. Allerdings hat Putin auch keine Konzessionen gemacht.

Putin wiederholte seinen Vorwurf, dass die Ukraine das Minsker Abkommen verletze und die Nato eine Gefahr für die Sicherheit Russlands darstelle. Macron nahm dagegen die Ukraine in Schutz und betonte, dass Russland kein Recht auf exklusive Einflusszonen habe. Im Unterschied zu anderen westlichen Politikern betonte der französische Staatschef allerdings auch, dass Putin legitime Sicherheitsinteressen vertrete. Russland sei ein Teil Europas, deshalb müsse Europa auch an den Gesprächen über eine mögliche neue Sicherheitsordnung beteiligt werden. Bisher redet Moskau nur mit Washington und der Nato.

Scholz bei Putin in der kommenden Woche

Unklar ist, ob diese Auffassung von allen 27 EU-Staaten geteilt wird. Auf Kanzler Scholz kann sich Macron offenbar verlassen – er hat die französische Initiative begrüßt. Polen und die baltischen Länder haben jedoch immer wieder Vorbehalte geäußert – sie wollen sich nicht auf Frankreich verlassen und setzen stattdessen auf die USA. Macron handele zu sehr auf eigene Rechnung und schiele auf den französischen Präsidentschaftswahlkampf, sagen seine Kritiker. Der Besuch bei Putin habe sich bestens geeignet, um sich in der Ukraine-Krise als Feldherr zu präsentieren, schrieben französische Medien.

Auf Skepsis stößt auch Scholz. Nach seinem Besuch in Washington kann der Kanzler zwar darauf verweisen, dass US-Präsident Joe Biden keine Zweifel an der deutschen Bündnistreue ließ (Europe.Table berichtete). Dass Scholz es vermied, öffentlich von der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 abzurücken, sorgt jedoch weiter für Stirnrunzeln in Osteuropa.

Auch der deutsch-französische Führungsanspruch in der EU wird immer wieder bestritten. Deshalb ist unklar, wie weit Macrons und Scholz’ diplomatische Offensive trägt. Sie hätten Zeit gekauft, die nun für weitere Gespräche genutzt werden müsse, heißt es in Brüssel.

Über das weitere Vorgehen könnte dann ein EU-Gipfel entscheiden. Er wird frühestens für Mitte kommender Woche erwartet – nach einem Gespräch von Kanzler Scholz mit Putin am 15. Februar in Moskau. Mit Tanja Kuchenbecker

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    Chips Act: Europas Wette

    Für Thierry Breton ist es “eines der wichtigsten industriepolitischen Vorhaben seit vielen Jahren“: der European Chips Act (Europe.Table berichtete), von der EU-Kommission mit viel Tamtam angekündigt und gestern nun vorgelegt. Der unter hohem Zeitdruck erarbeitete Legislativvorschlag soll Europas Industrie nicht nur vor Lieferengpässen wie der aktuellen bewahren, sondern “Europa zugleich führend werden lassen in diesem sehr strategischen Markt”, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es formulierte.

    Das Ziel ist hochgegriffen – derzeit spielt Europa weder über seine Unternehmen noch als Standort für die Halbleiterindustrie oben mit. Beim Chipdesign dominieren US-Unternehmen, in der Produktion asiatische Länder wie Südkorea und Taiwan. Die US-Regierung rüstet überdies über ihren eigenen Chips Act und massive Subventionen auf, ebenso Japan, Südkorea und China. Europa könne da nicht weiter zuschauen, so Breton: “Es ist an der Zeit, dass wir in das Rennen einsteigen”, sagte der Binnenmarktkommissar.

    Chips Act soll neue Technologien fördern

    Rund 15 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln will die Kommission nach Zählweise von der Leyens nun mobilisieren, die Beiträge nationaler Haushalte und privater Investoren zu Finanzierungsinstrumenten wie dem EU-Chips-Fund für Start-ups mit einberechnet. Hinzu kommen sollen rund 30 Milliarden Euro, die die Mitgliedsstaaten bereits für die Halbleiterindustrie in Aussicht gestellt haben. Im globalen Vergleich ist allerdings selbst das nicht sonderlich viel. Das von Breton und Co ausgegebene Ziel, binnen acht Jahren den Marktanteil Europas an der Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als verdoppeln zu wollen, wirkt vor diesem Hintergrund noch ambitionierter.

    Die Förderung soll vor allem neuen Technologien zugutekommen, die noch gar nicht marktreif sind. Breton nannte hier erneut Halbleiter mit ultrakleinen Strukturgrößen von weniger als zwei Millimetern (Europe.Table berichtete). Bei aller generellen Zustimmung trifft dieser enge Fokus in der Industrie und bei Experten auf Kritik. Zumal die Datengrundlage brüchig zu sein scheint, auf die sich die Kommission bei ihrer Prognose eines stark wachsenden Bedarfes in dem Bereich stützt.

    Das Maßnahmenpaket beinhaltet drei Säulen:

    1. From Lab to Fab: Die Chips für Europa-Initiative

    Rund 11 Milliarden Euro aus EU- und nationalen Töpfen will die Kommission mobilisieren, um Europa in der Chipindustrie technologisch mittel- und langfristig an die Spitze zu katapultieren. Die Mittel, darunter jeweils 1,65 Milliarden aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon Europe und dem Digital-Europe-Topf, sollen der Entwicklung besonders leistungsfähiger und energiesparender Halbleiter zugutekommen und die Umsetzung in marktreife Produkte fördern – womit sich Europa traditionell schwertut. Gesteuert werden sollen die Aktivitäten durch ein sogenanntes Gemeinsames Unternehmen (Joint Undertaking) im Rahmen des Horizon-Europe-Programmes, in dem öffentliche und private Hand zusammenarbeiten.

    Konkret will die Kommission etwa eine virtuelle Plattform für das Chipdesign aufbauen lassen, die auch Start-ups und Mittelständler nutzen können. Zudem sollen offene Testanlagen gefördert werden, auf denen Unternehmen ihre Prototypen verbessern können. Als Beispiele für zu fördernde Technologien nennt die Kommission Halbleiter mit Strukturgrößen von weniger als zwei Nanometer und Quantenchips. Ein europäisches Netz von Kompetenzzentren soll ebenfalls gefördert werden.

    2. Mega Fabs für die Versorgungssicherheit

    Zusätzlich will die Kommission Europas Attraktivität als Standort für die Massenproduktion von modernen Chips steigern – und zwar mit dem Argument der Versorgungssicherheit. Dafür definiert die Behörde im Chips Act einen neuen Rechtsrahmen, der den Unternehmen mehr Investitionssicherheit bieten soll.

    Hersteller sollen sich demnach verpflichten, in Chips der neuen Generation zu investieren und bei Lieferengpässen zunächst Kunden in Europa zu bedienen. Infrage kommen hier laut Kommission sowohl Auftragsfertiger wie Globalfoundries in Dresden oder TSMC aus Taiwan als auch Hersteller, die wie Intel bislang nur für den Eigenbedarf produzieren.

    Im Gegenzug sollen die Vorhaben der Unternehmen auf beschleunigte Genehmigungsverfahren in den EU-Staaten zählen können, auf bevorzugten Zugang zu den Testanlagen und vor allem auf üppige Staatshilfen. Denn: Halbleiterfirmen, deren Anlagen als “First-of-a-kind facility” in Europa eingestuft werden, können auf eine Sonderbehandlung hoffen. Die Kommission prüft die Beihilfen der Mitgliedsstaaten für neue Fabriken direkt auf Grundlage des EU-Vertrages.

    Die Staatshilfen müssten damit immer noch die Kriterien der Angemessenheit und Notwendigkeit erfüllen, wie Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager betonte. Aber die Ausnahmeregelung ermöglicht es den Regierungen, neue Produktionsanlagen direkt zu fördern und bis zu 100 Prozent der Finanzierungslücke zu schließen. Ansonsten sind Staatshilfen nur für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bis zur Serienreife erlaubt, im Rahmen eines Important Projects of Common European Interest (IPCEI).

