Heute Vormittag kommt es in Straßburg zum Showdown: Um kurz vor 9 Uhr soll Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vor dem Europäischen Parlament vorfahren und sich direkt in den Plenarsaal begeben. Dort werden ihm zunächst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und anschließend die Vertreter der Fraktionen wissen lassen, was sie von der Justizreform seiner Regierung und besonders dem jüngsten Urteil des polnischen Verfassungsgerichts halten: überwiegend sehr wenig.
Das auf fragwürdige Weise besetzte Verfassungsgericht hatte die Vorrangigkeit von EU-Recht offen infrage gestellt und von der Leyen damit unter Zugzwang gesetzt. Sie wird im Parlament nun die Handlungsalternativen der Kommission darlegen, von einem neuerlichen Vertragsverletzungsverfahren bis hin zur Auslösung des neuen Rechtsstaatsmechanismus. Welche Option(en) die Kommission ziehen wird, hat sie aber noch nicht entschieden.
Einen längeren Prozess läutet auch die Konsultation zum Euro-Stabilitätspakt ein, die die Behörde am Nachmittag vorstellen wird. Die Vorlage mit ihren elf Fragen ist recht neutral formuliert, die entsprechenden Reformvorschläge werden erst im kommenden Frühjahr oder Sommer folgen. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber warnt aber bereits vor dem, was Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni im Schilde führe: “die EU-Fiskalregeln zu verwässern”.
ESM-Chef Klaus Regling hatte schon am Wochenende klargemacht, dass er die Dinge etwas anders sieht. Man könne seine Glaubwürdigkeit auch einbüßen, wenn man an Regeln festhalte, die “wirtschaftlich widersinnig sind“, sagte er. Denn die Schuldenstände sind Pandemie-bedingt stark gestiegen. Italien etwa müsste sein Verschuldungsniveau um fünf Prozentpunkte pro Jahr senken, wenn der Stabilitätspakt ab 2023 wieder regulär greift. Das aber erscheint unrealistisch und würde erhebliche Verwerfungen verursachen.
Abgeebbt ist die Diskussion über die richtige Reaktion auf die steigenden Energiepreise in der EU noch nicht. Aber zumindest die Suche nach Formelkompromissen scheint recht weit gediehen: Der jüngste Entwurf der Schlussfolgerungen zum Europäischen Rat unterscheidet sich jedenfalls kaum von einem ersten Draft, der vergangenen Donnerstag an die Mitgliedstaaten versandt worden war.
Darin loben die Staats- und Regierungschefs die von der EU-Kommission erarbeitete Toolbox (Europe.Table berichtete) und ermuntern die Mitgliedstaaten, die Instrumente zu nutzen, “um kurzfristige Erleichterung für verwundbare Verbraucher zu erreichen und europäische Unternehmen zu unterstützen”.
Kommission und Rat werden überdies eingeladen, mittel- und langfristige Maßnahmen zu prüfen, die “exzessive Preisfluktuationen abfedern, die Energieresilienz der EU erhöhen und eine erfolgreiche grüne Transformation gewährleisten” könnten. Dazu soll auch die Europäische Investitionsbank (EIB) einen Beitrag leisten. Die Förderbank wird dazu eingeladen, die Finanzierung von Energiewendeprojekten zu beschleunigen.
Die gestiegenen Energiepreise dürften das zentrale Thema des Gipfels am Donnerstag und Freitag sein – wenn nicht die Diskussion um das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts noch die Agenda kapert (Europe.Table berichtete). Vor allem Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland drängen auf weiterreichende Maßnahmen gegen den Anstieg der Energiepreise, als die Kommission zuletzt präsentiert hatte. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird sich zu der Kritik am Mittwoch selbst noch äußern. Die EU-Energieminister wiederum werden sich kommenden Dienstag noch einmal mit dem Thema beschäftigen.
In ihrer Toolbox hatte die Kommission aufgelistet, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten ergreifen können, um einkommensschwache Haushalte zu unterstützen und die Industrie vor Energiepreisen auf Rekordniveau zu schützen. Dazu zählt etwa die Teilübernahme von Stromrechnungen, Steuererleichterungen und staatliche Beihilfen für Unternehmen.
Neben den kurzfristigen Maßnahmen kündigte die Kommission auch mittel- und langfristige Möglichkeiten an, um unerwartete Preissprünge am Energiemarkt künftig zu unterbinden. Die europäischen Energieregulierungsbehörden sollen bis April untersuchen, wie der Strommarkt besser vor Preisschocks geschützt werden kann und Vorschläge für Reformen unterbreiten.
Zudem will die Kommission prüfen, welche Vorteile eine freiwillige gemeinschaftliche Gasbeschaffung und -lagerung mit sich bringen würde. Spanien und Italien hatten dies explizit gefordert (Europe.Table berichtete). Sowohl die deutschen Industrieverbände als auch die Energieunternehmen bewerteten kollektive Gaseinkäufe als wettbewerbsverzerrend, da sie die Trennung zwischen Staat und Energiewirtschaft in Europa aushebeln würden.
Auch die Bundesregierung lehnt weitreichende Eingriffe in den Markt ab, auch wenn die öffentliche Diskussion hierzulande etwa angesichts steigender Spritpreise an Fahrt gewinnen dürfte. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich hingegen für eine verstärkte internationale Absprache aus: “Wir müssen uns hier, vielleicht auch bei G20 oder international jedenfalls austauschen, wie die erwarteten Energiebedarfe jetzt bei der Transformation der Wirtschaften sind”, sagte sie am Montag.
Neben den Energiepreisen stehen auch die Digital- und die Handelspolitik auf der Agenda des Gipfels. Bei ersterer drücken die Staats- und Regierungschefs aufs Tempo und fordern Rat und Europaparlament laut Entwurf auf, bei Digital Services Act und Digital Markets Act “so schnell wie möglich” eine Einigung zu erzielen. Schnelle Fortschritte fordern sie auch in der Datenpolitik, mit Blick auf den bis Jahresende terminierten Data Act der Kommission und die sektoralen Datenräume. Der Digital-Part ist politisch relativ unstrittig, EU-Diplomaten erwarten daher keine kontroversen Diskussionen unter den Staats- und Regierungschefs.
Schwieriger dürfte die Diskussion um die künftige Ausrichtung der Handelspolitik werden. Dabei geht es darum, inwieweit die EU mit ihren Handelsabkommen auch ökologische und soziale Ziele verfolgen soll. Die Debatte darum wird in vielen Mitgliedstaaten hitzig geführt, und verhindert auch die Verabschiedung der bereits vereinbarten Abkommen mit den Mercosur-Staaten und mit China.
Die Staats- und Regierungschefs dürften deshalb auch darüber diskutieren, wie Europa in der Handelspolitik handlungsfähig bleiben kann. Dazu zählt die Frage, ob künftige Abkommen aufgeteilt werden sollten: in einen EU-only-Teil, der nur einer qualifizierten Mehrheit im Rat und der Zustimmung des Europaparlaments bedarf, und einen Part, der in allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss. Die Debatte steht aber noch recht am Anfang, Beschlüsse sind vom Gipfel diese Woche nicht zu erwarten. Till Hoppe/Lukas Scheid
Die Schattenberichterstatterin der Grünen/EFA-Fraktion im Binnenmarktausschuss (IMCO), Kim Van Sparrentak, betont, dass die Wahrung von Grundrechten bei den Verhandlungen über die KI-Verordnung im Vordergrund stehen müsse. Ob das Parlament sich wirklich dazu entscheide, sei aber noch nicht abzusehen. “Das fordert harte Entscheidungen, auch wenn diese gegen die Interessen von Big Tech oder einiger Mitgliedstaaten gehen”, so die Niederländerin. Das Verbot von automatisierter Gesichtserkennung in öffentlich zugänglichen Räumen, für das sich die Europaabgeordneten am 6. Oktober innerhalb des Initiativberichts zu Künstlicher Intelligenz im Strafrecht ausgesprochen hatten, zeige immerhin, dass es in der Debatte Fortschritt gebe.
Auch die Schattenberichterstatterin von Renew Svenja Hahn (FDP) pocht auf einen besseren Schutz von Grundrechten: “Wir müssen die Hintertüren für biometrische Überwachung im öffentlichen Raum schließen, die der Kommissionsvorschlag öffnet”, fordert sie.
Der Berichterstatter Brando Benifei (IT, S&D) will das Verbot von automatisierter Gesichtserkennung in öffentlich zugänglichen Räumen auch in die KI-Verordnung aufnehmen und hatte bereits eine Mehrheit hinter seinem Änderungsvorschlag versammelt. Es ist jedoch fraglich, ob sich Benifei mit seiner Forderung durchsetzen kann, wenn die Federführung tatsächlich zwischen dem IMCO und dem Rechtsausschuss (JURI) aufgeteilt werden sollte (Europe.Table berichtete).
