die Ampel-Parteien sehen sich im Plan: Kommende Woche wollen SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorlegen. Mittwoch, Freitag und der kommende Montag sind als Verhandlungstage für die Spitzenvertreter in der Kopfgruppe angesetzt, womöglich kommen weitere hinzu.
Zu klären gibt es noch einiges, auch mit Blick auf EU-Themen: Noch offen sei etwa, ob alle drei Parteien die Formulierung mittragen, dass Atomkraft in der Taxonomie nicht als nachhaltig gelten solle, meldete die Nachrichtenagentur Reuters am Abend unter Berufung auf ein Papier aus der AG Finanzen.
In Verzug gerät hingegen die Ostseepipeline Nord Stream 2. Die Bundesnetzagentur hat die Zertifizierung des umstrittenen Projekts ausgesetzt – zunächst müsse die Betreiberfirma nach deutschem Recht organisiert werden. Das aber braucht Zeit, Experten halten schon eine Zertifizierung bis Ende 2022 für “sportlich”, wie Timo Landenberger berichtet. Die Nachricht trieb gestern die Gaspreise erneut in die Höhe – denn Russland macht wenig Anstalten, ohne Nord Stream 2 die Lieferungen hochzufahren. Eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die Gaspipeline scheiterte hingegen vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald.
Ebenfalls bereits in Verzug ist das EU-Sorgfaltspflichten-Gesetz. Die Folgenabschätzung für das von der Industrie gefürchtete Vorhaben liegt derzeit erneut zur Prüfung beim “Regulatory Scrutiny Board”, wie Charlotte Wirth erfahren hat. Ob der avisierte Termin Anfang Dezember gehalten werden kann, scheint fraglich.
Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist zwar fertiggestellt. Noch in diesem Jahr wollte der russische Energiekonzern Gazprom mit den ersten Gaslieferungen nach Europa beginnen, und Kreml-Chef Vladimir Putin drängte auf eine baldige Betriebserlaubnis durch die Entscheidungsträger in Deutschland und auf EU-Ebene. Doch daraus wird nun nichts.
Die Bundesnetzagentur hat die Zertifizierung des umstrittenen Projekts auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Zunächst müsse die Betreiberfirma von Nord Stream 2 nach deutschem Recht organisiert werden, teilte die Bonner Behörde mit. Das könnte die Inbetriebnahme um viele weitere Monate verzögern. Die Nachricht trieb die Gaspreise am Dienstag noch einmal stark in die Höhe.
Laut EU-Gasrichtlinie, gegen die sich die Nord Stream 2 AG mehrfach juristisch zur Wehr gesetzt hatte, müssen Produktion, Transport und Vertrieb des Gases ausreichend getrennt sein. Die sogenannte Entflechtung (unbundling) soll die Unabhängigkeit des Netzbetreibers von anderen Tätigkeiten der Energieversorgung sicherstellen. Eine Möglichkeit wäre der Verkauf der Pipeline an eine andere Gesellschaft.
Die Alternative: eine Zertifizierung als entflochtener Fernleitungsnetzbetreiber (Independent Transmission Operator, ITO). Den entsprechenden Antrag hatte die Nord Stream 2 AG bereits bei der Bundesnetzagentur gestellt. Der Vorteil: Die Pipeline bleibt im Eigentum.
Statt die bestehende Gesellschaft umzubauen, hat sich die Nord Stream 2 AG jedoch dazu entschlossen, eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht nur für den deutschen Teil der Pipeline zu gründen. Juristisch sei das unproblematisch und durchaus im Sinne des ITO-Modells, sagt Energierechtsexpertin Valentina Eigner von der Kanzlei bpv Hügel zu Europe.Table. “Die gesellschaftsrechtliche Trennung ist eine der Voraussetzungen. Das heißt aber nicht, dass das neue Unternehmen nicht unter dem Eigentum der Holding stehen darf.”
Weitere Vorgaben für die Nord Stream 2 AG seien die klare Trennung des Personals und des Vorstands, die Einführung einer eigenen Corporate Identity nebst neuem Namen sowie die Ausstattung mit eigenen finanziellen Mitteln. Das koste viel Zeit, so Eigner, weshalb die ursprüngliche Frist für die Zertifizierung bis zum 8. Januar 2022 unmöglich einzuhalten sei. Die Expertin rechnet frühestens Ende 2022 mit einer Zertifizierung. Und auch das sei schon “sportlich”.
Laut Bundesnetzagentur bleibt das Zertifizierungsverfahren so lange ausgesetzt, bis die Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte und personellen Mittel auf die Tochtergesellschaft der Nord Stream 2 AG abgeschlossen ist. Danach werde das Verfahren mit der Tochtergesellschaft als neuer Antragstellerin fortgesetzt. Selbst wenn die Behörde grünes Licht gibt, hat anschließend die Europäische Kommission vier Monate Zeit für eine Überprüfung. Auch eine Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums hinsichtlich der Sicherheit der Energieversorgung ist erforderlich, bevor wiederum die BNetzA weitere zwei Monate Zeit hat für eine endgültige Zertifizierung.
Den Prozess auszusetzen sei absolut folgerichtig, sagte Claudia Müller, Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern, zu Europe.Table. Die Grünen-Politikerin lehnt Nord Stream 2 ab und bezeichnet das Projekt als “geopolitisches Fiasko der deutschen Außenpolitik, das gegen alle Warnungen enger Verbündeter durchgeboxt wurde.” Daneben schade die Pipeline den EU-Klimazielen und sei daher ein “rückwärtsgewandter Fehler”.
Für den CDU-Energiepolitiker Markus Pieper ist die Aussetzung hingegen ein Beispiel, “wie man sich bei der Energiewende selbst Steine in den Weg legen kann. Ich denke, dass man solche Zertifizierungsfragen mit etwas gutem Willen auch schnell ausräumen kann, ohne gegen Gesetze zu verstoßen.” Das Projekt habe gerade für Deutschland, das aus Kohle und Kernkraft gleichzeitig aussteigt, eine wichtige Bedeutung, so der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Die bisherige Bundesregierung setzt auf Gas als Energieträger für den Übergang zu erneuerbaren Energien.
Der Verband der europäischen Gasversorger rechne jedoch mit keinem steigenden Gasverbrauch in der EU, hält Müller dagegen. Auch ein Kohleausstieg im Jahr 2030 werde die bisher vorhandene Pipeline-Kapazitäten wohl nicht an ihre Grenzen bringen. Weiter auf fossiles Gas zu setzen, behindere vielmehr die notwendigen Schritte hin zu postfossilen Energieträgern.
Es ist das Sorgenkind der EU-Kommission: Das Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (Europe.Table berichtete) soll um mindestens eine weitere Woche verschoben werden. Die Kommission scheint nicht mehr überzeugt, dass sie die derzeitige Deadline 8. Dezember einhalten kann. Intern wird nun bereits der 14. Dezember gehandelt. Das EU-Lieferkettengesetz werde “auf jeden Fall noch vor diesem Winter kommen”, soll Didier Reynders am Montag Vertretern des Europäischen Parlaments versprochen haben. Damit blieben nur der 14.12. und der 22.12.: Danach geht die Kommission in Winterpause.
Vielleicht hofft man auch, nach Vorbild des EU-China Investmentdeals, so kurz vor Weihnachten der Kritik jener zu entgehen, die sich für ein starkes Gesetz aussprechen. Im kommissionsinternen Streit zwischen Didier Reynders und Thierry Breton scheint sich jedenfalls der französische Industriekommissar durchzusetzen. Will heißen: kein zu starkes EU-Lieferkettengesetz, mit keinem zu breiten Anwendungsbereich.
Aktuell liegt die Folgenabschätzung erneut beim “Regulatory Scrutiny Board”. Zuletzt war der Text des EU-Lieferkettengesetzes hier durchgefallen – nur so kam Breton überhaupt an das Dossier. Doch einige Punkte sind weiter offen. Etwa, ob denn nun mit einem oder mit zwei Texten zu rechnen ist. Das mache man davon abhängig, so heißt es, wie viel Unmut einige Elemente des Textes auslösten.
Konkret geht es um die persönliche Haftung der Geschäftsführer, die nicht nur der Industrie, sondern auch einigen Kommissar:innen bitter aufstößt. Momentan deutet alles darauf hin, dass dieser Teil entweder ausgelagert wird, oder noch wahrscheinlicher, dass er irgendwann in der Schublade verschwindet.