    Als “First-of-a-kind facility” sollen dabei nicht nur Chipfabriken zählen. Die Behörde bezieht auch Anlagen aus den vor- und nachgelagerten Produktionsstufen mit ein. Dazu zählen etwa die Lieferanten der benötigten Chemikalien wie Siliciumcarbid ebenso wie Firmen, die die produzierten Chips in Gehäuse verpacken. Auch hier lassen sich mit neuen Technologien noch deutliche Leistungssteigerungen erzielen. Das Kriterium für die Einstufung soll laut Chips Act sein, dass die entsprechende Technologie in der EU noch nicht im größeren Maßstab eingesetzt wird und etwa bei Leistung oder Energieeffizienz eine bessere Performance bringt als die herkömmliche Technik.

    3. Lieferketten unter Aufsicht

    Akute Chip-Lieferengpässe wie derzeit, die ganze Branchen ausbremsen, sollen sich nicht wiederholen. Die Kommission will dafür in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein permanentes Monitoring der Branche etablieren. Die zuständigen nationalen Behörden sollen dafür Informationen bei den einzelnen Unternehmen einholen, unter Zusicherung der Vertraulichkeit. Wenn ein Land Hinweise auf eine drohende Lieferkrise sieht, etwa starke Schwankungen in der Nachfrage, soll es die Kommission alarmieren. Die Brüsseler Behörde kann in diesem Fall den neuen Europäischen Halbleiterrat einberufen, um mit den Mitgliedstaaten eine abgestimmte Reaktion zu koordinieren.

    Im Krisenfall können Mitgliedsstaaten die Kommission beauftragen, Halbleiter oder Rohmaterialien einzukaufen. Die Kommission will darüber hinaus mit befreundeten Drittstaaten über gemeinsame Abhilfemaßnahmen sprechen. Zudem will die Behörde einen Hersteller dazu verpflichten können, zunächst europäische Kunden zu beliefern. Beugt sich das Unternehmen dem nicht, drohen ihm Strafzahlungen in Höhe von bis zu 1,5 Prozent des Jahresumsatzes.

    Die EU-Kommission will aber nicht warten, bis der Chips Act von Europaparlament und Rat verabschiedet ist. In der Übergangszeit sollen kooperationswillige Mitgliedstaaten in einer europäischen Expertengruppe für Halbleiter bereits das Monitoring aufnehmen.

    Viel Lob – und Kritik am Chips Act der EU

    Die weitreichenden Eingriffsbefugnisse für die Kommission im Krisenfall stoßen in der Branche auf Kritik. Einzelne Hersteller dazu zu verpflichten, spezifische Aufträge zu priorisieren, sei unverhältnismäßig, sagt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. “Das untergräbt die grundlegende Wirtschaftsordnung.” Jan Peter Kleinhans, Experte der Stiftung Neue Verantwortung bezweifelt, dass sich das Instrument der gemeinsamen Beschaffung von Impfstoffen auf Halbleiter übertragen lässt. Schließlich handele es sich dabei um hochgradig spezialisierte und diversifizierte Produkte.

    Auch der Fokus auf bestimmte Strukturgrößen trifft auf Widerspruch: Sich auf Größen von unter 10 Nanometern zu konzentrieren, gehe “am Bedarf der europäischen Abnehmerindustrie vorbei”, so Weber. Europa müsse seine Kompetenz in allen Strukturgrößen stärken, so seien auch Leistungselektronik und Sensorik entscheidend für das Gelingen der grünen und digitalen Transformation. In diesen Bereichen sind deutlich größere Technologieknoten üblich.

    Zustimmung kommt hingegen aus anderen Branchen: Europa könne nur dann eine Führungsrolle auf den Märkten der Zukunft wie vernetztes Fahren sicherzustellen, wenn es selbst in diesen Markt einsteige, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Zuspruch kommt auch aus der Bundesregierung. Wichtig sei, “dass die Europäische Kommission den beihilferechtlichen Rahmen so setzt, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden und die Unternehmen und Mitgliedstaaten schnell starten können”, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner.

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      Agrarrat: Breite Unterstützung für “Carbon Farming”

      Der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz stand im Mittelpunkt einer informellen Tagung der EU-Agrarminister, die am Dienstag zu Ende ging. Dabei ging es neben der Reduktion der hohen Emissionen in dem Sektor insbesondere um die Frage, wie das Potenzial landwirtschaftlicher Nutzflächen zur natürlichen Speicherung von CO2 besser ausgeschöpft werden kann.

      Neuer Ansatz der EU: Carbon Farming

      Carbon Farming heißt der neue Ansatz, der von der EU-Kommission und dem französischen Ratsvorsitz gleichermaßen vorangetrieben wird. Dabei könne man auf eine breite Unterstützung aus den Mitgliedsstaaten setzen, sagte Frankreichs Agrarminister Julien Denormandie bei dem Treffen am Dienstag.

      “Die meisten Menschen denken an Bäume, wenn es um natürliche CO2-Speicher geht. Den zweiten Platz hinter den Meeren belegt aber der Boden. Und die meisten Böden in Europa sind Agrarfläche”, so der Minister weiter. Das gelte es, zu nutzen. “Wir müssen einen Mechanismus finden, der es uns ermöglicht, einen wirtschaftlichen Anreiz, einen Wert für die Abscheidung von Kohlenstoff zu schaffen.” Denkbar seien zusätzliche Subventionen oder ein marktbasierter Ansatz durch CO2-Zertifikate.

      Dabei steht der Landwirtschaft grundsätzliche ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung, um die Senkleistung der Böden zu erhöhen. Darunter: mehr Grasland, weniger Kunstdünger und weniger schwere Maschinen, vielfältigere Fruchtfolgen oder sogenannte Blühstreifen. Gleichzeitig müsse aber sichergestellt werden, dass neben der CO2-Speicherung die eigentliche Aufgabe der Landwirtschaft, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, nicht in den Hintergrund gerate, so Denormandie.

      “Win-Win-Win für Klima, Böden und Landwirte”

      Deutschlands Landwirtschaftsminister Cem Özdemir begrüßte die Pläne der EU zur Förderung von Carbon Farming, die Teil des Green Deals und der EU-Bodenstrategie sein sollen. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski sprach in Straßburg von einer Win-Win-Win-Situation. “Für das Klima, für die Böden und somit die Qualität der Produkte sowie für die Landwirte, die dadurch zusätzliches Einkommen generieren können.”

      Bereits im Dezember hatte die EU-Kommission in einer Mitteilung ihre Pläne zur Schaffung nachhaltiger Kohlenstoffkreisläufe vorgestellt. Bis zum Ende des Jahres will die Behörde einen entsprechenden Gesetzesentwurf für die Zertifizierung des CO2-Abbaus vorlegen, der transparente Vorschriften für die Anrechnung sowie Anforderungen an die Überwachung und Überprüfung der Kohlendioxid-Entnahme enthalten soll. til

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        EU-Kommission stoppt Zahlung an Polen wegen nicht beglichener Strafe

        Die EU-Kommission hält erstmals für ein Mitgliedsland bestimmte finanzielle Mittel zurück, weil dieses sich nicht an ein Urteil des obersten europäischen Gerichts hält. Die EU-Exekutive informierte Polen am Dienstag darüber, sie werde Zahlungen aus den regulären EU-Überweisungen einbehalten als Ausgleich für die erste Tranche einer vom Europäische Gerichtshof (EuGH) verhängten Strafe, die das Land nicht beglichen habe. Es handle sich um zunächst rund 15 Millionen Euro, erläuterte ein EU-Vertreter.

        Polen muss Tagebau in Turow beenden

        Es geht in dem Fall um den Streit über den polnischen Braunkohle-Tagebau in Turow nahe der Grenze zu Tschechien. Tschechien hatte Polen wegen Umweltschäden vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt, der im September Polen zu einer Geldstrafe von täglich 500.000 Euro verurteilt hatte (Europe.Table berichtete). Laut EuGH muss Polen den Tagebau in Turow beenden (Europe.Table berichtete).

        Polen kündigt rechtliche Mittel an

        Dem widersetzte sich die nationalkonservative Regierung in Warschau und kündigte Widerstand an. “Polen wird die möglichen rechtlichen Mittel nutzen, um gegen diese Pläne der Europäischen Kommission Einspruch zu erheben“, teilte ein Sprecher mit. Dies gelte umso mehr, als es mittlerweile eine Einigung mit Tschechien gebe (Europe.Table berichtete). Wie genau die rechtlichen Mittel aussehen könnten, ließ der Sprecher offen. Er machte jedoch klar: “Polen hat von Anfang an betont, dass die Entscheidungen des EuGH keine rechtliche oder faktische Grundlage haben.”