Beobachter vermuten, dass der JURI-Ausschuss in diesem Fall auch die exklusive Kompetenz für den Artikel 5 der KI-Verordnung bekommen könnte, der regeln soll, welche KI-Anwendungen verboten werden. Sollte der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss zum JURI-Berichterstatter ernannt werden, wovon viele Parlamentarier ausgehen, könnte es zu einer schwierigen Kompromissfindung kommen. Denn die EVP lehnt das Verbot von automatisierter Gesichtserkennung in öffentlich zugänglichen Räumen ab.
Der europäische Verbraucherverband BEUC plädiert in einem aktuellen Positionspapier dafür, die Liste der verbotenen KI-Anwendungen zu erweitern. Nicht nur Anwendungen, die physische oder psychische Schäden verursachen können, sondern auch solche, die wirtschaftlichen Schaden anrichten können, sollen demnach untersagt werden. Zudem fordert BEUC, KI-Systeme zu verbieten, die temporäre Schwächen wie Trauer oder emotionalen Stress von Nutzer:innen ausnutzen.
Der Vorschlag der Kommission führt lediglich die Schutzbedürftigkeit von Personen aufgrund ihres Alters oder ihrer körperlichen oder geistigen Behinderung auf. Das sogenannte Social Scoring will BEUC in der Verordnung nicht nur für Behörden verbieten, sondern auch für private Akteure. Dabei führt der Verband das Beispiel Airbnb an: Das Unternehmen hat vor kurzem ein System für Künstliche Intelligenz patentieren lassen, das durch Social Scoring die Vertrauenswürdigkeit von Nutzer:innen ermittelt.
Zudem kritisiert der Verband, dass der Kommissionsvorschlag KI-Emotionserkennungssysteme nur Transparenzvorschriften unterwerfen will. Er pocht darauf, die Nutzung dieser Systeme ganz zu verbieten – außer es handelt sich um äußerst spezifische Umstände in den Bereichen Gesundheit oder Forschung. Auch Schattenberichterstatterin Van Sparrentak setzt sich für diese Forderung ein und weist darauf hin, dass Menschen auch in anderen Bereichen wie auf der Arbeit oder in der Universität vor Überwachung durch intrusive emotions- oder geschlechterbasierte Erkennungssoftware geschützt werden müssten.
Welche Systeme sollen unter die Künstliche Intelligenz-Verordnung fallen? Auch in dieser Frage herrscht Uneinigkeit. Während zum Beispiel die Grünen/EFA den breit gezogenen Anwendungsbereich des Kommissionsvorschlags befürworten, fordert die EVP-Fraktion, diesen enger zu fassen. Auch Renew-Schattenberichterstatterin Hahn sieht Nachbesserungsbedarf: “Der Anwendungsbereich muss für mehr Klarheit nachgeschärft werden, insbesondere die Definition von KI ist ein Knackpunkt“. Die “Go’s und No-Go’s” müssten noch klarer definiert werden, um KI-Entwicklern, Anbietern und Anwendern größtmögliche Rechtssicherheit zu geben.
Laut Vorschlag würden zwar fast alle KI-Systeme sowie deren Anbieter und Nutzer unter die Verordnung fallen. BEUC kritisiert jedoch, dass sich, abgesehen von Artikel 5, der Großteil der Verordnung allein auf Pflichten für Hochrisiko-KI-Systeme bezieht – also solche Systeme Künstlicher Intelligenz, die große Risiken für Gesundheit, Sicherheit oder die Grundrechte darstellen. Die Forderung des Verbands: Die KI-Verordnung muss Pflichten für alle KI-Systeme schaffen.
Der Kommissionsvorschlag sieht vor, eine Konformitätsbewertung (Risiko-Bewertung) durch Dritte nur für solche Hochrisiko-KI-Systeme vorzuschreiben, die mit Produkten in Verbindung stehen (also Sicherheitskomponenten von Produkten sind oder ein eigenständiges Produkt darstellen). Andere Hochrisiko-KI-Systeme, die große Risiken zum Beispiel für Grundrechte darstellen könnten, müssten demnach nur eine Selbstbewertung durchführen. IMCO-Berichterstatter Benifei will dafür eintreten, dass eine Konformitätsbewertung durch Dritte (wie durch TÜV-Süd) für alle Hochrisiko-KI-Systeme verpflichtend wird. Auch BEUC unterstützt diese Forderung.
Der Kommissionsvorschlag sieht Transparenzvorschriften für bestimmte KI-Systeme vor, jedoch nicht für die Nutzer:innen dieser KI-Systeme. Das ist aus Perspektive der Grünen/EFA problematisch. So könne zum Beispiel ein Arbeitgeber eine KI-basierte Entscheidung fällen, ohne dass der betroffene Arbeitnehmer davon wisse.
20.10.2021 – 09:00-22:00 Uhr, Berlin/online
Conference SET Tech Festival 2021
The Start Up Energy Transition (SET) Tech Festival 2021 discusses the ongoing energy transition and the opportunties that innovation can bring to a carbon-neutral future. INFOS & REGISTRATION
20.10.2021 – 09:00-17:00 Uhr, Dordrecht (Niederlande)/online
Conference Next Level 2021
This event brings together cities, practitioners and researchers in order to explore nature-based solutions for urban areas. INFOS & REGISTRATION
20.10.2021 – 10:00 Uhr, online
RI, Seminar Industrie Regional Gedacht – Cybersicherheit für Unternehmen
Die Regionale Industrieinitiative (RI) beschäftigt sich mit dem Thema Cybersicherheit für Industriunternehmen und Start-Ups. INFOS & ANMELDUNG
20.10.2021 – 10:00-11:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Wasserstoff aus Kläranlagen
Das Effizienz-Netzwerk für Stadtwerke (ASEW) stellt das Potential von Kläranlagen für der Gewinnung von grünem Wasserstoff vor. INFOS & ANMELDUNG
20.10.2021 – 15:00-16:00 Uhr, online
Eco, Briefing Germany After the Elections – Digital Policy Outlook
The Association of the Internet Industry (Eco) addresses the potential outlook for a digital policy strategy under a new German government. INFOS & REGISTRATION
20.10.2021 – 18:30-19:45 Uhr, online
SEK, Podiumsdiskussion Welche Netzinfrastruktur braucht die klimaneutrale Zukunft?
Der Debattenabend der Sitftung Energie und Klimaschutz (SEK) fokussiert sich auf die Infrastruktur-Herausforderungen einer klimaneutralen Mobiltät in der Zukunft. INFOS
21.10.-22.10.2021, Brüssel (Belgien)/Dakar (Senegal)/Rom (Italien)/online
Conference EU-African SME Summit
This event deals with the role of small and medium-sized Enterprises (SME) in the intensification in intra-African as well as African-European trade. INFOS & REGISTRATION
21.10.-22.10.2021, online
Konferenz Corporate Digital Responsibility Summit – Nachhaltigkeit in der Schlüsseltechnologie IT
Die Veranstaltung beschäftigt sich mit dem Thema Nachhaltigkeit und IT insbesondere im Hinblick auf IT-Arbeitsplätze und energieeffiziente Rechenzentren. INFOS & ANMELDUNG
21.10.-22.10.2021, Trier
EU Agenda, Conference Annual Conference on European State Aid Law 2021
This event provides legal practitioners with an update on developments from the Court of Justice of the EU and the European Commission in the field of EU State aid law. INFOS & ANMELDUNG
21.10.-22.10.2021
ERA Annual Conference on European Company Law and Corporate Governance 2021
The Academy of European Law (ERA) focusses on current issues in European company law and corporate governance. INFOS & REGISTRATION
21.10.2021 – 18:30-20:00 Uhr, Hamburg
IFH, Podiumsdiskussion Ozeane und Klimawandel: Eine Aufgabe für internationale Zusammenarbeit
Das Institut Français de Hambourg (IFH) lädt französische und deutsche Expert:innen ein, über verschiedene Ozean-Policies zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG
Chinesische Unternehmen in Europa sehen ihre Geschäfte generell optimistisch – geplante neue Regularien aus Brüssel und zunehmend schwierige politische Fahrwasser trüben aber die Aussichten. Das geht aus einem Bericht der chinesischen Handelskammer in der Europäischen Union (CCCEU) hervor, der am Montag gemeinsam mit der Beratungsfirma Roland Berger in Brüssel vorgestellt wurde. Vor allem im Bereich des 5G-Ausbaus fühlen sich die Unternehmen aus der Volksrepublik gegängelt. Großes Potenzial für Kooperation zwischen China und der EU sieht der Kammer-Bericht bei grünen und digitalen Themen. Was bei der Vorstellung, und in dem Papier selbst, mehrfach betont wird: Es muss “gegenseitiges Vertrauen” geschaffen werden.