Auch die Reichweite des Textes ist weiterhin ungeklärt. Hier zeichnet sich aber ab, dass das EU-Lieferkettengesetz vornehmlich auf große Betriebe zielt. Man hofft dabei auf einen Kaskadeneffekt: Dadurch, dass große Unternehmen oft mit einer großen Anzahl an Zulieferern arbeiten, würde auch dort die Sorgfaltspflicht auf indirektem Wege eingeführt. Und dies, ohne dass die KMUs zu große administrative Bürden oder Sanktionen befürchten müssten. Im komplementären EU-Kommissionsvorschlag zur Bekämpfung der Abholzung von Wäldern, der heute vorgestellt wird, ist in Bezug auf das Lieferkettengesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht von “einem gezielten Regime für KMU” die Rede.
Der Druck aus Deutschland sei groß, heißt es. Dort wünschen sich insbesondere Unternehmensvertreter, dass die EU-Verordnung einer Anpassung an das deutsche Lieferkettengesetz gleichkommt und somit nur die ersten Stufen der Lieferketten betroffen sind.
Bislang allerdings bringen sich nur die Mitgliedstaaten aus Westeuropa in die Diskussionen zum EU-Lieferkettengesetz ein. Absehbar ist jedoch, dass die osteuropäischen Staaten alles andere als erfreut über eine Verordnung sind. Spätestens wenn der Rat im kommenden Jahr seine Position zum Kommissionsvorschlag ausarbeiten wird, sind Spannungen zu erwarten. Unter französischer Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 ist mit einer Verschärfung eines europäischen Vorschlags derweil kaum zu rechnen.
Die Allgemeine Ausrichtung des Rates zum Digital Services Act wird heute im AStV I abschließend vorbereitet. Der Ausschuss der Ständigen Vertreter soll die finale Vorlage absegnen, bevor sie am 25. November im Rat offiziell angenommen wird und damit zur Verhandlungsgrundlage für den Trilog wird.
Die Beschlussvorlage enthält dabei einige Änderungen, die Konfliktpotenzial mit dem Parlament bergen. Dort ist die Abstimmung im Binnenmarktausschuss für den 9. Dezember angesetzt. Insbesondere in den vorgeschlagenen Regelungen für Löschfristen, personalisierte Werbung, den Regelungen zu den sogenannten Dark Patterns und dem institutionellen Gefüge zwischen den Aufsichtsbehörden der Nationalstaaten und der EU-Kommission dürften neue Konfliktpunkte liegen. Viel Zeit für Diskussionen, bis hin zum Inkrafttreten des Digital Services Act, das der Rat erst 18 Monate nach der Veröffentlichung im Amtsblatt sehen will.
Besonders große Suchmaschinen wurden als eigene Kategorie in die Ratsposition aufgenommen: Wenn sie mindestens 45 Millionen aktive Nutzer im Monat verzeichnen, sollen auf sie ebenfalls die Regelungen des Abschnitts 4 (Einhegung systemischer Risiken) Anwendung finden. Entsprechend der Abkürzung für Very Large Online Platforms VLOP heißen die Very Large Online Search Engines VLOSE.
Ein von der Whistleblowerin Frances Haugen betonter Punkt: Ausdrücklich sollen besonders große Onlineplattformen ihre Systeme auf Risiken prüfen, die Grundrechtsfolgen haben können – unter anderem die Empfehlungssysteme (Artikel 27).
Ein Streitpunkt unter allen Beteiligten war bis zuletzt immer wieder die Frage der Löschfristen für illegale Inhalte bei den VLOPs. Der Ratsvorschlag sieht nun vor, dass im Fall einer Meldung durch sogenannte Trusted Flaggers die Mehrheit illegaler Hass-Inhalte binnen weniger als 24 Stunden gelöscht werden soll (Erwägungsgründe 46 und 58). In anderen Fällen seien die Fristen unterschiedlich, abhängig vom Inhalt und der Komplexität.
Allerdings finden sich die genauen Fristangaben nicht im eigentlichen Gesetzestext wieder: Im Artikel 27 des Ratsvorschlages werden zwar VLOPs Moderationsprozesse auferlegt, mit denen illegale Inhalte entfernt bzw. unzugänglich gemacht werden sollen. Harte Fristen sind dort jedoch nicht mehr vorgesehen (Europe.Table berichtete).
Der Status als “Vertrauenswürdiger Benachrichtiger” soll dabei von der als Digital Services Coordinator (DSC) benannten öffentlichen Stelle verliehen werden. Ihre Gesamtzahl soll dabei jedoch beschränkt sein und sowohl öffentliche Stellen, Stellen im öffentlichen Auftrag als auch Verbände beinhalten. Rechteverwerter und -vertreter sind in der Fassung des Rates nicht mehr namentlich genannt, dürften jedoch ebenfalls den Status über die Verbände erhalten können. Meldungen der Trusted Flagger sollen gegenüber denen anderer Hinweisgeber priorisiert abgearbeitet werden.
Ein Verbot personalisierter Werbung – wie von einigen Parlamentariern gefordert – ist im Ratsvorschlag nicht enthalten. Stattdessen sollen laut Artikel 30 besonders große Plattformen für mehr Transparenz sorgen. In einem speziellen Onlinebereich sollen sie für ein Jahr nach Ausspielung der Werbung Informationen wie Inhalt, Namen des beworbenen Produkts, den Anzeigezeitraum und die Hauptparameter der Zielgruppe sowie die Zahl der tatsächlich erreichten Nutzer jeder Zielgruppe in jedem Mitgliedstaat hinterlegen müssen. Diese Informationen sollen, ohne personenbezogene Daten, öffentlich zugänglich sein.
Zudem soll die Werbebranche sich (Artikel 36) auch Verhaltens-Kodizes geben, an denen neben den Anbietern auch alle an der Werbung beteiligten Akteure der Wertschöpfungskette, Nutzer und Zivilgesellschaft beteiligt werden sollen.
Die als Dark Patterns bekannt gewordenen irreführenden Designs, mit denen Nutzer zu für sie selbst nachteiligen Entscheidungen verleitet werden sollen (Europe.Table berichtete), werden den sehr großen Plattformen im Ratsvorschlag untersagt: Sie sollten die Autonomie, die Entscheidungsfindung und die Wahlmöglichkeiten der Nutzer weder durch das Design, die Struktur, Funktionen noch die Art ihrer Nutzeroberflächen zu beeinflussen versuchen (Artikel 29, Nr. 3 Ratsvorschlag).
Die Ratsposition versucht, das Herkunftslandprinzip zu stärken und die Zuständigkeiten eindeutiger zu gestalten, auch mit Blick auf eine Durchsetzung durch die EU-Kommission.
Den Mitgliedstaaten ist hierbei offensichtlich daran gelegen, aus dem Durchsetzungsdefizit der DSGVO Schlüsse zu ziehen, Mehrfach- und Parallelzuständigkeiten zu vermeiden und die innerstaatliche und innereuropäische Kooperation klarer zu fassen. Dazu gehört unter anderem, dass die vom Mitgliedstaat als Digital Services Coordinator (DSC) benannte Stelle sowohl mit ausreichend Rechtsmitteln, finanziellen Mitteln als auch mit adäquater Personalausstattung ausgestattet sein soll.
Der Digital Services Coordinator ist dabei zugleich Aufsichtsbehörde über die unter den DSA fallenden Anbieter im jeweiligen Nationalstaat als auch Koordinierungsstelle zu anderen Stellen des Mitgliedstaates und mit den DSCs anderer Staaten. Dazu kommt die Zusammenarbeit im europäischen DSC-Ausschuss sowie die Abstimmung mit der EU-Kommission in jenen Fällen besonders großer Plattformen und Suchmaschinen, in denen diese zuständig sein soll- eine aufwändige Aufgabe. Die Regelungen zum Digital Services Coordinator müssen dabei in Form einer Richtlinie von den Mitgliedstaaten in ihr nationales Recht überführt werden.