        Schon bald könnte Polen die nächste Strafzahlung ins Haus stehen. Im Streit um den polnischen Rechtsstaat schickte die EU-Kommission Mitte Januar eine weitere Zahlungsaufforderung nach Warschau. Dabei geht es um 69 Millionen Euro, weil Polen eine EuGH-Anordnung zur polnischen Justizreform nicht umsetzt. Sollte das Land der Aufforderung nicht nachkommen, wird die EU-Kommission auch dieses Geld durch Einbehalten von Zahlungen aus dem EU-Haushalt ausgleichen. Polens Präsident Andrzej Duda hat vergangene Woche vorgeschlagen, die umstrittene Kammer zur Disziplinierung von Richtern aufzulösen. rtr/dpa

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          Chipdesigner Arm soll nach gescheiterter Übernahme an die Börse

          Nach langem Ringen mit den Wettbewerbsbehörden ist die 80 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme des Chip-Designers Arm an den US-Konzern Nvidia endgültig geplatzt. Das setzt den japanischen Technologieinvestor und Arm-Eigner Softbank unter Zugzwang: Der neue Arm-Chef Rene Haas soll die Firma nun noch vor März 2023 an die Börse bringen – möglichst in den USA – und damit für Liquidität sorgen, wie die Unternehmen am Dienstag ankündigten. Softbank hatte Arm 2016 für 32 Milliarden Dollar erworben.

          Arm-Übernahme durch Nvidia von Anfang an unter schlechten Zeichen

          Die Besonderheit des britischen Chipdesigners ist, dass die Firma selbst nicht fertigt. Arm lizenziert stattdessen seine Prozessoren beziehungsweise deren Architektur an Kunden wie Qualcomm, Apple, Samsung Electronics und auch an Nvidia. Fast jedes Smartphone und Millionen anderer Geräte verfügen über lizenzierte Arm-Prozessoren. Nvidia ist vor allem für seine Grafikkarten bekannt, allerdings werden Komponenten inzwischen auch verstärkt in anderen Feldern wie der Künstlichen Intelligenz eingesetzt. Die Firma will trotz des geplatzten Deals ihre 20-jährige Arm-Lizenz beibehalten.

          Die nun final abgesagte Übernahme stand von Beginn an unter schlechten geopolitischen Vorzeichen. Arms Rolle als neutraler Lizenzgeber mit Sitz in UK, der auch Lizenzen an chinesische Firmen vergibt, wäre mit einer Übernahme durch Nvidia mit Sitz in den USA kaum mehr zu garantieren gewesen. Denn der Umsetzung von US-Sanktionen, wie sie etwa die Trump-Regierung gegenüber China in Kraft setzte, hätte ein US-kontrolliertes Arm kaum entgehen können. Ein Grund, warum auch die chinesische Marktaufsicht die Übernahme sehr genau prüfen wollte.

          Bedenken waren industrie-, wettbewerbs- und geopolitisch

          Viele Beobachter hielten die angestrebte Übernahme trotz aller Zusicherungen seitens des US-Unternehmens auch für industriepolitisch problematisch: Nvidia und Arm zusammen hätten insbesondere in wichtigen Zukunftsmärkten eine dominante Rolle spielen können.

          Dem Arm/Nvidia-Deal hatte die US-Kartellbehörde FTC letztlich den Garaus gemacht. Sie klagte im Dezember gegen das Vorhaben (Europe.Table berichtete) und verwies dabei auf eine Schwächung des Wettbewerbs beim Betrieb von Rechenzentren und Chips für selbstfahrende Autos, sollten beide Konzerne zusammengehen. Hinzu kamen Bedenken von Wettbewerbshütern in China, Großbritannien und der Europäischen Union. Erst kürzlich war auch der Verkauf des Münchner Chip-Zulieferers Siltronic an den größeren Konkurrenten Globalwafers aus Taiwan nach 14-monatiger Prüfung gescheitert. fst/rtr

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            Deutschland will EU-Schuldenregeln nach 2025 wieder einhalten

            Deutschland will in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts die europäische Schuldenobergrenze von 60 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung wieder einhalten. “Das ist auch realistisch”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner am Dienstag beim virtuellen Neujahresempfang der Deutschen Bank. Es brauche dafür aber eine Disziplin bei den anstehenden Haushalten.

            Die Verschuldung ist durch die Coronavirus-Krise weltweit sprunghaft gestiegen. In Deutschland liegt die Schuldenquote bei gut 70 Prozent – ein international noch moderater Wert. Viele andere EU-Staaten haben sich aber so weit von der Obergrenze von 60 Prozent entfernt, dass Rufe nach einer Reform des sogenannten Stabilitätspakts laut werden. Dieser umfasst auch eine Obergrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Neuverschuldung. In der Pandemie wurden die Vorgaben ausgesetzt.

            Deutschland will Schuldenbremse des Grundgesetzes ab 2023 einhalten

            Lindner sagte, beide Limits seien Teil der europäischen Verträge. “Es ist nicht realistisch und auch nicht sinnvoll, daran zu rühren.” Es würde das völlig falsche Signal senden. Im Gegenteil, es brauche einen Abbaupfad für die Schulden – trotz angestrebter Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Für notwendige Investitionen stehe der europäische Corona-Wiederaufbaufonds mit seinem Volumen von 750 Milliarden Euro zur Verfügung. “Das Geld muss überhaupt erst einmal eingesetzt werden.” Darum gehe es zunächst und nicht um Ausnahmen vom Stabilitätspakt in Zeiten hoher Inflation.

            Lindner bekräftigte, Deutschland werde die im Grundgesetz verankerte und in der Pandemie ausgesetzte Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten. Dafür müssten Prioritäten gesetzt werden. “Nicht alles, was wünschenswert wäre, wird sofort finanzierbar sein.” Impulse zur konjunkturellen Belebung stünden im Fokus. rtr

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              Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan wechselt ins Auswärtige Amt

              Die Chefin der internationalen Umweltorganisation Greenpeace, Jennifer Morgan, wechselt nach Angaben aus Regierungskreisen ins Auswärtige Amt. Sie werde dort Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik bei Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), sagten Regierungsvertreter am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Morgan werde am Mittwoch in Berlin von Baerbock der Presse vorgestellt. Zuvor soll sie vom Bundeskabinett bestätigt werden. Zunächst hatte der “Spiegel” darüber berichtet.

              Jennifer Morgan soll Staatssekretärin im Auswärtigen Amt werden

              Morgan soll laut dem Spiegel später Staatssekretärin im Auswärtigen Amt werden. Dies sei jedoch noch nicht möglich, da sie amerikanische Staatsbürgerin ist. Ein Antrag für die deutsche Staatsbürgerschaft werde bereits bearbeitet, anschließend soll sie verbeamtet werden.

              Die US-Amerikanerin Morgan arbeitet seit Jahrzehnten bei Nichtregierungs-Organisationen und ist seit 2016 Chefin von Greenpeace. Sie soll nun vor allem die jährlichen Weltklimakonferenzen vorbereiten. Die internationale Klimapolitik ist unter der Ampel-Regierung vom Umweltministerium ins Auswärtige Amt gewechselt. rtr/luk

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                Presseschau

                Polen will Kohletagbau Turów nicht schließen, EU-Kommission behält Millionenhilfe ein STANDARD
                Lawmakers call for tough EU measures to tackle methane leaks from gas imports EURACTIV
                Fake News: Forschungsministerin will das “Übel an der Wurzel packen” HEISE
                Merz will “vorurteilsfrei” über Atomkraft nachdenken TAGESSPIEGEL
                France wants to boost European tech with billions of euros EURACTIV

                Standpunkt

                Biodiversität: Verbindliche Ziele statt freiwilligen Verpflichtungen

                Jutta Paulus
                EU-Biodiversitätsstrategie: Jutta Paulus ist Umweltexpertin und Europaabgeordnete der Grünen.
                Jutta Paulus ist Umweltexpertin und Europaabgeordnete der Grünen.