Brüssel wird in dem CCCEU-Report dazu angehalten, einen “offenen, fairen und diskriminierungsfreien Markt für Chinas Telekommunikationsunternehmen” zu schaffen. Der Ausschluss von Anbietern wie Huawei und ZTE habe primär politische Gründe, kritisierte Kammer-Präsident Xu Haifeng. Dass die Telekommunikationsriesen aus der Volksrepublik beim 5G-Ausbau in mehreren EU-Staaten gar nicht mitmischen dürften, basiere nicht auf technischen Problemen. “Sondern weil es chinesische Unternehmen sind”, kritisierte Xu. Im Bericht werden “klare Vorschriften, Standards und Umsetzungsrichtlinien für Cybersicherheit” verlangt. “Wir wollen mit Europäern zusammenarbeiten, um Cybersicherheitsstandards und -verfahren zu schaffen“, betonte der Kammer-Präsident.
Helfen soll dabei auch: vertieftes Vertrauen von beiden Seiten. Nur so könnten die Schwierigkeiten gelöst werden, betonte Xu. Brüssel und Peking blicken auf schwierige Monate zurück, in der Handelspolitik sowie in der Diplomatie. Gegenseitige Sanktionen und das Einfrieren des Investitionsabkommen CAI wurden laut CCCEU-Bericht als Hauptpunkte genannt, die die Stimmung im Handel zwischen EU und China trübten. Auch, dass Brüssel bei ausländischen Direktinvestitionen im Oktober 2020 abermals die Regeln verschärfte, kam bei chinesischen Unternehmen laut Umfrage nicht gut an.
Aber auch Falschinformationen machen den Konzernen aus der Volksrepublik zu schaffen. Laut der Umfrage der CCCEU glauben 59 Prozent der befragten chinesischen Unternehmen, dass Desinformation “eine Bedrohung für ihre Geschäftstätigkeit darstellt”. Einige Unternehmen erklärten, dass Zweifel und Spekulationen über Sicherheit und Wettbewerbsgeist chinesischer Unternehmen konkrete Auswirkungen auf ihre wirtschaftlichen Aktivitäten hätten. Die CCCEU vertritt nach eigenen Angaben rund 1.000 chinesische Unternehmen in den 27 EU-Mitgliedstaaten.
Als konkrete Beispiele für “Unwahrheiten” wurden die Weitergabe von verbraucherbezogenen Daten und Technologie-Aneignung genannt. Die “negative öffentliche Meinung” habe einige der befragten Unternehmen in Bedrängnis gebracht, einigen bereits die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern gekostet. Das habe wiederum “zum Verlust von Verbrauchern und höheren Betriebskosten” geführt – und mache das Geschäftsumfeld in der EU weniger attraktiv und rentabel, warnt der Bericht.
Trotz allem: Die meisten chinesischen Unternehmen in der EU sind zuversichtlich ob der Kooperation und Entwicklung in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. 86 Prozent der befragten Unternehmen waren der Meinung, dass die EU für chinesische Unternehmen deutlich an Bedeutung gewonnen habe. Vor allem aufgrund der Corona-Pandemie seien die Ergebnisse der chinesischen Firmen im vergangenen Jahr jedoch “bescheiden” gewesen:
Rund 44 Prozent der befragten Unternehmen gaben dem Bericht zufolge an, dass ihre Umsätze in der EU im Jahr 2020 unverändert geblieben sind. Rund 33 Prozent verzeichneten eine Umsatzsteigerung. Knapp mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten wollen ihre Geschäftsaktivitäten in der EU wie bisher fortführen. Gut 44 Prozent beabsichtigen, ihre Investitionen in der EU sogar auszuweiten. Der Gesamtumsatz chinesischer Firmen belief sich dem Papier zufolge in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf 150,3 Milliarden Euro. Das entspricht 1,4 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Optimismus wird jedoch wegen neuer EU-Regelungen geschmälert: Rund 68 Prozent der befragten Unternehmen gehen dem Bericht zufolge davon aus, dass neue EU-Regularien gegen ausländische Subventionen (China.Table berichtete) “erhebliche oder eher negative Auswirkungen” auf ihr Tagesgeschäft und ihre Bietertätigkeit haben werden. In diesem Sinne fordert der Bericht die EU auf, negative Auswirkungen dieser europäischen Instrumente zu beseitigen und eine Überregulierung zu vermeiden.
Ansätze für mehr Zusammenarbeit sieht die chinesische Kammer bei grünen und digitalen Bereichen: Diese könnten ein Motor für die Geschäftsaktivitäten chinesischer Unternehmen in der EU sein. 30 Prozent der befragten Unternehmer sehen hier vor allem eine Chance. 46 Prozent sind der Umfrage zufolge jedoch noch skeptisch und sehen sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Ähnlich sieht es im Digitalen aus. Hier sehen dem Report zufolge rund 60 Prozent der befragten Unternehmen neue Möglichkeiten, aber auch gleichzeitig Herausforderungen für ihre Geschäfte.
Die Kooperation der EU mit anderen Partnern kommt hingegen weniger gut an: Die chinesischen Unternehmen warnen, dass das “EU-US Trade and Technology Council” (kurz TTC) negative Auswirkungen haben könnte. Die Zusammenarbeit zwischen Brüssel und Washington bei Standards in Bereichen wie der Telekommunikation oder Lieferketten könnte durch den Ausschluss Chinas zu einer globalen Fragmentierung führen.
Bei der Debatte zur Farm to Fork-Strategie im EU-Parlament am Montag wurde der Inhalt des von ENVI- und AGRI-Ausschuss erarbeiteten Initiativberichts beinahe zur Nebensache. Zwei Nebenschauplätze sorgten für Unmut bei den Abgeordneten, obwohl der Bericht von einer breiten Mehrheit unterstützt und von vielen Abgeordneten unterschiedlicher Parteizugehörigkeit als richtungsweisend für den Agrarsektor und den Klimaschutz bewertet wurde.
Die EVP-Fraktion zeigte sich empört über einen “Vertrauensbruch”, den Kommissionsvize Frans Timmermans verursacht haben soll. Grund dafür ist eine Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC), die die Auswirkungen der Kommissionsinitiative untersucht hat. Die Studie spielt mögliche Folgeszenarien für Landwirte und deren Produktion durch die Farm to Fork-Strategie und andere Maßnahmen durch. Demnach könnten Produktionsmengen um 5 bis 15 Prozent, je nach Produkt, sinken und auch die Einkünfte der Landwirte könnten geringer ausfallen.
Timmermans habe die Ergebnisse der Studie bewusst zurückgehalten, da sie nicht dem entsprächen, was er gewollt habe, erklärte die EVP auf ihrer Website. Dies sei ein Unding und habe das Vertrauen darin, dass die Kommission dem Parlament alle verfügbaren Informationen zur Verfügung stellt, “extremst gestört”, sagte Christine Schneider von der CDU. Das verlorene Vertrauen müsse die Kommission nun in einer umfassenden Folgenabschätzung zu jedem einzelnen Ziel ihrer Farm to Fork-Strategie wieder aufbauen, so Schneider.
Die EVP-Fraktion wollte den Umgang Timmermans mit der JRC-Studie im Parlament thematisieren, bekam aber nicht die nötige Unterstützung anderer Fraktionen, um den Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.
Schon im Vorfeld der Parlamentsdebatte wurde Kritik an der Agrarlobby laut. Der landwirtschaftliche Dachverband Copa-Cogeca soll an einer koordinierten Aktion beteiligt sein, die Abgeordnete überzeugen soll, gegen bestimmte Abschnitte des EP-Berichts zu stimmen. Dazu soll Copa-Cogeca Studien präsentiert haben, die der Verband teils selbst finanziert hat. Die österreichische Grünen-Abgeordnete Sarah Wiener verurteilte die Bemühungen der Agrarlobby, Einfluss auf den Kompromiss zur Farm to Fork-Strategie im EU-Parlament zu nehmen. Sie appellierte an die Unabhängigkeit des Hauses. Auch andere Abgeordnete griffen die Lobby-Aktion in ihren Statements auf.
Die EU-Kommission hatte ihre Farm to Fork-Strategie im Mai 2020 veröffentlicht. Darin enthalten sind ambitionierte Zielvorgaben für den Agrarsektor: 50 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel, 20 Prozent weniger Düngemittel, 50 Prozent weniger Antibiotika in der Tierhaltung sowie 25 Prozent mehr Ökolandbau.