Anbieter müssen den DSCs wesentliche Daten über ihren Betrieb und die von ihnen getroffenen Maßnahmen melden. Sobald ein Anbieter die Schwellenwerte für VLOPs/VSOEs überschreitet, sollen die zuständigen Digital Services Coordinator die Kommission informieren, die dann eine Entscheidung darüber trifft, ob sie die Zuständigkeit an sich zieht. Die EU-Kommission soll allgemein unmittelbar für alle VLOPs/VSOEs zuständig sein, allerdings auch mit den DSCs zusammenarbeiten.
Für kleinere Anbieter ist grundsätzlich die im Herkunftsland sitzende Aufsichtsbehörde zuständig. In jenen Fällen, in denen ein Betreiber seinen Hauptsitz außerhalb der EU hat, wird die europäische Hauptniederlassung als Bezugspunkt genommen. Allerdings kann es auch hier Unterschiede geben: Wenn etwa der Mutterkonzern eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat, der Anbieter eines Teildienstes aber in einem anderen residiert, sind Doppelzuständigkeiten absehbar. Auch wenn Teile eines Dienstes aus einem, andere Teile aus einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden, könnten zwei DSCs die Kompetenz für sich beanspruchen.
Dem will der Rat dadurch entgegenwirken, dass er eine Benachrichtigungspflicht bei Aufnahme eines Verfahrens einführen will. Der Vorschlag enthält zudem einen Eskalationsmechanismus: Wenn die Kommission davon ausgeht, dass die Maßnahmen nicht den Regelungen des DSA entsprechen, soll sie dies dem zuständigen DSC mitteilen und dem DSC-Ausschuss melden.
Im vom Rat massiv umformulierten Artikel 46 sind die Regeln festgelegt, nach denen DSCs zur Zusammenarbeit verpflichtet werden können: Auf eigene Initiative sollen sie sich an Untersuchungen anderer DSC beteiligen können oder auf Beschluss des Ausschusses auf Antrag von mindestens drei anderen DSCs. Stellt sich im DSC-Ausschuss keine Lösung ein, soll die Kommission die Entscheidung über die Untersuchung treffen – und die zuständige Aufsichtsbehörde zur Verfahrensdurchführung zwingen können.
Deutlich verschärft werden mit dem Ratsvorschlag auch die Untersuchungsinstrumente: Statt Vor-Ort-Inspektionen werden “alle notwendigen Untersuchungen” für zulässig erklärt, insbesondere hoheitliche Handlungen wie das Betreten, Versiegelungen, Buchprüfungen, Kopien und Befragungen. Diese sollen in Kenntnis sowohl durch die zuständigen DSCs als auch mit deren Unterstützung in einer Art Amtshilfe durchgeführt werden.
Der Ratsvorschlag enthält zudem mit Artikel 49a einen Vorschlag, wie Kommission und DSCs systemische und neu aufkommende Risiken erkennen und adressieren können. Die Mitgliedstaaten sollen dabei die Zusammenarbeit mit der Kommission durch ihre DSCs und anderen Behörden fördern – unter anderem, indem sie Expertise und Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Mit Jasmin Kohl
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie rechnet bei einer Minderung der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 im Jahr 2030 mit einem Brutto-Strombedarf in Höhe von 655 Terawattstunden. Dies ist gleichbedeutend mit einem Mehrbedarf von 63 Terawattstunden (TWh) gegenüber dem Referenzjahr 2018, wie Prognos, das Fraunhofer ISI und das Öko-Institut im Auftrag des BMWi errechnet haben.
Haupttreiber des Bedarfs ist dabei die zunehmende Elektromobilität: 68 TWh sollen im Straßenverkehr bei 16 Millionen Elektro-PKW und 2,2 Millionen Plug-in-Hybriden im Jahr 2030 nötig sein. Zum Vergleich: Anfang 2021 waren auf deutschen Straßen laut Kraftfahrt-Bundesamt insgesamt 48,25 Millionen PKW zugelassen, davon nur 280.000 Plug-in-Hybride und 309.000 Elektrofahrzeuge. Auch der Strombedarf im Schienenverkehr soll der Berechnung zufolge um mehr als die Hälfte gegenüber 2018 ansteigen, von 11 auf 16 TWh.
Skeptischer zeigen sich die Forscher bei der Produktionsfähigkeit von grünem Wasserstoff im Inland: Hier senken sie ihre Prognose – und damit den hiermit verbundenen inländischen Strombedarf – um 9 TWh auf nur noch 21 TWh gegenüber ihrer Schätzung vom Sommer. Da das jetzt verwendete Szenario allerdings von weniger Offshore-Windkraft-Kapazität bis 2030 ausgeht (21 statt 25 TWh) als das vorherige, sinkt auch die prognostizierte Wasserstoffproduktion und deren Energiebedarf. Dadurch würde jedoch der Energiebedarf an anderen Orten außerhalb Deutschlands steigen, was die Prognose jedoch nicht berechnet.
Neue Verbraucher wie Batteriezellfabriken werden ebenfalls als energiehungrig klassifiziert: Hier geht die Prognose von einem Bedarf von 15 TWh im Jahr 2030 aus. Derweil sollen Rechenzentren sogar effizienter werden und trotz weiterer Digitalisierung in Summe 2 Terawattstunden einsparen. Beträchtliches Einsparpotenzial macht die Prognose zudem im Bereich der Kraftwerke selbst aus: 22 TWh seien durch das Ausphasen von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken einzusparen.
Damit die Rechnung insgesamt aufgeht, muss aber vor allem eines klappen: 51 Terawattstunden sollen durch “Effizienz- und Struktureffekte” erzielt werden, in Haushalten, bei gewerblichen und industriellen Verbrauchern. fst
Chinas EU-Botschafter erhofft sich von Deutschlands kommender Regierung eine Fortsetzung von Angela Merkels politischer Ausrichtung gegenüber Peking. “Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung auf dem politischen Erbe von Bundeskanzlerin Merkel aufbauen und die pragmatische China-Politik fortsetzen kann, die den Erwartungen unserer beiden Völker folgt”, sagte Zhang Ming am Dienstag bei einer Online-Veranstaltung des Thinktanks European Policy Center. China und Deutschland seien “umfassende strategische Partner”, so Zhang. Als große Länder müssten sie zusammenarbeiten, um ein “Win-win-Ergebnis” zu erzielen.
In Bezug auf das derzeit lahmgelegte Investitionsabkommen CAI sagte Zhang, dass Chinas Entscheidung weiterhin bestehe, das Abkommen einzuhalten. “Der Ball liegt ehrlich gesagt in Brüssel.” Das Europaparlament hatte wegen der Sanktionen gegen mehrere Europa-Abgeordnete die Arbeit an dem Text zunächst eingestellt.
Peking hatte die Strafmaßnahmen als Retourkutsche verhängt: Brüssel hatte zuvor mehrere Beamte in Xinjiang wegen Menschenrechtsverletzungen sanktioniert. Diese Sanktionen kommen Ende des Jahres in Brüssel wieder auf den Tisch und sollen gegebenenfalls verlängert werden. Zhang wich der Frage aus, ob sich China dafür erneut rächen werde. Er beantwortete auch nicht die Frage, ob EU-Abgeordneten Sanktionen drohen, wenn sie sich für EU-Beziehungen zu Taiwan einsetzen. ari
Finanzaufseher sollten aus Sicht von Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling den Geldhäusern keine “grünen” Geschäftsmodelle vorschreiben. “Das läge außerhalb unseres Mandats, das darin besteht, Banken gesund und sicher zu halten”, sagte Wuermeling am Dienstag auf dem Finanzkongress Euro Finance Week in Frankfurt.
Er stehe deshalb auch einem Vorschlag der EU-Kommission in ihrem jüngsten Paket zur Umsetzung der globalen Bankenreform in Europa sehr kritisch gegenüber. Der Vorschlag sehe vor, dass Aufseher handeln sollten, falls die Geschäftsmodelle von Banken nicht mit den relevanten Politikzielen der EU übereinstimmten. Wuermeling ist im Bundesbank-Vorstand für das wichtige Ressort Bankenaufsicht zuständig.