                Rund ein Viertel der bekannten Tier- und Pflanzenarten auf unserer Erde sind bedroht, davon ist die Hälfte stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Laut Europäischer Umweltagentur hat sich der Erhaltungszustand europäischer Tierarten und Ökosysteme im Zeitraum 2013 bis 2018 noch weiter verschlechtert. Das hat auch Folgen für uns Menschen, denn ohne gesunde Ökosysteme stehen uns weder trinkbares Wasser, noch saubere Luft, fruchtbare Böden, fischreiche Ozeane, bestäubte Obstbäume, biobasierte Wirkstoffe und vieles mehr zur Verfügung. Auch die Gefahr von Zoonosen wie Covid 19 wird durch den Druck auf Wildnisgebiete in Zukunft noch wahrscheinlicher.

                Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie 2020 nicht erreicht

                Die drängenden Gefahren der Biodiversitätskrise sind lange bekannt. Doch statt politisch bindender Maßnahmen wurden oftmals nur freiwillige Selbstverpflichtungen verkündet. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass Lippenbekenntnisse nichts nützen. So wurden die 2010 verabschiedeten strategischen Ziele für Biodiversität (“Aichi-Ziele”) verfehlt. Auch die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie 2020 sind nicht erreicht worden. Laut einer eingehenden Analyse durch die Europäischen Umweltagentur im Rahmen ihres Berichts über den Zustand der Natur 2020 sind nicht nur Verbesserungen ausgeblieben, sondern im Gegenteil: Populationen gehen zurück und Lebensräume schrumpfen.

                Die Biodiversitätskrise stellt gemeinsam mit der Klimakrise die existentielle Gefahr für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation dar. Wir können nicht länger achselzuckend zusehen, wie Strategien scheitern und Ziele nicht erfüllt werden. Gerade im Bereich der biologischen Vielfalt erfordert das einen Wechsel von freiwilligen Verpflichtungen zu rechtlich verbindlichen Zielen.

                Wenn die Weltgemeinschaft diesen Frühling, pandemiebedingt eineinhalb Jahre später als geplant, im chinesischen Kunming zur 15. Weltbiodiversitätskonferenz (COP15) zusammenkommt, muss ein globales rechtsverbindliches Abkommen beschlossen werden. Es muss messbare und ehrgeizige Ziele und Verpflichtungen enthalten. So hat es das Europäische Parlament seiner Resolution zur UN-Biodiversitätskonferenz in Kunming gefordert.

                Wir brauchen die Unterschutzstellung von mindestens 30 Prozent der Landfläche und der Meeresgebiete weltweit bis 2030 und die Renaturierung von mindestens 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme bis 2030. Hierfür müssen die nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne gestärkt werden und fünfjährliche Überwachungs- und Überprüfungsmechanismen eingeführt werden. Die COP15 muss ein Meilenstein für die Biodiversität unseres Planeten werden, vergleichbar mit dem Pariser Klimaschutzabkommen.

                EU-Renaturierungsgesetz geplant

                Wie auch im Bereich der Klimapolitik, hat die Europäische Union bei den Verhandlungen eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion. Bevor die Staatengemeinschaft in Kunming zusammenkommt, muss die EU deshalb weitreichende, europäische Ziele formulieren. Denn nur so ist ein glaubwürdiges Auftreten in Kunming möglich. Und die Chance ist da: Erstmals seit zwanzig Jahren plant die Europäische Union ein Gesetzesvorhaben im Bereich Natur, das EU-Renaturierungsgesetz. Ursprünglich geplant für das vierte Quartal 2021, wurde der Vorschlag auf den 23. März 2022 verschoben. Die Kommission wäre gut beraten, diese zusätzliche Zeit für die Ausarbeitung weitreichender, bindender Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen zu nutzen. Denn die europäische Natur kann nicht länger warten.

                Es braucht klare, flächenbezogene Zielvorgaben, Leitlinien für die Vernetzung von Ökosystemen und einen Fokus auf Moore und Feuchtgebiete, die nicht nur besonders stark geschädigt sind, sondern durch Kohlenstoffbindung und Abpufferung von Dürre oder Starkregen sowohl im Klimaschutz als auch in der Klimaanpassung unsere Verbündeten sind. Für den Schutz von Bestäubern und ihrer Lebensräume brauchen wir eine bessere Überwachung, Datensammlung und systematische Berichterstattung.

                Bereits im Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie hatte die Europäische Kommission angekündigt, einen Fokus auf die Renaturierung von Flüssen zu legen. 25.000 Kilometer frei fließende Flüsse sind das Ziel, und die vorhandenen Daten legen nahe, dass diese Zielmarke sogar noch angehoben werden könnte, denn über 100.000 Barrieren in unseren Flüssen werden heute gar nicht mehr gebraucht, weil beispielsweise die zugehörige Mühle schon längst kein Mehl mehr mahlt.

                Neben einem ambitionierten Renaturierungsgesetz muss die Kommission aber auch endlich für die Durchsetzung des bereits geltenden europäischen Naturschutz-Rechts sorgen. Es ist wenig glaubwürdig, in Kunming den Erhalt des Sumatra-Tigers anzumahnen, wenn die Tötung von geschützten Arten wie Wolf oder Luchs in Europa nicht adäquat verfolgt wird.

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                  Licenses:
                    • Europäische Krisendiplomatie: Fortschritte unter Vorbehalt
                    • Chips Act: Europas Wette
                    • Agrarrat: Breite Unterstützung für “Carbon Farming”
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                    Liebe Leserin, lieber Leser,

                    es scheint, als seien die Wogen etwas geglättet worden durch die zahlreichen Gespräche auf höchster Ebene in der Ukraine-Krise. Das letzte Treffen ging am späten Dienstagabend in Berlin zu Ende. Zum ersten Mal seit elf Jahren kam das sogenannte Weimarer Dreieck aus Polen, Frankreich und Deutschland auf Chef-Ebene zusammen. Scholz, Macron und Duda betonten, gemeinsam durch diplomatische Anstrengungen einen Krieg verhindern zu wollen.

                    Zwar gibt es noch immer keine wesentlichen Zugeständnisse von Wladimir Putin, die russischen Soldaten von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Bei seinem Gespräch mit Macron hat der Kremlchef jedoch nicht mehr, wie noch zuvor, mit einem “militärisch-technischen” Vorgehen für den Fall gedroht, dass die Nato nicht auf seine Forderungen eingeht. Eric Bonse analysiert die Rollenverteilung der europäischen Krisendiplomatie der vergangenen Tage und die Baby-Steps auf dem Weg zu einer hoffentlich friedlichen Lösung.

                    Der Chips Act soll Europas Industrie nicht nur vor Lieferengpässen wie der aktuellen bewahren, sondern “Europa zugleich führend werden lassen in diesem sehr strategischen Markt“, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es formulierte. Das Ziel ist hochgegriffen – derzeit spielt Europa weder über seine Unternehmen noch als Standort für die Halbleiterindustrie oben mit. Beim Chipdesign dominieren US-Unternehmen, in der Produktion asiatische Länder wie Südkorea und Taiwan. Die US-Regierung rüstet überdies über ihren eigenen Chips Act und massive Subventionen auf, ebenso Japan, Südkorea und China. Das ausgegebene Ziel, binnen acht Jahren den Marktanteil Europas an der Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als verdoppeln zu wollen, wirkt vor diesem Hintergrund noch ambitionierter, analysiert Till Hoppe.

                    Ihr
                    Lukas Knigge
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                    Analyse

                    Europäische Krisendiplomatie: Fortschritte unter Vorbehalt

                    Zum ersten Mal seit dem Beginn der Krise scheint die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung zumindest in Aussicht zu sein, hieß es am Dienstag in EU-Kreisen in Brüssel. Ratspräsident Charles Michel erwäge die Einberufung eines EU-Sondergipfels in der kommenden Woche, sagte ein Diplomat. Die deutsch-französische Offensive hatte am Montag mit Reisen von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Washington und von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Moskau begonnen. Macrons Reise nach Russland war mit der EU, aber auch mit den USA, Großbritannien und der Nato abgesprochen.