Der Initiativbericht aus ENVI und AGRI-Ausschuss schlägt 48 Kompromisse für die Strategie vor. Sollte das Plenum ihn annehmen, muss die Kommission daraus einen Legislativvorschlag erarbeiten. Da der Bericht von EVP, S&D, Grünen/EFA, Renew und Linken unterstützt wird, wird erwartet, dass er bei der heutigen Abstimmung (13:00 – 14:15 Uhr) mit einer breiten Mehrheit verabschiedet wird. Lukas Scheid
Knapp drei Wochen nach dem Auftakttreffen des EU-US Handels- und Technologierates (TTC) in Pittsburgh (Europe.Table berichtete) hat die Europäische Kommission eine Online-Konsultationsplattform eingerichtet. Auf “Futurium” können Interessenträger wie Unternehmen, Denkfabriken oder Gewerkschaften ihre Ansichten und Vorschläge zu dem Gremium einbringen, in dem die EU und die USA über eine Zusammenarbeit in strategischen Bereichen sprechen wollen, darunter Plattformregulierung, Künstliche Intelligenz und Halbleiter.
“Wir wollen, dass der TTC zu einer erfolgreichen Plattform mit einer breiten Beteiligung der Interessenträger wird, indem wir allen zuhören, die an diesen Themen beteiligt sind”, sagte Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Der Lette vertritt die EU beim TTC zusammen mit Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Laut Dombrovskis wird die Kommission ihren Verpflichtungen in Bezug auf Transparenz in Handelsfragen nachkommen. Sie plane, im Rahmen der regelmäßigen Dialoge mit der Zivilgesellschaft eine Bestandsaufnahme der Gespräche im Handels- und Technologierat zu machen.
Der TTC soll auch auf dem Europäischen Rat am Donnerstag und Freitag intensiv diskutiert werden. Die nächste TTC-Gesprächsrunde ist jedoch erst für 2022 geplant. koj
Die Betreiber der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 haben den ersten der beiden Stränge mit technischem Gas befüllt. Der dabei erzeugte Druck reiche aus, um den Gastransport zu einem späteren Zeitpunkt zu starten, teilte die Nord Stream 2 AG gestern mit. Für den Test des zweiten Strangs liefen bereits die Vorbereitungen, fügte die Tochter des russischen Gasriesen Gazprom hinzu.
Die rund 1200 Kilometer lange Pipeline soll pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Gas von Russland nach Deutschland transportieren. Die Bundesnetzagentur prüft derzeit den Antrag auf eine Zertifizierung. Wann die Pipeline in Betrieb geht, ist noch offen. rtr
Der Bundesvorstand und die Bundesfraktion der FDP haben einstimmig die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen beschlossen. Möglicher Startpunkt der Verhandlungen wäre Donnerstag, hieß es in Verhandlungskreisen der Parteien. Dies sei aber noch nicht endgültig geklärt.
Es gebe “unverändert große inhaltliche Unterschiede”, die es nun zu überwinden gelte, so FDP-Parteichef Christian Lindner. Eine Ampelkoalition wäre zu Beginn sicher eher ein “Zweckbündnis“. Damit daraus mehr werden könne, seien “sehr viel Toleranz und Bereitschaft zu neuem Denken” erforderlich.
Die Sondierungsteams von FDP, Grünen und SPD hatten sich am Freitag auf ein gemeinsames Papier verständigt, das Grundlage für Koalitionsverhandlungen sein soll (Europe.Table berichtete). Ziel ist, dass die neue Bundesregierung vor Weihnachten vereidigt wird. rtr
Es war 1985. Das Jahr der Kinderschuhe, in denen die innovative Technik von heute noch steckte. Das PDF war eher ein Versprechen als ein echtes Format. Da stürzte sich Andreas Dengel in eine Diplomarbeit für Siemens. Es ging darum, dass der Computer gescannte Dokumente analysieren und relevante Inhalte auslesen sollte. Sein Heureka-Moment. Die künstliche Intelligenz dahinter konnte das, was wir beim Menschen “lesen” nennen würden.
Sprung ins Jahr 2021. Andreas Dengel ist heute Professor und geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Auch wenn er das selbst nicht aussprechen würde, ist er eine Koryphäe auf dem Gebiet. “Ich habe schon viele schöne Orte erlebt, an denen ich Ehrungen bekommen habe, aber die Ehrenprofessur in Japan ist sicherlich eine ganz besondere.” Gemeint ist der Titel “Distinguished Honorary Professor” (tokubetu eiyo kyoju) an der Osaka Prefecture University. In 135 Jahren Uni-Geschichte bekamen den Titel nur fünf Personen.
Das DFKI ist eine GmbH. Ein “Transfer-Institut”, wie es Dengel nennt, das als Schnittstelle zwischen der Wirtschaft und der Universität arbeite. Etwa 740 Angestellte und 510 studentische Mitarbeiter:innen arbeiten an rund 250 Forschungsprojekten. Dengel führt und moderiert, übersetzt die Erkenntnisse aber auch. Denn es gibt oft Missverständnisse beim Thema KI. “Wir Menschen neigen dazu, wenn wir KI oder Künstliche Intelligenz hören, sie mit unserer eigenen Intelligenz zu vergleichen und gewisse Fantasien zu entwickeln. Dadurch wird die KI oft überschätzt“, beschreibt er das Problem.
KI sei vielmehr ein Werkzeugkasten, der helfen könne, die Komplexität bestimmter Themen zu reduzieren. Das kann in der Medizin genauso helfen wie in der Verkehrs- und Energiesteuerung oder der Kriminalitätsbekämpfung – von Finanzverbrechen bis zur Kinderpornografie.
Eine Gefahr der KI sei jedoch die Abhängigkeit von ihr, glaubt Dengel: “In der Verkehrssteuerung, in der Versorgungssteuerung, überall ist KI mit drin. Fallen diese Systeme aus, fällt es uns schwer, aus dem Stand heraus Auswege aus dem Schlamassel zu finden.”
Die Frage ist also, was Nutzer:innen aus der Hand geben wollen. In diesem Kontext muss jede:r für sich entscheiden, welche Aspekte des Lebens man für sich alleine wolle. Das hat Dengel privat auch getan. “Mir ist es wichtig, meine eigenen Grenzlinien zu ziehen. Zu wissen, was ich preisgeben möchte und was nicht. In dem Sinne habe ich weder Instagram noch einen Facebook-Account.”
Um solche Fragen auch in der Politik zu diskutieren, gibt es unter anderem die Global Partnership on AI (GPAI). Hier werden Grenzen besprochen, ab denen die KI nicht mehr ohne Kontrollen alleine agieren darf. Kein leichtes Unterfangen. Dengel verweist auf das Problem der unterschiedlichen Wertesysteme von KI-Großmächten wie Europa, China und den USA. Auf europäischer Ebene gelte es, Ängste zu nehmen und passende Rahmenbedingungen zu definieren – wie Daten erhoben und verwendet würden. Ein Punkt, bei dem es mehr Dynamik bräuchte. Christian Domke Seidel
König Fußball wird jetzt also nachhaltig und übernimmt gesellschaftliche Verantwortung. Gemeinsam mit der EU-Kommission will der europäische Fußballverband Uefa mit der Kampagne #EveryTrickCounts Fußballfans in ganz Europa zum Energiesparen ermutigen. Ausgerechnet die Uefa.
Vor etwas mehr als drei Monaten endete eines der absurdesten Sportereignisse, das Europa je gesehen hat. Überbezahlten Fußballer jetteten einen Monat lang kreuz und quer über den Kontinent, um eine Europameisterschaft auszutragen, die genauso gut in nur einem Land hätte stattfinden können. So viel zum Thema Nachhaltigkeit.
Sportlich gesehen war das Turnier – nicht nur aus deutscher Sicht – mäßig spektakulär. Gesellschaftlich war es eine Farce: Die Spielortvergabe offenbarte die Gier der Veranstalter. Wer trotz andauernder Corona-Pandemie nicht garantieren wollte, Menschenmassen dicht an dicht im Stadion zu dulden, bekam seine Spiele entzogen – so geschehen in Dublin und Bilbao. Die Regenbogen-Debatte zeigte die Doppelmoral des Verbands: Auf der einen Seite propagiert die Uefa stets Toleranz und “Respect”, auf der anderen Seite traute sie sich nicht, für Gleichberechtigung einzustehen, als die ungarische Nationalmannschaft zu Gast in München war.
“It takes all of our tricks to protect the climate”, teilte Uefa-Chef Aleksander Čeferin zum Start der Kampagne mit. Die eigene Trickkiste rührt Čeferin aber offenbar nicht an. Stattdessen immer mehr Wettbewerbe, dichtere Terminkalender und keine Spur von Nachhaltigkeit. #EveryTrickCounts riecht daher streng nach Greenwashing. Da hat sich die EU-Kommission den richtigen Partner ausgesucht. Lukas Scheid
Heute Vormittag kommt es in Straßburg zum Showdown: Um kurz vor 9 Uhr soll Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vor dem Europäischen Parlament vorfahren und sich direkt in den Plenarsaal begeben. Dort werden ihm zunächst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und anschließend die Vertreter der Fraktionen wissen lassen, was sie von der Justizreform seiner Regierung und besonders dem jüngsten Urteil des polnischen Verfassungsgerichts halten: überwiegend sehr wenig.