“Wenn wir von Banken nur möchten, dass sie grüner werden, aber dies bedeutet, dass Banken angehalten werden, in potenziell riskante Vermögenswerte zu investieren, dann würden wir womöglich sogar unseren Auftrag zur Wahrung von Finanzstabilität untergraben”, warnte er. Aufseher sollten aus Sicht des Bundesbank-Vorstands daher Abstand davon nehmen, Banken aktiv in Richtung vermeintlich grünerer Geschäftsmodelle zu lenken. Er sei erfreut darüber, dass die Finanzindustrie beim Thema Klimawandel Verantwortung übernehme. “Aber ich warne: Sie sollte gleichwohl nicht überlastet werden. Und das Gleiche trifft auch auf Aufseher zu.” rtr
Großbritannien hat am Dienstag eine vertiefte Untersuchung der geplanten Übernahme des britischen Chipentwicklers Arm durch Nvidia eingeleitet. “Arm hat einen einzigartigen Platz in der globalen Technologie-Lieferkette und wir müssen sicherstellen, dass die Auswirkungen dieser Transaktion vollständig berücksichtigt werden”, sagte die britische Digitalministerin Nadine Dorries.
Arm vergibt Lizenzen für seine Baupläne an große Chiphersteller wie Apple, Qualcomm und Samsung Electronics, die die Grundlage für das weltweite Smartphone-Ökosystem bilden. Das britische Technologieunternehmen wurde 2016 an den japanischen Investor Softbank verkauft. Nvidia, der weltgrößte Hersteller von Grafik- und KI-Chips, kündigte im September 2020 an, Arm übernehmen zu wollen. Der Deal hat inzwischen ein Volumen von rund 54 Milliarden Dollar.
Viele der Kunden von Arm sehen den Deal kritisch, da sie mit Nvidia konkurrieren. Der US-Konzern will sich verpflichten, die Neutralität beizubehalten, die für den Erfolg von Arm ausschlaggebend war. Die britische Marktaufsichtsbehörde CMA hat nun 24 Wochen Zeit für die vertiefte Untersuchung. Auch in den USA und der Europäischen Union sehen sich die Wettbewerbsbehörden den Deal genau an. Die EU-Kommission leitete Ende Oktober eine vertiefte Untersuchung ein. Die chinesische Wettbewerbsaufsicht muss die Übernahme ebenfalls absegnen, was Beobachter als hohe Hürde werten (China.Table berichtete). rtr/tho
Um die Macht der Internetplattformen zu begrenzen, arbeitet die EU am Digital Markets Act (DMA). Der Entwurf der Kommission für den DMA sieht vielversprechend aus und zeigt glaubwürdige Ambitionen, gegen digitale Gatekeeper wie Google oder Facebook vorzugehen und deren Monopolmacht in Europa zu bekämpfen.
Entscheidend für das Funktionieren der Verhaltensmaßnahmen des DMA ist jedoch, dass die Verpflichtungen für Plattformen schnell und ohne Verzögerungen in Kraft treten. Aber nicht alle der für die Gatekeeper festgelegten Regeln sind sofort anwendbar. Einige ermöglichen einen sogenannten regulatorischen Dialog mit den Gatekeepern, bevor die Regeln durchgesetzt werden. Diese Chance wollen BigTech-Lobbyisten nutzen, um die Durchsetzung der Regeln zu untergraben: Regulierungsdialoge bieten die Möglichkeit, die Verpflichtungen für Gatekeeper infrage zu stellen oder zumindest zu verzögern.
Internetplattformen wie Google oder Facebook setzen sich in ihrer Lobbyarbeit zum DMA für einen fallweisen Ansatz ein und warnen immer wieder vor den vermeintlich schädlichen Folgen von sofort greifenden Regeln. Wenn man Lobbyisten der Plattformen in Brüssel zuhört, scheint eine Ausweitung des Regulierungsdialogs der Schlüssel zu sein. Facebook spricht von einem “soliden, konformen Dialog”. Verbände wie der Computer and Communications Industry Council (CCIA) fordern die EU auf, “den regulatorischen Dialog der DMA zu verstärken”.
Big Tech will damit Zeit gewinnen – und vor allem einen Ansatzpunkt, um die Verpflichtungen für Gatekeeper des DMA anzufechten. Das ist gefährlich und ein Versuch, die konkreten Regeln des DMA zu verwässern. Und es würde den Ansatz des DMA im Grundsatz auf den Kopf stellen: Sinn und Zweck des Gesetzes über digitale Märkte ist es, ein Regelwerk und Standards für das Verhalten von Plattformen zu schaffen – die Umwandlung des DMA in eine Einzelfallprüfung konterkariert dieses ursprüngliche Ziel.
Im Europäischen Parlament fand diese Forderung leider Anklang bei einigen liberalen Abgeordneten. Dies gilt etwa für Andrus Ansip, Ex-Vizepräsidenten der Kommission, einem wichtigen osteuropäischen Liberalen und stellvertretenden Vorsitzenden des Binnenmarktausschusses (IMCO), der federführend am DMA beteiligt ist. Die liberale Gruppe im Parlament könnte bei der Abstimmung über den DMA das Zünglein an der Waage sein, daher ist ihre Position zum Regulierungsdialog wichtig.
Während Abgeordnete im Europäischen Parlament den Interessen von Big Tech entgegenzukommen zu scheinen, bleiben die Kommission und wichtige Mitgliedsstaaten wie Deutschland oder Frankreich bisher standhaft und beabsichtigen die Dialoge nicht auszuweiten. Für eine effektive Umsetzung des DMA muss das Europäische Parlament die Position der Kommission zu begrenzten regulatorischen Dialogen stärken. Es sollte nicht in die Falle tappen: Big-Tech-Lobbyisten versuchen, die neuen Regeln auf diese Weise zu schwächen.
Das allein reicht jedoch nicht aus. Die EU sollte Facebook, Google und Co nicht nur verbieten, ihre Verhandlungsmacht zu stärken. Es gibt auch eine Möglichkeit, die Position der Kommission in den Durchsetzungsverfahren der DMA zu stärken. Bislang spielen Unternehmen oder Interessengruppen, die von der Gatekeeper-Macht betroffen sind, im DMA noch keine Rolle. Das muss sich ändern.
Von Gatekeepern betroffene KMU, unabhängige Wissenschaftler*innen und andere zivilgesellschaftliche Gruppen könnten als Zeugen im Durchsetzungsverfahren eine entscheidende Rolle spielen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es werden mehr kritische Stimmen zu Big Tech gehört, und die Verhandlungsposition der Kommission wird verbessert, wenn es zu Gesprächen mit den Anwälten von Facebook, Google und Co kommt. Die warten bereits auf neue, erweiterte Regulierungsdialoge.
Die Union irrt derzeit irgendwo zwischen Regierungs- und Oppositionsbank umher. Augenscheinlicher Ausdruck der Orientierungslosigkeit: Am Donnerstag sollte der Bundestag auf deren Wunsch über einen Antrag der Unionsfraktion beraten, Titel: “Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU generationengerecht erhalten”. Es dauerte aber nicht lange, da war der Tagesordnungspunkt schon wieder abgesetzt.
In den vergangenen Regierungsjahren haben sich CDU/CSU nicht sonderlich produktiv zu dem Thema eingebracht. In der Opposition soll sich das offenkundig ändern, darauf deutet nicht nur der nun vertagte Antrag hin. Die Union sieht den Stabilitätspakt offenkundig als Thema, mit dem man den bürgerlichen Teil einer Ampel-Koalition angreifen kann: die FDP. Bei den Freidemokraten macht man sich jedenfalls keine Illusionen darüber, wer der Lieblingsgegner der neuen Opposition sein wird.
Christian Lindner sollte daher auf der Hut sein, die Flanke nicht zu weit zu öffnen. Grüne und (weniger energisch) SPD drängen die Liberalen, die anlaufende Diskussion auf EU-Ebene über die Fiskalregeln nicht per Koalitionsvertrag abzuwürgen. Auch Paris meldet sich zu Wort.
Die diesbezüglich bislang geräuschlosen Koalitionsverhandlungen deuten darauf hin, dass die FDP sich nicht stur stellt. Lindner selbst attestierte Reformvorschlägen von ESM-Ökonomen jüngst “stabilitätspolitische Kontinuität”. Vielleicht mag der FDP-Chef damit die Sorgen im Ausland dämpfen, wonach mit ihm ein “Hardliner” Bundesfinanzminister werden könnte. Womöglich bereiten dem FDP-Chef die künftigen Oppositionsparteien CDU/CSU aber auch keine allzu großen Sorgen. Angesichts der dort herrschenden Verwirrung wäre das auch nachvollziehbar. Till Hoppe
die Ampel-Parteien sehen sich im Plan: Kommende Woche wollen SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorlegen. Mittwoch, Freitag und der kommende Montag sind als Verhandlungstage für die Spitzenvertreter in der Kopfgruppe angesetzt, womöglich kommen weitere hinzu.