                    Macron reiste am Dienstag nach Kiew weiter und dann nach Berlin, wo er am Abend an einem Treffen mit Scholz und dem polnischen Staatschef Andrzej Duda teilnahm. Die Tagung des “Weimarer Dreiecks” sollte sicherstellen, dass das traditionell Russland-kritische Polen eingebunden wird und die diplomatischen Bemühungen mitträgt. Dazu darf sich die Lage allerdings nicht weiter verschärfen. Macron forderte daher einen Sicherheitsdialog mit Russland, bei dem die Europäer aber ihre Prinzipien wie die Unverletzbarkeit der Grenzen verteidigen müssten.

                    Russland-Ukraine-Krise schwierig für Nato und EU

                    Nach Ansicht von Duda stellt der Russland-Ukraine-Konflikt für Nato und EU den schwierigsten Moment seit 1989 dar, dem Jahr des Mauerfalls. “Wir haben eine beispiellose Konzentration russischer Truppen entlang der ukrainischen Grenze. Wir haben auch große Gruppierungen in Belarus, wo derzeit Militärübungen abgehalten werden, die bis zum 20. Februar anhalten sollen. Wir fragen uns alle, was danach passiert”, sagte Duda zu Beginn des Treffens.

                    Macron verbreitet derweil Hoffnung: Wladimir Putin habe ihm zugesagt, dass es “weder zu einer Verschlechterung noch zu einer Eskalation kommt”, sagte er nach seinem fast sechsstündigen Gespräch mit dem Kremlchef. Die Gespräche sollten fortgesetzt werden. Vorsichtig optimistisch äußerte sich auch der Staatschef der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj. “Wir gehen davon aus, dass wir sehr bald Verhandlungen im Normandie-Format abhalten können”, sagte er nach dem Gespräch mit Macron am Dienstag in Kiew.

                    Macron: “Russland hat kein Recht auf exklusive Einflusszonen”

                    In diesem Format arbeiten Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland an einer Deeskalation des seit 2014 in der Ost-Ukraine herrschenden Kriegs gemäß dem Minsker Abkommen. Die Gespräche waren vor dem Beginn der aktuellen Krise im Herbst 2021 zum Erliegen gekommen. Ein Neustart auf Chefebene würde die Gefahr einer militärischen Eskalation verringern. Allerdings wäre damit noch nicht der gefährliche Streit über die russischen Truppen gelöst, die Putin rund um die Ukraine und in Belarus zusammengezogen hat.

                    Nach US-Angaben warten mehr als 100.000 russische Soldaten auf ihren Marschbefehl. Putin streitet jedoch Invasionspläne ab. Bei seinem Gespräch mit Macron am Montag hat der Kremlchef nicht mehr wie noch zuvor mit einem “militärisch-technischen” Vorgehen für den Fall gedroht, dass die Nato nicht auf seine Forderungen eingeht. Allerdings hat Putin auch keine Konzessionen gemacht.

                    Putin wiederholte seinen Vorwurf, dass die Ukraine das Minsker Abkommen verletze und die Nato eine Gefahr für die Sicherheit Russlands darstelle. Macron nahm dagegen die Ukraine in Schutz und betonte, dass Russland kein Recht auf exklusive Einflusszonen habe. Im Unterschied zu anderen westlichen Politikern betonte der französische Staatschef allerdings auch, dass Putin legitime Sicherheitsinteressen vertrete. Russland sei ein Teil Europas, deshalb müsse Europa auch an den Gesprächen über eine mögliche neue Sicherheitsordnung beteiligt werden. Bisher redet Moskau nur mit Washington und der Nato.

                    Scholz bei Putin in der kommenden Woche

                    Unklar ist, ob diese Auffassung von allen 27 EU-Staaten geteilt wird. Auf Kanzler Scholz kann sich Macron offenbar verlassen – er hat die französische Initiative begrüßt. Polen und die baltischen Länder haben jedoch immer wieder Vorbehalte geäußert – sie wollen sich nicht auf Frankreich verlassen und setzen stattdessen auf die USA. Macron handele zu sehr auf eigene Rechnung und schiele auf den französischen Präsidentschaftswahlkampf, sagen seine Kritiker. Der Besuch bei Putin habe sich bestens geeignet, um sich in der Ukraine-Krise als Feldherr zu präsentieren, schrieben französische Medien.

                    Auf Skepsis stößt auch Scholz. Nach seinem Besuch in Washington kann der Kanzler zwar darauf verweisen, dass US-Präsident Joe Biden keine Zweifel an der deutschen Bündnistreue ließ (Europe.Table berichtete). Dass Scholz es vermied, öffentlich von der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 abzurücken, sorgt jedoch weiter für Stirnrunzeln in Osteuropa.

                    Auch der deutsch-französische Führungsanspruch in der EU wird immer wieder bestritten. Deshalb ist unklar, wie weit Macrons und Scholz’ diplomatische Offensive trägt. Sie hätten Zeit gekauft, die nun für weitere Gespräche genutzt werden müsse, heißt es in Brüssel.

                    Über das weitere Vorgehen könnte dann ein EU-Gipfel entscheiden. Er wird frühestens für Mitte kommender Woche erwartet – nach einem Gespräch von Kanzler Scholz mit Putin am 15. Februar in Moskau. Mit Tanja Kuchenbecker

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                      Chips Act: Europas Wette

                      Für Thierry Breton ist es “eines der wichtigsten industriepolitischen Vorhaben seit vielen Jahren“: der European Chips Act (Europe.Table berichtete), von der EU-Kommission mit viel Tamtam angekündigt und gestern nun vorgelegt. Der unter hohem Zeitdruck erarbeitete Legislativvorschlag soll Europas Industrie nicht nur vor Lieferengpässen wie der aktuellen bewahren, sondern “Europa zugleich führend werden lassen in diesem sehr strategischen Markt”, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es formulierte.

                      Das Ziel ist hochgegriffen – derzeit spielt Europa weder über seine Unternehmen noch als Standort für die Halbleiterindustrie oben mit. Beim Chipdesign dominieren US-Unternehmen, in der Produktion asiatische Länder wie Südkorea und Taiwan. Die US-Regierung rüstet überdies über ihren eigenen Chips Act und massive Subventionen auf, ebenso Japan, Südkorea und China. Europa könne da nicht weiter zuschauen, so Breton: “Es ist an der Zeit, dass wir in das Rennen einsteigen”, sagte der Binnenmarktkommissar.

                      Chips Act soll neue Technologien fördern

                      Rund 15 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln will die Kommission nach Zählweise von der Leyens nun mobilisieren, die Beiträge nationaler Haushalte und privater Investoren zu Finanzierungsinstrumenten wie dem EU-Chips-Fund für Start-ups mit einberechnet. Hinzu kommen sollen rund 30 Milliarden Euro, die die Mitgliedsstaaten bereits für die Halbleiterindustrie in Aussicht gestellt haben. Im globalen Vergleich ist allerdings selbst das nicht sonderlich viel. Das von Breton und Co ausgegebene Ziel, binnen acht Jahren den Marktanteil Europas an der Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als verdoppeln zu wollen, wirkt vor diesem Hintergrund noch ambitionierter.

                      Die Förderung soll vor allem neuen Technologien zugutekommen, die noch gar nicht marktreif sind. Breton nannte hier erneut Halbleiter mit ultrakleinen Strukturgrößen von weniger als zwei Millimetern (Europe.Table berichtete). Bei aller generellen Zustimmung trifft dieser enge Fokus in der Industrie und bei Experten auf Kritik. Zumal die Datengrundlage brüchig zu sein scheint, auf die sich die Kommission bei ihrer Prognose eines stark wachsenden Bedarfes in dem Bereich stützt.

                      Das Maßnahmenpaket beinhaltet drei Säulen:

                      1. From Lab to Fab: Die Chips für Europa-Initiative

                      Rund 11 Milliarden Euro aus EU- und nationalen Töpfen will die Kommission mobilisieren, um Europa in der Chipindustrie technologisch mittel- und langfristig an die Spitze zu katapultieren. Die Mittel, darunter jeweils 1,65 Milliarden aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon Europe und dem Digital-Europe-Topf, sollen der Entwicklung besonders leistungsfähiger und energiesparender Halbleiter zugutekommen und die Umsetzung in marktreife Produkte fördern – womit sich Europa traditionell schwertut. Gesteuert werden sollen die Aktivitäten durch ein sogenanntes Gemeinsames Unternehmen (Joint Undertaking) im Rahmen des Horizon-Europe-Programmes, in dem öffentliche und private Hand zusammenarbeiten.