Das auf fragwürdige Weise besetzte Verfassungsgericht hatte die Vorrangigkeit von EU-Recht offen infrage gestellt und von der Leyen damit unter Zugzwang gesetzt. Sie wird im Parlament nun die Handlungsalternativen der Kommission darlegen, von einem neuerlichen Vertragsverletzungsverfahren bis hin zur Auslösung des neuen Rechtsstaatsmechanismus. Welche Option(en) die Kommission ziehen wird, hat sie aber noch nicht entschieden.
Einen längeren Prozess läutet auch die Konsultation zum Euro-Stabilitätspakt ein, die die Behörde am Nachmittag vorstellen wird. Die Vorlage mit ihren elf Fragen ist recht neutral formuliert, die entsprechenden Reformvorschläge werden erst im kommenden Frühjahr oder Sommer folgen. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber warnt aber bereits vor dem, was Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni im Schilde führe: “die EU-Fiskalregeln zu verwässern”.
ESM-Chef Klaus Regling hatte schon am Wochenende klargemacht, dass er die Dinge etwas anders sieht. Man könne seine Glaubwürdigkeit auch einbüßen, wenn man an Regeln festhalte, die “wirtschaftlich widersinnig sind“, sagte er. Denn die Schuldenstände sind Pandemie-bedingt stark gestiegen. Italien etwa müsste sein Verschuldungsniveau um fünf Prozentpunkte pro Jahr senken, wenn der Stabilitätspakt ab 2023 wieder regulär greift. Das aber erscheint unrealistisch und würde erhebliche Verwerfungen verursachen.
Abgeebbt ist die Diskussion über die richtige Reaktion auf die steigenden Energiepreise in der EU noch nicht. Aber zumindest die Suche nach Formelkompromissen scheint recht weit gediehen: Der jüngste Entwurf der Schlussfolgerungen zum Europäischen Rat unterscheidet sich jedenfalls kaum von einem ersten Draft, der vergangenen Donnerstag an die Mitgliedstaaten versandt worden war.
Darin loben die Staats- und Regierungschefs die von der EU-Kommission erarbeitete Toolbox (Europe.Table berichtete) und ermuntern die Mitgliedstaaten, die Instrumente zu nutzen, “um kurzfristige Erleichterung für verwundbare Verbraucher zu erreichen und europäische Unternehmen zu unterstützen”.
Kommission und Rat werden überdies eingeladen, mittel- und langfristige Maßnahmen zu prüfen, die “exzessive Preisfluktuationen abfedern, die Energieresilienz der EU erhöhen und eine erfolgreiche grüne Transformation gewährleisten” könnten. Dazu soll auch die Europäische Investitionsbank (EIB) einen Beitrag leisten. Die Förderbank wird dazu eingeladen, die Finanzierung von Energiewendeprojekten zu beschleunigen.
Die gestiegenen Energiepreise dürften das zentrale Thema des Gipfels am Donnerstag und Freitag sein – wenn nicht die Diskussion um das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts noch die Agenda kapert (Europe.Table berichtete). Vor allem Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland drängen auf weiterreichende Maßnahmen gegen den Anstieg der Energiepreise, als die Kommission zuletzt präsentiert hatte. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird sich zu der Kritik am Mittwoch selbst noch äußern. Die EU-Energieminister wiederum werden sich kommenden Dienstag noch einmal mit dem Thema beschäftigen.
In ihrer Toolbox hatte die Kommission aufgelistet, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten ergreifen können, um einkommensschwache Haushalte zu unterstützen und die Industrie vor Energiepreisen auf Rekordniveau zu schützen. Dazu zählt etwa die Teilübernahme von Stromrechnungen, Steuererleichterungen und staatliche Beihilfen für Unternehmen.
Neben den kurzfristigen Maßnahmen kündigte die Kommission auch mittel- und langfristige Möglichkeiten an, um unerwartete Preissprünge am Energiemarkt künftig zu unterbinden. Die europäischen Energieregulierungsbehörden sollen bis April untersuchen, wie der Strommarkt besser vor Preisschocks geschützt werden kann und Vorschläge für Reformen unterbreiten.
Zudem will die Kommission prüfen, welche Vorteile eine freiwillige gemeinschaftliche Gasbeschaffung und -lagerung mit sich bringen würde. Spanien und Italien hatten dies explizit gefordert (Europe.Table berichtete). Sowohl die deutschen Industrieverbände als auch die Energieunternehmen bewerteten kollektive Gaseinkäufe als wettbewerbsverzerrend, da sie die Trennung zwischen Staat und Energiewirtschaft in Europa aushebeln würden.
Auch die Bundesregierung lehnt weitreichende Eingriffe in den Markt ab, auch wenn die öffentliche Diskussion hierzulande etwa angesichts steigender Spritpreise an Fahrt gewinnen dürfte. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich hingegen für eine verstärkte internationale Absprache aus: “Wir müssen uns hier, vielleicht auch bei G20 oder international jedenfalls austauschen, wie die erwarteten Energiebedarfe jetzt bei der Transformation der Wirtschaften sind”, sagte sie am Montag.
Neben den Energiepreisen stehen auch die Digital- und die Handelspolitik auf der Agenda des Gipfels. Bei ersterer drücken die Staats- und Regierungschefs aufs Tempo und fordern Rat und Europaparlament laut Entwurf auf, bei Digital Services Act und Digital Markets Act “so schnell wie möglich” eine Einigung zu erzielen. Schnelle Fortschritte fordern sie auch in der Datenpolitik, mit Blick auf den bis Jahresende terminierten Data Act der Kommission und die sektoralen Datenräume. Der Digital-Part ist politisch relativ unstrittig, EU-Diplomaten erwarten daher keine kontroversen Diskussionen unter den Staats- und Regierungschefs.
Schwieriger dürfte die Diskussion um die künftige Ausrichtung der Handelspolitik werden. Dabei geht es darum, inwieweit die EU mit ihren Handelsabkommen auch ökologische und soziale Ziele verfolgen soll. Die Debatte darum wird in vielen Mitgliedstaaten hitzig geführt, und verhindert auch die Verabschiedung der bereits vereinbarten Abkommen mit den Mercosur-Staaten und mit China.
Die Staats- und Regierungschefs dürften deshalb auch darüber diskutieren, wie Europa in der Handelspolitik handlungsfähig bleiben kann. Dazu zählt die Frage, ob künftige Abkommen aufgeteilt werden sollten: in einen EU-only-Teil, der nur einer qualifizierten Mehrheit im Rat und der Zustimmung des Europaparlaments bedarf, und einen Part, der in allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss. Die Debatte steht aber noch recht am Anfang, Beschlüsse sind vom Gipfel diese Woche nicht zu erwarten. Till Hoppe/Lukas Scheid
Die Schattenberichterstatterin der Grünen/EFA-Fraktion im Binnenmarktausschuss (IMCO), Kim Van Sparrentak, betont, dass die Wahrung von Grundrechten bei den Verhandlungen über die KI-Verordnung im Vordergrund stehen müsse. Ob das Parlament sich wirklich dazu entscheide, sei aber noch nicht abzusehen. “Das fordert harte Entscheidungen, auch wenn diese gegen die Interessen von Big Tech oder einiger Mitgliedstaaten gehen”, so die Niederländerin. Das Verbot von automatisierter Gesichtserkennung in öffentlich zugänglichen Räumen, für das sich die Europaabgeordneten am 6. Oktober innerhalb des Initiativberichts zu Künstlicher Intelligenz im Strafrecht ausgesprochen hatten, zeige immerhin, dass es in der Debatte Fortschritt gebe.
Auch die Schattenberichterstatterin von Renew Svenja Hahn (FDP) pocht auf einen besseren Schutz von Grundrechten: “Wir müssen die Hintertüren für biometrische Überwachung im öffentlichen Raum schließen, die der Kommissionsvorschlag öffnet”, fordert sie.
Der Berichterstatter Brando Benifei (IT, S&D) will das Verbot von automatisierter Gesichtserkennung in öffentlich zugänglichen Räumen auch in die KI-Verordnung aufnehmen und hatte bereits eine Mehrheit hinter seinem Änderungsvorschlag versammelt. Es ist jedoch fraglich, ob sich Benifei mit seiner Forderung durchsetzen kann, wenn die Federführung tatsächlich zwischen dem IMCO und dem Rechtsausschuss (JURI) aufgeteilt werden sollte (Europe.Table berichtete).