Zu klären gibt es noch einiges, auch mit Blick auf EU-Themen: Noch offen sei etwa, ob alle drei Parteien die Formulierung mittragen, dass Atomkraft in der Taxonomie nicht als nachhaltig gelten solle, meldete die Nachrichtenagentur Reuters am Abend unter Berufung auf ein Papier aus der AG Finanzen.
In Verzug gerät hingegen die Ostseepipeline Nord Stream 2. Die Bundesnetzagentur hat die Zertifizierung des umstrittenen Projekts ausgesetzt – zunächst müsse die Betreiberfirma nach deutschem Recht organisiert werden. Das aber braucht Zeit, Experten halten schon eine Zertifizierung bis Ende 2022 für “sportlich”, wie Timo Landenberger berichtet. Die Nachricht trieb gestern die Gaspreise erneut in die Höhe – denn Russland macht wenig Anstalten, ohne Nord Stream 2 die Lieferungen hochzufahren. Eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die Gaspipeline scheiterte hingegen vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald.
Ebenfalls bereits in Verzug ist das EU-Sorgfaltspflichten-Gesetz. Die Folgenabschätzung für das von der Industrie gefürchtete Vorhaben liegt derzeit erneut zur Prüfung beim “Regulatory Scrutiny Board”, wie Charlotte Wirth erfahren hat. Ob der avisierte Termin Anfang Dezember gehalten werden kann, scheint fraglich.
Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist zwar fertiggestellt. Noch in diesem Jahr wollte der russische Energiekonzern Gazprom mit den ersten Gaslieferungen nach Europa beginnen, und Kreml-Chef Vladimir Putin drängte auf eine baldige Betriebserlaubnis durch die Entscheidungsträger in Deutschland und auf EU-Ebene. Doch daraus wird nun nichts.
Die Bundesnetzagentur hat die Zertifizierung des umstrittenen Projekts auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Zunächst müsse die Betreiberfirma von Nord Stream 2 nach deutschem Recht organisiert werden, teilte die Bonner Behörde mit. Das könnte die Inbetriebnahme um viele weitere Monate verzögern. Die Nachricht trieb die Gaspreise am Dienstag noch einmal stark in die Höhe.
Laut EU-Gasrichtlinie, gegen die sich die Nord Stream 2 AG mehrfach juristisch zur Wehr gesetzt hatte, müssen Produktion, Transport und Vertrieb des Gases ausreichend getrennt sein. Die sogenannte Entflechtung (unbundling) soll die Unabhängigkeit des Netzbetreibers von anderen Tätigkeiten der Energieversorgung sicherstellen. Eine Möglichkeit wäre der Verkauf der Pipeline an eine andere Gesellschaft.
Die Alternative: eine Zertifizierung als entflochtener Fernleitungsnetzbetreiber (Independent Transmission Operator, ITO). Den entsprechenden Antrag hatte die Nord Stream 2 AG bereits bei der Bundesnetzagentur gestellt. Der Vorteil: Die Pipeline bleibt im Eigentum.
Statt die bestehende Gesellschaft umzubauen, hat sich die Nord Stream 2 AG jedoch dazu entschlossen, eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht nur für den deutschen Teil der Pipeline zu gründen. Juristisch sei das unproblematisch und durchaus im Sinne des ITO-Modells, sagt Energierechtsexpertin Valentina Eigner von der Kanzlei bpv Hügel zu Europe.Table. “Die gesellschaftsrechtliche Trennung ist eine der Voraussetzungen. Das heißt aber nicht, dass das neue Unternehmen nicht unter dem Eigentum der Holding stehen darf.”
Weitere Vorgaben für die Nord Stream 2 AG seien die klare Trennung des Personals und des Vorstands, die Einführung einer eigenen Corporate Identity nebst neuem Namen sowie die Ausstattung mit eigenen finanziellen Mitteln. Das koste viel Zeit, so Eigner, weshalb die ursprüngliche Frist für die Zertifizierung bis zum 8. Januar 2022 unmöglich einzuhalten sei. Die Expertin rechnet frühestens Ende 2022 mit einer Zertifizierung. Und auch das sei schon “sportlich”.
Laut Bundesnetzagentur bleibt das Zertifizierungsverfahren so lange ausgesetzt, bis die Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte und personellen Mittel auf die Tochtergesellschaft der Nord Stream 2 AG abgeschlossen ist. Danach werde das Verfahren mit der Tochtergesellschaft als neuer Antragstellerin fortgesetzt. Selbst wenn die Behörde grünes Licht gibt, hat anschließend die Europäische Kommission vier Monate Zeit für eine Überprüfung. Auch eine Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums hinsichtlich der Sicherheit der Energieversorgung ist erforderlich, bevor wiederum die BNetzA weitere zwei Monate Zeit hat für eine endgültige Zertifizierung.
Den Prozess auszusetzen sei absolut folgerichtig, sagte Claudia Müller, Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern, zu Europe.Table. Die Grünen-Politikerin lehnt Nord Stream 2 ab und bezeichnet das Projekt als “geopolitisches Fiasko der deutschen Außenpolitik, das gegen alle Warnungen enger Verbündeter durchgeboxt wurde.” Daneben schade die Pipeline den EU-Klimazielen und sei daher ein “rückwärtsgewandter Fehler”.
Für den CDU-Energiepolitiker Markus Pieper ist die Aussetzung hingegen ein Beispiel, “wie man sich bei der Energiewende selbst Steine in den Weg legen kann. Ich denke, dass man solche Zertifizierungsfragen mit etwas gutem Willen auch schnell ausräumen kann, ohne gegen Gesetze zu verstoßen.” Das Projekt habe gerade für Deutschland, das aus Kohle und Kernkraft gleichzeitig aussteigt, eine wichtige Bedeutung, so der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Die bisherige Bundesregierung setzt auf Gas als Energieträger für den Übergang zu erneuerbaren Energien.
Der Verband der europäischen Gasversorger rechne jedoch mit keinem steigenden Gasverbrauch in der EU, hält Müller dagegen. Auch ein Kohleausstieg im Jahr 2030 werde die bisher vorhandene Pipeline-Kapazitäten wohl nicht an ihre Grenzen bringen. Weiter auf fossiles Gas zu setzen, behindere vielmehr die notwendigen Schritte hin zu postfossilen Energieträgern.
Es ist das Sorgenkind der EU-Kommission: Das Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (Europe.Table berichtete) soll um mindestens eine weitere Woche verschoben werden. Die Kommission scheint nicht mehr überzeugt, dass sie die derzeitige Deadline 8. Dezember einhalten kann. Intern wird nun bereits der 14. Dezember gehandelt. Das EU-Lieferkettengesetz werde “auf jeden Fall noch vor diesem Winter kommen”, soll Didier Reynders am Montag Vertretern des Europäischen Parlaments versprochen haben. Damit blieben nur der 14.12. und der 22.12.: Danach geht die Kommission in Winterpause.
Vielleicht hofft man auch, nach Vorbild des EU-China Investmentdeals, so kurz vor Weihnachten der Kritik jener zu entgehen, die sich für ein starkes Gesetz aussprechen. Im kommissionsinternen Streit zwischen Didier Reynders und Thierry Breton scheint sich jedenfalls der französische Industriekommissar durchzusetzen. Will heißen: kein zu starkes EU-Lieferkettengesetz, mit keinem zu breiten Anwendungsbereich.
Aktuell liegt die Folgenabschätzung erneut beim “Regulatory Scrutiny Board”. Zuletzt war der Text des EU-Lieferkettengesetzes hier durchgefallen – nur so kam Breton überhaupt an das Dossier. Doch einige Punkte sind weiter offen. Etwa, ob denn nun mit einem oder mit zwei Texten zu rechnen ist. Das mache man davon abhängig, so heißt es, wie viel Unmut einige Elemente des Textes auslösten.
Konkret geht es um die persönliche Haftung der Geschäftsführer, die nicht nur der Industrie, sondern auch einigen Kommissar:innen bitter aufstößt. Momentan deutet alles darauf hin, dass dieser Teil entweder ausgelagert wird, oder noch wahrscheinlicher, dass er irgendwann in der Schublade verschwindet.