                      Konkret will die Kommission etwa eine virtuelle Plattform für das Chipdesign aufbauen lassen, die auch Start-ups und Mittelständler nutzen können. Zudem sollen offene Testanlagen gefördert werden, auf denen Unternehmen ihre Prototypen verbessern können. Als Beispiele für zu fördernde Technologien nennt die Kommission Halbleiter mit Strukturgrößen von weniger als zwei Nanometer und Quantenchips. Ein europäisches Netz von Kompetenzzentren soll ebenfalls gefördert werden.

                      2. Mega Fabs für die Versorgungssicherheit

                      Zusätzlich will die Kommission Europas Attraktivität als Standort für die Massenproduktion von modernen Chips steigern – und zwar mit dem Argument der Versorgungssicherheit. Dafür definiert die Behörde im Chips Act einen neuen Rechtsrahmen, der den Unternehmen mehr Investitionssicherheit bieten soll.

                      Hersteller sollen sich demnach verpflichten, in Chips der neuen Generation zu investieren und bei Lieferengpässen zunächst Kunden in Europa zu bedienen. Infrage kommen hier laut Kommission sowohl Auftragsfertiger wie Globalfoundries in Dresden oder TSMC aus Taiwan als auch Hersteller, die wie Intel bislang nur für den Eigenbedarf produzieren.

                      Im Gegenzug sollen die Vorhaben der Unternehmen auf beschleunigte Genehmigungsverfahren in den EU-Staaten zählen können, auf bevorzugten Zugang zu den Testanlagen und vor allem auf üppige Staatshilfen. Denn: Halbleiterfirmen, deren Anlagen als “First-of-a-kind facility” in Europa eingestuft werden, können auf eine Sonderbehandlung hoffen. Die Kommission prüft die Beihilfen der Mitgliedsstaaten für neue Fabriken direkt auf Grundlage des EU-Vertrages.

                      Die Staatshilfen müssten damit immer noch die Kriterien der Angemessenheit und Notwendigkeit erfüllen, wie Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager betonte. Aber die Ausnahmeregelung ermöglicht es den Regierungen, neue Produktionsanlagen direkt zu fördern und bis zu 100 Prozent der Finanzierungslücke zu schließen. Ansonsten sind Staatshilfen nur für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bis zur Serienreife erlaubt, im Rahmen eines Important Projects of Common European Interest (IPCEI).

                      Als “First-of-a-kind facility” sollen dabei nicht nur Chipfabriken zählen. Die Behörde bezieht auch Anlagen aus den vor- und nachgelagerten Produktionsstufen mit ein. Dazu zählen etwa die Lieferanten der benötigten Chemikalien wie Siliciumcarbid ebenso wie Firmen, die die produzierten Chips in Gehäuse verpacken. Auch hier lassen sich mit neuen Technologien noch deutliche Leistungssteigerungen erzielen. Das Kriterium für die Einstufung soll laut Chips Act sein, dass die entsprechende Technologie in der EU noch nicht im größeren Maßstab eingesetzt wird und etwa bei Leistung oder Energieeffizienz eine bessere Performance bringt als die herkömmliche Technik.

                      3. Lieferketten unter Aufsicht

                      Akute Chip-Lieferengpässe wie derzeit, die ganze Branchen ausbremsen, sollen sich nicht wiederholen. Die Kommission will dafür in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein permanentes Monitoring der Branche etablieren. Die zuständigen nationalen Behörden sollen dafür Informationen bei den einzelnen Unternehmen einholen, unter Zusicherung der Vertraulichkeit. Wenn ein Land Hinweise auf eine drohende Lieferkrise sieht, etwa starke Schwankungen in der Nachfrage, soll es die Kommission alarmieren. Die Brüsseler Behörde kann in diesem Fall den neuen Europäischen Halbleiterrat einberufen, um mit den Mitgliedstaaten eine abgestimmte Reaktion zu koordinieren.

                      Im Krisenfall können Mitgliedsstaaten die Kommission beauftragen, Halbleiter oder Rohmaterialien einzukaufen. Die Kommission will darüber hinaus mit befreundeten Drittstaaten über gemeinsame Abhilfemaßnahmen sprechen. Zudem will die Behörde einen Hersteller dazu verpflichten können, zunächst europäische Kunden zu beliefern. Beugt sich das Unternehmen dem nicht, drohen ihm Strafzahlungen in Höhe von bis zu 1,5 Prozent des Jahresumsatzes.

                      Die EU-Kommission will aber nicht warten, bis der Chips Act von Europaparlament und Rat verabschiedet ist. In der Übergangszeit sollen kooperationswillige Mitgliedstaaten in einer europäischen Expertengruppe für Halbleiter bereits das Monitoring aufnehmen.

                      Viel Lob – und Kritik am Chips Act der EU

                      Die weitreichenden Eingriffsbefugnisse für die Kommission im Krisenfall stoßen in der Branche auf Kritik. Einzelne Hersteller dazu zu verpflichten, spezifische Aufträge zu priorisieren, sei unverhältnismäßig, sagt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. “Das untergräbt die grundlegende Wirtschaftsordnung.” Jan Peter Kleinhans, Experte der Stiftung Neue Verantwortung bezweifelt, dass sich das Instrument der gemeinsamen Beschaffung von Impfstoffen auf Halbleiter übertragen lässt. Schließlich handele es sich dabei um hochgradig spezialisierte und diversifizierte Produkte.

                      Auch der Fokus auf bestimmte Strukturgrößen trifft auf Widerspruch: Sich auf Größen von unter 10 Nanometern zu konzentrieren, gehe “am Bedarf der europäischen Abnehmerindustrie vorbei”, so Weber. Europa müsse seine Kompetenz in allen Strukturgrößen stärken, so seien auch Leistungselektronik und Sensorik entscheidend für das Gelingen der grünen und digitalen Transformation. In diesen Bereichen sind deutlich größere Technologieknoten üblich.

                      Zustimmung kommt hingegen aus anderen Branchen: Europa könne nur dann eine Führungsrolle auf den Märkten der Zukunft wie vernetztes Fahren sicherzustellen, wenn es selbst in diesen Markt einsteige, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Zuspruch kommt auch aus der Bundesregierung. Wichtig sei, “dass die Europäische Kommission den beihilferechtlichen Rahmen so setzt, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden und die Unternehmen und Mitgliedstaaten schnell starten können”, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner.

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                        Agrarrat: Breite Unterstützung für “Carbon Farming”

                        Der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz stand im Mittelpunkt einer informellen Tagung der EU-Agrarminister, die am Dienstag zu Ende ging. Dabei ging es neben der Reduktion der hohen Emissionen in dem Sektor insbesondere um die Frage, wie das Potenzial landwirtschaftlicher Nutzflächen zur natürlichen Speicherung von CO2 besser ausgeschöpft werden kann.

                        Neuer Ansatz der EU: Carbon Farming

                        Carbon Farming heißt der neue Ansatz, der von der EU-Kommission und dem französischen Ratsvorsitz gleichermaßen vorangetrieben wird. Dabei könne man auf eine breite Unterstützung aus den Mitgliedsstaaten setzen, sagte Frankreichs Agrarminister Julien Denormandie bei dem Treffen am Dienstag.

                        “Die meisten Menschen denken an Bäume, wenn es um natürliche CO2-Speicher geht. Den zweiten Platz hinter den Meeren belegt aber der Boden. Und die meisten Böden in Europa sind Agrarfläche”, so der Minister weiter. Das gelte es, zu nutzen. “Wir müssen einen Mechanismus finden, der es uns ermöglicht, einen wirtschaftlichen Anreiz, einen Wert für die Abscheidung von Kohlenstoff zu schaffen.” Denkbar seien zusätzliche Subventionen oder ein marktbasierter Ansatz durch CO2-Zertifikate.