Beobachter vermuten, dass der JURI-Ausschuss in diesem Fall auch die exklusive Kompetenz für den Artikel 5 der KI-Verordnung bekommen könnte, der regeln soll, welche KI-Anwendungen verboten werden. Sollte der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss zum JURI-Berichterstatter ernannt werden, wovon viele Parlamentarier ausgehen, könnte es zu einer schwierigen Kompromissfindung kommen. Denn die EVP lehnt das Verbot von automatisierter Gesichtserkennung in öffentlich zugänglichen Räumen ab.
Der europäische Verbraucherverband BEUC plädiert in einem aktuellen Positionspapier dafür, die Liste der verbotenen KI-Anwendungen zu erweitern. Nicht nur Anwendungen, die physische oder psychische Schäden verursachen können, sondern auch solche, die wirtschaftlichen Schaden anrichten können, sollen demnach untersagt werden. Zudem fordert BEUC, KI-Systeme zu verbieten, die temporäre Schwächen wie Trauer oder emotionalen Stress von Nutzer:innen ausnutzen.
Der Vorschlag der Kommission führt lediglich die Schutzbedürftigkeit von Personen aufgrund ihres Alters oder ihrer körperlichen oder geistigen Behinderung auf. Das sogenannte Social Scoring will BEUC in der Verordnung nicht nur für Behörden verbieten, sondern auch für private Akteure. Dabei führt der Verband das Beispiel Airbnb an: Das Unternehmen hat vor kurzem ein System für Künstliche Intelligenz patentieren lassen, das durch Social Scoring die Vertrauenswürdigkeit von Nutzer:innen ermittelt.
Zudem kritisiert der Verband, dass der Kommissionsvorschlag KI-Emotionserkennungssysteme nur Transparenzvorschriften unterwerfen will. Er pocht darauf, die Nutzung dieser Systeme ganz zu verbieten – außer es handelt sich um äußerst spezifische Umstände in den Bereichen Gesundheit oder Forschung. Auch Schattenberichterstatterin Van Sparrentak setzt sich für diese Forderung ein und weist darauf hin, dass Menschen auch in anderen Bereichen wie auf der Arbeit oder in der Universität vor Überwachung durch intrusive emotions- oder geschlechterbasierte Erkennungssoftware geschützt werden müssten.
Welche Systeme sollen unter die Künstliche Intelligenz-Verordnung fallen? Auch in dieser Frage herrscht Uneinigkeit. Während zum Beispiel die Grünen/EFA den breit gezogenen Anwendungsbereich des Kommissionsvorschlags befürworten, fordert die EVP-Fraktion, diesen enger zu fassen. Auch Renew-Schattenberichterstatterin Hahn sieht Nachbesserungsbedarf: “Der Anwendungsbereich muss für mehr Klarheit nachgeschärft werden, insbesondere die Definition von KI ist ein Knackpunkt“. Die “Go’s und No-Go’s” müssten noch klarer definiert werden, um KI-Entwicklern, Anbietern und Anwendern größtmögliche Rechtssicherheit zu geben.
Laut Vorschlag würden zwar fast alle KI-Systeme sowie deren Anbieter und Nutzer unter die Verordnung fallen. BEUC kritisiert jedoch, dass sich, abgesehen von Artikel 5, der Großteil der Verordnung allein auf Pflichten für Hochrisiko-KI-Systeme bezieht – also solche Systeme Künstlicher Intelligenz, die große Risiken für Gesundheit, Sicherheit oder die Grundrechte darstellen. Die Forderung des Verbands: Die KI-Verordnung muss Pflichten für alle KI-Systeme schaffen.
Der Kommissionsvorschlag sieht vor, eine Konformitätsbewertung (Risiko-Bewertung) durch Dritte nur für solche Hochrisiko-KI-Systeme vorzuschreiben, die mit Produkten in Verbindung stehen (also Sicherheitskomponenten von Produkten sind oder ein eigenständiges Produkt darstellen). Andere Hochrisiko-KI-Systeme, die große Risiken zum Beispiel für Grundrechte darstellen könnten, müssten demnach nur eine Selbstbewertung durchführen. IMCO-Berichterstatter Benifei will dafür eintreten, dass eine Konformitätsbewertung durch Dritte (wie durch TÜV-Süd) für alle Hochrisiko-KI-Systeme verpflichtend wird. Auch BEUC unterstützt diese Forderung.
Der Kommissionsvorschlag sieht Transparenzvorschriften für bestimmte KI-Systeme vor, jedoch nicht für die Nutzer:innen dieser KI-Systeme. Das ist aus Perspektive der Grünen/EFA problematisch. So könne zum Beispiel ein Arbeitgeber eine KI-basierte Entscheidung fällen, ohne dass der betroffene Arbeitnehmer davon wisse.
20.10.2021 – 09:00-22:00 Uhr, Berlin/online
Conference SET Tech Festival 2021
The Start Up Energy Transition (SET) Tech Festival 2021 discusses the ongoing energy transition and the opportunties that innovation can bring to a carbon-neutral future. INFOS & REGISTRATION
20.10.2021 – 09:00-17:00 Uhr, Dordrecht (Niederlande)/online
Conference Next Level 2021
This event brings together cities, practitioners and researchers in order to explore nature-based solutions for urban areas. INFOS & REGISTRATION
20.10.2021 – 10:00 Uhr, online
RI, Seminar Industrie Regional Gedacht – Cybersicherheit für Unternehmen
Die Regionale Industrieinitiative (RI) beschäftigt sich mit dem Thema Cybersicherheit für Industriunternehmen und Start-Ups. INFOS & ANMELDUNG
20.10.2021 – 10:00-11:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Wasserstoff aus Kläranlagen
Das Effizienz-Netzwerk für Stadtwerke (ASEW) stellt das Potential von Kläranlagen für der Gewinnung von grünem Wasserstoff vor. INFOS & ANMELDUNG
20.10.2021 – 15:00-16:00 Uhr, online
Eco, Briefing Germany After the Elections – Digital Policy Outlook
The Association of the Internet Industry (Eco) addresses the potential outlook for a digital policy strategy under a new German government. INFOS & REGISTRATION
20.10.2021 – 18:30-19:45 Uhr, online
SEK, Podiumsdiskussion Welche Netzinfrastruktur braucht die klimaneutrale Zukunft?
Der Debattenabend der Sitftung Energie und Klimaschutz (SEK) fokussiert sich auf die Infrastruktur-Herausforderungen einer klimaneutralen Mobiltät in der Zukunft. INFOS
21.10.-22.10.2021, Brüssel (Belgien)/Dakar (Senegal)/Rom (Italien)/online
Conference EU-African SME Summit
This event deals with the role of small and medium-sized Enterprises (SME) in the intensification in intra-African as well as African-European trade. INFOS & REGISTRATION
21.10.-22.10.2021, online
Konferenz Corporate Digital Responsibility Summit – Nachhaltigkeit in der Schlüsseltechnologie IT
Die Veranstaltung beschäftigt sich mit dem Thema Nachhaltigkeit und IT insbesondere im Hinblick auf IT-Arbeitsplätze und energieeffiziente Rechenzentren. INFOS & ANMELDUNG
21.10.-22.10.2021, Trier
EU Agenda, Conference Annual Conference on European State Aid Law 2021
This event provides legal practitioners with an update on developments from the Court of Justice of the EU and the European Commission in the field of EU State aid law. INFOS & ANMELDUNG
21.10.-22.10.2021
ERA Annual Conference on European Company Law and Corporate Governance 2021
The Academy of European Law (ERA) focusses on current issues in European company law and corporate governance. INFOS & REGISTRATION
21.10.2021 – 18:30-20:00 Uhr, Hamburg
IFH, Podiumsdiskussion Ozeane und Klimawandel: Eine Aufgabe für internationale Zusammenarbeit
Das Institut Français de Hambourg (IFH) lädt französische und deutsche Expert:innen ein, über verschiedene Ozean-Policies zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG
Chinesische Unternehmen in Europa sehen ihre Geschäfte generell optimistisch – geplante neue Regularien aus Brüssel und zunehmend schwierige politische Fahrwasser trüben aber die Aussichten. Das geht aus einem Bericht der chinesischen Handelskammer in der Europäischen Union (CCCEU) hervor, der am Montag gemeinsam mit der Beratungsfirma Roland Berger in Brüssel vorgestellt wurde. Vor allem im Bereich des 5G-Ausbaus fühlen sich die Unternehmen aus der Volksrepublik gegängelt. Großes Potenzial für Kooperation zwischen China und der EU sieht der Kammer-Bericht bei grünen und digitalen Themen. Was bei der Vorstellung, und in dem Papier selbst, mehrfach betont wird: Es muss “gegenseitiges Vertrauen” geschaffen werden.