Auch die Reichweite des Textes ist weiterhin ungeklärt. Hier zeichnet sich aber ab, dass das EU-Lieferkettengesetz vornehmlich auf große Betriebe zielt. Man hofft dabei auf einen Kaskadeneffekt: Dadurch, dass große Unternehmen oft mit einer großen Anzahl an Zulieferern arbeiten, würde auch dort die Sorgfaltspflicht auf indirektem Wege eingeführt. Und dies, ohne dass die KMUs zu große administrative Bürden oder Sanktionen befürchten müssten. Im komplementären EU-Kommissionsvorschlag zur Bekämpfung der Abholzung von Wäldern, der heute vorgestellt wird, ist in Bezug auf das Lieferkettengesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht von “einem gezielten Regime für KMU” die Rede.
Der Druck aus Deutschland sei groß, heißt es. Dort wünschen sich insbesondere Unternehmensvertreter, dass die EU-Verordnung einer Anpassung an das deutsche Lieferkettengesetz gleichkommt und somit nur die ersten Stufen der Lieferketten betroffen sind.
Bislang allerdings bringen sich nur die Mitgliedstaaten aus Westeuropa in die Diskussionen zum EU-Lieferkettengesetz ein. Absehbar ist jedoch, dass die osteuropäischen Staaten alles andere als erfreut über eine Verordnung sind. Spätestens wenn der Rat im kommenden Jahr seine Position zum Kommissionsvorschlag ausarbeiten wird, sind Spannungen zu erwarten. Unter französischer Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 ist mit einer Verschärfung eines europäischen Vorschlags derweil kaum zu rechnen.
Die Allgemeine Ausrichtung des Rates zum Digital Services Act wird heute im AStV I abschließend vorbereitet. Der Ausschuss der Ständigen Vertreter soll die finale Vorlage absegnen, bevor sie am 25. November im Rat offiziell angenommen wird und damit zur Verhandlungsgrundlage für den Trilog wird.
Die Beschlussvorlage enthält dabei einige Änderungen, die Konfliktpotenzial mit dem Parlament bergen. Dort ist die Abstimmung im Binnenmarktausschuss für den 9. Dezember angesetzt. Insbesondere in den vorgeschlagenen Regelungen für Löschfristen, personalisierte Werbung, den Regelungen zu den sogenannten Dark Patterns und dem institutionellen Gefüge zwischen den Aufsichtsbehörden der Nationalstaaten und der EU-Kommission dürften neue Konfliktpunkte liegen. Viel Zeit für Diskussionen, bis hin zum Inkrafttreten des Digital Services Act, das der Rat erst 18 Monate nach der Veröffentlichung im Amtsblatt sehen will.
Besonders große Suchmaschinen wurden als eigene Kategorie in die Ratsposition aufgenommen: Wenn sie mindestens 45 Millionen aktive Nutzer im Monat verzeichnen, sollen auf sie ebenfalls die Regelungen des Abschnitts 4 (Einhegung systemischer Risiken) Anwendung finden. Entsprechend der Abkürzung für Very Large Online Platforms VLOP heißen die Very Large Online Search Engines VLOSE.
Ein von der Whistleblowerin Frances Haugen betonter Punkt: Ausdrücklich sollen besonders große Onlineplattformen ihre Systeme auf Risiken prüfen, die Grundrechtsfolgen haben können – unter anderem die Empfehlungssysteme (Artikel 27).
Ein Streitpunkt unter allen Beteiligten war bis zuletzt immer wieder die Frage der Löschfristen für illegale Inhalte bei den VLOPs. Der Ratsvorschlag sieht nun vor, dass im Fall einer Meldung durch sogenannte Trusted Flaggers die Mehrheit illegaler Hass-Inhalte binnen weniger als 24 Stunden gelöscht werden soll (Erwägungsgründe 46 und 58). In anderen Fällen seien die Fristen unterschiedlich, abhängig vom Inhalt und der Komplexität.
Allerdings finden sich die genauen Fristangaben nicht im eigentlichen Gesetzestext wieder: Im Artikel 27 des Ratsvorschlages werden zwar VLOPs Moderationsprozesse auferlegt, mit denen illegale Inhalte entfernt bzw. unzugänglich gemacht werden sollen. Harte Fristen sind dort jedoch nicht mehr vorgesehen (Europe.Table berichtete).
Der Status als “Vertrauenswürdiger Benachrichtiger” soll dabei von der als Digital Services Coordinator (DSC) benannten öffentlichen Stelle verliehen werden. Ihre Gesamtzahl soll dabei jedoch beschränkt sein und sowohl öffentliche Stellen, Stellen im öffentlichen Auftrag als auch Verbände beinhalten. Rechteverwerter und -vertreter sind in der Fassung des Rates nicht mehr namentlich genannt, dürften jedoch ebenfalls den Status über die Verbände erhalten können. Meldungen der Trusted Flagger sollen gegenüber denen anderer Hinweisgeber priorisiert abgearbeitet werden.
Ein Verbot personalisierter Werbung – wie von einigen Parlamentariern gefordert – ist im Ratsvorschlag nicht enthalten. Stattdessen sollen laut Artikel 30 besonders große Plattformen für mehr Transparenz sorgen. In einem speziellen Onlinebereich sollen sie für ein Jahr nach Ausspielung der Werbung Informationen wie Inhalt, Namen des beworbenen Produkts, den Anzeigezeitraum und die Hauptparameter der Zielgruppe sowie die Zahl der tatsächlich erreichten Nutzer jeder Zielgruppe in jedem Mitgliedstaat hinterlegen müssen. Diese Informationen sollen, ohne personenbezogene Daten, öffentlich zugänglich sein.
Zudem soll die Werbebranche sich (Artikel 36) auch Verhaltens-Kodizes geben, an denen neben den Anbietern auch alle an der Werbung beteiligten Akteure der Wertschöpfungskette, Nutzer und Zivilgesellschaft beteiligt werden sollen.
Die als Dark Patterns bekannt gewordenen irreführenden Designs, mit denen Nutzer zu für sie selbst nachteiligen Entscheidungen verleitet werden sollen (Europe.Table berichtete), werden den sehr großen Plattformen im Ratsvorschlag untersagt: Sie sollten die Autonomie, die Entscheidungsfindung und die Wahlmöglichkeiten der Nutzer weder durch das Design, die Struktur, Funktionen noch die Art ihrer Nutzeroberflächen zu beeinflussen versuchen (Artikel 29, Nr. 3 Ratsvorschlag).
Die Ratsposition versucht, das Herkunftslandprinzip zu stärken und die Zuständigkeiten eindeutiger zu gestalten, auch mit Blick auf eine Durchsetzung durch die EU-Kommission.
Den Mitgliedstaaten ist hierbei offensichtlich daran gelegen, aus dem Durchsetzungsdefizit der DSGVO Schlüsse zu ziehen, Mehrfach- und Parallelzuständigkeiten zu vermeiden und die innerstaatliche und innereuropäische Kooperation klarer zu fassen. Dazu gehört unter anderem, dass die vom Mitgliedstaat als Digital Services Coordinator (DSC) benannte Stelle sowohl mit ausreichend Rechtsmitteln, finanziellen Mitteln als auch mit adäquater Personalausstattung ausgestattet sein soll.
Der Digital Services Coordinator ist dabei zugleich Aufsichtsbehörde über die unter den DSA fallenden Anbieter im jeweiligen Nationalstaat als auch Koordinierungsstelle zu anderen Stellen des Mitgliedstaates und mit den DSCs anderer Staaten. Dazu kommt die Zusammenarbeit im europäischen DSC-Ausschuss sowie die Abstimmung mit der EU-Kommission in jenen Fällen besonders großer Plattformen und Suchmaschinen, in denen diese zuständig sein soll- eine aufwändige Aufgabe. Die Regelungen zum Digital Services Coordinator müssen dabei in Form einer Richtlinie von den Mitgliedstaaten in ihr nationales Recht überführt werden.