                        Dabei steht der Landwirtschaft grundsätzliche ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung, um die Senkleistung der Böden zu erhöhen. Darunter: mehr Grasland, weniger Kunstdünger und weniger schwere Maschinen, vielfältigere Fruchtfolgen oder sogenannte Blühstreifen. Gleichzeitig müsse aber sichergestellt werden, dass neben der CO2-Speicherung die eigentliche Aufgabe der Landwirtschaft, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, nicht in den Hintergrund gerate, so Denormandie.

                        “Win-Win-Win für Klima, Böden und Landwirte”

                        Deutschlands Landwirtschaftsminister Cem Özdemir begrüßte die Pläne der EU zur Förderung von Carbon Farming, die Teil des Green Deals und der EU-Bodenstrategie sein sollen. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski sprach in Straßburg von einer Win-Win-Win-Situation. “Für das Klima, für die Böden und somit die Qualität der Produkte sowie für die Landwirte, die dadurch zusätzliches Einkommen generieren können.”

                        Bereits im Dezember hatte die EU-Kommission in einer Mitteilung ihre Pläne zur Schaffung nachhaltiger Kohlenstoffkreisläufe vorgestellt. Bis zum Ende des Jahres will die Behörde einen entsprechenden Gesetzesentwurf für die Zertifizierung des CO2-Abbaus vorlegen, der transparente Vorschriften für die Anrechnung sowie Anforderungen an die Überwachung und Überprüfung der Kohlendioxid-Entnahme enthalten soll. til

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                          EU-Kommission stoppt Zahlung an Polen wegen nicht beglichener Strafe

                          Die EU-Kommission hält erstmals für ein Mitgliedsland bestimmte finanzielle Mittel zurück, weil dieses sich nicht an ein Urteil des obersten europäischen Gerichts hält. Die EU-Exekutive informierte Polen am Dienstag darüber, sie werde Zahlungen aus den regulären EU-Überweisungen einbehalten als Ausgleich für die erste Tranche einer vom Europäische Gerichtshof (EuGH) verhängten Strafe, die das Land nicht beglichen habe. Es handle sich um zunächst rund 15 Millionen Euro, erläuterte ein EU-Vertreter.

                          Polen muss Tagebau in Turow beenden

                          Es geht in dem Fall um den Streit über den polnischen Braunkohle-Tagebau in Turow nahe der Grenze zu Tschechien. Tschechien hatte Polen wegen Umweltschäden vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt, der im September Polen zu einer Geldstrafe von täglich 500.000 Euro verurteilt hatte (Europe.Table berichtete). Laut EuGH muss Polen den Tagebau in Turow beenden (Europe.Table berichtete).

                          Polen kündigt rechtliche Mittel an

                          Dem widersetzte sich die nationalkonservative Regierung in Warschau und kündigte Widerstand an. “Polen wird die möglichen rechtlichen Mittel nutzen, um gegen diese Pläne der Europäischen Kommission Einspruch zu erheben“, teilte ein Sprecher mit. Dies gelte umso mehr, als es mittlerweile eine Einigung mit Tschechien gebe (Europe.Table berichtete). Wie genau die rechtlichen Mittel aussehen könnten, ließ der Sprecher offen. Er machte jedoch klar: “Polen hat von Anfang an betont, dass die Entscheidungen des EuGH keine rechtliche oder faktische Grundlage haben.”

                          Schon bald könnte Polen die nächste Strafzahlung ins Haus stehen. Im Streit um den polnischen Rechtsstaat schickte die EU-Kommission Mitte Januar eine weitere Zahlungsaufforderung nach Warschau. Dabei geht es um 69 Millionen Euro, weil Polen eine EuGH-Anordnung zur polnischen Justizreform nicht umsetzt. Sollte das Land der Aufforderung nicht nachkommen, wird die EU-Kommission auch dieses Geld durch Einbehalten von Zahlungen aus dem EU-Haushalt ausgleichen. Polens Präsident Andrzej Duda hat vergangene Woche vorgeschlagen, die umstrittene Kammer zur Disziplinierung von Richtern aufzulösen. rtr/dpa

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                            Chipdesigner Arm soll nach gescheiterter Übernahme an die Börse

                            Nach langem Ringen mit den Wettbewerbsbehörden ist die 80 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme des Chip-Designers Arm an den US-Konzern Nvidia endgültig geplatzt. Das setzt den japanischen Technologieinvestor und Arm-Eigner Softbank unter Zugzwang: Der neue Arm-Chef Rene Haas soll die Firma nun noch vor März 2023 an die Börse bringen – möglichst in den USA – und damit für Liquidität sorgen, wie die Unternehmen am Dienstag ankündigten. Softbank hatte Arm 2016 für 32 Milliarden Dollar erworben.

                            Arm-Übernahme durch Nvidia von Anfang an unter schlechten Zeichen

                            Die Besonderheit des britischen Chipdesigners ist, dass die Firma selbst nicht fertigt. Arm lizenziert stattdessen seine Prozessoren beziehungsweise deren Architektur an Kunden wie Qualcomm, Apple, Samsung Electronics und auch an Nvidia. Fast jedes Smartphone und Millionen anderer Geräte verfügen über lizenzierte Arm-Prozessoren. Nvidia ist vor allem für seine Grafikkarten bekannt, allerdings werden Komponenten inzwischen auch verstärkt in anderen Feldern wie der Künstlichen Intelligenz eingesetzt. Die Firma will trotz des geplatzten Deals ihre 20-jährige Arm-Lizenz beibehalten.

                            Die nun final abgesagte Übernahme stand von Beginn an unter schlechten geopolitischen Vorzeichen. Arms Rolle als neutraler Lizenzgeber mit Sitz in UK, der auch Lizenzen an chinesische Firmen vergibt, wäre mit einer Übernahme durch Nvidia mit Sitz in den USA kaum mehr zu garantieren gewesen. Denn der Umsetzung von US-Sanktionen, wie sie etwa die Trump-Regierung gegenüber China in Kraft setzte, hätte ein US-kontrolliertes Arm kaum entgehen können. Ein Grund, warum auch die chinesische Marktaufsicht die Übernahme sehr genau prüfen wollte.

                            Bedenken waren industrie-, wettbewerbs- und geopolitisch

                            Viele Beobachter hielten die angestrebte Übernahme trotz aller Zusicherungen seitens des US-Unternehmens auch für industriepolitisch problematisch: Nvidia und Arm zusammen hätten insbesondere in wichtigen Zukunftsmärkten eine dominante Rolle spielen können.

                            Dem Arm/Nvidia-Deal hatte die US-Kartellbehörde FTC letztlich den Garaus gemacht. Sie klagte im Dezember gegen das Vorhaben (Europe.Table berichtete) und verwies dabei auf eine Schwächung des Wettbewerbs beim Betrieb von Rechenzentren und Chips für selbstfahrende Autos, sollten beide Konzerne zusammengehen. Hinzu kamen Bedenken von Wettbewerbshütern in China, Großbritannien und der Europäischen Union. Erst kürzlich war auch der Verkauf des Münchner Chip-Zulieferers Siltronic an den größeren Konkurrenten Globalwafers aus Taiwan nach 14-monatiger Prüfung gescheitert. fst/rtr

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                              Deutschland will EU-Schuldenregeln nach 2025 wieder einhalten

                              Deutschland will in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts die europäische Schuldenobergrenze von 60 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung wieder einhalten. “Das ist auch realistisch”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner am Dienstag beim virtuellen Neujahresempfang der Deutschen Bank. Es brauche dafür aber eine Disziplin bei den anstehenden Haushalten.

                              Die Verschuldung ist durch die Coronavirus-Krise weltweit sprunghaft gestiegen. In Deutschland liegt die Schuldenquote bei gut 70 Prozent – ein international noch moderater Wert. Viele andere EU-Staaten haben sich aber so weit von der Obergrenze von 60 Prozent entfernt, dass Rufe nach einer Reform des sogenannten Stabilitätspakts laut werden. Dieser umfasst auch eine Obergrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Neuverschuldung. In der Pandemie wurden die Vorgaben ausgesetzt.