Brüssel wird in dem CCCEU-Report dazu angehalten, einen “offenen, fairen und diskriminierungsfreien Markt für Chinas Telekommunikationsunternehmen” zu schaffen. Der Ausschluss von Anbietern wie Huawei und ZTE habe primär politische Gründe, kritisierte Kammer-Präsident Xu Haifeng. Dass die Telekommunikationsriesen aus der Volksrepublik beim 5G-Ausbau in mehreren EU-Staaten gar nicht mitmischen dürften, basiere nicht auf technischen Problemen. “Sondern weil es chinesische Unternehmen sind”, kritisierte Xu. Im Bericht werden “klare Vorschriften, Standards und Umsetzungsrichtlinien für Cybersicherheit” verlangt. “Wir wollen mit Europäern zusammenarbeiten, um Cybersicherheitsstandards und -verfahren zu schaffen“, betonte der Kammer-Präsident.
Helfen soll dabei auch: vertieftes Vertrauen von beiden Seiten. Nur so könnten die Schwierigkeiten gelöst werden, betonte Xu. Brüssel und Peking blicken auf schwierige Monate zurück, in der Handelspolitik sowie in der Diplomatie. Gegenseitige Sanktionen und das Einfrieren des Investitionsabkommen CAI wurden laut CCCEU-Bericht als Hauptpunkte genannt, die die Stimmung im Handel zwischen EU und China trübten. Auch, dass Brüssel bei ausländischen Direktinvestitionen im Oktober 2020 abermals die Regeln verschärfte, kam bei chinesischen Unternehmen laut Umfrage nicht gut an.
Aber auch Falschinformationen machen den Konzernen aus der Volksrepublik zu schaffen. Laut der Umfrage der CCCEU glauben 59 Prozent der befragten chinesischen Unternehmen, dass Desinformation “eine Bedrohung für ihre Geschäftstätigkeit darstellt”. Einige Unternehmen erklärten, dass Zweifel und Spekulationen über Sicherheit und Wettbewerbsgeist chinesischer Unternehmen konkrete Auswirkungen auf ihre wirtschaftlichen Aktivitäten hätten. Die CCCEU vertritt nach eigenen Angaben rund 1.000 chinesische Unternehmen in den 27 EU-Mitgliedstaaten.
Als konkrete Beispiele für “Unwahrheiten” wurden die Weitergabe von verbraucherbezogenen Daten und Technologie-Aneignung genannt. Die “negative öffentliche Meinung” habe einige der befragten Unternehmen in Bedrängnis gebracht, einigen bereits die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern gekostet. Das habe wiederum “zum Verlust von Verbrauchern und höheren Betriebskosten” geführt – und mache das Geschäftsumfeld in der EU weniger attraktiv und rentabel, warnt der Bericht.
Trotz allem: Die meisten chinesischen Unternehmen in der EU sind zuversichtlich ob der Kooperation und Entwicklung in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. 86 Prozent der befragten Unternehmen waren der Meinung, dass die EU für chinesische Unternehmen deutlich an Bedeutung gewonnen habe. Vor allem aufgrund der Corona-Pandemie seien die Ergebnisse der chinesischen Firmen im vergangenen Jahr jedoch “bescheiden” gewesen:
Rund 44 Prozent der befragten Unternehmen gaben dem Bericht zufolge an, dass ihre Umsätze in der EU im Jahr 2020 unverändert geblieben sind. Rund 33 Prozent verzeichneten eine Umsatzsteigerung. Knapp mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten wollen ihre Geschäftsaktivitäten in der EU wie bisher fortführen. Gut 44 Prozent beabsichtigen, ihre Investitionen in der EU sogar auszuweiten. Der Gesamtumsatz chinesischer Firmen belief sich dem Papier zufolge in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf 150,3 Milliarden Euro. Das entspricht 1,4 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Optimismus wird jedoch wegen neuer EU-Regelungen geschmälert: Rund 68 Prozent der befragten Unternehmen gehen dem Bericht zufolge davon aus, dass neue EU-Regularien gegen ausländische Subventionen (China.Table berichtete) “erhebliche oder eher negative Auswirkungen” auf ihr Tagesgeschäft und ihre Bietertätigkeit haben werden. In diesem Sinne fordert der Bericht die EU auf, negative Auswirkungen dieser europäischen Instrumente zu beseitigen und eine Überregulierung zu vermeiden.
Ansätze für mehr Zusammenarbeit sieht die chinesische Kammer bei grünen und digitalen Bereichen: Diese könnten ein Motor für die Geschäftsaktivitäten chinesischer Unternehmen in der EU sein. 30 Prozent der befragten Unternehmer sehen hier vor allem eine Chance. 46 Prozent sind der Umfrage zufolge jedoch noch skeptisch und sehen sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Ähnlich sieht es im Digitalen aus. Hier sehen dem Report zufolge rund 60 Prozent der befragten Unternehmen neue Möglichkeiten, aber auch gleichzeitig Herausforderungen für ihre Geschäfte.
Die Kooperation der EU mit anderen Partnern kommt hingegen weniger gut an: Die chinesischen Unternehmen warnen, dass das “EU-US Trade and Technology Council” (kurz TTC) negative Auswirkungen haben könnte. Die Zusammenarbeit zwischen Brüssel und Washington bei Standards in Bereichen wie der Telekommunikation oder Lieferketten könnte durch den Ausschluss Chinas zu einer globalen Fragmentierung führen.
Bei der Debatte zur Farm to Fork-Strategie im EU-Parlament am Montag wurde der Inhalt des von ENVI- und AGRI-Ausschuss erarbeiteten Initiativberichts beinahe zur Nebensache. Zwei Nebenschauplätze sorgten für Unmut bei den Abgeordneten, obwohl der Bericht von einer breiten Mehrheit unterstützt und von vielen Abgeordneten unterschiedlicher Parteizugehörigkeit als richtungsweisend für den Agrarsektor und den Klimaschutz bewertet wurde.
Die EVP-Fraktion zeigte sich empört über einen “Vertrauensbruch”, den Kommissionsvize Frans Timmermans verursacht haben soll. Grund dafür ist eine Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC), die die Auswirkungen der Kommissionsinitiative untersucht hat. Die Studie spielt mögliche Folgeszenarien für Landwirte und deren Produktion durch die Farm to Fork-Strategie und andere Maßnahmen durch. Demnach könnten Produktionsmengen um 5 bis 15 Prozent, je nach Produkt, sinken und auch die Einkünfte der Landwirte könnten geringer ausfallen.
Timmermans habe die Ergebnisse der Studie bewusst zurückgehalten, da sie nicht dem entsprächen, was er gewollt habe, erklärte die EVP auf ihrer Website. Dies sei ein Unding und habe das Vertrauen darin, dass die Kommission dem Parlament alle verfügbaren Informationen zur Verfügung stellt, “extremst gestört”, sagte Christine Schneider von der CDU. Das verlorene Vertrauen müsse die Kommission nun in einer umfassenden Folgenabschätzung zu jedem einzelnen Ziel ihrer Farm to Fork-Strategie wieder aufbauen, so Schneider.
Die EVP-Fraktion wollte den Umgang Timmermans mit der JRC-Studie im Parlament thematisieren, bekam aber nicht die nötige Unterstützung anderer Fraktionen, um den Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.
Schon im Vorfeld der Parlamentsdebatte wurde Kritik an der Agrarlobby laut. Der landwirtschaftliche Dachverband Copa-Cogeca soll an einer koordinierten Aktion beteiligt sein, die Abgeordnete überzeugen soll, gegen bestimmte Abschnitte des EP-Berichts zu stimmen. Dazu soll Copa-Cogeca Studien präsentiert haben, die der Verband teils selbst finanziert hat. Die österreichische Grünen-Abgeordnete Sarah Wiener verurteilte die Bemühungen der Agrarlobby, Einfluss auf den Kompromiss zur Farm to Fork-Strategie im EU-Parlament zu nehmen. Sie appellierte an die Unabhängigkeit des Hauses. Auch andere Abgeordnete griffen die Lobby-Aktion in ihren Statements auf.
Die EU-Kommission hatte ihre Farm to Fork-Strategie im Mai 2020 veröffentlicht. Darin enthalten sind ambitionierte Zielvorgaben für den Agrarsektor: 50 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel, 20 Prozent weniger Düngemittel, 50 Prozent weniger Antibiotika in der Tierhaltung sowie 25 Prozent mehr Ökolandbau.