Anbieter müssen den DSCs wesentliche Daten über ihren Betrieb und die von ihnen getroffenen Maßnahmen melden. Sobald ein Anbieter die Schwellenwerte für VLOPs/VSOEs überschreitet, sollen die zuständigen Digital Services Coordinator die Kommission informieren, die dann eine Entscheidung darüber trifft, ob sie die Zuständigkeit an sich zieht. Die EU-Kommission soll allgemein unmittelbar für alle VLOPs/VSOEs zuständig sein, allerdings auch mit den DSCs zusammenarbeiten.
Für kleinere Anbieter ist grundsätzlich die im Herkunftsland sitzende Aufsichtsbehörde zuständig. In jenen Fällen, in denen ein Betreiber seinen Hauptsitz außerhalb der EU hat, wird die europäische Hauptniederlassung als Bezugspunkt genommen. Allerdings kann es auch hier Unterschiede geben: Wenn etwa der Mutterkonzern eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat, der Anbieter eines Teildienstes aber in einem anderen residiert, sind Doppelzuständigkeiten absehbar. Auch wenn Teile eines Dienstes aus einem, andere Teile aus einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden, könnten zwei DSCs die Kompetenz für sich beanspruchen.
Dem will der Rat dadurch entgegenwirken, dass er eine Benachrichtigungspflicht bei Aufnahme eines Verfahrens einführen will. Der Vorschlag enthält zudem einen Eskalationsmechanismus: Wenn die Kommission davon ausgeht, dass die Maßnahmen nicht den Regelungen des DSA entsprechen, soll sie dies dem zuständigen DSC mitteilen und dem DSC-Ausschuss melden.
Im vom Rat massiv umformulierten Artikel 46 sind die Regeln festgelegt, nach denen DSCs zur Zusammenarbeit verpflichtet werden können: Auf eigene Initiative sollen sie sich an Untersuchungen anderer DSC beteiligen können oder auf Beschluss des Ausschusses auf Antrag von mindestens drei anderen DSCs. Stellt sich im DSC-Ausschuss keine Lösung ein, soll die Kommission die Entscheidung über die Untersuchung treffen – und die zuständige Aufsichtsbehörde zur Verfahrensdurchführung zwingen können.
Deutlich verschärft werden mit dem Ratsvorschlag auch die Untersuchungsinstrumente: Statt Vor-Ort-Inspektionen werden “alle notwendigen Untersuchungen” für zulässig erklärt, insbesondere hoheitliche Handlungen wie das Betreten, Versiegelungen, Buchprüfungen, Kopien und Befragungen. Diese sollen in Kenntnis sowohl durch die zuständigen DSCs als auch mit deren Unterstützung in einer Art Amtshilfe durchgeführt werden.
Der Ratsvorschlag enthält zudem mit Artikel 49a einen Vorschlag, wie Kommission und DSCs systemische und neu aufkommende Risiken erkennen und adressieren können. Die Mitgliedstaaten sollen dabei die Zusammenarbeit mit der Kommission durch ihre DSCs und anderen Behörden fördern – unter anderem, indem sie Expertise und Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Mit Jasmin Kohl
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie rechnet bei einer Minderung der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 im Jahr 2030 mit einem Brutto-Strombedarf in Höhe von 655 Terawattstunden. Dies ist gleichbedeutend mit einem Mehrbedarf von 63 Terawattstunden (TWh) gegenüber dem Referenzjahr 2018, wie Prognos, das Fraunhofer ISI und das Öko-Institut im Auftrag des BMWi errechnet haben.
Haupttreiber des Bedarfs ist dabei die zunehmende Elektromobilität: 68 TWh sollen im Straßenverkehr bei 16 Millionen Elektro-PKW und 2,2 Millionen Plug-in-Hybriden im Jahr 2030 nötig sein. Zum Vergleich: Anfang 2021 waren auf deutschen Straßen laut Kraftfahrt-Bundesamt insgesamt 48,25 Millionen PKW zugelassen, davon nur 280.000 Plug-in-Hybride und 309.000 Elektrofahrzeuge. Auch der Strombedarf im Schienenverkehr soll der Berechnung zufolge um mehr als die Hälfte gegenüber 2018 ansteigen, von 11 auf 16 TWh.
Skeptischer zeigen sich die Forscher bei der Produktionsfähigkeit von grünem Wasserstoff im Inland: Hier senken sie ihre Prognose – und damit den hiermit verbundenen inländischen Strombedarf – um 9 TWh auf nur noch 21 TWh gegenüber ihrer Schätzung vom Sommer. Da das jetzt verwendete Szenario allerdings von weniger Offshore-Windkraft-Kapazität bis 2030 ausgeht (21 statt 25 TWh) als das vorherige, sinkt auch die prognostizierte Wasserstoffproduktion und deren Energiebedarf. Dadurch würde jedoch der Energiebedarf an anderen Orten außerhalb Deutschlands steigen, was die Prognose jedoch nicht berechnet.
Neue Verbraucher wie Batteriezellfabriken werden ebenfalls als energiehungrig klassifiziert: Hier geht die Prognose von einem Bedarf von 15 TWh im Jahr 2030 aus. Derweil sollen Rechenzentren sogar effizienter werden und trotz weiterer Digitalisierung in Summe 2 Terawattstunden einsparen. Beträchtliches Einsparpotenzial macht die Prognose zudem im Bereich der Kraftwerke selbst aus: 22 TWh seien durch das Ausphasen von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken einzusparen.
Damit die Rechnung insgesamt aufgeht, muss aber vor allem eines klappen: 51 Terawattstunden sollen durch “Effizienz- und Struktureffekte” erzielt werden, in Haushalten, bei gewerblichen und industriellen Verbrauchern. fst
Chinas EU-Botschafter erhofft sich von Deutschlands kommender Regierung eine Fortsetzung von Angela Merkels politischer Ausrichtung gegenüber Peking. “Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung auf dem politischen Erbe von Bundeskanzlerin Merkel aufbauen und die pragmatische China-Politik fortsetzen kann, die den Erwartungen unserer beiden Völker folgt”, sagte Zhang Ming am Dienstag bei einer Online-Veranstaltung des Thinktanks European Policy Center. China und Deutschland seien “umfassende strategische Partner”, so Zhang. Als große Länder müssten sie zusammenarbeiten, um ein “Win-win-Ergebnis” zu erzielen.
In Bezug auf das derzeit lahmgelegte Investitionsabkommen CAI sagte Zhang, dass Chinas Entscheidung weiterhin bestehe, das Abkommen einzuhalten. “Der Ball liegt ehrlich gesagt in Brüssel.” Das Europaparlament hatte wegen der Sanktionen gegen mehrere Europa-Abgeordnete die Arbeit an dem Text zunächst eingestellt.
Peking hatte die Strafmaßnahmen als Retourkutsche verhängt: Brüssel hatte zuvor mehrere Beamte in Xinjiang wegen Menschenrechtsverletzungen sanktioniert. Diese Sanktionen kommen Ende des Jahres in Brüssel wieder auf den Tisch und sollen gegebenenfalls verlängert werden. Zhang wich der Frage aus, ob sich China dafür erneut rächen werde. Er beantwortete auch nicht die Frage, ob EU-Abgeordneten Sanktionen drohen, wenn sie sich für EU-Beziehungen zu Taiwan einsetzen. ari
Finanzaufseher sollten aus Sicht von Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling den Geldhäusern keine “grünen” Geschäftsmodelle vorschreiben. “Das läge außerhalb unseres Mandats, das darin besteht, Banken gesund und sicher zu halten”, sagte Wuermeling am Dienstag auf dem Finanzkongress Euro Finance Week in Frankfurt.
Er stehe deshalb auch einem Vorschlag der EU-Kommission in ihrem jüngsten Paket zur Umsetzung der globalen Bankenreform in Europa sehr kritisch gegenüber. Der Vorschlag sehe vor, dass Aufseher handeln sollten, falls die Geschäftsmodelle von Banken nicht mit den relevanten Politikzielen der EU übereinstimmten. Wuermeling ist im Bundesbank-Vorstand für das wichtige Ressort Bankenaufsicht zuständig.