                              Deutschland will Schuldenbremse des Grundgesetzes ab 2023 einhalten

                              Lindner sagte, beide Limits seien Teil der europäischen Verträge. “Es ist nicht realistisch und auch nicht sinnvoll, daran zu rühren.” Es würde das völlig falsche Signal senden. Im Gegenteil, es brauche einen Abbaupfad für die Schulden – trotz angestrebter Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Für notwendige Investitionen stehe der europäische Corona-Wiederaufbaufonds mit seinem Volumen von 750 Milliarden Euro zur Verfügung. “Das Geld muss überhaupt erst einmal eingesetzt werden.” Darum gehe es zunächst und nicht um Ausnahmen vom Stabilitätspakt in Zeiten hoher Inflation.

                              Lindner bekräftigte, Deutschland werde die im Grundgesetz verankerte und in der Pandemie ausgesetzte Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten. Dafür müssten Prioritäten gesetzt werden. “Nicht alles, was wünschenswert wäre, wird sofort finanzierbar sein.” Impulse zur konjunkturellen Belebung stünden im Fokus. rtr

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                                Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan wechselt ins Auswärtige Amt

                                Die Chefin der internationalen Umweltorganisation Greenpeace, Jennifer Morgan, wechselt nach Angaben aus Regierungskreisen ins Auswärtige Amt. Sie werde dort Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik bei Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), sagten Regierungsvertreter am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Morgan werde am Mittwoch in Berlin von Baerbock der Presse vorgestellt. Zuvor soll sie vom Bundeskabinett bestätigt werden. Zunächst hatte der “Spiegel” darüber berichtet.

                                Jennifer Morgan soll Staatssekretärin im Auswärtigen Amt werden

                                Morgan soll laut dem Spiegel später Staatssekretärin im Auswärtigen Amt werden. Dies sei jedoch noch nicht möglich, da sie amerikanische Staatsbürgerin ist. Ein Antrag für die deutsche Staatsbürgerschaft werde bereits bearbeitet, anschließend soll sie verbeamtet werden.

                                Die US-Amerikanerin Morgan arbeitet seit Jahrzehnten bei Nichtregierungs-Organisationen und ist seit 2016 Chefin von Greenpeace. Sie soll nun vor allem die jährlichen Weltklimakonferenzen vorbereiten. Die internationale Klimapolitik ist unter der Ampel-Regierung vom Umweltministerium ins Auswärtige Amt gewechselt. rtr/luk

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                                  Polen will Kohletagbau Turów nicht schließen, EU-Kommission behält Millionenhilfe ein STANDARD
                                  Lawmakers call for tough EU measures to tackle methane leaks from gas imports EURACTIV
                                  Fake News: Forschungsministerin will das “Übel an der Wurzel packen” HEISE
                                  Merz will “vorurteilsfrei” über Atomkraft nachdenken TAGESSPIEGEL
                                  France wants to boost European tech with billions of euros EURACTIV

                                  Standpunkt

                                  Biodiversität: Verbindliche Ziele statt freiwilligen Verpflichtungen

                                  Jutta Paulus
                                  EU-Biodiversitätsstrategie: Jutta Paulus ist Umweltexpertin und Europaabgeordnete der Grünen.
                                  Jutta Paulus ist Umweltexpertin und Europaabgeordnete der Grünen.

                                  Rund ein Viertel der bekannten Tier- und Pflanzenarten auf unserer Erde sind bedroht, davon ist die Hälfte stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Laut Europäischer Umweltagentur hat sich der Erhaltungszustand europäischer Tierarten und Ökosysteme im Zeitraum 2013 bis 2018 noch weiter verschlechtert. Das hat auch Folgen für uns Menschen, denn ohne gesunde Ökosysteme stehen uns weder trinkbares Wasser, noch saubere Luft, fruchtbare Böden, fischreiche Ozeane, bestäubte Obstbäume, biobasierte Wirkstoffe und vieles mehr zur Verfügung. Auch die Gefahr von Zoonosen wie Covid 19 wird durch den Druck auf Wildnisgebiete in Zukunft noch wahrscheinlicher.

                                  Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie 2020 nicht erreicht

                                  Die drängenden Gefahren der Biodiversitätskrise sind lange bekannt. Doch statt politisch bindender Maßnahmen wurden oftmals nur freiwillige Selbstverpflichtungen verkündet. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass Lippenbekenntnisse nichts nützen. So wurden die 2010 verabschiedeten strategischen Ziele für Biodiversität (“Aichi-Ziele”) verfehlt. Auch die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie 2020 sind nicht erreicht worden. Laut einer eingehenden Analyse durch die Europäischen Umweltagentur im Rahmen ihres Berichts über den Zustand der Natur 2020 sind nicht nur Verbesserungen ausgeblieben, sondern im Gegenteil: Populationen gehen zurück und Lebensräume schrumpfen.

                                  Die Biodiversitätskrise stellt gemeinsam mit der Klimakrise die existentielle Gefahr für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation dar. Wir können nicht länger achselzuckend zusehen, wie Strategien scheitern und Ziele nicht erfüllt werden. Gerade im Bereich der biologischen Vielfalt erfordert das einen Wechsel von freiwilligen Verpflichtungen zu rechtlich verbindlichen Zielen.

                                  Wenn die Weltgemeinschaft diesen Frühling, pandemiebedingt eineinhalb Jahre später als geplant, im chinesischen Kunming zur 15. Weltbiodiversitätskonferenz (COP15) zusammenkommt, muss ein globales rechtsverbindliches Abkommen beschlossen werden. Es muss messbare und ehrgeizige Ziele und Verpflichtungen enthalten. So hat es das Europäische Parlament seiner Resolution zur UN-Biodiversitätskonferenz in Kunming gefordert.

                                  Wir brauchen die Unterschutzstellung von mindestens 30 Prozent der Landfläche und der Meeresgebiete weltweit bis 2030 und die Renaturierung von mindestens 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme bis 2030. Hierfür müssen die nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne gestärkt werden und fünfjährliche Überwachungs- und Überprüfungsmechanismen eingeführt werden. Die COP15 muss ein Meilenstein für die Biodiversität unseres Planeten werden, vergleichbar mit dem Pariser Klimaschutzabkommen.

                                  EU-Renaturierungsgesetz geplant

                                  Wie auch im Bereich der Klimapolitik, hat die Europäische Union bei den Verhandlungen eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion. Bevor die Staatengemeinschaft in Kunming zusammenkommt, muss die EU deshalb weitreichende, europäische Ziele formulieren. Denn nur so ist ein glaubwürdiges Auftreten in Kunming möglich. Und die Chance ist da: Erstmals seit zwanzig Jahren plant die Europäische Union ein Gesetzesvorhaben im Bereich Natur, das EU-Renaturierungsgesetz. Ursprünglich geplant für das vierte Quartal 2021, wurde der Vorschlag auf den 23. März 2022 verschoben. Die Kommission wäre gut beraten, diese zusätzliche Zeit für die Ausarbeitung weitreichender, bindender Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen zu nutzen. Denn die europäische Natur kann nicht länger warten.

                                  Es braucht klare, flächenbezogene Zielvorgaben, Leitlinien für die Vernetzung von Ökosystemen und einen Fokus auf Moore und Feuchtgebiete, die nicht nur besonders stark geschädigt sind, sondern durch Kohlenstoffbindung und Abpufferung von Dürre oder Starkregen sowohl im Klimaschutz als auch in der Klimaanpassung unsere Verbündeten sind. Für den Schutz von Bestäubern und ihrer Lebensräume brauchen wir eine bessere Überwachung, Datensammlung und systematische Berichterstattung.

                                  Bereits im Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie hatte die Europäische Kommission angekündigt, einen Fokus auf die Renaturierung von Flüssen zu legen. 25.000 Kilometer frei fließende Flüsse sind das Ziel, und die vorhandenen Daten legen nahe, dass diese Zielmarke sogar noch angehoben werden könnte, denn über 100.000 Barrieren in unseren Flüssen werden heute gar nicht mehr gebraucht, weil beispielsweise die zugehörige Mühle schon längst kein Mehl mehr mahlt.

                                  Neben einem ambitionierten Renaturierungsgesetz muss die Kommission aber auch endlich für die Durchsetzung des bereits geltenden europäischen Naturschutz-Rechts sorgen. Es ist wenig glaubwürdig, in Kunming den Erhalt des Sumatra-Tigers anzumahnen, wenn die Tötung von geschützten Arten wie Wolf oder Luchs in Europa nicht adäquat verfolgt wird.

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