Der Initiativbericht aus ENVI und AGRI-Ausschuss schlägt 48 Kompromisse für die Strategie vor. Sollte das Plenum ihn annehmen, muss die Kommission daraus einen Legislativvorschlag erarbeiten. Da der Bericht von EVP, S&D, Grünen/EFA, Renew und Linken unterstützt wird, wird erwartet, dass er bei der heutigen Abstimmung (13:00 – 14:15 Uhr) mit einer breiten Mehrheit verabschiedet wird. Lukas Scheid
Knapp drei Wochen nach dem Auftakttreffen des EU-US Handels- und Technologierates (TTC) in Pittsburgh (Europe.Table berichtete) hat die Europäische Kommission eine Online-Konsultationsplattform eingerichtet. Auf “Futurium” können Interessenträger wie Unternehmen, Denkfabriken oder Gewerkschaften ihre Ansichten und Vorschläge zu dem Gremium einbringen, in dem die EU und die USA über eine Zusammenarbeit in strategischen Bereichen sprechen wollen, darunter Plattformregulierung, Künstliche Intelligenz und Halbleiter.
“Wir wollen, dass der TTC zu einer erfolgreichen Plattform mit einer breiten Beteiligung der Interessenträger wird, indem wir allen zuhören, die an diesen Themen beteiligt sind”, sagte Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Der Lette vertritt die EU beim TTC zusammen mit Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Laut Dombrovskis wird die Kommission ihren Verpflichtungen in Bezug auf Transparenz in Handelsfragen nachkommen. Sie plane, im Rahmen der regelmäßigen Dialoge mit der Zivilgesellschaft eine Bestandsaufnahme der Gespräche im Handels- und Technologierat zu machen.
Der TTC soll auch auf dem Europäischen Rat am Donnerstag und Freitag intensiv diskutiert werden. Die nächste TTC-Gesprächsrunde ist jedoch erst für 2022 geplant. koj
Die Betreiber der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 haben den ersten der beiden Stränge mit technischem Gas befüllt. Der dabei erzeugte Druck reiche aus, um den Gastransport zu einem späteren Zeitpunkt zu starten, teilte die Nord Stream 2 AG gestern mit. Für den Test des zweiten Strangs liefen bereits die Vorbereitungen, fügte die Tochter des russischen Gasriesen Gazprom hinzu.
Die rund 1200 Kilometer lange Pipeline soll pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Gas von Russland nach Deutschland transportieren. Die Bundesnetzagentur prüft derzeit den Antrag auf eine Zertifizierung. Wann die Pipeline in Betrieb geht, ist noch offen. rtr
Der Bundesvorstand und die Bundesfraktion der FDP haben einstimmig die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen beschlossen. Möglicher Startpunkt der Verhandlungen wäre Donnerstag, hieß es in Verhandlungskreisen der Parteien. Dies sei aber noch nicht endgültig geklärt.
Es gebe “unverändert große inhaltliche Unterschiede”, die es nun zu überwinden gelte, so FDP-Parteichef Christian Lindner. Eine Ampelkoalition wäre zu Beginn sicher eher ein “Zweckbündnis“. Damit daraus mehr werden könne, seien “sehr viel Toleranz und Bereitschaft zu neuem Denken” erforderlich.
Die Sondierungsteams von FDP, Grünen und SPD hatten sich am Freitag auf ein gemeinsames Papier verständigt, das Grundlage für Koalitionsverhandlungen sein soll (Europe.Table berichtete). Ziel ist, dass die neue Bundesregierung vor Weihnachten vereidigt wird. rtr
Es war 1985. Das Jahr der Kinderschuhe, in denen die innovative Technik von heute noch steckte. Das PDF war eher ein Versprechen als ein echtes Format. Da stürzte sich Andreas Dengel in eine Diplomarbeit für Siemens. Es ging darum, dass der Computer gescannte Dokumente analysieren und relevante Inhalte auslesen sollte. Sein Heureka-Moment. Die künstliche Intelligenz dahinter konnte das, was wir beim Menschen “lesen” nennen würden.
Sprung ins Jahr 2021. Andreas Dengel ist heute Professor und geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Auch wenn er das selbst nicht aussprechen würde, ist er eine Koryphäe auf dem Gebiet. “Ich habe schon viele schöne Orte erlebt, an denen ich Ehrungen bekommen habe, aber die Ehrenprofessur in Japan ist sicherlich eine ganz besondere.” Gemeint ist der Titel “Distinguished Honorary Professor” (tokubetu eiyo kyoju) an der Osaka Prefecture University. In 135 Jahren Uni-Geschichte bekamen den Titel nur fünf Personen.
Das DFKI ist eine GmbH. Ein “Transfer-Institut”, wie es Dengel nennt, das als Schnittstelle zwischen der Wirtschaft und der Universität arbeite. Etwa 740 Angestellte und 510 studentische Mitarbeiter:innen arbeiten an rund 250 Forschungsprojekten. Dengel führt und moderiert, übersetzt die Erkenntnisse aber auch. Denn es gibt oft Missverständnisse beim Thema KI. “Wir Menschen neigen dazu, wenn wir KI oder Künstliche Intelligenz hören, sie mit unserer eigenen Intelligenz zu vergleichen und gewisse Fantasien zu entwickeln. Dadurch wird die KI oft überschätzt“, beschreibt er das Problem.
KI sei vielmehr ein Werkzeugkasten, der helfen könne, die Komplexität bestimmter Themen zu reduzieren. Das kann in der Medizin genauso helfen wie in der Verkehrs- und Energiesteuerung oder der Kriminalitätsbekämpfung – von Finanzverbrechen bis zur Kinderpornografie.
Eine Gefahr der KI sei jedoch die Abhängigkeit von ihr, glaubt Dengel: “In der Verkehrssteuerung, in der Versorgungssteuerung, überall ist KI mit drin. Fallen diese Systeme aus, fällt es uns schwer, aus dem Stand heraus Auswege aus dem Schlamassel zu finden.”
Die Frage ist also, was Nutzer:innen aus der Hand geben wollen. In diesem Kontext muss jede:r für sich entscheiden, welche Aspekte des Lebens man für sich alleine wolle. Das hat Dengel privat auch getan. “Mir ist es wichtig, meine eigenen Grenzlinien zu ziehen. Zu wissen, was ich preisgeben möchte und was nicht. In dem Sinne habe ich weder Instagram noch einen Facebook-Account.”
Um solche Fragen auch in der Politik zu diskutieren, gibt es unter anderem die Global Partnership on AI (GPAI). Hier werden Grenzen besprochen, ab denen die KI nicht mehr ohne Kontrollen alleine agieren darf. Kein leichtes Unterfangen. Dengel verweist auf das Problem der unterschiedlichen Wertesysteme von KI-Großmächten wie Europa, China und den USA. Auf europäischer Ebene gelte es, Ängste zu nehmen und passende Rahmenbedingungen zu definieren – wie Daten erhoben und verwendet würden. Ein Punkt, bei dem es mehr Dynamik bräuchte. Christian Domke Seidel
König Fußball wird jetzt also nachhaltig und übernimmt gesellschaftliche Verantwortung. Gemeinsam mit der EU-Kommission will der europäische Fußballverband Uefa mit der Kampagne #EveryTrickCounts Fußballfans in ganz Europa zum Energiesparen ermutigen. Ausgerechnet die Uefa.
Vor etwas mehr als drei Monaten endete eines der absurdesten Sportereignisse, das Europa je gesehen hat. Überbezahlten Fußballer jetteten einen Monat lang kreuz und quer über den Kontinent, um eine Europameisterschaft auszutragen, die genauso gut in nur einem Land hätte stattfinden können. So viel zum Thema Nachhaltigkeit.
Sportlich gesehen war das Turnier – nicht nur aus deutscher Sicht – mäßig spektakulär. Gesellschaftlich war es eine Farce: Die Spielortvergabe offenbarte die Gier der Veranstalter. Wer trotz andauernder Corona-Pandemie nicht garantieren wollte, Menschenmassen dicht an dicht im Stadion zu dulden, bekam seine Spiele entzogen – so geschehen in Dublin und Bilbao. Die Regenbogen-Debatte zeigte die Doppelmoral des Verbands: Auf der einen Seite propagiert die Uefa stets Toleranz und “Respect”, auf der anderen Seite traute sie sich nicht, für Gleichberechtigung einzustehen, als die ungarische Nationalmannschaft zu Gast in München war.
“It takes all of our tricks to protect the climate”, teilte Uefa-Chef Aleksander Čeferin zum Start der Kampagne mit. Die eigene Trickkiste rührt Čeferin aber offenbar nicht an. Stattdessen immer mehr Wettbewerbe, dichtere Terminkalender und keine Spur von Nachhaltigkeit. #EveryTrickCounts riecht daher streng nach Greenwashing. Da hat sich die EU-Kommission den richtigen Partner ausgesucht. Lukas Scheid