“Wenn wir von Banken nur möchten, dass sie grüner werden, aber dies bedeutet, dass Banken angehalten werden, in potenziell riskante Vermögenswerte zu investieren, dann würden wir womöglich sogar unseren Auftrag zur Wahrung von Finanzstabilität untergraben”, warnte er. Aufseher sollten aus Sicht des Bundesbank-Vorstands daher Abstand davon nehmen, Banken aktiv in Richtung vermeintlich grünerer Geschäftsmodelle zu lenken. Er sei erfreut darüber, dass die Finanzindustrie beim Thema Klimawandel Verantwortung übernehme. “Aber ich warne: Sie sollte gleichwohl nicht überlastet werden. Und das Gleiche trifft auch auf Aufseher zu.” rtr
Großbritannien hat am Dienstag eine vertiefte Untersuchung der geplanten Übernahme des britischen Chipentwicklers Arm durch Nvidia eingeleitet. “Arm hat einen einzigartigen Platz in der globalen Technologie-Lieferkette und wir müssen sicherstellen, dass die Auswirkungen dieser Transaktion vollständig berücksichtigt werden”, sagte die britische Digitalministerin Nadine Dorries.
Arm vergibt Lizenzen für seine Baupläne an große Chiphersteller wie Apple, Qualcomm und Samsung Electronics, die die Grundlage für das weltweite Smartphone-Ökosystem bilden. Das britische Technologieunternehmen wurde 2016 an den japanischen Investor Softbank verkauft. Nvidia, der weltgrößte Hersteller von Grafik- und KI-Chips, kündigte im September 2020 an, Arm übernehmen zu wollen. Der Deal hat inzwischen ein Volumen von rund 54 Milliarden Dollar.
Viele der Kunden von Arm sehen den Deal kritisch, da sie mit Nvidia konkurrieren. Der US-Konzern will sich verpflichten, die Neutralität beizubehalten, die für den Erfolg von Arm ausschlaggebend war. Die britische Marktaufsichtsbehörde CMA hat nun 24 Wochen Zeit für die vertiefte Untersuchung. Auch in den USA und der Europäischen Union sehen sich die Wettbewerbsbehörden den Deal genau an. Die EU-Kommission leitete Ende Oktober eine vertiefte Untersuchung ein. Die chinesische Wettbewerbsaufsicht muss die Übernahme ebenfalls absegnen, was Beobachter als hohe Hürde werten (China.Table berichtete). rtr/tho
Um die Macht der Internetplattformen zu begrenzen, arbeitet die EU am Digital Markets Act (DMA). Der Entwurf der Kommission für den DMA sieht vielversprechend aus und zeigt glaubwürdige Ambitionen, gegen digitale Gatekeeper wie Google oder Facebook vorzugehen und deren Monopolmacht in Europa zu bekämpfen.
Entscheidend für das Funktionieren der Verhaltensmaßnahmen des DMA ist jedoch, dass die Verpflichtungen für Plattformen schnell und ohne Verzögerungen in Kraft treten. Aber nicht alle der für die Gatekeeper festgelegten Regeln sind sofort anwendbar. Einige ermöglichen einen sogenannten regulatorischen Dialog mit den Gatekeepern, bevor die Regeln durchgesetzt werden. Diese Chance wollen BigTech-Lobbyisten nutzen, um die Durchsetzung der Regeln zu untergraben: Regulierungsdialoge bieten die Möglichkeit, die Verpflichtungen für Gatekeeper infrage zu stellen oder zumindest zu verzögern.
Internetplattformen wie Google oder Facebook setzen sich in ihrer Lobbyarbeit zum DMA für einen fallweisen Ansatz ein und warnen immer wieder vor den vermeintlich schädlichen Folgen von sofort greifenden Regeln. Wenn man Lobbyisten der Plattformen in Brüssel zuhört, scheint eine Ausweitung des Regulierungsdialogs der Schlüssel zu sein. Facebook spricht von einem “soliden, konformen Dialog”. Verbände wie der Computer and Communications Industry Council (CCIA) fordern die EU auf, “den regulatorischen Dialog der DMA zu verstärken”.
Big Tech will damit Zeit gewinnen – und vor allem einen Ansatzpunkt, um die Verpflichtungen für Gatekeeper des DMA anzufechten. Das ist gefährlich und ein Versuch, die konkreten Regeln des DMA zu verwässern. Und es würde den Ansatz des DMA im Grundsatz auf den Kopf stellen: Sinn und Zweck des Gesetzes über digitale Märkte ist es, ein Regelwerk und Standards für das Verhalten von Plattformen zu schaffen – die Umwandlung des DMA in eine Einzelfallprüfung konterkariert dieses ursprüngliche Ziel.
Im Europäischen Parlament fand diese Forderung leider Anklang bei einigen liberalen Abgeordneten. Dies gilt etwa für Andrus Ansip, Ex-Vizepräsidenten der Kommission, einem wichtigen osteuropäischen Liberalen und stellvertretenden Vorsitzenden des Binnenmarktausschusses (IMCO), der federführend am DMA beteiligt ist. Die liberale Gruppe im Parlament könnte bei der Abstimmung über den DMA das Zünglein an der Waage sein, daher ist ihre Position zum Regulierungsdialog wichtig.
Während Abgeordnete im Europäischen Parlament den Interessen von Big Tech entgegenzukommen zu scheinen, bleiben die Kommission und wichtige Mitgliedsstaaten wie Deutschland oder Frankreich bisher standhaft und beabsichtigen die Dialoge nicht auszuweiten. Für eine effektive Umsetzung des DMA muss das Europäische Parlament die Position der Kommission zu begrenzten regulatorischen Dialogen stärken. Es sollte nicht in die Falle tappen: Big-Tech-Lobbyisten versuchen, die neuen Regeln auf diese Weise zu schwächen.
Das allein reicht jedoch nicht aus. Die EU sollte Facebook, Google und Co nicht nur verbieten, ihre Verhandlungsmacht zu stärken. Es gibt auch eine Möglichkeit, die Position der Kommission in den Durchsetzungsverfahren der DMA zu stärken. Bislang spielen Unternehmen oder Interessengruppen, die von der Gatekeeper-Macht betroffen sind, im DMA noch keine Rolle. Das muss sich ändern.
Von Gatekeepern betroffene KMU, unabhängige Wissenschaftler*innen und andere zivilgesellschaftliche Gruppen könnten als Zeugen im Durchsetzungsverfahren eine entscheidende Rolle spielen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es werden mehr kritische Stimmen zu Big Tech gehört, und die Verhandlungsposition der Kommission wird verbessert, wenn es zu Gesprächen mit den Anwälten von Facebook, Google und Co kommt. Die warten bereits auf neue, erweiterte Regulierungsdialoge.
Die Union irrt derzeit irgendwo zwischen Regierungs- und Oppositionsbank umher. Augenscheinlicher Ausdruck der Orientierungslosigkeit: Am Donnerstag sollte der Bundestag auf deren Wunsch über einen Antrag der Unionsfraktion beraten, Titel: “Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU generationengerecht erhalten”. Es dauerte aber nicht lange, da war der Tagesordnungspunkt schon wieder abgesetzt.
In den vergangenen Regierungsjahren haben sich CDU/CSU nicht sonderlich produktiv zu dem Thema eingebracht. In der Opposition soll sich das offenkundig ändern, darauf deutet nicht nur der nun vertagte Antrag hin. Die Union sieht den Stabilitätspakt offenkundig als Thema, mit dem man den bürgerlichen Teil einer Ampel-Koalition angreifen kann: die FDP. Bei den Freidemokraten macht man sich jedenfalls keine Illusionen darüber, wer der Lieblingsgegner der neuen Opposition sein wird.
Christian Lindner sollte daher auf der Hut sein, die Flanke nicht zu weit zu öffnen. Grüne und (weniger energisch) SPD drängen die Liberalen, die anlaufende Diskussion auf EU-Ebene über die Fiskalregeln nicht per Koalitionsvertrag abzuwürgen. Auch Paris meldet sich zu Wort.
Die diesbezüglich bislang geräuschlosen Koalitionsverhandlungen deuten darauf hin, dass die FDP sich nicht stur stellt. Lindner selbst attestierte Reformvorschlägen von ESM-Ökonomen jüngst “stabilitätspolitische Kontinuität”. Vielleicht mag der FDP-Chef damit die Sorgen im Ausland dämpfen, wonach mit ihm ein “Hardliner” Bundesfinanzminister werden könnte. Womöglich bereiten dem FDP-Chef die künftigen Oppositionsparteien CDU/CSU aber auch keine allzu großen Sorgen. Angesichts der dort herrschenden Verwirrung wäre das auch nachvollziehbar. Till Hoppe